1896 / 145 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 19 Jun 1896 18:00:01 GMT) scan diff

zu unbedeutend war, oder es müßte die gerichtliche Sühne erfolgen. Eine Strafverfolgung ist 5 nicht mehr möglich, aber es giebt eine Bestimmung über lästige Ausländer, und ich kann mir kaum einen lästigeren Ausländer denken, als einen solchen, der einen in Aus⸗ übung seines Berufs befindlichen Beamten auf die Finger schlägt. Man beurtheilt diese Verhältnisse im Auslande für uns sehr wenig erfreulich. Der heutige Tag, wo Seine Majestät der Kaiser und die verbündeten Fürfen mit den alten und lungen Kriegern das Denkmal auf dem Kyffhäuser enthüllen, sollte uns eine Warnung sein, 8” es icht heiße: die Feder habe verdorben, was das Schwert geschaffen.

Staatssekretär des Reichs⸗Postamts Dr. von Stephan: Meine Herren! Ich glaube, das hohe Haus wird es mir Dank wissen, wenn ich die Diskussion von dem hohen Ton, welchen der Herr Vorredner angeschlagen hat, herabführe auf ein nüchternes und leidenschaftsloses Feld der sachlichen Behandlung (lebhafter Beifall links), das allerdings in erheblich verkleinertem Maßstab ausfallen wird. Ich will dem Herrn Vorredner beruhigend versichern, daß ich manchen seiner Ansichten und Ausführungen beistimmen könnte und würde, wenn die Thatsachen richtig wären, von denen er ausgegangen ist; dies ist aber keineswegs der Fall. (Hört, hört! links.) Die Darstellung in einigen untergeordneten Zeitungen, von denen ein größeres Berliner Blatt, das mir heute Morgen in die Hände ge⸗ rathen ist, sagt, daß sie auch das Unsinnigste glauben und weiter in die Welt erzählen, leidet an Einseitigkeiten, Uebertreibungen und Entstellungen des Sachverhalts in hohem Maße. Nun hat das an sich nicht viel zu sagen; man ist daran gewöhnt bei diesen Zeitungen. Es ist ja nur ein Theil des Publikums, der sich des Lesens dieser Zeitungen schuldig macht (Große Heiterkeit), aber der ins Wasser geworfene Stein treibt seine Wellen, aus diesen Blättern geht die falsche Darstellung in die Provinz über; die Wellenkreise werden immer weiter, selbstverständlich auch immer flacher. Die erste Unrichtigkeit in diesen von folchen strotzenden Artikeln ist die, daß dabei völlig verschwiegen wird, wie der Telegraphenbeamte den allerersten Anlaß zu dem Zwist gegeben hat, und darauf kommt es doch wesentlich an bei solchen Fällen. Nach einer von mir getroffenen Bestimmung im Interesse der Er⸗ leichterung und Beschleunigung des Dienstes und des schweren Geschäfts der Zeitungskorrespondenten, die ja sehr gute Kunden der Postverwaltung sind, auf die man doch Rücksicht nehmen muß, braucht die Zählung der Worte, zu der das Amt zwar ein Recht hat, aber nicht verpflichtet ist, nicht gleich nach der Aufgabe zu geschehen, d. h. bei längeren Telegrammen von bekannten Personen, sondern es soll vor allen Dingen das Telegramm in den Apparat gelangen, damit die Depeschen, die zum theil recht wichtig sind, so schnell wie möglich an die Zeitungen gelangen. Nachher wird dann die Wortzahl fest⸗ gestellt und der Betrag von dem Betreffenden eingezogen, der uns ja unter allen Umständen sicher ist. Meistens sind es bekannte Männer, außerdem haben wir das Dokument ja in Händen, das Original⸗ telegramm, wo die Wortzahl jeden Augenblick festgestellt und der Betrag, wenn nöthig, vor Gericht eingeklagt werden kann. Also die Einrichtung ist sicher und hat sich außerordentlich bewährt nicht nur im Interesse der Beamten, sondern auch der Absender der Telegramme und namentlich des wartenden Publikums (sehr richtig!), dem sehr viel daran liegt bei solchen Telegrammen von 1580 Worten, daß nicht Alles durchgezählt wird. Die Vorschrift hat der Beamte nicht befolgt. Ich schicke übrigens voraus, daß es Sonntags⸗ dienst und der Beamte ein Stellvertreter war, daß er sonst nicht Dienst am Schalter hatte, was ihm einigermaßen zur Entschuldigung gereicht. Er hat also angefangen zu zählen, allerdings auf Anstiften seines neben ihm sitzenden Nachbars, der gesagt hat: dieser Herr verzählt sich öfter; zählen Sie nach. Das war eine überflüssige Aeußerung; denn wenn er sich auch verzählt, die Worte werden nachher festgestellt, und der Betrag wird eingezogen. Außerdem hat sich der Vertreter des „Daily Telegraph“ allerdings einige Male verzählt, aber zu seinem Nachtheil (hört, hört!), sogar einmal um hundert Worte, und wir haben ihm das Mehrgezahlte zurückerstattet.

Nun hat er dem Beamten gesagt: ich lege Werth darauf, daß das Telegramm schleunigst fortkommt, ich werde gleich die Fortsetzung schreiben, und da hat er sich an den Tisch des Vorsaals gesetzt und die Fortsetzung des Telegramms geschrieben. Das erste Drittel umfaßte 500 Worte, und inzwischen schreibt der Aufgeber die Fortsetzung und den Schluß des Telegramms auf zwei Formulare; dies waren zu⸗ sammen auch noch über 1000 Worte. Das dauert doch eine geraume Zeit! Wie er an den Schalter zurückkommt, um den Rest des Tele⸗ gramms aufzugeben, sieht er noch den ersten Theil seines Telegramms daliegen, während er dachte, daß dieses längst in London sein müßte. Es wäre auch schon dort gewesen, wenn der Beamte meinen Anordnungeu entsprochen und das nöthige Entgegenkommen gegen das Publikum gezeigt hätte. Natürlich hat das den Aufgeber in Aufregung versetzt, und er hat gesagt: „Nun machen Sie doch, daß die Sache endlich fortkommt“. Der Beamte fängt wieder an zu zählen. Natürlich verspätet sich das Telegramm bedeutend, und dann ist es in vielen Fällen werthlos. (Sehr richtig!) Dieses Telegramm hat an Telegraphengebühren gekostet 236 Die sind dann vergebens ausgegeben. Es ist gewiß erklärlich, daß der Aufgeber nun in großer Aufregung ist und zu beleidigenden Aeußerungen sich hat hinreißen lassen; er hat mit den beiden Formularen, die er in der Hand gehabt hat, nicht geschlagen davon ist keine Rede sondern er hat auf das Telegramm, unter allerdings ungehörigen Aeußerungen, getupft und gesagt: „Machen Sie doch endlich, daß dies wenigstens fortkommt.“ Ganz kritiklos haben es die gedachten Zeitungen aufgenommen; in einer hat sogar gestanden, er hätte mit dem Stock herumgefuchtelt. Der Herr hat überhaupt keinen Stock bei sich gehabt. In einer Zeitung hat gestanden, er hätte dem Beamten auf die Finger geklopft; das ist so urtheilslos wie möglich in die Zeitungen aufgenommen. Ich möchte doch denjenigen Deutschen sehen und da stimme ich mit dem Abg. von Lieber⸗ mann ganz überein der sich von einem Ausländer geduldig auf die Finger klopfen läßt! Das ist schon zu den Zeiten nicht dagewesen, als Tacitus schrieb, daß den Germanen die Hiebe locker säßen. (Heiterkeit.)

Dieser Beamte ist Jahre lang als Sergeant in einem Feld⸗ Artillerieregiment gestanden und ist nachher einige Jahre Schutzmann gewesen. Das sind Qualitäten, die nicht darauf schließen lassen, daß er sich ohne weiteres auf die Finger klopfen lassen wird! Ich halte es für absolut nicht möglich, und der betreffende Herr bestreitet es auch auf das entschiedenste, daß es zu irgend welchen Thätlichkeiten ge⸗ kommen ist. Wenn er gesagt haben soll, in England würde er einen

solchen Beamten mit dem Stock bearbeitet haben, so gehen uns hier

die etwaigen englischen Gebräuche nichts an.

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Dann kommt eine neue Unrichtigkeit in jenen Zeitungsartikeln. Es heißt, und der Herr Abgeordnete hat es angeführt, ich hätte ihm kurzer Hand darüber Aufklärungen geben können, dann hätte es dieses Apparates der Interpellation gar nicht bedurft der Vertreter der englischen Zeitung wäre zweimal bei mir gewesen. Das ist auch falsch; er ist einmal dagewesen, und ich habe ihn gleich angenommen, wie ich Jeden annehme ohne Unterschied der Person, der Nation und der Religion. Wer zu mir kommt und Rath oder Hilfe verlangt oder Beschwerden hat, den nehme ich an, sage ihm Bescheid und helfe, wo ich irgend kann, zu meiner eigenen Freude, und wenn ich nicht da bin, dann ist ein Stell⸗ vertreter da, der in meinem Geist dafür sorge ich schon dem Publikum ebenso entgegenkommt. Als der Herr kam, ist er an⸗ genommen worden und hat mir sofort die ganze Sache erzählt und unter Bezeugung aufrichtigen Bedauerns über diesen Vorfall, der ihm in der Aufregung und in einem allerdings gerechtfertigten Unmuth passiert ist, in gentiler Weise um Entschuldigung gebeten, und ich habe ihm gesagt: Ich bin nicht in der Lage, in das gerichtliche Ver⸗ fahren eingreifen zu können. Also nicht allein, daß ich das Verfahren nicht sistiert habe, sondern im Gegentheil, ich habe hinzugefügt, es sei denn, daß der Beamte den Strafantrag selber zurückzieht. Da haben wir, und zwar seit sehr langer Zeit, bei der Postverwaltung die von mir bereits vorgefundenen Traditionen, daß in solchen Fällen, wenn der Betreffende, der sich im Moment vergessen hat und es kommt in diesem Fall noch die Unbeholfenheit mit der deutschen Sprache hinzu wenn der den Beamten um Entschuldigung bittet und außerdem eine Sühne an die Unterstützungskasse zahlt, der Straf⸗ antrag, aber nur mit Einverständniß des Beamten, zurückgezogen wird. Der Fall kommt, ich möchte fast sagen, täglich vor, daß Wortwechsel zwischen Beamten und Publikum entstehen, und dann wird in dieser Weise verfahren. Das Sühneverfahren ist ja auch in anderen Fällen zulässig, ja eine Institution, und entspricht auch dem christlichen Geist. Wozu soll man alles auf die Spitze treiben? Wir haben gegen 30 000 Postschalter im Deutschen Reich, an denen verkehren täglich viele Millionen Menschen, so daß es da leicht zu Streitigkeiten und Wortwechseln kommen kann. Das können Sie sich denken. Der Dienst der Telegraphenbeamten ist ein sehr nerven⸗ reizender und die Zeitungskorrespondenten haben wahrlich auch einen aufregenden Dienst. Daher schon das alte Wort vom genus irritabile vatum! und wenn diese beiden Elektrizitäten zusammen kommen, die positive und negative, dann giebt es leicht Funken. Wenn ich alle diese Vorfälle verfolgen lassen wollte durch Gericht und Staatsanwalt, so würden wir uns vor Strafprozessen gar nicht retten können. Die absolute Zahl ist bedeutend natürlich, aber die relative ist, dank unseren Beamten und dem Publikum, immer noch gering unter Berücksichtigung, daß es sich um viele Millionen Menschen handelt, die täglich an diesen 30 000 Schaltern der Post verkehren.

Nun ist gesagt worden, ich hätte den Herrn von dem „Daily Telegraph“ zum zweiten Mal, wie irrthümlich angegeben worden ist, empfangen infolge von Einmischung höherer Personen bezw. des Hofes oder anderer Herren, die der Herr Abgeordnete angeführt hat Nach⸗ richten, die ich nicht zu untersuchen habe und die auch nicht hierher gehören. Das ist nun auch gänzlich unrichtig. Ich habe mit keinem Menschen gesprochen, außer mit dem betreffenden Herrn vom „Daily Telegraph“ selber. Ich glaube auch den Herrn Staatssekretär des Reichspostamts hinlänglich zu kennen, um Ihnen die Versicherung geben zu können, daß er nach seinem Charakter fremden Einflüssen unzugänglich ist. Und so würde es auch in diesem Falle gewesen sein, wenn überhaupt ein Anlaß dazu vorhanden gewesen wäre. Es ist ferner gesagt worden, gegen Deutsche würde das gerichtliche Ver⸗ fahren immer eingeleitet, aber gegen solchen Ausländer nicht. Das ist total falsch in den Zeitungen dargestellt. Das gerichtliche Verfahren wird gegen jedermann eingeleitet, der nicht um Entschuldigung bittet, und es wird natürlich nur dann zurückgenommen, wenn der betreffende Beamte selber es beantragt, wie er es auch in diesem Falle gethan hat, unter der ausdrücklichen protokollarischen Aussage, daß er von niemandem, keinem Vorgesetzten ꝛc. dazu veranlaßt worden ist.

Nun, meine Herren, ist noch eine weitere Unrichtigkeit in der betreffenden Zeitung es sind so viele, daß ich bedaure, Ihre Auf⸗ merksamkeit so lange in Anspruch nehmen zu müssen, aber es ist meine Pflicht, die Sache, nachdem sie so unnatürlich aufgebauscht worden, richtig zu stellen —, die: der betreffende Telegraphenbeamte ist ver⸗ setzt worden vom Schalter. Das ist völlig falsch, wie Sie schon daraus schließen können, daß, wie ich Eingangs erwähnte, der Beamte lediglich als Stellvertreter diesen Dienst zu besorgen hatte, und als der Dienst vorbei war, ist er an seine alte Stelle in dem Amt zurückgekehrt. Auch ist keineswegs strafend gegen ihn vor⸗ gegangen worden.

Wenn dann gesagt worden ist, es sei ein Ermittlungsverfahren eingeleitet gegen diejenigen Beamten, die diesen Vorfall in die Zeitungen gebracht hätten der Herr Abgeordnete hat das sogar mit einem gewissen Pathos der Entrüstung betont so zerfließt auch diese Behauptung absolut in Nichts. Der Staatssekretär des Reichs⸗ postamts hat kein Ermittlungsverfahren eingeleitet, auch der Ober⸗ Postdirektor nicht. Das ist eine Nachricht, die wie die vielen anderen, vollständig aus der Luft gegriffen ist. Ebenso verhält es sich mit der Angabe, daß mit Rücksicht auf die Anwesenheit der Mitglieder der Naval⸗ Institution gegen den Herrn vom Daily⸗Telegraph milder vorgegangen sei, als sonst der Fall gewesen wäre. Der Erfinder dieser Nachricht hat sicher Anlage zum Humor. In der ganzen Sache ist verfahren worden ohne Rücksicht auf Person, Nation oder Religion. Ich weiß nicht einmal, ob der betreffende Herr Christ oder Jude ist, das ist der Verwaltung auch ganz egal, es ist verfahren worden, wie bisher immer geschehen ist; es ist nicht in das gerichtliche Verfahren eingegriffen, sondern es ist der Strafantrag auf Einverständniß des betreffenden Beamten zurückgezogen. Hierzu ist der Rechtsbeistand der Königlichen Ober⸗ Postdirektion beim Reichspostamt hat die Sache überhaupt nicht geschwebt hinzugezogen worden und hat die Konzepte, die darauf Bezug haben, gegengezeichnet. Also die Sache fällt damit in sich zusammen. Wenn die Herren vorher Erkundigungen eingezogen hätten im Reichspostamt, so hätten sie das auf kürzerem Wege als mit dem großen Apparat der Interpellation erfahren. Wenn wir alles wider⸗ legen sollten, was in den Zeitungen geschrieben wird, namentlich in dieser Art Zeitungen, die ich geschildert habe, dann müßte das Personal des Reichspostamts verdoppelt werden, um alle falschen, einseitigen und ungenauen Angaben richtig zu stellen.

Was das Ansehen der Verwaltung betrifft, das ja dem Herrn Abg. Liebermann soviel Schmerzen macht ich begreife das in seinem

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patriotischen Gefühl (Heiterkeit), so möchte ich ihn doch bitten, de Wahrung desselben der Verwaltung selber zu überlassen. Diese hat seit Jahrzehnten das Ansehen der Post⸗ und Telegraphenbeamten derart gehoben, daß darüber nicht nur eine Stimme im ganzen Lande besteht sondern auch darüber hinaus im Auslande. 8 nach und erkennen keinen anderen Ehrenwächter an, als uns selber.

Ich möchte mir zum Schluß noch erlauben, Ihnen aus der be⸗ sonderen Instruktion für die Kaiserlichen Ober⸗Postdirektoren einen

Passus vorzutragen, der die Auffassung charakterisiert, die bei det

obersten Behörde bezüglich des Personals obwaltet. Es heißt in diesem Zirkularerlaß an die Herren Ober⸗Postdirektoren:

Mit besonderer Genugthuung habe ich, und Sie gewiß mit mir, wahrgenommen, wie sehr gegen frühere Zeiten die Hal⸗ tung, die Erscheinung und das ganze Auftreten des Personalt sich zu seinem Vortheil verändert hat. Ich rechne diese hocherfreuliche Wandlung den Herren Ober⸗Postdirektoren zum be⸗ sonderen Verdienst an. Während ehedem den Postbeamten im Volksmunde ein wenig schmeichelhaftes Attribut beigelegt zu werden pflegte, höre ich jetzt häufig bis in die obersten Kreise des Publikums von den Beamten unserer Verwaltung sagen, sie seien lauter Gentlemen.

Dieser Geist muß weiter gepflegt werden. Bei allem Ernst in Ausübung der Disziplinarbefugnisse setze ich von einem seiner Auf⸗ gabe gewachsenen Bezirkschef voraus, daß er das Ehrgefühl der ihm unterstellten Beamten rege erhalten, daß er verstehen werde, sich das Vertrauen, womöglich die Anhänglichkeit und Liebe seiner Untergebenen zu gewinnen und zu erhalten. Ich erwarte im dienst⸗ lichen, wie im außerdienstlichen, möglichst auch durch kameradschaft⸗ liches Zusammenhalten und zwanglose Geselligkeit zu pflegenden Verkehr des Chefs mit seinem Personal die Haltung, die ihn den jüngeren als Vorbild, den älteren als Führer und Leiter in der gemeinsamen Berufsarbeit, Allen als Hüter kollegialischer Gesinnung voranleuchten läßt. Unerschütterliche Gerechtigkeit, hoher Sinn, der kleinlicher Zuträgerei unerreichbar bleibt und sich von Mißmuth und Mißtrauen frei zu halten weiß, Vermeidung alles Protektionswesens, feste Ziele und selbstlose Zwecke, Ruhe und Gleichmäßigkeit sind die besten Grundlagen amtlicher Autorität. Ihr thut auch die Fähigkeit, über abgemachte Verfehlungen hinweg⸗ zusehen, ohne sie dem Betheiligten „nachzutragen“, keinerlei Ab⸗ bruch, wenn sie mit festem sittlichem Ernst gepaart ist.

Meine Herren, das sind die Grundsätze, von denen ich seit mehr als 25 Jahren ausgegangen bin. Ich habe es erreicht, oder vielmehr die Reichsverwaltung, da ich von meiner Person nicht sprechen will, die Stellung und das Ansehen unserer Beamten erheblich zu fördern, und zwar nur durch geistige Macht, durch moralische Kräfte und Elemente und durch ein ethisch⸗pädagogisches Spstem in der ganzen Verwaltung, nicht aber durch gerichtliche oder disziplinare Zwangs⸗ und Strafmittel, die nur für den Nothfall in Be⸗ tracht kommen, und dabei gedenke ich es, so Gott will, auch ferner zu belassen. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Werner (Reform⸗P.) beantragt eine Besprechung der Inter⸗

pellation, die aber nicht stattfinden kann, da nur die Reform⸗Partei und einige Konservative den Antrag unterstützen.

Es folgt die Berathung des Antrags des Abg. Grafen von Arnim (Rp.):

„Den Reichskanzler zu ersuchen, mit möglichster Beschleunigung zu veranlassen, daß die Pfandbriefe der landschaftlichen Kreditinstitute von der Reichsbank zu den gleichen Bedingungen lombardiert werden wie die Reichs⸗Anleihen.“

Abg. Graf von Arnim wendet sich gegen die Ausführungen,⸗ die bei seüberer Gelegenheit der Abg. Barth in Bezug auf diese Frage bennct habe, namentlich dagegen, daß die Summe der Pfand⸗ riefe sich zu sehr gesteigert habe. Die Sicherheit der Pfandbriefe sei eine eben so große wie die der Reichs⸗Anleihen. Die Staats⸗ papiere gingen 1866 und 1870 unter den Kurs der Pfandbriefe, weil ihre Sicherheit durch den Krieg gefährdet werde, während die Landwirthschaft davon nicht so betroffen werde. Das sei auch voll⸗ ständig richtig, denn die Beleihungsgrenze der Landschaften sei eine verhältnißmäßig niedrige, sodaß wohl kein Fall angeführt werden könne, wo die Pernpschaf ei der Zwangsversteigerung ausgefallen wäre. Wenn die en dbriee bezüglich der e den Reichs⸗Anleihen gleichgestellt würden, dann hätten sie einen rößeren Markt. Allerdings möchten wohl einige Börsenleute den fandbriefen diesen größeren Markt nicht gönnen wegen des Börsen⸗ gesetzes. Allein er glaube, daß die anständigen Banken sich an einem solchen Treiben nicht betheiligen würden. Der Zustand, den seine Partei wünsche, habe bis 1884 bestanden und sie wolle ihn wiederhergestellt sehen. Auf diese Weise könnten die Gelder der Reichsbank der Landwirthschaft zugeführt werden.

Präsident des Reichsbank⸗Direktoriums, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Koch: Meine Herren! Der Herr Antragsteller hat sich nicht mit den am 24. März d. J. von mir meiner Meinung nach erschöpfend ausgeführten Gründen begnügt, welche die Reichsbank zu ihrem bisherigen Verhalten binsichtlich der Beleihung der landschaft⸗ lichen Pfandbriefe bewogen haben, sondern darauf bestanden, 88 dieser Antrag heute noch verhandelt wird. Ich kann nur dankbar sein, daß mir dadurch Gelegenheit gegeben wird, die damals angegebenen Gründe noch in einigen Punkten zu ergänzen. Ob Sie aber mit diesem Antrag

hrer Sache genützt haben, bleibt außerordentlich zweifelhaft. Meine

rren, je mehr Kenntniß über die Natur der einzelnen Gattungen von Pfandbriefen besteht, je tiefer man in diese Materie einzudringen genöthigt ist desto geringer wird im Publikum die Neigung zur Anlage darin wachsen. Desto geringer wird vielleicht die Neigung, ich bei der Konvertierung von Pfandbriefen zu betheiligen. Der Gedankengang, von dem die Herren Antragsteller ausgehen, ist ein ganz Ahealeceleen Sie führen aus, der Kurs der Pfand⸗ briefe ist ein zu niedriger im Vergleich zu den Staats⸗ und Reichs⸗ anleihen. Die im Gange befindlichen Konvertierungen werden da⸗ durch erschwert. Schuld daran ist das Verhalten der Reichsbank. Also ändere du, Reichsbank, die Lombardpolitik und verbillige den Zinsfuß um ½ %. Ich glaube, ein solches Verlangen ist in der Ge⸗ schichte der Notenbanken ziemlich unerhört. Um den Börsenwerth einer Gattung von Papieren zu erhöhen, um Geldoperationen be⸗ stimmter Art zu erleichtern, deswegen soll die Reichsbank an ihrem Zinsfuß etwas ändern. Aber die Voraussetzungen sind größtentheils unzutreffend. Zutreffend ist nur, daß der Kurs der Pfandbriefe niedriger ist, als der der Reichs⸗ und Staatsanleihen. Aber unrichti ist, daß das von der Reichsbank verschuldet wird. Der Kurs ist nich erst niedriger seit 1884, seit unserer Maßregel, sondern er ist schon vorher häufig ein niedrigerer gewesen. 9 6 f tsp in vor mir. (

uruf rechts.) M. Herren, ich habe die chenden Zahl⸗ ir. (Zuruf rechts⸗) 8 1“ v1““ E.

Wir stehen darin keinen

briefe neu aufgenommen, und die bisher von

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Schon in den Jahren 1880, 1881, 1882, 1883 z. B. bestand eine starke, und zwar eine größere Differenz zwischen dem Kurse der 3 ½ % Pfand⸗ briefe gegen den der 3 ½ % Staatsschuldscheine. Sie betrug 7,40 bis 8 %, 6,8 bis 8,60 %, 7,20 bis 8,60, 4,50 bis 7,60, 1883 noch 4,5 bis 7,6 %. Seit Eintritt unserer Maßregel zeigt sich sogar eine Ver⸗ minderung der Differenz. Im Jahre 1884 betrug sie 4,05 bis 4,60 %, 1885 1,60 bis 3,80, 1886 0,20 bis 1,20 %. Meine Herren, die Sicherheit der Pfandbriefe habe ich niemals bestritten, im Gegen⸗ theil, ich wiederhole das, was ich schon früher gesagt habe: ich halte sie nach wie vor für erste Papiere. Wie könnte sonst die Reichs⸗ bank sich so entgegenkommend immer gegen die öö fand⸗ briefe verhalten haben! Bedenken Sie, daß wir ungefähr 31 Millionen landschaftliche Pfandbriefe in unserem Lombard haben. Ist das wenig im Vergleich mit anderen verpfändeten Papieren? Ich meine, das ist außerordentlich viel, und auch bei den Konvertierungen sind wir immer bereit gewesen, zu helfen, soweit das an⸗ ing. Ich möchte einen Passus aus dem letzten halbjährigen ericht einer schlesischen Anstalt über die Handels, und Wirth⸗ schaftsverhältnisse verlesen, wenn der Herr Präsident es mir ge⸗ stattet, dahin gehend: „Entsprechend dem flotten WM11ee und den vermehrten Umsätzen in der Industrie, war auch der Geldbedarf derselben in dem unserem Bericht unterliegenden Zeitraum ein größerer. Derselbe übte auf den lokalen Geldmarkt jedoch nicht im entferntesten eine so einschneidende Wirkung aus, wie die im vorigen Jahre zur Aus⸗ führung gelangte Konvertierung der schlesischen Pfandbriefe. Zwar vollzog sich dieselbe durch das Konsortium Seehandlung für den über⸗ wiegend größten Betrag auf dem Papiere, indessen hatten, wie sich bald herausstellte, viele Besitzer von Pfandbriefen die Konvertierung nur mitgemacht, um die auf 3 % abgestempelten Pfandbriefe baldmög⸗ lichst zu verkaufen. Zu diesen an den Markt kommenden Pfandbriefen trat noch das gesammte, aus den freihändig bewirkten Konvertierungen und den Neubeleihungen zur Ausgabe gelangende Material, sodaß das Angebot zeitweise ein sehr dringendes war, und ein sehr großer Theil der Pfandbriefe überhaupt noch nicht in feste Hände übergegangen ist, sondern sich noch im Besitz der Inhaber der bepfandbrieften Güter befindet. Natürlich mußten dieselben, um die Pfandbriefe zu⸗ nächst behalten zu können, Kredite in Anspruch los ist es nur dem Entgegenkommen der Reichsbank durch Gewährung dieser Kredite zu danken gewesen, daß die Gutsbesitzer vor empfind⸗ lichen Verlusten bis jetzt bewahrt worden sind und ihnen die Mög⸗ lichkeit gegeben ist, die Pfandbriefe allmählich zu verkaufen. Umfang⸗ reiche Neubeleihungen haben namentlich von nichtinkorporierten Gütern infolge Erleichterung der Beleihungsbedingungen stattgefunden. Auf zahlreiche Rittergüter wurden 3 prozentige landschaftliche Pfand⸗ G parkassen, Bodenkredit⸗ banken u. s. w. gewährten, höher verzinslichen Hypothekendarlehen zurückgezahlt. Auch bei der Mehrzahl dieser geschäftlichen Transaktionen gewährten wir die erforderlichen Zwischenkredite. Im Ganzen wurden in dem Zeitraum vom 1. April 1895 bis 31. März 1896 18 ½ Millionen Mark Pfandbriefe seitens der Landschaft an und für Rechnung der Besitzer ausgehändigt.“ Meine Herren, ich habe schon bei der vorigen Debatte im März angeführt, daß wir in Schlesien, bei einigen Bankanstalten in einem verhältnißmäßig kleinen Zeitraum in 9 Jahren behufs Erleichterung von Pfandbrief⸗Konvertierungen über 100 Millionen hergeliehen haben. Sie werden sagen: Die Reichsbank ist dazu per⸗ pflichtet, aber es hängt doch bei den? Kreditgewährungen viel von dem Entgegenkommen der Bank ab; es ist geradesbei diesen Geschäften nicht leicht, mit den Grundsätzen über bankfähige Wechsel im Einklang zu bleiben. Sie werden nicht sagen dürfen, daß wir der Konvertierung abgünstig sind. Meine Herren, es giebt außer den häufigen Konver⸗ tierungen noch mancherlei andere Gründe, die dazu geführt haben, daß der Kurs der Pfandbriefe sich dauernd unter dem Kurs der Reichs⸗ und Staatsanleihen hält. Solche Gründe sind dargestellt in einem Aufsatze, für den ich die Verantwortung nicht zu übernehmen habe. Unter Benutzung der Literatur und mit vielen Zahlen wird aufmerk⸗ sam gemacht, daß die Generalgarantie sich nur bei etwa 70 % der 1800 Millionen Pfandbriefe findet, bei den übrigen nicht; daß ee- der letzteren Art auch von den alten Land⸗ chaften ausgegeben sind (zuruf rechts) gewiß nicht, aber doch eine Anzahl. Es handelt sich im Ganzen um 30 Millionen ohne Generalgarantie. Bei manchen Landschaften ist der Sicherheitsfonds ein lemsich kleiner. Die veröffentlichten Bilanzen wird ausgeführt sind zum theil nicht so, wie man es lon z. B. im kaufmännischen Verkehr verlangt. Kurz, das Publikum ist nicht so über die kompli⸗ zierten Verhältnisse aller Arten von eigaciene orientiert, wie bei anderen Prpicren, z. B. den Schuldverschreibungen der Staaten, Pro⸗ vinzen, Städte, auch Hypothekenbanken. Alles das mag dazu bei⸗ tragen, daß die Neigung im Publikum etwas gesunken ist, seine Gelder in Pfandbriefen anzulegen. Ich habe mich, als ich den Auf⸗ satz las, nicht dabei beruhigt, sondern auch die Reichsbankanstalten, in deren Bezirk sich der Sitz von Landschaftsdirektionen befindet, aufgefordert, mir die Gründe anzuführen, weshalb sich der Kurs der Pfandbriefe nicht gehoben habe. Die Gutachten lauten nicht ganz gleich. Im Osten ist es der mangelnde Geschmack des Publi⸗ kums an den niedrigen Zinsen der Pfandbriefe. Man ver⸗ gleicht z. B. ihren insfuß zu ihrem Nachtheil mit den Zinsen der Sparkassen, der Hypotheken, auch riskanter Dapiere und wendet sich diesen zu. Im Westen sind es die onvertierungen und die dadurch in die Kapitalsanlagen getragene Unruhe, welche die Schwierigkeiten mehren. Auch hier fängt man an, andere, ruhigere Anlagen vorzuziehen. So ist die Sache ins Stocken gerathen, indem vieles dazu beiträgt, die Neigung des ublikums zum Ankauf von Peesagfiche zu vermindern. Sie rauchen also nicht alles auf unsere Zinsfußdifferenz zu schieben. Daß diese nicht so nachtheilig auf den Kurs gewirkt haben kann, ergiebt sich daraus, daß andere Papiere, welche ebenfalls zu nicht höherem Zinsfuß beliehen werden wie ropen.Obligattogen, Stadt⸗Obli⸗ ationen, Rentenbriefe u. s. w., auch wesentlich höher stehen als die Fjansdree Ich habe die Kurstabellen hier; es wäre zu weitläufig, Ihnen das im Fiüsehttn nachzuweisen. (Zuruf rechts.) Zum Beispiel 3 prozentige. (Wiederholter Zuruf rechts.) Ich vergleiche 3 ½ pro⸗ jentige Pfandbriefe mit 3 ½ prozentigen Papieren anderer Art; und da zeigt sich, daß z. B. die Kölner Stadt⸗Obligationen 102,60 stehen, die Dortmunder 102,20 ꝛc. Die Provinz⸗Obligationen stehen noch vielfach öher, z. B. die der Rheinprovinz 103 %. Es handelt sich immer um eine ver⸗ jedene Schattierung in der Natur der Fhiee Die kleinen aßregeln der Reichsbank, daß ihr für wenige Wochen ein paar Mark Zinsen mehr Fzahtt werden müssen, haben auf den dauernden Werth eines solchen Papiers keinen Einfluß. Aber selbst wenn das der Fall wäre, wenn es möglich wäre, den Kurs der Pfandbriefe etwas zu steigern und die im Gange befindlichen Konyvertierungen ein wenig zu erleichtern, so kommt dem gegenüber ein großes bankpolitisches Prinzip in Betracht. Wir müssen eine solide und flüssige Anlage halten. habe Ihnen bereits einmal auseinandergesetzt, daß die vucf. schnittliche Lombardanlage im Vergleich zur Wechselanlage sehr gestiegen ist. Das ist aber nicht erwünscht, es wäre nicht rationell, es ihr noch zu erleichtern. Meine Herren, wir können diesen Vorzug des billigeren. Zinsfußes nicht den Pfandbriefen hauptsächlich des preußischen Ostens bewilligen und denselben Vorzug inderen deutschen Papieren von ebenso großer Sicherheit, von benle chter Verwerthbarkeit verweigern. (Zuruf rechts.) Nein, landschaftliche

nehmen, und zweifel⸗

bezeichnen zu müißen. daß wir gerade durch Aenderung des

Zweite Beilage

Berlin, Freitag, den 19. Juni

nicht, aber auch nicht lauter Hypothekenbanken, von denen Sie gesprochen haben. Was sagt der Herr Abg. von Staudy z. B. zu den indirekten Staats⸗Obligationen, zu den Obligationen der Provinzen, zu den Rentenbriefen, zu den landschaftlichen Instituten anderer Art, von denen ich in meiner früheren Rede eine ganze Zahl genannt habe Was sagen Sie zu den ähnlichen Papieren der süddeutschen Institute, welche dort die Rolle der Landschaften übernehmen? Man könnte uns in der That vorwerfen, daß wir uns eines starken preußischen Partikularismus schuldig machen, wenn wir die preußischen landschaft⸗ lichen Pfandbriefe, welche der Antrag im Auge hat, herausgreifen und sie besser behandeln als jene füddeutschen Päpiere, die innerlich eben⸗ so gut sind. Ich kann Ihnen ein genaues Verzeichniß von Papieren dieser Art vorlegen, welche pupillarische Sicherheit genießen. Es Fehbham dahin die Pfandbriefe der bayerischen Hypothekenbank, der heinischen Hypothekenbank, der Württembergischen Hypothekenbank, der Deutschen Hypothekenbank in Meiningen; ferner können in Pfandbriefen der Gesellschaft für Boden⸗ und Kommunalkredit in Elsaß⸗Lothringen Kapitalien der Gemeinden und öffentlichen Anstalten angelegt werden. Pfandbriefe der Süddeutschen Bodenkreditanstalt sind zur Anlage von Gemeinde⸗, Kirchen⸗ und Stiftungsgeldern in Bayern und Hessen zugelassen. Wollen Sie diese Papiere ausschließen? Meine Herren, wenn wir den Kreis der zu billigerem Zinsfuß be⸗ leihbaren Papiere erheblich vermehren, dann liegt die Gefahr nahe, daß in schwieriger Zeit der Lombard so zunimmt, daß für die Reichsbank eine Gefahr entstehen kann. In ruhiger Zeit wie jetzt ist das freilich nicht zu befürchten; aber die Verhältnisse können sich täglich ändern. Wenn das Geld einmal knapp wird, dann schwillt der Lombard gewaltig an. Z. B. im Jahre 1891 ist der Lombard sehr stark geworden; er steigerte sich gegen 1883 im Durchschnitt um 116 %. Ein solcher Vorgang kann sich zu ganz gewaltigen Dimensionen erheben. Nun hat Herr Graf Arnim am Schlusse seines Vortrags dem Antrag eine andere Wendung gegeben. Er verlangt wenigstens eventuell nicht mehr die Ermäßigung des Zinsfußes für Pfandbriefe um ½ %; er verlangt wenigstens eine Gleichstellung mit den Staats⸗ und Reichspapieren, insofern, als wir auch für diese den billigeren Zinsfuß beseitigen. Ja, meine Herren, daß das ein Gegen⸗ stand fortwährender Erwägung bei der Reichsbankverwaltung ist, habe ich mir schon das vorige Mal anzuführen erlaubt. Ich glaube in der That, daß vielleicht der Zeitpunkt nicht fern ist, wo man den Zinsunterschied beseitigen muß, weil immer mehr sich der Lombard auf diese bevorzugten Papiere ausdehnt und inzwischen auch der Zweck, daß die Anlage in den Staatspapieren eine ständig gesuchtere werde, erreicht ist. Dann werden wir durchweg an dem Grundsatz fest⸗ halten können, daß der Lombardzinsfuß 1 % über dem Wechseldiskont steht, ein gefunder Grundsatz, den die Bank von Frankreich, wie ich früher schon bemerkt habe, und andere große Notenbanken bereits besitzen. Meine Herren, ich glaube nicht, daß der Antrag des Herrn Grafen von Arnim eine Aussicht auf Annahme hat; indessen bitte ich, denselben abzulehnen. Abg. Graf von Mirbachld. kons.): Die Antragsteller haben sich an den Reichskanzler gewendet und nicht an den Reichsbank⸗Präsi⸗ denten, von dem sie ja nicht ein so großes Maß von Wohlwollen er⸗ warten. Nicht um Geldoperationen wünschen die Antragsteller eine Gleichstellung des Lombardzinsfußes, sondern im Interesse des ge⸗ sunden Kredits der ersten deutschen Erwerbsthätigkeit. Wenn die Reichsbank der Konvertierung der Pfandbriefe gegen Entgelt bei⸗ etreten ist, so hat sie ihre Pflicht erfüllt und die gegebenen Ver⸗ bältnisse berücksichtigt, aber von einem Wohlwollen kann dabei keine Rede sein. Der Reichsbank⸗Präsident bemerkte bei der früheren Er⸗ örterung, daß der niedrigere Lombardzinsfuß für die Staatspapiere dahin führen sollte, die Staatspapiere mehr in die Hände der kleineren Leute zu bringen als die exotischen Werthe. Das ist die⸗ selbe Begründung, die wir bezüglich der Pfandbriefe vorbringen. So⸗ weit eine menschliche Berechnung reicht, sind die Pfandbriefe unbedingt sicher. Hinter den Staatspapieren steht die Steuerkraft des ganzen Landes, sagt man; aber schließlich ruht die Steuerkraft doch wesent⸗ lich in dem Grund und Boden; denn das mobile Kapital ist inter⸗ national. Gewerbliche Werthe können vernichtet werden, aber nicht der Grund und Boden, der höchstens durch eine Gesetzgebung wie die andelsverträge vorübergehend geschädigt werden kann. Der städtische Uiberalismus, der sich zusammengefunden hat in dem Schutzverband zur Vernichtung der Agrarier, ist zufrieden mit der Benachtheiligung der Pfandbriefe, die diskreditiert werden von den Behörden, indem sie für Vermögensanlagen den Kirchengemeinden u. 1 w. den Ankauf von Konsols empfehlen. Der Kredit der Landwirthschaft würde ge⸗ hoben werden durch die Durchführung des Antrags des Grafen Arnim und durch eine rationelle Konvertierung. An die Stelle der 4⸗ und 3 ½ prozentigen Staatspapiere müßten die 3 prozentigen treten, welche der Typus der Zukunft sind. F. nee Liquidität der Reichsbank muß die Anlage hauptsächlich in Wechseln erfolgen. Wenn die Lombard⸗ darlehen nur 85 bis 100 Millionen Mark betragen, so ist das sehr richtig. Die Summe der Staatspapiere beträgt 12 Milliarden; es könnten also 9 Milliarden Lombard darauf genommen werden, während der Betrag der Lombarddarlehen im Verhältniß ein sehr winziger ist. Was bedeutet dem gegenüber die Vermehrung der zum billigeren Lombardzinsfu encasesthe Papiere? Redner empfiehlt als Muster die Französische Bank und den Minister Méline. v. . des Reichs bank⸗Direktoriums, Wirklicher Geheimer Rath

Dr. Koch: Ich bitte, mir nur wenige Worte der Erwiderung auf das von Herrn Grafen Mirbach Geäußerte zu gestatten. Zu Anfang seiner Ausführungen hat mich der Herr Graf Mirbach in Gepensaß zu dem Herrn Reichskanzler zu bringen gesucht. Ich mache darau aufmerksam, daß der Herr Reichskanzler mich zum Kommissar für diese Angelegenheit bestellt hat und daß mir seine Ansichten in dieser Beziehung bekannt sind. Es versteht sich von selbst, daß ich keine von den semgen abweichende Intentionen zum Ausdruck gebracht habe. Weiterhin hat der Herr Graf Mirbach mich des mangelnden Wohlwollens für die Landwirthschaft beschuldigt. Er verwechselt dabei wohl den Bimetallismus mit der Lüceschaft „Ich bin bei früheren Gelegenheiten wegen des Bimetallismus mit dem Herrn Grafen Mirbach wiederholt in Zwiespalt gerathen; aber meine e Amtsführung bürgt dafür, daß ich jeder Zeit das größte Wohlwollen für die Landwirthschaft an den Tag gelegt habe, . kann mich auf meine AnefüFenpgen im vorigen Jahr und ebenso auf das Zeugniß meiner Herren

ollegen darüber berufen. Bei der Reichsbankverwaltung überhaupt besteht traditionell ein besonderes

Wohlwollen ft die Landwirthschaft. Es wird Ihnen bekannt sein, daß landwirthschaftliche Wechsel in der Regel sehr schwer strengen bankpolitischen Grundsätzen sich fügen. Trotzdem haben die Reichs⸗ bankanstalten gerade bei Konvertierungen landschaftlicher Pfandbriefe, se eit es mit der erforderlichen Solidität sich vereinigen ließ, in den .KeKern Ir.wer Ich möchte 1a. Grafen Mirbach bitten, sich einmal nicht bloß in Schlesien, sondern bei der kurmärkischen Ritterschaft zu erkundigen, ob wir ihr 9. Wohlwollen entgegen⸗ ebracht haben. 8 her mich also von dem Vorwurf des Herrn Grafen Mirbach völlig frei und fühle mich davon gänzlich unberührt. Er nennt weiter die Konvertierungen keine Geldoperationen. möchte wissen, was ist denn 889 eine ve F Ien.s —, ist das eine Geldoperation, und ich glaubte es als etwas Eigent 8 8 nsfu im Lombardverkehr dazu milhelfen sollen. Der Herr Graf wies ferner darauf, daß ja nur das verlangt werde, was be sic der Reichs⸗ und Staatsanleihen bereits geschieht. Es sst aber d 1

etwas Anderes, ob

ein Papier leichter genommen wird, das auf den Gesammt⸗ interessen des Landes beruht, oder ein Papier, 8 aus den Interessen eines kleinen Landestheils, einer bestimmten Berufsklasse hervorgeht. Die Grundlagen der 1800 Millionen Pfandbriefe 1g. außerordentlich verschieden; die Verhältnisse sind zum theil recht verwickelt. Das Publikum ist bisher nicht im stande gewesen, sie im Einzelnen zu prüfen; deswegen stehen die Kurse ich Ganzen ziemlich gleich. Wenn aber infolge solcher Anträge eine nähere Prüfung stattfindet, dann wird es zu Kursunterschieden kommen, die den interessierten Herren vielleicht nicht angenehm sind. (Zwischenruf.) Ich habe im mindesten darauf keinen Einfluß; der Ausdruck „mangelndes Wohlwollen“, der mir eben entgegengeworfen wird, paßt nicht hierher. Herr Graf Mirbach ist fernerhin auf den Lombardverkehr eingegangen, den er gewissermaßen als sehr unschuldig darstellt. Ich habe Ihnen ausgeführt, daß der Lombardverkehr unter Umständen bedenklich werden kann. Unser Lombardverkehr ist ein sehr bequemer; ich exemplifiziere in dieser Beziehung auf die Französische Bank. Diese fordert minde⸗ stens 15 Tage Zinsen, wir dagegen verleihen, abgesehen von den Ultimo⸗Darlehnen, selbst auf 1, 2 Tage; jeden Tag kann das Lombarddarlehn abgelöst werden; das ist für das 3 hum äußerst ö Große Schwierigkeiten können aber entstehen im Fall einer Krise, eines Kriegs, wenn der Lombard außerordentlich anschwillt. Unser Lombard ist im Vergleich zur Wechselanlage groß. Ich will Sie mit der Statistik verschonen. Aber es giebt sehr bedeutende Theoretiker ich nenne z. B. Herrn Professor Ad. Wagner —, die überhaupt Gegner des Effektenlombards sind. Ich fürchte, ich werde mich üvber diese Dinge mit Herrn Grafen Mirbach niemals einigen; das sind Gegenstände der Reichsbankverwaltung, für die ich ihm gottleb nicht verantwortlich bin. Er hat auch unsern Baarvorrath versadsen und als zu gering bezeichnet, Dieser ist aber von Jahr zu Jahr gewachsen. Der Durchschnitt von 1895 war bte als eine Milliarde. Ein solcher Baarvorrath ist vollkommen hinreichend für unseren Ver⸗ kehr und gegenüber den Passiven der Bank. Worin bestehen denn die Vornehmlich in den Noten, die 1895 ebenfalls durch⸗ schnittlich eine Milliarde betragen haben. Nach dem Bankgesetz brauchen wir nur 33 ½ % in Metall und Reichskassenscheinen in 8828 Kassen zu halten; häufig haben wir aber bis 90 %, ja wir haben Perioden, in welchen wir weit mehr Metall in den Kassen haben, als draußen Banknoten im Umlauf 9„ Es bestehen also nicht die mindesten Besorgnisse in dieser Beziehung. Bei der Bank von Frankreich steht dem allerdings viel größeren Baar⸗ vorrath auch eine e große Notenmenge gegenüber; sie giebt in der Regel weit mehr Noten aus als wir, so daß die Deckung bei ihr, wie es jedem Bankkenner bekannt ist, meistens eine schlechtere ist als bei uns. Ich will die Französische Bank durchaus nicht tadeln, sie ist eine gut geleitete Bank, die einzige große Notenbank in einem reichen Lande, welches mit Kapital reichlich gesättigt ist; aber trotzdem ist kein Grund, sie uns als Muster entgegenzuhalten. bin in dieser e.ean; ganz ruhig, meine Herren; die Reichsbank genießt im Inlande, wie im Auslande großfs Ansehen; sie ist in der That die starke Bank, von der ich im März gesprochen habe, und die Herr Graf von Mirbach in ihr nicht finden will.

Abg. Dr. Barth (fr. Vgg.): Die Gefahr, daß die Reichs⸗ regierung sich die Ansichten des Grafen Mirbach aneigne, ist nach den letzten Ausführungen nicht groß. Ich habe den in der „Ration“ über die Pfandbriefe erschienenen Artikel nicht geschrieben, wie Graf Arnim anzunehmen scheint. Die Durchführung des Antrags wird die Kurse der Pfandbriefe nicht künstlich steigern; dazu würde vielmehr eine klare Rechnungslegung der Landschaften beitragen. Die Glogauer Abtheilung der schlesischen Landschaft hat 3000 bewilligt für den Bund der Landwirthe und zwar aus einem Fonds, der bestimmt war zur Förderung landschaftlicher Zwecke. Das ist geradezu unerhört, und die Regierungen sollten von Aufsichtswegen einschreiten.

Abg. Szmula (Zentr.): Ueber die Landschaften besteht eine eenügende Kontrole; mit solchen angesammelten Geldern kann die

antschaft machen, was sie will; dadurch werden die Gläubiger nicht beeinträchtigt. Redner bestreitet, daß die Pfandbriefe - den vee, eena- minderwerthig seien, und empfiehlt die Annahme des ntrags.

Abg. Meyer⸗Danzig (Rp.): Die Konvertierung der Pfand⸗ briefe zur Erleichterung der die Hälfte des Volks umfassenden Land⸗ wirthschaft kann man nicht als eine verwerfliche Geldoperation be⸗ zeichnen. Redner wendet sich gegen die früheren Augführungen des Reichsbank⸗Präsidenten über die Behandlung der 1egran und bestreitet, daß ein bankpolitischer Grundsatz dem Antrag entgegen⸗ stehe. Die Bank von England stelle den Finsfuß nicht in ein c festes wie die Deutsche Reichsbank; sie gehe beim

ombard sogar manchmal unter den Wechseldiskont herunter. Abg. Freiherr von Stumm (Rp.) hält die Forderung, die Pfandbriefe den Staatspapieren gleichzustellen, für vollständig be⸗

rechtigt.

Abg. von Staudy (d. kons.): Der Reichsbank⸗Präsident scheint die Werthpapiere erster Klasse, welche die Pfandbriefe darstellen, nicht richtig zu beurtheilen. Auf 2 der Regierung haben die ostelbischen Landschaften ohne jede Subvention ihren Kredit den kleinen Grundbesitzern eröffnet. Die Angriffe des Herrn Barth sind daher unberechtigt. Der Aufsatz in der „Nation“, aus welchem der Reichs⸗ bank⸗Präsident sogar einzelne Worte gebracht hat, ist geschrieben ohne Kenntniß der Landschaften und deren Geschäftsführung. Redner vertheidigt die Landschaften gegen die Angriffe und die ungerechte Beurtheilung, welche in dem Artikel der „Nation“ enthalten seien. Es handele sich hier um einen Punkt, wo die Interessen Preußens im Reiche nicht genügend geachtet 6*

Präsident Freiherr von Buol kündigt an, daß die Abstimmung über den Antrag eine namentliche sein würde.

Nachdem Abg. Graf von Mirbach der Reichsbank empfohlen, nach dem Muster der Bank von Frankreich ihren Metallbestand zu vermehren, verwahrt sich der

bg. Dr. Barth gegen den Vorwurf, daß er ein besonderer Feind der Landwirthschaft sei. Für die Landwirthschaft und die landschaft⸗ lichen Pfandbriefe wäre es aber viel besser, wenn die ganze agrarische Agitation aufgegeben würde.

Präsident des Reichsbank⸗Direktoriums, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Koch: Die sämmtlichen 85 Vorredner haben sich so viel mit meinen Ausführungen beschäftigt, 2 ½ ich mir etlaube, noch ein kurzes Wort hierauf zu erwidern. Der Herr Abg. Freiherx von Stumm hat sich allerdings dem Antrag des Herrn Abg. Grafen von Arnim und Genossen ebenfalls angeschlossen. Ich bin ihm aber außerordentlich dankbar für die Form, in welcher er es gethan hat, indem er sich der gehässigen Vorwürfe und Angriffe auf meine Person enthalten hat, wie ich sie von einzelnen Herren Vorrednern habe vernehmen müssen. Ich würde meinerseits sehr gern, dem Wunsch des Herrn Abg. Freiherrn von Stumm folgend, dazu mitwirken, daß die Reichsbank auch die Pfand⸗ ü zu ermäßigtem Zinsfuß beleiht, wenn sich dies mit meiner sorg⸗ fältig gewonnenen ve-g’ vertrüge. Ich kann versichern, 8 die Fräge seit Jahren in allen maßgebenden Instanzen gründli erwogen ist, daß dieselben aber zu der Ueberzeugung gekommen sind, daß in diesem Fall sich der Wunsch der Landwirthschaft um so weniger S. läßt, als ihr dadurch nicht einmal ein wirklicher Dienst geleistet würde. Der Herr Abg. F von Stumm sagt, ich wäre davon ausgegangen, daß die p

ein minderwerthiges Papier seien. Nein, meine 1 Sind etwa die Renkenbr efe, die Provinzial⸗Obligationen, die in⸗

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