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seiner Eisenbahnen für gefährlich und wünschte deshalb auch Gemeinschaft mit Preußen. Die Sache sei 188 von solcher weittragenden Wichtigkeit, daß es ihm schwer falle, bei der Kürze der Zeit, sich zu entscheiden. Er habe gegen den Vertrag mehrfache Bedenken, wolle jedoch, wenn dieselben beseitigt würden, für den Vertrag stimmen, dagegen, falls dies nicht geschehe, sich der Abstimmung ent⸗ halten. Redner bedauerte, daß Darmstadt durch die Vertrags⸗ regelung schlechter werde. Der Abg. Ulrich sprach sich für Ablehnung der Verträge aus und brachte einen dies⸗ bezüglichen Antrag ein. Er war auch gegen den Vertrag mit der Ludwigsbahn, weil die Regierung viel zu freigebig gewesen und von dem so fest ausgesprochenen Stand⸗ punkt ohne genügenden Grund abgewichen sei. Die Berathung wurde sodann vertagt und in einer E fortgesetzt. In dieser empfahl der n Osann in eingehender Ausfüh⸗ rung die Zustimmung zu dem Vertrage. Die Debatte wird
heute fortgesetzt werden. 84
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. 8 Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Herzogin ist gestern mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Beatrice von St. Petersburg wieder in Coburg eingetroffen. Das Gesetz, betreffend die Errichtung einer Handels⸗ kammer für das Herzogthum Gotha, ist gestern amtlich bekannt gemacht worden. . 8
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Oesterreich⸗Ungarn. Die Kronprinzessin⸗Wittwe, Erzherzogin Stephanie hat sich mit der Erzherzogin Elisabeth zu längerem Aufenthalt nach Belgien begeben. 8 8 Großbritannien und Irland.
Das Oberhaus nahm gestern die zweite Lesung der Bill, betreffend die Londoner Universität an, durch welche die Universität London in ein Lehrinstitut verwandelt werden soll. Im Verlaufe der Debatte sprach Lord Playfair die Hoffnung aus, die Regierung werde das Projekt thunlichst bald durchführen, und bedauerte, daß dies in diesem Jahre nicht mehr möglich sein werde. Nach dem deutsch⸗ franzö⸗ sischen Kriege habe im Institut de France eine inter⸗ essante Erörterung der Frage stattgefunden, warum die große Krisis keine großen Leute hervorgebracht habe. Die all⸗ gemeine Klage sei gewesen, daß Frankreich den höheren Inter⸗ essen des Unterrichts nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt habe. Renan habe damals erklärt, die deutsche Wissenschaft habe Sedan und Sadowa gewonnen, der deutsche Nationalgeist sei das Er⸗ zeugniß der deutschen Universitäten und das deutsche Vaterland das Erzeugniß dieses Geistes. Frankreich habe sich dies sehr zu Herzen genommen; aber es sei sicher. daß Deutschland nicht stehen geblieben sei, Deutschland habe Straßburg ge⸗ nommen und die Wiederherstellung seiner Festungswerke be⸗ gonnen; aber es habe auch die Straßburger Universität wiederherzustellen unternommen. Die künftigen Wettkämpfe der Welt würden nicht allein durch Heere und Flotten, sondern auch durch die höhere intellektuelle Entwickelung der Völker ausgefochten werden.
Im Unterhause erklärte der Parlaments⸗Sekretär des Aeußeren Curzon, da die Regierung des Congo⸗Staates im — Lothaire Berufung eingelegt habe und die Leitung des
erufungsverfahrens in den Händen ihrer Vertreter vor Gericht liege, so müsse die britische Regierung der Regierung des Congo⸗Staates die ganze Verantwortung dafür überlassen, daß die Untersuchung des Falles und aller damit verbundenen Umstände auf das vollstän⸗ digste durchgeführt werde. Die britische Regierung habe einen „locus standi“ ebenso wenig bei den Berufungsverhand⸗ lungen, wie sie ihn bei dem ursprünglichen Prozeß in Boma ehabt habe. Die Frage nach Stoke’'s Eigenthum sei vor dem Pribunol in Boma nicht verhandelt worden und könne daher auch nicht in die Berufung mit einbezogen werden. Die britische Regierung behalte sich selbstredend das Recht vor, nach Abschluß des Berufungsverfahrens die diplomatischen Vor⸗ stellungen zu machen, welche die Umstände erheischen dürften. Das Haus erledigte sodann die Einzelberathung der irischen Bodengesetznovelle. v1111A14““
Frankreich. 11“ “ 8
Das Dekret, durch welches der Zoll auf fremde Zucker entsprechend dem Betrage der deutschen Ausfuhr⸗ prämie erhöht wird, ist dem Präsidenten der Republik zur Unterzeichnung nach Havre übersandt worden, damit es am 1. August in Kraft treten könne.
Der ehemalige Minister Spuller ist gestern Vormittag in Dijon gestorben. Spuller war am 8. Dezember 1835 in Seurre, Departement Coôte d'Or, geboren. Im Jahre 1859 wurde er Advokat; seit 1863 widmete er sich indessen ganz der publizistischen Thätigkeit und trat in nähere Beziehungen zu Gambetta, der ihn, als er im Jahre 1881 Minister⸗Präsident wurde, zum Unter⸗Staatssekretär des Auswärtigen ernannte, welche Stellung Spuller aber nur bis zum Januar 1882 bekleidete. Im Ministerium Rouvier 1887 übernahm Spuller das Ministerium des öffentlichen Unterrichts, das er mit dem Rücktritt Rouvier’s im Dezember desselben Jahres wieder verlor. Im Februar 1889 wurde er im zweiten Kabinet Tirard Minister des Auswärtigen und blieb bis zu dem am 16. März 1890 erfolgten Rücktritt des Ministeriums. 1892 wurde uller in den Senat gewählt und bekleidete in dem Ministerium Casimir⸗Perier vom 4. Dezember 1893 bis zum 22. Mai 1894 von neuem das Ministerium des Unterrichts. Seitdem ist er politisch nicht mehr hervor⸗ getreten. — Unter den ersten Beileidsbezeugungen, welche den Angehörigen des Verstorbenen zugingen, befand sich auch die
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des deutschen Botschafters Grafen zu Münster.
Italien.
Der päpstliche Nuntius in München Dr. Ajuti ist zum Nuntius in Lissabon ernannt worden.
Türkei.
Der Delegirte der französischen Bondholders bei der Dette publique Berger hat, wie dem „W. T. B.“ aus Kon⸗ stantinopel berichtet wird, eine Reise nach St. Peters⸗ burg und anderen Hauptstädten angetreten zu dem wecke, die Mächte zu veranlassen, Bulgarien zur
ributzahlung und ferner Bulgarien, Montenegro und Serbien zur Antheilnahme an der türkischen Staatsschuld für das neu erworbene Territorium laut iner Vertrags anzuhalten, um
b . 11“ 1“ 8 A1X“ 1 hiermit der Pforte finanziell zu helfen und der Dette publique Ersatz für den infolge der vorjährigen Ereignisse eingetretenen Rückgang der Einnchmen zu schaffen. as Wiener „K. K. Telegraphen⸗Korrespondenz⸗Bureau“ erfährt, der Polizei⸗Minister habe den Mitgliedern des emischten Rathes des armenischen Patriarchats Heinhellung von einem sanktionierten Beschlusse des Ministerraths gemacht, worin gesagt werde, daß der gemischte Rath bei den Wirren in Anatolien, welche bedeutenden persönlichen und materiellen Schaden verursacht hätten, statt zu beruhigen, seinen Einfluß mißbraucht und die Geistlichkeit felbst agitiert habe; die Regierung habe daher beschlossen, den gemischten Rath persönl und gemeinschaftlich für eine weitere Fortsetzung der Wirren verantwortlich zu machen und streng zu bestrafen. Die Vertheidigung des gemischten Rathes habe der Polizei⸗ Minister abgelehnt und erklärt, er habe nur den Beschluß mit⸗ zutheilen. Der gemischte Rath berieth am Mittwoch über diese Mittheilung und setzte die Berathung gestern fort.
Aus amtlicher türkischer Quelle werden die Meldungen von Unruhen in Egin und Ain⸗Tab (Kleinasien) als falsch bezeichnet.
Bulgarien.
Der Staatsanwalt des Gerichtshofs der ersten Instanz wird, wie „W. T. B.“ aus Sofia erfährt, die Akten über die Ermordung Stambulow's unter Anschluß seiner Schlußfolgerungen heute dem Gerichtshof zurückstellen. Der Prozeß werde einen großen Umfang annehmen; wie es heiße, sollen 130 eö vernommen werden. Die Anklage richte sich gegen Personen, von den 3 verhaftet und 2 abwesend 8 die Verhandlung dürfte erst im September
Eine der Chartered Company zugegangene Depesche aus Buluwayo vom 22. d. M. meldet, daß die vö abtheilung des Hauptmanns Laing, welche in der Gegend der Matoppo⸗Berge ein Lager bezogen gehabt habe, am Montag früh angegriffen worden sei. Es sei ein erbitterter Kampf ent⸗ standen. Der Feind sei zurückgeworfen worden und habe 90 Todte verloren. Auf Seiten der Engländer seien 4 Weiße und 25 Mann der aus Eingeborenen bestehenden Hilfstruppen getädieh, 11 Weiße und 25 Mann der Hilfstruppen verwundet worden.
Nr. 30 der „Veröffentlichungendes Kaiserlichen Gesund⸗ heitsamts“ vom 22. Juli hat folgenden Inhalt: Personalnachricht. — Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. — Zeitwei⸗ lige Maßregeln gegen Pest. — Sanitätsbericht über die bayerische Armee, 1899%93. — Gesetzgebung u. s. w. (Deutsches Reich.) Kresol⸗ seifenlkösung. — (Preußen.) Kanalisationen. — Schweineseuchen. — (Reg.⸗Bez. Köslin.) Arzneimittel. — (Reg.⸗Bez. Posen.) Gast⸗ ställe c. — (Reg.⸗Bez. Breslau). Schweineseuchen. (Schluß.) — (Reg.⸗Bez. Erfurt.) Schweinefleisch. — Reg.⸗Bez. Arnsberg. Ruhr und Unterleibstyphus. — (Hessen). Veterinärpolizeiliche Gebühren. (Braunschweig.) Gifte. — (Anhalt). Maul⸗und Klauenseuche. — (Oester⸗ reich. Küstenland.) Todtenbeschau. — (Norwegen.) Diphtherieserum. — Gang der Thierseuchen in Bosnien und Herzegowina 1. Vierteljahr. — Desgl. in der Fescegesche Madras, 1894/95. — Zeitweilige Maß⸗ regeln gegen Thierseuchen. (Preuß. Reg.⸗Bezirke Gumbinnen, Stral⸗ fund, Köslin, Bromberg, Liegnitz, Aurich, Düsseldorf, Hamburg, Oesterreich, Schweden.) — Verhandlungen von gesetzgebenden Körper⸗ schaften. (Hessen.) Schutz der Heilquellen. — Geschenkliste. — Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 40 000 und mehr Einwohnern. — Desgl. in größeren Städten des Aus⸗ landes. — Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. — Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. — Witterung. — Bei⸗ lage: Inhaltsverzeichniß zum III. Bande.
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Die Kohlenzeche C. hatte mit der Firma B. einen Lieferungs⸗ vertrag über ein großes Quantum Kohlen geschlossen, wonach monatlich 250 t Kohlen an B. zu liefern waren. Die Firma B. kam in Annahmeverzug, sodaß schließlich eine Menge von 720 t rückständig wurde. Am 12. Juli 1893 richtete die Zeche an B. einen Brief, in welchem sie die Firma B. ersuchte, bis zum 21. Juli über die Rückstände zu verfügen. Am letzten Tage dieser Frist stellte B. an die Zeche das Verlangen, an demselben Tage noch die ganze rückständige Menge zu liefern. Sofort erklärte die Zeche, dieses Verlangen zurückweisen zu müssen, da eine sofortige Lieferung der ganzen Menge an einem Tage nicht möglich sei, und sie erbot sich, bis zum 3. August in 12 täglichen Sendungen alles zu liefern. Hierauf ging aber die Käuferin nicht ein, und sie erklärte ihren Rück⸗ tritt vom Kaufvertrag wegen Lieferungsverzuges der Verkäuferin. Diese brachte nun die rückständigen Kohlenmengen zur Versteigerung, nachdem der Selbsthilfeverkauf gehörig angedroht worden war, klagte die Differenz zwischen dem Versteigerungserlös und dem Kaufpreis gegen die Firma B. ein und erstritt in der Berufungsinstanzein obsiegliches Ürtheil. Die Revision der Beklagten wurde vom Reichsgericht, II. Zivilsenat, durch Urtheil vom 15. Mai 1896 zurückgewiesen, in⸗ dem es begründend ausführte: „Es ist kein Rechtsirrthum, wenn das Ober⸗Landesgericht das am letzten Tage der Nachfrist von der Be⸗ klagten gestellte Verlangen, an demselben Tage noch die sganfe rück⸗ ständige Menge zu liefern, deshalb, weil es der Klägerin eine un⸗ mögliche Leistung zumuthete, als ein Nichtinnehalten der Nachfrist ansieht und darum in der von der Klägerin sofort erklärten Zurück⸗ weisung dieses Verlangens, welche mit dem Erbieten verbunden war, bis zum 3. August in 12 täglichen Sendungen alles zu liefern, eine vertraglich gerechtfertigte Maßregel findet, welche nicht die Folge hatte, Lieferungsverzug der Klägerin zu be⸗ gründen und den Rücktritt der Bektagten von diesem Theil des Ver⸗ trages zu rechtfertigen; da nach dem Vertrag monatlich 100 + 150 = 250 Tonnen Kohlen zu liefern waren, durfte das Ober⸗Landesgericht mit Recht einen dem Vertrag widersprechenden und den Abnahme⸗ verzug der Beklagten nicht beseitigeden Mißbrauch der ge⸗ währten Nachfrist darin finden, daß die Beklagte Lieferung der
esammten rückständigen Menge von 720 Tonnen Kohlen an einem Tage, und zwar am Tage der Abrufung selbst, dem letzten Tage der Frist, begehrte.“ (64/96.)
Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.
Eine Sfbessüsschatt⸗ Aktiengesellschaft oder ein sonstiger Verein, welcher lediglich die Beschaffung billiger Wohnungen für seine Mitglieder zum Zwecke hat und seine dieponiblen Geld⸗ bestände in Werthpapieren u. dgl. m. zinsbar anlegt, betreibt, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, VI. Senats, 1. Kammer, vom 9. Januar 1896, kein Gewerbe und ist demnach nicht ge⸗ werbesteuerpflichtig; hieran ändert auch nichts der Umstand, daß die Wohnungen unter besonderen Voraussetzungen auch an Nichtmitglieder vermiethet werden. rn. des Unter⸗
nd Bau von Wohnhäu en und deren miethsweise Ueberlassung an die Mitglieder. Hierin allein liegt, wie nicht zweifelhaft sein kann und auch von der Regierung nicht verkannt wird, ein Gewerbebetrieh deshalb nicht, weil die Vermiethung eigener Häuser an sich und ohne das Hinzutreten besonderer Umstände lediglich eine Form der Nußun des Grundbesitzes, nicht aber eine gewerbliche Thätigkeit darstellt. Es i daher auch unerheblich, ob der Verein die Wohnungen in den ihm gehörigen faes. ausschließlich an seine Mitglieder oder unter besonderen Voraus⸗ etzungen auch an Nichtmitglieder vermiethet. Der Umstand, daß der Verein im Statut auch die Vertheilung des Reingewinns, wie die Bildung eines Reservefonds vorsieht, ist nichts dem Gewerbebetriebe Eigenthümliches, vielmehr ebenso vereinbar mit der bloßen Nutzung des Grundeigenthums, wie mit jedem sonstigen Erwerbszwecke. Es be⸗ darf in dieser Richtung nur eines Hinweises auf die Art. 239 b, 185 a bis c des e esetz⸗Buches bezw. des Gesetzes vom 18. Juli 1884, wonach die Vorschriften über die Aufstellung der Bilanzen und über die Bildung des Reservefonds unterschiedslos auf alle Aktiengesellschaften Anwendung finden, auch wenn der Gegenstand des Unternehmens nicht in Handels⸗ Picheften besteht, also ein Gewerbebetrieb gar nicht in Frage kommt..
ie bloße seebar⸗ Anlegung von Geldern ist an sich nur eine Art der gewöhnlichen Kapitalnutzung, und es fehlt im übrigen ein Anhalt dafür, daß der Verein seine dieponiblen Gelder in der Form der ge⸗ werblichen Kapitalnutzung, wie z. B. zu einem bankmäßigen oder ähnlichen Betrieb, verwende.“ (VI. G. 324/95.)
— Der Besitzer eines Hauses, welches an einer in der An⸗ legung begriffenen Straße zu einer Zeit erbaut ist, wo für den betreffenden Ort die Verpflichtung aus § 15 des Straßenfluchten⸗ gesetzes vom 2. Jult 1875 zu Adjazentenbeiträgen noch nicht durch Ortsstatut zu aktuellem Recht geworden ist, kann, nach einem Ur⸗ theil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, 1I. Senats, vom 4. März 1896, wenn im weiteren Verlauf der Straßenanlage ein jene Verpflichtung begründendes Ortsstatut in Kraft tritt, weder zu den bis zu dem Erlaß des Ortsstatuts aufgewandten, noch zu den von diesem Zeitpunkt ab entstehenden Straßenanlegungs⸗ kosten herangezogen werden. „Die Errichtung eines Gebäudes vor Erlaß des Statuts kann eine Heranziehung niemals rechtfertigen, und die entgegengesetzte Ansicht des Vorderrichters läßt sich durch die von ihm angeführten Erwägungen nicht begründen. Entscheidend bleibt vielmehr der Gesichtspunkt, daß der Akt der Errichtung eines Ge⸗ bäudes erst durch das Statut zu einem den Erbauer verpflichtenden Titel werden kann, dieser Eigenschaft so lange ermangelt, als das Statut noch nicht erlassen ist.“ (II. 435.)
— Hört ein Kreisangehöriger, nach gehörig erfolgter Veranlagung zur Kreissteuer, auf, Kreisangehöriger zu sein, so bleibt, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, II. Senats, vom 16. März 1896, dem Kreise gegenüber seine Steuerpflicht für das Steuerjahr bestehen. „Nach § 11 der Kreisordnung vom 13. De⸗ zember 1872 wird das Kreisabgabensoll für die einzelnen Gemeinden und selbständigen Gutsbezirke im Ganzen berechnet und denselben zur Untervertheilung auf die einzelnen Steuerpflichtigen nach demselben Maßstabe zur Einziehung sowie zur Abführung im Ganzen an die Kreis⸗Kommunal⸗Kasse überwiesen, und diese Bestimmung hat nach der feststehenden Judikatur des. O.⸗V.⸗G. die Bedeutung, daß wie den einzelnen Gemeinden und Gutsbezirken die gegen das So entstehenden Zugänge zu gute kommen, ihnen andererseits auch die Deckung der Abgänge und Ausfälle obliegt. Der Kreis ist also dabei völlig üirteressterk ob ein Kreisangehöriger nach gehörig erfolgter Veranlagung aufhört, Kreisangehöriger zu sein. Das Kreisabgaben⸗ soll bleibt unberührt, da die Gemeinde bezw. der Gutsbezirk dafür aufzukommen hat. Der Kläger (welcher nach der Fesststellung des Bezirksausschusses am 1. Juli 1894 sein Domizil im Kreise auf⸗ egeben hatte) mag daher dem Gutsbezirke gegenüber immer⸗ ben berechtigt sein, seine Freistellung für 3 Viertel⸗ jahre zu verlangen. Dem Kreise gegenüber aber bleibt seine Steuerpflicht bestehen. Mit anderen Worten: Nach dem System der Kreisordnung sind nur solche Klagen wegen Kreisabgaben zulässig, deren Ziel sich auf die Verminderung des Kreisabgabensolls richtet, die also eine von vornherein unrichtige Veranlagung zum Gegen⸗ stand haben.“ (II. 601.)
5 Statistik und Volkswirthschaft.
Das Lehrlingswesen in 11X“ und diesen gleichgestellten Anlagen. 88
Dem Lehrlingswesen, insbesondere der Frage, ob und in welcher Weise für eine genügende berufliche Ausbildung der jugendlichen Arbeiter und damit für die Heranbildung eines soliden und fachlich geschulten Arbeiterstammes gesorgt werde, widmen die Gewerbe⸗ aufsichtsbeamten fortgesetzt ihre Aufmerksamkeit. Dabei ist nach den Berichten der preußischen Regierungs⸗ und Gewerbe⸗Räthe für 1895 auch im vergangenen Jahre wiederum mehrfach die Erscheinung zu Tage getreten, daß in manchen Betrieben mit einer übergroßen Zahl von Lehrlingen gearbeitet wird und das Lehrvertrags⸗ verhältniß nur das Mittel ist, jugendliche Arbeitskräfte gegen billige Löhne an den Betrieb zu fesseln, während der Betriebsunternehmer sich seiner Pflicht, den Lehrling möglichst vielseitig technisch auszu⸗ bilden und ihm so für die Zukunft das Fortkommen eines gelernten Arbeiters zu sichern, kaum kewußt ist. „Eine Reihe von Fabrik⸗ betrieben beutet die Lehrlinge als billige Arbeitskräfte aus. Dadurch, daß die Lehrlinge gleich vom Eintritt ab Lohn erhalten, drängen sich die jungen Leute nags den Fabriken und wenden sich vom handwerksmäßigen Betrieb ab.’ (Liegnitz.) „Das Lehrlingswesen 8 in den Fabriken nicht vollständig geregelt; meist bedingen sich die Arbeitgeber in den Lehrverträgen eine giemlich lange Lehrzeit aus, welche ihnen die Ausnutzung der isne Kräfte für einen sehr geringen Lohn für ein paar Jahre sichert. Die Väter und Vormünder der jungen Leute gehen oft in leichtsinniger Weise auf diese Verträge ein und sind aon fänglich nur froh, daß ihre An⸗ gehörigen untergebracht sind. Sind erst ein oder zwei Jahre ver⸗ flossen, dann möchten sie gern 5 die Leistungen der jungen Leute mehr Lohn haben und die Arbeitsstätte wechseln, was dann zu Kontraktbruch und Zahlung der festgesetzten Konventionalstrafe an den Arbeitgeber führt. Die Arbeitgeber behaupten, unter der in den Lehr⸗ briefen festgesetzten Zeit keinen Lehrling annehmen zu können, da⸗ sie sonst bei dem Anlernen zu großen Schaden hätten. Streitigkeiten vorstehender Art kamen in den Zigarrenfabriken und Strickereien des hiesigen Bezirks vor.“ (Erfurt.) „Eine planmäßige Ausbildung von Lehrlingen findet in den Maschinenfabriken und Schiffz⸗ werften statt. Im übrigen werden noch in den Groß⸗ betrieben der Töpferei, Glasmacherei, Brauerei und Buchdruckerei sowie in einzelnen Anlagen der Textilindustrie Lehrlinge angetroffen. In allen übrigen Industriezweigen werden Lehrlinge nur ganz ber⸗ einzelt beschäftigt. Tüchtige Tischler, Gerber u. s. w. gehen aus⸗ schließlich von den handwerksmäßigen Betrieben in die Großindustrie über. Eine solche Stärkung der Industrie durch das Handwerk iß aber naturgemäß in denjenigen Gewerben unmöglich, wo der hand⸗ werksmäßige Betrieb überhaupt aufgehört hat oder im Verschwinden begriffen it⸗ Dies gilt z. B. von der Textilindustrie, die ein drin⸗
aben sollte. Ein solches Interesse ist nur selten vorhanden, und die ndustriellen können sich nicht darüber wundern, daß es immer
beee Interesse an der Ausbildung tüchtiger Arbeiter und Arbeiterinnen schwieriger wird, küscheige Arbeiter zu erlangen. Um die vielfach duf a
gestellte Behauptung, daß in den Buchdruckereien Lehrlingszüchtere herrsche, auf ihre Begründung zu dnsteahcg hat der Gewerbe⸗ Inspekte in Neumünster Erhebungen in den 16 Buchdruckereien seines 1 angestellt und ermittelt, daß im Ganzen 205 Gehilfen und 30 ew linge, also nur 12,8 % Lehrlinge, beschäftigt werden. Ungünftige⸗ stellt sich das Verhältniß bei den kleinen Druckereien mit wenige als 10 Arbeitern, da in ihnen 50 % Lehrlinge thäͤtig sind.“ (Schleimge „Ein eigentliches Lehrlingsverhältniß wurde nur in wenigen Fab
nehmens ist nach § 1 des Statuts die gesunder und billiger Wohnungen für die de
gefunden. Einige Anlagen beschäftigen zwar jugendliche Arbeiter unter
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überhaupt kommt infolge der weitgehenden Arbeitstheilung handwerks⸗ mäßige Ausbildung sehr selten in Frage.“ (Koblenz.) ung.h das Lebe⸗ lingswesen in der Kleinindustrie des Solinger Aufsichtsbezirks spricht sich der dortige Beamte folgendermaßen aus: „Das Bestreben vieler kleinen Fabrikanten und Stahlwaaren⸗Exporteure, möglichst wohlfeile Arbeitskräfte zu bekommen, zeigt sich in fast täg⸗ lichen Annoncen, in welchen ein Lehrling zum Packen, ein Lehrling um Putzen oder zu ähnlichen Beschäftigungen gesucht wird. Der
eiz, gleich am ersten Tage Geld zu verdienen, sowie die augenschein⸗ lich leichte Beschäftigung veranlaßt viele Eltern, ihre Sähne, statt sie ein reelles Handwerk lernen zu lassen, in solche Betriebe in die Lehre zu geben. ofern die Knaben beim Packen noch ein sorgfältiges Kon⸗ trolieren der D1“ Stahlwaaren lernen, läßt sich dagegen nichts einwenden; meistens besteht ihre Thätigkeit jedoch lediglich im Be⸗ sorgen von Geschäftsgängen, Packen und in der Instandhaltung der Bureauräume. Nach Ablauf der dreijährigen Lehrzeit sucht sich der Exporteur einen anderen Lehrling, und der nunmehrige Gehilfe kann nichts mehr oder weniger als jeder ungelernte Arbeiter. Aehnliche Verhältnisse treten auch in krasser Weise bei den „Lehrlingen“ der Schleifer, einschließlich Ausmacher, Plister u. s. w. auf.“
Andererseits werden aber auch zahlreiche Fälle einer gewissen⸗ haften, planmäßigen und fachlich tüchtigen Lehrlingsausbildung rühmend hervorgehoben, von denen hier nur einige mitgetheilt werden mögen. So wird aus dem Regierungsbezirk Oppeln berichtet, daß sich seit einiger Zeit verschiedene Werke bemühen, ihren Lehrlingen eine gute, vielseitige technische Ausbildung zu theil werden zu lassen und ihnen auch anderweitige Gelegenheit zur Belehrung zu geben, indem sie Handfertigkeits⸗, Gartenbau- und sonstige Schulen einrichten, auch zur Pflege des Gesanges, Turnens u. s. w. anregen. „Für die Erziehung und Ausbildung der Lehrlinge wird in einzelnen Betrieben in anerkennenswerther Weise Sorge ge⸗ tragen. (Merseburg.) „Schon oben wurde ferner erwähnt, daß in den Maschinenfabriken und Schiffswerften Schleswig⸗Holsteins eine planmäßige Ausbildung von Lehrlingen stattfindet. Wie der Be⸗ richt für Koblenz hervorhebt, hat sich die Lehrlingswerkstätte einer dortigen Faßfabrik gut bewährt. „Aus dieser Werkstätte, die etwa 12 Lehrlinge 8e sind bereits Gesellen hervorgegangen, die den ü des Werks genügen.“ * Düsseldorf hat eine große Maschinenfabrik ihre 1894 errichtete Lehrlingswerkstätte jetzt mit 25 Zög⸗ lingen besetzt und „nimmt sich der Ausbildung der jungen Leute, die eine Fortbildungsschule regelmäßig besuchen müssen, in anerkennens⸗ werther Weise an“.
Um die pünktliche Einhaltung der Lehrverträge bis zur Beendigung der Lehrzeit zu üceen, verpflichten einzelne Arbeitgeber die Eltern der Lehrlinge durch Vertrag, den Lehrlingslohn wöchentlich um 1 ℳ kürzen zu lassen, um diesen Betrag einer Sparkasse zu⸗ zuführen und erst nach beendeter Lehrzeit auszuhändigen; wenn der junge Mann für den Militärdienst ausgehoben wird, so be⸗ sitzt er dann eine Summe von 150 bis 200 ℳ Beispiels⸗ weise wird dies aus dem Regierungsbezirk Cassel berichtet, wo in vielen Lehrverträgen Wochenlöhne derart vereinbart werden, daß nach dem ersten Jahre 3 ℳ, nach dem zweiten 4 ℳ, nach dem dritten 6 ℳ vom Meister gezahlt werden sollen; in den Verträgen, nach denen sich die Lehrzeit auf einen Zeitraum von nur drei Jahren erstreckt, wird zumeist ein Lehrgeld von 100 bis 300 ℳ gefordert. UHeber Lehrlingsprüfungen nach vollendeter Lehrzeit enthalten die Berichte der preußischen Regierungs⸗ und Gewerbe⸗Räthe für 1895 keine Mittheilungen. Aber von einer anderen, demselben Zweck dienenden und ebenso nützlichen Einrichtung wird aus Ostpreußen be⸗ richtet: „Als ahre gag für die Handwerkerlehrlinge, sich zu tüchtigen Meistern ihres Fachs heranzubilden, werden in mehreren Städten der Provinz Ausstellungen von Lehrlings⸗ arbeiten veranstaltet. Die besten Arbeiten werden mit Preisen bedacht, wozu in der Regel von staatlicher Seite eine Beihilfe ge⸗ 8 wird. Solche Ausstellungen und Prämiierungen von Lehr⸗ ingsarbeiten fünden beispielsweise in den Städten Köntgsberg, Moh⸗ rungen, Allenstein, Memel, Braunsberg, Tilsit, Insterburg statt. Der gewerbliche Zentralverein der Provinz unterstützt diese Wö und es haben die Ausstellungen bisher überall Anklang gefunden. Die Verbandsvereine bestreiten die Kosten vornehmlich aus eigenen Mitteln unter Mithilfe des Zentralvereins, an einzelnen Orten giebt auch die Stadtgemeinde eine Unterstützung. Als Anerkennung für diejenigen Meister, welche sich um die Ausbildung ihrer Lehrlinge besondere Verdienste erworben haben, werden Medaillen vertheilt.“
Hier mögen sich schließlich noch einige Mittheilungen über das Fortbildungsschulwesen anreihen. Eine Verpflichtung der Lehrlinge zum Besuche gewerblicher Fortbildungsschulen durch den Lehrvertrag findet selten statt — nur der Regierungs⸗ und Gewerbe⸗ rath für Schleswig hebt hervor, daß in Kiel die großen Werften durch den Lehrvertrag den Besuch solcher Schulen für ihre Lehrlinge bindend gemacht haben. Dagegen werden sehr häufig, wie derselbe Auf⸗ sichtsbeamte berichtet, Lehrlinge durch übermäßige Dauer der Beschäftigung von dem Besuch jeder Fortbildungsschule abgehalten. „Der Gewerbe⸗ Inspektor in Siegen ist von Gewerbetreibenden öfters ersucht worden, Arbeiter von dem Besuch der Fortbildungsschule zu befreien, da die Verpflichtung, den Arbeitern einige Stunden zum Besuch der Schule freizugeben, unangenehm empfunden würde. Ein Arbeitgeber erklärte sogar, daß er mit Rücksicht auf diese Verpflichtung keinen Arbeiter unter 18 Jahren mehr einstellen werde. Bei olcher Stellung der Arbeitgeber kann man sich über die von den Fortbildungsschul⸗ lehrern geführten Beschwerden, daß die Schüler häufig infolge von Uebermüdung durch die Fabrikbeschäftigung nicht im stande seien, an dem Unterricht erfolgreich theilzunehmen, nicht wundern. Andererseits verdient hervorgehoben zu werden, daß auch Arbeit⸗ ühe vorhanden sind, die den Nutzen einer guten Ausbildung ihrer
rbeiter sehr wohl anerkennen und selbst Fabritschulen mit Auf⸗ wendung erheblicher Kosten errichten.“ (Reg.⸗Bez. Arnsberg.) Der Regierungs⸗ und Gewerbe⸗Rath für den Bezirk Oppeln schließt seinen Bericht über das Lehrlings⸗ und Fortbildungsschulwesen mit der Be⸗ merkung: „Bei dem unmittelbaren Zusammenhang, in welchem die Beschäftigung in Fabriken und Werkstätten mit der Ausbildung der jungen Leute in gewerblichen Fortbildungsschulen steht, und angesichts
des wachsenden Einflusses, den die Gewerbeaufsichtsbeamten
auf die Gewerbetreibenden gewinnen, erscheint es wünschens⸗ berh, daß die Vorschriften des § 154 Abs. 3, 4 der Gewerbeordnung Kraft gesetzt und die Gewerbe⸗Inspektoren von Aufsichtswegen in Perbindung mit den Fortbildungsschulen gebracht werden. Für die usbildung der Lehrlinge würde eine derartige Verbindung günstige irkungen zeitigen können, wie auch der Leiter der großen Kattowitzer
Fortbildungsschule bestätigt.“
b Wohlfahrtseinrichtungen. Ein wohlhabender Bremer Kaufmann, Friedrich Mißler,
hat in der Gemeinde Ober⸗Einzingen, Kreis Fallingbostel, einen
Hof — Achterberg — gekauft und daselbst ein Erholungshaus n arme Kranke errichtet, die aus den Bremer Krankenhäusern 8 geheilt entlassen sind. Während eines Zeitraums von 5 Mo⸗ 8 en sind in dem Erholungshause monatlich je 40 Personen, und vens wäͤhrend dreier Monate männliche und während zweier Monate bea öö vetengeeneit 8 2 uns dgüch owie der Unterhalt in terberg erfolgt ausschlie auf Kosten des Stifters. 8 g h
Zur Arbeiterbewegung. 1192” Mülheim a. Rh. stehen nach einer Mittbeilung im „Vor⸗ im A die Küfer und 11a. r der Firma Lindgens und Söhne uchufftande, um eine Erhöhung des Stundenlohns von 35 auf 40 Pf. de Sn Groitzsch i. Sö haben nach demselben Blatt die Zwicker 24 huhfabrik von O. und E. Kalischer am Sonnabend wegen ohnkürzung die Arbeit niedergelegt. heenget. Gera ist der mehrwöchentliche Ausstand der Maurer dersamn Wie die „Geraer Ztg.“ schreibt, wurde in einer Maurer⸗ mlung beschlossen, den Ausstand jetzt aufzuheben und ihn bis
8 1 11“ 88 1“ 8 g G I in einzelnen, keineswegs in allen Zweigen des Betriebes ausgebildet;
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zu einer günstigeren Zeit zu vertagen. Es wurde eine Erklärung an⸗ enommen, daß der Ausstand verloren sei, da die Perhar kengen⸗ mit en Meistern gescheitert seien, auch die Verhandlungen mit dem Stadtrath keinen Erfolg gehabt hätten. Deshalb wolle man die Forderung der zehnstündigen Arbeitszeit fallen lassen und die Arbeit “ us Berlin wird zur Lohnbewegung in der Konfektionsbranche berichtet: Der mit Hilfe des Berliner Gewerbegerichts nach lang⸗ wierigen Vernehmungen und Verhandlungen ausgearbeitete Mindest⸗ lohntarif für die Herren⸗ und Knabenkonfektion ist nun⸗ mehr fertiggestellt und kommt jetzt zur Versendung an die betheiligten Konfektionäre und Zwischenmeister. Ueber die Annahme des Tarifs wird eine Versammlung in der nächsten Woche entscheiden.
Aus Lille berichtet „W. T. B“ vom gestrigen Tage über den Kongreß der französischen Arbeiterpartet (vgl. Nr. 173 d. Bl.): Wegen der Theilnahme der sozialdemokratischen Reichstags⸗ abgeordneten Liebknecht, Fischer und Singer an dem Kongreß wurden heute in den Straßen überall Plakate ange⸗ schlagen, auf welchen die Bevölkerung und insbesondere die Studenten zu Kundgebungen gegen die deutschen Abgeordneten auf⸗ gefordert wurden. Abends fand im Stadthause ein offizieller Empfang statt, zu welchem sich die Theilhaber in gemeinsamem Zuge begaben. An dem Zuge nahmen auch die auswärtigen Delegirten mit Aus⸗ nahme der Deutschen theil. Während des Zuges kam es zu einigen Zusammenstößen mit der auf der Straße ver⸗ sammelten Menge, welche Hochrufe auf Frankreich ausbrachte, die mit Rufen: „Es lebe die Soztialdemokratie!“ beant⸗ wortet wurden. Während des Empfanges auf der Mairie wurden die Reden der Sozialisten von der sie umgebenden Menge mit Zwischenrufen begleitet. Es kam zu Thätlichkeiten. Die Polizei nahm Verhaftungen vor. Einer der Manifestanten wurde ver⸗
Kunst und Wissenschaft. 8
Die Münchener Künstlergenossenschaft veranstaltet die VII. periodische große internationale Nehafan vffenftaltet im Jahre 1897 im Verein mit der Münchener Sezession. Nachdem beide Korporationen seit 1892 ihre jährlichen Ausstellungen getrennt veranstaltet hatten, ist es in hohem Grade erfreulich, nunmehr die beiden Münchener Künstlervereine unter einem Dach als Aussteller vereinigt zu sehen, und man darf jedenfalls gerade in diesem Umstande einen bedeutenden Anziehungspunkt für das 1esae ng.; sehen. 11I“ Sonnenfinsterniß am 9. August wird auf einer Linie, die vom Atlaatischen Ozean über Norwegen, Nowaja⸗Semlia durch Sibirien nach Japan verläuft, eine totale sein. Diese für die Erforschung der nächsten Umgebung der Sonne, besonders der sogenannten Corona, überaus wichtige Erscheinung soll besonders von russischen Astronomen an einer Anzahl sorgsam ausgewählter Stationen beobachtet werden. Die Sternwarte zu Pulkowa hat eine besondere Expedition an den unteren Amur gesandt, die St. Peters⸗ burger Akademie der Wissenschaften eine andere nach Nowaja⸗Semlja, die Professoren Glasenapp und Vochikhowsky wollen die Finsterniß in Finland beobachten. Die neue russische Astronomische Gesellschaft hat drei Expeditionen veranstaltet: die eine wird an der Lena in Sibirien, wo die gänzliche Verfinsterung am längsten dauert, die Corona photographieren, ebenso aber auch das Spektrum der⸗ selben und das des Sonnenrades. Am Unterlaufe des Ob wird eine andere Expedition ebenfalls photographische Auf⸗ nahmen machen, und schließlich soll eine dritte Expedition nördlich von Enontekis in Lappmarken neben photographischen Aufnahmen direkte Vergleichungen des Spektrums der Corona mit dem Spektrum des Heliums vornehmen. In Finmarken und Lappland wird die Dauer der gänzlichen Verfinsterung 100 Sekunden nicht übersteigen, und dort werden an geeigneten Punkten englische Astronomen beobachten. Burton Brown hat vorher den Schauplatz des Vorganges bereist, um die besten Oert⸗ lichkeiten zu ermitteln. Von Bodö aus kann man nach seinen An⸗ aben mit dem Dampfschiff eine Reihe vorzüglich gelegener ztationen (Sandhorn, Arnöe, Kunnen, Bolgen, Röd Löven) er⸗ reichen, die nur den Nachtheil haben, daß die Sonne zur Zeit der gänzlichen Verfinsterung (die daselbst höchstens 75 Sekunden dauert kaum 7 bis 8 Grad über dem Horizont steht. Im Nordosten ist Vadö am Eingange zum Varanger⸗Fjord günstig gelegen, um sich von dort südwärts in die Linie der vollen Verfinsterung zu begeben. Bei Vadö liegen einige Hügel, die als Beobachtungsstation passen. Für Utsjoki im russischen Lappland dauert die gänzliche Berfiaterraig 86 Se⸗ kunden bei einer Sonnenhöhe von 130 Grad. In Deutschland wird die Sonne verfinstert aufgehen, und zwar ist die größte Phase der Ver⸗ finsterung alsdann für die südwestliche Hälfte Deutschlands bereits vorüber. Der Sonnenaufgang findet in Berlin am 9. August um 4 Uhr 41 Minuten statt, die größte Verfinsterung (0,72 des Sonnen⸗ durchmessers) findet schon 4 Uhr 38 Minuten statt, das Ende der -83. tritt um 5 Uhr 30 Minuten ein. In Köln geht die onne um 5 Uhr 12 Minuten auf, in Frankfurt a. M. um 5 Uhr 16 Minuten, in Hamburg um 4 Uhr 51 Minuten.
— Die „Geographical Society of the Pacific“ in San Fran⸗ cisco hatte eine Kommission niedergesetzt, die sic mit der Frage der Echtheit der „Jeanette:⸗Ueberbleibsel beschäftigen sollte. Den Anlaß zu dieser Maßregel gab, wie die Münch. „Allg. Ztg.“ mittheilt, die vor einiger Zeit von dem Amerikaner Dr. .H. Dall in der „Geological Survey“ in Washing⸗ ton aufgestellte Behauptung, daß die Funde, die von der verunglückten „Jeanette“ stammen sollten, von einem Scherz herrührten, den sich die Besatzung eines Schiffes in den Gewässern bei Grönland gemacht hätte. Diese Behauptung erregte um so rößeres Aufsehen, als bekanntlich Frithjof Nansen die fraglichen unde als eines der Beweismittel für die von ihm aufgestellte heorie eines über den Nordpol gehenden Stromes anführte. Die „Jeanette“ wurde 1879 von Bennett, dem Besitzer des „New YVork Herald“, ausgesandt, um Nordenskjöld zu suchen, der sich damals auf seiner Umsegelung der Nordküste Asiens befand und dessen langes Ausbleiben beunruhigte. Das Schiff gerieth beim Heraustreten aus der Beringstraße bald ins Treibeis, wurde bis in die Nähe der Neusibirischen In seln geschoben und ging dann unter. Drei Jahre später wurden bei Julianehaab an der südlichen Westküste Grönlands mit den Eisschollen eine Anzahl Gegenstände angeschwemmt, die von der Mannschaft der „Jeanette“ aufs Eis gebracht worden waren und worunter sich auch eine vom Kapitän de Long unterschriebene Proviantliste befand. Diese Gegenstände hätten also den Weg von den Neusibirischen Inseln bis Grönland gemacht, was für eine über den Nordpol gehende Strömung zu sprechen schien. Schon früher waren, u. a. in Rußland, Zweifel an der Echtheit der Funde aufgetaucht, und der Amerikaner Dall brachte sie jetzt wieder mit großer Sicherheit vor, 8 dessen angebliche Beweise für seine Behauptung auch in deutschen geographischen b Aufnahme gefunden haben. Aus dem Eingangs erwähnten Bericht der San Franciscoer Geographischen Gesellschaft, der dem „Afton⸗ blad“ zugegangen ist, geht aber hervor, daß Dr. Dall'’s Behauptungen nach den vorgenommenen Untersuchungen unbegründet n es wird vielmehr unter Berufung auf andere Fälle nachgewiesen, daß eine Strömung, wie sie Ransen vermuthet, wirklich vorhanden ist.
— Ueber einen historisch wichtigen Fund aus der letzten Arbeitszeit der französischen w ssensch tlichen Expedition in Tello wird der „Köln. Ztg.“ Folgendes berichtet. Unter den Tausenden von Thontafeln, die Herr de Sarzec im südlichen Babylonien kürzlich ausgegraben und in das Kaiserliche archäologische Museum in Konstantinopel gebracht hat, be⸗ finden sich die ersten datierten Urkunden von Sargon I., dessen gewaltiges Reich sich um 3800 vor Christus vom Persischen Meerbusen bis zum Mittelmeer erstreckte. Dadurch wird nicht nur die von Hilprecht in den letzten Jahren mit so viel Nach⸗ druck betonte Geschichtlichkeit 85 Königs Sargon glänzend bestätigt, sondern auch der Inhalt der von den meisten Ge⸗ lehrten für eine unglaubwürdige spätere Fassung erklärtenttsogenannten
Omentafel mit ihm als eine geschichtliche Thatsache erwiesen. Auch auf Wlen Tafeln erscheint Sargon stets in der vollen Shargani⸗shar⸗ali. Auf einer der kleinen gebrannten Tafeln heißt es z. B. am Schluß: im Jahre da Sargon gegen das Westland (d. i. Palästina⸗Phönizien) marschierte“. Die Angaben der Omentafel erweisen sich danach als eine chronologisch geordnete Liste von den Feldzügen und Thaten Sargon’s 1I., viel⸗ leicht im Auszug. Zwei andere Thontafeln geben die so lange ver⸗ Pehcc gesuchte Auskunft auf die Frage, wer der südbabylonische ouverneur oder patesi von Lagash gewesen sei, der zur Zeit Sargon’s lebte. Aus den auf diesen Tafeln befindlichen Siegel⸗ abdrücken erfahren wir, daß Lugal⸗ushumgal gleichzeitig mit Sargon und dessen Sohn Naraͤm⸗Sin in Tello regierte. Durch dfiese Funde ist helles Licht auf die bisher so dunkle älteste Geschichte Babylons geworfen und das vom Herausgeber des amerikanischen Expeditionswerks auf Grund einer Reihe logischer Schlußfolgerungen entworfene Bild dieses Geschichtsabschnitts in allen Hauptzügen als richtig befunden worden. Mehrere Hundert der bisher untersuchten Thontafeln Fgbnen dieser uralten Zeit an, etliche sind sogar noch älter. So ist z. B. auch endlich auf einer Tafel der Name des Königs Urukagina aus dem fünften vorchristlichen Jahrtausend als Unterschrift worden. Auf Antrag des Kurators vom Louvre in Paris at der französische Gesandte in Konstantinopel vom Sultan ein be⸗ shunbe ,8 Ee etk, wgeg andere wichtige monumentale unde de Sarzec's a eschenk dem genannten Pari
überwiesen worden sind. 3 8 I.
8 C““
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Eine internationale Geflügel⸗Ausstellung wird Geflügelzüchter⸗Verein „Cypria“ in Verbindung mit 4. ic der im Rovember d. J. in der „Neuen Welt’“ hierselbst veranstalten.
Handel und Gewerbe.
Die Publikation der vom schwedischen Reichstage be⸗ schlossenen Abänderungen des schwedischen 3hener ist nan hehr erfolgt. 3 ie am 1. Januar 1897 in Kraft tretenden Abän sind folgende: hi Pos. 97. Dextrin oder
Dextringummi „ 122. Speck geräuchert. 1..11“ 25 „ 18 andere Att. 1.1 “ Pianoforte, auch gebrauchte (Zusatz ne
235. Tafelförmige und Pianinos a6 3 2 Stück Kr. 150
dc11ee*“ kElber Kengh⸗
(früher eb 1 „Anmerk. (neu). Bei der Einfuhr hee Fe für Rechnung solcher Personen, welche vom Auslande zuziehen 8 mindeftene⸗ Fhr im “ gelebt haben, findet unter den gleichen Bedingungen wie beim „ 4 .
Feon sut 2 g Umzugsgut“ Zoll
250. Hefe aller Art 1 kg — 20 O frü
322. Pulver und andere Sprengstoffe: hs H
a. gewöhnl. Pulver, Salpeterpulver (sogen. Schwarzpulver) 11 b. Schießbaumwolle 1 „ — 30 c. Rauchschwaches Pulver 1 d., anberme “ ra. — d. früher 12 Oere. Metalle und nicht spezifizierte Arbeiten aus Metall: C. Eisen und Stahl. Pos. 376. Roh⸗ und Ballasteisen, auch Eisenabfall. (früher 80 Oere pr. 100 kg). „ 428. E. Platina, unbearbeitet oder bearbeitet, darunter auch Maschinen, Geräthe und Werkzeuge oder
1 kg — 20 Oere früher 17 Oere
kg — 12 Oere
Theile davon, welche ausschließlich aus Platina her⸗ Festa. “ E1“ I““ (Zusatz: „darunter sind“ neu 1 egen⸗ und Sonnenschirme:
Schirmtheile: Gestelle, zusammengesetzte. . . . (früher 50 Oere). Patronen: mit Pulver nnd anderen Sprengstoffen gelabeumu. crhe 12 vrn; Steine, nicht spe iert: 589. unbearbeitet c.. . 8 1 8 590. bearbeitet: 868.146*“ b. Schleif⸗ und Mühlensteine, ohne Verbindung mit arnberen GWiosstiu “ 6591 8 Arbeiten 1u“ 00 0 vF 8 frei. Büs Anmerkung (wie früher). - 589 — 591 b. (neue Redaktion). Feerner ist der erste Satz des § 5 der dem Zolltarif beigefügten Fanss aaa⸗ wie folgt, abgeändert worden: Bei eingehenden Waaren, welche nach dem Zolltarif mit gewissen esüeh⸗ des Werths zu verzollen sind, hat der Eigenthümer der aare anzugeben: den e. unter Hinzurechnung des Werths der Verpackung, der Versicherung, der Fracht und der sonstigen darauf verwandten Kosten und zwar, wenn die Waare per Schiff verfrachtet wird, bis zu dem Hafen, nach welchem sie bestimmt oder woselbst 8 zu weiterer Beförderung aus dem Schiffe gelöscht wird und, wenn sie auf andere Weise verfrachtet wird, bis zum ersten schwedischen Hafen.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Kok
an der Ruhr und in Oberschlesien. 8 An der Ruhr sind am 23. d. M. gestellt 12 361, nicht rechtzeitig gestellt keine Waßen. In Oberschlesien sind am 22. d. M. gestellt 4495, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.
1 kg — 80 Oere
1 kg — 35 Oere
frei.
frei
Ausweis über den Verkehr auf dem Berliner Schlachtviehmarkt vom 22. Juli 1896. Auftrieb und Markt⸗ preise nach Schlachtgewicht mit Ausnahme der Schweine, welche nach Lebendgewicht gehandelt werden. Rinder. Auftrieb 489 Stück. (Durchschnittspreis für 100 kg.) I. Qualität —,— ℳ, II. Qualität —,— ℳ, III. Qualität 86 — 92 ℳ, IV. Qualität 74 — 82 ℳ — Schweine. Auftrieb 8458 Stück. (Durchschnittspreis für 100 kg.) Mecklenburger 82 — 84 ℳ, Landschweine: a. gute 78 — 80 ℳ, b. geringere 74 — 76 ℳ, Galizier —,— ℳ, leichte Ungarn —,— ℳ bei 20 % Tara, Bakonyer — ℳ bei — kg Tara pro Stück. — Kälber. Auftrieb 2259 Stück. (Peeee. für 1 kg.) I. Qualität 1,04 — 1,14 ℳ, II. Qualität 0,90 — 1,00 ℳ, III. Qualität 0,76 — 0,86 ℳ — Schafe. Auftrieb 1134 Stück. (Durchschnittspreis für 1 .) I. Qualität —,— ℳ, II. Qualität —,— ℳ, III. Qualität —,— ℳ
— Aus dem Regierungsbezirk Erfurt wird uns berichtet: Die Entwickelung von Handel und Industrie ist in Secht;, ie April bis Juni erfreulicherweise, mit geringen Ausnahmen, ebenso Fünftig geblieben wie im Vorvierteljahre. Insbesondere die Textil⸗ ndustrie sowohl in wollenen als halbwollenen Waaren hat schon seit längerer Zeit einen ünstigen Aufschwung genommen, der den Webern des Bezirks volle Beschäftigung und damit ein zu⸗
friedenstellendes Auskommen bei wirthschaftlicher Haushaltung
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