1896 / 156 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 02 Jul 1896 18:00:01 GMT) scan diff

48½

*

—övö

artige Ent

Zu Ziffer 40. Im Absatz 1 ist hinter den Worten „kann Erstattung beansprucht werden“ heh. „wenn der Schaden mindestens 3 beträgt und“.

Unter der Ueberschrift „Militärfiskalische brachte der „Vorwärts“ in der Ersten Beilage zu Nr. 143 einen Artikel über in der Gewehrfabrik Spandau statt⸗

findende Arbeiterentlassungen.

an diesen Ausführungen ist nur, daß zur Zeit der⸗ assungen stattfinden: eine Maßnahme, die in staat⸗ lichen Werkstätten stets eintreten muß, wenn Arbeit ingenügendem iegt. Unrichtig ist aber, daß hierdurch eine rößere Anzahl Arbeiter stellungslos geworden sei. Jedem rbeiter ist vielmehr bei der Kündigung anderweite, für ihn passende Arbeit in einem anderen Königlichen Institut, und war in Spandau selbst, nachgewiesen worden. Stellungslos önnen daher nur diejenigen wenigen Arbeiter sein, welche die ihnen angebotene Arbeit ausgeschlagen haben. 1 Da bei Wiederaufnahme des höhern Betriebes in den Gewehrfabriken auch die Rückübernahme der jetzt in anderen Instituten beschäftigten Arbeiter in die ersteren stattfinden wird, liegt ein Grund zu einer Mißstimmung derselben nicht

vor und ist auch thatsächlich eine solche nicht vorhanden.

Der Artikel bringt dann ferner vielfach unrichtige An⸗

8 gaben über die in der Gewehrfabrik bestehende „Pensions⸗

zuschuß⸗ und Wittwenkasse“. Thatsächlich bestand seit 1862 in den Gewehrfabriken je

ine „Arbeitervereinskasse“, die am 1. Januar 1885 als solche

inging. Das damals für Spandau errichtete „Statut der Pensionskasse ꝛc.“ bestimmt in dieser Beziehung:

Die bei der Königlichen Gewehrfabrik zu Spandau bestehende Arbeiter⸗Vereinskasse zur Unterstützung von Kranken, Invaliden und Wittwen der Arbeiter wird vom 1. Januar 1885 ab lediglich „eine Krankenkasse“ im Sinne des Gesetzes vom 15. Juni 1883, betreffend die Kranken⸗ versicherung der Arbeiter, mit der Maßgabe, daß alle bis zum 1. Januar 1885 eingegangenen Verpflichtungen der Arbeitervereinskasse an Invalidenpension, Wittwen⸗ unterstützung und Abfindungssummen 26 des bisherigen Statuts), Begräbnißkosten für Invaliden und deren Kinder an die neben der Krankenkasse zu errichtende „Pensionskasse der Arbeiter der Königlichen Gewehrfabrik zu Spandau“ übergehen“. 1

Die von der Pensionskasse zu übernehmenden Verpflich⸗ tungen sind hier genau verzeichnet. Die Pensionskasse war daher nicht berechtigt, anderweite Leistungen, als diese, an die ehemaligen Mitglieder der Arbeitervereinskasse zu übernehmen; es ist also auch die „Pensionszuschuß⸗ und Wittwenkasse“, in welche im Dahre 1893 die Pensionskasse 1II wurde, nicht befugt, die in dem Artikel verlangte Rückzahlung von Theilbeträgen der vor dem 1. Januar 1 gezahlten Beiträge eintreten zu lassen.

Was ferner die Rechte der sogenannten freiwilligen Mit⸗ glieder anbetrifft, e ist nach 8” 21 und 22 der Satzungen so⸗ wohl eine Weiterzahlung des Zuschusses des Kriegs⸗Ministeriums für entlassene Arbeiter, als die spätere Rückerstattung der ans tessen Stelle gezahlten Mehrbeiträge der Arbeiter aus⸗ geschlossen.

Die Heeresverwaltung ist überhaupt außer der ihr durch ss 49 und 52 der Satzungen übertragenen Aufsicht und Ent⸗

eeidung über Auslegung der Satzungen in zweifelhaften Fällen nur insoweit an der Kasse betheiligt, als sie derselben einen

uschuß in Höhe der Hälfte der Beiträge leistet. Die

atzungen sind nach Anhörung des Arbeiterausschusses durch die Generalversammlung der Arbeiter genehmigt, die Kasse wird durch einen von den Arbeitern gewählten Vorstand (3 er gs 3 Betriebsarbeiter, 2 Arbeiterinnen) verwaltet; die Gelder können nur zu den in den Satzungen bestimmten Zwecken verwandt werden. Der Militärfiskus hat daher als solcher an der Kasse kein eigenes Interesse, was der durch die Ueberschrift des Artikels zum Ausdruck ge⸗ brachten Tendenz gegenüber besonders hervorgehoben werden

Uebrigens find Aenderungen der Satzungen seit geraumer Zeit in Berathung.

Der General Lieutenant von Ising, Kommandant des Zeughauses, ist von Berlin abgereist.

Der am hiesigen Allerhöchsten Hofe beglaubigte Kaiserli russische Botschafter Graf von der Osten⸗Sacken ist 8- Urlaub nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Botschaft wieder übernommen.

Der Regierungs⸗Assessor Schmid aus Cassel ist dem Landrath des Kreises Saarlouis, Regierungsbezirk Trier, und der Regierungs⸗Assessor Dr. Fleck zu Wreschen dem Landrath

des Kreises Gelsenkirchen bis auf weiteres zur Hilfeleistung

zugetheilt worden. 8 Sn .

Wilhelmshaven, 1. Juli. Der Stapellauf des

8 nzerschiffes „Ersatz Preußen“ hat heute Mittag in egenwart Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin, Ihrer Königlichen Hoheiten des Prinzen Heinrich und des Erbgroßherzogs von Oldenburg, Seiner Hoheit des Erbprinzen und Fhrer Königlichen Hoheit der Erb⸗ prinzessin von Sachsen⸗Meiningen, sowie Seiner Durchlaucht des Prinzen und Ihrer Königlichen Fheit der Prinzessin Adolf zu ahmbrre⸗Lippe

atigefunden. Als Ihre Majestät die Kaiserin auf dem Festölat erschien, überreichte die Gattin des Vize⸗Admirals

alois Ihrer Majestät einen prachtvollen Blumenstrauß; eben⸗ so wurden Ihrer Majestät von den Kindern des Bauraths Aßmann, des Bauraths Krieger, des Schiffsbau⸗Direktors Jäger und der Bau⸗Inspektoren Köhn, von Jasky und Thämer Rosen überreicht, welche Ihre Majestät sichtbar erfreut ent⸗ gegennahm. Die Taufe des Schiffes wurde, dem „W. T. B.“ sufolge von Seiner Majestät dem Kaiser mit folgender Rede vollzogen:

„Hochragend, zum Ablauf bereit, um auf sein Element zu kommen, steht, festgefügt von deutscher Arbeiter Hand, wiederum ein großes Schiff unserer Marine. Dank der Ueberzeugung, die je mehr und mehr im Volke Platz greift, daß unseres Vaterlandes Vertretung und Schutz auf den Gewässern in gebührender Machtentfaltung sich ent⸗

wickeln muß, sind die Mittel durch deutsche Volksvertreter bewilligt, aus denen als erstes einer Reihe neuer Schlachtschiffe dieses hervorgegangen ist. Mit Stolz kann unsere Industrie und unser Handwerk auf diesen Bau zurückblicken, ebenbürtig jedem fremden, wenn nicht gar viele andere noch übertreffend. Es gilt nunmehr, diesem Erzeugnisse deutschen Fleißes, deutscher Ueber⸗ legung und deutscher Berechnung, diesem werdenden Schiff einen Namen zu bestimmen. Ueberall in unserem weiteren Vaterlande er⸗ heben sich in Städten und auf steilen Bergen und Höhen die Denkmäler für die verstorbenen Kaiser: Symbole der Dankbarkeit eines Volkes für seine Herrscher, Erinnerungen an große, gemeinsam durchlebte Zeiten, Wahrzeichen für die wieder⸗ gewonnene Einheit. Ein solches Wahrzeichen soll auch dieses Schiff für uns sein. Einen Namen sollst du tragen, bei dessen Aus⸗ sprache eines jeden Deutschen Pulse höher schlagen, bei dessen Klang eines jeden deutschen Soldaten Herz, möge er dereinst gefochten haben oder noch im Kriegsdienste stehen, höher schlägt und seine Augen mit freudigem Naß sich füllen. Erinnern sollst du an die gewaltige Erscheinung dessen, dem es bestimmt war, an der Spitze der zum ersten Mal geeinigten deutschen Heere das in langem Friedenswerk geschärfte Schwert zu führen und unserem Vaterlande die Einigung, Unserem Hause auf ewig die Kaiser⸗ krone zu erwerben. Möge dieses Schiff dem Schutz des Allmächtigen empfohlen sein! Möge seine Bemannung stets dessen eingedenk sein, dessen Name es die Ehre hat zu tragen! Möge sie stets eingedenk sein der edlen Tugenden, die den Hohen Herrn zierten; vor allen Dingen der Tugenden, durch die Er Sich vor Anderen auszeichnete, der Selbstlosigkeit, der Aufopferung, des Sichhingebens für das Wohl des Allgemeinen! Möge es im Kriege ein gefürchteter, siegreicher Gegner und im Frieden ein sicherer Schutz für unsere Küsten sein: So taufe Ich dich auf den Namen „Kaiser Friedrich III.“.

Ietto6⸗ fand im Marinekasino Frühstückstafel zu 100 Gedecken statt, an der Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin, sowie die anderen ö theil⸗ nahmen. Sämmtliche Admirale und höheren Offiziere, sowie die bauleitenden Beamten waren ebenfalls dazu geladen. Während der Tafel brachten Seine Majestät der Kaiser, wie „W. T. B.“ berichtet, folgenden Trinkspruch aus:

„Schon bei der Tauff eines aufblühenden Kindes stehen die Pathen um dasselbe versammelt, und indem sie ihr Ja⸗Wort geben, fragt sich ein jeder in seiner Brust, wie wohl das Kindlein sich entwickeln wird und welches Loos ihm beschieden sein wird, sei es im bescheidenen, sei es im größeren Dasein, für seine Familie oder für sein Land zu wirken - Dasselbe ist der Fall bei einem solchen Akt, wie dem heutigen. Ein Stapellauf ist sowohl für den Laien, wie für den Seeoffizier stets ein impo⸗ santer, ich möchte sagen, ein ergreifender Akt. Das gewaltige Gebäude, ein Produkt vielfacher Ueberlegung, Berechnung, hingebender rastloser Arbeit des Geistes und vieler hunderter nerviger Hände soll seinem Element übergeben werden, auf dem es bestimmt ist, die Flagge des Landes zu tragen, ihr Ehre zu machen. Aber nicht nur das, es soll auch einen Namen führen, und je nach der Art, wie der Name ausgesucht wird, legt der Seemann dem Schiff die Persönlichkeit in idealisierter Weise bei. Mit dem Moment der Berührung des Wassers verwandelt sich die starre Eisenmasse in ein lebendiges Sein, und es meint der See⸗ mann, vor sich ein personifiziertes lebendiges Wesen zu sehen. Schon mancher Name ist auf diese Weise in der Marine von Schlachtschiffen und anderen Schiffen getragen; der heutige ist mit Vorbedacht für das Schiff ausgesucht worden. Das vergangene Jahr hat unvergleichliche Feiern gebracht, und das Heer, welches dreimal Meinem seligen Herrn Vater in größerem und kleinerem Verbande zu folgen die Ehre und das Glück hatte, hat sich in lauten Jubelfeiern, im großen Verein sowohl wie in einzelnen Regimentern, von denen Er Chef war, die Zeit vergegenwärtigen können, in der Er die Armee geführt hat, in der Er mit Seinen Regimentern verkehrt hat. Der damals noch im Werden begriffenen Marine ist es nicht beschieden ge⸗ wesen, in der Weise markierend einzugreifen in die Ver⸗ hältnisse des Kriegs durch Aufopfern von Leben und Blut und Material, wie sie es hätte wünschen können. Es hat daher für sie die Reihe der Feste und Feiern gewissermaßen etwas Bedrückendes gehabt bei dem Gefühl, daß sie nicht so voll hat daran theilnehmen können, wie sie es wohl gemocht hätte. Aber gerade die Theilnahme und die Beziehungen der von dem ganzen deutschen Volke vergötterten Persönlichkeit des dahingegangenen Kaisers sind doch für unsere Marine nicht ohne große Bedeutung. Die Momente, welche im vergangenen Leben Meines Herrn Großvaters Denselben veranlaßt haben, sich vertreten zu lassen durch Seinen vortrefflichen Sohn, haben es sehr oft mit sich gebracht, daß Mein seliger Herr Vater durch solche Vertretungen auch in nähere Beziehung zur Marine kam. Ich erinnere Sie an die Einweihung des Suezkanals, Ich erinnere Sie an Seine Theilnahme bei der Krönung des Königs von Schweden und Norwegen, Ich erinnere Sie vor allen Dingen an die Taufe des ersten deutschen Panzerschiffs, welche in dem vom Kaiser so geliebten Stettin unter Seinen Augen sich vollzog, im Jahre 1874. Aus alle dem ersehen wir, wie wohlberechtigt die Marine ist, gleichfalls einen Antheil an dieser Person zu haben, und deshalb habe Ich bestimmt, daß das erste große Panzerschiff, hoffentlich der Vorläufer von manchen von derselben Klasse, den Namen dieses Allerhöchsten Herrn tragen soll. Gleichsam als die Eröffnung einer neuen Aera für unsere Marine, wie auch der Name und die Persönlichkeit Kaiser Friedrich's die Eröffnung einer neuen Aera für das Deutsche Reich gewesen ist. Indem Ich Ihnen, Mein lieber Hollmann, für die freundlichen Worte von Herzen danke, kann Ich nur sagen, daß, wenn Ich einen bescheidenen Antheil an den Arbeiten habe durch das Interesse, welches Ich denselben entgegentragen durfte, dieses doch zum Besten der Gesammtheit gescheoh, und daß es Mir selbstverständlich eine besondere Freude war, gerade für dieses Schiff mit rathen und thaten zu können. Ich spreche Ihnen aber Meinen Dank aus dafür, daß Sie und alle die unter Ihnen stehenden Beamten und Offiziere auf die Wünsche und die Fingerzeige eingegangen sind, welche Ich glaubte, im Sinne der Front⸗ und der praktischen See⸗Offiziere an Sie übermitteln zu können. Denn wir wollen nicht vergessen: derjenige, dem diese Waffe in die Hand gedrückt werden soll, der Kommandant, der Offizier, die Mannschaft, die sie bevölkern sollen, haben auch und sind berechtigt dazu, ein Wort mitzureden beim Schmieden dieses Werkzeugs. So will Ich denn Meinen Wunsch dahin zusammenfassen, daß jeder Kommandant und jeder Offizier und jeder Matrose, der jemals die Ehre hat, auf diesem

Schiff zu dienen, sich stets voll bewußt sei der hohen Ehre, die ihm dadurch zu theil wird, und stets bestrebt sei, diesem Namen Ehre zu machen, und, wo das Schiff auch auftreten möge, um dasselbe einen Nimbus der Achtung, der Ehrfurcht und, wenn nöthig, des Schreckens zu verbreiten. Möge es uns gegeben sein, mit diesem und hoffentlich mit noch so manchem anderen Schlacht⸗ schiff in der weiteren Entwickelung der Marine den Grundsatz wahr zu machen, den Ich am 18. Januar d. J. ausgesprochen habe, daß unser deutsches Vaterland befähigt sei, niemandem zu Liebe und niemandem zu Leide seinen eigenen Weg zu gehen und stets für Friede und Ordnung in der Welt einstehen zu können. Daß Mir dabei Meine Marine und ihr vortreffliches Offizierkorps und ihr ganzes gutes Material zur Seite stehe und der Geist, der sie erfüllt, stets von neuem sich in ihr bethätigen möge, hierauf erhebe Ich Mein Glas. Ich trinke auf das Wohl Meiner Marine und ihres jüngsten Kindes, des Panzer⸗ schiffs „Kaiser Friedrich III.“ Hurrah! Hurrah! Hurrah!“

Köln, 2. Juli Der chinesische außerordentliche Bot⸗ schafter, Vize⸗König Li⸗Hung⸗Chang ist heute Vormittag von Essen hier eingetroffen. Derselbe wurde auf dem Bahnhof von der Kapelle des Westfälischen Fuß⸗ Artillerie⸗-Regiments Nr. 7 begrüßt und vom Ober⸗Bürger⸗ meister Becker, dem Vorsitzenden der Kölner Se kammer, Geheimen Kommerzien⸗Rath Michels, dem Vorsitzenden des Vereins der Industriellen des Regierungsbezirks Köln van der Zypen und dem Rheder Rudolf Wahlen empfangen. Nach dem Maßsne begab sich der Vize⸗König in das Dom⸗ Hotel, vor welchem alsbald die Kapelle des Kürassier⸗Regi⸗ ments Graf Geßler Ceheenschenh Nr. 8 konzertierte. Die Häuser in der Umgebung des Bahnhofs waren beflaggt.

Sachsen. 8 Sc eine Majestät der König hat sich gestern Nachmittag in Begleitung des Staats⸗Ministers . Cachnaeg von Pillnitz nach Leipzig begeben, um daselbst im Augusteum Nachmittags 5 Uhr der Festsitzung aus Anlaß der 50 jährigen Jubelfeier der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissen⸗ sche ten beizuwohnen. Die Rückkehr Seiner Majestät nach illnitz erfolgte gestern Abend. 8

Baden.

Ihre Königliche Hoheit die Kronprinzessin von Schweden und Norwegen ist gestern von Schloß Baden nach Kreuznach zurückgekehrt.

Mecklenburg⸗Strelitz. Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin ist mit Meen Hoheiten den Herzoginnen Marie und Jutta aus ngland wieder in Neu⸗Strelitz eingetroffen. Sachsen⸗Altenburg.

Seine Hoheit der Herzog ist am Montag von Alten⸗ burg nach Bad Gastein 8

8 1 Oesterreich⸗Ungarn.

Die Kaiserin hat sich gestern zunächst nach Hohen⸗ chwangau begeben und wird von dort gegen Ende dieses

onats nach Ischl reisen.

Der Fürst von Montenegro ist mit dem Prinzen Mirko gestern Abend von Wien nach Cetinje abgereist.

Die „Wiener Zeitung“ veröffentlicht die Ernennung des Gesandten in Stuttgart Grafen von Zichy zum Gesandten in München an Stelle des Fürsten Wrede und die Ernennung des diplomatischen Agenten Stephan Burian zum Gesandten in Stuttgart.

Wie die „Wiener Abendpost“ meldet, hat der Handels⸗ Minister Freiherr Glanz von Eicha den Minister des Aeußern Grafen Goluchowski ersucht, der französischen Re⸗ gierung mitzutheilen, daß Oesterreich sich an der Pariser 1“ im Jahre 1900 offiziell betheiligen werde.

Der niederösterreichische Landtag ist gestern eröffnet

worden. 5

Großbritannien und Irland. 8

Das Unterhaus hat gestern mit 292 gegen 140 Stimmen

die dritte Lesung der Bill, betreffend die landwirthschaft lichen Bodenabgaben, angenommen. CC11““ Frankreich.

Die Beisetzung des Herzogs von Nemours fand n in der Königlichen Kapelle zu Dreux statt. Die

eistlichkeit empfing am Bahnhof den Sarg, welcher von

Versailles dort eintraf. Den Feierlichkeiten wohnten die Gräfin von Paris, die Prinzessin Clementine von Sachsen⸗Coburg, der Herzog von Chartres, der Herzog von Aumale, alle Mitglieder der Familie und Vertreter der seeber Souveräne und Bot⸗ schafter bei. Der Sarg wurde in der Krypta der Königlichen Kapelle beigesetzt. 1

Der Ministerrath beschloß gestern, Laroche auf seinem Posten als General⸗Resident von Madagaskar zu belassen.

Die Deputirtenkammer setzte gestern die Berathung der Reform der direkten Steuern fort. Der Deputirte Ribot bekämpfte den Entwurf und behauptete, die Renten⸗ steuer sei ungesetzlich und schädige den Kredit Frankreichs. Die einzig mögliche Reform sei das englische System der „income tax“. Die bisherigen direkten Besteuerungen aufzuheben, würde eine verhhe. sein; denn man 28 nicht, ob man die aufgegebenen Millionen wiederfinden werde.

Das Zuchtpolizeigericht hat den Anarchisten Vivier wegen Verherrlichung des Bomben⸗Attentats zu Barcelona und wegen Drohungen, welche er gegen den spanischen Bot⸗ schafter in Paris ausgestoßen hatte, zu 1 ½ Jahren Gefängniß verurtheilt.

Italien.

Ueber die gestrige Sitzung der Deputirtenkammer liegt folgender Bericht des „W. T. B.“ vor:

Der Kriegs⸗Minister General Ricotti erklärte auf eine Anfrage des Deputirten Imbriani, die Regierung habe dem General Mocenni bei seiner Reise nach Oesterresch⸗Ungarn und Deutschland keinerlei Mission, weder eine offizielle noch eine offiziöse, ertheilt. Auf eine Feoße des Deputirten di San Giuliano erwiderte der Kriegs⸗Minister, es habe zwischen der Regierung und dem General Baldissera eine Meinungsverschiedenheit weder bestanden noch 8. eine solche jetzt. Der Minister sprach sich sodann äußerst lobend über den General Banifes aus. Die Kammer setzte hierauf die Verhandlung ber das

Budget des Ministeriums des Aeußern fort. Der Berichterstatter Pompili beantwortete zunächst die Ausführungen verschiedener Vorredner über administrative Fragen und erklärte, er habe die Occupation Massowahs immer für einen schweren Fehler gehalten, der noch vergrößert worden sei, als man aus Erythräa ein militärisches Unternehmen gemacht habe. Verschiedene Deputirte begründeten sodann die von ihnen beantragten Tagesordnungen. Der Deputirte Giorgini brachte folgende Tagesordnung ein: „Die Kammer, welche mit Eifersucht an dem Gleichgewicht auf dem Mittel⸗ ländischen Meere festhält, geht zur Tagesordnung über.“ In der Begründung derselben bemerkte Giorgini, daß zahlreiche Vorfälle in den letzten Jahren und auch in der letzten Zeit den Beweis geliefert hätten, daß Frankreich die Absicht habe, Tripolis, von dem es bereits im Begriff stehe, einen Theil des Hinterlandes zu besetzen, ganz zu occupieren. Redner betonte die außerordentliche Bedeutung, welche eine Occupation von Tripolis durch eine auswärtige Macht für Italien haben würde. Die Gefühle des Landes würden sich heftiger gegen ein solches Ereigniß als gegen die Besetzung von Tunis erheben. Davon müßten auch die mit Italien verbündeten Mächte überzeugt sein und anerkennen, daß Italien sich über das Gleichgewicht im Mittelmeer niemals in Verhandlungen einlassen könne und einlassen werde. Der Deputirte Fortis beantragte die einfache Tagesordnung mit der Begründung, die Erfahrung lehre, daß die Verbündeten Italiens sich um viele Sachen nicht kümmerten, welche für Italien sehr wichtig seien. Deutschland habe kein Interesse für die Angelegen⸗ heiten auf der Balkanhalbinsel und Oesterreich⸗Ungarn keines für das Gleichgewicht im Mittelmeer und für Erythräa. Für diesen Mangel bilde die Feundschaft Italiens mit England einen theilweisen Ersatz, aber diese Freundschaft sei durch die beiderseitigen Interessen begrenzt. Man müsse also die Bündnißverträge verbessern. Er (Redner) hoffe, daß der Minister⸗Präsident dies bei der letzten Erneuerung der Ver⸗ träge gethan habe; habe er aber schon den Fehler begangen, dies nicht zu thun, so werde er sich doch wohl wenigstens an die Billigkeit der Verbündeten gewandt haben. Hierauf ergriff der Minister⸗Präsident di Rudini das Wort. Derselbe besprach die verschiedenen Tages⸗ ordnungen und führte aus, die Regierungsgewalt in Erythräa werde einem Zivilbeamten anvertraut werden; indessen sei der Augenblick dies zu thun, noch nicht da. Zwischen der Regierung und dem General Baldissera habe nur eine Meinungsverschiedenheit in Bezug auf die Besetzung Kassalas bestanden. Der General Baldissera habe Kassala räumen wollen; der Kriegs⸗Minister habe ihm aber befohlen, es auf seine (des Kriegs⸗Ministers) Verantwortung zu halten. Obgleich es sich nur um eine zeitweilige Be⸗ setzung handele, werde dieselbe doch solange aufrecht erhalten bleiben, bis es sich zeige, daß kein Interesse es für Italien rathsam erscheinen lassen könne, den Ort zu halten. Unter Interesse verstehe er nicht materielles Interesse, sondern den gerechten Einfluß, der Italien in den egyptischen Angelegenheiten gebühre, um welch letztere sich die brennendsten Fragen des Mittelmeeres drehten. Der Minister⸗Präsident fügte hinzu, die Tagesordnungen Barzilai und Imbriani beleuchteten die Stellung des Ministeriums gegen⸗ über der äußersten Linken. Er könne diese Tagesordnungen nicht annehmen, weil er glaube, daß man das Land nicht auf die Auflösung der bestehenden Alliancen vorbereiten dürfe, und er lasse es nicht zu, daß ein italienisches Ministerium aufgefordert werden könne, eine mehr nationale Politik zu treiben. Den Rednern gegenüber, welche geäußert hätten, sie hätten kein Vertrauen zur Regierung, weil dieselbe die Stimmen der äußersten Linken auf ihrer Seite habe, bemerkte di Rudini, es sei seltsam, daß eine solche von dem Zentrum komme, das kürzlich mit den Sozialisten gestimmt habe, sowie von Damiani und Fortis, die doch selbst der äußersten Linken angehörten. Er erkläre, daß kein geheimer Pakt mit der äußersten Linken bestehe. Jedermann kenne die Punkte, bezüglich deren Ueber⸗ einstimmung resp. Meinungsverschiedenheit wüschen der Regierung und der zußersten Linken bestehe. Alle wüßten, welche tiefe Meinungs⸗ verschiedenheit gerade bezüglich der auswärtigen Politik obwalte. Er habe übrigens selbst zu der Zeit, als er der Opposition angehört habe, niemals daran gedacht, die Regierung des Vaterlandes in den Ver⸗ dacht bei den befreundeten oder verbündeten Mächten zu bringen, als ob sie die internationalen Verträge lau und nicht treu beobachte. Im weiteren Verlaufe seiner Rede erklärte der Minister⸗Präsident ; das entschiedenste, die gesammte Thätigkeit der Regierung sei beständig auf die Erhaltung des Gleich⸗ gewichts in Bezug auf das Mittelmeer gerichtet. Gegenüber dem Deputirten Fortis äußerte di Rudini, er habe sich nach reiflicher Er⸗ wägung überzeugt, daß es eine unumgängliche Nothwendigkeit für Italien sei, im Dreibund zu bleiben, der wirksam die größten Inter⸗ essen Italiens garantiere. Er habe die Freundschaft Englands immer für nöthig gehalten, auch nach Abschluß des Drei⸗ bunds, und diese Freundschaft als die nothwendige Ergänzung des Dreibunds betrachtet. Nicht nur Gründe des Gefühls, sondern auch solche des Interesses riethen diese Freundschaft an. Wie sich aus den englischen Parlamentsberichten ergebe, habe Lord Salisbury im Oberhause dieselbe Ansicht kundgegeben. (Imbriani unterbrach den Redner und wurde zur Ordnung gerufen.) Im Interesse Italiens und der verbündeten Staaten beabsichtige die Regierung, die Dreibund⸗ abmachungen zu verbessern. ie Möglichkeit, dies zu thun, sei ausdrücklich stivuliert worden. Der Minister⸗Präsident schloß, er nehme die Tagesordnung di San Giuliano in folgender Fassung an: „Nach Anhören der Erklärungen der Regierung geht die Kammer zur Tagesordnung über.“ Die Annahme dieser Tagesordnung betrachte er als Vertrauensvotum. Die Tagesordnung di San Giuliano wurde hierauf in namentlicher Abstimmung mit 171. gegen 89 Stimmen angenommen. Für das Ministerium stimmten die Rechte, die Freunde Zanardelli's und Cavallotti mit einem Theile der äußersten Linken: gegen das Ministerium stimmten Sonnino mit dem Zentrum, Fortis, Damiani mit den ehh agern Crispi's, Imbriani, die Republikaner und die Sozialisten. Crispi war nicht

in der Sitzung anwesend.

8 Spanien.

Der Senat setzte gestern die Besprechung der Botschaft ort. Der Marschall Martin 2 Campos vertheidigte seine misführung in Cuba und erklärte, er sei lediglich für die Kriegsthaten verantwortlich, nicht für die Reformen, für welche die Regierung die Verantwortlichkeit treffe. Martinez Campos stellte die Vereinigten Staaten gewissermaßen als Mitschuldige an den Flibustier⸗Unternehmungen hin und führte aus, der Krieg auf Cuba sei irregulär; der Feind sei feige und suche nur, die spanischen Soldaten mürbe zu machen. Der Minister⸗Präsident Canovas del Castillo antwortete auf die Ausführungen des Marschalls Martinez Campos sowie anderer Redner und erklärte, die Regierung stehe den Resormen für Cuba günstig egenüber; dieselben dürften jedoch nicht das Resultat des Aufstandes sein. 8 der Deputirtenkammer erklärte der Finanz⸗ Minister Navarro Reverter in Erwiderung auf die Aus⸗ führungen eines Deputirten, welcher für die Importeure von Salz das Recht forderte, die Zollämter zu kontrolieren: der Staat habe das ausschließliche Recht, derartige Kontrolen vor⸗ zunehmen. Der Deputirte Romanones befragte die Regierung über die Sympathiekundgebungen für Fraperiich und über die Eventualität eines französisch⸗spanischen Bündnisses. Der Minister des Innern Cos Gayon erwiderte, er könne aus diesen Kundgebungen nicht zenselben Schluß ziehen, wie die Zeitungen; er könne sich nicht auf dieses Gebiet begeben. Die auswärtige Politik der Regierung sei unverändert. Mehr zu sagen, halte er nicht für gerathen. Der Deputirte Gamazo kritisierte die Absicht der Regierung, mit Deutschland einen Reziprozitäts⸗ Handelsvertrag abzuschließen. Der Deputirte Cobian e. in demselben Sinne. 8 88

1— Türkei.

Wie das österreichische „Telegraphen⸗Korrespondenz⸗ Bureau“ aus Konstantinopel erfährt, haben die Bot⸗ 5 nach einer SS. Besprechung, die Pforte vor⸗ gestern gemahnt, die zugesicherte General⸗Amnestie für Kreta möglichst rasch zu publizieren. Auch wurde wegen der Durchführung des Vertrages von Haleppa für den Fall angefragt, daß der Landtag nicht zusammentreten oder diesen Vertrag verwerfen sollte, um die Pforte auf die Nothwendig⸗ keit aufmerlsam zu machen, dieser Eventualität vorzubeugen. In dem gestern abgehaltenen Ministerrath wurde dieser Schritt der Botschafter berathen. Man erwartet ein Kaiser⸗ liches Irade bezüglich der Veröffentlichung einer allgemeinen Amnestie und der Wiederanerkennung des Vertrages von Haleppa bezw. des Fermans von 1878.

Das Reformcomité in Kreta hat, der „Agence Havas“ zufolge, von Vamos aus, wo es seinen Sitz hat, eine Pro⸗ klamation veröffentlicht, worin es erklärt, daß angesichts der von den regulären Truppen in Gemeinschaft mit den türkischen Eingeborenen begangenen Grausamkeiten und in der Erwägung, daß der größere Theil öG zu ihr stehe, die christliche Bevölkerung auf dem bereits formulierten Programm bestehe und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung den kretischen Führern anvertraue. In einem anderen in der Volkssprache abgefaßten Aufruf fordert das Comité das Volk von Kreta auf, ohne Verzug zur Ernennung der Delegirten für die revolutionäre Versammlung zu schreiten.

Die Aufständischen auf Kreta haben als Fahne die griechischen Farben mit dem byzantinischen Adler in der Mitte angenommen.

In Scheikh⸗Merkine, dem Ausgangspunkt der vor⸗ sährigen Operationen der türkischen Truppen gegen die Auf⸗ tändischen in Hauran, sind, wie „W. T. B.“ aus Konstan⸗ tinopel erfährt, bis jetzt bereits 18 Bataillone versammelt. Der Beginn der Operationen steht unmittelbar bevor. Die „Times“ bringt aus Beirut nachfolgende Mit⸗ theilung über den Drusenaufstand in Hauran: Eine militärische Expedition von 600 Mann wurde ausgesandt, um die drusischen Banden, welche Unruhen gestiftet hatten, zu züchtigen. Das Militär wurde durch die Aufständischen in der Nähe von El⸗Suweidah angegriffen; 450 Mann wurden getödtet, der Rest von 150 Mann gefangen genommen.

. Griechenland. Auf die Vorstellungen des türkischen Ges ndtien wegen der Absendung von Freiwilligen und Munition nach Kreta hat, wie die „Agence Havas“ erfährt, die griechische erwidert, sie wisse nicht das geringste von derartigen Absendungen. Der Verkehr mit dem Auslande sei frei; sie könne keiner Abreise hindernd in den Weg treten.

8 Blulgarien.

Aus Sofia erfährt „W. T. B.“, das Blatt „Glas Makedonski“ melde in einer Spezialausgabe aus Dubnitza vom 28. Juni: Auf der Pirin⸗Panina treibe eine Bande 8. Wesen, welche von den Türken verfolgt werde. Die

ande habe sich zuerst im Distrikt Maluk gezeigt, wo sie einen Bauern, der seinerzeit die Aufständischen verrathen hatte, getödtet und sich dann in die Berge zurückgezogen habe. Eine andere Bande habe sich am 27. Juni in der Gegend von Nevrokop und eine dritte bei Djumaja gezeigt, wo ste mit einer Kompagnie türkischer Truppen zusammengestoßen sei und dieselbe voll⸗ ständig geschlagen Mehrere Türken seien getödtet und 20 verwundet worden. Die letzteren seien nach Djumaja ab⸗ Pleh worden, und die Aufständischen hätten sich ohne jeden

erlust zurückgezogen. Die Türken hätten die bulgarischen Grenzwächter gewaltsam fortgeführt und sie gleichfalls nach Djumaja gebracht. Die Nachrichten aus Kaaza und Kogschani lauteten beunruhigend, die Türken wie die Bulgaren rüsteten sich. Eine anderweitige Bestätigung dieser Meldung liege bisher nicht vor.

Schweden und Norwegen.

Das Storthing hat, wie „W. T. B.“ aus Christiania erfährt, gestern die Einsetzung einer parlamentarischen Kbmmisston ur Vorbereitung einer Revision der Zoll⸗ tarife beschlossen. Die Kommission erhielt vom Storthing ausdrücklich den Auftrag, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten, welcher den Schutz der einheimischen Erwerbsquellen bezweckt.

ImneiV

Die zur demokratischen Nationalkonvention nach Chicago entsandten Delegirten, welche Anhänger der freien Silberprägung sind, hielten gestern eine Berathung ab. Es wurde beschlossen, im Prinzip die Regel, nach welcher für die Aufstellung eines Präsidentschafts⸗Kandidaten eine Zweidrittel⸗Majorität erforderlich ist, nicht abzuschaffen, wobei die Hoffnung zum Ausdruck kam, daß die Silberanhänger über %⅛ der Gefanimt⸗ ahl der Delegirten verfügen würden. Ferner wurde be⸗ chlossen, nur Silberanhänger für den Posten des zeitweiligen

orsitzenden anzunehmen. Von den Mitgliedern des National⸗ ausschusses, welcher diesen wählt, gehört sedoch nur ein Drittel der Silberpartei an.

Aus Havanna wird berichtet, die Insurgenten seien durch die Spanier unter dem General Foyas Castillo ge⸗ sclaßen worden und hätten 8 Todte und zahlreiche Verwundete gehabt.

W1u1““

Auftralien.

Aus Sydney wird gemeldet, der berüchtigte Stamm der Tugeri, welcher von Fit zu Zeit die Stämme an der Küste von Britisch⸗Neu⸗Guinea überfallen habe, sei durch eine Abtheilung unter der Führung des Administrators Sir William Mac Gregor völlig geschlagen worden.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichstags befindet 9 in der Ersten Beilage.

In der heutigen 889 ½ Sehung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und der Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammerstein beiwohnten, erklärte vor Ein⸗ tritt in die Tagesordnung der

Abg. Freiherr von Manteuffel (d. kons.): Ich bin gestern

leider verhindert gewesen, in der Sitzung anwesend zu sein; wenn ich anwesend gewesen wäre, so würde ich bei der Schlußabstimmung für das Bürgerliche Gesetzbuch für dasselbe gestimmt haben. Ich füge hinzu, daß ich nach dem Verlauf der Verhandlung von vorgestern nicht an⸗ nehmen konnte, daß die Schlußabstimmung schon gestern stattfinden würde.

Auf der Tagesordnung stand zunächst die dritte Be⸗ rathung des Gesetzentwurfs, betreffend den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und deren Ersatzmitteln.

In der Generaldiskussion nahm zuerst das Wort der

Abg. Rettich (d. kons.): Unser Zeitalter steht unter dem Zeichen der schwindelhaften Reklame, der Fälschung und vor allen Dingen der Surrogate. Nirgends aber ist die Fälschung so stark hervor⸗ getreten wie bei der Margarine. Die Erkenntniß dieser Wahrheit ist denn auch allgemein durchgedrungen, und ich muß mich nur wundern, daß in der letzten Zeit ein Umschwung eingetreten ist, nachdem hochgestellte Persönlichkeiten sich eine große Margarinefabrik angesehen haben. (Redner führte nunmehr eine Reihe von Autoritäten an zum Beweise, daß die Marga ine schwer verdaulich sei.) Je strengere und wirk⸗ samere Vorschriften das Gesetz gegen die Marzarine trifft, um so besser für die Konsumenten. Den Fabrikanten ist das natürlich nicht angenehm, undes ist bezeichnend, daß einer derselben die Sozialdemokraten telegraphisch aufgefordert hat, zur dritten Berathung der Margarine⸗Vorlage vollzählig hier zu erscheinen. Glaubt etwa der Herr, daß die Reichs⸗ fahs-Absfatcnaken dazu da sind, nach seiner Pfeife zu tanzen? Er hat si allerdings früher hinter seine Prokuristen verschanzt, aber dieser Vorfall ist bezeichnend für das Auftreten der Margarinefabrikanten. Was das Gesetz selbst betrifft, so bedauern wir, daß die verbündeten Regierungen sich mit solcher Ent⸗ süiedenbegt gegen das Verbot des Margarinekäses ausgesprochen aben. Wir wollen dieses Verbot nicht beantragen, werden aber ver das ganze Gesetz stimmen, wenn das Färbeverbot nicht aus⸗ gesprochen und nicht getrennte Verkaufsstellen für Margarine und für Butter errichtet werden. Ohne die letzteren ist eine Kontrole des Margarinehandels nicht möglich.

An der Generaldiskussion, über deren Verlauf morgen ausführlich berichtet werden wird, betheiligten sich noch die Abgg. Benoit (fr. Vgg.), Dr. Schultz⸗Lupitz (Rp.), Harm (Soz.), Weber (Zentr.) und der Minister für Land⸗ Feehsec⸗ ꝛc. Freiherr von Hammerstein.

in der Spezialdiskussion wurden bei Schluß des Blattes die §§ 1 und 2 ohne Debatte genehmigt.

Nach amtlicher Feststellung erhielten bei der vor⸗ Fäsrigen Ersatzwahl zum Reichstag im 4. Merseburger ahlkreise (Halle a. S.) Kunert in Schöneberg bei Berlin (Soz.) 15 688, Werkzeugmeister Kühme in 8 (kons.) 4366, Geheimer Bergrath Dr. jur. Arndt in Halle (Ordnungs⸗ partei) 3725 und Schriftsteller Dr. Meyer (fr. Vgg.) 7187 Stimmen. Kunert ist somit gewählt.

Kunst und Wissenschaft.

Internationale Kunst⸗Ausstellung Berlin 1896.*)

V. Belgien.

L. K. Die belgische Malerei, die um die Mitte unseres Jahrhunderts eine so wichtige Rolle im mitteleuropäischen Kunstleben spielte, die als Pahrerin auf dem Pfade der Historienmalerei namentlich in Deutschland galt, ist aus ihrer ausschlaggebenden Stellung bereits seit Jahrzehnten verdrängt worden, obwohl sie ihre Eigenart ungeschmälert sich zu erhalten wußte. Daß die alten 1.. een von der Wichtigkeit des Geschichtsbildes auch heute noch Anhänger in Belgien haben, beweisen die fleißigen, aber gleichgültigen Malereien von Pierre Jean van der Oudera (2331 und 2332), der trotz des sensationell aufgefaßten Motivs den bethlehemitischen Kindermord dem modernen Beschauer nicht näher zu bringen vermag, die in französischer Eleganz sich gefallende Quell⸗ nymphe Gustave Vanaise’'s (2326), deren Atelierlicht deutlich die alte Schule verräth, und die recht altmodisch wirkenden Motive aus der orientalischen Vorzeit von Karel Ooms (1658 und 1659), während Léon Ferb mit seiner Atelier⸗ scene die Erinnerung an die einst vielgefeierte Kunst von Alfred Stevens neu belebt. Selbst Léon Abry’s Schlacht⸗ episode „Die Erwartung“ (3) wirkt trotz des gelungenen 8 lichtversuchs etwas altväterisch. Der zuerst von Hendrik Leys ausgegebenen Lo 8 Rückkehr zu der primitiven Formen⸗ sprache der altflämischen Schule, folgen heute noch zahlreiche belgische Maler, wie Juliaan de Vriendt, Théophile Lybaert und Edmond van Hoeve. Daß die auf sklavische Nachahmung der subtilen alten Technik gewendete Mühe nicht im zu der ge⸗ quälten und gekünstelten Wirkung solcher anempfundenen Kunstwerke, wie Hoeve's und Lybaert's dreitheilige Altar⸗ werke (1029 und 1366) steht, ist demjenigen nicht überraschend, der aus dem Studium der kunstgeschichtlichen Entwickelung die ezogen hat, daß archaisierende Kunst stets nur ein kurzes un schogchliches Scheinleben führen kann, weil ihr der kräßtigste Lebenstrieb, das künstlerische Temperament, durch ängstliche Anpassung und Grübelei unterbunden ist. Aus diesem Grunde wird auch der Kunst der Präraphaeliten und Mystiker, die zur Zeit in Belgien nicht unbedeutende Anhänger hat, keine lange Lebensdauer beschieden sein. Nachdem die erste Sensation, die Fernand Khnopff’s geheimnißvolle Bilder⸗ räthsel erregten, verflogen ist, wirken seine Bilder, wie der „blaue Flügel“ (1130), trotz ihrer feinfühligen Mache doch nur als Spielereien, deren fragwürdiger Bedeutung und Symbolik nachzuforschen, wohl nur atzen eweihte reizen kann. Wenn Emilie Motte eine rückhaltlose Kopie zweier Engelsköpfe von Sandro Botticelli (1549) als ein Werk ihrer Einbildungs⸗ kraft vorführt, so muß sie sich einen wenig schmeichelhaften Rückschluß auf die letztere gefallen lassen. Die religiöse Empfindung des Quattrocento läßt sich nicht so leicht repro⸗- duzieren, wie die Formensprache. Weict individueller sind die Versuche von Jef Leempoels, die alte Technik in den Dienst schärfster Charakterschilderung zu stellen. So in den beiden Breitbildern mit Typen von Sonderlingen 8q Zeit, die ihre Schrullen und Steckenpferde zu den Wegweisern ihres Lebens gemacht haben. Nothwendigerweise muß diese Schilde⸗ rung, die nur auf Köpfe und Oberkörper beschränkt ist, etwas chargiert ausfallen, aber sie beweist nur trotzdem, daß solche Seelenmalerei nicht selbst nur eine Schrulle des Malers ist, sondern daß er zunächst durch den 1n e Reiz der Aufgabe gefesselt wurde. Völlig grotesk wirkt da⸗ gegen Leempoels' shes von der letzten Mnchener Sezessions⸗ usstellung bekanntes Bild: „Le destin et l'humanité“ (1276). Ueber einer phantaftisch beleuchteten Flachlandschaft strahlt ein magisches Antlitz mit starren Zügen: das eherne, unbezwin⸗ liche Schicksal. Den ganzen Vordergrund des Bildes füllt ein Gewirr von Händen, die er. abwehrend und flehend, betend und ringend dem Geschick entgegenstrecken. Magen. t sind die einzelnen Hände charakterisiert, soda ie uns nicht nur den ganzen Menschen, sondern auch seine besonderen Wünsche ahnen lassen. Als Bild wirkt das Ganze

-) S. die Nrn. 114, 124, 127 und 141 d. „R.⸗ u. St.⸗A.