1896 / 278 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 23 Nov 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Die Regierungs⸗Referendare Kalisch aus Köslin, Frei⸗ e von Hammerstein aus Hannover, Kluge aus Osna⸗ rück und Graf Schack von Wittenau aus Posen haben die zweite Staatspruͤfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden.

Laut telegraphischer Meldung an das Ober⸗Kommando der Marine ist . M. S. „Habicht“, Kommandant Korvetten⸗Kapitän Gercke (Eduard), gestern in Sierra Leone eingetroffen und beabsichtigt, am 29. November nach Togo in See zu gehen.

8 111“

Bayern.

Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent hat sich mit Ihren EIee den Prinzen Ludwig und 882b gestern von München zur Jagd nach dem Spessart

egeben.

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Sachsen.

Aus Anlaß des Namenstages Seiner Majestät des Königs wurde Allerhöchstdemselben am Sonnabend, Vor⸗ mittags um 10 Uhr, von dem Hoboistenkorps des Königlichen 1. (Leib⸗) Grenadier⸗Regiments Nr. 100 sowie den Trompeter⸗ korps des Königlichen Garde⸗Reiter⸗Regiments und des 1. Feld⸗Artillerie⸗Regiments Nr. 12 im Garten der König⸗ lichen Villa Strehlen eine Morgenmusik dargebracht. Um 10 ½ Uhr erschienen die 11 Herrschaften sur Begluͤckwünschung Seiner Majestät, worauf Allerhöchst⸗ erselbe dem Gottesdienst in der katholischen Hofkirche beiwohnte. Nach dem Kirchenbesuch empfing Seine Majestät im Königlichen Residenzschlosse den vorsitzenden Staats⸗Minister im Gesammt⸗ Ministerium, Staats⸗Minister Dr. Schurig, welcher die Glück⸗ wünsche der Staats⸗Minister zum Namenstage überbrachte, und sodann den Minister des Königlichen Hauses, Staats⸗ Minister von Seydewitz, sowie später den Bischof Dr. Wahl und die Hofgeistlichkeit zur Beglückwünschung Nach⸗ mittags fand bei Ihren Majestäten in der Villa Strehlen Familientafel statt.

.“ Württemberg.

Seine Majestät der König hat sich vorgestern zu etwa vierzehntägigem Aufenthalt nach Bebenhausen begeben

8“

Oesterreich⸗Ungarn.

Der König von Serbien stattete, wie aus Wien gemeldet wird, vorgestern Nachmittag dem Kaiser einen dreiviertelstündigen Besuch ab. Später erwiderte der Kaiser

den Besuch des Königs in dessen Hotel.

An dem Diner, welches vorgestern zu Ehren des Groß⸗ fürsten Nikolaus Nikolajewitsch von Rußland in der Hofburg stattskand, nahmen auch die Erzherzoge Otto,

zudwig Victor, Eugen und Rainer, das Gefolge des Großfürsten, der russische Botschafter Graf Kapnist, die Mitglieder der Botschaft und der Militär⸗Attaché Oberst⸗Lieutenant Woconin theil, ferner der Minister des Aeußern, Graf Goluchowski, der österreichisch⸗ ungarische Botschafter in St. Petersburg Prinz Liechten⸗ stein, der Reichs⸗Kriegs⸗Minister von Krieghammer, der Chef des Generalstabs Freiherr von Beckh, der General⸗ Inspekteur der Kavallerie Graf Paar, der General⸗Truppen⸗ Inspekteur Freiherr von Schönfeldt, der Korps⸗Kommandant Graf Uexküll⸗Gyllenband und die obersten Hofchargen. Gestern Nachmittag fand eine Hoftafel zu Ehren des Königs von Serbien statt; an derselben nahmen theil: die Erzherzoge Otto, Ludwig Victor, Eugen und Rainer, der serbische Kriegs⸗Minister Franassowitsch und das übrige Gefolge des Königs, der serbische Ge⸗ andte in Wien Simitsch und die Mitglieder der serbischen Gesandtschaft, der österreichisch⸗ ungarische Ninister des Aeußern Graf Goluchowski, der Reichs⸗Finanz⸗Minister Baron Källay, der Reichs⸗Kriegs⸗Minister von Krieg⸗ hammer, der österreichische Minister⸗Präsident Graf Badeni und der Minister a latere Baron Josika. Der König von Serbien empfing gestern Vormittag den französischen Botschafter in Wien Lozé und den Nuntius Msgr. Taliani, am Nachmittag den Minister des Aus⸗ wärtigen Grafen Goluchowski und den Reichs⸗Finanz⸗ Minister Baron Källay in Audienz. 8 Das österreichische Herrenhaus hat in seiner vor⸗ gestrigen Sitzung die Gesetzentwürfe, betreffend die Gerichts⸗ rganisation, die Einführung von Gewerbegerichten, das Re⸗ kruten Kontingent, die Regelung der Heimathsverhältnisse, das atentgesetz, die Abänderung der Gewerbeordnung und die bänderung des § 9 der Wahlordnung für den Reichsrath, in zweiter und dritter Lsung angenommen. 8 Der Budgetausschuß des österreichischen Abge⸗ ordnetenhauses erledigte vorgestern den Etat des Eisen⸗ bahn⸗Ministeriums. Im Laufe der Berathung erklärte der Eisenbahn⸗Minister von Guttenberg, die Anlage eines weiten Gleises auf der Elbethalbahn werde der Nordwestbahn ei Eintritt der in der Konzession vorgesehenen Voraus⸗ setzungen unbedingt auferlegt werden. Die Herstellung dieses Gleises auf dem garantierten Netz liege jedoch nicht im sinanziellen Interesse des Staats. Weiter hob der Minister hervor, die Klagen über eine angebliche tarifarische Hevortvgung der russischen Getreidetransporte zum Nachtheil der inländischen Produktion seien vollständig unbegründet. Der Minister bemerkte ferner, daß die Befürchtung wegen einer bevorstehenden neuerlichen Erhöhung der Gütertarife vollständig unbegründet sei, und versicherte auf das Bestimmteste, daß die Regierung eine solche Reform derzeit nicht beabsichtige. Der Minister bedauerte auf das Le bhaftesee daß Gerüchte über den In⸗ halt des Verstaatlichungsgesetzes vorzeitig in die Oeffentlichkeit gedrungen und hierdurch B.sorgnisse hervorgetreten seien, die jeder Grundlage entbehrten. Er könne über den Inhalt jetzt nichts Näheres sagen, doch könne er soviel mittheilen, daß eine Vergewaltigung oder auch nur Schädigung privater Rechte von seiten der Regierung nicht im entferntesten beabsichtigt sei. Es handle sich lediglich darum, gewisse Unklarheiten bezüglich der Auslegung einzelner Konzessions⸗Bestimmungen auf legislativem Wege in einer alle Theile befriedigenden

russischen Bahnen im Zuge; er hoffe auf einen baldigen be⸗ Abschluß. Die seit langer Zeit angestrebte Fort⸗ etzungslinie Tannwald-—Landesgrenze habe der preußischen Regierung Anlaß zu Forderungen geboten, bezüglich welcher gegenwärtig Verhandlungen mit den betheiligten Ressort⸗ inisterien im Gange seien. 6

In einer gestern auf Ersuchen des Minister⸗Präsidenten Grafen Badeni durch den Präsidenten des Abgeordneten⸗ hauses Freiherrn von Chlumecky einberufenen Kon⸗ ferenz der Obmänner der Klubs und Ver⸗ einigungen der Abgeordneten sprach Graf Badeni im Namen der Regierung den Wunsch aus, daß der auf den 1. Juli 1897 festgesetzte Termin für das Inkrafttreten der Vorlagen über die Gehälter der Beamten und Professoren, welchen die Regierung wegen mangelnder Bedeckung nicht annehmen könne, bei der Beschluß⸗ fassung im 1. im Interesse des ustandekommens der Gesetze fallen gelassen werde. Die Obmänner der Klubs legten ihre Anschauungen theils zustimmend, theils ablehnend dar. Ein Beschluß wurde nicht gefaßt, da die Obmänner den Ansichten der Klubs nicht vorgreifen wollten.

Großbritannien und Irland.

Zum Besten nothleidender Hinterbliebener der im Juni d. J. mit dem englischen Dampfer „Drum⸗ mond Castle“ verunglückten Personens ist britischerseits ein Fonds (der sogen. Drummond Castle Relief Fund) ge⸗ sammelt worden, welcher nach englischen Zeitungsangaben schon anfangs Juli d. J. eine Höhe von über 18 000 Pfd. Sterl. erreicht haben soll.

4A4“ Auf der Tagesordnung der vorgestrigen Sitzung der Deputirtenkammer stand die Berathung über das Budget des Ministeriums des Aeußern. Der Deputirte Millerand (Sozialist) richtete an den Minister des Aeußern Hanotaux die Anfrage, ob zwischen Frankreich und Ruß⸗ land besondere Abmachungen (conventions) beständen. Der Redner führte aus: ein Bündniß zwischen Frankreich und Rußland habe seit langem im Wunsche der Freunde Frankreichs gelegen. Eine Reihe weithin vernommener Kundgebungen habe eine Annäherung zwischen Rußland und Frankreich herbeigeführt, und die ganze Welt habe geglaubt, darin ein Zeichen einer intimen Vereinbarung (accord intime) erblicken zu sollen. Er frage nach den Bedingungen dieser Vereinbarung. Das Parlament habe ein Recht, die Frankreich auferlegten Lasten und die vereinbarten Vortheile in ihren großen Grund⸗ zügen kennen zu lernen. Der Minister des Aeußern Hano⸗ ver nach dem Bericht des „W. T. B.“, hierauf olgendes:

Die verschiedenen Minister sind seit mehreren Jahren schon in unseren Beziehungen zu Rußland der politischen Verhaltunaslinie treu geblieben, welche nicht allein durch die wohlerwogene Absicht der Staatsmänner festgestellt wurde, sondern welcher auch das spon⸗ tane Gefühl des Volks entgegengekommen war. Jüngst kam das junge F Kaiserpaar im Verlauf der Reise, auf der es die Staatsoberhäupter der ersten Staaten Europas besuchte, nach Frank⸗ zeich, um die Regierung des befreundeten französischen Volks zu begrüßen. Frankreich hat seinen erlauchten Gästen gegenüber nicht nur die natvr⸗ gemäßen Gebote der Gastlichkeit befolgt, sondern es hat auch zugleich in den Empfang etwas so Herzliches und Würdiges gelegt, daß man in der ganzen Welt empfunden hat, es habe sich ein felerlicher Akt durch diesen Besuch eines großen Monarchen bei einem großen Volke vollzogen. Dann haben der Präsident der Republik und die Erwählten des Volkes sowie jedermann bis hinab zum ein⸗ fachsten Bürger zusammengewirkt zum Glanze dieser Feste, und man sah in demselben Gefühl der Freude und des Vertrauens alles vereint, was an der Vergangenheit festhält, und alles, was an die Zukunft denkt. Man befragt uns heute und wünscht Aufklärungen von uns über die politische Richtung, welche wir ver⸗ folgen: Aufklärungen, welche man von unseren Vorgängern nicht ver⸗ langt hat. Ich habe darauf nur ein Wort zu erwidern. Das, was öffentlich ausgesprochen werden kann und soll, ist in vorher genau ab⸗ gewogenen und vereinbarten Ausdrücken von dem Kaiser von Rußland und von dem Präsidenten der Republik in Chervourg vor den Offizieren der Marine, in Paris vor den Vertretern der Regierung und der Nation und in Chalons vor den Führern und den Offizieren des Landheeres ausgesprochen worden. Der Mi⸗ nister schloß mit der Bemerkung, er halte sich an diese Erklärungen. Die Stelle, die er bekleide, und ein höheres Interesse, welches die Kammer verstehen werde, legten ihm die Pͤflicht auf, hinsichtlich des Uebereinkommens (entente), das heute niemand mehr zu leugnen oder in Zweifel zu ziehen denke, nichts hinzuzufügen.

Im weiteren Verlauf der Sitzung stellte der Deputirte Deloncle eine Reihe von Fragen bezüglich Tunis', Siams, des Nigergebiets und besonders bezüglich Egyptens. Fin sichtlich des letzteren forderte er die Regierung auf, England an seine Verpflichtung, Egypten zu räumen, zu erinnern und die französischen Jahaber egyptischer Schuld⸗ titres in dem Prozeß gegen die Kasse der dette publique zu unterstützen. Der Minister des Aeußern Hanotaux er⸗ widerte, man müsse das Urtheil des Gcrichts abwarten, ehe man einen Beschluß hinsichtlich dieses Prozesses fasse. Was die Ansprüche Frankreichs in Egypten betreffe, so habe niemand jemah daran gevacht, sie fallen zu lassen. Frankreich sei die erste Macht gewesen, die England aufgefordert habe, seine Verpflichtungen zu erfüllen. Heute stehe Frankreich nicht mehr allein da, sondern werde durch die befreundete Nation unterstützt. Der Deputirte Hubbard beantragte die Streichung des Kredits für die französiche Botschaft beim Vatikan. Der Minister des Auswärtigen Hanotaugx machte indeß darauf aufmerksam, daß der Kredit auf einer im Konkordate über⸗ nommenen Verpflichtung beruhe, worauf der Kredit mit 357 gegen 183 Stimmen bewilligt wurde.

Bei rerhrechung der obigen Erklärungen des Ministers des Auswärtigen. anotaux führen die gestern erschienenen regierungsfreundlichen Blätter aus, daß dieselben nicht vollständiger hätten sein können; sie genügten vielleicht nicht der Neugier, aber sie genügten vollkommen der Vaterlands⸗ liebe. Die radikalen und sozialistischen Blätter bedauern die zu große Kürze der Erklärungen. Die „Justice“ sagt, die Erörterung müsse sofort von neuem begonnen werden, um eine klare, reinliche Auseinandersetzung zu erhalten. Bei der gestern in Vordea ux vorgenommenen Ersatz⸗ wahl zur Deputirtenkammer siegte Ferret (Sozialist) über Decrais, den ehemaligen ö Gesandten in Wien; Ferret starb jedoch plötzlich am Abend im Augenblick der Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Die Königin und die Königin⸗Regentin der

Weise zu beseitigen. Hinsichtlich der beklagten Erschwernisse des Güt kehrs mit Rußland seien degagtie gesc mit ue

Niederlande statteten am Sonnabend Nachmittag dem

Vormittag trafen der König und die Königin von Italien in Mailand ein, um den Besuch der Königin und der Königin⸗ Regentin zu erwidern.

b und Handel Guicciardini eine Rede, worin er, wie 3 B.“ berichtet, b Kolonisationsthätigkeit begünstigen und einen über die Auswanderung einbringen, welcher den festen Willen des Staates, seine Rechte zu vertheidigen und seine Pflichten zu erfüllen zu erkennen geben werde. Der Minister kündigte auch Vor⸗ schläge zu Gunsten der Landwirthschaft gvß Sizilien sowie über den Schutz der Bergarbeiter und die inführung sach⸗ verständiger Beiräthe in landwirthschaftlichen Fragen an. Unter anderen Maßregeln sei auch eine Verminderung der fiskalischen Abgaben auf Sardinien und die Förderung des landwirthschaftlichen Kredits geplant.

Türkei.

„W. T. B.“ zufolge, zum Kajmakam von Hadjin und der Armenier Nazaret Effendi zum Karmakam von Hafik (2) ernannt worden.

Der „Times“ wird aus Konstantinopel berichtet, die Botschafter hätten der Pforte mitgetheilt, daß, gleichviel ob die türkischen Kommissare bereit seien oder nicht, die aus⸗ ländischen Mitglieder der Kommission zur Neu⸗ gestaltung der Gendarmerie am Dienstag und die der Gerichtskommission am Donnerstag nach Kreta ab⸗ gehen würden.

Die „Daily News“ erfahren, daß der Rev. Mac Callum, welcher laut Meldung vom 20. ds. von der türkischen Polizei verhaftet wurde, jetzt wieder freigelassen sei. Der britische Botschafter Sir Philip Currie habe der Pforte Vorstellungen gemacht und erklärt, daß in allen Angelegenheiten, in denen britisches Leben und Eigenthum in Frage komme, England kein willkürliches Vorgehen dulden werde. Dem

werk fortzusetzen. 8 Buulgarien. Die Verhandlungen über den serbisch⸗bulgarischen ö sollen, wie „W. T. B.“ aus Sofia er⸗ ährt, abgeschlossen und der Vertrag bereits unterzeichnet sein.

Amerika.

Aus Philadelphia wird berichtet, daß sich die Ge⸗ schworenen in dem Prozeß gegen den Obersten Nuuez und den Kapitän Dickmann, alz die Haupttheilnehmer an dem Laurada⸗Freibeuterzuge nach Cuba, nicht hätten einigen können. Die Anklage habe auf Verletzung des Neutralitätsgesetzes durch Vorschubleistung einer bewaffneten Expedition gegen eine be⸗ freundete Nation (Spanien) gelautet.

Nach einer in Madrid eingetroffenen amtlichen Meldung aus Havanna wäre der Führer der Aufständischen Sanchez in Gefecht bei Damas mit 100 Aufständischen getödtet worden.

Die Neubildung des chilenischen Kabinets hat nunmehr endgültig stattgefunden. Das Portefeuille des Innern hat Carlos Antunez, dasjenige des Aeußeren Morla Vicunna übernommen. Finanz⸗Minister ist Justiziano Sottomayor, Justiz⸗Minister Federigo Puga⸗Borne,

und öffentliche Arbeiten Borja Valdes.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die vorgestrige Sitzung

des Reichstages und der Sitzung des Hauses der Ersten Beilage.

Bericht über die vorgestrige der Abgeordneten befinden sich in

In der heutigen (130.) Sitzung des Reichstages, welcher der Justiz⸗Minister Schönstedt und der Staats⸗ sekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. Nieberding beiwohnten, wurde die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend Abänderung und Ergänzung des Gerichts⸗ verfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung, bei dem § 103 der letzteren fortgesetz’, wozu Abg. Dr. Rin⸗ telen (Zentr.) den folgenden Zusatz beantragt:

„Die Untersuchung des Körpers einer Person zum Zwecke der Verfolgung von Spuren einer strasbaren Handlung gegen den Willen der Person ist unzulässig.“

Der Antragsteller führt aus, daß er die Untersuchung einer unverdächtigen Person gegen ihren Willen für eine Brutalität, für eine Tortur und für menschenunwürdig halte.

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath von Lenthe: Die körper⸗ liche Untersuchung von Personen im Strafverfahren ist im Interesse der Feststellung des objektiven Thatbestands unbedingt nothwendig; das Peinliche, welches darin für die betreffene Person liegen mag, wird aufgewogen durch das öffentliche Interesse. Es kommt dem Antragsteller wohl hauptsächlich auf die Schonung des Schamgefühls weiblicher Personen an; Beschwerden nach dieser Richtung hin sind aber durchaus nicht vorgekommen. Ich bitte dringend um Ablehnung des Antrages.

Abg. Stadthagen (Soz.) Antrags, da es sich nicht um den um unverdächtige Personen. Redner weist auf einen kürzlich in Mecklenburg⸗Schwerin vorgekommenen Fall hin, wo ein junges Mädchen, an welchem unzüchtige Handlungen vorgenommen worden sein sollen, gewaltsam zu einer körperlichen Untersuchung gezwungen sei, obgleich niemand aus dem § 103, welcher nur von Putch⸗ suchungen handele, herleiten könne, daß eine körperliche Unter⸗ suchung gestattet sef, wie das Reichsgericht dies entschieden habe. Abg. Dr. von Marquardsen (nl.) weist als Mitglied der Justiz Kommission, welche die Strafprozeßordnung berathen habe, darauf hin, daß nicht bloß er, sondern auch Herr von Schwarze und andere Kommentatoren dem § 103 die Bedeutung beilegten, welche das Reichsgericht angenommen habe. Gerade bei unzüchtigen Ver⸗

brechen sei der Thatbestand nicht anders als durch körperliche Uater⸗ suchung festzustellen.

Abg. Freiherr von Gültlingen (Rp.) spricht sich in dem⸗ selben Sinne aus und weist darauf hin, daß das getadelte Urtheil des Reichsgerichts im Interesse des Angeklagten gewirkt und dessen Frei⸗ sprechung herbeigeführt habe, weil die Untersuchung der beiden Mädchen, an denen ein unsittlickes Attentat verübt Unschuld des Angeklagten ergeben hätte.

des Blattes.)

empfiehlt die Annahme des Angeklagten handele, sondern

König und der Königin von Italien in Monza einen

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Besuch ab und reisten Abends nach Mailand zurück. Gestern

In Portici hielt am Sonnabend bei der Eröffnung der ckerbauschule der Minister für Ackerbau, Industrie

ausführte, die Regierung werde die innere

Der katholische Armenier Ferid Effendi ist,

Rev. Mac Callum werde gestattet werden, sein Wohlthätigkeits⸗

8

Kriegs⸗Minister Fernandez Albans, Minister für Industrie

in sollte, die

Nach amtlicher Feststellung wurden bei der Ersatz⸗ wahl zum Reichstage im 13. württembergischen Wahl⸗ kreise insgesammt 18 152 Stimmen abgegeben. Davon ent⸗ fielen auf Hofmann (Zentr.) 10 556, auf Bräuchle dcö g- 5880, auf Agster (Soz.) 1262 und auf v. Geß (nl.) 445 Stimmen. Ersterer ist somit gewählt.

Nach dem amtlich festgestellten Ergebnißs der am 19. d. M. im 1. hessischen Wahlkreise (Gießen) vor⸗ genommenen Stichwahl zum Reichstage erhielten von 14 988 abgegebenen gültigen Stimmen der Landwirth Köhler⸗ Langsdorf (Deutsche Reformpartei) 9733 und der Redakteur Ph. Scheidemann⸗Gießen (Sozialdemokrat) 5255 Stimmen. Ersterer ist somit gewählt.

Nr. 49 des „Centralblatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichsamt des Innern, vom 20. November, hat folgenden Inhalt: 1) Konsulatwesen: Ernennung; Entlassung; Exequatur⸗Ertheilungen. 2) Finanzwesen: Nachweisung der Ein⸗ nahmen des Reichs vom 1. April 1896 bis Ende Oktober 1896. 3) Zoll⸗ und Steuerwesen: Bestellung von Stations⸗Kontroleuren. 4) Kolonialwesen: Ermächtigungen zur Vornahme von Zivilstands⸗ Akten im südwestafrikanischen Schutzgebiet. 5) Polizeiwesen: Aus⸗ weisung von Ausläadern aus dem Reichsgebiet.

Kunst und Wissenschaft.

Internationale wissenschaftliche Ballonfahrten.

Die Versuche zur Erforschung der Atmosphäre mittels Luftballons sind nahezu so alt wie der Luftballon selbst, aber zur thatsächlichen Ueberwindung der Schwierigkeiten, welche diesen Forschungen im Wege stehen, gehörte doch ein volles Jahrhundert. Es ist keineswegs Selbstüberhebung, wenn man den Ruhm, strenge Wissenschaftlichkeit bei Ballonbeobachtungen eingeführt zu haben, den deutschen Gelehrten und in erster Linie den in Berlin auf diesem Gebiete thätigen zuerkennt. Die mit Unterstützung Seiner Majestät des Kaisers von Berlin aus unternommenen wissenschaftliche Luftfahrten be⸗

deuten in der That einen neuen Abschnitt in der Lehre von

der Physik der Atmosphäre.

Die Atmosphäre unseres Erdballes kennt keine politischen Grenzen, und wenn irgend eine Wissenschaft international sein kann und muß, dann ist es diejenige, welche die Atmosphäre um Objekt hat. Deshalb ergab sich während der in den seßten Jahren in Berlin ausgeführten, mehr als fünfzig zaͤhlenden wissenschaftlichen Luftfahrten ganz von selbst das Bestreben, zu wissen, wie weit sich das, was wir über unseren vaterländischen Gefilden fanden, in horizontaler Richtung er⸗ strecken möchte. Nachdem einige Versuche gleichzeitiger, nach

8 denselben Methoden angestellter Forschungsfahrten mit Ruß⸗ land, wo man in entgegenkommendster Weise unsere Vorschläge

ausführte, sowie mit Schweden geglückt waren, konnte die Ver⸗ ständigung mit anderen Nationen nicht ausbleiben. Frankreich, die Wiege des Luftballons, welches sich aus nationalen Gründen unseren Bemühungen gegenüber ablehnend verhalten mochte, konnte doch schließlich nicht umhin, dem ihm innewohnenden Geiste echter Wissenschaftlichkeit sein Ohr zu öffnen und mit seinen reichen Erfahrungen und Mitteln in die wissenschaftliche Konkurrenz einzutreten. In Paris waren infolge der Energie und Ruhrigkeit zweier Männer, der Herren Gustave Hermite und Georges Bésançon, neue und eigenartige Pfade ein⸗ eschlagen worden, indem man Versuche unternahm, mittels .“ Ballons, welche an Stelle der Beobachter nur selbstregistrierende Apparate tragen konnten, die höchsten überhaupt erreichbaren Schichten der Atmosphäre zu er⸗ forschen, welche dem Menschen stets unzugänglich bleiben werden. Die ersten Ergebnisse fielen 2 vielversprechend aus, daß man in Berlin nicht zögerte, diese Experi⸗ mente zu wiederholen, wobei man gleichfalls zu höchst wichtigen Resultaten gelangte, aber auch nicht anstand, dem Wunsch gemeinsamer Arbeit neuen und dringenderen Aus⸗ druck zu geben. Nachdem nun in höchst erfreulicher Weise ein vorbereitendes Einvernehmen zwischen Paris, St. Peters⸗ burg und Berlin hergestellt worden war, fügte es sich äußerst glücklich, daß die im September dieses Jahres in Paris tagende internationale Konferenz von Direktoren meteorologi⸗ cher Institute diese Angelegenheit zu der ihrigen machte und, hinausgreifend über den vorliegenden Plan, ein internationales aöronautisches Comité schuf, welches zunächst die Herren Hermite, de Fonvielle und Jaubert von ranzösischer Seite, Pomortzeff für Rußland, Hergesell in Straßburg, Erk in München und Aßmann in Berlin für Deutschland, ferner Rotch für Nord⸗Amerika umfaßte; der Vorsitz wurde Herrn Hergesell übertragen. In Paris, Berlin und St. Petersburg war man seit einiger Zeit zu gemein⸗ chaftlicher Arbeit vorbereitet, in Straßburg und München äumte man nicht, ein Gleiches zu thun. So fand denn der von Paris ausgehende Vorschlag, in der Nacht vom 13. zum 4. November einen ersten Versuch in dieser Beziehung zu nternehmen, überall freudige Zustimmung. Die Ueber⸗ instimmung der Beobachtungsmethode mußte natürlich als vichtigste Vorbedingung zur Erzielung vergleichbarer Ergebnisse elten, weshalb sofort von Steeeense und Berlin aus Registrierapparate in Paris bei der weitberühmten Firma Richard frères bestellt und seitens der Herren Hermite und Bésançon geprüft wurden. Die Experimente fanden nun in folgender Weise statt. In Paris stieg um 2 Uhr 6 Minuten der neue, aus seyr eichter gefirnißter Seide durch Herrn Bösancon konstruierte, 400 chm fassense Ballonronde „l'Aérophile öI“ auf; gleich⸗ zeitig, d. h. um 2 Uhr 22 Minuten in Straßburg der 320 chm fassende Ballon „Straßburg“ ebenso, d. h. um 2 Uhr 51 Minuten in Berlin der 250 chm fassende Ballon „Cirrus“, welcher gleichfalls aus gefirnißter Seide bestand, aber infolge seiner früheren Beanspruchung als Militärballon und durch die bei sechs vorangegangenen bisher höchsten Auffahrten bis zu 2000 m erlittenen Beschädigungen vielfach geflickt und brüchig geworden war. Außerdem stieg in St. Petersburg ein ähnlicher Registrierballon auf, über dessen Größenverhältnisse noch nichts bekannt ist. Zur Vervollständigung dieser für die höchsten Schichten bestimmten Ballons wurden ferner Auffahrten be⸗ mannter, für wissenschaftliche Beobachtungen eingerichteter Ballons unternommen, und zwar stieg in München um 6 Uhr 47 Minuten der Ballon „Akademie“ mit Dr.

Erk

als Beobachter, um 2 Uhr 44 Minuten, also nahezu gleichzeitig mit dem Registrier⸗Ballon „Cirrus“ der 1300 chm fassende Militärballon „Bussard“ mit Premier⸗ Lieutenant von Kehler als Führer und Berson, dem bekannten Deutschen Glaisher“ an Bord, um 3 ¼ Uhr in Warschau ein Militärballon und in St. Petersburg um 4Uhr ein gleicher auf. So waren, da, außer in München, allerorts die Auffahrten nahezu simultan, d. h. um 2 Uhr Pariser Zeit erfolgten, gleichzeitig zwischen Paris und St. Petersburg sieben für wissenschaftliche Zwecke eingerichtete Ballons in den Lüften, je

einer in Paris, Straßburg und Warschau, je zwei in Berlin

und St. Petersburg.

Ueber die Fahrten selbst und deren Erfolge liegen bis jetzt nachstehende Berichte vor:

Der in St. Petersburg aufgestiegene Registrierballon er⸗ reichte nur eine Höhe von 1500 m, wo er platzte; der mit Beobachtern bemannte Militärballon erreichte 5000 m Höhe und eine Lufttemperatur von 27 Grad, nach einem anderen Telegramm indeß nur 24 Grad; er landete nach acht⸗ stündiger Fahrt in 260 km Entfernung südsüdwestlich von St. Petersburg bei Pskow. In Warschau stieg auf Befehl des russischen Kriegs⸗Ministers ein zweiter Militärballon, welcher mit NNW-Wind nach getrieben wurde, wo er in etwa 300 km Entfernung vom Auffahrtsorte bei Brzozow landete; über erreichte Höhe und Temperatur sowie über die Fahrtdauer ist noch nichts mitgetheilt worden. Der Ballon des Münchener Vereins für Luftschiffahrt er⸗ reichte mit 3400 m seine größte Höhe und landete nach 7 ¼ stündiger Fahrt in der Nähe von Lungitz bei Linz in Oesterreich, rund 200 km rein östlich vom Nüchc orte. Ueber die gefundenen Temperaturen ist noch nichts be⸗ kannt. Der von Straßburg aufgestiegene Registrierballon „Straßburg“ fiel nach 1 ½ stündiger Fahrt, bei welcher er gegen 8000 m Höhe und eine Minimaltemperatur von 30 Grad erreichte, auf den Schwarzwald nieder, wo er bald aufgefunden wurde. Eigenthümlicherweise giebt die Registrie⸗ rung den niedrigsten Temperaturwerth von —30 Grad in der Höhe von 6000 m an, während in größerer Höhe eine Er⸗ wärmung angezeigt wurde. Der in Paris aufgelassene Registrierballon „l'Aérophile III“ stieg bei stillem, aber wolkigem Wetter auf und schlug die Richtung nach NNO. ein, ent⸗ schwand jedoch nach wenigen Sekunden den Blicken. Der Ballon blieb zur größten Beunruhigung aller Be⸗ theiligten mehrere Tage lang verschollen, sodaß man befürchten wußte, daß er in die Nordsee gefallen sei. Auf Grund von sonderbaren Lichterscheinungen in den westlich von Magdeburg gelegenen Orten Wulferstedt und Ummendorf glaubte man, daß der vermißte Ballon hiermit in Zusammen⸗ hang zu bringen sein könnte, da die Zurücklegung von etwa 800 km durchaus nicht als unwahrscheinlich gelten konnte. Legte doch unser Registrierballon „Cirrus“ bei seiner ersten Auffahrt einen Weg von 1000 km in 10 Stunden zurück, indem er in Bosnien landete! Nachdem schon alle Maßregeln zur Aufsuchung des Ballons in jener Gegend getroffen waren, kam die erfreuliche Nachricht, daß derselbe bei Graide in Belgien, 235 km nordöstlich von Paris, nach 51 ½ stündiger Fahrt niedergegangen war; er erreichte eine Höhe von etwa 15 000 m und eine Temperatur von —63 Grad Cilsius. Der in Schöneberg bei Berlin aufgelassene Registrierballon „Cirrus“ aber, welcher bei seinen sechs frützeren .See höher als je ein anderes „Gebild von Menschenhand“ in der Atmosphäre vorgedrungen war und dabei auf seinem Fluge nach Bosnien his zu 15 500, nach Minsk in Rußland bis zu 18 300 und nach der dänischen Insel Lolland bis zu 21 000 m gestiegen war, führte seine Todesfahrt aus: der vielfach geflickte und brüchig gewordene Ballonstoff gefirnißte Seibe ertrug nicht mehr den starken Luftwiderstand, welcher bei schnellem Aufsteigen statt⸗ findet, und erhielt in 6000 m Höhe einen Riß, welcher ihn nach einstündiger Fahrt zur Erde zurücksinken ließ. In Anbetracht des Unsynpks, daß der in Paris bestellte Registrierapparat erst wenige Stunden vorher eintraf und deshalb nicht mehr geprüft werden konnte, waren der Sicherheit halber noch zwei ähnliche unserer hiesigen Registrierapparate, ein Barograph und ein Thermograph in dem Korbe, welcher, mit blankem Nickelpapier umgeben, die Instrumente birgt, befestigt worden, wodurch allerdings sein Gewicht um mehrere Kilogramm vermehrt wurde, was jedoch bei der ausgezeichneten Tragkraft des in der Luftschiffer⸗Ab⸗ theiler verwandten reinen Wasserstoffgases nicht verhindert haben würde, daß der Ballon 16⸗bis 17 000 m Höhe erreicht hätte, wenn er nicht durch jenen Riß zum vorzeitigen Fallen gebracht worden wäre. Die Vorsicht erwies sich als sehr vor⸗ theilhaft; denn durch einen der unvermeidlichen Stöße bei der Herrichtung des Ballons muß die Schreibfeder des fran⸗ zöͤsischen Thermographen aus ihrer Befestigung gelöst worden sein, sodaß dieser Theil des Apparates vnicht funktionierte. So zeichnete denn der wenige Tage vorher sorgfältig ge⸗ prüfte deutsche Thermograph aus der Werkstatt von R. Fueß in Steglitz in seyr interessanter Weise auf, daß die nahe dem Erdboden —4 Grad betragende Temperatur bis zu einer Höhe von mcehreren hundert Metern anstieg und erst in bei⸗ nahe 3000 m Höhe den Betrag von —4 Grad wieder er⸗ reichte. In der größten Höhe von 6000 m wurden 25,6 Grad registriert, und beim schnellen Sinken des Ballons zeigte sich abermals die sogenannte „Temperatur⸗ umkehrung“ in den tieferen Schichten. Der zuerst ziemlich schnell nach NW. grführte Ballon muß in der Höhe eine aus N. wehende schwache Luftströmung angetroffen haben, welche ihn wieder nach Süden führte und ihn sanft auf die höchsten Bäume des Grunewaldes fallen ließ. Die Sach⸗ lage, daß er während der Nachtzeit, d. h. um 3 Uhr 50 Miauten, niedergegangen war, hatte zur Folge, daß er 1 ¼ Tag lang unentdeckt blieb. Erst am Sonntag Morgen wurde er durch einen Spaziergänger, Herrn Kanzlei⸗Rath Jochens, bemerkt, welcher, da ein Herabholen des Ballons ohne sachverständige Hilfe unmöglich war, in anerkennenswerther Weise die Mühe nicht scheute, persönlich die Luftschiffer⸗Abtheilung zu benachrichtigen. Mit vieler Mühe und nicht ohne de Lebensgefahr gelang es am Montag einem Kommando der genannten Abtheilung, den Ballon in Fetzen von seinem luftigen Lager herabzuholen ein Theil des Stoffes nebst dem Netze mußte sogar zurückgelassen werden. Die Apparate aber wurden unverletzt zur Erde befördert, sodaß den wackeren Luftschiffern die hierfür zugesicherte Belohnung von 50 mit Fug und Recht eingehändigt werden konnte. .

Der wenige Minuten vor dem „Cirrus“ aufgestiegene Militärballon „Bussard“, welcher 1300 chm Inhalt hat und infolge der schon so oft bei unseren wissenschaftlichen Ballonfahrten der letzten Jahre bewährten Unterstützung des Kommandeurs der Ftrlche strslörhe taüts mit ebm

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ins Deutsche übertragen hat.

Wasserstoff gefült war, ging ebenfalls zuerst schnell dag NW., schwenkte aber, nachdem er in etwa 1500 m Höhe seine Gleichgewichtslage erreicht hatte, allmählich nach NNW. um, welche Richtung er während der anzen, ziemlich langsam verlaufenden Fahrt beibe⸗ ielt. Die vom „Cirrus“ registrierte Zunahme der Tem⸗ peratur in den unteren Schichten wurde auch hier in aller Deutlichkeit beobachtet. Die Temperatur stieg von —4 Grad bis 1 Grad und erreichte erst in 3000 m Höhe wieder den ersteren Werth. Während der Nachtzeit hielt sich der Ballon unter 2000 m Höhe, fing aber nach Sonnenaufgang an un⸗ aufhaltsam zu steigen. Als die Luftschiffer sahen, daß sie sich der Ostseeküste näherten, beschlossen sie, falls diese noch vor Mittag erreicht würde und der Wind kräftiger aus Süd wehen würde, die Ostsee zu überfliegen und entweder in Dänemark oder in Schonen zu landen. Leider nahm der Wind in der Höhe durchaus nicht in dem nöthigen Maße zu wie dies sonst meist der Fall ist —, sodaß sie betrübten Sinnes um 2 Uhr 21 Minuten, also nach 11 ⁄½ stündiger Fahrt, bei Volkshagen, südlich von Ribnitz in Mecklenburg, 206 km nordnordwestlich von Berlin, landen mußten, wobei es, da der Unterwind über Erwarten kräftig wehte, eine kleine Schleiffahrt gab, welche jedoch keinerlei ernstere Beschädigungen veranlaßte. Die in 5650 m Höhe beobachtete Temperatur betrug 24,4 Grad.

Ueberblicken wir nun noch zum Schluß die bisher be⸗ kannten ersten Ergebnisse dieser gemeinschaftlichen Experimente, so sehen wir Folgendes. Von den vier gleichzeitig aufgestiegenen unbemannten Registrierballons erreichte der französische die größte Höhe, gegen 15000 m, und die niedrigste Temperatur, —63 Grad; zunächst kam ihm der Straßburger Ballon mit gegen 8000 m Höhe und 30 Grad Temperatur; beides waren völlig neue und erheblich größere Ballons als der unsrige, welcher bis 6000 m Höhe stieg und eine Temperatur von 25,6 Grad aufzeichnete. Der russische Ballon, wahrschein⸗ lich ebenfalls ein älterer Militärballon, kam nur bis 1500 m Höhe. Von den bemannten vier Ballons drang derjenige unserer Luftschiffer⸗Abtheilung am höchsten vor, bis rund 5700 m, und fand eine Temperatur von 24,4 Grad; der russische, welcher in St. Petersburg aufstieg, kam bis rund 5000 m, wo 27 Grad (oder 24 Grad2) beobachtet wurden; der Münchener Ballon erreichte 3400 m, von dem zweiten in Warschau aufgestiegenen Ballon ist die Maximalhöhe nicht bekannt. Interessant sind ferner die von den Ballons einge⸗ schlagenen Richtungen und die entsprechenden mittleren Wind⸗ geschwindigkeiten. Der St. Petersburger Ballon wurde von einem

ordnordostwinde mit einer durchfchninlichen Geschwindigkeit von 9 m in der Sekunde geführt. Der Warschauer Ballon hatte NNW.⸗Wind; genau entzgegengesetzt, SSW., wehte der Wind, welcher den Berliner Militärballon mit einer Ge⸗ schwindigkeit von 5 m p. Sek. führte. Der Münchener Ballon fand reinen Westwind von 8m p. Sek. Geschwindigkeit, ebenfalls Westwind der Straßburger Ballon, der Pariser aber Südwest von 12 m p. Sek. Geschwindigkeit.

Die weiteren höchst interessanten Schlüsse, welche aus diesen Angaben bei näherer Prüfung und in Beziehung zu der allgemeinen Luftdruckvertheilung über Europa, sowie aus den ferneren zahlreichen Beobachtungen gezogen werden können, entziehen sich zur Zeit noch der Darstellung. Ohne Zweifel aber kann das internationale aëronautische Comité mit den Er⸗ folgen dieses ersten Versuches gemeinschaftlicher Forschungen in der Atmosphäre wohl zufrieden sein und an den Vor⸗ bereitungen zu baldigen und häufigen Erneuerungen guten Muths arbeiten. R.

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Handel und Gewerbe.

Ausweis über den Verkehr auf dem Berliner Schlachtviehmarkt vom 21. November 1896. Auftrieb und Markt⸗ preise nack Schlachigewicht mit Ausnahme der Schweine, welche nach Lebendgewicht gehandelt werden. Rinder. Auftrieb 3340 Stück. (Durchschnittspreis für 100 kg.) I. Qualität 116 —120 ℳ, II. Qualitär 102 110 ℳ, III. Qualität 88 98 ℳ, IV. Qualität 74 84 Schweine. Auftrieb 11 114 Stück. (Durchschnitts⸗ preis für 100 kg.) Mecklenburger 94 98 ℳ, Landschweine: a. gute 88 92 ℳ, b. geringere 82 —886 ℳ, Galizier —,— ℳ, leichte Ungarn —,— bri 20 % Tara. Bakonver —,— bei kg Tara pro Stück. Kalber. Auftrieb 1286 Stück. (Durchschnitts⸗ preis für 1 kg.) I. Qualität 1,18 1,24 ℳ, II. Qualität 1,08 1,16 ℳ, III. Qualität 0,98 - 1,06 Schafe. Auftrieb 9050 Stück. (Durchschnittspreis für 1 kg.) I. Qualität 0,86— 1,06 ℳ, II. Qualitét 0,76 0,84 ℳ, III. Qualität —,—

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Theater und Musik.

Kdonigliches Hpernhaußzs. Eine künstlerische That kann die am Sonnabend erfolgte führung der Oper in drei Aufzügen „Benvenuto Cellini“ von Hector Berlioz genannt werden. Dieses Werk, die älteste von den drei Opern, die Berlioz geschrieben, fiel bei seiner Erstaufführung in Paris im Jahre 1838 gänzlich durch und hat sich auch im Laufe der Jahrzehnte nirgenos die Bühne erobern können. In Berlin war „Benvenuto Cellini“ bisher überhaupt noch niemals zur Aufführung gelangt; daher verdienen der frische Wagemuth. mit welchem Kapellmeister Weingartner, trotz der wenig Hoffnung erweckenden Vorgeschichte dieses Musikdramas, an die Einstudierung desselben ging, die sorgfältige Inscenierung, in welcher die Bühnenbilder dargeboten wurden, und der Eifer des Orchesters und der Sänger bei Lösung ihrer ungemein schwierigen Aufgaben ganz besondere Anerkennung. Das Zusammen⸗ wirken so vieler förderlicher Kräfte konnte denn auch nicht verfehlen, zum mindesten einen großen Achtungserfolg herbeizuführen; aber die gespannte Aufmerksamkeit der Zuhörer, der lebhafte und einmüthige Beifall, der zum theil bei offener Scene erscholl, ließen darauf schließen, daß die Wirkung des Werks doch noch eine tiefergehende war, und daß es sich dauernd auf dem Spielplan behaupten dürfte. Die Theilnahme für diese Oper dürfte sogar bei öfteren Wieder⸗ holungen wachsen; denn es ist sehr schwer, nach nur einmaligem Hören den mannigfachen geistreichen Wendungen des Komponisten zu folgen, sich in die zum theil verborgenen Schönheiten seines Stils zu vertiefen. Berlioz' Namen hört man zumeist in der Verbindung mit demjenigen Wagner’'s und Lißzt's nennen, und man weiß. da

seine von der Konvention abweichenden Muse in Frankrei

gegen eine heftige Opposition zu kämpfen hatte; wer aber erwartete, in „Benvenuto Cellini“ Spuren des musikalischen Stils zu finden, wie ihn Wagner in seiner späteren Schaffensperiode ausbildete, der befand sich im Irrthum. Nichts davon ist in dieser Berlioz'schen Arbeit enthalten, vielmehr verdient hier der Komponist weit eher das Epitheton, das ihm gelegentlich beigelegt wurde, der „französische Beethoven“: ein die höchsten Anforderungen an die Kunst der Sänger stellendes Flüsterterzett im ersten Akt, melodische Arien und glänzende Chöre im weiteren Verlauf der beiden folgenden bestätigen diese Auffassung. Das Schwächste an dem Werke ist das Textbuch von de Wailly und Barbier, welches Peter Cornelius, der geistvolle Schöpfer des „Barbiers von Bagdad“, mit anerkennenswerthem Geschick Es behandelt ein Liebesabenteuer

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