Dienstjubiläum am 31. Oktober 1897
—.—,.—üü 98e—
Seiner Majestät des Kaisers und Könias und Ober⸗Befehls⸗ haber in den Marken ꝛc., am 7. April 1897,
General der Infanterie von Rauch, Chef der Land⸗ gendarmerie, am 22. April 1897,
General der Kavallerie von Hänisch, kommandierender General des IV. Armee⸗Korps ꝛc., am 16. Juli 1897.
In der Königlich bayerischen Armee begeht das füͤnfzigjährige Dienstjubiläum:
Second⸗Liectenant der Lribv⸗Gärde der Härlschiere Graf
von Zech auf Neuhofen am 9. August 1897. In dem XIII. (Königlich Württembergischen) Armee⸗Korps vehehg General der In ments Kaiser Friedrich, König von Preußen (7. Württem⸗ bergisches) Nr. 125 von Woelckern sein fuünfzigjähriges
8 8
Die im Reichs⸗Eisenbahnamt aufgestellte Uebersicht der Betriebs⸗Ergebnisse deutscher Eisenbahnen im Monat Dezember 1896 ergiebt für 63 Bahnen, die schon im Dezember 1895 im Betriebe waren, Folgendes:
Gesammtlänge: 40 198,56 km.
im gegen auf gegen Ganzen das Vorjahr 1 km das Vorjahr
ℳ ℳ ℳ ℳ 2 3%
für alle Bahnen im Dezember 1896 aus dem Per⸗ sonenverkehre 28 236 848 —+2 488 259]) 717 + 53 4 798 aus dem Güter⸗ verkehre 79 793 312 + 7 095 996] 1 991 + 152 + 8,27 für die Bahnen mit dem Rechnungsjahre 1. April — 31. März in der Zeit vom 1. April 1896 bis Ende Dezember 1896
Einnahme
aus dem Per⸗
sonenverkehre 267912677 +½ 16057099 8 233 + 342 + 4,33 aus dem Güter⸗ V verkehre . 612644261 + 33166018 18 504 + 653 + 3,66
für die Bahnen mit dem Rechnungsjahre
1. Januar — 31. Dezember in der Zeit vom 1. Januar
bis Ende Dezember 1896
aus dem Per⸗
sonenverkehre 70506783 + 3 112 247/ 10 714 + 255 + 2,44 aus dem Güter⸗ V verkehre 141808652 + 12359688 21 223 + 1433 + 7,24
Eröffnet wurden: am 1. Dezember: Schwerin a. W. —Lands⸗ berg a. W. 24,36 km (Königliche Eisenbahn⸗Direktion in Posen), Lobenstein —Lemnitzhammer 2,60 km (Königliche Eisenbahn⸗ Direktion in Erfurt), eine Elbzweigbahn in Dresden 0,88 km (Königlich sächsische Staatseisenbahn) und die Eisenbahn von Rauscha nach Freiwaldau 8,42 km (Lausitzer Eisenbahn⸗ Gesellschaft); am 4. Dezember: Zülz —Gogolin 31,09 km (Neustadt O.⸗S.⸗Gogoliner Eisenbahn); am 15. Dezember:
8 Lauchstädt —Benkendorf 5,70 km (Königliche Eisenbahn⸗Direktion in Erfurt), Volkmarsen — Wolfhagen 10,87 km (Königliche
Eisenhahn⸗Direktion in Cassel) und Waldheim-Kriebethal 3,02 km (Königlich sächsische Staatseisenbahnen); am 22. De⸗ zember: Simmatzig —-Redel 9,00 km (Königliche Eisenbahn⸗
Direktion in Stettin); am 28. Dezember: Bühl —Bühlerthal —
Oberthal 5,97 km (Bühlerthalbahn).
Die Königlichen Lotterie⸗Einnahmen bleiben am
Geburtstage Seiner Majestät des Kaisers und Königs geschlossen. Wegen der bei der Centenarfeier des
Geburtstages des Hochseligen Kaisers Wilhelm I. zu treffenden Maßnahmen ist die Bestimmung noch vorbehalten. 8
Der Kommunal⸗Landtag der Kurmark überwies in seiner gestrigen Plenarsitzung die seit der ersten Sitzung eingegangenen zwölf Sachen an die Ausschüsse bezw. den Ritterschaftlichen Konvent und trat sodann in die Wahl seines
Vorsitzenden und dessen Stellvertreters, deren dreijährige
Wahlperiode mit dem 3. Oktober v. J. abgelaufen ist, ein. Durch Zuruf wurden der bisherige Vorsitzende, Geheime Regierungs⸗ und Landrath von Winterfeldt⸗Menkin und der bisherige Stellvertreter Major von Bredow⸗Buchow⸗ Carpzow wiedergewählt und nahmen die auf sie gefallene Wahl an. Der I. Ausschuß hatte 5, der II. 8 Referate einge⸗ liefert. Die ersteren betrafen das Pensionierungsgesuch eines Beamten der Land⸗Feuersozietät und dessen Er⸗ setzung, das Unterstützungsgesuch einer Beamternwittwe, die Wahl von Kese ehelsegestteBnctren und deren Stellvertretern, eine Beihilfe für eine städtische frei⸗ willige Feuerwehr und den Verwaltungsbericht der Land⸗ euersozietät für das Jahr 1895. Die Pension, die Unter⸗ tützung und die Beihilfe wurden bewilligt, die Ersatzwahl getroffen und die getroffenen Wahlen bestätigt. Der Verwal⸗ tungsbericht weist leider einen Massenaustritt Versicherter auf;
es muß aber darauf vertraut werden, daß das neue
Reglement die Sozietät lebensfähig erhalten wird. Der II. Ausschuß befürwortete in 7 Fällen die Unter⸗ stützung milder Stiftungen und Vereine aus dem ständischen Dispositions⸗Fonds der Kurmärkschen Hilfskasse mit zum theil namhaften Beträgen und fand die Zustimmung des Landtages.
Nur in einem Falle schlug der Ausschuß die Ablehnung vor und der Landtag stimmte ihm zu, weil das zu unterstützende Unternehmen noch zu neu sei und einen Schluß weder auf
einen Bestand noch auf seine Bedürftigkeit zulasse. gächste Sitzung wird der Landtag morgen abhalten.
ö1“ 8 I Peger. egs 8 8 öA4X“
b Der Mirkliche Geheime Ober⸗Regierungs⸗ Rath Dr.
Stauder, vortragender Rath im Ministerium der geist⸗
ichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten, ist in der M. im 68. Lebensjahre berstorben.
“
anterie à la suite des Infanterie⸗Regi⸗
Der österreichischungarische Minister des Auswärtigen Graf Goluchowski ist gestern Abend von Berlin in Dresden eingetroffen und heute von Seiner Majestät dem König in Audienz empfangen worden.
Hessen.
+- —Der Landtug wird, der „Darmst. Ztg.“ zufalge, aug den-
9. Februar einberufen werden.
Oesterreich⸗Ungarn.
Das österreichische Abgeordnetenhaus beendigte gestern die Budgetdebatte und nahm das ganze Budget sowie das Investitionsgeset und das Finanzgesetz in zweiter Lesung an.
Großbritannien und Irland.
Das Parlament ift gestern mit einer Thronrede er⸗ öffnet worden, worin es, wie „W. T. B.“ meldet, zunächst heißt, daß die Beziehungen zu allen Mächten fortgesetzt freund⸗ liche seien. Es werden sodann die in Konstantinopel und an anderen Orten des Ottomanischen Reichs vorgekommenen Metzeleien erwähnt, welche die besondere Aufmerksamkeit der Mächte, die den Pariser Vertrag unterzeichnet haben, herausgefordert hätten. Dem Parlamente würden Dokumente vorgelegt werden, in denen die Erwägungen dargelegt seien, welche die Mächte veranlaßt hätten, die gegenwärtige Lage der Türkei zum Gegenstand besonderer Berathung ihrer Vertreter in Konstantinopel zu machen. Die Konferenzen der Botschafter würden noch fortgesetzt. Die mit Billigung und Unterstützung der Königin unternommene Aktion des Khedive gegen den Khalifen sei bis jetzt durchaus erfolgreich gewesen; die von britischen Offizieren und Truppen unterstützten Streitkräfte des Khedive hätten die fruchtbare Provinz Dongola der Zivilisation durch Operationen zurückerobert, welche mit bemerkenswerther Geschicklichkeit ausgeführt worden seien, und der Weg für ein weiteres Vorgehen, wann immer ein solches für wünschenswerth erachtet werde, stehe offen. Die britische Regierung habe ferner mit den Vereinigten Staaten, die als Freund Venezuelas gehandelt hätten, darüber berathen den Streit üͤber die Grenze zwischen Venezuela und Britisch⸗Guyana schieds⸗ richterlicher Entscheidung zu unterbreiten. Es sei mit Venezuela ein Abkommen erzielt worden, welches, wie die Königin zuversicht⸗ lich hoffe, eine Beilegung der Streitigkeiten berbeifühlen werde, ohne die Interessen der Kolonisten, die Rechte in dem strittigen Gebiete erworben hätten, zu gefährden. Die Königin spricht sodann ihre Befriedigung aus über den Abschluß des allge⸗ meinen Schiedsvertrages mit den Vereinigten Staaten zur friedlichen Beilegung aller Meinungsverschiedenheiten, die zwischen beiden Ländern einträten, und giebt der Hoffnung Ausdruck, dieses Abkommen möge noch weiteren Werth dadurch erlangen, daß es anderen Mächten nahelege, dies Prinzip in Erwägung zu ziehen, durch das die Gefahr eines Krieges bedeutend abgeschwächt werde. Die Thronrede theilt ferner mit, daß der Aufstand im Matabele⸗ und Maschonalande unterdrückt sei, erwähnt die gedrückte Lage der Zuckerindustrie in den vwest⸗ indischen Kolonien und kuüͤndigt die Einsetzung einer Kommission an, welche diese Lage untersuchen solle. Weiterhin heißt es; die Königin hege tiefstes Mitgefühl mit den durch die Hungersnoth in Indien Betroffenen; die indische Regierung mache alle Anstrengungen, um das Elend zu mildern. Auch die Pest sei in Bombay und Kurrache aufgetreten, und troß der Vorsichtsmaßregeln lägen noch keine Anzeichen für eine Abnahme der Seuche vor. Die indische Regierung sei angewiesen worden, die kräftigsten Maß⸗ regeln zur Bekämpfung derselben zu treffen. Betreffs des Budgets heißt es in der Rede, daß, während die Regierung ängstlich bestrebt sei, jede unnöthige Ausgabe zu vermeicen, die gegenwärtige Weltlage es dem Parlament nicht gestatten werde, eine weise Fürsorge für die Vertheidigungsmittel des Reichs außer Acht zu lassen. Schließlich kündigt die Thronrede Gesetzesvorlagen an, betreffend die Förderung des Elementar⸗ unterrichts, betreffend die Entschädigung der Arbeiter bei Un⸗ fällen, betreffend die Vermehrung der militärischen Verthei⸗ digungsmittel des Reichs, betreffend Errichtung eines Land⸗ wirthschaftsamts für Irland, eine Novelle zu dem Gesetz üͤber die Aktiengesellschaften und schließlich eine Bill, betreffend. das Verbot der Einfuhr von Waaren, die in den Gefängnissen anderer Länder hergestellt seien. —
Das Oberhaus begann gestern die Adreßdebatte. Im Laufe der Berathung erklärte der Premier⸗Minister Lord Salisbury: er könne nicht sagen, daß alle Mächte sich ver⸗ pflichtet hätten, einen Druck auf den Sultan zum Zwecke der Rettung des Ottomanischen Reichs auszuüben, doch werde der dem Hause vorgelegte Schriftwechsel darthun, daß die Mächte in Bezug auf die Nothwendigkeit, gemein⸗ schaftlich vorzugehen und Mittel zu finden, um das Reich des Sultans zu retten, übereinstimmten. Es sei möglich, daß ein entschiedener Druck zur Anwendung gelangen müsse; es beständen indessen geringe Verschiedenheiten in dem Wort⸗ laute, in welchem die Anschauungen der einzelnen Mächte zum Ausdruck gelangt seien. Seine eigene Ueberzeugung gehe da⸗ hin, daß, wenn nicht eine Reihe von wesentlichen Reformen zur Annahme komme, der Untergang des Türkischen Reichs nicht sehr lange mehr hinausgeschoden werden könne. Alle Mächte seien uͤberzeugt, daß, wenn nicht allgemeine und wirksame Reformen in die gegenwärtige maßlose Autokratie in der Türkei eingeführt würden, die schlimmsten Folgen sich ergeben müßten. Bezüglich der egyptischen Frage führte der Premier⸗Minister aus: er könne nicht sagen, welches die militärischen Pläne im Sudan seien, weil dann der Khalif von den bestehenden Absichten Kenntniß erhalten würde; doch wiederhole er, was er im vorigen Sommer gesagt habe: daß es nöthig gewesen sei, Dongola zu besetzen, weil Dongola an der Straße nach Khartum liege. Mit Bezug auf den Schiedsgerichtsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika erklärte Lord Salisbury, er könne nicht sagen, daß der Vertrag jeden Krieg beseitigen werde, doch werde durch denselben die Gefahr eines Krieges vermindert. Er behaupte nicht, daß ein solcher Vertrag einen Napoleon hemmen würde; doch werde er dazu beitragen, kleinere Streitpunkte zum Aus⸗ trag zu bringen und richterliche Schiedssprüche an die Stelle der Entscheidung durch das Schwert zu setzen.
Das Unterhaustrat gestern ebenfalls in die Berathung der Adresse ein. Der Erste Lord des Schatzes A. J. Balfour sprach im Laufe der Debatte die Hoffnung aus, der zur Unter⸗
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1jetzigen -Weltlage-sei es--unmöglich, das. Heer- ad die ·Flo
—halten- werden. Was die türkische Frage angehe, be⸗
suchung des Einfalles in das Gebiet von Transvaal 8
gesetzte Ausschuß werde die Bande gegenseitigen Vertrauens unter den verschiedenen Süd⸗Afrika bewohnenden Rassen enger knüpfen. Bezüglich der Sudan⸗Expedition führte er aus: durch dieselbe würden die Schwierigkeiten der egyptischen Politik überhaupt nicht vermehrt. Die erhöhten Rüstungen Englands seien nicht der egyptischen Frage zuzuschreiben. Bei der
zu vermindern. Die Rüstungen müßten zur Vertheidigu des Reichs gegen die Möglichkeit von Zusammenfioß n ng dessen Nachbarn in den verschiedenen Weltheilen aufrecht er⸗ merkte Balfour, so gäben ihm die aus dem Orient vor⸗ liegenden Nachrichten Grund zu der Hoffnung, daß das gemeinsame Vorgehen der Mächte im Drient segensreiche Folgen für das türkische Volk haben werde, ohne den euro⸗ päischen Frieden zu gefährden. Den Sudan betreffend, setzte Redner noch hinzu, die Regierung werde einen Kredit behufs eines an Egypten zu leistenden Vorschusses verlangen zum Zwecke der Rückzahlung der aus dem Reservefonds ent⸗ nommenen Summe. Der Redner ging sodann zu der Finanz⸗ lage in Irland über und bemerkte, die bisherige Untersuchung sei nicht erschöpfend gewesen, weshalb die Regierung eine weitere Untersuchung vorschlagen werde. Infolge der letzten Aeußerung des Redners bemerkte Blake, daß er einen von ihm in Bezug auf diese Angelegenheit geplanten Zusatz⸗ antrag zum Adreßentwurf nunmehr nicht stellen werde. Der Parlaments⸗Sekretär des Aeußern Curzon erklärte, er hoffe, daß ein Theil des Schriftwechsels über die Türkei am Donners⸗ tag, der übrige Theil etwa in einer Woche werde vertheilt werden können. In Betreff der Ursachen der unglücklichen Ereignisse an der Nigerküste sei der Regierung nichts bekannt. Die Expedition sei anscheinend unbewaffnet in eine Falle ge⸗ gangen. Die Regierung glaube nicht, daß die Expedition nur aus Neugierde nach Benin gegangen sei; dieselbe dürfte viel⸗ mehr die Sicherung befriedigender Uebereinkommen durch friedliche Mittel bezweckt haben. Des weitern erklaäͤrte Curzon, der General⸗Konsul Hardinge werde bei seiner Ankunft in Sansibar Instruktionen vorfinden, in Uebereinstimmung mit dem Sultan die Freilassung der Sklaven auf Sansibar und auf Pemba in die Hand zu nehmen. 1
Dillon ist wieder zum Vorsitzenden der irischen Vartei im Unterhause gewählt worden.
Die zum Studium der technischen Ausbildung in Deutschland entsandte Kommission hat einen Bericht veröffentlicht, worin es heißt: es bestehe kein Zweifel, daß in gewissen Industrien die britische Ueberlegenheit ernstlich ge⸗ fährdet werde, indem Deutschland gewaltige Fortschritte mache, besonders in den Industriezweigen, in denen es eines größeren chemischen oder technischen Wissens bedürfe.
Frankreich. 8 Die Deputirtenkammer begann gestern die Berathung
des Gesetzentwurfs über die Zuckersteuer. Die Deputirten
Lepez und Rose bestanden darauf, daß die Einführung von Ausfuhrprämien nothwendig sei, um die fran⸗ zösische Zuckerindustrie gegen den deutschen Wettbewerb zu vertheidigen. Der Deputirte Siegfried hielt die geforderte Prämie für zu hoch. Ein besseres Mittel zur Steigerung des Inlandskonsums würde eine Herabsetzung der Zuckersteuer sein; die Vorlage werde nur den Besitzern der großen Zuckerlager zu gute kommen. Der Deputierte Ribot wandte sich gegen die Ausführungen Siegfried's und wünschte die Einführung von Prämien zur Entwickelung der Ausfuhr. Die weitere Berathung wurde auf morgen angesetzt. Vor dem großbritannischen Konsulat in Ajaccio veranstaltete gestern eine Anzahl Personen eine Kundgebung aus Anlaß eines für Korsika ungunstigen Artikels, welchen der Konsul Drummond in einem englischen Blatt ver⸗ öffentlicht hatte. Die Demonstranten zerstreuten sich nach einiger Zeit, ohne daß ein Eingreifen der Polizei erforderlich wurde. Rußland. Gestern Abend fand, wie „W. T. B.“ aus St. Peters⸗ burg berichtet, bei dem deutschen Botschafter, Fürsten von Radolin, ein Diner statt, zu welchem der Minister des Aus⸗ wärtigen Graf Murawjew, der Doyen des diplomatischen Korps, Hußni Pascha, der Finanz⸗Minister Witte, der Chef des Stabes der Admiralität, Admiral Avellan, die Chefs mehrerer diplomatischen Vertretungen und zahlreiche andere hohe Würdenträger Einladungen erhalten hatten 1 —
Gestern Abend wurde abermals cin Ministerrath ab⸗ ehalten. Wie dem „W. T. B.“ zufolge verlautet, beschäftigte scch derselbe lediglich mit Angelegenheiten der Verwaltung, da bereits vorgestern die Berathung der parlamentarischen Lage beendigt worden sei. Die Entscheidung des Königs über die ihm unterbreiteten Vorschläge werde für Donnerstag erwartet.
Bei dem deutschen Botschafter von Bülow fand gestern ein größeres Diner statt, an welchem der Minister⸗ Präsident di Rudini nebst Gemahlin, der Unter⸗Staats⸗ sekretär des Aeußern Graf Bonin⸗Longare, der Palast⸗ Präfekt Graf Gianotti nebst Gemahlin, die Senatoren Fürst Camporeale und Fürst Caracciolo, der öster⸗ reichisch⸗ungarische Botschafter Freiherr Pasetti von Frieden⸗ burg sowie der belgische und der niederländische Gesandte theilnahmen.
Portugal.
Das gestern in der Deputirtenkammer eingebrachte Budget für das Jahr 1897/98 beziffert die Einnahmen auf 53 138 C ent 8 Reis, die Ausgaben auf 53 027 Contos Reis⸗
6“ Schweden und Norwegen.
Der schwedische Reichstag ist gestern von dem König mit einer Thronrede eröffnet worden, worin, dem „W. T. B.“ zufolge, zunächst die freundschaftlichen Beziehungen Schwedens zu dem Auslande hervorgehoben und entgegengesetzte Be⸗ hauptungen, welche auch außerhalb der Landesgrenzen gemacht worden seien, bedauert werden. Die Welt müsse wissen, daß Schwedens Freiheit des Handelns durch kein Band beschränkt sei, und daß es seine ur⸗ alte Freiheit und Selbständigkeit liebe. Die Bewilligungen für das Heer, die der König als nothwendig begehren müsse, sowie die früheren, vom Reichstage bewilligten Forderungen des Königs für das Heer hätten immer nur die Sicherung der nationalen Vertheidigungsmittel und der Aufrechterhaltung der Neutralität zum Zweck gehabt. Ferner spricht der König in der Thronrede seine Befriedigung darüber aus, daß
8 S S
seine Mitwirkung als Schiedsrichter bei eventuellen Streit⸗ fällen zwischen England und den Vereinigten Staaten von Amerika gewünscht worden sei. Schließlich erwähnt die Thron⸗ rede, daß eine günstige Ernte und günstige Konjunkturen den Wohlstand des Landes erhöht und die Staatseinnahmen ver⸗ mehrt hätten. Die vom Reichstage im Jahre 1892 bewilligte Sceresorganisation werde in diesem Jahre vollendet werden;
tte — der König gedenke daher, die Bewilißeng der Mittek zur-
versuchsweisen Mobilisierung eines Armee⸗Korps zu beantragen. Endlich kündigt die Thronrede den Weiterbau der nördlichen
Staatsbahn in der Richtung nach der finnischen Grenze an.
Das dem Reichstage gestern vorgelegte Budget weist an Ausgaben 119 Millionen Kronen, d. i. 7 ½ Millionen Fronen mehr auf, als das vorjährige Budget. Die Ein⸗ nabmen sind auf 102 Millionen Kronen veranschlagt. Das Defizit wird durch den Ueberschuß früherer Jahre (14 Millionen) und durch den Ueberschuß der⸗Reichsbank (3 Millionen) ge⸗ deckt. Das Armeebudget ist auf 33 ½ Millionen (gegen das vorjährige Budget um 3 ¼ Millionen höher), das Marinebudget auf 14 Millionen (1 Million höher) angesetzt. Die Erhöhung des Budgets ist hauptsächlich durch Forderungen für Beschaffung von Gewehren, für die Be⸗ stigungen von Gothenbugg, „von, Ober⸗Norrland bei dem bmmstenpunkt Boden, von Varholm und von Oscar⸗ Frederiksborg, ferner durch Forderungen für die Intendantur und für die Beschaffung von Mobilisierungs⸗Munition ver⸗
acht. . 1 i shwedischen Mitgliederdes schwedischen orwegischen Unions⸗Comités sind der Professor Trygger und der Hardesvogt Restadius. „
Amerika.
Nach einer in Madrid eingetroffenen Depesche aus Havanna griff eine Bande in dem Weichbild von Havanna einen Eisenbahnzug an, plünderte die Reisenden und nahm zehn Offiziere fest; neun von ihnen wurden wieder freigelassen, der zehnte wurde erschossen, weil er aus Cuba gebürtig war.
Afrika.
Der Sultan von Marokko hat, wie „W. T. B.“ aus Tanger erfährt, einen angesehenen Kaid in Begleitung von 40 Berittenen nach Tanger gesandt. Gerüchtweise verlaute, der Kaid solle einen Pascha verhaften, den der Sultan für die Ermordung des deutschen Kaufmanns Haeßner verantwort⸗ lich mache.
Die „Agenzia Stefani“ meldet aus Keren von gestern:
Die Hauptmacht der Derwische stehe in Salsale, der Vortrupp zwischen Caruma und Amideb, wo einige Schüsse gewechselt worden seien. An der Südgrenze sei bisher Alles ruhig. In den Bezirken Ocule⸗Kusai und Assaorta seien die Miliztruppen unter die Waffen gerufen worden. Alle Be⸗ satzungen seien verstärkt und mit Lebensmitteln versehen worden. Hinsichtlich Kassalas herrsche keinerlei Besorgniß. Aus Kapstadt wird dem „Reuter'schen Bureau“ ge⸗ meldet, nach einer Depesche aus Umzimkulu (Griqualand East) herrsche daselbst große Besorgniß; die Griquas ver⸗ anstalteten eine Kundgebung mit den Waffen in der Hand, um einen Angriff hervorzurufen und sich der im Justizgebäude befindlichen Waffen und Munition zu bemächtigen.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reichstages und des Hauses der Abgeordneten be⸗ finden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
— In der heutigen (157.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und der Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky beiwohnten, stand zunächst die folgende Interpellation der Abgg. Dr. Hahn (b. k. F.) und Genossen auf der Tagesordnung:
„Gedenkt der Herr Reichskanzler demnächst den Erlaß einer Kaiserlichen Verordnung zu veranlassen, durch welche der Entmwurf neuer, auf den Vorschlägen der inter⸗ nationalen Schiffahrtskonferenz zu Washington im Jahre 1889 beruhender Vorschriften zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See ohne den von der Lichterführung der Fischer⸗ fahrzeuge handelnden Art. 9, aber mit dem den Fisch⸗ dampfern das Wegerecht aberkennenden Art. 26 zum 1. Juli d. J. für das Deutsche Reich in Kraft gesetzt wird? Welche Maßregeln gedenkt der Herr Reichskanzler zu ergreifen, um die aus der Durchführung des Art. 26 sich naturgemäß ergebenden Gefahren für die Dampfseefischerei und die gesammte Seeschiffahrt sowie die daraus entftehende allgemeine Unsicherheit im Seeverkehr zu beseitigen? 3
Nachdem der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher sich zur ssfortigen Beantwortung bereit er⸗ klärt hatte, nahm der Abg. Dr. Hahn das Wort zur Be⸗ grüͤndung der Interpellation.
(Schluß des Blattes.)
— Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen (22.) Sitzung, in welcher der Finanz⸗Minister Dr. Miquel, der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen, der Minister der seiftlichen ꝛc. Angelegenheiten D. Dr. Bosse, der Minister für
andwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammerstein, der Justiz⸗ Minister Schönstedt, der Minister des Innern Freiherr von der Recke und der Minister für Handel und Gewerbe Bre⸗ feld zugegen waren, die erste Berathung des Staatshaus⸗ halts⸗Etats für 1897/98 fort. 8 8
Abg. Dr. Friedberg (nl.): Die Erklärung des Minister⸗Prä⸗ sidenten hat uns befriedigt, soweit sie die Einheitlichkeit der Regie⸗ rung feststellte und soweit sie dahin ging, daß die Regierung nicht deshalb, weil die Beamten darin bloßgestellt wurden, den Prozeß unterlassen habe. Aber über die Hauptsache hat man nichts erfahren, über die Reform der politischen Polizei. Herr Richter hat den Fürsten Bismarck in die Frage hineingebracht. Ich brauche den ersten Kanzler des Reiches dagegen nicht zu vertheidigen. Hätten bei ihm Vertreter des Auswärtigen Amts sich beschwert, daß sie von der politischen Polizei belästigt würden, so hätte er mit eisernem Besen ausgekehrt. Das Vereinsgesetz kann nicht bis zum 1. Januar 1900 warten, das war wohl nur ein Scherz des Ministers. Die Vorlage darf auch nicht mit anderen Dirgen bepackt werden. Das entspricht nicht der Erklärung des Reichskanzlers nach der Wir⸗ nusg, die dieselbe auf den Reichstag bezüglich der Fertigstellung des Zürgerlichen Gesetzbuchs hatte. Ueber die Entfernung der Produkten⸗
ändler von der Börse empfinde ich keine Befriedigung. Aber die Landwirthe sollten sich hüten, davon günstige Wirkungen für sich zu erwarten. Die Börsen sind nicht kaufmännische Anstalten allein; sie beherrschen die weitesten wirthschaftlichen Verhältnisse, und deshalb sind die Landwirthe an den Produktenbörsen betheiligt,
ebenso wie das große Publikum an den Effektenbörsen. Ein Novum
1
8.
ist allerdings die Aufnahme von Nicht⸗Börsenleuten in die Vorstände der Börsen. Daher hätte der Handels⸗Minister vorsichtig verfahren sollen in der Anwendung der ihm gegebenen Befugniß, die ihm keinen Zwang auferlegt. Daß nur aktive Landwirthe in den Börsenvorstand berufen werden sollen, ist durch⸗ aus berechtigt. Auch Mitglieder der Börsenkorporation müssen dieselben sein. Die Kosten für die Auslagen hätten die Land⸗ wirthe tragen müssen. Eine “ ist dadurch hervor⸗ Ferüfen worden, daß die Börsenerdnung⸗für erlassen worden ist. Die Angriffe auf die Börse als Institut bedauere ich auch. Man hat dabei über das Ziel hinausgeschossen. Preß⸗ treibereien mögen stattgefunden haben, aber diese können durch keine Börsenordnungen. unterdrückt— werden. Eine materielle Unterstützung braucht die Industrie nicht, aber eine moralische ist dringend nothwendig. Das Herrenhaus, ein künstliches Institut, kein historisches geworden ist, ein solches Oberhaus müßte die besten Kräfte der Nation in 8. vereinigen. Es entbält aber überwiegend nur Vertreter des Großgrundbesitzes; die kirchlichen Korporationen sind nur mangelhaft und die Industrie ist garnicht vertreten. Wenn nicht bald Abhilfe geschaffen wird, so wird sich bald eine Oberhausfrage herausbilden. Ich komme nun zum Etat selbst. Die Denkschrift über die Besoldungsverbesserung giebt zu erheblichen Bedenken Anlaß. Es wird als Leitsatz aufgestellt, daß die bestehenden Ungerechtigkeiten beseitigt werden sollen; aber es werden neue Ungerechtigkeiten geschaffen, so bezüglich der Richter. Warum ist eine Gleichstellung der Richter und der Verwaltungs⸗ beamten nicht möglich? Bezüglich der Professoren widerspricht die Denkschrift den gestrigen Ausführungen des Regierungskommissars. Der Finanz⸗Minister und Graf Limburg haben sich dagegen verwahrt, daß man das Amt beurtheile nach der Höhe der Gehälter. Die Ge⸗ hälter können doch nur nach der Wichtigkeit abgestuft werden. Die Regierungs⸗Räthe und die Richter haben die gleiche Vorbildung, die letzteren oft die größere Verantwortung. Das Amt des Landraths kann nicht maßgebend sein; es hat sich aus einem Ehrenamt zu einem besoldeten Staatsamt ausgebildet. Aber man könnte ihm höchstens einen Repräsentationszuschuß gewähren. Der Justiz⸗ Minister wollte die Hebung des Richterstandes durch den § 8 des damals vorgelegten Gesetzes erreichen. Ein Mittel zur Hebung des Richterstandes war die Gleichstellung in der Besoldung mit den Ver⸗ waltungsbeamten. Das Dienstalters⸗Zulagensystem verdient für die Richter den Vorzug vor dem vorgeschlagenen System. Das Höchst⸗ gehalt müßte der Richter innerhalb 24 Jahren erreichen, da⸗ mit nicht das Bestreben allzu groß wird, in andere Stellen zu gelangen. Es kommt häufig vor, daß Richterstellen längere Zeit unbesetzt bleiben. Wird das ersparte Gehalt zu Re⸗ munerationen verwendet? Der Finanz⸗Minister rühmt sich des großen Extraordinariums, aber bezüglich der Justizverwaltung ist nicht genug geschehen, um den geradezu skandalösen Zuständen in den Gerichts⸗ gebäuden abzuhelfen. Die Oberlehrer müssen den übrigen Be⸗ amten gleichgestellt werden. Die Professoren erhalten 10 % Aufbesserung, wie alle anderen Beamten, und für dieses Linsen⸗ gericht sollen sie ein wohlerworbenes Recht auf ihre Honorare auf⸗ geben. Eine Verstaatlichung der Honorare kann aber nur auf gesetz⸗ lichem Wege durchgeführt werden. Welche Uebelstände bestehen denn bezüglich der Honorare? Einige Professoren beziehen allerdings sehr große Honorare. Wenn ein Professor 30 000 ℳ Honorar bezieht, so ist das doch nur eine Ausnahme. Es kommt vielleicht dabei ein Dutzend Berliner Professoren in Betracht. Hier wird der Regierungsvertreter keinen Eindruck mit solchen Dingen machen. Im Reichstage würde er vielleicht auf der äußersten Linken Beifall finden. Die Verstaatlichung der Kollegiengelder in Oester⸗ reich hat einen Sinn, weil dort Zwangskollegien vorgeschrieben sind. Die Ausführungen des Regierungsvertreters bieten ja etwas Befriedigendes, aber die bloße Vereinbarung zwischen dem Finanz⸗Minister und dem Kultus⸗Minister bietet keine genügend sichere Grundlage. Aus einem Theil der Kollegiengelder soll ein Fonds gebildet werden, um einigen hervorragenden Professoren eine Zulage zu geben. Die Sache macht sich außerordentlich sonderbar, vielleicht ist der Finanz⸗Minister auf diesen Auskunftsweg gelommen. Die Bestimmungen des Landrechts über die Kollegiengelder geben ihnen nicht nur einen privatrechtlichen, sondern auch einen öffentlich recht⸗ lichen Charakter, der nicht durch eine Bemerkung beim Etat beseitigt werden kann. Die berühmten Professoren mit den großen Gehältern werden auf ihre Kollegiengelder nicht verzichten, die armen Teufel aber werden gezwungen werden, der Gehaltsaufbesserung wegen auf ihre Zukunft zu verzichten. Würde ein privater Arbeitgeber einen solchen Druck ausüben, so würde die öffentliche Meinung sich dagegen empören. Die Lage der Professoren an den Technischen Hochschulen ist noch schlechter als die der Universitätsprofessoren. Man würde ihre Lage verbessern, wenn man ihnen einen größeren Antheil an den Kollegiengeldern giebt. 1892 ist ihr Antheil von 10 auf 25 % erhöht worden, und auf diesem Wege sollte das Haus fortfahren. Der Finanz⸗Minister hat uns den Rath gegeben, bezüglich der Unterbeamten sehr zurückhaltend zu sein. Aber wenn wir die Berechtigung der Wünsche dieser Beamten einsehen, müssen wir eine Ausgleichung eintreten 8 Eindruck gemacht hat die Ausführung des Finanz⸗Ministers über die Kommunalsteuern der Beamten. Leicht zu lösen ist die Frage nicht, aber sie muß über kurz oder lang gelöft werden, denn die Beamten verursachen doch den Gemeinden Kosten. In Berlin sind 10 % der Berliner Schüler Beamtenkinder. Herr Langerhans hat den Vorschlag gemacht, die Sache so zu regeln, daß einmal der Staat auf eine Reihe von Jahren auf die Hälfte der Einkommensteuer der Beamten verzichtet. Die Schwierigkeiten, denen der Finanz⸗Minister begegnet ist bei der Gehaltsfrage, ent⸗ springen wohl dem Ressortegoismus. Wir sind daran nicht betheiligt, wir können radikaler verfahren und die Zöpfe abschneiden. Der Finanz⸗Minister meinte, die Vorlage sei ein Gebäude, aus dem man keinen Stein entfernen könne, ohne daß es zusammenstürze. Ich meine, das Gebäude ist sehr unpraktisch und wird dadurch nicht besser, daß man hier etwas wegnimmt und dort etwas ansetzt. Ich hoffe, daß die Budgetkommission nicht im Galopp die Sache behandelt, sondern versucht, ein schönes Gebäude von klassischen Formen zu gestalten. “
Hierauf nimmt der Justiz⸗Minister Schönstedt das Wort.
(Schluß des Blattes.)
— Dem Herrenhause ist der von dem Hause der Abgeordneten angenommene Entwurf eines ehe⸗, betreffend das Dienst⸗ einkommen der Lehrer und Lehrerinnen an den öffent⸗ lichen Volksschulen, zugegangen.
Arbeiterbewegung. 8 8
Aus Wüstegiersdorf wird der „Köln. Ztg.“ berichtet, daß die ausständigen Weber der Kaufmann'’schen Fabriken zu Tannhausen die Arbeit wieder aufgenommen haben (vgl. Nr. 16 d. Bl.).
Aus Barmen schreibt man der „Rh.⸗Westf. Ztg.“” In einer am Sonntag abgehaltenen Versammlung der Holzarbeiter wurde im Anschluß an ein Referat einer früher eingesetzten Kommission über die Lohn⸗ und Arbeitsverhältnisse in geheimer Abstimmung beschlossen, in eine Lohnbewegung und im Falle, daß nachstehende Forderungen von den Arbeitgebern nicht bewilligt werden, in den Ausstand einzutreten. Die Versammlung verlangt: 1) 9 stündige Arbeitszeit und eee der jetzigen Löhne. (Bisher betrug die Arbeitszeit 9t — 10 ½ Stunden. 10 % Erhöhung bei Stunden⸗ und Accordarbeit. 2) Für Ueber⸗ stunden bei Sonn⸗ und Feiertagsarbeit einen Lohnaufschlag von 25 %. 3) Auszahlung des Lohnes am Freitag.
In Leutzsch bei Leipzig haben, einer Mittheilung des „Vor⸗ wärts“ zufolge, die Tischler und Maschinenarbeiter der Flem⸗ ming'schen Fabrik mechanischer Musikwerke die Arbeit eingestellt. Einige Metallarbeiter, welche die Arbeit der Ausständigen
1u“
machen sollten, haben gleichfalls die Arbeit niedergelegt.
vrlin 'am letzten Tage
Aus St. Petersburg wird dem „W. T. B.“ von einem Privat⸗ Korrespondenten gemeldet: Da bisher die den Arbeitern gelegentlich des Ausstandes im vergangenen Sommer gegebenen Zusicherungen über die Festsetzung der Arbeitszeit nicht verwirklicht worden sind, traten mit Eintritt des Winters in mehreren Fabrik⸗ bezirken neue Gährungen unter der Arbeiterbevölkerung auf, und es wurden Aufrufe zur Arbeitseinstellung vertheilt. An ver⸗
schiedene Fabrikinspektoren und höhere Polizeihegmte gelangten.
—.
Zuschriften, in denen -ch- die Erfüllüng der gegebenen Ver⸗ sprechungen erinnert wird. Zur Zeit haben in mehreren Fabriken in St. Petersburg und im Innern des Landes wieder Arbeits⸗ einstellungen begonnen. Wie verlautet, hat nun eine Regierungs⸗ kommission ein Statut ausgearbeitet, welches die Arbeitszeit am Tage auf 10 ½, 11 ½ und 12 ½ Stunden und für die Nacht auf 9 Stunden in ganz Rußland festsetzt.
Kunst und Wissenschaft.
Der 15. Kongreß für innere Medizin findet in diesem Jahre ausnahmsweise zu Pfingsten und zwar in den Tagen vom 9. bis 12. Juni in Berlin statt. Die Sitzungen werden im Archi tektenhause (Wilhelmstraße 92/93) abgehalten werden, woselbst sich auch das Bureau befindet. Das Präsidium übernimmt der Geheime Medizinal⸗Rath, Professor Dr. von Leyden (Berlin). Zur Verhandlung sollen folgende Themata kommen: Am ersten Sitzungstage. Mittwoch, den 9. Juni: Die Behandlung des chronischen Gelenkrheumatismus (Referenten: Herr Bäumler⸗Freiburg und Herr Ott⸗Marienbad); am zweiten Sitzungstage, Donnerstag, den 10. Juni: Epilepsie (Referent Herr Unverricht⸗Magdeburg); am dritten Sitzungstage, Freitag, den 11. Juni: Morbus Basedowii (Referent: Herr Eulenburg⸗Berlin). Folgende Vorträge sind bereits angemeldet: Herr A. Fränkel⸗Berlin und Herr C. Benda⸗Berlin: Klinische und anatomische Mittheilungen über akute Leukämie. — Herr von Jaksch⸗Prag: Klinische Beiträge zur Kenntniß des Kohle⸗ hydratstoffwechsellz. — Herr O. Liebreich⸗Berlin: Die Ziele der modernen medikamentösen Therapie. — Herr E. von Leyden⸗Berlin: Ueber die Prognose der Rückenmarkskrankheiten. — Herr Martin Mendel⸗ sohn (Berlin): Die klinische Bedeutung der Diurese und die Hilfs⸗ mittel ihrer therapeutischen Beeinflussung. Herr A. Baginsky (Berlin): Zur Patholegie und Pathogenese der kindlichen Sommer⸗ diarrhöen; mit Demonstration. — Herr Emil Pfeiffer (Wies⸗ baden): Zur Aetiologie des chronischen Gelenkrheumatismus. — Herr Rumpf (Hamburg): Neue Gesichtspuntte in der Behandlung chronischer Herzerkrankungen. — Herr Fürbringer (Berlin): Zur Klinik der Lumbalpunktion. — Herr Jacques Mayer (Karlsbad): Diabetes mellitus im jugendlichen Alter. — Weitere Anmeldungen von Vorträgen nimmt der ständige Sekretär des Kongresses, Herr Emil Pfeiffer, Wiesbaden, Friedrichstraße 4, entgegen. — Für Kranken⸗ vorstellungen und Demonstrationen ist eine ganze Nachmittags⸗ sitzung vorbehalten; dieselben bedürfen vorheriger Anmeldung. — Mit dem Kongreß ist eine Ausstellung von neueren ärztlichen Apparaten, Instrumenten, Präparaten ꝛc. verbunden. Auskunft über diese Ausstellung ertheilt der Vorsitzende des Ausstellungs⸗Comités, Herr General⸗Arzt Schaper in Berlin, König⸗ liche Charité, oder der Schriftführer des Berliner Lokal⸗Comités, Herr Privatdozent Martin Mendelsohn, Berlin NW., Neustädtische Kirchstraße 9, an welche auch die Anmeldungen der Demonstrationen ꝛc. zu richten sind. Die Ausstellung wird gleichfalls im Architektenhause (Wilhelmstraße 92/93) stattfinden. — Das Festmahl des Kongresses wird im Zvologischen Garten abgehalten werden.
— Die Skizzen der für den Viktoriapark bestimmten Hermen⸗Büsten von Liederdichtern aus der Zeit der Befreiungs⸗ kriege sind gegenwärtig im Festsaal des Rathhauses zur Aufstellung gebracht. Die schönste und auch dankbarste Figur ist die Theodor Körner's, von Wenck. Der Dichter, im Waffenrock der Lützower Jäger mit dem Mantel darüber, umfaßt mit beiden Händen den Säbel und hält den begeisterungsvollen Blick nach oben ge⸗ richtet wie zu einem heiligen Gelöbniß. Den charakteristischen Kopf von Ludwig Uhland hat Max Kruse geschaffen. Ernst Moritz Arndt, von Hans Latt entworfen, hält in der Linken ein Blatt, in der Rechten die Feder. Der Kopf Rückert's (von Lehrke) mit dem herabwallenden Haar schaut offen und frei in die Ferne; seine Linke hält ein aufgeschlagenes Buch, die Rechte eine Feder. Die Büste Heinrich von Kleist'’s ist von Pracht, die Max von Schenkendorf's von Reichel modelliert. Die Hermen sollen in wetterfestem Marmor ausgeführt werden.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Frankreich.
Zufolge Bekanntmachung des Gesundheitsamts in Marseille werden vom 15. d. M. ab alle Schiffe, welche dort direkt oder indirekt von Bombay anlangen, im Quarantänehafen von Frioul einer Untersuchung und Desinfizierung in Gemäßheit der bestehenden Bestimmungen unterworfen.
Der Gesundheitsstand in Berlin war auch in der Woche vom 3. bis 9. Januar ein guter und die Sterblichkeit eine günstige (von je 1000 Einwohnern starben, aufs Jahr berechnet, 15,9). — Unter den Todesursachen herrschten immer noch akute Entzündungen der Athmungsorgane und Katarrhe der Luftwege vor, doch war der Verlauf ein milderer und im allgemeinen kein bösartiger. Auch Erkrankungen an Grippe, die in 4 Fällen gegen 9 der Vorwoche tödtlich endeten, gelangten noch häufig zur ärztlichen Beobachtung. Akute Darmkrankheiten wurden ein wenig häufiger als in der Vorwoche Todesveranlassung; die daran Gestorbenen standen aus⸗ schließlich im kindlichen Alter. Die Betheiligung des Säug⸗ lingsalters an der Sterblichkeit blieb eine geringe; von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 43 Säuglinge. — Von den Infektionskrankheiten blieben Erkrankungen an Typhus selten, Erkrankungen an Masern und Scharlach kamen etwas mehr, an Diphtherie etwas seltener zur Anzeige, und zwar zeigten sich Masern im Königstädtischen Viertel, auf dem Wedding und nament⸗ lich im Spandauer Viertel sehr zahlreich, während Erkrankungen an Diphtherie aus der Tempelhofer Vorstadt und vom Wedding am häufiasten zur Meldung kamen. Erkrankungen an Kindbettfieber sind 5 bekannt geworden. Abgenommen haben auch rosenartige Entzün⸗ dungen des Zellgewebes der Haut, während Erkrankungen an Keuch⸗ husten wieder sehr zahlreich vorkamen und in 15 Fällen tödtlich endeten. Erheblich seltener als in der Vorwoche elangs. rheumatische Be⸗ schwerden aller Art, namentlich aber akute Gelenkrheumatismen, zur ärztlichen Behandlung. 8 G
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Hamburg, 20. Januar. (W. T. B.) Das aus Kalkutta hier eingetroffene Segelschiff „Pirrie“ ist, weil an Bord mehrere Kranke signalisiert waren, in den Hansahafen zur Quarantäne gegangen. Wie nunmehr amtlich festgestellt ist, verließ das Schiff bereits am 27. September v. J. Kalkutta, zu einer Zeit, wo dort keine Krankheit herrschte. Der Steuermann ist, wie konstatiert wurde, an Lungenschwindsucht gestorben; die übrigen acht Erkrankten leiden, wie bereits gemeldet, zum theil an Skorbut oder Berri⸗Berri und sind alle in der Genesung begriffen. Die letztere, durch den andauernden Genuß von Schiffskost und Pökelfleisch veranlaßte Krankheit kommt häufig und überall vor.
Lriest, 19. Januar. „W. T. B.“ meldet: Die italienischen Blättern angeblich aus Massowah telegraphierte und sodann von biesigen Blättern übernommene Meldung, wonach von dem Kriegs⸗ schiff „Kaiser Franz Josef“ in Massowah zwei an Pest erkrankte Matrosen ausgeschifft worden und daselbst gestorben seien, beruht offenbar auf
einem Irrthum; denn das genannte Kriegsschiff hat den Hafen von
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