1896 / 274 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 17 Nov 1896 18:00:01 GMT) scan diff

die beiden nächstfolgenden Nummern des Progrentne welche hier bisher unbekannte Kompositionen versprachen. Als erste von diesen folgfe zunächst „Jephta“, ein Oratorium für Soli, Chor und Orgel von em 1674 in Rom verstorbenen italienischen Meister Giacomo Carissimi, der Is der eigentliche Schöpfer dieser Kunstgattung bezeichnet werden kann. Die angewandten Mittel sind freilich noch primitiv, aber gerade durch ihre schlichte Schönheit häufig recht wirksam. Die Ausführung durch Frau erzog, die Herren Dierich und Sistermans, den Chor und errn Dr. H. Reimann (Orgel) war einwandfrei. Mehr als ein istorisches Interesse vermochte das Werk indessen nicht zu erwecken. m meisten Anklang fanden vier ernste Lieder mit Klavier⸗ egleitung von Brahms, welche Herr Sistermans mit seiner chönen volltönenden Baßstimme und meisterhaftem Vortrag zu Gehör rachte. Die den Liedern zu Grunde liegenden Texte waren sämmtlich er Bibel entnommen; das dritte derselben (nach Jesus Sirach, Kap. 41) ußte auf Wunsch wiederholt werden. Merkwürdigerweise aber ist em Komponisten die Charakterisierung des schönsten Textes („Wenn ich mit Menschen⸗ und mit Engelszungen redete“) am wenigsten gelungen; der Kulminationspunkt müßte in den Worten liegen: ‚Aber die Liebe ist die größeste unter ihnen“, statt dessen fließt die Musik in unruhigem Zeitmaß dahin, ohne die erhabene, zuversichtliche Ruhe zu erreichen, welche ie Worte des Apostels doch in sich bergen. Die Klavierbegleitung zu iesen Gesängen führte 8 Wilhelm Berger perständnißvoll us. Den Schluß des Konzerts bildete das zum 8e des ngst verstorbenen Komponisten aufgeführte „Tedeum“ von Anton Bruckner, welches gelegentlich der im Jahre 1891 in Berlin abgehaltenen Tonkünstler Versammlung in Anwesenheit seines Schöpfers zum ersten Mal hier zu Gehör kam. Außer den bereits genannten Solisten wirkte darin noch die Altistin Fräulein Lula Gmeiner mit. Ebenfalls estern ließ sich im Saal Bechstein die junge begabte Konzert⸗ e Elise Rohde zum ersten Mal hier bibft hören. Mit klang⸗ voller und umfangreicher Mezzosopranstimme begabt, hat sie zugleich eine sorgfältige Ausbildung genossen, die sie der Frau Joachim zu verdanken hat. Mit tadelloser Reinheit der Intonation und Deutlichkeit der Aussprache verband sie zugleich einen warm empfundenen Vortrag, der in „Ganymed“ von Schubert sowie mehreren Gesängen von Schumann, Brahms, Franz und Anderen trefflich zur Geltung kam, sodaß anhaltender Beifall folgte. An Zugaben und Wiederholungen ließ es die unermüdliche Künstlerin nicht fehlen. Unterstützt wurde das Konzert durch den Violinvirtuosen Professor Walde mar Meyer, der durch seinen zarten Ton und unfehlbare 5 Sicherheit manchen der in letzter Zeit hier gehörten Geiger übertrifft. Die Gesangsscene von Spohr ist selten in solcher Vollendung gehört worden. Auch ihm wurde reicher und wohlverdienter Beifall zu theil. An dem⸗ selben Abend gab noch der Kotzolt’sche Gesangverein (a cappella) im Saal der Sing. ademie seinen ersten Lieder⸗ abend unter Leitung des öniglichen Musikdirektors Leo Zellner. Aeltere und neuere Chorwerke wechselten mit Solovorträgen ab. Zwei Madrigale machten wie immer den Anfang, und zwar ein vierstimmiges Madrigal von Palestrina (1526) und ein solches von Michael Praetorius . In der Ausführung beser Gesänge, wie in den folgenden Nummern von P. Kuczynski, dessen „Todtenklage“ mit der Begleitung zweier Klarinetten, Fagotte, örner, Tuben und Pauken wenig ansprach, in dem sechs⸗ timmigen schönen Chorlied von Martin Grabert, „An den rühling“, welches auf Wunsch wiederholt wurde, und in horliedern von Julius Maier, C. Löwe, Mendelssohn, Vierling und Schumann war die an diesem Verein stets gerühmte Schönheit des Stimmenklangs, die Präzision in der Zusammenwirkung, wie in dem feinen Einsatz am Anfang jedes Chorliedes auch an diesem Abend wieder von herrlicher Wirkung. Außerdem trugen die gelungenen Solo⸗ vorträge der Frau Clara Schulz⸗Lilie (Mezzosopran) und des Königlichen Kammermusikers Hugo Dechert (Violoncell) sehr wesentlich zum Gelingen des Ganzen bei. Die energische und um⸗ sichtige Leitung des Herrn Leo Zellner ist noch ganz besonders lobend hervorzuheben.

Im Königlichen Opernhause findet morgen das Konzert des Köni e- Opernchors mit dem schon mitgetheilten Programm satt. Am Donnerstag gehen Mascagni's „Cavalleria rusticana“ und Lortzing's „Waffenschmied“ in Scene.

Im Königlichen Schauspielbause wird am Donnerstag Shakespeare's „Wintermärchen“ gegeben.

Ernst. von Wildenbruch hat mit dem Berliner Theater die Vereinbarung getroffen, daß „Kaiser Heinrich“ zum ersten Mal am 1. Dezember zur Aufführung gelangt. Bis zu diesem Zeitpunkt wird, mit Ausnahme dreier Tage, ausschließlich „Renaissance“ den Spielplan beherrschen. Am Sonnabend und Sonntag wird „König J gegeben. Am nächsten Donnerstag gastiert Ludwig Barnay als König Lear zum Besten der „Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger“.

„Doktor Schmidt“, ein in Stuttgart mit gutem Erfolg auf⸗

eführtes Lustspiel von Dr. Karl Weitbrecht, in welchem Schiller unter em Namen Schmidt in heiterer Beleuchtung vorgeführt wird, ist von dem Schiller⸗Theater zur Aufführung erworben worden. Das Lustspiel ist für die auf die erste Hälfte des Januar angesetzte Mittagsvorstellung zur Feier des Jubiläums der „Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger“ in Aussicht genommen. In der Serie der vom Söiller Theater im Bürgersaale des Rathhauses veranstalteten „Dichter⸗ und Tondichter⸗Abende“ werden für die nächsten Sonntage ein „Lenau⸗Abend“ und ein „Heine⸗ Abend“ vorbereitet. Von modernen Dichtern soll demnächst auch Gottfried Keller, Felix Dahn und Detlev von Liliencron ein Abend gewidmet werden. Am Sonntag, den 29. November, findet zur Feier des hundertsten Geburtstags des Komponisten ein „Karl Löwe⸗Abend“ statt; später soll der „Beethoven⸗Abend“ mit gänzlich neuem Programm wiederholt und ein „Wagner⸗Abend“ veranstaltet werden. Das Theater Unter den Linden bleibt morgen des Bußtags wegen geschlossen. Am Donnerstag geht die Ballet⸗Phantasie „Unter den Linden“ zum 5. Mal in Scene, und zwar zusammen mit Jacques Offenbach's einaktiger Operette „Der Ehemann vor der Thür“.

Da im Thalia⸗Theater (vormals Adolf Ernst⸗Theater) die für heute angesetzt gewesene Première des musikalischen Genrebildes „Das Wetterhäuschen“ und des Bouͤcheron'schen Schwanks „Zwei Schwiegersöhne“ eines plötzlich U. aegesrnh⸗ Krankheitsfalles wegen stattfinden konnte, geht dieselbe nunmehr am Donnerstag in

cene.

In dem e Kirchenkonzert in der Kaiser Wilhelm⸗ Gedächtnißkirche am (Donnerstag, Abends von 6 bis 7 Uhr) werden Fräulein Clara von Senfft und Herr Albert Seidelmann mit⸗ wirken. Die Orgel spielt Herr Dr. H. Reimann. Auf dem Programm stehen: (Gesang) Arie aus dem „Actus tragicus“ von Seb. Bach; „Litaney“ von Schubert und Arie aus dem „Elias“ von Mendelssohn; (Orgel): „Medita vita“ von S. Lohet; „Angelus“ von Liszt ꝛc. Karten zu 50 sind bei Bote u. Bock und Abends am Haupt⸗ eingang der Kirche zu haben.

Am morgigen Bußtage findet in der Marienkirche kein Orgel⸗ vortrag statt. Bei dem Vortrage am Mittwoch, den 25. November, Mittags 12 Uhr, werden Fräulein Helene Linsener, Fräulein Emilie Jeschke und Herr Organist Finke aus Spandau mitwirken.

Mannigfaltiges.

In der am 4. d. M. unter dem Vorsitz des Kammerherrn B. von dem Knesebeck abgehaltenen Sitzung des Zentralcomités der deutschen Vereine vom Rothen Kreuz fand nach Er⸗ ledigung geschäftlicher Mittheilung eine vorläufige Besprechung. der Gegenstände statt, welche auf die Tagesordnung der für den Sep⸗ tember k. J. in Aussicht genommenen internationaten Konferenz der Gesellschaften vom Rothen Kreuz gesetzt werden sollen. Die weiteren Verhandlungen wurden einer zu diesem Zweck gewählten Kommission überwiesen. Dem Hilfsverein im S Hessen wurde für den Alice⸗Frauenverein zu Darmstadt eine Beihilfe von 500 bewilligt. Vize⸗Admiral Freiherr von Reibnitz berichtete über den Erfolg der Sammlungen für die Hinterbliebenen der mit dem Kanonenboot „Iltis“ Verunglückten. Der Erfolg der

Sammlungen ist danach ein überaus günstiger. Der Gesammterlös beziffert sich auf ca. 60 500 Banquier Fritz Behrens eee als Delegirter des Zentralcomités Bericht über den in Berlin vom 18. bis 20. September d. J. abgehaltenen „Samarstertag“

Die Ergebnisse der Berathungen werden voraussichtlich zu Verhand

lungen des Samariterbundes mit den Landesvereinen vom Rothen Kreuz führen, da eine organische Annäherung in Erwägung gezoge

werden soll. Stabsarzt Dr. Pannwitz machte Mittheilun e.

Ergebniß der am 24. und 25. Oktober d. J. stattgehabten

kunft der Führer und Aerzte freiwilliger Sanitätskolonnen in Ho

Die Wirksamkeit derselben wurde als eine ersprießliche bezeichnet,

Wegen der Bekleidung und Ausrüstung der Sanitätskolonnen sin

Verhandlungen mit dem Kriegs⸗Ministerium im Gange, deren weitere Entwickelung abzuwarten sein wird. Dem Landesverein Elsaß⸗Loth⸗ ringen wurde als Beihilfe zu den Kosten, welche die Betheiligun

veieee Sanitätskolonnen bei dem letzten Manöver verursacht hat, der Betrag von 500 bewilligt.

In der demnächst abgehaltenen Sitzung des Preußischen Zentralcomités wurden folgende Beihilfen beschlossen: a. für den Zweigverein des Provinzialvereins zu ee- in Höchst ein Bei⸗ trag zur Beschaffung einer fahrbaren Tragbahre; b. für das Oberlin⸗ Haus zu Nowawes ein Zuschuß von 10 000 zum Bau einer massiven Krankenbaracke, c. für den Vaterländischen Frauenverein zu Breslau der Betrag von 3000 zur inneren Ausstattung einer Baracke; d. für den Provinzialverein zu Schleswig eine Beihilfe von 200 zu den Kosten der ersten Ausrüstung der Sanitätskolonne Lägerdorf; e. für den Provinzialverein zu Königsberg i. Pr. ein Beitrag von 1000 zur Ausstattung eines von dem Vaterländischen Frauenverein des Landkreises Königsberg errichteten Krankenhauses: f. für den Provinzialverein zu Münster 225 als Beihilfe zur An⸗ schaffung von Tragbahren für die von dem Vaterländischen Frauen⸗ verein des Kreises Siegen eingerichteten Hilfsstationen.

Die „Deutsche Luther⸗Stiftung“ hält am Donnerstag, Abends 7 Uhr, in der Dreifaltigkeitskirche eine Zusammen⸗ kunft ab. Superintendent Merensky wird an Stelle des Superinten⸗ denten Vorberg über „Leiden und Siege der Chriften auf Madagaskar“ sprechen. Die Gesänge werden von dem Schöneberger Kirchenchor ausgeführt.

Für das Beresina⸗Panorama wird vom morgigen Bußtag ab der Eintrittspreis an Sonn⸗ und Feiertagen auf 50 ermäßigt.

Memel, 17. November. In der vorigen Woche ging im Kurischen Haff ein Tilsiter Reisekahn unter. Wie jetzt feft⸗ gestellt ist, sind dabei, dem „W. T. B.“ zufolge, 7 Personen, der Schiffer, seine Frau und 5 Kinder im Alter von 17 Jahren bis 9 Monaten, ertrunken. Schiff und Ladung sind verloren.

Thorn, 16. November. Auf der Weichsel ist starker Eis⸗ gang eingetreten; der Wasserstand beträgt 0,15 m. Die Schiffahrt ist beendet. v1“

Görlitz, 16. November. Wie der „Neue Görlitzer Anzeiger“ berichtet, verschüttete auf dem Marmorkalkwerk von Promnitz u. Siegert in Ober⸗Kauffung eine einstürzende, etwa 10 m hohe Erdwand 4 Arbeiter. Ein Maurer und ein Schachtmeister sind todt, zwei Arbeiter leicht verletzt.

Köln, 17. November. Wie die „Kölnische Zeitung“ aus Bonn meldet, kam es dort gestern Abend zwischen drei Mitgliedern der Burschenschaft „Alemannia“ und einigen 20 Mitgliedern der katholischen Studentenverbindung „Alsatia“ zu Thätlich⸗ keiten, bei welchen ein Mitglied der „Alemannia“ lebensgefährlich verletzt wurde. Auf Grund einer Disziplinaruntersuchung ist die „Alsatia“ durch die akademische Disziplinarbehörde suspendiert worden.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

1““ 1“

vom 17. November, Morgens.

EEIöA“

82

Stationen.

V V W

Temperatur in ° Celsius 5 °C. = 4 °R

Bar. auf 0Gr.

g. d. Meeressp red. in Millim

Belmullet .. NNW 3 bedeckt Aberdeen. 764 SSO 2 heiter Christiansund WSW 5 wolkig Kopenhagen. 766 OSO 3 wolkenlos Stockholm 769 SW L2 halb bed. aranda . 759 still bedeckt t. Petersbg. 768 W 2 bedeckt Moskau 770 2 bedeckt Cork, Queens⸗ town 766 1 heiter LE192 5 heiter 1665 1 wolkenlos mburg. 764 3 wolkenlos winemünde 766 2 wolkenlos Neufahrwasser 769 1 wolkenlos Memel 771 3 wolkenlos

Sn 161668 ünster 759 2 wolkenlos Karlsruhe. 756 NO A bedeckt Wiesbaden . 758 Ul wolkenlos München 755 O A bedeckt Chemnitz . 761 -9 3 heiter Berlin 764 wolkenlos Wien 760 Regen Breslau 764 2 Punst le d'Aix . 760 NNO 4 bedeckt üsen .6 4 bedeckt Triest 750 ONO Sbedeckt

Uebersicht der Witterung.

Eine breite Zone hohen Luftdruckes erstreckt sich von Irland ostwärts über das Nord⸗ und Ostsee⸗ gebiet hinaus nach dem Innern Rußlands, wobei der Luftdruck über Westrußland am höchsten ist. Ein tiefes Minimum liegt über Italien. Dem⸗ entsprechend dauert über Zentral⸗Europa die östliche Luftströmung fort, unter deren Einfluß die Tempe⸗ ratur fast überall noch weiter herabgegangen ist. In Deutschland ist das Wetter kalt, heiter und trocken. Ganz Norddeutschland, das Nordseegebiet ausgenommen, hat am Morgen Frostwetter, im 5* herrscht strenge Kälte, Königsberg minus

Grad. Deutsche Seewarte.

222 SSS 8⸗

Snbe

I 00 G dO

1— w“

—]

Theater.

Königliche Schauspiele. Mittwoch: Opern⸗ haus. Konzert des Königlichen Opernchors. Eefrgem.: 1) Parsifal, Vorspiel mit angefügtem

luß des 3. Aktes, von Richard Wagner. 2) Klavier⸗Konzert A-moll von Robert Schumann. (Herr Professor Heinrich Barth.) 3) Ein deutsches

Requiem für Soli, Chor und Orchester von Johannes Brahms. (Frau Gradl, Herr Betz.) Anfang 7 ½ Uhr. Mittags 12 Uhr: Oeffentliche Hauptprobe.

Schauspielhaus: Geschlossen.

Donnerstag: Opernhaus. 229. Vorstellung. Ca⸗ valleria rusticana. (Bauern⸗Ehre.) Oper in 1 Aufzug von Pietro Mascagni. Text nach dem gleichnamigen Volksstück von G. Verga. Der Waffenschmied. Anfang 7 ½ Uhr.

Schauspielhaus. 258. Vorstellung. Das Winter⸗ märchen. Schauspiel in 5 Aufzügen von William Shakespeare, nach der Uebersetzung von Franz von Dingelstedt und Schlegel⸗Tieck. Musik von Friedrich von Flotow. Tanz von Emil Graeb. Anfang

Deutsches Theater. Mittwoch: Geschlossen.

Donnerstag: Morituri. (Teja. Fritzchen. Das Ewig⸗Männliche.)

Freitag: Freiwild. Anfang 7 ½ Uhr.

Berliner Theuter. Mittwoch: Geschlossen.

Donnerstag: Renaissance. Anfang 7 ½ Uhr. Freitag (11. Abonnem.⸗Vorstellung): Renaissance.

Lessing⸗Theater. Mittwoch: Geschlossen. Donnerstag: Die goldne Eva. (Georg Engels als Gast.) Anfang 7 ½ Uhr. Freitag: Madame Sans⸗Gene. (Jenny Groß.) Sonnabend: Zum ersten Male: Der Abend. Schauspiel in 4 Akten von Paul Lindau.

Residenz⸗Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗

bucg. Mittwoch: Geschlossen. onnerstag: Ehefesseln. (Les tenailles.)

Schauspiel in 3 Akten von Paul Hervieu. Für die deutsche Bühne bearbeitet von Dora Laud6. Vorher: Ein delikater Auftrag. Lustspiel in 1 Akt, nach dem Französischen von A. Ascher. Anfang 7 ½ Uhr.

Freitag: Ehefesseln. Vorher: Ein delikater Auftrag. 1“

Neues Theater. Schiffbauerdamm 4a./5. Direktion: Sigmund Lautenburg. Mittwoch: Ge⸗ schlossen.

Donnerstag: Bocksprünge. Schwank in 3 Akten von Paul Hirschberger und C. Kraatz. Vorher: Die sittliche Forderung. Komödie in 1 Akt von Otto Erich Hartleben. Anfang 7 ½ Uhr.

Freitag: Bocksprünge. Vorher: Die sitt⸗ liche Forderung.

Sonnabend: Bocksprünge. Vorher: Die sitttliche Forderung.

Schiller⸗Theater. Mittwoch: Geschlossen.

Donnerstag: Zum ersten Male: Der Pfarrer von Kirchfeld. 8

Freitag: Der Pfarrer von Kirchfeld.

Theater des Westens. Kantstraße 12. (Bahn⸗ hof Zoologischer Garten.) Mittwoch: Keine Vor⸗ stellung.

Donnerstag: Der dritte Mann. Hierauf: Ein blauer Teufel. Anfang 7 ½ Uhr.

Freitag: Der dritte Mann. Hierauf: Ein blauer Teufel.

Sonnabend: Zum ersten Male: Schiedemann Henee. Volksstück mit Gesang in 4 Akten von

ulius Keller und Louis Herrmann. Musik von Gustav Steffens.

Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57. Direktion: Julius Fritzsche. Mittwoch: Geschlossen.

Donnerstag: Der Ehemann vor der Thür. Operette in 1 Akt. Musik von Jacques Offenbach. Dirigent: Herr Kapellmeister Korolanyi. Hierauf: Mit neuer Ausstattung an Kostümen, Dekorationen und Requisiten: Unter den Linden. Balletphantasie in 3 Akten von Benno Jacobson. Musik von Paul Linke. Dirigent: Herr Kapellmeister Dahms. Der choreographische Theil arrangiert und einstudiert vom Balletmeister Greco Poggiolesi. Fn Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Anfang 7 ½ Ühr.

Freitag: Der Ehemann vor der Thür. Hierauf: Unter den Linden.

Thalia-Theater (vorm. Adolph Ernst⸗Theater). Dresdenerstraße 72/73. Direktion: W. Hasemann. Mittwoch: Geschlossen.

Donnerstag: Zum ersten Male: Das Wetter⸗ häuschen. (Whether or no.) Mustkalisches Genrebild von Adrian Roß. Deutsch von Hermann Ferscher Musik von Bertram Luard Selby.

arauf: Zum ersten Male: Zwei Schwieger⸗ söhne! (Surnuméraire.) Schwank in 4 Akten von M. Boucheron. Deutsch von Max Schoenau. 7 ½ 8 EMse.s 2;

reitag: as Wetterhäuschen. Zwei Schwiegersöhne!

Bentral⸗Theater. Alte Jakobstraße 30. Direktion: Richard Schultz. Mittwoch: Geschlossen.

Donnerstag: Emil Thomas a. G. Eine wilde Sache. Große Ausstattungsposse mit Gesang und Tanz in 6 Bildern von W. Mannstädt und Julius Freund. Musik von Julius Einödsbofer. Anfang 7 ½ Uhr.

Konzerte.

Sing-⸗Akademie. Donnerstag, Anfang 8 Uhr: Konzert der Pianistin Augusta Cottlow mit dem Philharmonischen Orchester.

Konzerthaus. Karl Meyder⸗Konzert.

Mittwoch, den 18. November, Abends 7 ½ Uhr: Geistliches Konzert, unter freundlicher Mitwirkung der Konzertsängerinnen Fräulein Fridrichowiez,

Fräulein Kühlich und Fräulein Mayer. Billets

à 2 ℳ, 1,50 und 1 im Bureau des Hauses.

Kere. hnani den 19. November: Gesellschafts⸗ end.

Sual Bechstein. Mittwoch (Bußtag), Anfang 7 Uhr: Geistliches Konzert von Welda Mun⸗ scheid (Ges.), unter gütiger Mitwirkung der Herren Paul Ertel (Harmon.) und F. Gutdeutsch.

Donnerstag, Ansang 7 ½ Uhr: Konzert mit Merlschem Programm von César Thomson

iol.).

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Margarethe Gräfin von Keyserling zu Rautenburg mit Hrn. Grafen Alexander von Keyserling a. d. Hause Ponewesch i. Rußland (Rautenburg, Ostpr.) Frl. Helene Braun mit Hrn. Ingenieur Reinhold Neumann (Nicolai).

Verehelicht: Hr. Prem.⸗Lieut. Max von Hülles⸗ heim mit Frl. Anna⸗Lina Waldau (Berlin). Hr. Sec.⸗Lieut. Gustav von Suchten mit Frl. Martha Fleischhammer (Berlin). Hr. Lieut. Willy Knudson mit Frl. Anna Oberhoffer (Berlin). Hr. Oberlehrer Dr. Oscar Reich mit Frl. Lina Malotki von Trzebiatowski (Görlitz).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. E Rath Friedberg (Berlin). Hrn. Regierungs⸗ Baumeister Illner (Kattowitz). Hrn. ll⸗ Revisions⸗Inspektor und Hauptmann a. D. Lade (Görlitz). Eine Tochter: Hnn. Landrath Joachim von Lattorff (Bergen a. R.). Hrn. Friedrich Carl von Zitzewitz (Muttrin i. Pomm.).

Gestorben: Fr. Margarethe von Zitzewitz⸗Puestow geb. von Krause (Berlin). Hr. Dr. Ern von Schack (Basthorst). Fr. Legations⸗Rath a. d. Guido Frhr. von Grabow (Berlin). Hr. Haus⸗Inspektor Richard von Büttner (Haupt⸗ Kadetten⸗Anstalt Groß⸗Lichterfelde)h. Majorats⸗ herr und Rittmeister a. d. Richard von Schöning (Succow). Hr. Rittergutsbesitzer Carl von Berg (San Remo). Hr. Amtsrichter a. D. Otto Luswig von Haugt (Dresden). Fr. Bürger⸗ meister Ida Kremser, geb. Schumann (Kosel).

Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin.

Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗

Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage), sowie die Inhaltsangabe zu Nr. 6 des öffent⸗ lichen Anzeigers (Kommanditgesellschaften auf

Aktien und Aktiengesellschaften) für die Woche vom 9. bis 14. November 1896.

2302.

Liste der Auszeichnungen,

welche von dem Preisgericht der Deutschen Fischerei⸗ Ausstellung (Binnenfischerei) deemnhcc der Föcerei⸗ Gewerbe⸗Ausstellung 1896 verliehen wurden

1) Kaiser⸗Preis. 3199. Bayerischer Landes⸗Fischerei⸗Verein, München.

2) Silberne Staatsmedaille für Fischerei

3198. C. Arens, Cleysingen bei Ellrich a. H

3250. A. Micha, Berlin O0., Mühlenstraße 72.

3205. G. von dem Borne, Berneuchen.

3207. W. von Derschau, Fischgut Seewiese bei Gmünden

3230. A. Hübner, Thalmühle bei Frankfurt a. O.

3245. E. Mahnkopf, Großfischermeister, Spandau.

3219. Rittergutsbesitzer Gropius, Janikow bei Dramburg.

3246. Paul Matte, Lankwitz bei Berlin. 66

3288. O. Ziegenspeck, Berlin 8., Kommandantenstraße 5.

3222. & Pippow, Wilmersdorf bei Berlin, Pfalzburger⸗ raße 84.

„Kaiserliche Fischzuchtanstalt, Hüningen i. Elsaß.

(Von den Preisrichtern wurde der Auestellung ein erster Preis zuerkannt; doch konnte die silberne Staatsmedaille für Fischerei nicht verliehen werden, weil die Verleihung an Staatsasstalten bestimmungs⸗ gemäß unzulässig ist.)

3) Bronzene Staatsmedaille für Fischerei.

3225. Graf von Haugwitz⸗Hardenberg⸗Reventlow'sche Forellenzucht, Rogau 16 O.⸗S J. 8*b 8

3242. Rudolf Linke, Tharandt.

3256. Fischzuchtanstalt Oesede.

3252. Bill Müller, Erfurt.

3203. Fisch uchtanstalt Bienenbüttel, Königliche Landwirthschafts⸗ gesellschaft, Hannover.

3278. von Stieglitz'sche Forellenzucht, Langburkersdorf b. Neustadt i. Sachsen.

3236. W. Kraatz, Paarsteinwerder bei Chorin.

3241. C Lindenberg, Hoflieferant, Berlin W., Mohrenstraße.

3211a. Gräflich Frankenberg'sche Theresienhütte zu Tillowitz.

3275. Fischzuchtanstalt Selzenhof bei Freiburg in Baden.

4) Silberne Verdienstmünze des Deutschen Fischerei⸗Vereins.

3258. von Ollech, Wiesenthal bei Tzschecheln. 8 8

3214. Professor Dr. Anton Fritsch, Prag.

3229. Dr. B. Hofer, München.

3283. Dr. E. Walter, Trachenberg in Schlesien.

3282. Geheimer Medizinal⸗Rath, Professor Dr. Freiherr von la Valette⸗St. George, Bonn.

3267. Sächsischer Fischerei⸗Verein, Dresden.

3200. E. Beeh, Bern.

3269. Regierungs⸗ und Baurath Schmidt, Cassel.

3217. Ad. Glauß, Königsberg i. Pr.

(Die Vorstehenden erhielten auch das Ehrenzeugniß der Berliner Gewerbe⸗Ausstellung.)

Besondere Verdienste haben sich einzelne Herren um das Zustande⸗ kommen der ihrer Sorge anvertrauten Ausstellungen erworben, wes⸗ halb es angezeigt erschien, ihnen eine Auszeichnung als Mitarbeiter zu verleihen, und zwar neben dem Ehrenzeugniß der Berliner Gewerbe⸗

8 Ausstellung die

5) Silberne Verdienstmünze des Deutsch Vereins (als Mitarbeiter).

Geheimer FEsteeara eat⸗ E. Friedel, Berlin. Konservator E. Krause, Berlin. 8 Professor Dr. Nitsche, Tharandt.

Dr. von Brunn, Hamburg. b

A. Schillinger, München.

S. Jaffé, Sandfort.

F. Kretschmer, Berlin.

6) Bronzene Verdienstmünze des Deutschen Fischerei⸗ 8 Vereins (als Mitarbeiter).

Kustos am Märkischen Museum Buchholz, Berlin.

Direktor Dr. Heck, Berlin. E

Schloßhauptmann von Lengerke, Detmold.

Fischermeister B. Rauch in Bernried am Starnberger See.

Fräulein Helene Hofer, Nordhausen.

(Die Namen der mit dem Ehrenzeugniß der Berliner Gewerbe⸗ Ausstellung ausgezeichneten Aussteller wurden bereits in Nr. 249 d. Bl., Erste Beilage, veröffentlicht.)

7) Bronzene Verdienstmünze des Deutschen Fischerei⸗Vereins nebst der Ehrenurkunde desselben.

3249a. Professor Dr. Metzger, Münden.

3233. Wilhelm Kegel, Fischermeister, Kalbe a. S. 3202. O. Bieler, Büssow bei Friedeberg in der Neumark. 3215. A. Gasch, Großkaniéw bei Dzieditz.

3221. J. Hadenfeldt, Beringstedt (Holstein).

3259. Ostpreußischer Fischerei⸗Verein, Königsberg i. Pr. 3281. Baurath Treplin, Trier.

3254a. Karl Niethe, Lunow bei Angermünde.

3210. Meiber von und zu Eagloffstein, Weimar.

3235. Samuel Koenigsfeld, Kobier in Schlesien.

3228. J. Höpfner, Fischermeister, Stettin.

3223. Hamburger Polizeibehörde, Hamburg.

3276. Spratt's Patent, Rummelsburg bei Berlin. 3234. J. Klix, Charlottenburg.

8) Ehren Urkunde des Deutschen Fischerei⸗Vereins.

3232. Casseler Fischerei⸗Verein. 3209. W. Drowin, Lunow bei Angermünde. 3240. Karl Lerm & Gebr. Ludewig, Berlin NO., Elisabethstraße 61. 3272. E. Schuster, Chemnitz in Sachsen. Julius Koch, Eisenach. 98 3266. J. Rosenberger, Plomnitz 3290. Fischer⸗Innung, Berlin. 3291. Havelberg⸗Köperberger Fischer⸗Gilde. 3292. Fischer⸗Innung in Frankfurt a. O. 3293. Fischer⸗Gemeinde zu Schwedt a. 3294. Fischer Innung zu Plaue a. Havel. 3295. Fischer⸗Innung zu Stettin. 3296. Fischer⸗Innung zu Alt⸗Damm 3297. Fischer⸗Innung zu Anklam. 3298. Fischer⸗Innung zu Greifenhagen. 3299. H. Schaak, Fischermeister, Prenzlau

3300. Münder Fischerzunft in Kolberg.

ischermittel zu Neisse. räulein Emma Schwéers, Trachenberg Die Preisrichter:

Prinz Heinrich Schönaich⸗Carolath, Obmann; Fürst Hatzfeldt⸗Trachenberg; E. Uhles.

3301. Füe atha zu Gartz a. O. 5

125. Sitzung vom 16. November 1896, 1⁄1Uhr.

Auf der 4“ steht die gestern bereits mit⸗ söchenlh Interpellation des Abg. Grrhen von Hompesch entr.).

Nach der ebenfalls im Anfangsbericht schon enthaltenen Begründung seitens des Interpellanten beantwortete der Reichs⸗ kanzler Fürst zu Hohenlohe die Interpellation mit folg Erklärung: 8

Ich habe auf die Interpellation Folgendes zu erklärer:

Ueber die Verhandlungen, die vom Jahre 1887 bis zum Jahre 1890 zwischen Rußland und dem Deutschen Reiche stattgefunden haben, ist seiner Zeit unbedingte Geheimhaltung verabredet worden. Der Zeitpunkt, von welchem an diese Verpflichtung aufhört, kann hiernach von uns nicht einseitig bestimmt werden. Ich bin daher zur Zeit nicht in der Lage, über das Ergebniß dieser Verhandlungen amtliche Auskunft zu ertheilen.

Was sodann die Haltung der deutschen Politik gegenüber Ruß⸗ land seit dem Frühjahr 1890 betrifft, so ist auch hier meinerseits eine erschöpfende Antwort nicht möglich, so lange jene Verpflichtung fort⸗ besteht. Was in dieser Beziehung gesagt werden kann, überlasse ich dem Herrn Staatssekretär des Auswärtigen Amts darzulegen, der da⸗ mals an den Berathungen theilgenommen hat.

Nach sorgfältigster Prüfung des vorhandenen Materials kann ich nicht umhin, die Gründe, welche damals die deutsche Politik leiteten, als vollwichtig anzuerkennen. Dabei kann ich der Ueber⸗ zeugung Ausdruck geben, daß eine ungünstige Veränderung in unseren Beziehungen zu Rußland als Folge jener Politik sich nicht fühl⸗ bar gemacht hat. Die Behauptung, daß damals oder jetzt englische oder überhaupt auswärtige Einflüsse mitgewirkt hätten, muß ich als jeder Begründung entbehrend zurückweisen. (Hört! hört! und Bravo!) Was die Wirkung betrifft, welche die jüngsten Veröffentlichungen auf die Stellung Deutschlands im Dreibunde und sein Verhältniß zu den übrigen europäischen Mächten gehabt haben, so freue ich mich, erklären zu können, daß die Wolke des Mißtrauens, welche sich im ersten Augenblick in einzelnen Schichten der Bevpölkerung jener Länder gezeigt hat (hört, hört!), wieder verschwunden ist, und daß unser Ver⸗ hältniß zu unseren Verbündeten nach wie vor getragen ist von un⸗ bedingtem gegenseitigen Vertrauen! (Bravo!)

Desgleichen haben unsere Beziehungen zu Rußland keinen Augen⸗ blick aufgehört, gute und freundschaftliche zu sein. (Lebhaftes Bravo.)

Hierauf nahm das Wort der Staatssekretär des Aus⸗ wärtigen Amts, Staats⸗Minister Freiherr Marschall von Bieberstein:

Meine Herren! Bei der Darlegung der Gründe, die im Jahre 1890 die deutsche Politik gegenüber von Rußland bestimmt haben, bin ich mir der großen Schwierigkeiten meiner Aufgabe wohl bewußt. (Sehr richtig! rechts.) Sie liegen in der Sache, aber nicht nur in der Sache. Ich bitte von mir keine Enthüllungen zu erwarten. Ich habe dazu keine Ermächtigung; sie würden auch voraussichtlich nur den Streit vermehren, und an Streit haben wir genug im Lande. (Sehr richtig! rechts und aus der Mitte.) Meine Aufgabe ist die Vertheidi⸗ gung, die Beleuchtung gewisser Angriffe, soweit deren sachliche Abwehr im allgemeinen Interesse nach außen und nach innen geboten ist. In dem jüngsten Streite sind zwei Anklagen hervorgetreten, die sich nach diametral entgegengesetzter Richtung bewegen: die eine, daß die deutsche Politik nach 1890 schwere Fehler begangen, eine wichtige Sicherung und Friedensgarantie preisgegeben habe, und die andere Anklage, die sich gegen die Politik vor 1890 richtet mit der Be⸗ hauptung, daß damals mit einem anderen Staat Dinge verabredet worden seien, die im Widerspruch ständen mit den bestehenden Ver⸗ trägen.

Von diesen Anklagen wiegt die letzte am schwersten; denn sie trifft uns an einer Stelle, wo wir mit einem gewissen Stolze sagen können, daß wir am empfindlichsten sind (sehr wahr! in der Mitte), und darum wende ich mich zunächst gegen diese Anklage und weise mit aller Entschiedenheit den Gedanken zurück, als ob jemals von deutscher Seite mit irgend einem Staate etwas ver⸗ abredet worden sei, was unvereinbar wäre mit be⸗ stehenden Verträgen. (Bravo! in der Mitte und rechts.) Das ist nicht geschehen, nicht dem Wortlaut, auch nicht dem Geiste nach; denn was je von uns verabredet wurde, sollte dem Frieden dienen, also demselben Zweck wie unsere Verträge. (Sehr richtig!) Wo immer dieser Vorwurf sein Haupt erhebt, möchte ich glauben, alle Deutschen sollten zusammenstehen, um ihn zurückzuweisen; denn wenn er Boden fassen könnte, er würde uns zum Schaden gereichen und nur unseren Feinden zur Freude und Genugthuung. (Sehr richtig!)

Weit schwieriger ist die Abwehr der zweiten Anklage. Das Gebiet meiner Ausführungen ist eng begrenzt. Ich kann nur im Wege einer akademischen Darstellung die Gründe andeuten, warum die deutsche Politik im Jahre 1890 die bekannten Wege gegangen ist, und ich knüpfe an die jüngsten Enthüllungen und an den Grundsatz an, der dabei aufgestellt wurde, daß in den Vertragsbeziehungen zweier Länder zu einander der Grundsatz gelte, die Rückversicherung stärke die Sicherung und vermehre die Friedensgarantie. Bei aller Bewunderung des staatsmännischen Gedankens, der diese Ziele sich steckt und der in seinen letzten Konsequenzen dahin führen könnte, durch ein ganzes Netz von Defensivverträgen den allgemeinen Weltfrieden dauernd zu sichern, so wird doch der Zweifel gestattet sein, ob mit der Mehrzahl der Bündnisse und der Verträge auch der innere Werth jedes einzelnen sich steigert (sehr gut!), ob nicht umgekehrt die Gefahr entstehen kann, daß unter den mehrfuchen Sicherungen gerade die im entscheidenden Momente versagt, auf die es ankommt. (Sehr wahr! in der Mitte.)

Die Kriege, die geständiger Weise im Angriff geführt sind, ge⸗ hören der Vergangenheit, der Geschichte an. Selbst bei den Nationen, die Grund zu haben glauben, mit ihrem Loos nicht zufrieden zu sein,

besteht heute ein so tiefgehendes Friedensbedürfniß, gesteigert durch den

9 9* 8

1896

heutigen Verkehr, durch die allgemeine Wehrpflicht, durch die Scheu vor den unbekannten Schrecken der modernen Kriege, daß jede Regie⸗ rung, die zum Kriege entschlossen ist, alles aufbieten wird, schon der eigenen Bevölkerung wegen, um von sich das Odium des Angriffs abzuwehren. (Sehr wahr!) Die Entscheidung der Frage: wer ist der angreifende, wer ist der angegriffene Theil, wird also in der Jetztzeit dem freien Ermessen einen großen Spielraum gewähren, und daraus folgt, daß ein Bündnißvertrag, der wirksam werden soll im Fall eines fremden Angriffs, doch nur dann eine zuverlässige Schutzwehr bietet, wenn bei dem Verbündeten in jedem Augenblick auf die Gesinnung gerechnet werden darf, die ihn geneigt macht, uns als die Verfechter der gerechten Sache und den Gegner als Angreifer zu betrachten. (Sehr gut!)

Diese Gesinnung kann man nicht verabreden, man kann sie nicht in Paragraphen fassen, sie muß erworben, erhalten und gepflegt werden. Sie entsteht nicht mit dem Vertrag, sie braucht auch mit dessen Ablauf nicht zu verschwinden, sie beruht im letzten Ende bei Regierenden und bei Regierten auf dem Bewußtsein, daß die Er⸗ haltung der beiderseitigen Machtstellung ein gemeinsames Interesse ist. Sie beruht nicht zum mindesten auf der gegenseitigen ver⸗ trauensvollen Ueberzeugung, daß das, was der Eine verlangt, er un⸗ weigerlich im entsprechenden Fall auch leisten werde und leisten könne. Diese Faktoren bestimmen den inneren Werth jedes Bündnisses, und es ist klar, daß diese Faktoren beeinflußt und beherrscht werden durch all die Momente, die an sich geeignet sind, auf menschliche Stimmungen und menschliche Beziehungen einzuwirken. Hier ist der Punkt, wo die Lehre versagt, daß auf politische Dinge nur politische Erwägungen einwirken, und die abstrakte Formel hält gegenüber diesen Erwägungen nicht stand, daß die Rückversicherung die Versicherung stärke. Es wird stets auf die konkreten Umstände ankommen. Die nächste Frage wird immer die sein: wie wirkt die Existenz eines zweiten Bündnisses auf das erste, und wie umgekehrt? Das Material zu dieser Betrachtung und zu einem Beispiel ent⸗ nehme ich den jüngsten Enthüllungen. Es wird behauptet, daß bis zum Jahre 1890 zwischen Rußland und Deutschland volles Einver⸗ ständniß darüber bestanden habe, daß, wenn eins von ihnen ange⸗ griffen wäre, das andere wohlwollend neutral bleiben müsse. Ob das zutrifft, kann ich nicht sagen, aber ich weiß, denn das ist publici juris, daß in § 1 unseres Vertrags mit Oesterreich⸗Ungarn vom Jahre 1879 wir Oesterreich gegenüber verpflichtet sind, wenn es von Rußland angegriffen wird, ihm mit unserer ganzen Kriegsmacht beizustehen. Diese Bestimmungen sind durchaus vereinbar. Aber wenn die Enthüllungen richtig sind, dann konnten wir in die Lage kommen, daß, wenn ein Konflikt ausbrach zwischen unseren beiden östlichen Verbündeten, in dem beide die Rolle des Angreifers sich zu⸗ schoben, wir von der einen Seite angegangen wurden um wohlwollende Neutralität, von der anderen Seite um Unterstützung mit der ganzen Kriegsmacht. (Sehr gut!) Wir mußten dann die Frage entscheiden: wer ist der Angreifer, wer ist der Angegriffene? und mußten dann für den Einen gegen den Anderen optieren. Man sagt: das ist Thevorie, so wird sich in der Praxis der Fall nie gestalten. Das gebe ich unbedingt zu. Für mich hat diese Betrachtung nur den Werth eines Beispiels, und ich sage: selbst wenn derartige Vertragsverhältnisse vollkommen klar zu Tage liegen, die bloße Möglichkeit, derartige Fälle zu konstruieren und sie wird nie auszuschließen sein bei einem mehrfachen Vertragsverhältniß kann bei aller Loyalität menschlich und politisch bei keinem der Verbündeten die Neigung stärken, wenn wir an das Bündniß appellieren, uns jederzeit die Inter⸗ pretation zu gewähren, die unserem Interesse entspricht, und ohne die der Vertrag ein werthloses Blatt Papier ist. (Sehr wahr!) Und hier zeige ich auf die schwache Stelle der Rückversicherung. Dazu kommt ein Anderes. Als im Jahre 1879 der deutsche Vertrag mit Oesterreich⸗Ungarn geschlossen wurde, war in einer besonderen Be⸗ stimmung vorgesehen, daß trotz der Geheimhaltung des Vertrages Seiner Majestät dem Kaiser von Rußland unter Um⸗ ständen vertrauliche Mittheilung davon gemacht werden solle. Die Mittheilung ist auch erfolgt. (Hört! hört!) Es genügt der Hinweis auf diesen Vorgang und dessen erkennbare Motive, um klarzustellen, daß die unbedingte Geheimhaltung von Verhandlungen doch für beide Theile die Möglichkeit von Schwierigkeiten und Mißverständnissen enthält, die Quelle werden

kann von Verwirrungen, von Unruhen, von Faktoren, die auf ganz

unberechenbaren Ereignissen beruhen, und über die kein Theil eine Kontrole auszuüben vermag. Wenn ein Staatsmann, wie Fürst Bismarck, die Zuversicht hatte, alle derartigen Schwierigkeiten zu be⸗ herrschen, so bin ich wahrlich der letzte, der eine Kritik versuchen wollte. Aber ich darf es doch freimüthig aussprechen, daß die Staatskunst des Fürsten Bismarck so fest steht in der Anerkennung der ganzen ge⸗ bildeten Welt, daß sie keiner Bestätigung durch die Glorifizierung einer einzelnen Handlung bedarf (sehr wahr!) und daß der Dank, den jeder Deutsche dem Fürsten Bismarck für das schuldet, was er Deutsch⸗ land geleistet, wahrlich nicht der Folie bedarf von schweren Angriffen auf seinen Nachfolger. (Sehr wahr! links.)

Nach dem, was ich gesagt habe, wird jeder Unbefangene zugeben, daß die Fragen, um die es sich handelt, doch einer sehr verschieden⸗ artigen Beurtheilung fähig sind, und er wird begreifen, daß ein Mann in verantwortlicher Stellung in so wichtigen Entscheidungen nicht auf eine Autorität hin handelte, sondern nur auf seine innere Ueber⸗ zeugung, die er nach gewissenhafter Prüfung gefaßt hat. Wenn der Nachfolger des Fürsten Bismarck über die Rückversicherung und ihren Werth eine andere Auffassung hatte, wenn er in der unbedingten Geheimhaltung gewisse Gefahren mit Rücksicht auf die Beziehungen zu anderen Mächten sah, ja selbst zweifelhaft war, ob nicht die Friedensgarantie dadurch verringert werden könnte, so mag man diese Anschauung kritisieren und mag sie bekämpfen; aber ich meine, als die Ueberzeugung eines verdienten und gewissenhaften Mannes (Sehr richtig! aus der Mitte) ist sie doch erhaben

über die mannigfaltigen, selbst höhnischen An⸗

““ 8 Se 2 8 89