1896 / 156 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 02 Jul 1896 18:00:01 GMT) scan diff

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trotzdem abgeschmackt und nichts weniger als grandios. Breughel's Ironie und groteske Komik ist in Laermans Schilderungen aus dem Bauernleben, zwei köstlichen Bildern: „Die Kleinen und Demüthigen“ und „Die Trauernden (1245 und 1246), wieder lebendig S Dieser Humor ist derb ge⸗ sund und ohne verletzenden bitteren Beigeschmack; die künstlerische Haltung der söhnt völlig mit dem Spott über die ümmelnde Einfalt aus. 8 Die ia flämische Breite des Vortrags mit ihrem Ueberschuß an Kraft, der manchmal an Brutalität streift, 5 in zahlreichen belgischen Bildern der Ausstellung 8 Geltung. Wenig erfreulich wirkt sie in Luyten’s tendenzlösem großen Bild einer Sandverkäuferin, die in stürmischer Winter⸗ nros ihren Karren durch die Straßen Antwerpens zieht; liebens⸗ würdiger, trotz dem Ernst des Motivs, ist Struys Kranken⸗ besuch, n unsere Zeit des gemalten sozialen Elends be⸗ reits etwas überdrüssig geworden ist. Auch Edgard Fara⸗ syn's Interieurs (646 und 647) mit ihrer traulichen Licht⸗ stimmung wären hier zu nennen; ebenso die Genrebilder von Verhaert (2348), Henri van Melle (2337) und Henri de Smeth (512 und 513), die den guten Durchschnitt der belgischen Malerei repräsentieren. Während wir den an⸗ erkannten Führer der Porträtmalerei Emile Wauters in der historischen Abtheilung der eese aufsuchen müssen, geben zwei Damenbildnisse von Jean de la Hoese (1006 u. 1007) erfreuliches Zeugniß dafür, daß auch nach Wauters Abzug nach Paris Brüssel noch bedeutende Porträtisten aufzu⸗ isen hat. ““ 1 belgische Landschaftsmalerei ist in diesem Jahre nicht allzu glänzend vertreten: Courten 8 „Ruhezeit“ wirkt etwas schwer in der Farbe; Corneille und Frans van Leemputten schildern heimathliche Motive ohne besondere Tiefe der Empfindung; selbst der vortreff⸗ liche Emile Claus steht mit seinen beiden diesjährigen Bildern nicht auf der gewohnten Höhe; wie mächtig sein Vorbild aber in Belgien wirkt, verrathen uns die Lands aften von Juliette und Rudolphe Wytsman. Sehr reich ist auch die Zahl der zum theil ni t unbedeutenden . vr Stillleben, auf die, wie auf die quarelle von Baertsoen, Heins und Hagemans schließlich noch die Aufmerksamkeit

der Ausstellungsdesucher hingelenkt sei.

Literatur.

Der XVIII. Kongreß der „Association littéraire et artistiq internationale“ wird. wie „W. T. B.“ meldet, vom 22. bis 29. August in Bern abgehalten werden. Die Verhandlungen über den utz des †p und Eigenthums werden im Hause des Bundesraths stattfinden.

Laph amerikanische Romanschriftstellerin Mrs. Harriet Beecher⸗ Stowe ist, wie „W. T. B.“ aus Rew⸗YPork meldet, gestorben. In dem s. Zt. viel gelesenen Roman „Onkel Tom’s Hütte“ schilderte Mrs. Beecher⸗Stowe die Lage der Neger in den nordamerikanischen Sklavenstaaten. Das Buch erschien im Jahre 1852, wurde in Hunderttausenden ron Exemplaren gedruckt und in

fast alle lebenden Sprachen übersetzt.

8 Verkehrs⸗Anstalten. eutschen Lloyd“ in Bremen und der v paget fahrt „Aktiengesell⸗ schaft“ ging, wie „W. T. B.“ mittheilt, von Seiner Majestät dem Karsser gestern, am 1. Juli, aus Wilhelmshaven folgendes Telegramm zu:

„Als Zeichen Meines besonderen Kaiserlichen Wohlwollens habe Ich den Führern deutscher Seehandelsschiffe, solange sie Offiziere des Beurlaubtenstandes sind, die Berechtigung verliehen, das Eiserne Kreuz auf der deutschen Handelsflagge zu führen. Durch diese Aus⸗ zeichnung möchte Ich das Band fester knüpfen, welches Meine Marine mit der Handelsschiffahrt verbindet, auf deren Unterstützung zu rechnen sie im Kriege angewiesen ist. Gleichzeitig sollen die Offiziere des Beurlaubtenstandes darin Meine Anerkennung und einen Ansporn erblicken, sich auch fernerhin durch Gewissenhaftigkeit in der Führung der ihnen anvertrauten Schiffe auszuzeichnen. Wilhelm. I. R.“

Laut Telegramm aus Herbesthal ist die zweite englische Post über Ostende vom 1. Juli ausgeblieben. Grund: Verspätete Abfahrt des Schiffes von Dover wegen

verspätung in England.

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trohdem haben im Streifen von preußen gestern Nachmittag Gewitter

Bremen, 2. Juli. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd Der Postdampfer Vlr. hat am 30. Juni Abends die Reise von Vigo nach Southampton fortgesetzt. Der Postdam fer „Straß⸗ burg“ ist am 30. Juni von Santos nach Babia abgegangen. Der Schnelldampfer „Havel“ hat am 1. Juli Morgens Dover passiert. Der Schnelldampfer Spree“⸗ ist am 30. Juni Mittags von New⸗York nach der Weser abgegangen. Der Postdampfer „H. H. Meier“ hat am 30. Juni Abends *8* passiert. Der ch. pesczampfe „Sachsen“ ist am 1. Juli Mittags in Neapel angekommen. Der Schnelldampfer „Travpes hat am 1. Juli Nachmittags Dover Feibe

London, 1. Juli. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer „Lismore Castle“ ist heute auf der Ausreise in Kapstadt an⸗ gekommen. 1b

St. Petersburg, 1. Juli. (W. T. B.) Zwischen Augustovo und Suwalki (Polen) wird eine Eisenbahnlinie gebaut, die durch eine Zweiglinie auch mit Grodno verbunden werden wird.

Rotterdam, 1. Juli. (W. T. B.) Niederländi ch Amerikanische Dampfschiffahrts⸗ Gesellschaft. er Dampfer „Werkendam“ ist gestern Nachmittag in Rotterdam angekommen. Der Dampfer „Maasdam“ ist heute Vormittag von Rotterdam und der Dampfer „Schiedam“ von Amsterdam nach New⸗York abgegangen.

Theater und Mausik.

Neues Königliches Opern⸗Theater.

Fräulein Wiborg vom Königlichen Hof⸗Theater in Stuttgart, die am Montag im Königlichen Opernhaufe als Nedda in Leon⸗ cavallo's Oper „Bajazzi’ mit im Ganzen erfreulichem 1es. eine Gastspielreihe eröffnet hat, erschien gestern im Königlichen Neuen Opern⸗Theater als Agathe in Webers „Freischütz’“, also in einer Rolle, die reiche 89 bietet, virtuoses Können zu zeigen und alle gesanglichen Mittel zu ent. alten. Die Sängerin verfügt über eine kraftvolle, ausgiebige

timme, die durch gute Schulung die e. Biegsamkeit und Ge⸗ schmeidigkeit gewonnen hat, um in der Kantilene die Töne zart und weich ausklingen zu lassen. Dem Vortrag und dem Spiel hätte beim Gesange etwas erhöhte Innerlichkeit, tiefere Empfindung und Wärme eigen sein können; allerdings stellt die Partie der Agathe durch ihren rein lyrischen Charakter in dieser Richtung besonders hohe An⸗ forderungen. Die zum theil recht schwierigen Koloraturen wurden selbst bei beschleunigtem Tempo zumeist mit der erforderlichen Prä⸗ zision und Klarheit wiedergegeben.

Deutsches Theater.

Das Lustspiel „Comtesse Guckerl“ von en von Schoͤnthan und Franz Koppel⸗Ellfeld ist mit den Mit⸗ gliedern der Bühne des Lessin 1.hesten in das Deutsche Theater übergesiedelt. Die Hauptrolle des Stücks, die der schalk⸗ daften jungen Wittwe Gräfin Trachau oder Comtesse Guckerl, eine Glanzrolle des Fräulein Jenny Groß, spielte gestern Abend Fräulein Paula Wirth. Diese Darstellerin greift bei der Gestaltung der Rolle etwas kräftiger zu als ihre Vorgängerin, was schon durch ihr energisches Temperament bedingt wird; sie be⸗ wahrte aber trotzdem Anmuth und Liebenswürdigkeit auch in den ein⸗ zelnen scharf zugespitzten, kaustischen Redewendungen, sodaß sie als eine vortreffliche Vertreterin dieser Rolle, deren Wirkung sich haupt⸗ fächlich auf die Vornehmheit der äußeren Erscheinung und auf Aufrichtigkeit und Herzlichkeit des Wesens der jungen Wittwe stützt, gelten kann. In der Besetzung der übrigen Rollen war nur * eine Neuerung zu bemerken: ijr Carl Waldow spielte den alten, von Rheumatismus geplagten, aber noch immer galanten General Suwatscheff mit müälstärtscher Gradheit und zugleich ritter⸗ licher Höflichkeit. Das Zusammenspiel ging gut von statten und fand den ungetheilten Beifall der Zuschauer.

Im Neuen Königlichen Opern⸗Theater (Kroll) wird morgen Karl Woldmark's Oper „Das Heimchen am Herd“ in folgender Besetzung eegeben: John: Herr Fricke; Dot: Frau Herzog; Exduard Plummer: r Sommer; Tackleton: Herr Krolop; Frau Burrian⸗Jelinek singt zum ersten Mal die May, Fräulein Rothauser das Heimchen. rofessor Kleffel dirigiert. Im Garten findet von Nachmittags 6 Uhr ab großes Kemft ausgeführt von der Kapelle des 2. Garde⸗Regi⸗ ments z. F., statt. 8 Das Gastspiel der ungarischen Operetten ⸗Gesellschaft im Neuen Theater schließt mit dem 15. Juli; vom 16. d. M. ab wird wieder „Tata⸗Toto’“ gegeben.

Mannigfaltiges.

Die Berliner Gewerbe⸗Ausstellung beehrten vorgestern und gestern Seine Königliche Hobeit der Prinz v] von Bavern und gestern Seine Königliche Hoheit der Prinz Georg von Preußen mit ihrem Besuch. 1

m heutigen Elitetage der Ausstellung findet, wie schon angekündigt, Abends großes Gartenpromenaden⸗Konzert mit Fanfän⸗ streich und elektrische Illumination statt. Der Eintritts⸗ preis beträgt den ganzen Tag 1

gencge pans vrseaeh . Drutshkand sornemefn g.⸗ Auahügn ven Fom und ehr kühl und regnerisch, onders an der Nordsee⸗ Franz von Suppé. Anfang r. küste, in Rorbrg and und Lappland warm, beute Sonnabend und folgende Tage: Das Modell. G. Steffens. 2. Akt: Alt Berlin. Anfang 4 Uhr.

ssel und Chmnis geen0 89 8 Laenee.

Remplaçgant.) Schwank

765 760 751 755 756 756 755 764 758 763 762 763 760 757 761 W 761 We 767 NO 2 Niga 759 still 1 ¹) Abends Gewitter. ²) Gestern Gewitter. ²) Nachts Regen. ⁴) Gestern Gewitter. Fesha

Uebersicht der Witterung

wolki Uhr.

heiter 8 balb bed. &s.

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Deutsches

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worden infolge dessen sind Wind und Wetter

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Theater.

Schau le. Freitag: Neues (Kroll). 8.2 Vorstellung. Das Erlanben Sie, Madame!

Königliche Opern⸗Theater

E am 3 Ab⸗

1 (frei nach Dickens' gleichnamiger Er⸗ e 6 1

M. Willner. M k von Carl Friedrich⸗Wilhelmstädtischer e

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Goldmark. In Scen Kacht vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dekorative Ein 8 8 bedeckt Brandt. Dirigent: Professor Kleffel. nfang Freitag: Spezialitäten⸗

von A.

bedeckt 2 Akten und einem Prolog. Musik und Dichtun wolkig von R. Leoncavallo, deutsch von Ludwi Herr Francesco d'Andrade, als Gast.) E ches aletDüs nse 8 8 r un ul. Musik vo shes vom Valletmeister Uat nenes Theater. Schiffbauecamm 4 5./5. Treuenfels, geb. von Oypenselt. einseld). 2 8 Freitag: Gastspiel der Budapester deutschen erichts⸗Rath Emilie Schmidt,

Baper. In Scene Graeb. fang 7 ½

uh Sonnabend: : gee Glück im Winkel

221 Le 8 Theater. Freitag: Ferenczy⸗ Das Minimum ist über Jütland stationär e. mit Julie Kopaczy⸗Karczag und

von Max Schönau. Vorher:

Heerd. Oper in

tung vom Ober⸗In Schluß rogramms:

bede Der 4 Sonnabend: Bajazzi. (Pagliacci.) Oper in bense mit ang und Ballet e

Operetten⸗ und Ballet⸗Gesells ; duell. Ausstattungs⸗Singspiel

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Budapester deutschen Operetten⸗

Adolph Ernst⸗Theater.

—d. Steinberger a. G. Das Modell. ette! flotte Berlin. Große Ausstattungs⸗Gesangspofse

8

Residenz⸗Theater. Direktion: Sigmund Deutsche Seewarte. Lautenburg. Freitag; Der Stellverterser. (Le

Madame! Lustspiel in 1 Akt nach dem Franz des Labiche, von Fr. Lichterfeld. Anfang 7 ½ Sonnabend: Der Stellvertreter. Vorher: Verehelicht: Hr

ektor e. Fulius Frigsche bach (Lemkühnen). Eine Tochter: Hrn. rstellung. Zum chlafende Fakir.

Anfang des Konzerts 6 Uhr. Anf 2 7 Uhr. Bei einbrechender Dunk Feeuhafte Illumination des Parks.

Th s Musit Mlbem hegher - Jhge⸗ eater. Gesammt⸗Gastspiel des Somossyv. Musik von elm Rosen

4 8 1 rauf: Das Frauenbataillon. EE Gnckerl. Singipiel in 1 Akt von Carl So⸗ Die Großstadtluft. u“ Wilhelm Rosenzweig. Anfang 7 ½ Fh. in Berlin.

Sonnabend und folgende Tage: 88 Geseuf Das Damenduell. Das Frauenbataillon.

Im März vorigen Jahres trat auf Anregung und unter dem Vorsitz des Landraths des Kreises Teltow, Herrn Stubenrauch, eine Versammlung von Reprasentanten aller im Kreise vorhandenen In⸗ dustriezweige zusammen und beschloß, aus Anlaß der Berliner Gewerbe⸗Ausstellung 1896 eine möglichst genaue und an⸗ regende Schilderung des gewerblichen Lebens im Kreise Teltow in Form eines besonderen, angemessen ausgestatteten Werks heraus⸗ zugeben. Zur Förderung des Plans wurde aus der Versammlung ein Comité von fuͤnf Herren gewählt, welches in Verbindung mit dem Kreis⸗Ausschuß das Nöthige veranlassen sollte. Das Comitsé besteht aus den Herren: Fink, Direktor der S loßbrauerei Schöneberg; Dr. Markius, Dfrektor der Aktien⸗Gesellschaft für Anilin⸗ Fabrikation; G. Naglo, Inhaber der unier der Firma „Gebrüder Naglo⸗ bestehenden elektrotechnischen Febetn Oekonomie⸗ Rath Späth, Besitzer der Britzer Baumschulen, und Kom⸗ merzien⸗Rath Spindler, Besitzer von Spindlerszfeld. Mit der Ab⸗ fassung des Textes wurde Herr Ch. J. Cremer beauftragt. Derfelbe

at es sich zur Aufgabe gemacht, alle irgendwie bemerkenswerthen Etablissements im Kreise zu besuchen, um auf Grund eigener An⸗ schauung und im Einvernehmen mit den Leitern derselben eine anschauliche Beschreibun der gewerblichen. Anlagen und der dort betriebenen abrikations⸗ und Produttions⸗

methoden zu liefern. Dieselbe wird durch photographische

Aufnahmen vervollständigt, die in der Offizin von Dr. C. Mertene u. Cie. hierselbst mittels Lichtdrucks vervielfältigt werden. Das Werk erscheint unter dem Titel: „Das gewerbliche Leben im Kreise Teltow’ in ca. 40 Lseferungen. Außer den Einzel⸗ schilderungen von Fabriken ꝛc. und der übersichtlichen Darstellung der Industrie ganzer Distrikte, die, der örtlichen Reihenfolge nach geordnet, u einer Gesammtschilderung des gewerblichen Lebens im Kreise Teltow chzusammenfügen, enthält das Werkeine Anzahlpo ulär⸗wissenschaftlicher

bhandlungen uͤber Industriegruppen aus der Feder namhafter Fach⸗ männer. Auch die Betheiligung des Kreises Teltow an der Gewerbe⸗ Ausstellung findet in Wort und Bild eingehende Berücksichtigung. Probe⸗Lieferungen liegen im Haupt⸗Ausstellungsgebäude an verschiedenen Stellen zur Ansicht aus.

Gestern Abend gab die „Black America Company“,

eine aus 25 schwarzen Künstlern bestehende Truppe, im Aus⸗

stellungs⸗Theater „Neu⸗Berlin“ im Vergnügungspark ihre

ase Vorstellung. Die Gesänge und Tänze, welche von den amerika- nischen Negern ausgeführt wurden, wirkten überraschend durch ihre

Einfachbeit und Originalität. In den lebhaften Bewegungen verräth sch das Negerblut, und das drolltge Se; auf den schwarzen Ge⸗

chtern wirkt unwillkürlich belustigend. Die Musik der „Picaninny Band from Cincinnati“ klingt zwar für deutsche Ohren etwas hart, wurde aber gut gespielt und gab neben den Gesängen dem Zuhörer eine

vee. von dem kindlichen Gemüth des Plantagennegers. Miß Ada ones, der „star’“ der Gesellschaft, erwarb 8 mit ihrer weichen

Sopranstimme die Sympathie des Publikums. Mr. Steward spielt

das Banjo, das Nationalinstrument des amerikanischen Negers, mit überraschender Fertigkeit. Das ee. wurde durch Darbietungen von nicht zu den schwarzen Schausp

——

Ueber eine durch das gestrige Gewitter verursachte Katastrophe in Westend meldet die „Nat.⸗Ztg.“ Folgendes: Auf dem neuen Luisen⸗Kirchhof, am Fürstenbrunner Wege, in Westend hatten sich gestern Nachmittag eine Anzahl Frauen und Kinder Peefeses bang b

g um

um einem später stattfindenden Begrähniß beizuwohnen, the⸗ Gräber von Angehörigen zu pflegen. Gegen 5 Uhr entlud sich ein Gewitter, das nur durch wenige Blitze und Donnerschlaͤge bemerkbar

war. Ein Blitz fuhr unter die am äußersten Ende des Friedhofes ver⸗- sammelte Schaar. Als eine Frau aus der Betäubung zu sich kam und nach herum auf den Gräbern liegen. Trotzdem hatte sie noch so viel Kraft, daß sie die Kunde von dem schrecklichen Vorfall dem Todtengräber brachte, der

den übrigen Personen Umschau hielt, sah sie alle um

dann Arzt und Polizei schickte. Leider waren drei Personen nicht mehr in das Leben zurückzurufen: die 51 Arbeiterfrau Amalie Kiepert, geborene Strauß, aus der Schillerstraße 111, die

29 Jahre alte Gärtnerfrau Hedwig Lieske, Fhrrce Grohn, aus der

Gockhestraße 68, und das 14 Jahre alte Nädchen Helene Gents aus der Schlüterstraße 7. Die Leichen sind nach dem chauhause au

dem alten Luisen⸗Kirchhof gebracht worden. Bei den übrigen Personen kehrte das Leben nach und nach zurück. Es waren dies der

10 Jahre alte Knabe Otto Kiepert, dessen Mutter todt ist, die

Geschwister Helene und Karl Schmidt, die mit der erschlagenen Frau

Lieske den Kirchbof besucht hatten, das Mädchen Gertrud Kasprich, das bei der Frau Lieske in Pflege war, und das 26 Jahre alte Fräu⸗

lein Ida Kloß aus der eeeenr na32, Hüeh- 82 2 itz auf dem Rücken getroffen

worden; sein Rock zeigt dort ein angesengies Loch; der zweite Knabe hat eine Verletzung am Kopf, die Haare sind versengt; die beiden

schwer verletzt. Otto Kiepert ist vom

Mädchen haben namentlich an den Beinen elitten, die große blaue Flecken zeigen. Fräulein Kasprich ist 88 ihrer Wohnung, die übrigen dem barlottenburger Krankenhause gebracht worden. .

8

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der

H

Ersten Beilage.)

d. Musik von in 3 Akten von Leon Treptow und Ed. Jacobson⸗ Kuplets und Quodlibets von G. Görß. Musik von

Sonnabend: Das flotte Berlin.

erAhten ven Familien⸗Nachrichten.

Wälliam Busnach und Georges E“ Verlobt: Frl. Clara Ulmann mit Hrn. Regierungs⸗

5 und Baurath Max Volkmann (Köln a. Rh. üüschen Casseh) . Joachim Werner von Bülow mit Frl. Elisabeth von Both eese gag. Hr. Jagdjunker von Bassewitz mit Frl. Luise von Both (Doberan). Hr. Pastor von Dobschütz

Konzert-Park. mit Frl. Julie von Görtz (Kuttenberg, Böhmen). 26

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Frhrn. von 48

e⸗

ierungs⸗Rath Dr. Kretschmann (Oppeln).

drn⸗ Stations⸗Kontroleur von Grolman (Em⸗ 1 Akt von Leo merich a. Rh.). .

vesbor. Gestorben: Hr. Baurath Wilbelm Werner

. 9 Hr. Geheimer Regierungs⸗Rath

Ibert von Wehrs (Henacen. Hr. Lieut. Frit

Frielinghaus (Metz). Frl. Elisabeth Synol

von Schüz (Potsdam). Fr. Alma Weber von

Verw. Fr. FeShe

geb. Barrein (Grünberg 1. Schles.).

Das Damen⸗

zweig. tar 8 wnar Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth

piel der] Verlag der Expeditton (Scholz) in Berlin.

talt Berlin

Freitag: Das Sechs Beilagen

88

nicht widerlegt worden. 7 liche Rede des Abg. Pauli. Ob durch den Wahnsinn der geistige Tod herbeigeführt werde oder nicht, wolle er ganz dahingestellt sein lassen.

der Seele und des Geistes ni preis. Die Natur selbst hat die Ehe getrennt, im bürgerlichen Sinne,

jelern gehörenden Künstlern ergänzt.

Druck der eec SAeeen. es⸗

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Deutscher Reichstag. 118. Sitzung vom 1. Juli 1896, 11 Uhr Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der dritten

Berathung des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Ueber den Anfang der Sitzung wurde in der gestrigen

Nunmmer des Blattes berichtet.

Bei § 1552, welcher gestrichen ist, beantragen die Abgg.

Munckel (fr. Volksp.) und Genossen die Wiederherstellung der Regierungsvorlage, wonach Geisteskrankheit als Ehescheidungsgrund gelten soll.

Abg. Munckel führt aus, daß er den am vorigen Freitag

für die Ehescheidung wegen unheilbaren Wahnsinns angeführten

Gründen neue nicht binznefcage habe; sie seien wohl bekämpft, aber edner wendet sich namentlich gegen die neu⸗

Ich lasse mich, fährt Redner fort, auch auf den Begriff der Unsterblichkeit cht ein und gebe Ihnen den Ausdruck

und ebenso wie bei dem Verschwinden eines Ehegatten konstatiert wird, daß der Mensch todt ist und auch nicht gen anee Mittel die Ehe

trennen, sondern nur festgestellt wird, daß die Ehe getrennt ist, so liegt es auch in diesem Fall. Der sakramentale Charakter der Ehe wird hier garnicht berührt. Ich habe ausdrücklich nur die Fälle im

Auge, wo eine geistige Gemeinschaft nicht mehr möglich ist; die

Gebote der Menschlichkeit, des Rechts und der Billigkeit gegen den

unglücklichen Ehegatten bleiben bestehen.

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Obwohl dem Antrage Munckel von keiner Seite widersprochen worden ist, so bin ich doch nicht sicher, ob ich daraus den Schluß ziehen kann, daß das hohe Haus in seiner Mehrheit den früheren Standpunkt geändert habe und heute für diesen Antrag eine Mehr⸗ heit zu erwarten sein wird. Ich halte es desbalb für meine Pflicht, noch einmal zu erklären, daß die große Mehrheit der verbündeten Regierungen noch heute auf dem Standpunkt des Entwurfs steht, und daß sie in dieser Haltung bestärkt ist durch die Aufnahme, welche der von Ihnen in zweiter Lesung gefaßte Beschluß bei einer großen Zahl ernster, urtheilsfähiger Männer und auch Frauen im Lande gefunden hat. Meine Herren, ich kann Sie daher auch heute namens der Mehrheit der verbündeten Regierungen nur bitten, durch Annahme des Antrags Munckel den Regierungsentwurf wieder⸗ herzustellen.

Sie werden es mir erlassen, noch einmal einzugehen auf die Gründe für und gegen diesen Antrag; aber ich bitte um die Er⸗ laubniß, Ihnen wenigstens noch einen praktischen Fall vorzuführen, der mich gerade in allerjüngster Zeit beschäftigt hat und der möglicher⸗ weise die Entscheidung des einen oder anderen Mitglieds noch beeinflußt.

Es ist das wiederum ein Fall, der in der Provinz Schleswig⸗ Holstein gespielt hat, wo in einer Zeit von neun Jahren in 26 Fällen Ehen durch landesherrliches Reskript im Gnadenwege geschieden worden sind wegen unheilbarer Geisteskrankbeit. Der Fall, den ich Ihnen vortragen will, betraf einen Hufner, also einen kleinen Grund⸗ besitzer. Der Mann war Wittwer, hatte ein Kind, und schritt zur zweiten Ehe. In dieser Ehe wurden ihm wiederum zwei Kinder ge⸗ boren. Dann verfiel die Frau in Geisteskrankheit, und in einem Anfall von Raserei tödtete sie die beiden aus ihrer Ehe hervorgegangenen Kinder, indem sie ihnen den Hals durchschnitt, ein Kind von 14 Monaten und eins von 4 Wochen. Meine Herren, es wurde eine Untersuchung gegen die Frau eingeleitet wegen Mordes. Das Verfahren mußte eingestellt werden, weil die Aerzte erklärten, die Frau sei unzurechnungsfähig. 8

Das trug sich zu im April 1891, wie ich glaube. Die Frau ist in eine Irrenanstalt gebracht worden, befindet sich dort seit fünf Jahren, und die Aerzte erklären den Zustand für gänzlich unheilbar. Nun, meine Herren, fünf Jahre lang hat der Mann das schwere Schicksal, was über ihn gekommen war, getragen. Jetzt sagt er: ich kann nicht länger das mir gebliebene, jetzt neunjährige Kind aus erster Ehe mutterlos lassen, ich kann nicht länger auf die tüchtigste und zuverlässigste Stütze in meiner Wirthschaft verzichten. Darauf hat dieser Mann unter Uebernahme der danernden Fürsorge für seine kranke Frau nachgesucht, daß auch ihm im Gnadenwege die Ehescheidung gewährt werde. Ja, meine Herren, ist da jemand von uns berechtigt, zu sagen, der Mann verstößt seine Frau? Ist jemand berechtigt, zu sagen, der Mann be⸗ geht einen Schurkenstreich, wenn er die Scheidung erstrebt? Meine Herren, ich habe nicht den Muth gehabt, das zu sagen, und habe keine Bedenken getragen, den Antrag an Allerhöchster Stelle zu befür⸗ worten.

Nun, meine Herren, werden Sie mir sagen: das ist ein vereinzelter Fall, so etwas kommt nicht wieder vor. Ja, alle Tage kommt es ja allerdings nicht vor, es ist ein besonders eklatanter und deshalb vielleicht überzeugender Fall, wenn ich mich aber erinnere eines Ausspruchs, den vor einigen Jahren einer unserer angesehensten und hervorragendsten Irrenärzte in der Rheinprovinz gethan hat, daß bei jedem Verfolgungswahnsinn es nur eine Frage der Zeit sei, wann er gemeingefährlich werde, dann dürfen und müssen wir doch mit der Möglichkeit derartiger Fälle auch weiter rechnen.

Nun, meine Herren, können Sie mir vielleicht auch sagen, es sei die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß auch diese Frau, entgegen dem ärztlichen Ausspruche, wieder genese. Diese Möglichkeit kann theoretisch zugegeben werden, aber ich glaube, sie ist außerordentlich gering; und gesetzt, diese Frau würde wieder gesund, würden Sie da sagen, es sei ein Gebot der Sittlichkeit, ein Gebot der Religion, daß der Mann, dem diese Frau im Zustande der Geifteskrankheit zwei Kinder getödtet hat, dieselbe wiederum in sein Haus aufnimmt und die eheliche Gemeinschaft fortsetzt, daß er vielleicht bei der großen Gefahr des Rückfalls, die in solchen Fällen erfahrungsgemäß existiert, das ihm gebliebene Kind und etwaige künftige Kinder der Gefahr aussetzt, in gleicher Weise zu sterben? Das, meine Herren, kann, wie ich glaube, kein Gebot der Sittlichkeit und Religion sein.

Es ist mir entgegengehalten worden: wenn jemand, wie es nach

drei Jahre ewartet und

Berlin, Donnerstag, den 2. Juli

trotz der schweren Geisteskrankheit des anderen Ehegatten die Ehe fortgesetzt hat, dann hat er sich darauf eingerichtet und kann es länger ansehen. So liegt die Sache aber doch nicht! In sehr vielen Fällen lassen sich solche Zustände vorübergehend ertragen: es giebt eine Mutter, eine Schwester, die für die fehlende Gattin eintritt Aber derartige Hilfen sind nicht ewig, und wir müssen mit den Fällen rechnen, wo es an solcher Hilfe gebricht. Mir ist ferner in der Privatunterhaltung entgegengehalten worden: Geisteskranke, die drei Jahre in einem solchen von Aerzten für unheilbar erklärten Zustande sich befinden, pflegen nicht mehr lange zu leben, bald pflege der Tod dem Leiden ein Ende zu machen. Ist die Behauptung richtig? Wird sie nicht widerlegt, wenn Sie einen Gang durch die Irren⸗ anstalten machen und dabei sehen, welche Greise und Greisinnen Jahrzehnte lang sich in solchem Zustande befinden? Deshalb, meine Herren, sage ich, müssen wir hier Hilfe schaffen. Ich darf viel⸗ leicht auch noch darauf hinweisen, daß, wenn an erster Stelle die mittleren Stände und die arbeitenden Klassen bei der Zulassung dieses Ehescheidungsgrundes betheiligt sind, weil sie weniger in der Lage sind, eine Stütze für den fehlenden, erkrankten Theil zu suchen, diese Frage auch eine große praktische Wichtigkeit bekommt für andere Kreife, und ich glaube darauf aufmerksam machen zu dürfen, daß bei Fideikommissen, ja unter Umständen bei der Thronfolge die Beseitigung dieser Bestimmung von den schwerwiegendsten, gar nicht zu übersehenden Folgen sein kann. Dies ist nach wie vor der Standpunkt, den die Mehrheit der verbündeten Regierungen einnimmt. Ich erkenne es vollständig an, wenn jemand aus religiösen Bedenken, aus religiöser Ueberzeugung sich auch jetzt noch gegen diesen Paragraphen erklärt; aber ebenso nehme ich auch die Berechtigung für den entgegengesetzten Stand⸗

punkt in Anspruch. Vergessen wir über dem Göttlichen nicht das

Weltliche! Es ist ein Stück sozialer Frage, mit dem wir es hier zu thun haben, und ich bitte Sie nochmals: lösen Sie die Frage so, daß die Lösung nicht großen Volkskreisen zum Unheile gereicht!

Königlich sächsischer außerordentlicher Gesandter und be⸗ vollmächtigter Minister Dr. Graf von Hohenthal und Bergen:

Meine Herren! Im Anschluß an die Ausführungen des Königlich preußischen Herrn Justiz⸗Ministers möchte auch ich namens der König⸗ lich sächsischen Regierung in letzter Stunde die dringende Bitte an Sie richten, den Antrag des Herrn Abg. Munckel anzunehmen. Der § 1743 des sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmt: „Wegen Geisteskrankheit, in welche ein Ehegatte während der Ehe verfällt, kann der andere Ehegatte Scheidung verlangen, wenn auf Grund einer in einer Landesanstalt stattgefundenen dreijährigen Beobachtung des erkrankten Ehegatten von den Anstaltsärzten bezeugt wird, daß die Geisteskrankheit eine unheilbare ist.“ Diese Bestimmung, meine Herren, welche im wesentlichen dem § 1552 der gegenwärtigen Regierungsvorlage entspricht, hat sich bei uns in langjähriger Praxis durchaus bewährt und hat dazu beigetragen, von manchen ohnehin schon durch die Erkrankung eines Mitgliedes unglücklich gewordenen Familien den wirthschaftlichen Ruin fernzuhalten. Meine Regierung würde großen Werth darauf legen, daß der bei uns bisher geltende Rechtszustand aufrecht erhalten würde, und ich würde daher die An⸗ nahme des § 1552 der Regierungsvorlage mit besonderer Freude be⸗ grüßen.

Großherzoglich badischer außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister Dr. von Jagemann:

Meine Herren! Ich schließe mich namens der Großherzoglich badischen Regierung der Erklärung meines Königlich sächsischen Herrn Kollegen ausdrücklich an.

Abg. Pauli (Rp., persönlich): Ich habe nicht gesagt, daß ich es für einen Schurkenstreich halten würde, wenn jemand seine Ehe⸗ frau verstieße; ich habe nur geäußert: mein Gewissen sagt mir, daß ich aus ethischen Rücksichten mich nicht aus einem solchen Grunde scheiden lassen würde. Was mein Gewissen mir sagt, das geht keinen etwas an..

In namentlicher Abstimmung wird der Antrag mit 161 gegen 133 Stimmen angenommen.

Ein gestern angenommener Antrag der Abgg. von Kar⸗ dorff (Rp.) und Schmidt⸗Warburg (Zentr.), betreffend die Schadensersatzpflicht für Hausthiere, wird, da derselbe gestern nur handschriftlich vorlag, nochmals zur Abstimmung gestellt und gegen die Stimmen der Rechten und einiger Zentrums⸗ mitglieder abgelehnt.

Die Kommission hatte bezüglich der Ehescheidung vier neue Paragraphen (die §§ 1557 a, 1557 b, 1566a und 1566 b) ein⸗ geschaltet über die Klage auf Aufhebung der ehelichen Ge⸗ meinschaft (statt der Klage auf ,2Q wobei die Wirkungen der Ehescheidung eintreten, aber die ngehung einer neuen Ehe nicht gestattet ist.

Abg. Vielhaben (Reform⸗P.) beantragt, alle vier Paͤragraphen u streichen, wünscht ferner über die wichtige Frage namentliche Ab⸗

immung und bittet den Präsidenten, die Unterstützungsfrage zu stellen.

Abg. Iskraut (Reform⸗P.) bezeichnet die neu aufgenommenen Bestimmungen als den dunkelsten Punkt des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Es sei nicht gelungen, die obligatorische, kirchliche Ehe für die Christen durchzusetzen, obgleich diese den Gewohnheiten Deutschlands entspreche. Die vier Paragraphen entsprächen dem kanonischen Recht, und es sollte den Evangelischen ein solches kanonisches Recht, nicht aufgezwungen werden. Die obligatorische Zivilehe sei nur Legalisierung des Konku⸗ binats. Nichts sei weniger liberal, nichts weniger evangelisch⸗christlich, als die Beibehaltung dieser Paragraphen.

Abg. Dr. Enneccerus (ul.): Auf diese Rede brauche ich wohl nichts zu antworten, ohne deshalb mißverstanden zu werden. Dieser Antrag reiht sich würdig den Anträgen an, welche früher gestellt sind zur Verhinderung der Berathung; es ist der letzte derselben.

Der Antrag wird darauf gegen die Stimmen der Reform⸗ Partei abgelehnt, und die vier bezeichneten Paragraphen werden aufrecht erhalten.

Zu § 1682, betreffend die rechtliche Stellung der unehe⸗ lichen Kinder, liegt ein Antrag der Konservativen vor, die in zweiter Lesung auf Antrag der Sozialdemokraten angenommenen Worte zu streichen: 1 1

8* Ehemann der Mutter kann durch Erklärung gegenüber der zuständigen Behörde dem Kinde mit Einwilligung des Kinbdes

1896.

und der Mutter seinen Namen ertheilen; die Erklärung des Ehe⸗ mannes, sowie die Einwilligungserklärungen des Kindes und der Mutter sind in öffentlich beglaubigter Form abzugeben.“

Abg. Dr. von Buchka (d. kons.) bezeichnet diese Bestimmung als unannehmbar, denn es habe nicht oe Einzelne über d Familiennamen zu verfügen, sondern das stehe nur der Familie selbst

Abg. Bebel (Soz.): Diese Bestimmung schadet Niemandem, nützt aber dem unehelichen Kinde. Ich war nicht darauf gefaßt, daß dieser Bfschls der zweiten Lesung angezweifelt werden würde. Dadurch, daß zahllose uneheliche Kinder nur den Namen der Mutter führen können, leiden sie erheblich. Wenn ein Mann einem solchen armen Wesen seinen Namen geben will, so sollte das anerkannt und er⸗ leichtert, aber nicht erschwert werden.

Nachdem Abg. Dr. von Buchka nochmals gegen die Bestim⸗ mung gesprochen, erklärt Abg. Dr. Enneccerus, daß hier das Interesse der ee. selbst dafür spreche, daß nicht innerhalb der Familie die erschiedenartigkeit des Namens zu allerlei Vor⸗ würfen führe.

Abg. Haußmann (d. Volksp.) spricht sich ebenfalls gegen den Antrag der Konserpativen aus. Der Abg von Buchka hbatte ließlich auch verbieten müssen, daß der Vater das Kind adoptiere, was bisher gestattet worden set und bleibe.

Abg. Bebel: Mit Annahme des Antrags würde ja der Ehe⸗ mann unter die Vormundschaft seiner Familie gestellt werden, trotz⸗ dem er doch aus freiem Willen die betreffende Che mit der Frau, die

ein uneheliches Kind hat, abgeschlossen hat. § 1682 wird unverändert nach den Beschlüssen der zweiten Lesung angenommen. 1t sh § 1693 liegt ein Antrag des Abg. von Strom⸗ beck (Zentr.) vor, die exceptio plurium zu streichen.

Der Antragsteller empfiehlt denselben damit, daß bei der zweiten Berathung sich eine erhebliche Minderheit dafür gezeigt habe und daß der Antrag heute bei der vollen Besetzung des Hauses nicht aussichtslos sei.

Abg. Lerno (Zentr.) erklärt sich gegen den Antrag, der mit roßer Mehrheit abgelehnt wird.

ie übrigen Bestimmungen des Bürgerlichen 8- buchs werden ohne weitere Debatte angenommen; ebenso ohne Debatte das eeeee bis auf Art. 60. Nach diesem Artikel sollten auch die Bestimmungen über die Ansiedelungsgüter bestehen bleiben. Die Polen beantragen eine ausdruückliche Abstimmung darüber, und diese Abstimmung ergiebt die Ablehnung der betreffenden Worte gegen die Stimmen der Konservativen und Nationalliberalen. Die v-sieh1ness⸗f⸗ks⸗ben, .2nns gefallen.

Bei der Verathung der nleitung und Ueberschrift des Einführungsgesetzes erklärt

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Hier, wo es sich um die Zustimmung des Reichstags zu einem großen Gesetzeswerk handelt, dürfte der geeignete Platz sein, di jenige Erklärung namens meiner Freunde ab⸗ zugeben, die wir uns für die Schlußabstimmung vorbehalten haben. Der Abg. Dr. Rintelen, der erste Redner aus unserer Mitte bei der ersten Berathung 2ene Gesetzbuchs, schloß mit den Worten: „Der Entwurf enthält Vorschriften über das persönliche Eherecht, welche mit den Glaubenssätzen der katholischen Kirche in Widerspruch stehen. Die Kirche erkennt das Recht des Staats zur Ehegesetzgebung für Katholiken überhaupt nicht an. Gelingt es nicht, diese Vor⸗ schriften aus dem Gesetzbuch zu entfernen oder sie so umzugestalten, daß die Bedenken der Katholiken beseitigt werden, so sind wir ge⸗ nöthigt, nicht nur gegen diese Vorschriften, sondern auch gegen den Entwurf im Ganzen zu stimmen. Möchte uns das hohe Haus und die verbündeten Regierungen dieser traurigen Nothwendigkeit entheben!“ Auch der zweite Redner aus unserer Mitte, der Abg. Spahn, sprach sich für Ausscheidung der perfönlichen Ehegesetzgebung aus dem Entwurf aus, wofern es anders nicht gelingen sollte, die das Gewissen und die religiösen Anschauungen von Millionen deutscher Volksgenossen verletzenden Vorschriften zu entfernen. Die Entfernung jener verletzenden Vorschriften ist nicht gelungen. Dennoch konnten wir der Ausscheidung des gesammten Gegenstandes aus den von mir am 24. Juni erklärten Gründen nicht zustimmen. ei; unserer Bemübungen sind Zusepe und Aenderungen hinsichtlich der Eheschließung und Trennung beschlossen und von den ver⸗ bündeten Regierungen unwidersprochen geblieben, die wir leider nicht als solche Umgestaltungen betrachten können, welche die Gewissensbedenken vollständig beseitigen. Ebensowenig dürfen wir aber auch verkennen, daß gegen den seit 1875 bestehenden Rechtszustand Besserungen vor⸗ veee sind, deren Ablehnung zu verantworten wir kaum in der

Lage sein würden. Daneben steht die so hohe und zuerst von Joseph von Görres geforderte Einheit des bürgerlichen Rechts für das Deutsche Reich und die unverkennbare Bedeutung des großen auch für die gegenwärtige vvvö-P7 Wenn für das ustandekommen einer solchen Schöpfung jeder Einzelne, jede Gesell⸗ chaftsklasse und jede politische Partei Opfer zu bringen hat, so will auch die deutsche den Anforderungen dieser Lage sich nicht entziehen. diese Anforderungen schwere sind, ist ofr und nachdrücklich von uns betont; aber wenn wir uns entschlossen haben, dem Ganzen zuzustimmen, so müssen wir doch, wie 1876 der Abg. Windthorst gegenüber der Zivilprozeßordnung, welche in ähnlicher Lage vor uns lag und auch von uns angenommen wurde, auch heute nochmals ausdrücklich sagen, daß wir damit in keiner Weise irgend etwas von dem aufgeben, was wir in Bezug auf die Ehefrage bisher grundsätzlich vertheidigt haben. Nach diesem Vorbehalt und —. darf ich erklären, daß wir für das Gesetzbuch und das Einführungs⸗ gesetz im Ganzen stimmen werden, um für alle Zukunft Zeugniß bafär abzulegen, daß wir nicht minder als andere im Deutschen Reichstag bereit waren und sind, dieses Werk, einen Markstein in der Rechts⸗ und Volksgeschichte unseres Vaterlandes, mit aufzurichten.

Abg. Richter (fr. Volksp. zur Geschäftsordnung). Ich halte derartige Erklärungen an dieser Stelle für sehr zweckmäßig, der Ge⸗ schäftsordnung aber entsprechen sie nicht. Ich möchte nur diesen Präzedenzfall verallgemeinern und daß die Generaldiskussion bei der dritten Lesung nicht an den Anfang, sondern an das Ende gelegt wird⸗ Ich möchte vorschlagen, diese ganze Frage der Geschäftsordnungs⸗ kommission zu überweisen. G

Präsident Freiherr von Buol erkennt das Bedenken des Abg. Richter an, glaubt aber, daß die Erklärung an dieser Stelle zu⸗

elassen werden müsse; die Geschäftsordnungs⸗Kommission könne ja die ins Reine bringen. 8

Abg. Dr. Lieber glaubt das Recht zu haben, sein VBotum zu einem Gesetz vor Annahme der Einleitung und Ueberschrift zu motivieren da in der Einleitung von der Zustimmung des Reichstags die Rede sei

Abg. Graf von der Decken (b. k. F.): Wir Pannoveraner haben der Berathung des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Sommer und der damit verbundenen Uebereilung widersprochen. Trotzdem hat eine Anzahl meiner Freunde mittelbar für das Bürgerliche Gesetzbuch ge⸗ stimmt. Nachdem aber heute die Bestimmungen über den gbalnsee und § 817 von der Majorität des Hauses nicht aus sachlichen Gründen, sondern durch unberechenbare fälle angenommen worden sin

(Präsident Freiberr von Buol rügt diesen Ausdruck), sind meine Freunde veranlaßt, sich der Abstimmung zu enthalten.