des Bildhauers Benvenuto Cellini (dessen Lebensgeschichte Goethe übersetzte), des Schöpfers der in Florenz aufgestellten Perseus⸗ Statue, deren Entstehungsgeschichte den eigentlichen Kern der Handlun bildet. Cellini soll im Auftrage des Papftes Clemens VII. den Guß seines Perseus“ vollenden. Allein seine Liebe zu Teresa, der Braut des päpstlichen Bikbhauers Fieramosca, läßt ihn nicht ruhen, und eine Entführung der Geliebten während des Karnevals, wobei sogar Blut vergossen wird, nimmt seine Zeit so in Anspruch, daß er die Frist zur Anfertigung des Standbildes verstreichen läßt und die Ungnade des Papstes auf sich zieht. Binnen einer Stunde soll er nun den Guß des Standbildes vollenden oder wegen seines Vergehens sterben. Der Guß gelingt schließlich, und während die blanke Perseusstatue aus ihrer Form ans Licht gezogen wird, darf ibr nunmehr begnadigter Schöpfer Teresa als glücklicher Bräutigam in seine Arme schließen. Dramatisch am wirksamsten und spannendsten ist entschieden dieser letzte, in Cellini's provisorisch im Kolosseum unter⸗ 1u Werkstatt spielende Akt, dessen Oertlichkeit zudem durch den ekorationsmaler Bukacz meisterhaft veranschaulicht wird. Die Entführungsgeschichte, welche in den vorhergehenden Akten etwas breit und nicht immer ganz verständlich behandelt wird, ist weniger dramatisch. Unter den Saͤngern zeichneten sich vor allen Herr Kraus als Cellini, Herr Bulß als Fieramosca und Frau Herzog als Teresa aus. Namentlich wuchs der erstgenannte junge Künstler, der demnächst vom Mannheimer Hoftheater als ständiges Mitgl'ed des Königlichen Opernhauses nach Berlin übersiedelt, mit jedem Akt in seine ungemein schwierige Aufgabe hinein. Herrn Bulß gelang der erste Akt, in dem er durch geckenhaftes Gebahren auffallen soll, darstellerisch am wenigsten; hingegen bot ihm eine meisterhaft geformte „Bramarbas“⸗ Arie im zweiten Gelegenheit zur vollen Entfaltung seiner großen Mitttel. Auch Frnn Goctze konnte in der kleinen, aber dankbaren Partie des Lehrlings Cellini's ihrer schönen Stimme Geltung verschaffen. Die anderen Rollen — die übrigens alle ihre nicht zu unterschätzenden Schwierigkeiten haben — treten nicht sonderlich hervor. Sie wurden durch die Herren Mödlinger, Krolop. Alma, Krasa, Stammer und Lieban angemessen wieder egeben. Meisterhaft war die Inscenierung, namentlich des zweiten Aufzugs, der äußerst lebendig das Karnevalstreiben auf der „Piazza Colonna“' veranschau⸗ lichte. Dem Orchester unter Kapellmeister Weingartner's Leitung, dem wohl die schwierigste Aufgabe des Abends zufiel, gebührt ganz be⸗ sondere Anerkennung, namentlich für die vollendete Wiedergabe der Ouvertüre „Le carnaval romain“ (ebenfalls von Berlioz), welche als Zwischenspiel das Fastnachtsleben des zweiten Aktes stimmungs⸗ voll einleitete. Der Beifall am “ war ein sehr großer und inmüthiger; der Gast des Abends und Daisteller der Titelrolle, Herr Kraus, wurde mehrmals vor den Vorhang gerufen. .
1 Lessing⸗Theater. Die erste Aufführung des vieraktigen Schauspiels „Der Abend von Paul Lindau erzielte am Sonnabend einen ziemlich lauten Erfolg, der seinen Höhepunkt nach einer stark theatralischen Scene des dritten Aufzugs erreichte. „Der Abend“ stellt sich dar als ein modernes Theaterstück mit einer angehängten Moral. Wer, wie der lebensfrohe Maler Erwin Deuben, das ganze Leben für einen lustigen Tag gehalten hat, kann sich nicht wundern, wenn der Lebensabend trübe und elend verläuft; leider kommt dem jovialen Maler diese Er⸗
untniß und die Einsicht von dem Ernst des Lebens, das doch mehr als ein Kinderspiel bedeutet, erst durch das Unglück seiner einzigen, geliebten Tochter, welche trotz ihrer schwermüthigen und nüchternen Lebensanschauung den Verführungskünsten eines reichen jungen Mannes erliegt. Zum Schluß hüllen sich der Maler, trotz seines aufschäumenden Rachedurstes, und seine Tochter, trotz ihrer heißen Liebe, in übermenschlichen Edelmuth und entsagen der Sühne des Vergehens, weil sie darin nur ein Werk der Pflichterfüllung des Verführers sehen und nicht ein freies Opfer wahrer Liebe. In der scenischen Behandlung dieses Stoffes hat Paul Lindau aufs neue bewiesen, daß die bedeutendste Seite seines Talents in der Behberrschung eines leicht flüssigen Dialogs und des witzigen und launigen Plaudertons liegt. Der Verfasser ist immer anziehend und unterhaltend. so lange er mit leichten Schwingen die Oberfläche des Lebens streift; in die Tiefen einer starken Menschenseele hinab⸗ zutauchen, ist ihm auch in diesem Stücke versagt. er wilde Kampf, der die Brust dieses Malers zerreißt, als er in seinem Künstler⸗ bewußtsein und seiner Vaterliebe gleich tief beleidigt wird, wurde von theatralischer zu dramatischer Wirkung erst durch das in diesem
vom 23. November, Morgens
Wetterberi
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Emil Graeb.
Wetter.
4 °Rl.
7 ½ Uhr.
Stationen.
in 5 Aufzügen
Bar. auf 0Gr. u. d. Meeressp
red. in Millim. in ° Celsius
Temperatur 5⁰° C.
Belmullet.. 3 bedeckt Aberdeen .. 2 bedeckt Christianfund 9 Regen Kopenhagen. W 3 Nebel Stockholm still Nebel aparanda . 3 SW 6 bedeckt t. Petersbg. bedeckt Moskau .. . bedeckt Cork, Queens⸗ town 8 777 Cherbourg “ elder.. 780 SSO 778 S8 mburg 780 SW winemünde 779 NW Neufahrwasser 779 S Memel.. 778 O Münster. 780 O Karlsruhe . 776 NO Wiesbaden 777 NO München 775 NO Chemnitz 779 O Berlin. 779 W Wien 775 NNW bedeckt Breslau 778 NNO bedeckt
Triest 770 ONO Z balb bed.
Uebersicht der Witterung.
Eine Zone hohen Luftdrucks überdeckt Mittel⸗ Europa, über Norddeutschland Barometerstände nahezu 780, über Innerrußland von 782 mm aufweisend. Flache Depressionen liegen über dem Mittelmeer und im hohen Norden. Vei schwacher, vorwiegend nördlicher bis östlicher Luftströmung und nahezu nor⸗ malen Wärmeverhältnissen ist das Wetter in Deutsch⸗ land neblig, an der Küste heiter, im Binnenlande trübe; meßbare Niederschläge werden nicht gemeldet. Meistens haben Nachtfröste stattgefunden. Die west⸗ liche Frostgrenze verläuft von Riga über Danzig nach
Hermannstadt. Deutsche Seewarte.
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Anfang 7 ½ Uhr.
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wolkig beiter Nebel wolki Nebe heiter Dunst heiter “ heiter bedeckt bedeckt wolkig bedeckt 3 bedeckt
Anfang 7 ½ Uhr.
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Donnerstag:
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Anfang 7 ½ Uhr.
Barnay. König Lear.
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Königliche Schauspiele. Dienstag: Zatleben. haus. 234. Vorstellung. Oberon. Romantische Oper
in 3 Aufzügen. Musik von Carl Maria von Weber.
Die Recitative von Franz Wüllner. Ballet von In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dekorative Einrichtung vom Ober⸗Inspektor Brandt. Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. Anfang
Schauspielhaus. 263. Vorstellung. Minna von Barn helm, oder: Das Soldateuglück. Lustspiel
8 Herr Plaschke. Mittwoch: Opernhaus. 235. Vorstellung. Ben⸗ Cellini. de Wailly und Barbier. Deutsche Bearbeitung von Cornelius.
(Benvenuto Cellini: und National⸗Theater in Mannheim, als Gast.) Schauspielhaus. w Lustspiel in 5 Aufzügen von William Shakespeare. Anfang 7 ½ Uhr.
Deutsches Theater.
Mittwoch: Morituri. Das Ewig⸗Männliche.) Hannele’s Vorher: Ohne Liebe.
Verliner Theater. Dienstag: Renaissance.
Mittwoch. Renaissance. Donnerstag: Einmaliges Gastspiel von Ludwig Zum Besten der Bühnen⸗Genossenschaft:
Lessing⸗Theater. (Georg Engels als Gast.) Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Der Abend. (Georg Engels als Gast.)
Donnerstag: Der Abend. (Georg Engels als Gast.)
Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ burg. Dienstag: Zum ersten Male: Verschwunden. (Disparu.) Schwank in 3 Bisson und André Sylvain. Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch: Verschwunden. (Disparu.)
Neues Theater. aar vrns auvern Sche⸗ Direktion: Sigmund Lautenburg. Dienstag: Bock⸗ 1 sprünge. Schwank in 3 Akten von Paul Hirsch⸗
berger und C. Kraatz. — Vorher: Die sittliche Forderung. Komödie Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Bocksprünge. — Vorher: Die sitt⸗ liche Forderung.
Moment vortreffliche Spiel Georg Engels' erhoben. Eine echte theilnehmende Stimmung wollte, trotz des schwermüthigen Gegenstandes der Dichtung, nicht Platz greifen, obgleich das zweimal in vom Abendroth verklärter Dämmerung liegende Atelier einen malerischen, poetische Empfindung weckenden Hintergrund darbot für das Bild des
aares, des im ersten Akt hoffnungsfrohen Malers und seiner liebe⸗ eligen Tochter, die im letzten Akt tief gebeugt und schmerzbewegt in die sinkende Sonne schauen. Die unsichere und nicht immer natürliche Entwickelung der Handlung und der Charaktere, die nicht in rechter Harmonie zusammenklingen, lassen eine volle Befriedigung und eine reine Stimmung nicht aufkommen. Die Darstellung stützte sich in erster Ltnie auf das große Talent von Georg Engels, der in sein Spiel viele feine, lebenswahre Schattierungen einfügte, aber doch auch einen lebendigen Menschen aus der Gestalt des alten Malers nicht zu schaffen vermochte. Herr Schönfeld spielte eine jüngere, lustige Variation des alten Meisters mit großer Frische. Herr Stahl ver⸗ körperte charakteristisch den selbstzufriedenen, reichen und leichtherzigen jungen Mann. Fräulein Wirth legte Empfindung und Schwermuth in die Rolle des liebenden und getäuschten Mädchens. — Der Dichter konnte unter dem Beifall der Zuschauer nach jedem Aufzuge auf der Bühne erscheinen.
Im Königlichen Opernhause gelangt morgen C. M. von Weber's Oper „Oberon“ mit den Rezitativen von Franz Wüllner unter Kapellmeister Dr. Muck's Leitung zur Aufführung. Die Besetzung ist nachstehende: Hüon: Herr Sylva; Rezia: Fräulein Hiedler; Fatime: Fräulein Rothauser; Scherasmin: Herr Lieban; Oberon: Fräulein Weitz; Puck: Fräulein Deppe; Roschana: Frau Götze; Kaiser Karl: Herr Stammer; Almansor: Herr Fränkel.
Im Koͤniglichen Schauspielhause wird morgen Lessing's „Minna von Barnhelm“ (zum 125. Mal) in folgender Ve. setzung gegeben: Tellheim: Herr Ludwig; Minna: Fräulein Poppe; Franziska: Fräaäulein Hausner; Just: Herr Kahle; Dame in Trauer: Frau von Hochenburger; Riccaut: Herr Grube. Wirth: Herr Vollmer; Werner: Herr Molenar.
Eine Wohlthätigkeits⸗Vorstellung zum Besten der Hinter⸗ bliebenen der mit dem Kanonenboot „Iltis“ untergegangenen Seeleute findet am nächsten Mittwoch, den 25. November, im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater statt. Eröffnet wird dieselbe mit einem eigens zu diesem Zweck von Victor Laverrenz gedichteten Prolog: „Die Helden des Iltis“, der von Fräulein Schmidt gesprochen werden wird. Es folgt die Erstaufführung von „König Ring“, Drama in drei Akten von Victor Laverrenz. Die Regie des Abends hat der Regisseur des Theaters, Herr L. Otto⸗ meyer, übernommen, der auch persönlich die ergreifende Dichtung „Der Rabe“ von Edgar Allan Poe zur Darstellung bringen wird. Schrift⸗ liche Billetbestellungen sind an das Bureau des riedrich⸗Wilhelm⸗ städtischen Theaters, NW., Chausseestraße 25/26, zu adressieren.
Der vierte Symphonie⸗Abend der Khöniglichen Kapelle unter Kapellmeister Felix Weingartner's Leitung findet am 17. Dezember statt. Zur Aufführung gelangen nur Werke von Beethoven.
Das Programm des am Montag, den 30. November, stattfindenden IV. Philharmonischen Konzerts unter Arthur Nikisch's Leitung und solistischer Mitwirkung von Frau Sofie Menter lautet definitiv, wie folgt: Symphonie in D-dur von Haydn (Nr. 2 der Breitkopf u. Härtel'schen Ausgabe welche in Berlin seit langer Zeit nicht mehr zur Aufführung gelangte); Klavier⸗Konzert in Es-dur ven Beethoven, gespielt von Frau Menter; „Also sprach Zarathustra“, Tondichtung für großes Orchester (zum ersten Mal) von Richard Strauß. Den Schluß bildet Wagner'’s „Tannhäuser“⸗Ouvertüre.
Bei dem Orgelvortrag in der Marienkirche, am nächsten Mittwoch, Mittags 12 Uhr, haben Herr Organist Friedrich Finke aus Spandau den Orgelpart und die Damen Fräulein Helene Linsener und Fräulein Emilie Jeschke die Gesänge übernommen. Zur Auf⸗ führung gelangen auf die Todtenfeier und die bevorstehende Advents⸗ zeit bezügliche Kompositionen. Der Eintritt ist frei. “
Morgen, Dienstag, findet Königliche Parforce⸗Jagt statt. Stelldichein: 12 ³¾ Uhr Jagdschloß Grunewald, 178 1h⸗ am Saugarten.
Mannigfaltiges.
Das Denkmal zur Erinnerung an die im November 1861 er⸗ trunkenen Mannschaften der „Amazone“ im Invalidenpark ist auch in diesem Jahre wieder mit Guirlanden und Kränzen geschmückt worden, welche von dem hiesigen Verein ehemaliger Matrosen der deutschen Marine und den Hinterbliebenen gewidmet sind.
Die Neue Berliner Omnibus⸗Gesellschaft hat ihre Linie Rosenthaler Thor — Anhalter Bahnhof über den letzteren hinaus durch die Möckernstraße bis zur Yorkstraße ver⸗ 8 1 Der Fahrpreis beträgt nach wie vor für die ganze Tour
Ueber die Witterung im Monat Oktober 1896 berichtet das Königliche Meteorologische Institut auf Grund der angestellten Beobachtungen Folgendes: Die Witterungsverhältnifse gestalteten sich während des Oktobers im größten Theil Norddeutschlands günstiger als in den vorangegangenen Monaten. Dies gilt namentlich von der Temperatur, deren onatsmittel meist über dem Normalwerth lag, im Nordosten bis zu 3 Grad; mestlich der Weser war es jedoch zu kühl, im Südwesten sogar bis zu 1 ½ Grad. In der ersten Hälfte des Oktobers wechselten warme, heitere Tage mit kühlen, trüben, während in der zweiten Hälfte die letzteren vorwogen. Im Gegensatz zu anderen Jahren ist diesmal die Lufttemperatur nur an wenigen Orten unter den Gefrierpunkt gesunken; dagegen trat aller⸗ dings Reifbildung häufig ein. Die Niederschläge waren meistens zu
ering, besonders im Nordosten, wo nur ein Drittel der Normal⸗ ö gemessen wurde, während es das Gebiet der mittleren und unteren Oder sowie die Rheinprovinz etwas zu naß hatte. Schnee fiel nur in den Gebirgen, ohne aber hier längere Zeit liegen zu bleiben. — Die Sonnenscheindauer betrug vielfach mehr als im voraufgegangenen September; doch wurde auch im Oktober nirgends die Hälfte der möglichen Dauer erreicht; ja, in Hessen⸗Nassau ging sie sogar wieder unter ein Fünftel derselben herab. Das Hochdruck⸗ . welches zu Ende September über Zentral⸗ Europa ag, zog zu Anfang Oktober nach Osten ab, während mehrere De⸗ pressionen im Nordwesten vorüberwanderten. Hierdurch wurden leb⸗ hafte, zum theil stürmische südwestliche Winde veranlaßt, welche die ziemlich milde Temperatur noch ein wenig erhöhten. Später ver⸗ lagerte sich ein neues Hochdruckgebiet von Spanien nach Rußland, wo⸗ durch am 6. ein Temperatursturz eintrat, dem sogleich wieder starke Er⸗ wärmung bei vielfach heiterem Wetter folgte. Vom 10. ab bis zum 24. wurde die Witterung in Deutschland durch Depression beeinflußt, welche Zentral⸗Europa südnördlich durchquerten, während sich im Osten, meist auch im Westen Anticyclonen befanden. Infolge dessen sank die Temperatur bis zum 13. überall sehr stark; während sie sodann im Nordosten unter geringen Schwankungen auch weiterhin abnahm, hob sie sich in den anderen Landestheilen am 15. wieder zu der vorigen Höhe, um dann ebenfalls stetig abzunehmen. Vom 24. bis 28. machte sich eine im Nordwesten vorüberziehende Depression geltend, der im Südosten hoher Luftdruck gegenüberstand; daher wehten meist Winde aus dem südlichen Quadranten, die eine weitere Abkühlung verhinderten. In den letzten Tagen des Monatsz erstreckte sich eine Furche niedrigen Luftdrucks südnördlich über Deutschland und brachte für den Osten Erwärmung, für den Westen aber neues Sinken der Temperatur.
In der alten „Urania“ (Invalidenstraße) wird Herr Astronom
G. Witt morgen seinen ersten Experimental⸗Vortrag „Ueber den
Bau des Weltsystems“ halten. 8 “
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten
Beilage.)
nora dalle Camelie.
Vorverkauf hat begonnen. 8
Schiller⸗Theater. Dienstag,
von Gotthold Ephraim Lessing. Der Pfarrer von Kirchfeld.
Anfang 7½ Uhr. Oper in 3 Aufzügen von Kirchfeld. Musik von Hector Berlioz. Herr Ernst Kraus, vom Hof⸗
264. Vorstellung. Was ihr
Gustav Steffens. Anfang 7 ½ Uhr.
Donnerstag: Treue.
Dienskag: Freiwild.
(Teja. Fritzchen. Himmelfahrt. —
in 3 Akten von Benno Jacobson. Linke.
von Julius Fritzsche. Anfang 7 ½
Hierauf: Unter den Linden.
Dienstag: Der Abend.
Dienstaa: Das W or no. Deutsch von Akten von Alexandre Luard Selby. — Darauf: Deutsch von Franz eutsch von Max Schoenau.
Mittwoch und folgende Tage:
Schiffbauerdamm 4a./5.
in 1 Akt von Otto Erich a. G.
posse
Eine wilde Sache.
Julius Einödshofer. Anfang
Donnerstag: Erster Duse⸗Abend. La Sig- — ül. (Die Dame mit den Camelien.) Schauspiel von Alexandre Dumas. Der
Abends 8 Uhr: Mittwoch, Abends 8 Uhr: Der Pfarrer von
Theater des Westens. Kantstraße 12. (Bahn⸗ hof Zoologischer Garten.) Dienstag: Schiedsmann Hempel. Volksstück mit Gesang in 4 Akten von Julius Keller und Louis Herrmann. o
Mittwoch: Schiedsmann Hempel.
Thalin-Theater (vorm. Adolph Dresdenerstraße 72/73. Direktion: 1 etterhäuschen. Musikalisches Genrebild von Adrian Roß. b. ermann Hirschel. Musik von Bertram 1 Zwei Schwieger⸗ öhne! Schwank in 4 Akten von M. Boucheron. Anfang 7 ½ Uhr. Das Wetter⸗ häuschen. — Darauf: Zwei Schwiegersöhne!
Bentral⸗Theater. Alte IJakobstra Direktion: Richard Schultz. Dienstag: Emil Thomas ; Große Ausstattungs⸗ mit Gesang und Tanz in 6 Bildern von W. Mannstädt und Julius Frannd. Musik von
k.
Mittwoch und die folgenden Tage: Eine wilde Sache.
Konzerte.
Sing-Akademie. Dienstag, Anfang 8 Uhr: Lieder⸗Abend von Anua Stephan.
8
““ “
Aonzerthaus. Karl Meyder⸗Konzert.
Dienstag: Ouverturen „Rienzi“, Wagner, „Das Geheimniß’, Smetana. Phantasie aus „Don Juan“ von Mozart. Walzer „Der Frauen Liebe und Leben“ von Blon. Potpourri „Ein Strauß von Strauß“ von Mohr. Fantaisie militaire 5 Violine von Leonard (Herr Schmidt⸗Reinecke). „Blumengruß' für Piston von Hahn (Herr Werner).
Musi
Saal Bechstein. Dienstag, Anfang 7 ½ Uhr: Lieder⸗Abend von Otti Hey.
“
Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57.] ——
Direktion: Julius Fritzsche. Dienstag: Der Eh —
mann vor der Thür. Komische Operette in 1 Akt von Carl Treumann. Musik von Jacques Offenbach. Dirigent: Herr Kapellmeister Korolanyi. — Hierauf: Mit neuer Ausstattung an Kostümen, Dekorationen und Requisiten: Unter den Linden. Balletphantasie . Musik von Paul Dirigent: Herr Kapellmeister Dahms. Der Verfograpüillche Theil arrangiert und einstudiert vom Balletmeister Greco Poggiolesi. a Scene gesetzt
Familien⸗Nachrichten.
Verlobt: Frl. Morgarete Ehrlich mit Hrn. Fabrik⸗ besitzer Hugo Sternberg (Breslau). Frl. Elise Schneider mit Hrn. Ingenieur und Lieut. d. R. Johannes Trelenberg (Breslau).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Konsul Paul Scheller (Dresden). — Eine Tochter: Hrn. Berg⸗Assessor von Skal (Antonienhütte, Schles.
hr. 8 Mittwoch: Der Chemann vor der Thür. — Gestorben: Kadett Bernhard von Lilt. Stutterbeim
(Köslin). — Fr. Hof⸗Jägermeister Liddy von Wolffersdorff, geb. Rath (Sondershausen). — Frl. Emma von Tresckow (Blankenfelde). — Hr. General⸗Lieut. z. D. Wilhelm von Henning (Char⸗ lottenburg). — Verw. Fr. Oberst Wilhelmine von Krieger, geb. Freiin von Hanstein (Trier). — Hr. Pastor Joh. Friedrich Werner (Wüstebriese Ohlau). — Hr. Geheimer Admiralitäts⸗Rath a. D., außerord. Mitglied des Kaiserlichen Patent⸗ amtes Adolph Brix (Berlin). — Hr. Professor Dr. Karl Hellmuth Dondorff (Görlitz).
Ernst⸗Theater).
W. Hasemann. Weather
AVerantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.
Acht Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
(1933 ½)
No. 278.
v11““ Bei zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußi
Berlin, Montag, den 23. November
Deutscher Reichstag. 129. Sitzung vom 21. November 1896, 1 Uhr.
Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend Abänderung und Ergänzung des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung, und zwar bei der am Freitag unterbrochenen Erörterung über § 56a der Straf⸗ prozeßordnung, betreffend Unterlassung der Beeidigung von
Zeugen. bg. Günther (nl.) ist mit dem Beschlusse der Kommission einverstanden und erklärt sich gegen die Anträge, während
Abg. Munckel (fr. Volksp.) bittet, den Richter in seinem freien Ermessen nicht zu sehr zu beschränken; denn gegenüber einem ein⸗ stimmigen Beschlusse des Gerichtes werde auch der Vertheidiger die Beeidigung nicht beantragen.
Geheimer Ober⸗Justiz⸗Rath Dr. Lucas empfiehlt die Annahme des § 56a, welcher bestimmt sei, die Zahl der Eide und damit auch der Meineide zu vermindern.
Abg. Haußmann (d. Volksp.): Die Frage ist praktisch von roßer Bedeutung, denn die jetzt bestehende Eidespflicht wird durch⸗ rochen; die Vereidigung soll unterbleiben können, und aus dem Voreid soll ein Nacheid werden; ferner soll der Eid aus der 1““ zum theil in das Vorverfahren verlegt werden.
a die Beeidigung unterbleibt, sollte eine Strafe für ügen vor Gericht eingeführt werden.
Abg. Freiherr von Gültlingen (Rp.) tritt für den Beschluß der Kommission ein, will aber die Entscheidung der Frage ganz in die Hände des Gerichts legen und eine Vereidigung auf Antrag des Angeklagten bezw. seines Vertheidigers nicht zulassen.
Abg. Beckh (fr. Volksp.) glaubt, dnß man nicht alles in die Hände der Richter allein legen dürfe; auf Antrag müsse eine Be⸗ eidigung der Zeugen erfolgen können, weil der Werth der Zeugen⸗ aussg en sich nicht gleich von vornherein klar erkennen lasse.
bg. Rembold (Zentr.) bezweifelt, daß durch die Berechtigung des Angeklagten, die Vereidigung zu verlangen, etwas gebessert werde; denn wenn das Gericht einstimmig zur Ueberzeugung ge⸗ kommen sei, daß die Aussage eines Zeugen unglaubwürdig sei, so werde es der beeidigten Aussuge auch keinen Glauben schenken. Redner fordert ebenfalls die Bestrafung unwahrer Aussagen vor Gericht.
Gebeimer Ober⸗Justiz⸗Rath Dr. Lucas erklärt, daß über diese Frage Erwägungen schweben; wann dieselben zum Ziele führen würden, 2. bei den noch nicht erledigten umfangreichen Arbeiten nicht zu über⸗ sehen.
Nachdem noch die Abgg. Munckel und Schmidt⸗ Warburg (Zentr.) sich geäußert haben, schließt die Debatte.
Der Vorschlag der Kommission wird unverändert an⸗ genommen.
Abg. Freiherr von Gültlingen beantragt, im § 57 der Straf⸗ prozeßordnung — wonach die Beeidigung der Personen, welche auf Grund des § 51 (wegen Verwandtschaft) das Zeugniß verweigern können, von dem richterlichen Ermessen abhängt — einzufügen, daß diese Bestimmung auch Anwendung finden solle auf die Personen, welche nach § 54 das Zeugniß verweigern könnten, weil sie sich bezw. ihren Verwandten eine strafgerichtliche Verfolgung zuziehen würden.
Geheimer Regierungs⸗Rath Dr. von Tischendorf glaubt, daß die verbündeten Regierungen der Annahme dieses Antrages einen grund⸗ sätzlichen Widerspruch nicht entgegensetzen würden. 8
Der Antrag wird abgelehnt. 8
Nach § 60 soll die Beeidigung des Zeugen nach Abschluß seiner Vernehmung erfolgen; der Richter darf eine Mehrzahl von Zeugen gleichzeitig beeidigen.
Abg. Freiherr von Gültlingen beantragt, den § 60 so zu fassen: „Jeder Zeuge ist einzeln, je nach Abschluß seiner Verneh⸗ mung, zu beeidigen.“
Abg. Lerno (Zentr.) will den ersten Satz des § 60 folgender⸗ maßen gefaßt wissen: „Die Beeidigung des Zeugen erfolgt in der Regel nach dem Abschlusse seiner Vernehmung; se kann schon vor der Vernehmung erfolgen, wenn zu befürchten ist, daß der Zeuge ohne vorherige Beeidigung nicht wahrheitsgemäß oder zurückhaltend ö wird.“
„Abg. Freiherr von Gültlingen zieht seinen Antrag zurück, während
Abg. Lerno seinen Vorschlag damit vertheidigt, daß ohne die ernste Mahnung des Voreides in manchen Fällen wahrheitswidrige Aussagen nicht verhindert werden könnten.
Int Geheimer Ober⸗Justiz⸗Rath Dr. Lucas erklärt sich gegen den ntrag. 60 wird unverändert angenommen. 1 Nach § 65 der Strafprozeßordnung erfolgt die Beeidigung in der Regel in der Hauptverhandlung; sie kann aber auch in der Voruntersuchung erfolgen. . Die Vorlage, welcher sich die Kommission angeschlossen
hat, bestimmt Folgendes:
„Die Beeidigung erfolgt bei der ersten gerichtlichen Vernehmung des Zeugen. Im Vorverfahren kann die Beeidigung unterbleiben, wenn Bedenken gegen deren Zulässigkeit obwalten, sowie wenn der Richter die Beridigung für den Zweck des Vorverfahrens nicht als
eerforderlich erachtet.⸗
Gef Abg. Munckel beantragt die Aufrechterhaltung des bestehenden esetzes. Soö elbe beantragt Abg. Rembold (Zentr.), welcher aber die Bezugnahme auf § 222 (kommissarische Vernehmung von Zeugen) gestrichen wissen will.
Abg. Haußmann: Ich bitte Sie, den Antrag Munckel anzu⸗ nehmen, es also beim Alten zu lassen. Die Beschwerden, welche man
egen die Vereidigung in der Hauptverhandlung vorgebracht hat, iegen nicht im bisherigen Gesetz, sondern in dessen Anwendung. Es wäre ein Rückschritt schlimmster Art, wenn ein wichtiger Theil des Verfahrens der Hauptverhandlung entzogen würde. Erfahrungsmäßig entschließt sich der Zeuge sehr schwer, in der Hauptverhandlung eine Aus⸗ sage zurückzunehmen oder zu modifizieren, die er in der Vorunter⸗ suchung gemacht hat. Das hat auch die Regierung in der Begründung zugegeben, und nun kommt sie mit diesem neuen Vorschlag. Dieser Vorschlag verstößt gegen die wichtigen Prinzipien der Oeffentlichkeit und der Mündlichkeit, da die Vereidigung nicht öffentlich ist und das Vereidigungsprotokoll zur Grundlage gemacht wird. Außerdem wider⸗ spricht derselbe dem eben gefaßten Beschluß, durch welchen wir den Nacheid eingeführt haben.
Abg. Rembold: Wenn der Vorschlag der Regierung an⸗ genommen wird, dann wird die Zahl der Eide noch vermehrt; denn jeder Zeuge würde im Vorverfahren und wiederum in der aupt⸗ verhandlung beeidigt werden müssen. Die Gelegenheit zu Meineiden würde also nur vermehrt werden.
Abg. Stadthagen (Soz.) erklärt sich für die Aufrechterhaltung des bestehenden Gesetzes, weil die Vorlage einen Rückschritt bedeute zu dem Millitär⸗Strafverfahren, wobei der Angeklagte der Ver⸗ nehmung und Vereidigung der Zeugen nicht beiwohne. Die be⸗ absichtigten Aenderungen würden lediglich eine ergiebige Quelle neuer Meineide werden. Schon heute schenke die Staatsanwaltschaft
der Vorbereitung der Anklage nur geringe Aufmerksamkeit; dieser
Umstand müsse zu erhöhter Vorsicht mahnen. Habe man doch erleben
müssen, daß in jüngster Zeit in Berlin ein acht⸗ und ein zwölf⸗
seeeeer Knabe vor Gericht unter Anklage des Diebstahls gestanden en.
Geheimer Ober⸗Justiz⸗Rath Dr. Lucas: Theoretisch ist es ein zutreffender Gedanke, die Vereidigung in der Hauptverhandlung stattfinden zu lassen, wo alle Betheiligten anwesend sind. Aber es haben sich große Mißstände ergeben, zunächst der, daß die Schuldigen sich oft der Untersuchung entziehen. Sie setzen sich mit dem Geschädigten in Verbindung und finden ihn durch ein Geldgeschenk ab, sodaß der Staatsanwalt die Anklage nicht mehr erhehen kann. Wir haben in Preußen früher den Nacheid gehabt, und es ist nicht bekannt geworden, daß er eine Quelle von Meineiden geworden wäre. Gewichtig ist allerdings der Einwand, daß bei der Vernehmung des Zeugen der Angeschuldigte nicht zugegen ist. Der Fall, daß ein acht⸗ und ein zwölfjähriges Kind vor Gericht hätten erscheinen müssen, ist mir nicht bekannt. Es wäre zu wünschen, daß der Abg. Stadthagen solche Dinge der Regierung anzeigen möchte, damit sie sich informieren könnte. Es braucht kein Irrthum des Staatsanwalts vorzuliegen, es kann ein Schreibfehler und eine unrichtige Angabe untergelaufen sein. 1
Der Antrag Munckelauf Beibehaltung der Bestimmung des bestehenden Gesetzes wird gegen die Stimmen der Konservativen angenommen; § 65 der Kommissionsbeschlüsse wird abgelehnt.
Zum § 68 beantragt Abg. Schmidt⸗Warburg (Zentr.) folgenden Zusatz:
„Die Vernehmung eines Geistlichen erstreckt sich nicht auf dasjenige, was ihm unter der Verpflichtung des Beichtgeheimnisses anvertraut ist. Das Gericht soll dem Geistlichen vor seiner Ver⸗ nehmung von vorstehender Bestimmung Kenntniß geben.“ 1
Abg. Schmidt⸗Warburg weist darauf hin, daß der Geistliche nicht erst in die Versuchung gebracht werden dürfe, sein Zeugniß unter Hinweis auf das Beichtgeheimniß zu verweigern; aus dieser Verweigerung dürfte leicht ein Schluß zu Ungunsten des An⸗ geklagten gezogen werden können, weil man annehmen müsse, daß der Geistliche in der Beichte etwas Ungünstiges erfahren habe; denn er dürfe auch Günstiges nicht aussagen. Deshalb dürfe die Vernehmung des Geistlichen nur soweit ausgedehnt werden, daß er sich auf das Beichtgeheimniß nicht erst zu berufen brauche. 1
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath von Lenthe: Die Reichs⸗ regierung würdigt vollkommen die Gründe, welche für die Heilig⸗ haltung des Beichtgeheimnisses sprechen, und sie ist nicht gewillt, ihr entgegenzutreten. Diese Gründe sprechen nicht nur für die katho⸗ lische Kirche, sondern auch für andere Konfessionen, z. B. die lutherische. Wenn ich trotzdem Sie bitte, den Antrag abzulehnen, so beruht dies auf der Ueberzeugung, daß die Heiligkeit des Beicht⸗ geheimnisses durch die Strafprozeßordnung vollständig gewährleistet ist. § 52 bestimmt ausdrücklich, daß der Geistliche sein Zeugniß ver⸗ weigern kann für alles, was ihm bei Ausübung der Seelsorge an⸗ vertraut ist. Denselben Zweck verfolgt § 55. Wie unter diesen Um⸗ ständen eine Verletzung des Beichtgeheimnisses denkbar sein soll, wenn der Geistliche von dieser Befugniß Gebrauch macht, weiß ich mir nicht zu erklären. Man hat zwar gesagt, daß der Geistliche selbst nicht angeben dürfe, daß eine bestimmte Perfon bei ihm gebeichtet habe; dem widerspricht aber die Thatsache, daß neben dem zuständigen Geistlichen auch andere Geistliche zur Abhörung der Beichte er⸗ mächtigt werden, und daß diese Personen bei den zuständigen Geist⸗ lichen das Abendmahl nehmen unter Vorzeigung des Beichtzettels. Auf diese Weise würde doch eine andere Person erfahren, daß eine bestimmte Person bei einem bestimmten Geistlichen gebeichtet hat. Doch mwüc ich darüber nicht streiten. Ich glaube, daß der Antrag über⸗
üssig ist.,
Abg. Dr. Pichler (Zentr.) weist darauf hin, daß die Fälle so ge⸗ artet sein könnten, daß selbst der Hinweis auf das Beichtgeheimniß schon den Verdacht erregen könnte, daß der Geistliche etwas von der Sache wisse. Dadurch werde das Beichtgeheimniß gefährdet. Daß der Antrag Schmidt den Interessen der gewissenhaften Geistlichen widersprechen solle, könne er nicht zugeben. Die Beurtheilung dar⸗ ssenr folte man der katholischen Kirche und deren berufenen Vertretern überlassen.
Abg. Stadthagen: Daß aus der Verweigerung des Zeug“⸗ nisses ein Schluß zu Ungunsten des e gezogen werden kann, trifft auch bezüglich der Aerzte und Rechtsanwalte zu; man sollte sie daher den Geistlichen gleichstellen, wozu die dritte Lesung Gelegen⸗ heit bieten wird.
Geheimer Ober⸗Regierungsrath von Lenthe: Es ist mir nicht bekannt geworden, daß seit dem Gelten der Strafprozeßordnung aus der Verweigerung des Zeugnisses unter Berufung auf das Beicht⸗ geheimniß ein Indizienbeweis hergeleitet worden und daß irgend welche Mißstände daraus entstanden wären.
Abg. Dr. Bachem (Zentr.): Ein taktvoller Richter kann dem Geistlichen jede Gewissensbeschränkung ersparen, wenn er nach dem fragt, was der Geistliche mittheilen kann, aber nicht, was er von der Sache weiß; denn die Verweigerung des Zeugnisses in diesem Falle beweist, daß der Geistliche etwas weiß uͤber die Sache, und dadurch wird der sakramentale Charakter der Beichte gestört. Durch die Annahme des Antrages Schmidt wird dem Staat kein Schaden zugefügt, die Beschwerden der Katholiken werden aber beseitigt.
Abg. Haußmann: Durch die Ausnahmebestimmung für die Geistlichen, Aerzte und Anwalte ist die Anerkennung eines sitt⸗ lichen Vertrauensverhältnisses ausgesprochen; aber darüber kann man nicht binausgehen. Das Bedürfniß zu einer Abänderung besteht nicht. Die drei Klassen von Personen sollen nur nicht zum Sprechen gezwungen werden, damit ist ihr Gewissen geschützt; aus dieser Zeugniß⸗ verweigerung kann kein Indizium entnommen werden.
Abg. Himburg (d. kons.) erklärt sich ebenfalls gegen den Antrag Schmidt; der Geistliche dürfe sein Zeugniß verweigern und könne dadurch nicht in eine Zwangslage kommen. Die Annahme des An⸗ trages würde nicht dahin führen, daß der Richter die Frage so formuliere, wie der Abg. Bachem es ausgeführt habe.
Der Antrag Schmidt wird angenommen.
Schluß nach 5 ½ Uhr. Nächste Sitzung: Montag, 1 Uhr. (Fortsetzung der zweiten Berathung der Novelle zu den Justiz⸗ gesetzen⸗ 1AE. der Sozialdemokraten, betreffend
ie Zollbehandlung feiner Lederwaaren in Rußland und be⸗ treffend die Besteuerun der Konsumvereine.) “ ss “ 8 5
2. Sitzung vom 21. November 1899. Das Andenken der seit dem Schluß der 1. Sessio verstorbenen Abgeordneten Hogrefe, von Busse und von Gliszcezynski ehrt das Haus in der üblichen Weise. Als „Schwerinstag“ zur Berathung von Petitionen und Initiativantragen wird wie bisher der Mittwoch bestimmt. Auf der Tagesordnung steht die Wahl des Präsidiums
und der Schriftführer.
Abg. Stengel (fr. kons.) schlägt vor, die Leitung der Geschͤfte wiederum denjenigen erfahrenen und werthen Händen anzuvertrauen, die sie seit Jahren geführt haben, und zum Präsidenten den Abg. von Köller durch Zuruf wiederzuwählen.
Dagegen erhebt sich kein Widerspruch, der Abg. von Köller ist somit gewählt und erklärt:
Meine Herren! Da Sie willens sind, mir das erste Amt dieses auses noch einmal anzuvertrauen, so füge ich mich bereitwilligst hrem Wunsche und nehme die Wahl an, indem ich Ihnen für
das mir noch immer erhaltene Vertrauen bestens danke. Ich hoffe, Sie werden mich mit demselben Wohlwollen und mit demselben freundlichen Entgegenkommen unterstützen, dessen ich mich nun schon 17 Jahre lang seitens dieses Hauses erfreue. b
Ebenfalls auf Vorschlag des Abg. Stengel werden die Abgg. Freiherr von Heereman (Zentr.) und Dr. Krause⸗ Königsberg (nl.) zum Ersten bezw. Zweiten Vize⸗Präsidenten wiedergewählt. Dieselben nehmen die Wahl dankend an.
Zu Schriftführern werden, gleichfalls auf Vorschlag des Abg. Stengel, gewählt die Abgg. Bode, von Detten, Im Walle, Dr. Irmer, Jürgensen, Meister, Weyerbusch, Worzewski.
Zu S ernennt der Präsident die Abgg. Dr. Sattler und Busch.
Damit ist das Haus konstituiert, und der Prästdent wird Seiner Majestät dem König die vorgeschriebene Meldung hiervon machen.
Schluß nach 2 ½ Uhr. Nächste Sitzung: Dienstag 11 Uhr. (Vorlage wegen Ankaufs der Hessischen Ludwigsbahn in Ver⸗ bindung mit dem Nachtrags⸗Etat; Konversionsvorlage.)
Parlamentarische Nachrichten.
Dem Reichstage ist eine Ergänzung zu dem Entwurf des Reichshaushalts⸗Etats für das Etatsjahr 1897/98 zugegangen, worin zu Besoldungsverbesserungen 10 150 000 ℳ gefordert werden, welche durch Matrikularbeiträge zu decken sind.
Der Vorlage ist folgende Denkschrift beigefügt:
Die Gehälteraufbesserung durch die Nachtrags⸗Etats für 1890/91 und 1891/92 hat sich auf die Unterbeamten, Kanzleibeamten und auf die niedriger besoldeten Klassen des mittleren Dienstes beschränkt, dagegen infolge des bei den Reichstagsberathungen für 1890/91 ge⸗ machten Abstrichs alle übrigen mittleren, sowie die sämmtlichen höheren Dienststellungen außer Betracht gelassen. Das hierdurch, namentlich innerhalb des mittleren Dienstes, geschaffene Mißverhältniß hat seitdem fortgesetzt Anträge auf Gehaltserhöhungen, insbesondere für Beamte der Heeresverwaltung, Postverwaltung und Marineverwaltung, hervorgerufen. Eine Stütze gewannen dieselben noch durch die Un⸗ gleichheiten, welche als unvermeidliche Folge der Einführung des Dienstaltersstufensystems an einzelnen Stellen eintraten. Auch dem Reichstage haben diese Verhältnisse wiederholt ge- Besprechungen und Wünschen geboten, welche bei Berathung des Etats für 1896/97 zu der Resolution führten:
„den 8 Reichskanzler zu ersuchen, in Anbetracht der auf Einführung des Dienstaltersstufensystems bei einzelnen Be⸗ amtenklassen eingetretenen Ungleichheiten mit Gehaltserhöhungen für diese Beamtenklassen vorzugehen, insoweit sie von den all⸗ gemeinen Gehaltserhöhungen des Jahres 1890 ausgeschlossen waren“.
Die amtlichen Erörterungen über die Anträge ergaben, daß auf den bisher nicht zum Gegenstand besonderer Abänderungswünsche gemachten Gebieten z. B. innerhalb der mittleren Beamten, nament⸗ lich bei den in Vorsteherstellungen befindlichen, dann aber auch in großen Klassen des höheren Dienstes eben solche Mißverhältnisse bestehen, wie sie in den gedachten Anträgen lediglich für einzelne Kategorien hervorgehoben waren. Die Abhilfe kann sich indeß nicht auf den Beamtenstand beschränken, vielmehr werden in gleicher Weise die Verhältnisse der Offiziere zu berücksichtigen sein, bei denen (namentlich für einzelne Stellungen) anerkannte Mißstände obwalten.
Derartige Erwägungen legten den Gedanken an die seit längerer Zeit verschobene, aber fortgesetzt in Aussicht gestellte allgemeine Weiter⸗ führung der Befoldungsaufbesserung mit größerer Dringlichkeit nahe.
Die Besserung in den Einnahmeverhältnissen des Reichs wie P läßt es gerechtfertigt erscheinen, diese Absicht in gewissen
renzen durch den nächstjährigen Etat zu verwirklichen.
Im Zusammenhange mit den für die preußische Staatsverwaltung in derselben Richtung sich bewegenden Bestrebungen und in wechsel⸗ seitiger Anpassung der für das Reich wie für Preußen in Betracht kommenden Verhältnisse ist ein Bild darüber gewonnen, in welchem Rahmen sich unter den gegenwärtigen Finanzverhältnissen die Auf⸗ besserung würde durchführen lassen.
Als Grundzug ist dabei innegehalten, daß es sich um eine Fort⸗ führung der 1890/91 erreichten Einkommensverbesserung handelt welche damals bei der Eingangs erwähnten, namentlich im Hinblick auf preußische Verhältnisse innerhalb des mittleren Beamtendienstes, vom Reichstage gezogenen Grenze stehen blieb. Die damalige Auf⸗ besserung hat ebenso wie die früheren in Preußen beziehungsweise für den Bundesdienst in den Jahren 1858 und 1867 unternommenen Ge⸗ hältererhöhungen von unten auf, also bei den niedrigst Besoldeten begonnen und für diese zu einem Abschluß geführt werden sollen Eine abermalige Berücksichtigung, insbesondere der Unterbeamten, be jetziger Gelegenheit eintreten zu lassen, würde sehr weitgehende Auf wendungen bedingt haben. Selbst die Herausgreifung einzelner Klassen hätte schwer zu übersehende Folgefungen im Reiche, und namentlich in Preußen, mit sich gebracht und den ganzen gegenwärtigen Plan der Weiterführung gefährdet. Ebenso hat der etwaigen Kon⸗ sequenzen wegen die an sich erwünschte Mitberücksichtigung einzelne militärischer Unterklassen sich als unmöglich erwiesen. A Kategorien des mittleren Beamtendienstes und des Kanzleidienstes, die im Jahre 1890/91 oder durch den ersten Nachtrags⸗Etat für 1891,92 und später bereits bedacht sind, haben grundsätzlich bei der gegen⸗ wärtigen Aufbesserung nicht von neuem betheiligt werden köͤnnen. Nur sind zur vollen Gleichhaltung mit den preußischen Eisenbahn- beamten bei den Reichs⸗Eisenbahnen die Werkstätten⸗Vorsteher, Stations⸗ Vorsteher zweiter Klasse, Stationskassen⸗Rendanten und Güter⸗ Expedienten zweiter Klasse, Werkmeister, Bahnmeister erster Klasse, Betriebs⸗Sekretäre, Telegraphen⸗Kontroleure, Stations⸗Aufseher und Stations⸗Assistenten, Materialien⸗Verwalter zweiter Klasse und Loko⸗ motivführer wieder mit berücksichtigt, da die Aufbesserung 1890/91 bei diesen Eisenbahnbeamten im Vergleich zu anderen Ressorts ausenahms⸗ weise gering war. Ebenso haben bei der Militärverwaltung ins⸗ besondere die Zahlmeister noch eine kleine Erhöhung erfahren, und sind die Ministerialkanzlisten in Sachsen und Württem erg entsprechend her⸗ ausgehoben; bei der Post⸗ und Telegraphenverwaltung aber sind die Mechaniker und Maschinisten in ihrem Einkommen verbessert behufs Gleichstellung mit den leichartigen Eisenbahnbeamten, sowie beim Reichstage und beim Reichsgericht die Bibliothekbeamten, trotz in⸗ zwischen schon erfahrener höherer Dotierung, abermals, und zwar in⸗ folge preußischen Vorgangs, bedacht.