1896 / 301 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 18 Dec 1896 18:00:01 GMT) scan diff

um Schluß möchte ich noch einmal hervorheben, 1 Herr Ring einer der Vorredner 8 9 8 ereits betont hat, und was auch ich betonen möchte, daß wir es urchaus als ein Recht ansehen, daß unserer loyalen Interessen⸗ ertretung eine feste abgegrenzte Mitwirkung an Börse und Markt ingeräumt werde. Worin kann aber diese Mitwirkung bestehen? Sie besteht einzig und allein darin, daß ein Deputirter

ter Landwirthschaftskammern das Recht hat, den betreffenden Sitzungen, Berathungen und Vorgängen beizuwohnen. Er wird ja ie im stande sein, die Preisbildung zu beeinflussen; er wird aber n die Kreise seiner Fachgenossen Orientierung bringen über die Das scheint allerdings

Vorgänge, welche an der Börse stattfinden. den Herren unangenehm zu sein u. s. w. Sie sehen also, damals hat man sich die Sache ganz anders gedacht, da hat man es für völlig ausreichend gehalten, wenn Ver⸗ treter der Landwirthschaft in den Vorständen vorhanden und im stande sind, die Interessen der Landwirthschaft zu wahren. Und, meine Herren, reicht denn das nicht aus? Steht nicht hinter ihnen die Aufsichtsbehörde? Bin ich nicht als Handels⸗Minister befugt, zu sagen: Ich verlange, daß diese oder jene Einrichtung ge⸗ troffen, geändert oder beseitigt wird? Bin ich nicht in der Lage, von der Aufsichtsbefugniß in solchen Fällen Gebrauch zu machen? Ich glaube, Sie haben keinen Anlaß, ohne daß Sie das Bedürfniß genau kennen, mit Anträgen auf Abgrenzung eines ziffernmäßigen Verhältnisses heranzutreten; ich glaube, Sie können das der Fürsorge der Regierung überlassen, die das kann ich Ihnen versichern den besten Willen hat, die berechtigten Interessen der landwirthschaftlichen Produktion zu wahren. Was nun die allgemeine Bezeichnung der verschiedenen Arten und Qualitäten des Getreides für die Preisfeststellung betrifft, so wird in dieser Beziehung den Desiderien des Herrn Vorredners, wie ich glaube, genügend Rechnung getragen werden. Es ist in den Börsen⸗

ordnungen ausdrücklich vorgesehen, daß die Preise nach Qualitäten notiert werden sollen, sodaß man in der Folge bei den Preis⸗ notierungen weiß, was man sich darunter zu denken hat, für welche

Waare die Preise gelten.

1 Ueber die Forderung, die Börsenordnungen selbst den Land⸗

wirthschaftskammern mitzutheilen, darüber wird vielleicht der Herr Landwirthschafts⸗Minister sich erklären. Ich glaube, es würde kaum angängig gewesen sein, noch weitere Zeit zu verlieren, 1. Januar muß die ganze Einrichtung in Kraft

die Zeit drängt in der Beziehung außerordent⸗

8 und wir sind in der Ausführung auch dadurch sehr ufgehalten worden, daß zunächst von der Reichsregierung in Aussicht

genommen war, kommissarische Berathungen über eine gleichmäßigere Gestaltung verschiedener Ausführungsvorschriften seitens der Bundes⸗ regierungen abzuhalten. Solche kommissarische Berathungen haben stattgefunden; wir haben deren Ergebnisse abgewartet, ehe wir zu weiteren Bestimmungen bezüglich der Börsen⸗ ordnungen übergingen. Hätten wir dazu übergehen wollen, die einzelnen Börsenordnungen, die erst vor kurzem herausgegangen find, noch vorher den Landwirthschaftskammern vorzulegen, dann würde die Zeit schwerlich ausgereicht haben, um zu einer rechtzeitigen Fest⸗ stellung zu gelangen.

b Minister für Landwirthschaft ec. Freiherr von Hammer⸗ tein: G

Meine Herren! Ich darf kurz anknüpfen an die letzte Bemerkung des Herrn Handels⸗Ministers und zunächst darauf hinweisen, daß die landwirthschaftliche Verwaltung bei der Prüfung dieser Frage die Absicht gehabt hat, den landwirthschaftlichen Verwaltungs⸗ organen die weitestgehende Mitwirkung einzuräumen. Das geht ja auch daraus hervor worauf Herr Graf von Klinckowstroem schon hingewiesen hat —, daß seitens der landwirthschaftlichen Ver⸗ waltung die Landwirthschaftskammern sofort aufgefordert wurden, sich über die maßgebenden Fragen zu äußern. Bei der landwirth⸗ schaftlichen Verwaltung haben wir sorgfältig die Frage geprüft, ob bei der kurzen Zeit, die bis zur Emanation der Börsenordnungen zur Verfügung steht, es möglich sein würde, auf Grund von Gutachten der Landwirthschaftskammern, auf Grund der Voten des Landwirthschafts⸗Ministers bezw. der übrigen betheiligten Ressorts die ausgearbeiteten Börsenordnungen auch den landwirthschaftlichen Vertretungsorganen zur Prüfung vorzulegen. Wir haben aber die Ueberzeugung gewinnen müssen, daß das wegen Kürze der Zeit nicht möglich war.

Es erschien eine nochmalige Anhörung der landwirthschaft⸗ lichen Vertretungsorgane auch um deswillen kaum mehr geboten, weil ja die Landwirthschaftskammern schon Gelegenheit gehabt hatten, ihre Ansichten über den materiellen Inhalt der Börsenordnungen der Staatsregierung zur Kenntniß zu bringen.

Ich habe mit Rücksicht auf die ausführlichen Darlegungen des Herrn Haadels⸗Ministers keine Veranlassung, noch tiefer auf das Materielle einzugehen; nur in Bezug auf Aeußerungen des Herrn Grafen Klinckowström möchte ich mir folgende Bemerkung gestatten: Bei der Prüfung der Frage, in welchem Umfange landwirthschaftliche Vertreter in die Börsenorgane hineinzuschieben sind, hat die land⸗ wirthschaftliche Verwaltung auch sorgsam die Frage geprüft, ob, wenn eine zahlreiche Vertretung von Landwirthen in diesen Organen in Aussicht genommen werde, die Landwirthschaft in der Lage sein werde, so viele für die Aufgabe geeignete Personen bei den einzelnen Börsen zur Verfügung zu stellen, und zwar Land⸗ wirtbe, welche, ohne Verletzung ihrer Berufspflicht, mit den nöthigen Kenntnissen ausgerüstet, auch mit Rücksicht auf ihren Wohnsitz nahe dem Sitz der Börse, eine sachlich begründete Vertretung der land⸗ wirthschaftlichen Interessen im Börsenvorstand auszuführen im stande wären. Nach den bereits gemachten Erfahrungen haben wir be⸗ gründeten Zweifel, ob das möglich sein wird. Beispielsweise hat schon früher bei der Börse in Berlin eine Betheiligung geeigneter Landwirthe, die an den Probewiegungen und ähnlichen Maßnahmen theilnehmen sollten, versagt. Die Herren, welche dazu designiert waren, erklärten, das nähme ihre Thätigkeit in solchem Umfang in Anspruch, hindere sie so sehr, ihre eigenen Geschäfte zu besorgen, daß sie ablehnen müßten, in solchem Umfange an der Sache sich zu betheiligen. Anknüpfend an die Aeußerungen des Herrn Handels⸗Ministers, welcher darauf hinwies, daß nicht die Zahl der Vertreter der Landwirthschaft in den Börsenorganen, sondern die Befähigung der Landwirthe zu der schwierigen Aufgabe nach

was

Ansicht der Staatsregierung entscheidend zu sein scheine, möchte auch ich auf diesen Gesichtspunkt besonderes Gewicht legen. Aus allen diesen Gründen dürfte es sich empfehlen, zunächst die Er⸗ fahrungen aus diesen doch zunächst provisorischen Einrichtungen ab⸗ zuwarten. Als solche muß man sie doch mit Recht einstweilen um deswillen bezeichnen, weil eine ganz neue Einrichtung auf Grund einer neuen Gesetzgebung in Frage steht: eine Einrich⸗ tung, welche bisher unbekannte Anforderungen an die Landwirth⸗ schaft, die Börsenorgane und an die Organe der Staats⸗ regierung stellt. Der Herr Handels⸗Minister hat bereits erklärt, die Staatsregierung beabsichtige in loyalster Weise, die bessernde Hand anzulegen, wenn sie durch Erfahrung die Ueberzeugung gewinne, daß die getroffenen Einrichtungen sich als ungenügend erweisen, daß sie dabei stets auch den Interessen der Landwirthschaft die vollste Berück⸗ sichtigung zuwenden werde. Seit Monaten hat sich die Staats⸗ regierung unausgesetzt mit diesen sehr schwierigen Fragen be⸗ schäftigt. Die landwirthschaftliche Verwaltung ist redlich bemüht gewesen, dabei die Interessen der Landwirthschaft im Rahmen des ergangenen Börsengesetzes sachgemäß und nach allen Richtungen wahrzunehmen. Die Fragen, um deren Entscheidung es sich handelt, sind aber so außerordentlich schwierig, es sind so manche Hindernisse zu übersteigen, um in dieser so schwierigen Materie volle Klar⸗ heit zu erlangen, daß, wie ich glaube, auch die berufsmäßigen Land⸗ wirthe, welche in die Börsenorgane berufen werden, vor einer nicht leichten Aufgabe stehen werden. Alle Betheiligten müssen über das neue Gesetz, über dessen Ausführung, über dessen Mängel nach allen Richtungen erst Erfahrungen sammeln. Liegen solche vor, dann wird nach den Erklärungen des Herrn Handels⸗Ministers, welchen ich mich voll anschließe, die Staatsregierung in der Lage und bereit sein, auf Grund besserer Orientierung wie zur Zeit, in allen Richtungen die bessernde Hand an die jetzt zu erlassenden Börsen⸗ ordnungen zu legen.

Meine Herren, zum Schluß möchte ich noch eine kurze Bemerkung machen. Wer die Geschichte der Börsengesetzgebung anderer Staaten verfolgt hat und ich habe das vor längerer Zeit gethan, weil ich mich schon seit Jahren für diese Dinge interessierte —, der wird Folgendes bestätigt finden: Am interessantesten ist die Geschichte der Börsengesetzgebung in Frankreich. Lange bevor wir daran dachten, in diese Dinge legislativ einzugreifen, hat die französische Regierung stets erneut gegen die aufgetretenen Mißbräuche auf dem Gebiet der Böoͤrse legislativ eingegriffen; bald nachdem ein solches Gesetz erlassen war, stellte sich fast regelmäßig heraus, daß das erlassene Gesetz unwirksam war, weil neue Mißbräuche an der Börse zu Tage traten. Man nahm dann von neuem die Klinke der Gesetzgebung in die Hand, um den neu hervorgetretenen Miß⸗ ständen entgegenzuwirken. Meistens hat sich aber derselbe Vorgang stets wiederholt. Deshalb, meine Herren, darf man sich nicht der Täuschung hingeben, die Auswüchse, die Mißbräuche der Börse seien dauernd durch ein Gesetz wie das vorliegende zu beseitigen. Der Schwerpunkt liegt allein in dessen Ausführung. Um so weniger glaube ich, daß das der Fall sein wird, als wir selbst noch ausgiebige Er⸗ fahrungen bezüglich der Ausführung dieses Gesetzes machen müssen. Ich bin ehrlich gewillt, auf diesem Gebiet die Interessen der Land⸗ wirthschaft im Rahmen meiner Zuständigkeit, soweit wie ich das kann, zu wahren, habe das, wie ich glaube, auch schon bisher redlich gethan. Richtig erscheint mir nun aber auch, daß nun auch die Landwirthschaft selbst mit Vertrauen abwartet, ob denn das Erreichte den Interessen der Landwirthschaft und event. in welcher Richtung nicht entspricht. Liegt solcher Nachweis vor, dann wird die Staatsregierung bereitwilligst helfen. Wir werden auf diesem Wege besser zum Ziele kommen, als wenn wir jetzt mit mehr oder weniger theoretischen Erörterungen uns be⸗ fassen. Ich wiederhole: es kommt, glaube ich, nicht auf die Zahl der Vertreter an, mit der die Landwirthschaft bei den Börsenorganen ver⸗ treten ist, sondern darauf, daß die Vertreter der Land⸗ wirthschaft diefer schwierigen Aufgabe sich als gewachsen erweisen werden, und ob sich an allen Börsenorten Landwirthe finden werden, welche die Befähigung für diese Aufgabe besitzen und bereit und in der Lage sind, unter Nichtverletzung der übrigen Berufspflichten einer solchen Aufgabe sich voll hinzugeben. Ob das überall der Fall sein wird, erscheint mir noch sehr zweifel⸗ haft. Vor allem aber möchte ich Sie davor warnen, Personen mit diesen Aufgaben zu betrauen, die nicht mehr in der praktischen Land⸗ wirthschaft stehen, die anderen Berufen angehören, vielleicht sogar verkrachte Landwirthe sind, Personen, welche glauben, daß sie aus der Vertretung der Landwirthschaft in den Börsenorganen einen Lebens⸗ erwerb und Beruf machen können. Ich bitte, nach dieser Richtung hin sehr sorgsam vorzugehen.

Herr von Below⸗Saleske: Wir verstehen allerdings sehr wenig von den Interessen der Fondsbörse; aber von den Interessen der Land⸗ wirthschaft verstehen die Kaufleute noch viel weniger. Also schon aus Nützlichkeitsgründen und der Zeitersparniß halber ist eine Trennung geboten. Sehr angenehm ist es, daß man in Berlin und Breslau zwei Abtheilungen einrichten will; aber das ist nur eine halbe Maßregel. Geben Sie einen Schritt weiter, lassen Sie aus den Abtheilungen besondere Kommissionen werden und richten Sie diese auch in Königsberg, Danzig, Stettin und Köln ein! Sind wir einmal in den Börsenvorständen, dann wollen wir auch ein Wort mitreden; wir wollen nicht bloß Gäste, sondern vollberechtigte Mit⸗ glieder sein. „Warten“, weiter warten soll die Landwirthschaft, nach⸗ dem sie schon so lange gewartet hat! Freilich wird die Erlösung erst kommen, wenn die Handelsverträge er⸗ s aber in⸗ zwischen soll man nicht einfach die Hände in den 4 legen.

Ober⸗Bürgermeister Becker⸗Köln: Der orredner sollte sich doch mit den entgegenkommenden Erklärungen des Ministers be⸗ gnügen. Praktisch sei doch noch gar nicht bewiesen, ob nicht die ver⸗ langte Trennung der Landwirthschaft durchaus zum Vortheil gereichen müsse; es könne auch das Gegentheil eintreten. Thatsächlich später eintretenden Mißständen sei die Regierung nach ihrer heutigen Erklä⸗ rung entgegenzutreten gezwungen. 88 8

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld: 1

Meine Herren! Es ist mir gesagt, es könnte aus meinen Aeußerungen geschlossen werden, als ob ich mich den Wünschen gegen⸗ über, die hier in Bezug auf die Trennung der Fonds⸗ von der Produktenbörse von vielen Seiten in sehr einleuchtender Weise begründet worden sind, durchaus ablehnend verhielte. Das ist durchaus nicht der Fall. (Bravo)) Im Gegen⸗ theil, ich verstehe vollkommen, daß Sie diesen Wunsch haben, und bin meinerseits sehr gern bereit, ihn dort, wo es praktisch ausführbar ist, zur Durchführung zu bringen. (Bravo!) Ob es aber überall durchführbar ist, weiß ich nicht; das nur weiß ich bestimmt, bis zum 1. Januar wird es nicht gehen; also Sie müssen sich schon mit meinem guten Willen zunächst begnügen.

börse

gegenüber Grafen

balte ich mich auch für verpflichtet scharfen Angriffe, der von dem Herin von Klinckowstroem gegen die Königsberger Kaufmanns gerichtet ist bezüglich ihres ablehnenden Verhaltens bei Probeverwiegungen, noch eine berichtigende Mittheilung aus dem mir vorliegenden Bericht der Königsberger Kaufmannschaft zu machen, in welchem die Begründung ihres ablehnenden Verhaltens niedergelegt ist. Ich will nur diejenigen Stellen mittheilen, die, wie mir scheint das Verhalten der Königsberger Kaufmannschaft vornehmlich zu kr. klären geeignet sind. Sie führt an:

„Die Jahreszufuhr Königsbergs in inländischem Getreide beträgt im Durchschnitt 100 000 und 150 000 t. Es handelt sich also täglich durchschnittlich um 80 120 ank Posten, die einzeln an der Börse verkauft werden.“

Es heißt dann weiter:

„Die Getreidebörse beginnt Vormittags 11 ½ Uhr und danert eine Stunde. Die einzelnen, an jedem Börsentage für die Kom⸗ missionäre ankommenden Getreidesendungen stehen auf den Bahn⸗ höfen in der Regel erst einige Stunden vor Beginn der Börse zur Verfügung der Empfänger. Sie verbleiben auf den Bahnhöfen u. s. w., bis der Verkauf an der Börse bewirkt ist und darauf die Sendung direkt an die Speicher der Käufer übergeführt wird; in dieser sehr kurzen Spanne Zeit zwischen der Ankunft der Sendung und dem Beginn der Getreidebörse müssen die Kommissionäre von den auf den Bahnhöfen u. s. w. angekommenen Sendungen Proben entnehmen, nach ihren Geschäftsräumen schaffen und dort die Beschaffenheit bei Weizen und Roggen, auch das Qua⸗ litätsgewicht, feststellen lassen. Wenn nach Euer Excellenz Erlaß verfahren werden sollte, so müßte die durch uns und den Vertreter der Landwirthschaft zu kontrolierende Probeentnahme und Nachverwiegung bereits auf den Bahnhöfen und in den Geschäftsräumen der einzelnen Kommissionäre geschehen. Es liegt aber auf der Hand, daß es unmsglich ist, täglich in einer so kurzen Zeit durchschnittlich 100 derartige Probeentnahmen und Ver⸗ wiegungen auf den Bahnhöfen und in den einzelnen Geschͤäftsräumen der Kommissionäre durch unseren Beauftragten und einen Vertreter der Landwirthschaft vornehmen und nachprüfen zu lassen. Die Zeit ist für die Kommissionäre so knapp, daß sie nicht einmal in der Lage sind, die Probeentnahme auf den Bahnhöfen selber zu bewirken, sondern zu diesem Zweck ihr Arbeitspersonal entsenden und durch dieses sich die Probe in ihr Geschäftslokal zur Verwiegung hringen lassen müssen.“

Ich habe mich für verpflichtet gehalten, Ihnen diese Ausführungen vorzulesen, und füge nur noch das Eine kurz hinzu, daß wir in Aus⸗ sicht genommen haben, demnächst, nachdem die Staatskommissare be⸗ stellt sind, im einzelnen untersuchen zu lassen, ob und in welcher Weise die Probeverwiegungen durchführbar sind.

Im übrigen möchte ich glauben und das ist von dem Herrn Vorredner richtig hervorgehoben —: in dem Börsenvorstand sollen künftig die Vertreter des Handels, die Vertreter der Landwirthschaft und die Vertreter der landwirthschaftlichen Nebengewerbe zusammen⸗ wirken. Wenn sie aber in gedeihlicher Weise zusammenwirken sollen, dann ist es doch dringend wünschenswerth, daß man sich miteinander möglichst zu vertragen sucht und möglichst milde und nachsichtig die gegenseitigen, oft genug sich scharf gegenüberstehenden Interessen be⸗ urtheilt und berücksichtigt. Ich möchte deshalb die Herren, die das Wort hier ergreifen, bitten, thunlichst solche Ausdrücke, die von der andern Seite schwer empfunden werden, zu vermeiden. Wenn man die Vertreter des Handels, der Börsenintere ssen, die sogenannten Börsianer, wie man sie zu bezeichnen pflegt, so ansieht, als ob sie gewissermaßen Malefikanten wären, so empfinden sie das sehr übel, es erregt und kränkt sie naturgemäß sehr, und ich kann Ihnen ver⸗ sichern, es sind Kommissionen der Herren bei mir gewesen, die in so hohem Grade der Erregung sich befanden, daß ich alle Mühe gehabt habe, sie zu beruhigen. Ich möchte ein Wort zum Frieden einlegen. Lassen wir uns bemühen, uns gegenseitig zu vertragen. Nur unter dieser Voraussetzung wird es möglich sein, daß die in dem Börsen⸗ vorstande vertretenen verschiedenen Elemente künftig in gedeihlicher Weise zusammenwirken. (Bravo!)

Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ tein:

Zunächst kann ich bestimmt erklären, daß vom Standpunkt des landwirthschaftlichen Ressorts aus es für dringend erwünscht gehalten wird, daß an denjenigen Börsen, wo die Produktenbörse eine um⸗ fassende Bedeutung hat, selbständige Produktenbörsen errichtet werden, dort also eine Trennung der Produktenbörse von der Fonds⸗ eintritt. (Bravo!) Soweit mir eine Einwirkung auf die Organisation zusteht, habe ich bereits und werde ich auch fernerhin dahin zu wirken suchen, daß eine solche Trennung ausgeführt wird (Bravo!) gwei Bemerkungen des Herrn von Below geben mir Veranlassung zu einer, wie ich glaube, kurzen Richtigstellung. Wenn ich von der Mit⸗ wirkung landwirthschaftlicher Sachverständiger an der Berliner Börse sprach, so bezog sich dieser Hinweis nicht auf eine allgemeine Theilnahme an den Verhandlungen der Börse, sondern speziell auf die Probewiegungen. An diesen Probewiegungen theilzunehmen, waren landwirthschaftliche Sachverständige beauftragt. Da solche Probewiegungen, oft ja meistens an jedem Börsentage vorzunehmen waren, versagten die Herren Land⸗ wirthe sehr bald und erklärten: die Ausführung einer so weitgehenden, umständlichen Anforderung gestatte ihnen nicht die Wahrnehmung ihrer eigenen Berufspflichten.

Eine zweite Bemerkung des Herrn von Below kabe ich dahin verstanden, daß er sagte, die landwirthschaftlichen Sach⸗ verständigen, die in den Börsenvorstand eintreten sollen, hätten an der Preisbildung mitzuwirken. (von Below: Preisfestsetzung!)

Dann bin ich beruhigt. Ich wollte sonst darauf hinweisen, daß der Börsenvorstand auf die Preisbestimmung überall keinen Einfluß haben kann oder soll. Die Aufsicht über eine richtige Preis⸗ festsetzung zu kontrolieren, kann ebenso gut von wenigen in den Börsenvorstand berufenen Landwirthen, wie von vielen ausgeführt werden, wenn sie nur sachverständig sind⸗ Stellen sich dabei unerlaubte Maßnahmen der Börsenorgane heraus, so wird die staatliche Aufsichtsbehörde über die betreffende Börse ein⸗ zugreifen haben. Es kommt aber meines Erachtens nicht darauf an, um solche Feststellung zu kontrolieren, daß in dem Vorstand die Hälfte aus Kaufleuten und die andere Hälfte aus Vertretern der Land⸗ wirthschaft besteht, wohl aber darauf, daß die Vertreter der Landwirth⸗ schaft hierbei ebenso sachverständig sind, wie die Vertreter des Handels.

Dann dem sehr

Das führt erneut darauf hin, ob es recht schwer sein wird, bei der Ausführung dieser Aufgaben so viele und so tüchtige Landwirthe zu finden, welche sich in die ihnen zufallende schwierige Aufgabe rasch und geschickt hineinfinden werden, so daß sie den Kaufleuten ebenbürtig sind. Meine Herren, nicht so sehr auf die Zahl, sondern auf die Qualität dieser Herren kommt es an.

Graf von Klinckowstroem berichtigt, daß sich sein Ausdruck „Unverschämtheit“, den er übrigens bedauere, nur darauf bezogen habe, daß die Bae, veel Börse der Landwirthschaftskammer einfach zumuthe, das Getreide selbst verwiegen zu lassen.

Ober⸗Bürgermeister Bender⸗Breslau: Der Breslauer Ge⸗ treidemarkt ist eine städtische Einrichtung. Die schlesische Landwirth⸗ schaftckammer hatte die Regierung ersucht, in derselben Richtung, wie eben von Königsberg erwähnt wurde, in Breslau auf regelmäßige Probe⸗ wiegungen hinzuwirken. Es ist das von der Börsenkommission als unausführbar bezeichnet, der betreffende Bericht aber von der Kammer sehr ungnädig aufgenommen worden; es hieß in der Antwort: wenn man nur den guten Willen hätte, würde es schon gehen. Daß solche Aeußerungen sehr kränkend sind, brauche ich wohl nicht zu beweisen. Ich behaupte, daß auch in Breslau die Preisnotierung ehrlich und richtig besorgt wird; wer das Seh st h behauptet, hat das zu beweisen. Die Geschäfte werden in abfolut ordnungsmäßiger Weise erledigt, und diese Art der Erledigung würde kaum gewinnen, wenn sie der Börsenvorstand mit einer größeren Zahl landwirthschaft⸗ licher Vertreter, die an der Preisfeststellung ein persönliches, wenn auch nur mittelbares Interesse haben, versieht.

Graf Udo JJ1 Ueber die Zustände an der Breslauer Börse hat noch niemand geklagt; der Vorredner hätte sie also auch nicht zu vertheidigen nöthig gehabt. Der Handels⸗Minister hat auf meine Wünsche nicht mit einem non possumus, sonbern mit einem non liquet geantwortet. Ich bin ihm dafür sehr dankbar. Ein Gegensatz bleibt allerdings übrig. Die Börse soll, wenigstens die Produktendbörse, nicht eine Einrichtung der Kaufmannschaft, sondern nach unserer Ansicht eine Einrichtung der Kaufmannschaft, der Land⸗ wirthschaft und der Müllerei sein.

Graf von Klinckowstroem weist noch darauf hin, daß über die die Königsberger Börse betreffenden Vorgänge von der Landwirth⸗ schaftskammer ein umfassendes Material gesammelt und das betreffende Aktenstück dem Landwirthschafts⸗Minister eingereicht sei. Er könne deshalb augenblicklich nicht auf Eiazelheiten eingehen.

8— Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ stein:

Ich kann bestätigen, daß die thatsächlichen theiluggen des Herrn Grafen von Klinckowström sind. Vor etwa acht Tagen, wenn ich nicht irre, ist erst das Material vollständig bei mir eingegangen. Ich hatte schon angeordnet, doß mir ein eingehender Vortrag darüber erstattet werde. Wegen der Geschäftslage, und weil der Herr Referent die Sache noch nicht hat durcharbeiten können, ist das noch nicht geschehen, Die Angelegenheit wird jetzt rasch gefördert werden, dann wird darüber zuständigen Orts zu beschließen sein, in welcher Weise die Ergebnisse veröffentlicht werden sollen.

1 schließt die Besprechung. Die Tagesordnung ist erledigt.

Tize⸗Präsident Freiherr von Manteuffel entläßt die vechhese mit einem herzlichen Weihnachts⸗ und Neujahrs⸗ wunsch.

Schluß nach 3 Uhr. Näͤ

11X14X“

1

Mit⸗ richtig

12. Sitzung vom 17. Dezember 1896.

Auf der Tagesordnung steht die erste Berathung des Gesetzentwurfes, betreffend die Abänderung des Ge⸗ setzes über die Handelskammern vom 24. Februar 1870.

Ueber den Beginn der Debatte ist gestern berichtet worden.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Ich würde die wenigen Bemerkungen, die ich meinerseits zu dem vorliegenden Gesetzentwurf zu machen habe, noch zurückgehalten haben, bis auch die übrigen zum Worte gemeldeten Redner zu der Vorlage gesprochen hätten, wenn ich nicht zur Beantwortung einer Inter⸗ pellation, die im Herrenhause an die Regierung gerichtet ist, genöthigt wäre, mich dorthin zuebegeben und deshalb mich hier schon jetzt zum Worte z melden. Ich habe indessen zu dem vorliegenden Entwurf nur wenig zu sagen.

Der Entwurf ist nichts Anderes, als das Residuum der vorjährigen Vorlage nach Ausscheidung der planmäßigen Organisation der Handels⸗ kammern, wie sie bei der vorjährigen Vorlage in Aussicht genommen war. Diese planmäßige Organisation der Handelskammern hat ja hier in diesem hohen Hause im allgemeinen keine günstige Be⸗ urtheilung gefunden. Der Bericht Ihrer Kommission hat sich damals mit überwiegender Majorität gegen eine solche Organisation aus⸗ gesprochen; es wurde aber bereits bei der Verhandlung im Hause selbst und ebenso demnächst in der Kommission hervorgehoben, daß der Entwurf doch im übrigen, abgesehen von der planmäßigen Organisation der Handelskammern, eine Reihe von Be⸗ stimmungen enthielte, die einerseits durch die bestehende Gesetzgebung nothwendig bedingt sind und andererseits an der Hand der bisherigen Erfahrungen sich als zweckmäßig erwiesen haben, zum theil sogar als Bedürfniß erkannt sind. So wurde denn auch der Wunsch ausgesprochen, daß diese Aenderungen und Ergänzungen des jetzt bestehenden Handelskammergesetzes in Form einer Novelle dem⸗ nächst zur Verhandlung und Verabschiedung gelangen möchten. Es erbot sich damals die Kommission, eine Subkommission zu ernennen, um eine solche Novelle auszuarbeiten und sie noch in der damaligen Session zur Vorlage zu bringen. Die Regierung hat es indessen doch für zweckmäßig gehalten, damals die Vorlage zurück⸗ juziehen und sich selbst die Ausarbeitung einer solchen Novelle vor⸗ zubehalten. Das empfahl sich schon aus folgender Erwägung.

Wenn die planmäßige Organisation der Handelskammern aus dem damaligen Gesetzentwurf ausscheidet, so scheiden damit zugleich alle diejenigen Bestimmungen aus, die mit dieser Organisation im Zusammenhang stehen. Nun ist es aber nicht eine Frage, die mit swei Worten zu beantworten ist: welche dieser Bestimmungen im inneren und nothwendigen Zusammenhang mit der planmäßigen Organisa⸗ tion stehen und welche davon unabhängig sind? Einige von ihnen stehen unbedingt damit im Zusammenhang, wie beispielsweise das Recht der Regierung, die Handelskammern aufzulösen, es ist nichts Anderes als das Korrelat des Rechts der Regierung, Handelskammern zu errichten. Bei anderen dagegen ist es zweifelhaft, ob man sie damit in Zusammenhang bringen soll. Die Regierung hat geglaubt, über diese Fragen die Handelskammern noch einmal hören zu müssen. Sie hat deshalb ihrerseits den Entwurf einer Novelle aufgestellt, hat ihn den sämmtlichen Handelskammern mitgetheilt und sie zu

Aeußerungen darüber veranlaßt. Die Aeußerungen sind ein⸗ gegangen und haben dann zu derjenigen Gestaltung der Novelle geführt, die Ihnen jetzt vorliegt, sodaß also thatsächlich die jetzt vorliegende Novelle im wesentlichen den Wünschen und der Auffassung der Handelskammern entspricht.

Es ist also das gegenwärtige Gesetz nichts Anderes als eine Aus⸗

kleidung der jetzt bestehenden Handelskammern mit einigen neuen Be⸗ stimmungen und Befugnissen, wie sie einerseits durch das Bedürfniß, andererseits durch die bestehende Gesetzgebung bedingt sind.

Nun ist es ja zuzugeben, daß die bestehenden Handelskammern vielleicht in mancher Hinsicht nicht gerade vollkommene Bildungen sind; indessen, meine Herren, man soll an die Stelle desjenigen, was man hat, etwas Anderes erst dann setzen, wenn man sich völlig darüber klar geworden ist, wie denn dieses Andere beschaffen sei. Darüber aber sind die Ansichten im hohen Hause, wie ich aus der heutigen Diskussion entnehme und auch aus der vorjährigen Diskussion

ersehen habe, keineswegs übereinstimmend und geklärt, und es bleibt

deshalb für eine verständige Gesetzgebung nichts Anderes übrig, als zunächst an das Bestehende sich zu halten und das Bestehende nur soweit zu ändern, als das Bedürfniß und die Erfahrungen ganz klar und deutlich darauf hinweisen. (Sehr richtig!) Dadurch, meine Herren, ergiebt sich die Umgrenzung des gegenwärtigen Gesetz⸗ entwurfs.

Nun sind von seiten der Herren Vorredner bereits einige Wünsche laut geworden, in welcher Weise eine Aenderung der ein⸗ zelnen Bestimmungen herbeizuführen sei, und gerade aus diesem Grunde bedauere ich es auch, nicht die übrigen Herren Redner noch hören zu können, weil ich annehme, daß auch von diesen wohl Er⸗ innerungen theils gegen den Inhalt des Gesetzentwurfs, theils gegen dasjenige, was nicht in demselben steht, aber nach ihrer Auffassung hineinkommen soll, gemacht werden werden. Ich muß mich also beschränken auf diejenigen Erinnerungen, die in dieser Beziehung von den Herren Vorrednern gemacht sind.

Von dem ersten Herrn Redner wurde zunächst hervorgehoben, daß ihm die Bestimmungen über die Wahl, die in den Gesetzentwurf auf⸗ genommen sind, bedenklich erschienen. Es ist bei den Bestimmungen über die Wahlen, namentlich über die Bildung von Wahlbezirken und Wahlabtheilungen, den Handelskammern selbst eine weitgehende Autonomie zugewiesen worden, und zwar wesentlich in der Erwägung, daß in den einzelnen Bezirken der Handelskammern die Verhält⸗ nisse doch thatsächlich sehr verschiedene sind; in dem einen ist haupt⸗ sächlich die Großindustrie vertreten, in dem andern wesentlich die Kleininduftrie. Es ist wünschenswerth, daß man überall in den Han⸗ delskammern eine richtige Vertretung der thatsächlich in den Bezirken vorhandenen kaufmännischen und industriellen Kräfte findet. Das kann aber nur dadurch erreicht werden, daß die Bildung von Wahlbezirken und Wahlabtheilungen in jedem einzelnen Bezirk genau dem Bedürfniß aptiert wird, und das kann zunächst am besten beur⸗ theilt werden von den Handelskammern selbst. Deshalb glaube ich, daß, wenn der erste Herr Vorredner den besonderen Wunsch hegte, daß auch in den Vertretungskörpern für Handel und Industrie vorzugs⸗ weise das Kleingewerbe vertreten sein solle, dann gerade diese Be⸗ stimmung besonders erwünscht ist; denn sie bietet die Möglichkeit, das Kleingewerbe dort in größerem Maße zu berücksichtigen, wo es thatsächlich in erheblichem Umfang vorhanden ist.

Von demselben Herrn Vorredner wurden sodann Bedenken er⸗ hoben dagegen, daß auch die wirthschaftlichen Genossenschaften in dem Gesetz als wahlberechtigt und als beitragspflichtig für die Handels⸗ kammern aufgeführt sind, wenn er namentlich darauf hinwies, daß dies doch eine Best mmung sei, die für die⸗ jenigen wirthschaftlichen Genossenschaften, die speziell fuͤr die Vertretung der landwirthschaftlichen Int ressen bestehen, recht bedenklicher Natur wäre. Ich glaube aber, meine Herren, diese Genossenschaften bilden nur einen Theil des weiten Gebiets der Wirthschaftsgenossenschaften, und soll man nun aus dieser Erwägung die sämmtlichen wirthschaftlichen Genossenschaften von der Wahl⸗ berechtigung ausschließen in dem Gesetz? Das würde nach meiner Auffassung zu weit gehen. Ich glaube, die wirthschaftlichen Genossen⸗ schaften spielen gegenwärtig in unserem wirthschaftlichen Leben eine so bedeutende Rolle, daß man sie in der That von Körperschaften, die Handel und Industrie zu vertreten berufen sind, nicht wohl wird ausschließen können.

Ich habe dann nur noch mich zu äußern über einen Wunsch, der von dem letzten Herrn Vorredner ausgesprochen worden ist, daß Für⸗ sorge getroffen werden möge, daß den Handelskammern die Möglichkeit gegeben und zugleich die Verpflichtung auferlegt wird, die Register⸗ richter in der Führung des Handelsregisters durch entsprechende In⸗ formation über die Verhältnisse der einzelnen Firmen zu unterstützen. Dieser Wunsch ist vollkommen berechtigt, thatsächlich auch bereits bei Ausarbeitung des neuen Entwurfs zum Handelsgesetzbuch in Rechnung gezogen worden. In dem gedruckten Entwurf finden Sie in der Be⸗ gründung eine Bestimmung, die ich mir gestatten werde vorzulesen; es heißt dort:

Der Paragraph des Entwurfs beschränkt sich auf die Vor⸗ schrift, daß das Handelsregister von den Gerichten geführt wird (Haudelsgesetzbuch Art. 12 Abs. 1). In der großen Mehrzahl der Bundesstaaten sind mit der Führung bisher die Amtsgerichte betraut, nur in wenigen die Landgerichte. Ueber die zuständigen Gerichte und über das Verfahren in Registersachen die nöthigen Vorschriften zu treffen, bleibt dem Gesetz über die Angelegenheiten der frei⸗ willigen Gerichtsbarkeit vorbehalten. In diesem Gesetz werden auch die allgemeinen Grundsaäͤtze darüber festzustellen sein, in welcher Weise die zur Vertretung des Handelsstandes berufenen Organe behufs Herbeiführung thunlichster Richtigkeit und Vollständigkeit der Handelsregister mitwirken sollen.

Wenn dieses Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit demnächst erlassen werden wird, wird man natürlich auf Grund dessen eine besondere Ausführungs⸗Instruktion auch an die Handelskammern erlassen müssen, um so den Zweck sicher zu stellen. Ich glaube, daß unter diesen Umständen dem Wunsche des Herrn Vorredners vollkommen Rechnung getragen wird.

Im übrigen danfe ich Ihnen für die freundliche Beurtheilung, die der Entwurf gefunden hat. Derselbe wird ja, wie ich hoffe, einer Kommission überwiesen werden. Die Regierung ist gern bereit, alle dort geäußerten Wünsche in eingehende Erwägung zu ziehen, sodaß ich hoffe, es wird demnächst durch Verabschiedung der Vorlage thatsäch⸗ lich einem allseitig empfundenen Wunsche Rechnung getragen werden. (Bravo!) 8

handels und

Gamp (fr. 8. Ein Zusamm ißen des 1- der itee. trie mit dem Kleingewerbe halte auch für bedenklich. Die Handelskammern sind keine freien Organi⸗ sationen. Bei den Handelsvertretungen in Berlin, Danzig u. s. w. wird die Mitgliedschaft durch einen Akt des freiwilligen Beitritts er⸗ worben. Aber in die Handelskammern werden einzelne Gewerbetreibende und ganze Bezirke vielfach hineingezwungen. Wenn alle Gewerbe⸗ treibenden zur Handelskammer gehören, dann überwiegt die roße Zahl

der Kleingewerbetreibenden, und wir kommen nicht zur Bi dung einer

Vertretung für Großhandel und Großindustrie. Es müßten min⸗ destens zwei Abtheilungen gesetzlich werden; aus

heraus kommen die Handelskammern wohl kaum dazu, ein Statut über die Bildung der zwei Abtheilungen zu beschließen. Durch das Handelsgesetzbuch wird der Kreis der eingetragenen Kaufleute sehr erweitert. Wenn meine Freunde hier die Zwangsorganisation ver⸗ werfen, so dürfen daraus keine Schlusse gezogen werden auf unsere Stellung zur Organisation des Handwerks, welches nicht über die finanziellen und geistigen Mittel verfügt, um sich eine freie Ver⸗ tretung zu schaffen. Auf die Schutzzollfrage will ich nicht eingehen. Ich möchte nur Herrn Brömel bitten, sich darüher zu äußern, daß die Freihändler in das Raritätenkabinet gehören und daß er und seine Freunde nicht an den industriellen und landwirthschaftlichen Schutzzöllen rütteln wollen. 1878 waren di Schutzzollbestim⸗ mungen so stark geworden, daß die Wiedereinführung der Eisenzölle beantragt werden konnte. Die Landwirthschaft hat damals uneigen⸗ nützig ihre Unterstützung gewährt, während für sie erst 1885 ctwas Erkleckliches geschaffen wurde, wofür ich den Herren von der Industrie danke. Daß die obligatorische Organisation, die wohl keine plan⸗ mäßige, sondern eine schematische und bureaukratische geworden wäre fallen gelassen worden ist, ist sehr erfreulich. Denn es hätte sich daran nur eine Organisation der Arbeiter geknüpft, eine Wehrhaft⸗ machung der Sozialdemokraten gegen Besitz und staatliche Ordnung. Die Kaufleute verlangen, daß die landwirthschaftlichen Neben⸗ betriebe sich in das Handelsregister eintragen lassen sollen. Wenn das vorgeschrieben wird, dann würde die Landwirthschaft in die Handelskammer hineingezwungen werden, und das wäre für uns unannehmbar. Die Genossenschaften soltte man aus dem Gesetz herauslassen, weil sie keine eigentlichen Gewerbebetriebe bilden, sondern nur die Interessen ihrer Genossen wahrnehmen. Eine Kautel egen eine Majorisierung gewisser Berufskreise müßte aber in das esetz aufgenommen werden. Werden die landwirthschaftlichen Nebenbetriebe nicht in das Handelsregister eingetragen, so würde ich den Handels⸗ kammern eine Mitwirkung bei der Registerführung zugestehen können. Eine obligatorische Anhörung der Handelskammern in gewissen Fällen wäre sehr zweckmäßig. Ueber die Bäckereiverordnung und den Achtuhr⸗ Ladenschluß, sowie über die Sonntagsruhe könnten die Handels⸗ kammern die Regierung sehr gut informieren und sie vor irrthümlichen Schritten behüten. Die Handelskammer⸗Gutachten über Fragen der Industrie haben wenig Werth, weil in ihnen nur wenige sach⸗ verständige Industrielle vertreten sind. Die geographischen und wirthschaftlichen Gegensätze in den Kreisen der Industrie werden in den freien Vereinigungen viel besser ausgeglichen, als in den Handelskammern. Die sind Behörden und werden in ihrer Stellung gegen früher gestärkt; deshalb sollte auch die Be⸗ stimmung aufrecht erhalten werden, daß der Handels⸗Minister die⸗ selben auflösen kann. Bei der Vergrößerung der Handelskammer⸗ bezirke wird es nothwendig sein, den außerhalb des Sitzes der Handelskammer wohnenden Mitgliedern Reisekosten und Diäten zu gewähren und Stellvertreter wählen zu lossen. Wenn die Handels⸗ kammern besondere Einrichtungen und Anstalten herstellen, so sollten sie an die Zustimmung der betheiligten Kreise gebunden sein. Meine politischen Freunde hegen auch den Wunsch, daß das Gesetz zur Verabschiedung gelangen möge. Ich schließe mich dem Antrag auf Verweisung an eine Kommiffion von 21 Mitgliedern an.

Abg. Cahensly (Zentr.) bedauert, daß der frühere Gesetzentwurf nicht durchberathen ist; die obligatorischen Handelskammern hätten sicherlich die Landwirthschaft nicht geschädigt. Die Vorlage soll die Mängel des bestehenden Gesetzes verbessern; jedenfalls müsse ein möglichst niedriger Zensus festgesetzt werden, damit die Kleingewerbe⸗ treibenden nicht ausgeschlossen würden. Besonders erfreulich sei es, 5 die Handelskammern sich der Ausbildung der Lehrlinge annehmen ollen.

Abg. Dr. Eckels (nl.): Herr von Brockhausen hat diese Gelegen⸗ heit benutzt, um die Nationalliberalen vor den nächsten Wahlen graulich zu machen. Der Zentralverein der Kaufleute unter Leitun des Herrn Senators Schulze⸗Gifhorn vertritt einen großen Thei von Kaufleuten. Seine Bestrebungen haben vielfach die Unterstützung der Nationalliberalen gefunden. Aber das nicht dazu, alle übertriebenen Bestrebungen zu er Antrag von Brock⸗ hausen wegen der Besteuerung der Waarenhäuser hat zu keinem Ergebniß geführt. Gegen unsere Partei deswegen einen Vorwurf zu erheben, lag kein Grund vor. Der frühere Gesetzentwurf hat wenig Anklang im Hause gefunden; ich ftand ihm freundlich gegen⸗ über. Ich hätte gewünscht, daß Handel und Industrie eine gleich⸗ artige Vertretung in ganz Preußen bekommen. Ueber die Zustände der Handelsregister wird vielfach geklagt. Namentlich soll das Berliner Register sehr unvollständig sein. Der Minister hat erklärt, daß im Wege der Reichsgesetzgebung Aenderungen getroffen werden sollen; da können wir wohl jetzt von dieser Frage absehen. Den Handels⸗ kammern wird eine größere Freiheit der Bewe zung gegeben durch die Verlängerung der Wahlperfode und auch durch die Aenderung des Wahlverfahrens. Sehr erwünscht ist, daß den Kammern die juristische Persönlichkeit verliehen wird. Im früheren Gesetz befand sich die Bestimmung, daß eine Handelskammer aufgeloöͤst werden kann, daß aber dann in gewisser Zeit die Neuwahlen stattfinden 28 Herr Gothein hatte diese Bestimmungen bemängelt, weil nicht bestimmt sei, was in der Zwischenzeit geschehen soll. Nach dem Gesetz beruhen die

andelskammern auf der Genehmigung des Ministers. Kann der Minister diese Genehmigung zurückziehen? Zur Zeit des Fürsten Bismarck wurde eine BHo suspendiert. Konnte sie ihre Beiträge einziehen? ie Zweifel hierüber bestehen immer noch. Redner behält sich vor, in der Kommission auf diese Frage zurück⸗ zukommen. 82 1

Abg. Broemel (fr. Vg.): Die Stellung der Freihändler ist heute eine ganz andere geworden als früher, wo wir nur industrielle und keine landwirthschaftlichen Schutzzölle hatten. Zu einer rößeren gemeinsamen Aktion der Freihändler und der Schutzzöllner hot ch eine Gelegenheit nur beim Abschluß der Handelsverträge. Wir haben die Frage der Schutzzölle nicht bloß vom wirthscha lichen Standpunkt aus betrachtet, sondern auch vom politischen, und wir sind vollständig einverstanden gewesen mit der .. des Herrn von Treitschke, daß man solche Interessenkämpfe nicht in die politische Vertretung bineintragen möge. Es ist immer behauptet worden: ohne eine

blühende Landwirthschaft giebt es keine blühende Industrie. Wiir

leben jetzt in einem wirthschaftlichen Aufschwung, trotzdem man immer noch die Klagelieder von der nothleidenden Landwirthschaft singt. Meine Freunde stimmen dem Entwurf im Großen und Ganzen zu; ist das Ergebniß der im vorigen Jahre gepflogenen Verhandlungen Aber ich möchte nicht, daß die Handelekammern als Behörden betracht werden. Ueber solche Fragen wie den Achtuhr⸗Ladenschluß 18 man nicht die Handelskammern, sondern die O. ffentlichkeit selbst b fragen. Redner sieht davon ab, auf die Einzelheiten einzugehen, empfiehlt nur, daß das geheime Wahlrecht aufrechterhalten wird, und spricht seine Befriedigung darüber aus, daß die bestehenden kaufmännischen Korporationen, die mindestens dasselbe geleistet hätten wie die besten Handelskammern, erhalten bleiben. Abg. Fuchs (Zentr.): Den Handelskammern sollen große Be⸗ fugnisse gegeben werden. Das ist nothwendig, denn bisher haben dieselben sich nicht bewährt. Das beweist schon der Umstand, daß das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb, welches von dem ge- sammten Handelsstand gebilligt wird, nicht aus den Kreisen der Handelskammern hervorgegangen ist. Die Anstalten zur Tee 8 technischen Ausbildung der Lehrlinge werden sich auf dem Boden der jetzigen Handelskammern schwer erreichen lassen. Denn nur für gröͤßere Bezirke lassen sich z. B. Handelsschulen einrichten.