1896 / 300 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 17 Dec 1896 18:00:01 GMT) scan diff

käuschen, indem ich sage, daß der Entwurf der Grundbuchordnung im 1 Laufe der nächsten Monate, also jedenfalls vor Abschluß der Arbeiten der hier für diesen Gesetzentwurf zu berufenden Kommission dem hohen Hause zugehen wird. (Bravo!) Die Kommission wird sonach durchaus in der Lage sein, den Inhalt der Grundbuchordnung vorher zu erwägen, wenn sie die Bestimmungen der Subhastationsordnung in ihre Berathungen nimmt. 1 1 Dann, meine Herren, hat der Herr Abgeordnete seinem Zweifel darüber Ausdruck gegeben, ob den Vorrechten der Landschaften, wie sie in den östlichen Theilen Deutschlands bestehen, auch genügend Rechnung getragen werde durch die Bestimmungen des vorliegenden Entwurfs. Um jeder Beunruhigung der landwirthschaftlichen Kreise vorzubeugen, nehme ich gern die Gelegenheit wahr, in Bestätigung dessen, was der Herr Abg. von Dziembowski gesagt hat, meinerseits zu erklären, daß diese Vor⸗ rechte durch den vorliegenden Entwurf in keiner Weise berührt werden. (Bravo! bei den Polen.) Der § 2 des Einführungsgesetzes, den der Herr Vorredner bereits die Güte hatte zu verlesen, deckt im Sinne der verbündeten Regierungen durchaus diese Vorrechte, wenn man damit in Verbindung setzt die einschlagenden Bestimmungen des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Es wird nach dieser ichtung hin ein Zweifel durchaus nicht entstehen können, und ich glaube, die landwirthschaftlichen Kreise dürfen sich darüber vollständig beruhigen. (Bravo! bei den Polen.)

Abg. Stolle (Soz.) tritt für den größeren Schutz der Bau⸗ handwerker ein. 1u“

Die Vorlage wird einer Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen.

Abg. von Kardorff (Rp.) bittet, die nun folgende Prüfung der Wahl des Abg. Reichmuth von der Tagesordnung abzusetzen, da 2 dieselbe reiches Material vorhanden sei und man nicht habe erwarten önnen, daß diese Wahl noch vor Weihnachten zur Berathung kommen

Das Verhalten der Herren, welches

würde. Abg. Dr. Lieber (Zentr.): kann das Haus nd gewohnt, nicht

zum Abbruch der vorigen Sitzung geführt hat nicht zum Entgegenkommen stimmen. Aber wir sj nach Stimmungen zu verfahren und werden dem Antrage stattgeben.

Die Abgg. Dr. von Marquardsen (nl.) und Rickert (fr. Vg.) schließen sich dieser Erklärung an.

Die Prüfung der Wahl des Abg. Reichmuth (Rp.) wird von der Tagesordnung abgesetzt.

Die Wahl des Abg. von Dziembowski⸗Bomst (Rp.) wird für gültig erklärt.

Die Wahl des Abg. Holtz (Rp.) soll nach dem Antrage der Kommission für ungültig erklärt werden.

Abg. Gamp (Rp.) beantragt, die Entscheidung auszusetzen und den Bundesrath zu ersuchen, eine Deklaration des § 8 des Wahl⸗ gesetzes eintreten zu lassen.

Berichterstatter Abg. Wellstein (Zentr.): Der Streit dreht sich darum, ob die Neuaufstellung der Wählerlisten nach Jahresfrist bei allen Wahlen oder nur bei wirklichen Ersatzwahlen nothwendig ist. In dem ersteren Sinne hat der Reichstag die Vorschriften ausgelegt. Das preußische Ministerium des Innern legt aber die Bestimmung dahin aus, daß bei einer Neuwahl infolge der Ungültigkeitserklärung die Aufstellung neuer Listen nicht erforderlich sei. In den 80 er Jahren haben jedoch preußische Minister eine andere Auffassung gehabt; 1881 kam das zum Ausdruck durch die Erklärung des Unter⸗Staatssekretärs Herrfurth, 1883 durch den Minister von Puttkamer. Danach ist die Wahl des Abg. Holtz ungültig; auf die Protestpunkte braucht man deshalb nicht erst weiter einzugehen.

Abg. von Kardorff: Es handelt sich hier um eine Prinzipien⸗ frage, in der sich zwei Anschauungen gegenüberstehen. Uns ist eine Reihe von Fällen bezeichnet worden und zwar von Herren, die dem Hause noch angehören, die auf Grund falscher Wahllisten, wie sie hier cür unrichtig erklärt worden, gewählt sind und hier sitzen. Es läßt sich namentlich nicht ermitteln, ob jedesmal die Neu⸗ anfertigung von Wahllisten verfügt worden ist oder nicht. Wir hatten die Absicht, uns über diese Wahllisten im einzelnen zu informieren und vorzutragen: Die und die Herren sitzen auf Grund solcher falscher Wahllisten auch hier. Es würde doch eine große Härte sein, diese eine Wahl für ungültig zu erklären. Darum habe ich das Haus gebeten, die Entscheidung über die Wahl auszusetzen.

Abg. Gamp: Der Berichterstatter hat seine Befugniß überschritten, indem er seinerseits Material vorgebracht hat, welches der Kommission nicht vorgelegen hat. Es ist nicht bloß ungewöhnlich, sondern auch un⸗ berechtigt, daß der Berichterstatter eine Erweiterung des Materials vor⸗ bringt; er hätte das als Mitglied des Hauses vorbringen können. Schon bei der Berathung des Wahlgesetzes bestanden Zweifel über die 1 Wahlaesetz und Wahlreglement stehen sich einander gegenüber. Wenn bei allen Wahlen nach Jahresfrist die Aufstellung neuer Listen erforderlich ist, dann müßte das auch der Fall sein bei etwaigen engeren Wahlen, die nach Ablauf des Jahres stattfinden, während die eigentliche Wahl noch innerhalb des Jahres erfolgte. Die engeren Wahlen müssen aber spätestens in 14 Tagen stattfinden, während die Wahllisten mindestens 4 Wochen offen liegen müssen. Die Erklärung des Staatssekretairs von Boetticher konnte keine authentische Inter⸗ pretation geben, weil die verbündeten Regierungen darüber keinen

Beschluß gefaßt hatten.

Abg. Freiherr von Hodenberg (b. k. F.) beantragt Schluß der Debatte, der Antrag wird aber nicht genügen unterstützt.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Woher Herr von Kardorff seine Vägersäan hat, daß auf Grund solcher Listen hier Abgeordnete sitzen, weiß ich nicht. Jedenfalls ist die Zeit verstrichen, innerhalb welcher die Mandate angefochten werden können. Die Mitglieder der Mehrheit der Wahlprüfungs⸗Kommission haben kein Wort verloren über die überraschende neue Auffassung der preußischen Regierung; B richterstatter mußte aber das Haus, welches sich nicht ständig mit diesen Fragen be Fäftigt. über die Gründe unterrichten; dafür werden ihm viele Herren Dank wissen. Auf die Gründe des Herrn Gamp einzugehen, ist überflüssig.

Staatssekretär des von Boetticher:

Meine Herren! Wie ich diese Frage beurtheile, die jetzt zur Diskussion steht, das wissen Sie aus meiner Beantwortung der Interpellation im Jahre 1895. Ich möchte nur einen Zweifel be⸗ seitigen, den man dahin erheben könnte, ob die Königlich preußische Regierung, indem sie die alten Wahllisten der Ersatzwahl für den Herrn Abg. Holtz zu Grunde legte, einen Rechtsirrthum begangen hat, den sie bei einiger Vorsicht hätte vermeiden können.

Meine Herren, die Sache liegt einfach so, daß das Wahlreglement mit den Vorschriften und mit dem Geist des Wahlgesetzes nicht harmoniert. Darüber ist gar kein Zweifel, daß, wenn man die betreffenden Vorschriften

des Reglements wörtlich zur Anwendung bringt, man das Verfahren

Innern, Staats⸗Minister Dr.

einzuschlagen hat, das die Königlich preußische Regierung in diesem

Falle beobachtet; denn in dem Reglement ist ausdrücklich ein Unter⸗ schied gemacht zwischen den Wahlen, die nothwendig werden infolge einer Ablehnung bezw. einer Ungültigkeitserklärung, und den Wahlen, die erforderlich werden zum Ersatz für ausgeschiedene Mitglieder des Reichstages, also infolge von Mandatsniederlegungen oder Tod. Das Reglement ist meines Erachtens nicht präzis und

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nicht der Absicht des Gesetzes entsprechend gefaßt, indem es für die erste Kategorie von Wahlen ausdrücklich die Vorschrift erlassen hat, daß, wenn diese Ersatzwahlen nach Ablauf eines Jahres vor⸗ genommen werden, dann neue Wählerlisten aufgestellt und ausgelegt werden sollen. Das Reglement hat im § 34 diese Vorschrift lediglich für diejenigen Ersatzwahlen getroffen, welche zum Ersatz für aus⸗ geschiedene Mitglieder angeordnet werden.

Also, meine Herren, die Königlich preußische Regierung konnte sehr wohl an der Hand des Wortlauts des Reglements einen Unter⸗ schied machen zwischen der ersten Kategorie von Ersatzwahlen und der zweiten; und die preußische Regierung ist ja nicht allein dieser Rechts⸗ auffassung gefolgt, auch die Großherzoglich sächsische Regierung hat in dem Falle, der zur Interpellation Richter geführt hat, auf die meine mehrerwähnte Antwort ertheilt worden ist, sich ganz von derselben Rechtsauffassung leiten lassen. Ich halte diese Rechtsauffassung für eine der gesetzgeberischen Absicht nicht entsprechende und bleibe nach wie vor dabei, daß es dieser Absicht durchaus entspricht, wenn in jedem Falle, in dem die Ersatzwahl, sie mag hergeleitet sein, aus welchem Grunde der Mandatserlöschung sie wolle, nach Ablauf eines Jahres nach der ersten Wahl vorgenommen wird, dann allemal neue Wählerlisten aufzustellen sind. (Sehr richtig! links.) Meine Herren, wenn der Reichstag, wozu er Gelegenheit hat, diese Auffassung acceptiert, so glaube ich wohl, daß die verbündeten Re⸗ gierungen sich derselben ebenfalls anschließen werden, und es wird wahrscheinlich nur eines Verwaltungsakts bedürfen, um künftig diese Rechtsauffassung bei den Wahlen zur Geltung zu bringen. (Sehr gut! links.) Also ich kann nicht zugeben, daß irgend eine mala fides (lebhafte Rufe: O nein!) oder auch nur eine nicht gehörig erwogene Auslegung den Entschluß der Königlich preußischen Regierung geleitet hätte. Die Auffassung der preußischen Regierung ist dabei bleibe ich durch den Wortlaut des § 34 unterstützt.

Wenn der Herr Abg. Gamp und darin will ich ihm entgegen⸗ kommen den Wunsch aussprach, man möge doch aus politischen Rücksichten diese von der preußischen Regierung und zwar nicht von dieser allein, sondern auch von anderen Regierungen vertretene Auffassung als eine in diesem Falle angezeigte und gerechtfertigte an⸗ sehen, so erlaube ich mir, dies der wohlwollenden Erwägung des Reichstages anheimzustellen. (Große Heiterkeit.)

Abg. Spahn sttellt fest, daß die Aufstellung neuer Wahllisten unter allen Umständen erfolgen müsse, wenn seit der Hauptwahl mehr als ein Jahr verstrichen sei.

Der Antrag des Abg. Gamp wird abgelehnt. Die Wahl des Abg. Holtz wird darauf für ungültig erklärt.

Schluß 51 ½ Uhr. 1

Dem Wunsche des

Abg. Liebermann von Sonnenberg (Reformp.), den Antrag von Kardorff's, wegen der Bäckereiverordnung, ebenfalls auf die Tages⸗ ordnung zu setzen, wird nicht entsprochen, da der

bg. von Kardorff erklärt, daß er annehme, es würden im Bundesrath bereits Vorbereitungen in dieser Sache getroffen.

Nächste Sitzung: Dienstag, 12. Januar 1897, 1 Uhr. (Etat des Reichsamts des Innern.)

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8

Preußischer Landtag. 8 Herrenhaus.

3. Sitzung vom 16. Dezember 18935. 8

Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.

Nach der Wahl des Präsidenten geht das Haus zur Be⸗ rathung des Gesetzentwurfs, betreffend den Erwerb des Hessischen Ludwigsbahn⸗Unternehmens für den preußischen und hessischen Staat, sowie die Bildung einer Eisenbahn⸗Betriebs⸗ und⸗Finanzgemeinschaft zwischen Preußen und Hessen, uͤber, den die verstärkte Finanzkommission unverändert anzunehmen empfiehlt.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Zu der Bitte, mir vor dem Eintritt in die Be rathung über den Gesetzentwurf, betreffend den Erwerb der Hessischen Ludwigs⸗Eisenbahn und die Bildung einer Finanz⸗ und Betriebs⸗ gemeinschaft zwischen Preußen und Hessen, das Wort zu gestatten, veranlaßt mich der lebhafte Wunsch, dem hohen Hause den Dank der Staatsregierung dafür auszusprechen, daß dasselbe durch Anberaumung der Sitzung vor Weihnachten es der Staatsregierung ermöglicht hat, diesen hochwichtigen Gesetzentwurf vor dem 1. Januar zur Verabschiedung zu bringen. Es war dies aus formellen Gründen durchaus nöthig. Hieran aber möchte ich zu gleicher Zeit die Bitte und die Hoffnung knüpfen, daß Sie dem Gesetzentwurf Ihre ein⸗ müthige Zustimmung ertheilen mögen.

Zur Sache selbst möchte ich dem Herrn Berichterstatter Ihrer Kommission nicht vorgreifen. Die Kommission des hohen Hauses hat, ebenso wie das Abgeordnetenhaus, einmüthig die hohe politische, finanzielle und wirthschaftliche Bedeutung des Gesetzentwurfs erkannt und demgemäß ihren Beschluß gefaßt. Meine Herren, die Ver⸗ abschiedung dieses Gesetzes bildet unzweifelhaft einen neuen Abschnitt in der Entwickelung unseres Verkehrswesens, einen neuen Abschnitt in unseren Verkehrsbeziehungen zwischen Süd⸗ und Norddeutschland, eine sehr wesentliche Verbesserung unserer Betriebs⸗ und Verwaltungs⸗ einrichtungen auf den betreffenden Linien.

Meine Herren, nur bezüglich eines Punktes möchte ich aus der Rolle fallen und schon in diesem Moment einige sachliche Be⸗ merkungen machen. Es sind in dem Vertrage zwischen Preußen und Hessen über die Bildung der Betriebs⸗ und Finanzgemeinschaft zwei Paragraphen die beiden Schlußartikel 22 und 23 —, die mehrfach außerhalb Preußens in anderen Bundesstaaten zu falschen Auffassungen Anlaß gegeben haben. In der Presse der betreffenden Länder findet sich die Befürchtung ausgesprochen, daß hier direkt oder indirekt darauf hingezielt werde, die jetzt in dem Besitz der einzelnen Bundesstaaten befindlichen Eisenbahnen entweder dem Reich zu überantworten, oder in die neugebildete Finanz⸗ und Betriebsgemeinschaft hineinzuziehen. Diese Artikel heißen, und zwar Artikel 22:

Für den Fall, daß die Aufnahme in die Gemeinschaft von anderen Eisenbahnverwaltungen des Deutschen Reichs beantragt und von der preußischen Regierung zugestanden werden sollte, wird die hessische Regierung einen Widerspruch dagegen nicht erheben, wenn die finanziellen Beziehungen nach den in diesem Vertrage an⸗ gewendeten Grundsätzen geregelt werden.

Meine Herren, diese Bestimmung war sowohl für Preußen wie für

absolut nothwendig, um der Zukunft wenigstens nicht die

Wege abzuschneiden; nicht die Wege abzuschneiden etwa einem anderen Bundesstaat, der aus irgend welchen Gründen Neigung besitzen sollte sich dieser Betriebs⸗ und Finanzgemeinschaft anzuschließen. Wir haben weiter nichts beabsichtigt, weder Preußen noch Hessen, als für diesen Fall eine Thür offen zu lassen; wir haben aber nicht beabsichtigt direkt oder indirekt nun unsere Nachbarn zu veranlassen, auch wirklich in diese Thür einzutreten; wir überlassen das lediglich dem Er⸗ messen eines Jeden und der Entwickelung der Zukunft Noch viel unbedenklicher ist und doch merkwürdigerweise noch mehr ss Befürchtungen Anlaß gegeben hat der Artikel 23, in dem es heißt: Jedem der beiden vertragschließenden Staaten soll es vorbehalten bleiben, für den Fall der Abtretung seines Eisenbahnbesitzes an das Deutsche Reich auch die aus diesem Vertrage erworbenen Rechte und Pflichten auf das Reich mit zu übertragen.

Hieraus wird gefolgert, daß beabsichtigt werde, den Reichseisenbahn⸗ Gedanken in anderer Form und auf anderem Wege wieder lebendig zu machen! Meine Herren, demgegenüber darf ich wohl darauf hin⸗ weisen, daß wir bisher bei allen Verstaatlichungen diesen Vorbehalt gemacht haben und daß die preußische Staatsregierung sich auch verpflichtet gehalten hat, dies zu thun, um wenigstens, wenn dereinst, was ja zur Zeit allerdings weder zu übersehen noch wahrscheinlich ist, der Reichs⸗ eisenbahngedanke Gestalt und Körper bekommen sollte, dem Reiche die Wege zu ebnen. Damit ist aber durchaus nicht etwa die Absicht aus⸗ gesprochen, nunmehr auf anderem Wege den Reichseisenbahngedanken zu fördern.

Ich habe mich für verpflichtet erachtet, zu Beginn der Berathung gerade auf diese beiden Punkte aufmerksam zu machen, um meinerseits dazu beizutragen, die Befürchtungen, die sich daran geknüpft haben. thunlichst zu zerstreuen.

Die Vorlage und der dazu gehörige Nachtrags⸗Etat werden darauf ohne Debatte unverändert definitiv genehmigt.

Die Vorlage wegen Kündigung und Umwandlung der vierprozentigen konsolidierten Staats⸗Anleihe beantragt die Finanzkommission durch ihren Referenten, Staats⸗ Minister Dr. Freiherrn Lucius von Ballhausen, gleich⸗ falls unverändert anzunehmen.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Gegenüber der ausführlichen Berichterstattung, die wir soeben gehört haben, dem Inhalt der Motive und den Ver⸗ handlungen im anderen Hause würde ich glauben, die Zeit des hohen Hauses ohne Noth in Anspruch zu nehmen, wenn ich dem allen noch viel hinzufügen wollte. Ich zweifle nicht, daß das hohe Haus mit der Staatsregierung der Meinung ist, daß die Lösung der Frage der Konvertierung nicht länger aufzuschieben, daß die Frage reif war und wir lange genug gewartet haben, um mit Sicher⸗ heit uns zu überzeugen, daß die Senkung des Zinsfußes nicht bloß auf Grund vorübergehender Konjunkturen, sondern auf Grund einer Gesammtentwickelung, die ganz Europa betrisst, eingetreten und dauernder Natur ist, soweit man überhaupt in wirthschaftlichen und menschlichen Dingen von einer Dauer reden kann. Nach⸗ dem wir uns auf diese Weise entschließen mußten, dem Beispiel der sämmtlichen Kulturstaaten von Bedeutung in Europa, dem Beispiel einer Reihe uns vorangegangener deutscher Staaten, dem Vorgehen fast sämmtlicher großen Kommunen in Deutschland, selbst der Entwickelung des Hypothekarzinsfußes nun auch unsererseits zu folgen, um den Vorwurf nicht begründet erscheinen zu lassen, daß der Staat in einer einseitigen Weise zu Lasten der mit fremden Kapitalien arbeitenden erwerbenden Klassen im Gewerbe, in der Industrie und namentlich in der Landwirthschaft eine Klasse einseitig begünstige, haben wir uns entschließen müssen, jetzt diese Maßregel zu treffen, waren uns dabei aber bewußt, daß es sowohl auf Grund sozialpolitischer Rücksichten als auch im dauernden Interesse des Staatskredits geboten sei, jede Milderung der Nachtheile in ausgiebiger Weise herbeizuführen, die bei diesem für viele ja recht schwierigen Uebergange hervorspringen. Wir sind in letzterer Beziehung weiter gegangen, soweit mir bekannt ist, als alle anderen Staaten. Wir haben uns entschlossen, den 4 prozentigen Zins noch ein halbes Jahr bis zum 30. September nächsten Jahres zu zahlen, wir haben eine Schonzeit von acht Jahren angenommen, eine Sicherung der Inhaber der nun zu konvertierenden Papiere, daß diese in ihrem Zinsfuß innerhalb dieser Zeit nicht weiter herabgesetzt werden, wir haben endlich die Eintragung in das Schuld⸗ buch unentgeltlich gemacht, weil wir den dringenden Wunsch hatten, daß gerade bei dieser Gelegenheit die Eintragungen in das Schuldbuch erweitert und vermehrt werden möchten. Im anderen Hause hat man denn auch fast einstimmig die Vorlage angenommen und eigentlich nur die eine Bestimmung erörtert, ob es berechtigt sei gegenüber den Staatefinanzen, Sicherung eines festen Zinsfußes auf acht Jahre zu geben. Selbst die⸗ jenigen aber, die diese Frage verneinten, mußten zu⸗ gestehen, daß diese Sicherung wohl auf fünf Jahre eingeräumt werden könnte, und so tritt hervor, daß die Frage der Frist doch nur von sehr mäßiger und geringer Bedeutung ist. Ich habe ausgeführt und kann es hier nur wiederholen, daß eine so große Maßregel wie diese Konvertierung, wo es sich um 3 ½ Milliarden handelt, so schnell überhaupt, selbst wenn diese wirthschaftlichen Ver⸗ hältnisse im Staat es gestatteten, doch nicht wiederholt werden dürfte; Eine Konvertierungsmaßregel hat immer ihre erheblichen Bedenken, auch nach der Seite des Staatskredits, während doch der Staat nicht übersehen kann, wann und zu welcher Zeit und in welchem Umfange er den Kredit in Anspruch nehmen muß. Wenn ich mir vorstelle, daß es wirthschaftlich möglich wäre, in einigen Jahren was ich heute verneinen möchte auf 3 % zu konvertieren, so bin ich überzeugt, wird mein Nachfolger im Amt genau so verfahren, wie wir verfahren haben. Wir hätten schon eine Konver⸗ tierung, wie sie hier vorliegt, vor etwa vier Jahren machen können; denn da standen die 3 ½ prozentigen Konsols schon über pari. Hätten wir bloß die Konjunktur benutzen wollen, wie das private und selbst kleinere Korporationen und Korporationen einer bestimmten Klasse, wie z. B. die Landschaften, vollkommen zu thun berechtigt sind, während der Staat andere Rücksichten zu nehmen hat, so hätten wir schon vor 4 Jahren konvertieren können, und ich glaube, Sie werden mir zugeben, daß das vorsichtige Verhalten der Staatsregierung in dieser Frage nur zu billigen ist. Jetzt sind wir dahin gekommen, daß die gesammte öffentliche Meinung, und ich glaube, ein großer Theil der Besitzer der Konsols selbst sagt: es geht nun nicht anders mehr, die Dinge haben sich so klar nach dieser Seite entwickelt, daß der Staat nicht mehr anders

8 zann. Diesen Erfolg wollten wir erreichen, damit die Konvertierung

nicht wie eine fiskalische Vergewaltigung der Staatsgläubiger aussieht, ondern wie eine nothwendige Folge gegenüber einer allgemeinen Ent⸗ wickelung, deren Herr wir nicht sind. Daher glaube ich, ob man 5 oder 8 Jahre Zeit gewährt für die betreffenden Gläubiger,

damit ist dem Staatsinteresse kein Abbruch geschehen; man wird

doch so schnell zu einer neuen Konvertierung in keinem Falle über⸗ gehen. Anderseits ist die Schonzeit für eine große Anzahl der In⸗ haber der 4prozentigen Konsols doch eine erhebliche Beruhigung; darüber kann kein Zweifel sein. Das Ziel, welches wir mit einer so vorsichtigen Konvertierung verfolgen, daß nämlich keine großen Kapital⸗ verschiebungen stattsinden, daß das Kapital im Inlande bleibt, wird auch durch diese Maßnahme ganz entschieden begünstigt werden. Ich glaube daher, daß auch das hohe Haus an diesem einzigen umstrittenen Punkt keinen Anstoß nehmen wird, und ich bitte mit möglichster Einstim⸗ migkeit um die Annahme der Vorlage. Je einmüthiger die beiden Häuser des Landtages in dieser Beziehung der Maßregel der Staatsregierung zustimmen, um so mehr wird das Resultat erreicht werden, welches ich vorhin als wünschenswerth bezeichnete, daß die öffentliche Meinung und die Staatsgläubiger selbst sich überzeugen, der Staat konnte sich nicht länger der Lösung dieser Frage entziehen.

Graf von Mirbach hätte eine sofortige Konvertierung auf 3 % sehr gern gesehen, verkennt aber die großen Schwierigkeiten nicht, die einer so radikalen Maßregel entgegengestanden hätten. Im Hinblick auf England und Frankreich sei aber doch die Frage, ob nicht baldigst mit der Konvertierung der 3 ½ prozentigen Papiere vor⸗ zugehen sein würde, gründlich zu erwägen. Anknüpfend an einen Artikel aus der „Deutschen Volkswirthschaftlichen Korrespondenz“, der die Höhe des deutschen Bankdiskonts behandelt, bittet Redner das Ministerium, zu erwägen, ob nicht eine Erhöhung des Kapitals der Reichsbank ge⸗ boten sei, da doch die 120 Millionen Grundkapital absolut nicht mehr ausreichten. Der Diskontsatz der Reichsbank sei z. Z. der höchste im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern ein Beweis für den schweren Druck, der auf demjenigen Erwerbsleben in Deutsch⸗ land laste, welches nicht von dem Begriff „mobiles Kapital“ ge⸗ deckt werde. Industrie und Landwirthschaft seien gleichmäßig daran interessiert, daß der Baarvorrath der Bank ganz erheblich gesteigert

de. 8 Frhr. von Durant ist gleichfalls der Meinung, daß der jetzige

Moment für die Konversion der passendste ist. Bezüglich der Herab⸗ setzung des Zinsfußes der Staatspapiere sofort auf 3 %, theilt er nicht die Ansicht des Vorredners; dann hätte die Börse freieres Feld für ihre Operationen gehabt, und viel größere Kapitalien der bis⸗ herigen Staatsgläubiger wären in unsicheren Fonds angelegt worden. Auch die Schutzfrist sei zu billigen. Nicht zu leugnen seien die wesentlichen Nachtheile der Konvertierung für die kleinen Rentner und wie Stiftungen. Gewisse Ausgleiche seien ja bereits angekündigt; amit würden jedoch nicht alle Betheiligten entschädigt. Um so afreulicher sei, daß die Finanzverwaltung noch aus einem besonderen, bent. noch zu erhöhenden Dispositionsfonds derartige, sonst nicht zu deseitigende Benachtheiligungen wieder gut zu machen beabsichtige.

Graf von Puückler⸗Burghauß erklärt die Konvertierung für einen Bruch des Vertrauens gegen die Staatsgläubiger. Außer den Banken und Börsenleuten dränge kein Mensch auf die Konvertierung, am wenigsten die Besitzer der Konsols. Außer jenen habe auch nie⸗ mand einen Vortheil von der Maßregel. Er werde gegen die Vorlage stimmen. 8

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Wohl in keinem Lande der Welt, namentlich auch in Preußen nicht, sind die Anschauungen des Herrn Grafen von Pückler⸗Burghauß jemals acceptiert worden. Man thut jetzt vielfach so, als ob eine Konvertierung zum ersten Male in Preußen geschähe. Meine Herren, wir haben im Jahre 1842 die gesammten Staatsschuldscheine von 4 auf 3 ½ % ohne diese Milderungen konvertiert, und damals standen die 3 ½ % igen Papiere nicht so hoch, wie heute. 1885 haben wir die große Konvertierung durchgeführt und später haben wir die 4 ½ %o igen und 4 % igen Prioritäts⸗Obliga⸗ tionen der verstaatlichten Eisenbahnen konvertiert in Konsols. Mit einem Wort, diese ganze Maßregel ist nichts Neues. Meine Herren, wie soll der Staat nicht berechtigt sein wie der Herr Graf von Pückler meint wegen eines allgemein gesunkenen Zins⸗ fußes den Zinssatz, den er selbst an die Gläubiger zahlt, herabzusetzen? hat denn jemals der Staat eine solche Verpflichtung übernommen, niemals den Zinsfuß herabzusetzen? Jeder weiß, daß sich nach dem veränderten Zinsfuß auch der Zinsfuß der Staa tspapiere richten wird und muß. Ich meine auch, daß die Schlesische Landschaft in weniger rücksichtsvoller Weise konvertiert hat, als wir es hier vorschlagen, denn zum größten Theil sind ihre Pfandbriefe auf 3 % konvertiert worden. Das war ja ein viel größerer Sprung. Die Wirkung, von der man spricht, das Geld werde ins Ausland gehen, ist bei der Konvertierung von Pfandbriefen und Kommunal⸗Obliga⸗ tienen genau dieselbe, als bei der Konvertierung von Staatspapieren. Auch die allerruhigsten und solidesten Leute haben solche Pfandbriefe im Besitz, und deshalb ist diese Wirkung, wenn sie überhaupt eintritt, bei der einen Art von Papieren ebenso gut vorhanden, wie bei der anderen. Ich glaube aber nun nicht, meine Herren, daß diese Wirkung in einem erheblichen Maße zu befürchten ist, gerade weil wir uns mit dieser Konvertierung auf der Basis des landesüblichen Zinsfußes bewegen. Wenn alle absolut sicheren, die sichersten Hypotheken in den letzten Jahrzehnten von 5 auf 4 ½, von 4 ½ auf 4 und jetzt sogar auf 3 ½ und zt heruntergegangen sind, so würden ja hierdurch auch dieselben Folgen entstehen. Wenn wir den Sprung auf 3 % gemacht hätten, so würde ich die Befürchtung des Herrn Grafen von Pückler theilen. Das ist der Hauptgrund gewesen, warum wir obwohl wir vielleicht mit einer Prämie die Möglichkeit gehabt hätten, 7 Milliarden auf 3 % zu konvertieren, allerdings mit großem Risiko für den Staat auf 3 ½ % konvertiert haben. Wenn wir diesen Sprung gemacht, den Gläubigern 1 % plötzlich entzogen hätten, dann, glaube ich, würde allerdings die bezeichnete Gefahr entstanden sein. Jetzt aäaber, wo wir gewissermahen nur auf den agandesüblichen Zinsfuß heruntergehen denn Preußische Obligationen sind immer noch mehr werth wie selbst sichere Hypotheken, schon wegen ihrer leichten Veräußerlichkeit und Beweglichkeit glaube ich nicht, daß ein solches Vorkommniß zu befürchten sein wird. Daß die großen Banken zu konvertieren wünschen, habe ich nicht bemerkt, selbst Börsen⸗ blätter haben in letzter Zeit vielfach Bedenken geäußert; das ist auch ganz natürlich, denn den großen Banken ist es angenehmer, über⸗ flüssiges Geld in 4 % igen Papieren anlegen zu können, als zeitweilig in 3 %o ige und sie glauben auch nicht an große Kapital⸗Verschiebungen, wie sie ja auch in Bayern, wie ich gehört habe, in keiner Weise ein⸗ getreten sind. Ich hoffe, daß ein Entfliehen des Kapitals ins Aus⸗ land infolge der Konvertierung nicht eintreten wird. Herr Graf Mirbach erinnert sich vielleicht selbst nicht mehr seiner Aeußerungen aus dem Jahre 1885 er ist sich konsequent geblieben, als er sagte: „wir müssen tiefer herunter konvertieren.

Damals hat Graf Mirbach schon vorgeschlagen: 3 %. Wenn ich nun aber annehme, daß wir dem Rath damals gefolgt wären (Zuruf des Grafen Mirbach: Freiwillig!) damals war von Frei⸗ willigkeit noch nicht die Rede —, so haben wir Zeiten gehabt, wo die 3 % igen Konsols mit 86 % ausgegeben wurden, und wenn wir jetzt mit einer kleinen Prämie die Leute aufforderten, die 3 ½ prozentigen Konsols in 3 prozentige zu konvertieren, so können Sie nicht garantieren, ob nicht in kurzer Zeit die 3prozentigen Papiere weit unter pari gehen würden und die Inhaber nicht bloß an Zinsen verlieren, sondern auch an Kapital mehr, als ihnen die Prämie bietet. Ich glaube auch eine freiwillige Konvertierung wäre im Augenblick bedenklich und würde jedenfalls die Einfachheit der Operation, die wir jetzt vornehmen, durchkreuzen. Wenn man später einmal auf eine solche Maßregel bei weiterem Rückgang des Zinsfußes zurückkommen will, so ist uns das ja vorbehalten. Wir haben ja immer noch 3 ½prozentige Papiere, die jetzt schon zirkulieren, in Höhe von 2 Milliarden, bezüglich deren wir vollkommen frei sind. Ich sage das letztere aber nicht deswegen, als ob irgendwie die Absicht bestände, schon in einer übersehbaren Zeit eine solche Maßregel vor⸗ zunehmen, jedenfalls nicht eine Zwangskonvertierung. Es ist für den Staat bedenklich, mit den Konvertierungen zu schnell hinter⸗ einander vorzugehen. Das giebt eine Unruhe und Unsicher⸗ heit im Besitze der Staats⸗Obligationen, die man unter allen Umständen vermeiden muß. Die jetzigen Inhaber der 3 ½ %igen Papiere, die von der Konvertierung nicht berührt werden und für welche auch nicht die sogenannte Schonzeit gilt, die im Gesetz enthalten ist, können doch vollkommen beruhigt sein, daß sie, soweit man über⸗ haupt solche Dinge übersehen kann, in absehbarer Zeit in ruhigem Besitz und ruhigem Genuß ihrer Obligationen bleiben, und es ist von Werth, das auszusprechen auch gegenüber der bevorstehenden Kon⸗ vertierung.

Meine Herren, es ist ja möglich, daß wenn 3 ½ %ige Papiere eine solche gesetzliche Sicherheit gegen eine weitere Konvertierung auf 8 Jahre besitzen, der Kurs derselben etwas verschieden sein wird von dem Kurs der jetzigen 3 ½ igen Papiere, das würde ich aber auch nicht für ein großes Unglück halten. Die Schwankungen im Kurs unserer Konsols gehen doch auch jetzt häufig von Woche zu Woche auf 30 ₰, 50 und höher. Aber ich glaube, es kann auch das Gegentheil eintreten, daß nämlich der Kurs dieser beiden Arten Papiere gar nicht verschieden ist, namentlich wenn die Ueberzeugung durchdringt bei den Besitzern der jetzigen 3 ½ prozentigen Papiere, daß eine nahe Gefahr einer weiteren Konvertierung für sie überhaupt nicht besteht, und daß diese Festsetzung im Gesetz nur gegeben ist, um ängstliche Gemüther zu beruhigen.

Herr Graf von Mirbach hat gesprochen über England und Frankreich. Die Franzosen haben dieselbe Frage behandelt vor 2 ½ Jahren. Sie hatten 7 Milliarden 4 ½ prozentige Papiere zu kon⸗ vertieren, damals standen in Frankreich die 3 prozentigen Papiere zu pari, während sie bei uns heute noch unter pari stehen. Nun wurde auch dort erwogen: ob man diese 7 Milliarden 4 ½ prozentiger Papiere konvertieren solle in 3prozentige oder in 3 ½ prozentige. Man konnte sehr wohl in 3 prozentige konvertieren, denn sie standen pari, und die 3 ½ prozentigen standen erheblich über pari. Dennoch entschied schließlich, nachdem die Frage eingehend berathen war, die Regierung sowohl, wie auch fast einstimmig der Senat und das Abgeordneten haus sich für die Konvertierung auf 3 ½ Prozent, man scheute sich auch dort, einen solchen gewaltigen Sprung zu machen. Es wurde auch die Frage wegen der Vertreibung des Kapitals ins Ausland reiflich erwogen; man sagte allgemein, es muß allmählich vorgegangen werden, man kann nicht solche gewaltsamen Maßregeln ergreifen. Ganz ähn⸗ liche Motive haben auch wir für 3 ½ Prozent.

Das sind die Erwägungen gewesen, meine Herren, die uns bewogen haben, den Zinsfuß von 3 Prozent jetzt vorzu⸗ schlagen. Der Staat hat den Zinsfuß nicht künstlich herab⸗ zudrücken, er handelt aber auch unrecht, wenn er ihn dauernd künstlich hochhält, und in der Lage würden wir sein, wenn wir heute nicht vorgingen mit der Konvertierung; wir würden sie unterlassen zu Lasten der Landwirthschaft, die 17 Milliarden Schulden zu tragen hat, zu Lasten aller erwerbenden Klassen, während wir mit der Kon⸗ vertierung keinerlei Unrecht thun gegenüber den Besitzern von Staats⸗ papieren, die sich sagen müssen: wir müssen uns auch mit der allgemeinen Entwicklung bewegen; wenn man in anderen sicheren Anleihen nicht mehr bekommen kann als 3 ½ %, so haben wir nicht das Recht, mehr vom Staat zu verlangen, es würde sonst eine Begünstigung der Kapitalistenklasse zum Nachtheil der übrigen Klassen und zum Nachtheil der Steuerzahler stattfinden. Nun hat Herr Graf Mirbach die Frage der Reichsbank berührt. Ich halte mich nicht für berechtigt, auf diese von ihm gestellte Frage ein⸗ gehend zu antworten, weil dies eine Reichsfrage ist, und ich in dieser Beziehung dem Herrn Reichskanzler bezw. dem preußischen Herrn Minister⸗Präsidenten nicht vorgreifen möchte. Ich möchte nur eines ihm zu erwägen geben. Wenn er den niedrigen Diskont in Frankreich und zum theil in England verglichen hat mit dem augenblicklichen Diskont in Deutschland, so glaube ich, muß doch dabei erwogen werden, daß der Aufschwung der Industrie, die starke Bewegung in Handel, Gewerbe und Groß⸗ industrie augenblicklich in Deutschland stärker ist als in diesen beiden andern Ländern, und daß die Nachfrage nach Zirkulationsmitteln darum kann es sich beim Diskont nur handeln deshalb naturgemäß in Deutschland stärker ist wie in England und namentlich in Frankreich. Es sind auch sonst eine Reihe Umstände hinzugekommen, welche Gold in das Ausland geführt haben, nach Rußland und Amerika. Ich will aber die Frage dabei nicht ent⸗ scheiden, ob auf die Dauer das Kapital unserer Bank als groß genug angesehen werden kann, und ob nicht vielleicht auf Grund einer Ver⸗ mehrung des Kapitals eine Erhöhung der freien Steuergrenze sich als nothwendig erweisen kann. In dieser Beziehung wird vielleicht der Herr Reichsbank⸗Präsident besser Auskunft geben können. Ich möchte nicht näher darauf eingehen. Nur das glaube ich betonen zu können, daß die Frage der jeweiligen Diskontsätze mit der Frage des landesüblichen Zinsfußes nur in dem losesten Zusammenhang steht. Wir haben Zeiten gehabt, wo der landesübliche Zinsfuß 5 % und der Diskont 2 ½ % betrug. Wir haben umgekehrt Zeiten gehabt, wo der landesübliche Zinsfuß 3 % war die Zeiten haben wir in den 30er Jahren auch erlebt und der Diskontsatz weit höher war. Der landesübliche Zinsfuß ist die Vergütung, die man zahlt für die Hergabe eines Kapitals auf längere Zeit gegen sichere Unterlage. Welche Vergütung da in der

allgemeinen Meinung für angemessen erachtet wird, das ist der landes⸗

Konsols heute noch 98,30 stehen,

Zinsfuß. Diskont ist die Miethe, die für eine zeitweilige Hergabe meist auf kurze Dauer von Um⸗ laufsmitteln, von baarem Gelde, Noten, Wechsel genommen wird. Das hat mit dem landesüblichen Zinsfuße an und für sich nichts zu thun. Diese beiden Dinge werden oft verwechselt, und das Publikum spricht in beiden Fällen von Zins; es sagt: die Zinsen sind hoch, das Geld ist theuer, die Kapitalien sind theuer.

Das ist unrichtig. Allerdings läßt sich nicht leugnen, daß eine gewisse

Berührung stattfindet. Wenn der Diskont lange Zeit sehr hoch bleibt, dann kann es kommen, daß jemand, um hohe Diskontsätze zu genießen, derartige solide Papiere verkauft; das Angebot dieser Papiere wächst dann. Das ist aber nur vorübergehend. Wenn heute das Geld 5 %, 6 %, ja bei Ultimoschiebungen, wie ich gestern gelesen habe, sogar 7 % kostet und der Kurs unserer 3 prozentigen Konsols 3 bis 3 ½ % über pari sich befindet, so haben Sie darin den klaren Beweis für das, was ich gesagt habe. Wenn unsere 3 prozentigen während die Diskontsätze sich über 5 % bewegen, so ist der vollkommenste Beweis geliefert, daß wir unbedenklich mitten in solchem knappen Geldzustande mit der Konvertierung vorgehen können. Welche Gefahren würde die Kon⸗ vertierung überhaupt haben? Wo sollen wir denn Menschen finden, die, wenn sie einen Werth von 103 bis 104 haben können, statt dessen 100 vorziehen, d. h. die Kündigung acceptieren und sich die Papiere baar zu pari auszahlen lassen und auf die 104 verzichten? Das müßten sonderbare Herren sein, die solche Kalkulationen anstellen. Das fürchte ich garnicht. Die Sache wird nach meiner Ueberzeugung nichts weiter als eine große Abstempe⸗ lung sein und wird bei uns ebenso glatt verlaufen wie in allen ander Ländern. Es wird dabei kein Geld bewegt, und daher wird auch die Operation auf den momentanen Geldstand, auf die Diskontsätze ga nicht einwirken.

Nun ist aber der Zeitpunkt auch nach einer andern Seite hin durchaus gut gewählt. Es läßt sich ja nicht leugnen, daß ein groß Theil der Beamten und Offiziere, ihrer Wittwen und Waisen vielfa ihren Besitz in 4 prozentigen Papieren angelegt haben und durch di Konvertierung natürlich geschädigt werden. Aber wenn dies nu gleichzeitig mit einer allgemeinen Gehaltserhöhung geschieht, wie wi sie jetzt gleich nach Januar dem hohen Hause vorlegen werden, wenn 8 dies geschieht gleichzeitig mit schon durch die Gehaltserhöhung steigenden Beträgen für die Wittwen⸗ und Waisenpension, wen dafür noch durch ein besonderes Gesetz weiter gesorgt werde soll, so kann man doch sagen, es werden so manche 8 peinliche Lagen, in die solche Personen durch die Konvertierung kommen, beglichen werden. Freilich kann nicht jede Schwierigkeit, die gewissen Familien erwächst, ausgeglichen werden, das ist absolut un⸗ möglich; das kann aber auch niemand verlangen. Eine Stiftung, die ihren ganzen Besitz im Grundbesitz angelegt hat ich kenne eine Reihe solcher Stiftungen wer hat denn diese dafür entschädigt, daß die Rente des Grundbesitzes von Jahr zu Jahr zurückgegangen ist? Eine andere Stiftung hat ihren Besitz in Hypotheken angelegt, und der Hypothekenzinsfuß ist von 4 ½ auf 3 ½ zurückgegangen, wer hat sie dafür entschädigt? Wir haben jeden Weg, der mit dem Staats. interesse irgend vereinbar ist, die Konvertierung thunlichst zu mildern gewählt, und damit können wir uns in unserem Gewissen auch diesen vereinzelten Nachtheilen gegenüber vollständig beruhigen.

Präsident des Reichsbank⸗Direktoriums, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Koch: Der Bankzinsfuß hat thatsächlich mit dem Zins- fuß für dauernde Anlagen wenig zu thun. Das von dem Grafen Mirbach erwähnte Blatt ist kein Blatt, das hauptsäͤchlies die In⸗ teressen der Industrie vertritt; wenigstens ist der Verfasser des

u. Artikels ein der Industrie fernstehender Schriftsteller. Die rhöhung des Grundkapitals der Reichsbank ist eine Neben⸗ sache; unser Kapital sind unsere Noten, das Notenausgaberecht ist für uns die Handhabe zur Vervielfachung jenes Stammkapitals. Die Vergleiche mit den ausländischen Banken sind nicht ohne große Vorbehalte zulässig. In Frankreich und England sind in den letzten Jahren bei weitem nicht die Ansprüche an die Staatsbank erhoben worden als bei uns. Auch unser Münzumlauf ist nicht zu klein und die Auffassung, daß der hohe Diskontsatz auch des Goldes, d. h. der Goldwährung wegen nöthig sei, ganz haltlos. Die Einführung einer Schutzfrist ist nur zu empfehlen. 1

Graf von Pückler⸗Burghauß bleibt dabei, daß die Kon⸗ vertierung Nachtheile hat. Er danke dem Finanz⸗Minister für seine beruhigenden Worte, habe aber den Eindruck, daß der Finanz⸗Minister seine Bedenken im tiefsten Herzen theile. Da sein Votum gegen die Vorlage doch keine Bedeutung haben würde, stimme er nunmehr für von Mirbach erklärt, bei seinen Vorschlägen wegen einer Konversion auf 3 % nur eine freiwillige Konversion, event. mit einer kleinen Prämie im Sinne gehabt zu haben, eine solche Maß⸗ nahme könne unmöglich den Kapitalmarkt erschüttern. Des weiteren polemisiert er gegen einige Ausführungen des Reichsbank⸗Präsidenten Dr. Koch. Die hohe Inanspruchnahme der Bank von Frankreich erkläre sich sofort aus ihrem hohen Notenumlauf.

Präsident des Reichsbank⸗Direktoriums, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Koch bestreitet letzteres. Auch der hohe Metallschatz spiele die bedeutende Rolle absolut nicht, die Graf Mirbach ihm unterschiebe.

Graf von Mirbach lehnt ein weiteres Eingehen auf diese 4 9 ab, auf die man sich demnächst im Reichstage näher einlassen

rde. 8 Die Vorlage wird darauf ohne Spezialdiskussion en bloc angenommen.

Schluß 4 ½ Uhr. Nächste Sitzung: Donnerstag 12 Uhr. (Interpellation des Grafen Udo Stolberg wegen der Fonds⸗ börsen; Gesetzentwurf wegen 2b der Detailreisenden;

leinere Gegenstände; Petitionen.

Literatur.

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Weihnachts⸗Bücher.

Geschichten aus Holstein. Erzählungen von Charlott Niese. Leipzig, Verlag von Fr. Wilh. Grunow. Preis fein geb. 3 30 ₰. Die Verfasserin hat ihr Talent für die anschauliche Schilderung des Kleinstadtlebens und der originellen Charaktere, die im Gegensatz zu der nivellierenden 32 auf diesem Boden noch immer am besten gedeihen, bereits früher dargelegt. In den sechs Erzählungen des vorliegenden Bandes, welche alle echt holsteinisches Lokalkolorit zeigen, beweist sie dieses Geschick aufs neue und bethätigt darin auch ihren gemüthvollen Humor. Die Verfasserin wird durch diesen neuen Zend sbren Ruf als begabte und beliebte Erzählerin sewiß noch mehr befestigen.

. 4 nc. dem rührigen Verlage von S. Schottländer in Breslau liegt schon wieder eine Reihe von Werken der erzählenden Literatur vor, auf die in nachfolgenden Zeilen hingewiesen sei. In vierter Auflage erschien „Gerke Suteminne“, ein märkisches Kulturbild aus der Zeit des ersten Hohenzollern, in drei Büchern, von Gerhard von Amyntor (Dagobert von Gerhardt) (Pr. geh. 10 ℳ). Die

Treue und Wãarme des kulturhistorischen Kolorits und die lebendig