1896 / 135 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 08 Jun 1896 18:00:01 GMT) scan diff

semitischen Gedankens, der die Agrarier, den Mittelstand bewegt. Die Agrarier und der Mittelstand wehren sich gegen die Aristokratie des Geldes, die man aber eher eine Kakistokratie nennen könnte. Die ““ hat einen gewaltigen Eindruck semacht, sodaß die Nationalliberalen einstimmig das Verbot des erminhandels 1 Getreide unterstützt haben; und auch das Zentrum ist nicht ohne Eindruck geblieben. Der latente Antisemitismus, der in jeder arischen Seele vorhanden ist, hat sich Bahn gebrochen. Die Soztialdemokratie zeigt in dieser Frage das Janusgesicht, welches auf der einen Seite die Züge des Herrn Schönlank und auf der anderen die des Herrn Singer trägt. Schönlank trat für ein Börsen⸗ reformgesetz ein, aber Herr Singer wollte die Interessen der Börse nicht schädigen, denn sie ist die milchende Kuh für die Sozialdemokratie. Man hoffte auf ein unschädliches Gesetz, aber es kam anders. Es wurden wirksame Vorschriften in das Gesetz aufgenommen, und da wollen die Sozialdemokraten nicht mehr mitthun. Das ist die beste Empfehlung für den Entwurf, die man sich irgendwie wünschen kann.

Abg. Singer Fa Das Zentrum und die Nationalliberalen werden sich wahrscheinlich nicht sehr darüber freuen, von dem Vor⸗ redner gelobt zu werden. Die Börse wird den Herren aber an Findigkeit über sein, und das Verbot des Terminhandels wird nicht viel helfen. Als wir uns für die Börsenreform erklärten, war von einem Verbot des Terminhandels keine Rede. Wir sind uns also konscquent geblieben. Die Wahrheit bleibt bei den Sozial⸗ demokraten. Die Gewohnheit der Antisemiten bildet sich immer mehr dahin aus, daß man entweder mit dem Dreschflegel drein⸗ schlagen oder stillschweigende Verachtung Ptgegensegen muß. (Vize⸗ Präsident Schmidt bittet den Redner, sich den eersonen des Hauses egenüber etwas zu mäͤßigen.) Sie (rechts) sollten auf die Auf⸗ stchtsräthe nicht schimpfen, wenn Sie selber darin sind. Giebt es einen müheloseren Erwerb als den der Aufsichtsräthe? Das Eigenthümlichste war, daß Herr von Ploetz Spekulationsgeschäfte eigentlich nur zum Studium gemacht hat. Wir vertreten in der Dis⸗ kussion nur depeage. von dessen Glaubwürdigkeit wir uns über⸗ zeugt haben. Ob das auf allen Seiten der Fall ist, lasse ich dahin⸗ geselt. Herr von Ploetz hat meine Behauptungen als Verleumdung und gemeine Lüge bezeichnet, er hat sich also selbst zuzuschreiben, wenn wir ihm den Beweis liefern, daß er an der Börse anders gehandelt, als er in der Presse schreibt und im Reichstage spricht. Abg. Dr.. Hahn (b. k. F.): Der Bund der Landwirthe hat nicht das einzelne Börsengeschäft bekämpft, sondern die Plünderung der Outsiders durch die Wissenden, Kapitalkräftigen. Es handelt sich um die Ausbeutung des Terminhandels für die Preisbildung, worüber man erst durch die Broschüren des Bundes der Landwirthe deat erhalten hat. Die Geschäfte, welche Herr von Ploetz gemacht hat, kennzeichnen ihn durchaus nicht als einen wilden Spekulanten; ebenso wenig ist er an blutigen Gründungen betheiligt gewesen. Er hat nichts gethan, was ihn mit seiner politischen Stellung in Wider⸗ spruch bringt. Wenn unter Börsenspekulanten auch Adlige, Agrarier sind, was hesagt das gegenüber der großen Parteibewegung? In den Aufsichtsrathsstellen sind auch viele Freisinnige vertreten. Wenn die Börse ein Sumpfboden ist, dann muß man den Boden entwässern, und daran müßten die Sozialdemokraten sich eigentlich betheiligen, aber das paßt ihnen nicht, weil dann die Sumpfpflanzen nicht mehr gedeihen. Der Terminhandel gleicht allerdings die Preise aus, aber er schafft auch neue Preisunterschiede künstlich, während vor seinem Bestehen die natürlichen Faktoren mehr zur Geltung kamen. Wir wollen die Preisbildung wieder natürlicher machen und unab⸗ hängiger von der Berliner Börse. Wenn die Preise für Getreide etwas höher werden, so dient das der Landwirthschaft und Sie

(Sozialdemokraten) merken auch wohl jetzt, daß es Ihnen nicht Ir. e

lingt, die Arbeiter auf dem platten Lande für sich zu gewinnen. Bauern und Landarbeiter brauchen nur aufgeklärt zu werden über diese Verhältnisse, dann werden solche Dinge nicht mehr vorkommen.

Abg. Dr. Barth (fr. Vgg.) wendet sich gegen die Aus⸗ führungen des Grafen Kanitz über den Terminhandel, dessen Verbot ein Schaden für Produzenten und Konsumenten sei, weil dadurch der Markt beschränkt und damit die Handelsgewinne vergrößert würden. Die großen Getreidehändler, führt Redner weiter aus, sind deshalb dem Verbot des Terminhandels garnicht abhold. Herr Paasche hat ausgeführt, daß die Landwirthe für ihr bestes Getreide nur den Preis erhalten, der für Lieferungsgetreide gezahlt wird, während die Händler das bessere Getreide theurer verkaufen. Wie kann aber durch Be⸗ seitigung des Termingeschäfts daran etwas geändert werden? Da kann doch nur veholsen werden durch eine Verbesserung der kauf⸗ männischen Bildung der Landwirthe; die mangelhafte kaufmännische Ausbildung der Landwirthe spielt in der ganzen Nothlage der Land⸗ wirthschaft überhaupt eine viel größere Rolle als alles Andere. Die perbündeten Regierungen nehmen das Verbot des Terminhandels mit in Kauf, um die Vorlage zu stande zu bringen. Sie sollten lieber diese Gelegenheit benutzen, um die ohnehin sehr verschlechterte Vor⸗ lage zu Falle zu bringen. In welche Lage kommen die verbündeten Regierungen, wenn sie auf Grund des Antrags Kanitz mit den anderen Staaten verhandeln wollen über die Abschaffung des Termin⸗ handels! Graf Arnim will mit einem seiner Anträge ein geradezu un⸗ geheuerliches Rechtsverhältniß schaffen. Ansprüche aus im Auslande abgeschlossenen börsenmäßigen Termingeschäften sollen nicht klagbar sein, ja es soll sogar bereits Geleistetes noch zurückgefordert werden können. Dadurch wird ja geradezu eine Prämie auf das Jobber⸗ thum gesetzt und das Ansehen der Kaufmannschaft geschädigt.

Abg. Liebermann von Sonnenberg: Die Tonart des Herrn Singer hat ihn selbst gerichtet und überhebt mich der Ant⸗ wort. Ich habe den Sozialdemokraten keine anderen Motive unter⸗ geschoben, als sie haben; ich habe nur das Thatsächliche festgestellt, daß man in erster Lesung der Vorlage zustimmt, während man jetzt fürchtet, daß das Judenthum durch die verschärfte Vorlage getroffen werde. Herr Singer hat daran erinnert, daß ich als junger Mensch eine Zeit lang in Wucherhänden gewesen sei. Ich habe gefehlt, ich habe gesühnt. Ich stehe seitdem 16 Jahre in der Oeffentlich⸗ keit, und Herr Singer wird in der Oeffentlichkeit mit seinen An⸗ deutungen keinen Eindruck machen. Die öffentliche Meinung an⸗ zurufen, wird keinen Zweck haben; denn die öffentliche Meinung wird getheilt sein, je nachdem sie uns oder den Sozialdemokraten zugeneigt ist. 8 . ¹

Damit schließt die Generaldiskussion. .

In der Spezialdiskussion werden der erste Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen über die Börsen und ihre Organe

1 28), der zweite Abschnitt: Feststellung des Börsen⸗

(§8 29 35), und der dritte Abschnitt: Zulassung von

erthpapieren zum Börsenhandel (89 36—47) mit einigen redaktionellen Aenderungen ohne Debatte genehmigt.

Der vierte Abschnitt betrifft den Vörsenkerminhandel

Bei § 50, welcher den Börsenterminhandel in Getreide untersagt, in gewissen Effekten beschränkt, beantragt Abg. Graf von Arnim 6 einen Zusatz, wonach im Auslande ah⸗ eschlossene Geschäfte unklagbar sein sollen; auch soll schon Geleitetes zurückgefordert werden können.

Abg. Graf von Schwerin (dkons.) erklärt, daß er vor mehreren Jabren auch Termingeschäfte zu seiner Deckung gemacht habe, aber er habe erkannt, raß die Terminzeschäfte verderblich seien und daß namentlich die Auswüchse so groß geworden seien, daß er nicht nur keine derartigen Geschäfte mehr machen könne, sondern auch dem Verbot zustimmen müsse. Denn die Spieler ließen sich nicht mehr Gewinn und Verlust ig diesem Geschäft ruhig gefallen, sondern sie griffen zu dem, was der Franzose corriger la fortune nennt; sie läuschten über Angebot und Nachfrage, und das Spiel werde dadurch ein unehrliches. Redner erklärt, daß er für das Verbot stimmen werde, obgleich er keineswegs davon einen solchen Erfolg erwarten könne, der anderweitige Mittel zur Hebung der Getreidepreise entbehrlich mache.

Abg. Graf von Arnim begründet seinen Antrag damit, daß die Getreidehändler gedroht haben, ihre Geschäfte in das Ausland

jetzt lautet, also ohne jene zivilrechtliche weitere Folge.

zu verlegen und von dort aus den Terminhandel zu treiben. Dieser Maglichkeit solle der Antrag entgegentreten. Redner weist darauf hin, daß die Staaten, welche hauptsächlich dabei in Betracht kämen, Belgien und Holland, die Urtheile ausländischer Gerichte auch nicht ohne weiteres anerkennen würden. Wenn der Theil des Antrags, wonach Geleistetes zurückgefordert werden könne, Bedenken errege, so stelle er die Zurückziehung desselben in Aussicht.

Präsident des Reichsbank⸗Direktoriums, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Koch: Meine Herren! Der Antrag des Herrn Abg. Grafen Arnim versucht, in letzter Stunde einen neuen Gedanken, die zivil⸗ rechtliche Unklagbarkeit der im Auslande verbotswidrig abgeschlossenen börsenmäßigen Termingeschäfte und damit eine erhebliche Verschärfung der Verbote des Terminhandels, in das Gesetz einzuführen. Aller⸗ dings enthält der von ihm heute im Verein mit dem Herrn Abg. Grafen zu Stolberg eingebrachte veränderte Antrag der Fassung nach und auch in logischer Beziehung insofern eine Verbesserung, als der Antrag sich nicht nehe bloß auf die Geschäfte in Getreide und Mühlen⸗ fabrikaten bezieht, sondern auf alle Fälle des vbzehchen Verbots, also auch auf das Verbot des Terminhandels in Antheilen von Bergwerks⸗ und Fabrikunternehmungen, und auf diejenigen Fälle erstreckt, in welchen der Terminhandel in bestimmter Waare oder Werthpapieren vom Bundesrath untersagt wird. Aber in dieser Ausdehnung liegt freilich eine weitere Verschärfung. Meine Herren, ich sagte, der Antrag enthält einen ganz neuen Gedanken. Ich glaube, daß der Ge⸗ dankengang des Entwurfs, der ja nun bald Gesetz werden wird, diesem Antrage nicht entspricht. Der Entwurf will die Verhältnisse der deutschen Börsen regeln. Er hat ins⸗ besondere die Verhältnisse des in § 48 im Anschluß an jene definierten Börsen⸗Terminhandels ins Auge gefaßt und bessacht, durch eine ganze Anzahl Bestimmungen den Auswüchsen dieser Geschäftsform entgegen⸗ zutreten. Zu den hiernach beabsichtigten Einrichtungen gehört nament⸗ lich das bekannte e davon ausgehend, daß ungeeignete Personen dadurch von der Betheiligung am Börsenspiel ferngehalten werden sollen. In dieser Beziehung zieht der Entwurf, um Umgebung zu verhüten, auch die ziypilrechtliche Konsequenz. Er will, daß aus Geschäften, für welche nicht beide Parteien in einem Börsenregister eingetragen sind, ein Schuldperhältniß nicht begründet wird, und diese noch näher ausgeführte Bestimmung soll auch dann zur Anwendung kommen, wenn das Geschäft im Ausland

eschlossen oder zu erfüllen ist (8§ 66, 68). Hiermit ist aber nach Menven und Inhalt keineswegs parallel die zivilrechtliche Bestim⸗ mung, welche der Herr Graf Arnim jetzt vorschlägt. Der Entwurf bestimmt vielmehr die Wirkungen der von ihm vorgesehenen objek⸗ tiven Verbote in § 51 meiner Meinung nach erschöpfend. Die Wirkungen bestehen darin, daß, insoweit ein solches Verbot erlassen ist, die trotzdem gemachten Geschäfte von der Benutzung von Börseneinrichtungen ausgeschlossen sind; dann dürfen die Kursmakler sich bei der Vermittelung solcher Geschäfte nicht be⸗ theiligen, und endlich sollen dafür Preislisten nicht ver⸗ öffentlicht werden. Dadurch wird der verbotene Börsen⸗ Terminhandel von den deutschen Börsen ausgeschlossen. Der Vorschlag des Herrn Grafen Arnim und Genossen, wonach auch eine zivilrecht iche Unwirksamkeit hinsichtlich der Auslandsgeschäfte ausgesprochen werden soll, 8 zwar gelegentlich in der Enquste⸗ kommission wie auch in der Börsenkommission des Reichstags gestreift worsen, hat aber niemals zu entsprechenden Beschlüssen dieser Kom⸗ missionen geführt. Ich möchte mir einschaltend noch eine Bemerkung in Betreff der Enquötekommission gestatten. Der Herr Graf Arnim benutzte gestern bei deren Erwähnung die Gelegenheit zu einem kleinen persönlichen Angriff gegen mich. Er sagte, wenn ich nicht irre, ich hätte mich der Veröffentlichung der Ergebnisse der Börsen⸗ enquste widersetzt. Das ist durchaus nicht der Fall gewesen. Allrdengs folchen Veröffentlichungen gegenüber, wie sie der Herr Graf Arnim vor kurzem selbst veranstaltet hat, um die Reform⸗ bedürftigkeit der Börse darzuthun, der Veröffentlichung von aus den. herausgerissenen Fragen und Aeußerungen einzelner

ommissionsmitglieder und Sachverständigen, würde ich mich auch jetzt ablehnend verhalten; ich glaube nicht, daß diese Veröffent⸗ e⸗ einen Werth haben. (Sehr gut! links.) (Zuruf und Unruhe rechts.) Ich will also die Anführungen des Herrn Grafen Arnim

s richtig stellen; ich habe die Verhandlungen vor mir. Ich habe in der

Enqustekommission mich dafür ausgesprochen, den ausführlichen, die Meinungen der Mehrheiten und der Minderheiten erschöpfend enthaltenden Bericht zu veröffentlichen, und die stenographischen Protokolle über die Sachverständigenvernehmungen. In dieser Be⸗ ziehung stand ich durchaus nicht allein. Der Herr Graf Arnim war freilich mit dem Bericht sehr unzufrieden; er hat bis zum letzten Moment gezögert, seinen Namen darunter zu setzen. Ich darf wohl mit der Erlanbniß des Herrn Präsidenten den betreffenden Passus aus dem Protokoll vom 10. November 1893 vorlesen: „Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Gamp und Senats⸗Präsident Dr. Wiener erklärten als Referenten, daß sie die gegen den Entwurf des Berichts (von Graf Arnim) erhobenen Ausstellungen als unbegründet zurück⸗ wiesen; sie hätten sich bemüht, alle in der Kommission vertretenen Ansichten wiederzugeben und namentlich den Anschauungen der jeweiligen Minorität gerecht zu werden. Die Zusammenstellung een die Uebersicht der Berathungen, deren Veröffentlichung Graf rnim verlangte) gewähre nur ein undeutliches Bild. Wenn man für die Oeffentlichkeit dem Bericht noch Materialien hinsichtlich der Berathungen der Kommission beigeben wolle, was sie an si für überflüssi 8 dann seien die Protokolle selbst vorzu⸗ ziehen. Mehrere e tglieder, insbesondere Freiherr von Huene, traten diesen Ausführungen bei.“ Dies war also die von Herrn Grafen Arnim bekämpfte Meinung. Nachher wurde allerdings beschlossen, dem 28* Reichskanzler auch die Veröffentlichung der Berathungs⸗ protokolle zu empfehlen. Ich hatte dies widerrathen, weil die Protokolle wovon die Herren sich wohl inzwischen selbst über⸗ zeugt haben nicht so eingerichtet waren, um ein klares Bild der Verhandlungen zu bieten, sondern nur den Gang der⸗ selben im allgemeinen, die Anträge und die Beschlüsse wieder⸗ aben. Irgend etwas verbergen zu wollen, lag mir gänzlich fern. Kach dieser Abschweifung kehre ich wieder zurück zu dem vorliegenden Gegenstand. Also der Antrag verlangt die zivilrechtliche Unwirksam⸗ keit der im Auslande, sei es auch von im Börsenregister eingetragenen Personen, abgeschlossenen Termingeschäfte über solche Gegenstände, für die der Terminhandel von dem deutschen Gesetz oder auf Grund dessen von dem Bundesrath verboten worden ist. Ist das nun wirklich eine Konsequenz der Verbote? Der Herr Abg. Gamp in seinen gestrigen ee hen war anscheinend nicht einmal für ein unmittelbares gesetzliches Verbot mit der Wirkung, Se2 8 2g. Er sagte, er hätte es vielleicht rorgezogen ich entnehme das mehr dem Bericht einer großen Zeitung als dem Vortrag dem ich nicht überall genau folgen konnte er sagte, er sei bemüht gewesen in der Enquste⸗

kommission, den Terminhandel in gesundere Bahnen zu leiten; er habe

davon Abstand genommen, weil ich Widerstand geleistet habe. (Zuruf.) das habe ich heute in der „Kölnischen Zeitung“ gelesen. Ist eine solche Aeußerung nicht gethan, um so besser; ste würde mir auch ganz unverständlich sein; Herr Abg. Gamp konnte die Bedeutung meines angeblichen Widerstandes ohnedies nicht so überschätzen. Meine Herren, die im Entwurf, wie er nach Ihren Beschlüssen jetzt lautet, vorgesehenen objektiven Verbote des Terminhandels beruhen auf wirthschaftlichen Erwägungen. Sie wollen durch die Verbote namentlich vermeiden, daß eine gewisse Tyrannei durch die Börsenkurse in Berlin auf alle Geschäfte über landwirthschaftliche Produkte im Lande geübt werde; Sie wollen neben zu großen und zu häufigen Schwankungen besonders den Preisdruck verhüten, indem Sie

davon ausgehen, daß die Termingeschäfte in der Hauptsache stets auf die Baisse

Das waren doch Ihre wefentlichen Gründe. Treffen diese Erwägungen zu ouf im Aus⸗ lande geschlossene Termingeschäfte? Ich glaube nicht. Die autländischen Kurse sind nicht maßgebend für Geschäfte, welche von inländischen Händlern oder Kommissionären im Inlande geschlossen werden. Unsere inländischen Richter würden sich hüten, im Streitfalle die Kurse beliebiger ausländischer Börsen, sei es in

hinausliefen.

London oder Antwerpen oder Liverpool oder sonst, entscheiden zu lassen, und würden sich, wenn im Inlande Terminpreise nicht mehr notiert werden dürfen, nach dem Preise von effektiv im Inlande ab⸗ 1ectasenes Geschäften richten. Ja, wenn Sie den Terminhandel anz beseitigen könnten! Aber das können Sie nicht. Auch der dei uns verbotene Börsenterminhandel wird jedenfalls im Auslande in großer Ausdehnung noch weiter stattfinden, mögen sich Inländer daran betheiligen oder nicht, und gleichviel, ob sich zivilrechtliche Folgen für Inländer daran knüpfen. Der Einfluß des Terminhandels auf den Weltmarktpreis wird also fortdauern. Nun sagte der Herr Abg. Graf Arnim gestern, wenn ich ihn recht verstanden habe, es sei ein allgemeiner Grundsatz des internationalen Privat⸗ rechts, wenn ein Geschäft verboten sei, daß dies auch zivilrechtli Unwirksamkeit bedeute. In dieser Allgemeinheit besteht aber ein solcher Grundsatz nicht; ob das Verbot eine derartige Bedeutung hat, ob es auch über die Grenzen des Inlandes hinaus wirkt, ist in jedem einzelnen Falle zu prüfen. Ist ein Geschäft contra bonos mores eeschlossen, so wird allerdings von selbst der ausländische wie der nländische Richter dazu kommen, ein solches Geschäft für ungültig zu betrachten, das können Sie aber doch nicht von den verbotenen Börsen⸗Termingeschäften schlechthin behaupten. Für die hier vorlie⸗ genden Verbote walten ganz andere Gründe ob. Sie beruhen darauf, daß aus wirthschaftlichen Gründen die deutschen Börseneinrichtungen cch die verbotenen Termingeschäfte zu versagen haben. Damit ist alles Nöthige erreicht. Aber mögen Sie den Verboten auch die vorgeschlagene zivilrechtliche Bedeutung beilegen, ich möchte sehr bezweifeln, ob eine solche Bestimmung sich wirksam er⸗ weisen würde. Größere irmen würden trotzdem immer im stande sein, dergleichen Geschäfte im Auslande zu machen. Man wird im Auslande darauf rechnen, daß anständige Häuser ihre Ver⸗ pflichtungen daraus erfüllen, wie die Erfahrung bei dem Differenz⸗ einwande lehrt. 28. die aue ländische Firma nicht genügend Ver⸗ trauen zu dem Inländer, dann wird sie ein Depot verlangen, aus welchem sie im stande ist, sich eintretendenfalls zu befriedigen. Die Bestimmung des § 66 ist in dem Antrage ja nicht aufgenommen, daß auch die bestellten Sicherheiten unwirksam elen. Allerdings will der Antrag anordnen, daß, wenn etwas geleistet ist, man zur Rück⸗ forderung berechtigt sein solle. Das wäre gerade das Gegentheil von dem, was der Schlußsatz des § 66 bestimmt. (Zuruf rechts.) Also dieser Vorschlag ist zurückgezogen? Dann brauche ich mich da⸗ egen nicht zu wenden. Es wäre auch eine Ungerechtigkeit. Im Aus⸗ ande würde man damit doch nichts erreichen. Der ausländische Richter würde sich um das Verbot und die Zulässigkeit der Rück⸗ forderung nicht kümmern; anders der inländische Richter, wenn der Ausländer das Geleistete zurückfordert also eine starke Rechts⸗ ungleichheit! Dann bleibt noch die Bestimmung bestehen in Ihrem Antrage, wonach die Zwangsvollstreckung aus dergleichen Urtheilen ausländischer Gerichte nicht stattfinden soll. Diesen Theil seines An⸗ trags hat der Herr Graf von Arnim nicht zurückgezogen. Eine solche Besam mung enthält aber eine bedenkliche Aenderung gegenüber unserem Rechtszustand hinsichtlich der Vollstreckung ausländischer Urtheile überhaupt. Ausländische Urtheile werden ohne Prü⸗ fung der Gesetzmäßigkeit der Entscheidung bei uns vollstreckt. Es kommt hier, abgesehen von einigen anderen Dingen, nur darauf an, daß die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Die Bestimmung, daß die Vollstreckung nicht erfolgen darf, wenn dadurch Handlungen erzwungen werden sollen, welche nach Deutschem Recht nicht erzwungen werden dürfen, trifft nicht zu, denn es handelt sich bei den Ansprüchen aus Börsentermingeschäften nicht um solche Handlungen. Es kommt also hier nur in Frage, ob die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Dies wird angenommen nicht bloß, wenn ein förmlicher Staatsvertrag oder ein ausländisches Gesetz die Vollstreckung des Urtheils sichert, sondern auch, wenn die auswärtigen Gerichte nach ständiger Uebung thatsächlich die deutschen Urtheile vollstrecken. Eine solche Uebung besteht z. B. in Oester⸗ reich. Außerdem haben einzelne Bundesstaaten ausdrücklich vergei⸗h ge⸗ schlossen über Gegenseitigkeit in der Vollstreckung der Urtheile; so z. B. Preußen mit Oesterreich, Baden mit Frankreich. Dieser Rechts⸗ zustand wird erschüttert, wenn ausgesprochen wird, daß eine Zwangs⸗ vollstreckung aus den Urtheilen ausländischer Gerichte über verbotene Termingeschäfte nicht stattfinden soll. Die ganze Gegenseitigkeit, die also z. B. zwischen Deutschland und Oesterreich herrscht, würde auf allen Gebieten in Frage gestellt, Oesterreich würde sicherlich Re⸗ pressalien üben. Ich bitte auch diesen Punkt genauer ins Auge fassen zu wollen. Aus allen diesen von mir F.Ra gemachten Gründen kann ich Ihnen nur empfehlen, bei dem Regierungsentwurf stehen zu bleiben. Der Antrag des Herrn Grafen von Arnim und Genossen ist weder innerlich genügend begründet, noch gerecht, noch wirksam.

Abg. Dr. Paasche (nl.): Unser Antrag, den Kammzug⸗Termin⸗ handel zu verbieten, ist in der zweiten Lesung der Kommission verworfen worden, nachdem der Vertreter der sächsischen Regierung erklärt hatte, daß diese selbst dieses Verbot beim Bundesrath beantragen würde. Wir halten nach wie vor den Kammzug⸗Terminhandel für schädlich und bitten den Bundesrath, sobald wie möglich das Verbot dieses Handels auszusprechen. In dieser Erwartung verzichten wir auf die Stellung eines Antrags, der sicher mit derselben erdrückenden Mehr⸗ heit angenommen werden würde, wie das Verbot des Getreide⸗ Terminhandels.

Abg. von Strombeck (Zentr.) regt die Frage an, ob der Börsen⸗Terminhandel in Antheilen von anderen eee als Bergwerks⸗ und Fabrikunternehmungen auch dann gestattet sein solle, wenn das Kapital der betreffenden Erwerbsgesellschaft, welches mindestens 20 Millionen Mark betragen solle, nicht nur in Aktien, sondern auch in Obligationen bestehe. w

Abg. Gamp (Rp.) bejaht diese Frage und schließt sich dem Wunsche des Abg. Paasche an. Bezüglich des Antrags Arnim ist er der Meinung, daß, wenn der Terminhandel verboten werde, ein aus⸗ wärtiges Urtheil von deutschen Richtern nicht vollstreckt zu werden Rvese s Sei das Geschäft von jemand im Ausland abgeschlossen, der nicht in das inländische Terminregister eingetragen sei, so sei dieser Handel auf jeden Fall für Deutschland ungültig.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister Freiherr Marschall von Bieberstein:

Meine Herren! Durch ein etwas unvorsichtiges Kopfschütteln meinerseits während der Ausführungen des Herrn Redners bin ich ge⸗ zwungen, mich an der Diskussion zu betheiligen. Der Herr Vor⸗ redner hat ausgeführt, daß, wenn durch das vorliegende Gesetz das Termingeschäft bei Getreide im Inland verboten werde, wir auch nicht gezwungen seien, ein ausländisches Urtheil zu vollstrecken, wenn es einen Deutschen auf Grund eines solchen Geschäfts verurtheilt. Das trifft nicht zu. Die einschlägigen Bestimmungen der Zivilprozeßordnung befinden sich in den §§ 660 und 661. Es heißt im § 660, daß aus dem Urtheil des ausländischen Gerichts die Zwangsvollstreckung nur stattfindet, wenn ihre Zulässigkeit durch ein Vollstreckungsurtheil ausgesprochen ist. Dann fährt § 661 fort:

„Das Vollstreckungsurtheil ist ohne Prüfung der Gesetzmäßig⸗ keit der Entscheidung zu erlassen.“

Nun folgen einige Ausnahmen: Das Vollstreckungsurtheil ist nicht zu erlassen, wenn beispielsweise die Gegenseitigkeit nicht ver⸗ bürgt ist; es ist nicht zu erlassen:

2) „wenn durch die Vollstreckung eine Handlung erzwungen werden würde, welche nach dem Recht des über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung urtheilenden deutschen Richters nicht erzwungen werden darf.“

Also nur, wenn die Handlung, welche durch das ausländische Urtheil erzwungen werden soll, an sich nach der deutschen Gesetzgebung eine unsittliche ist, darf die Vollstreckbarkeit des Urtheils nicht gewährt werden. Wenn dagegen das Geschäft, auf welchem das ausländische Urtheil beruht, bei un verboten

ist, so hindert das die Vollstreckung des Urtheils nicht, eben weil § 661 bestimmt, daß die Vollstreckung des Urtheils ohne Prü⸗ fung der Gesetzmäßigkeit der Entscheidung zu erlassen ist. Es wird diese Auffassung übrigens auch von den Kommentaren, die ich in diesem Augenblick zur Hand habe, bestätigt. Es heißt beispielsweise in dem Kommentar von Struckmann: „Der Umstand, daß das Urtheil auf einem nach dem inländi⸗ schen Gesetz unklagbaren oder selbst verbotenen Geschäft, z. B. Spiel, beruht, genügt an sich nicht; die Erzwingung der Handlung als solche muß verboten, die Zweckbestimmung muß eine unsitt⸗ liche sein.“

Soweit als die Gegenseitigkeit verbürgt ist, müssen demnach der⸗ artige Urtheile ausländischer Gerichte, auch wenn sie auf einem Termin⸗ geschäft über Getreide beruhen, bei uns auf Grund dieser Bestimmung vollstreckt werden.

Abg. Dr. Graf Udo zu Stolberg (d. kons.) tritt für den An⸗ trag des Abg. Grafen Arnim ein, welcher dazu bestimmt sei, zu verhindern, daß sich jenseits der deutschen Grenze Terminbörsen etablieren, um den deutschen Markt zu beeinflussen.

Abg. Dr. Barth verwahrt sich dagegen, deß bei dieser Gelegen⸗ heit auch noch der Kammzug⸗Terminhandel abgethan werden solle.

Lessedenn des Reichsbank⸗Direktoriums, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Koch: Die Ausführungen des Herrn Grafen zu Stolberg gegen die von mir betonte Neuheit des Vorschlags würden begründet sein,

28 V inhandels über ge⸗ berhaupt nicht in Aussicht genommen hätte, die at dies aber schon in ziemlich weitem Umfang gethan, indem 1 § 46 dem Bundesrath die Befugniß einräumen wollte, den Börsenterminhandel in bestimmten Waaren oder Werthpapieren zu unter⸗ sagen, ohne zivilrechtliche Folgen für verbotswidrig abgeschlossene Ge⸗ schäfte festzusetzen. Der jetzige Antrag beschränkt sich nicht auf das Verbot des Getreideterminhandels, sondern bezieht sich auf alle w in welchen wegen des Gegenstandes der börsenmäßige Termin⸗ andel untersagt ist oder untersagt wird, und in dieser Beziehung erlaubte ich mir auszuführen, daß der Vorschlag eine neue und weit⸗ tragende Verschärfung des Gesetzes enthalte. gc.⸗ vermag nicht ein⸗ zusehen, meine Herren, warum Sie beispielsweise in solchen Fällen, wie sie Herr Graf Schwerin schilderte, jemand, der ganz reelle 8 Srsernngegeschäft⸗ im Inlande macht, verhindern wollen, ic wegen seines Risikos im Auslande durch ein Termingeschäft zu decken. Soll das absolut unmöglich sein? Damit würden Sie manche Schäden herbeiführen. Die wirthschaftlichen Gründe, welche Sie zu den gesetzlichen Ver⸗ boten bewogen haben und vielleicht künftig noch zu weiteren Verboten führen, kommen hinreichend zur Geltung, wenn im Inlande dergleichen Geschäfte nicht mehr vorkommen können. Daß im Auslande sich ganz neue Terminbörsen für dieselben Zwecke etablieren, ist nicht an⸗ unehmen. (Widerspruch.) Es wird nur vorkommen, daß Inländer zu Deckungs⸗ oder Spekulationszwecken an den bestehenden aus⸗ ändischen Terminbörsfen Geschäfte machen. Der Terminhandel dort würde dort auch ohne diese Betheiligung fortbestehen. Die Nachtheile eines solchen ausländischen Börsen⸗Termin⸗ handels für die inländische Produktion und Konsumtion önnen Sie auch durch die Unklagbarkeit jener Geschäfte nicht aus⸗ schließen. Was nun die Vollstreckbarkeit der ausländischen ÜUrtheile anlangt, so kann ich nur wiederholen, wie es auch der Herr Staats⸗ ekretär des Auswärtigen Amts bestätigt, daß dieselbe nach bestehendem Recht nicht versagt werden kann, deshalb nicht, weil das inländische Gericht die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung, also namentlich den Entstehungs rund der Verbindlichkeit, nicht zu prüfen hat. Indessen st die Gefahr gerade hier keine große, weil die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist in dem Verhältnisse Deutschlands zu England und Belgien, in der Hauptsache auch nicht zu Frankreich. Ich bitte noch⸗ mals, den Antrag nicht anzunehmen. öAbg. Schmidt⸗Warburg (Zentr.) hält den Antrag für eine 5 diste -n Ergänzung der Vorlage. Abg. Graf von Arnim ergänzt seinen Antrag dahin, daß er inschiebt: „soweit Staatsverträge nicht entgegenstehen“. Zu dem IhhZZA gewendet, bemerkt Redner, daß derselbe sich egen die Veröffentlichung der Uebersicht und der Protokolle der

Börsen⸗Enqustekommission erklärt habe. Die Annahme seines An⸗

trags lei nothwendig, wenn der Umgehung des Gesetzes nicht Thür und T

or geöffnet werden solle. Präsident des Reichsbank.Direktoriums, Wirklicher Geheimer ath Dr. Koch: Ich muß mich gegen die Unterstellung des Herrn Grafen Arnim verwahren, als hätte ich mich nicht bloß gegen viele seiner Vorschläge, sondern gegen eine verständige, maßvolle Börsen⸗ reform überhaupt erklärt. Es genügt in dieser Hinsicht, auf meine bei der ersten Lesung des Entwurfs am 9. Januar gehaltene Rede zu verweisen, worin ich beklagte, daß in manchen Handelskreisen sich eine so entschiedene Abneigung gegen jede Börsenreform, gegen die Schaffung eines deutschen Börsenrechts überhaupt gezeigt habe. Dann am der Herr Graf Arnim zum zweiten Mal auf einen an sich unter⸗ geordneten Vorgang, auf die Veröffentlichung gewisser Theile der Er⸗ gebnisse der Börsenenquste zurück; er verlas einen kurzen Satz aus dem vorhin von mir angeführten Fretofne und nöthigt mich dadurch, auch die Fortsetzung tulesen. ch fuhr fort: „Was von den Be⸗ rathungen der Kommission für die Oeffentlichkeit von Interesse sei, enthalte erschöpfend der Bericht selbst. Denn Zuthaten (die Uebersicht“ und die „Berathungsprotokolle) könnten den Eindruck nur schwächen. Die in der „Uebersicht“ enthaltene systematische Zusammenstellung verwische den historischen Gang und den Zusammenhang der Berathungen und leide nothwendig an Unvollständigkeit; sie gewähre daher kein richtiges Bild der Be⸗ rathungen und könne keicht zu falschen Schlüssen verleiten. Die Protokolle aber seien von Hause aus, der von der Kommission gebilligten Geschäftsordnung entsprechend, nur als ein Hilfsmittel für die Kommission selbst gedacht und enthielten daher nur den Gang der Berathung im allgemeinen, die gestellten Anträge und die gefaßten Beschlüsse. Sachlich sei alles das in weit größerer innerer Folge⸗ richtigkeit und Ausführlichkeit in dem Bericht verarbeitet, während der Weg durch die Berathungsprotokolle fister und zweiter Lesung oft schwer zu finden sei. Hätte die Kommission von vorn herein deren Veröffentlichung im Auge gehabt, so würden dieselben wesentlich anders abgefaßt und in größerer Zahl gedruckt worden sein. Jedenfalls werde es Sache des Herrn Reichskanzlers bleiben müssen, die end⸗ gültige Entscheidung über die Veröffentlichung der Protokolle bezw. der Uebersicht zu treffen.“ Ich glaube, das zeigt vollkommen, was ich wollte. Ich bezweifle übrigens, ob viele der anwesenden 888 die Berathungeprotokolle und die Uebersicht wirklich gelesen haben. Nun noch eine Bemerkung zu den „Repressalien“. Der Ausdruck mag nicht ganz richtig gewählt sein; aber ich bleibe dabei stehen, daß durch den vorliegenden Antrag bezüglich der Nichtvollstreckbarkeit aus⸗ ländischer Urtheile der befriedigende Rechtshilfezustand zwischen Deutschland mit Oesterreich und anderen Staaten getrübt werden könnte. Es handelt sich nicht um Gewaltmaßtegeln; aber es könnte im Fall der Annahme des Antrags (Unruhe. Glocke des Eeshhe e. von den unabhängigen Gerichten des Auslandes ausgeführt werden: die Gegenseitigkeit bestehe nicht mehr und infolge dessen müsse den Urtheilen deutscher Gerichte überhaupt die Vollstreckbarkeit versagt werden. Ich 16 wiederholt davor warnen, auf dem wichtigen Ge⸗ biet der Vollstreckbarkeit ausländischer Urtheile einen Einbruch in die obwaltende Gegenseitigkeit vorzunehmen, wie dieser Antrag ihn enthält.

Der Antrag des Abg. Grafen von Arnim wird hierauf pegen die Stimmen der Konservativen, Antisemiten und einiger Kitglieder des Zentrums abgelehnt. § 50 und die übrigen Para⸗ graphen des vierten Abschnitts werden angenammeen⸗ ebenso ohne Debatte der fünfte Abschnitt: Kommissionsgeschäfte. Die Schlußbestimmungen des Gesetzes werden angenommen, und zwar in § 82 dahin, daß das 89 mit dem 1. Januar 1897 in Kraft tritt, mit Ausnahme des

rsenregisters, welches] wesentlich günstig

schon am 1. November 1896 in Kraft treten soll; ferner sollen die örsenmäßigen Termingeschäfte nur bis zum 1. Januar 1897 gestattet sein, wenn sie bis zu diesem Tage abgewickelt sind:

Damit ist die dritte Berathung des Vörjengesehes erledigt. Dasselbe wird im Ganzen endgültig angenommen.

Ohne Debatte genehmigt das Haus ferner die gestellten Resolutionen des Abg. Grafen von Kanitz, betr. die inter⸗ nationale Vereinbarung wegen Beseitigung des Terminhandels, und des Abg. Grafen von Arnim wegen anderweitiger Ordnung der Produktenbörsen und Betheiligung der Land⸗ wirthschaft und Müllerei an der derselben, an der Pa e.cea und der Bestimmung der Lieferungsqualitäten.

0 6 Uhr die erste Berathung des

Darauf folgt gegen Japan.

Handelsvertrags mit Abg. Münch⸗Ferber (nl.): Ich empfehle die Annahme des Vertrages. Nachdem andere Staaten, wie Amerika, England, Dänemark, Schweden⸗Norwegen u. s. w. solche Verträge abgeschlossen haben, der Vertrag mit Frankreich demnächst perfekt werden wird, und Oesterreich nur auf den Abschluß unseres Vertrages wartet, haben wir keinen Anlaß, den Japanern einseitig das zu ver⸗ weigern, was ihnen von den anderen Großmächten gewährt worden ist. Redner bespricht die Konzessionen, welche den Japanern gemacht worden, und bedauert, daß unter den im Zolltarif festgelegten Artite n sich nicht der Alkohol befinde. Das Verbot des dauernden Grund⸗ erwerbs in Japan erkläre sich aus der Besorgniß, daß der japanische Bauernstand durch amerikanisches und englisches Kapital auf⸗ gekauft und ins Ausland getrieben werde. Bedauern müsse man, daß der Vertrag keinen Schutz gegen den Boykott deutscher irmen durch die kapitalkräftigen japanischen Gilden ent⸗ alte. Redner zitiert mehrere solcher Bovykottierungen, nament⸗ 1% von einer großen Rohseidengilde; in den von der Regierung ge⸗ nehmigten Statuten der Gilden spielten die Boykotts die vornehmste Rolle. Redner bittet die verbündeten Regierungen, im Namen seiner Freunde diese wichtige Angelegenheit bei der japanischen Regierung zur Sprache zu bringen und den deutschen Kaufleuten bei der Tragung des Zolles dieselben Vergünstigungen auszuwirken, welche die japanischen Importeure genössen.

„Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister Freiherr Marschall von Bieberstein:

Da kein Antrag auf Vertagung vorliegt, muß ich nothwendig das Wort ergreifen und auf die Ausführungen des Herrn Vorredners einiges erwidern.

Im Ganzen ist ja das, was er über den Gesammtinhalt des Vertrags gesagt hat, richtig; es ist auch zutreffend, daß, wenn man den vorliegenden Vertrag mit unserem früheren Vertrag vom Jahre 1869 vergleicht, Japan im wesentlichen der gewinnende Theil ist. Das ist eine natürliche Folge der Thatsache, daß Japan nunmehr als gleichberechtigter Faktor innerhalb der Nationen eingetreten ist; und ich glaube, wenn wir diesen Entwickelungsgang ignorieren wollten, wenn wir ignorieren wollten, was Japan geleistet hat und in den letzten 30 Jahren geworden ist aus eigener Kraft und mit einer Be⸗ harrlichkeit, die die Bewunderung aller anderen Nationen erweckt hat, so würde das für unsere Handelsbeziehungen recht schädlich sein, zumal die anderen Nationen, England an der Spitze, mit gleichartigen Ver⸗ trägen vorangegangen sind.

Aus den Bemerkungen des Herrn Vorredners möchte ich zunächst herausgreifen das, was er bezüglich des Schutzes des gewerblichen Eigenthums in Japan gesagt hat. Die Bedenken, die er in dieser Beziehung äußerte, sind für mich einigermaßen überraschend, denn nach meiner Kenntniß haben gerade diese Bestimmungen in den interessierten Kreisen eine besondere Genugthuung hervorgerufen und werden aller⸗ seits als ein werthvoller Bestandtheil des Vertragswerks betrachtet. Bisher bestand ein Schutz gewerblichen Eigenthums in Japan für Ausländer überhaupt nicht. Daraus ergaben sich für Ausländer und namentlich auch für uns sehr nachtheilige Folgen. Es wurden insbesondere recht häufig von Japanern auf Grund der dortigen Gesetzgebung Fabrikmarken von Deutschen mit geringen Abänderungen eingetragen und dadurch die rechtlichen Besitzer dieser Fabrikmarken gehindert, dieselben in Japan zu führen. Mangels jeder vertrags⸗

mäßigen Handhabe blieb uns in diesem Falle nichts übrig, als, wenn

Beschwerden bei uns einliefen, bei der japanischen Regierung auf Grund von Billigkeitsgründen zu reklamieren; und ich muß anerkennen, daß die japanische Regierung, soweit dies nach dem Stande ihrer Gesetzgebung möglich war, uns jederzeit großes Entgegenkommen bei diesen An⸗ trägen bewiesen hat. Diese Sachlage ist nun durch den vorliegenden Vertrag geändert, indem Art. 17 bestimmt, daß die Deutschen bezüg⸗ lich des Schutzes des gewerblichen Eigenthums den Japanern voll⸗ ständig gleichgestellt sind; und dieser Art. 17 ist in Ziffer 4 des Pro⸗ tokolls noch näher dahin präzisiert, daß der Schutz gewährt werden muß, sobald der betreffende Deutsche die gesetzlichen Bestimmungen in Japan erfüllt hat. 1

Endlich ist es im Vertrag vorgesehen, daß Japan mit uns dem⸗ nächst in Vertragsverhandlungen über den Abschluß einer Spezial⸗ konvention eintreten soll. Für die Zukunft ist also Vorsorge ge⸗ troffen.

Wenn ich den Herrn Vorredner richtig verstehe, so vermißt er in dem Vertrag eine allgemeine Zusage auch für die Vergangenheit, daß die japanische Regierung sich verpflichtet, auch für die Zeit vor Inkrafttreten dieses Vertrags mißbräuchliche Eintragungen von deutschen Fabrikmarken durch Japaner in dem Sinne für wirkungslos zu erklären, daß die Deutschen nicht gehindert sein sollen, dieselben Fabrikmarken zu führen. Eine solche Zusage haben wir von der japanischen Regierung nicht verlangt; ein solches Verlangen wäre aussichtslos gewesen, denn es würde gleichbedeutend mit der Forderung gewesen sein, dem Vertrage rückwirkende Kraft zu geben. Wir würden auch gar keinen Nutzen von solchen allgemeinen Zusagen gehabt haben; denn die Frage, ob eine Eintragung mißbräuchlicherweise geschehen ist, würde doch nur von Fall zu Fall auf Grund des vorhandenen Beweismaterials entschieden werden können. Dem Gedanken des Herrn Vorredners haben wir in der Weise Rechnung getragen, daß wir das hat der Herr Vorredner auch erwähnt durchsetzten, daß die Bestimmungen über den Schutz unseres gewerblichen Eigenthums in Japan nicht erst im Jahre 1899 mit dem Wegfall der Konsular⸗ gerichtsbarkeit, sondern sofort nach Ratifizierung des Ver⸗ trags in Kraft treten sollen. Damit wird also, wenn der Reichstag diesen Vertrag angenommen hat ich hoffe, in 8 oder 14 Tagen sofort mit der Ratifikation der jetzige Zustand beseitigt und etwaigen mißbräuchlichen Eintragungen von deutschen Marken ein Riegel vorgeschoben.

Dem Herrn Vorredner wird nicht entgangen sein, daß im engli⸗ schen Vertrag zwar eine gleichartige Bestimmung im Art. 17 enthalten ist, diese Bestimmung aber erst mit Wegfall der Konsulargerichtsbar⸗ keit in Kraft tritt. Es ist insofern also der deutsche Vertrag Mißbräuch

1“““

gekommen sind, sofort mit der Ratifikation des Vertrags ein Riegel vorgeschoben wird.

Der Herr Vorredner hat dann die Frage an mich gestellt, wie es bezüglich des Schutzes des gewerblichen Eigenthums in Rücksicht auf die Meistbegünstigung steht, und ob wir nicht Gefahr laufen, daß Japan England größere Rechte in dieser Beziehung einräume, ohne daß wir derselben im Wege der Meistbegünstigung theilhaft würden. Ich bemerke darauf, daß allerdings eine Klausel in dem Vertrag sich nicht befindet, welche die Meistbegünstigung auch auf den Schutz des gewerblichen Eigenthums ausdehnt. Meines Wissens bestehen derartige Verträge überhaupt nicht. Die Möglichkeit, daß ein anderer Staat mehr Rechte in dieser Beziehung erwerben könnte als wir, mag theoretisch zugegeben werden. Es kann Japan jeden Augenblick einen Vertrag über Schutz des gewerblichen Eigenthums mit anderen Staaten schließen, ohne daß wir im Wege der Meistbegünstigung derselben Vortheile theilhaftig würden. Aber praktisch kann dieser Fall deshalb nicht vorkommen, weil wir in dem erwähnten Art. 17 vollkommen den Inländern, den Japanern, gleichgestellt sind, und es ist doch undenkbar, daß die japanische Regierung jemals mit einer anderen Nation einen Vertrag über Schutz des gewerblichen Eigen⸗ thums schließen könnte, in dem sie die Ausländer besser stellt als die Japaner. Ich glaube also, daß das vollkommen genügt.

Wenn in dem englischen Vertrage der Beitritt Japans zu der Internationalen Konvention vorgesehen ist, in unserem Vertrag da⸗ gegen auf ein spezielles Abkommen zwischen Deutschland und Japan hingewiesen wird, so rührt dies daher, daß wir bekanntlich der Inter⸗ nationalen Konvention nicht beigetreten sind. Ich bin daher der Ansicht, daß bezüglich des Schutzes des gewerblichen Eigenthums alles in dem Vertrag enthalten ist, was überhaupt nothwendig war. Was die Frage des Bovkotts betrifft, so sind uns die Klagen wohl bekannt, es wird nur außerordentlich schwer sein, derartigen Bestre⸗ bungen auf dem gesetzlichen oder vertragsmäßigen Wege entgegen⸗ zutreten, weil es sich hier wesentlich um Privatgesellschaften, um Privatvereinigungen handelt, die in dieser Weise den Versuch machen, den fremden Handel zu schädigen, und wir im gegebenen Falle bei uns in Deutschland auch nicht in der Lage wären, ohne besondere Gesetzgebung gegen ein derartiges Vorgehen einzuschreiten. Was die Gilden betrifft, liegt die Sache einigermaßen anders, weil die Gilden Statuten machen müssen und diese Statuten der Genehmigung der japanischen Regierung unter⸗ worfen sind. Ich bin der Ansicht, daß, nachdem bezüglich der Schiff⸗ fahrt, des Handels, der Industrie, bezüglich des Schutzes des gewerblichen Eigenthums u. s. w. die Deutschen den Japanern vertrags⸗ mäßig gleichgestellt sind, die japanische Regierung kein Statut einer Gilde mehr genehmigen kann, in dem der Bopkott gegen den fremden Handel vorgesehen und als zulässig betrachtet wird.

Bei der vorgerückten Stunde will ich mich auf diese paar Worte beschränken; ich glaube, das hohe Haus wird mir für diese Kürze danken. (Lebhaftes Bravo!)

Damit schließt die erste Lesuung.

Schluß nach 6 ¼ Uhr. Nächste Sitzung Montag 2 (Zweite Lesung des deutsch⸗japanischen dritte Berathung der Novelle zur Gewerbeordnung.’l)

Statistir und Bolkswirthschaft.

Seeverkehr in den deutschen Hafenplätzen 8 im Jahre 1894. Hsfesnen

Das Ende Mai zur Ausgabe gelangte zweite Heft des Jahrgangs

1896 der Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs bringt u. a. auch eine Reihe von Zusammenstellungen über den Seeverkehr in den deutschen Hafenplätzen im Jahre 1894. Danach sind in diesen Süe (das deutsche Küstengebiet als ein Ganzes betrachtet) im ahre 1894 143 418 Schiffe mit einem Netto⸗Raumgehalt von 31 730 891 Register⸗Tons zu Handelszwecken ein⸗ und ausgegangen, woraus sich eine Zunahme gegen das Vorjahr um 9544 Schiffe L %) und 2 374 604 Register⸗Tons (8,1 %) ergiebt. Im Jahre 1875 betrug die Summe aller im Deutschen Reich ein⸗ und aller ausgelaufenen Schiffe 87 558 mit 12 722 710 Re⸗ gister⸗Tons Raumgehalt; seitdem hat also die iffs⸗ zahl eine Vermehrung um 63,8 %, der Raumgehalt sogar eine solche um 149,4 % erfahren. Die eingetretene be⸗ deutende Verkehrssteigerung ist durch die immer reger sich gestaltende Fbätiscen der Dampfschiffahrt 11.. worden, welche die Segelschiffahrt mehr und mehr verdrängt hat. Während im Jahre 1875 im Ganzen 17 189 Dampfer mit einem Raumgehalt von 7 182 061 Reiee ae netto im deutschen Küstengebiet ein⸗ oder ausgegangen sind, stellte sich die entsprechende Zahl im Jahre 1894 auf 69 315 mit 27 110 585⸗Register⸗Tons; der Dampferverkehr hat sich also während der Zwischenzeit etwa vervierfacht. Dagegen belief sich der Segelschiffs⸗Verkehr im Jahre 1875 auf zusammen 70 369 angekom⸗ mene und abgegangene Schiffe mit einem Laderaum von 5540 649 Register⸗ Tons und im Jahre 1894 auf 74 103 Schiffe mit 4 620 306 Register⸗ Tons, weist also bei einem nicht sehr erheblichen Anwachsen der Zahl einen beträchtlichen Rückgang der Ladefähigkeit der in Betracht kom⸗ menden Schiffe auf. Beladen liefen ein und aus im 1875 63 843 Schiffe mit 9 912 371 Register⸗Tons Raumgehalt gegen 114 357 mit 25 489 241 Register⸗Tons 1894, in letzterem Jahre clfo 79,1 % und 157,1 % mehr. Der Gesammtverkehr der angekommenen und abgegangenen Schiffe bezifferte sich 1894 im Osts 888 auf 61 127 mit 11 586 799 Register⸗Tons Raumgehalt gegen 60 052 Schiffe mit einer Ladefähigkeit von 9 926 503 Register⸗Tons im Jahre 1890. Der weitaus größte Theil davon, nämlich 51,6 % von der Zahl und 72,7 % von dem Raumgehalt aller im Jahre 1894 im Ostseegebiet ein⸗ und ausgelaufenen Schiffe entfiel auf den Verkehr mit dem Aus⸗ lande. Der Verkehr der deutschen Ostseehäfen unter sich betrug der ahl nach 45,1 % und der Ladefähigkeit nach 24,2 % der Gesammt⸗ chiffsbewegung des OstseegebietsS, während der Verkehr mit den deutschen Nordseehäfen nur 3,3 % und 3,1 % davon ausmachte. Im Nordseegebiet erreichten im Jahre 1894 alle ein⸗ und ausgegangenen Schiffe zusammen eine Zahl von 82 539 mit einem Gesammt⸗Raum⸗ gehalt von 20 216 483 Register⸗Tons netto gegen 69 970 Schiffe mi 6 327 781 Register⸗Tons im Jahre 1890. Nach der Schiffszah kamen davon im Jahre 1894 auf den Verkehr der deutschen Nordsee häfen unter sich 71,1 %, auf den Verkehr mit außerdeutschen Häfen 26,4 % und auf den Verkehr mit deutschen Ostseehäfen 2,5 %; nach de Ladefähigkeit aller angekommenen und abgegangenen Schisse entfielen aber 79,5 % auf den Verkehr mit außerdeutschen Häfen, 18,6 % auf den. jenigen der deutschen Nordseehäfen unter sich und 1,9 % auf den mit den deutschen 88SS Von der esammtheit der im Jahre 1894 im Deutschen Reich angekommenen und abgegangenen iffe gehörten 104 735 (73,0 % der Gesammtzahl) mit 16 577 720 Re gister⸗Tons Raumgehalt (52,2 % vom Gesammt⸗Raumgehalt) de deutschen Flagge an, und unter den im Jahre 1894 ein⸗ und ausgelaufenen Dampfschiffen waren 47 724 mit 13 833 087 Register⸗ Tons Raumgehalt (68,9 % der Gesammtzahl oder 51,0 % des Ge⸗ eRate e Lahs der angekommenen und abgegangenen Dampfer) deutscher Nationalität.