Stabsarzt 1. Kl. und Garn. Arzt in Dresden, mit Wahrnehmung / ihrer Forschung in Wort oder Schrift mitgetheilt, welche, sei es aus
des divisionsärztlichen Dienstes bei der 1. Div. Nr. 23 beauftragt. Dr. Müller, charakteris. Ober⸗Stabsarzt 1. Kl. und Regts. Arzt des 1. (Leib⸗) Gren. Regts. Nr. 190, zum etatsmäßigen Ober⸗Stabs⸗ arzt 1. Kl. ernannt. Dr. Schaffrath, Ober⸗Stabsarzt 2. Kl. und Bats. Arzt des 2 Jäger⸗Bats. Nr. 13, als Regts. Arzt zum Garde⸗ Reiter⸗Regt., Dr. Kampf. Stabsarzt bei der Sanitäts⸗Direktion, als Bats. Arzt zum 2. Jäger⸗Bat. Nr. 13, Dr. Wagner, Stabs⸗
und Bats. Arzt des 2. Bats. 5. Inf. Regts. Prinz Friedrich August
Nr. 104, zur Sanitäts⸗Direktion, — versetzt. Dr. Sonnekes, Assist. Arzt 1. Kl. vom 1. Feld⸗Art. Regt. Nr. 12, zum Stabs⸗ und Bats. Arzt des 2. Bats. 5. Inf. Regts. Prinz Friedrich August Nr. 104 befördert. Dr. Wichmann, Assist. Arzt 1. Kl. vom Garde⸗Reiter⸗ Regt., zum 2. Jäger⸗Bat. Nr. 13 versetzt. Dr. Herbach, Assist. Arzt 2. Kl. vom 1. (Leib⸗) Gren. Regt. Nr. 100, zum Assist. Arzt 1. Kl. befördert. Dr. Stroscher, Assist. Arzt 2. Kl. vom 2. Gren. Regt. Nr. 101 Kaiser Wilhelm, König von Preußen, zum 1. Feld⸗ Art. Regt. Nr. 12 (Garnison Dresden), Dr. Petzold, Assist. Arzt 2. Kl. vom 2. Jäger⸗Bat. Nr. 13, zum Garde⸗Reiter⸗Regt., — ver⸗ setzt. Die Assist. Aerzte 2. Kl. der Res.: Dr. Hofmann, Reinicke, Dr. Donau, Dr. Kirchner, Dr. Lehmann II., v. Criegern, Dr. Kruspe des Landw. Bezirks Dresden⸗Altst., Dr. Oldag, Dr. Rietzsch des Landw. Bezirks Meißen, Dr. Sommer, Uhlmann des Landw. Bezirks Dresden⸗Neust., Dr. Kreher des Landw. Bezirks Freiberg, Dr. Hartung des Landw. Bezirks Zittau, Dr. Bochmann, Dr. v. Einsiedel des Landw. Bezirks Bautzen, Dr. Schmiedt V., Dr. Friedrich II., Dr. Rosen⸗ thal, Dr. Beyer, Dr. Hochmuth, Dr. Lehmann, Dr. Müller III., Dr. Hentschel, Dr. Zinsser des Landw. Bezirks Leipzig, — zu Assist. Aerzten 1. Kl. befördert. Die Assist. Aerzte 2. Kl. der Res.: Dr. Hofmann II. des Landw. Bezirks Wurzen, Dr. Schneider, Dr. Oppe des Landw. Bezirks Zwickau, Dr. Schetelich des Landw. Bezirks I Chemnitz, Dr. Römer, Dr. Schlick des Landw. Bezirks Plauen, Dr. Rampoldt, Felix, Assist. Aerzte 2. Kl. der Landw. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Leipzig, — zu Assist. Aerzten 1. Kl.; die Unterärzte der Res.:
Dr. Schieck des Landw. Bezirks Dresden⸗Altst., Böcker des Landw. Bezirks Dresden⸗Neust., Dr. Kröber, Renken, Dr. Lange des Landw. Bezirks Leipzig, — zu Assist. Aerzten 2. Kl., — befördert. der Scholastik. Die Freiheit des Protestantismus konnte der Entwicke⸗
Dr. Schmidt I., Assist. Arzt 1. Kl. der Res. des Landw. Bezirks Dresden⸗Neust., der Abschied bewilligt. 8 Beamte der Militär⸗Verwaltung. Durch Verfügung des Kriegs⸗Ministeriums. 18. Ja⸗ nuar. Haase, Militäranwärter, unter dem 1. Februar d. J. als Lazareth⸗Insp. bei dem Garn. Lazareth in Dresden angestellt. 19. Januar. Unruh, Dauelsberg, Maitrich, Techniker greses⸗ Baugewerksmeister), unter dem 1. Januar d. J. als Garn. auwarte bei den Lokalbaubeamten III Dresden, Leipzig und II Dresden angestellt. 8 XIII. (Königlich Württembergisches) Armee⸗Korps Iß Sanitäts⸗Korps. 22. Januar. Die Assist. Aerzte 2. Kl.:] Dr. Klett im Gren. Regt. Königin Olga Nr. 119, Dr. Neunhöffer der Landw. 1. Aufgebots vom Landw. Bezirk Stutt⸗ art. Dr. Camerer der Res. von demselben Landw. Bezirk, — zu ssist. Aerzten 1. Kl. befördert. Dr. Jaeger, Stabs⸗ und Garn. Arzt in Stuttgart, behufs Uebertritts in die Königl. preuß. Armee der Abschied bewilligt.
Festreden zur Feier des Allerhöchsten Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers und Königs.
„Bekenntnißgebundenheit und Lehrfreiheit.“
Rede zur Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers und Königs, gehalten in der Aula der Königlichen Friedrich Wilhelms⸗Universität in Berlin am 27. Januar 1897 von D. Dr. Wilhelm Kahl, Geheimem Justiz⸗Rath und Professor. Hochansehnliche Versammlung! kdollegen! Kommilitonen!
In alter Ehrfurcht und Liebe grüßen heute die Bürger unserer Hochschule ihren Kaiser, ihren König und Herrn, an der Schwelle eines neuen, will’s Gott, reichgesegneten Regierungs⸗ und Lebens⸗ jahres: Alle eins in der Innigkeit aufrichtiger Glück⸗ und Segens⸗ wünsche, in der Erneuerung des Gelübdes der Treue auf Leben und Tod, in der reinen Begeisterung für König und Vaterland, in der Empfindung grenzenloser Dankbarkeit fuͤr den Reichthum an nationalem Glück, welchen das deutsche, und insonderheit das preußische Volk von dem Fürstengeschlecht der Hohenzollern empfangen! Von allen seinen Gaben, bestimmt, die im Volke gelegenen eistigen und sittlichen Kräfte zu lösen, wird in der Lebensordnung der finiversitäten keine werthvoller zu halten, keine reiner zu überliefern sein, als die Gewissens⸗ und deren besondere Aeußerung, die Lehrfrei⸗ heit. Anderwärts den Staatslenkern oft nur zögerlich abgerungen durch den Zwang politischer Nothwendigkeit, war sie in Brandenburg⸗Preußen wahrhaft das freie Geschenk der weitblickenden Einsicht, der Gerechtigkeit, der Wahrheitsliebe, der Religiosität hervorragender Herrscherpersön⸗
lichkeiten. Einer ihrer Größten hat einen Ausspruch gethan, welcher
wie berechnet erscheint, der in den kirchlichen Bekenntnißkämpfen der Gegenwart von neuem auf die Probe gestellten Lehrfreiheit zum Stütz⸗ punkt zu dienen. Als auf der von dem Großen Kurfürsten 1655 errichteten reformierten Universität Duisburg „eifernde Geistliche egen den Vortrag der cartesianischen Philosophie Beschwerde er⸗ heen antwortete Friedrich Wilhelm, „daß keiner der Professoren für seine Lehre einer Synode oder Kirchenversammlung verantwortlich sei. Den Einzelheiten des Vorfalls bin ich nicht nachgegangen. Die Worte, wie hier wiedergegeben, sind entnommen aus Droysen’'s Geschichte der preußischen Politik. Aber ich schöpfe aus jenem Fürstenwort die Berechtigung, am Ehrentage des Königs mich, soweit die Frage in den Gesichtskreis des Kirchenrechtslehrers tritt, über Be⸗ kenntnißgebundenheit und Lehrfreiheit zu äußern.
Ein nicht ungefährliches Thema unter den besonderen Um⸗-
ständen der Zeit. Nachdem Vertrauen mich an diesen ehren⸗ vollen Platz berufen, werde ich in den stillen Stunden der
Vorbereitung dies wohl gewissenhaft erwogen haben. Es ist selbst-
verständlich, daß an die Höhe dieser Feierstunde sich nicht Leidenschaft und das Gezänke von Parteien, nicht Persönliches und
Kleines wagen dürfen. Aber für die Sache selbst die Gunst des freien Worts! Es handelt sich um eine Lebensfrage für die Kirche der Reformation, wie für die Wissenschaft, eine Frage höchsten Interesses für den Staat. Denn sollte sich bewahrheiten, daß die
Geistesarbeit der Theologie nach deren Verhältniß zur Kirche an Schranken gebunden wäre, welche mit fundamentalen
Lebensgesetzen wissenschaftlichen Betriebes überhaupt nicht zu
vereinbaren sind, dann wären wir im letzten Ziele vor den Entschluß der Scheidung von Theologie und Universitäten gestellt.
Sie wäre voraussichtlich das Ende einer wissenschaftlichen Theologie 8 1 3 8 legentlich gefordert. Erst jüngst hat ein Beispiel dieser sympathisch berührt. Aber die Sache ist mit Vorsicht auf⸗
überhaupt. Das Ende der Universitäten würde sie nicht sein. Aber auch sie würden den Verlust einer Geistesmacht ersten Ranges schwer verwinden. Und mehr. Das Einheitsprinzip, welches die Entwicke⸗ lung des Verhältnisses von Staat und Kirche auf deutschem Boden vornehmlich bestimmt hat, würde gerade an einem Punkte durch⸗ brochen und in das dunkle Wagniß einer Trennung von Staat und
Kirche hinübergeleitet sein, wo es für unser ganzes Kulturleben ver⸗ hängnißvoll werden könnte. Der Legitimation genug, an dieser Stelle und in dieser Stunde von der Sache zu reden. Mit heiliger Scheu,
wo es gilt, dem im Bekenntniß gebundenen Gewissen gerecht zu sein. Wissenschaft verdammt.
Aber auch mit Freimuth, wo unveräußerliche Rechte des um die Wahrheit ringenden Gewissens zu vertreten sind.
Unwillkürlich wird die an selbsterlebte Thatsachen
wachgerufen sein. Lehrer der evangelischen Theologie haben Ergebnisse
der Zunft selbst, sei es aus der Gemeinde, dem Bekenntniß der Kirche nicht entsprechend befunden wurden. Es hat sich die Sorge erhoben und mitunter zur öffentlichen Anklage gesteigert: solche Lehren werden die Diener der Kirche unfähig machen zur Ausübung ihres geistlichen Amts, sie werden den Bekenntnißstand der Kirche untergraben. Auch Mittel der Abhilfe wurden bereitgestellt: synodale Verstärkung des Einflusses der Kirche auf die Besetzung theologischer Professuren, Ausstattung von wissenschaftlich befähigten und sest im Bekenntniß stehenden Geistlichen zum akademischen Lehramt, Abgabe bekenntniß⸗ gefährdender Lehrkräfte aus den theologischen Fakultäten an die alles umfassende und alles vertragende Philosophie.
In welcher Absicht ich an diese Thatsachen erinnere? Lediglich um sogleich auszusprechen, daß sie nichd raiterhin die Gedanfen⸗ führung übernehmen können. Denn nicht das ist der Feeef gegenüber die erste Sorge der Wissenschaft, ob etwa eine Maßregel kirchlicher oder staatlicher Verwaltung die Wirkung haben könnte, in einzelnen Konfliktsfällen zu beruhigen und die Gefahr baldiger Wiederkehr zu vermindern. Die höhere Frage ist, ob ihrer Art nach die empfohlenen Mittel richtig gewählt und solche sind, daß von ihrer Anwendung ein ans Herz der Sache greifender Erfong zu hoffen sei. Ihrer Art nach sind sie rechtlicher Natur. anchen von denen, welche sie ausgedacht haben oder befürworten, mag die Absicht ferne liegen, die Freiheit von Wissenschaft und Lehre aufzuheben. Die Er⸗ wartung aber, welche Alle hegen, geht dahin, daß organisatorische Maß⸗ nahmen der erwähnten Art an sich geeignet sind, der Freiheit das zum Schutze des Bekenntnisses erforderliche Gegengewicht an die Seite zu setzen. Damit ist die tiefste Wurzel des Streits bloßgelegt. Sie liegt am Gesammtverhältniß von Kirche und Recht. Das Recht soll helfen, die Lehre zu schützen. Die allgemeine 88⸗ lautet: Giebt das Recht überhaupt die Mittel an die Hand, 8n. Konflikt zwischen Bekenntnißgebundenheit und Lehrfreiheit zu lösen?
Von Hause sind Theologie und Kirche nicht auf den Kampf, sondern auf den Frieden gestellt. Dennoch sind Spannungen zwischen beiden kaum weniger alt, als sie selbst. Nur Objekte und Methoden des Streits, sowie die Rollen des Angriffs und der Vertheidigung haben nach der Scenerie des gesammtgeschichtlichen Hintergrundes ge⸗ wechselt. Der Streit war anders zur Zeit der Alexandriner, anders unter
lung solcher Spannungen nur günstig sein. Auf ihn hat sich das eigentliche Kampfgebiet zwischen Theologie und Kirche verlegt. Kaum je haben die Waffen geruht. Zumal nicht seit der Mitte des XVIII. Jahr⸗ hunderts, seit den stärker gewordenen Einflüssen des Naturrechts und des Rationalismus. Wer die kirchliche und weltliche Literatur auch nur kursorisch darauf ansieht, wird bald entdecken: die Sturmeszeichen sind nicht von heute, auch nicht von gestern. Zu jeder Zeit ruft Einer aus: die Bekenntnisse waren nie so in Gefahr wie in der Gegenwart. Diese Beobachtung hat vielleicht etwas Beruhigendes. Jedenfalls bringt sie Belehrung. Sie erweitert den Blick. Sie lenkt ihn ab vom Persönlichen auf das Sachliche, von der Wirkung auf die Ursache, von der Oberfläche auf den Grund.
Die Krisis der Gegenwart ist nicht dadurch verschuldet, daß wag⸗ deg⸗ Forscher sich jüngst zu weit über die durch Rechtgläubigkeit und Bekenntnißschriften gezogene Vorpostenkette hinausbegeben hätten. Sie ist das Ergebniß einer von langer Hand vorbereiteten Entwickelung in Theologie und Kirche selbst. Die Grundprobleme der Theo⸗ logie sind anders und in einer Weise gestellt, daß von dieser Konstellation der kirchlich interessierte Laie unmittelbar mitergriffen wird. Die fromme Ueberlieferung des Elternhauses hat ihm heilige Schrift und
göttliche Offenbarung, Bibel⸗ und Christusglauben gleichgestellt.
Der von der Hechschie heimkehrende Sohn bringt andere Weisheit mit. Seine Lehrer haben in der Bibel unterschieden die Substanz der göttlichen Offenbarung und die menschliche Weise ihrer Ver⸗ mittelung. Von diesem Zentrum aus hat sich das ganze Bild des religiösen Besitzstandes verschoben. Unendliches, was früher gebunden war, ist mit Hingabe der altprotestantischen Inspirationslehre lose ge⸗ worden. Es ist ein unermeßliches Freigebiet entstanden. In dieses sind die Kritiker getreten. Und wie anders sind sie bewaffnet als ihre Vorgänger! Sprach⸗ und Geschichtsforschung haben Ergebnisse geliefert, welche unerbittlich Bresche legen in das übcberlieferte System. Zuerst an einzelnen Stellen. Warum nicht auch an anderen? Wo wird die Grenze sein? Der böse Geist der Kritik rumort überall. Die kritische Richtung in der Theologie überhaupt ist die Ursache, der Vorstoß Einzelner der zufällige Anlaß des öffentlichen Konflikts. Sie vermessen sich, am Göttlichen Wesentliches und Unwesentliches zu unterscheiden. Das ist der Nothschrei gegen die moderne Theolo ie. Man argwöhne nicht, es sei bloß der Ruf des Zelotismus. Es ist ebenso die Stimme tödtlich erschrockener Gewissen. Die Reinheit der religiösen Beweggründe ist voraus⸗ zusetzen. Die Unerschütterlichkeit gläubigen Festhaltens am Ueber⸗ lieferten, die Rücksichtslosigkeit eines alle Höhen und Tiefen durch⸗ messenden Wahrheitssinnes — zwei Thatsachen, welche sich nothwendig stoßen! Dazu die veränderte Lage in der Kirche. Das Prinzip der Oeffentlichkeit hat sich in breitestem Umfang in ihr etabliert. In ihren Gemeindeorganen, Kreis⸗, Provinzial⸗ und Generalsynoden hat sie auf allen Stufen repräsentativer Gliederung beredte Sprachorgane erhalten. Die Sorge des Einzelnen kann durch einen Antrag an die höhere Synodalinstanz zur Sorge der ganzen Kirche gemacht werden. Dabei haben mancher Orten die Synoden den staatlichen Konstitutio⸗ nalismus nachgeahmt. Ihre Mitglieder haben sich zu Parteien formiert. Spannungen zwischen Theologie und Kirche werden unvermeidlich vom synodalen Partetwesen aufgegriffen. Indem sie sich hier programmatisch verdichten, werden sie in Wahrheit noch verschärft. Andere Motoren, welche die Unruhe der Gegenwart erklären, bleiben absichtlich außer Rechnung. Das Gesagte genügt, überzeugt aussprechen zu dürfen: die Situation von heute ist nicht das Verbrechen Einzelner. Sie ist eine naturgemäße, wenn auch der Gewissensruhe der Zeit⸗ genossen unbequeme Entwickelungsstufe in Theologie und Kirche selbst.
Das ist die Größe des Ereignisses, vor welchem wir stehen. Ihr müssen auch die Kräfte entsprechen, welche wir entgegensetzen. Und nun zum zweiten Mal die Frage: giebt das Recht die Mittel, des Konfliktes Herr zu sein? Mit einem „Ja“ wäre der spezifische Dienst verleugnet und verkannt, welchen das Recht der evangelischen Kirche zu leisten hat. Darum ein bedingungsloses „Nein“. Aber das Ergebniß ist gleichwohl nicht boffnungslose Preisgabe des Be⸗ kenntnisses der Kirche. Dasselbe Recht, welches den Dienst versagen muß, wo es gedungen würde, den Bekenntnißinhalt durch Zwangs⸗ veranstaltungen irgend welcher Art zu schützen, bietet doch volle Gewähr, daß nimmermehr eine entfesselte Freiheit der Theologie den Bekenntnißstand der Kirche aufzulösen vermag. Daß auch bei dieser Aussicht es nicht gelingen wird, nach rechts und links befriedigende Resultate abzutragen, ist gewiß. Aber darauf kommt nichts an. Die Hauptsache wird sein, daß das Ergebniß einigermaßen die Probe evangelischer Wahrheit bestehen kann.
Nur eine Macht auf Erden hat für ihren Gemeinschaftskreis die Frage befriedigend zu lösen gewußt: die katholische Kirche. Es muß sich lohnen, das Meisterstück dieser Lösung zuerst zu besehen.
Von vornherein ist der Kampfplatz begrenzt durch eine engere Auffassung vom Beruf der Wissenschaft. Zwar wird auch aus dem Lager der katholischen Theologie die Lehrfreiheit 12
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zunehmen. Daß die Wissenschaft uneingeschränkt alle Mittel menschlicher Erkenntniß gebrauchen solle, um damit die
Wahrheit des durch eine unfehlbare Lehrgewalt geschlossen dar⸗
gebotenen Glaubenssystems zu beweisen, zu stützen, zu erklären, haben die gelehrten Päpste aller Zeiten angerathen. Se⸗ hat auch Pius IX., der Papst des Syllabus, in einer besonderen Encyklika von 1846 empfohlen. Und doch hat gerade er ex cathedra die Freiheit der
erst, ob sie Beruf und Berechtigung habe, dem Lehrsystem der Kirche stützend zu dienen. Das ist selbstverständlich. Dieser Erfolg ist ihm
it. Es handelt sich um eine Differenz im Begriff. Der evangelische Theologe, welcher für die Freiheit seiner Wissenschaft sich erwärmt, streitet um etwas Anderes. Er fragt nicht
den höheren Beruf und die höhere Berechtigung habe, eine dem Lehrsystem der Kirche gegenüber voraussetzungslose Forscherarbeit zu treiben. Er thut dies von der Annahme aus, daß die Wissenschaft eben in dieser freien Stellung der Kirche erst den höchsten Dienst zu leisten vermöge, den Dienst der Förderung in Erkenntniß der Wahrheit. In der Wahrheitserforschung ist der katholische Theologe entlastet. Die Wahrheit wird ihm von einer außerhalb seines Ge⸗ wissens stehenden Instanz fertig dargereicht. Die Gefahr eines Zusammenstoßes von Theologie und Kirche ist gering.
Ganz zu beseitigen ist sie nicht. Aber hier nun setzt dem Katholizismus die bilfreiche Funkrion des Rechtes ein. Jeder Glaubenssatz ist Rechtsgebot. Das Glaubensgebiet in seiner ganzen Ausdehnung ist gegen auflösende Einflüsse irgend welcher Pro⸗ venienz durch rechtliche Mittel sichergestellt. Auch gegenüber der Lehre kann sich das Kirchenglied nicht nach anderen Maßen behaupten, als gegenüber dem Recht: es ist nur vor die Wahl der Unterwerfung oder der Strafe gestellt. So Laien, so Kleriker. Bewußte Abweichung von dem kodifizierten Schema des Glaubens ist formelle Haeresie, mit schwerer Kirchenstrafe bedrohtes Verbrechen. Eine bis zur obersten Instanz des heiligen Officium, der Sacra Congregatio Inquisitionis, binauf- leitende prozessuale Organisation sorgt für die Wirksamkeit des Rechts⸗ schutzes des Glaubens. Präventiv und repressiv steht zur Seite die Congregatio Indicis. Die Bekenntnißverpflichtung des Klerikers bei Ordination und Uebertragung des Kirchenamts äußert die Wirkung schlechthin rechtlicher Gebundenheit an den Wortlaut der amtlichen Kirchenlehre. Für Lehrer der Theologie sind zwar die päpstlichen Vorschriften, daß in jedem Falle vor Ausübung des Lehramtes die professio fidei abzulegen sei, nicht überall staatlich zur Aufnahme gelangt. Aber das bedeutet nicht eine Abschwächung der Gebunden⸗ beit. Geistlichen Standes sind sie ohnehin. Der Professor der Theo⸗ logie hat mindestens die erste der höheren Weihen erhalten. Und außerdem ist der Schutz der Kirchenlehre gegen Uebergriffe der Theo⸗ logie durch die besonderen Mittel der Diözesan⸗Jurisdiktion verstärkt. Um die Einheit von Wissenschaft und Dogma zu kontrolieren, übt der Bischof eine ununterbrochene persönliche Aufsicht über Studien⸗ plan, Lehrmittel und Vorlesungen. Wenn trotzdem Haeresien vor⸗ kommen? Eine das Bekenntniß gefährdende Krisis kann in keinem
alle eintreten. Versagt der Staat den weltlichen Arm, so hat die
irche selbst die ausreichenden Mittel in Bereitschaft gestellt. Den Haeretiker stößt sie aus. Mag der Staat in Amt und Einkommen ihn schützen, in der Fakultät ihn belassen. Das kanonische Recht hat von jeher scharf und vortheilhaft zwischen kirchlichem und bürgerlichem Gebiet zu unterscheiden gewußt. Mit Hilfe dieser Unterscheidung hat es der Kirche die Zuständigkeit auf dem Gebiete des Eherechts gerettet. Sie hilft auch hier. Auf bürgerlichem Gebiet werden die Kollegen den Haeretiker, selbst den Schismatiker weiter ertragen. Für das kirchliche Gebiet ist er unschädlich gemacht. Künftige Diener der Kirche wird er nicht mehr unterrichten. Das Recht hat seine Schuldig⸗ keit gethan. Es hat seine vornehmste Zweckbestimmung erfüllt. Es hat den Glauben geschützt. Dieser Schutz ist nicht erreicht durch ein Füüßeres Maß von Rechten der Kirche gegenüber dem Staat. Bei
bweichungen im einzelnen, weniger prinzipieller Natur, als durch die Verschiedenheit der Kirchenverfassung bedingt, sind im wesentlichen die Vollmachten der Staatsgewalt bei Besetzung oder Erledigung theo⸗ logischer Professuren nicht geringer, als gegenüber der evangelischen Kirche. Der Erfolg ist eingetreten trotz dem Staat. Kraft der un⸗ trüglichen Sicherheit, mit welcher der eigene r⸗chtliche Mechanismus funktioniert, kommt die katholische Kirche überhaupt nicht in die Lage, die Rechtshilfe des Staats gegen die Gefahren der Auflösung ihrer Lehre und ihres Bekenntnisses ansprechen zu müssen. Ein großes Resultat. Kein Wunder, daß auch Evangelische, mit Sorge um das durch die Wissenschaft bedrohte Bekenntniß erfüllt, dieses Resultat mit Staunen und Begehrlichkeit betrachtet haben.
Aber der Protestantismus bringt andere Voraussetzungen zur Lösung der Frage mit. Jede Verknüpfung von Glaube und Recht hat er abgelehnt. Kein Glaubenssatz ist Rechtsgebot. Wort und Sakrament sollen die Kirche bauen. Dazu hat Christus keine rechtlichen Hilfsmittel verordnet. Gegentheilig hat er für sein
eistliches Reich jede Regierungsweise nach Art weltlicher Gewalt⸗ verboten. „Ob x% obroc Soraw v b,gev.“ Die Kirche ist ange⸗ wiesen, von der für ihre äußere Gemeinschafrsordnung unentbehrlichen Rechtsbildung alle Bezüge auszuscheiden, welche den Glauben betreffen. „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“ Nur langsam und bis heute noch unvollkommen ist es der evangelischen Kirche gelungen, in diesem Sinne ihr spezifisch geistliches Wesen herauszuarbeiten. Die älteren Kirchenordnungen stehen noch vielfach unter dem Geiste des kanonischen Rechts. Die Freiheit kann nicht unvermittelt verstanden und ertragen werden. Aber das Prinzip hat sich festgestellt. Der Glaubensinhalt wird durch Mittel der Rechtsordnung nicht reguliert. Zwangsweise Durchsetzung von Lehre mittels Ausübung von Rechtsgewalt ist evan⸗ gelischer Kirchenordnung grundsätzlich fremd. Dies gilt, wie für die allgemeine Zuchtübung, so für die besondere Disziplinargewalt. Allerdings sind Lehrprozesse gegen Geistliche die gefahrvollste Klippe für das geistliche Wesen der evangelischen Kirche. Aber auch hier handelt es sich nicht um strafende Reaktion. Indem die Kirche, zum äußersten schreitend, die Amtsenthebung wegen bekenntnißwidriger Lehre verfügt, zieht sie die Konsequenz aus dem eigenen Verhalten des Geistlichen. Er hat aufgehört, Beauftragter der Kirche zu sein. Denn die Legitimität seines ministerium verbi beruhte nur und eben auf der freien Uebereinstimmung mit der Kirchenlehre. Genau so hat die urchristliche srxdᷣ᷑αι demjenigen, dessen Zãο̈%αωμ sie mißtraute, das Wort in der Gemeinde nicht gestattet. Bieser geistliche Kern der Sache ist gegenwärtig noch mannigfach durch die Formen des Ver⸗ fahrens verschleiert. Ihn immer mehr zu enthüllen, wird eine wahr⸗ haft evangelische Aufgabe der Zukunft sein. Die Reformation war nicht eine mit dem Tode Luther's abgeschlossene Episode. Sie ist ein sich fortsetzender Vorgang der Reinigung vom Katholizismus, der Er⸗ neuerung im Geiste.
Von solchen Voraussetzungen aus muß das Problem der Bekenntnißgebundenheit eine andere Lösung finden. Der evan⸗ gelische Laie scheidet aus. Seine Stellung zum Bekenntniß kommt nie zur formalen Entscheidung. Weder die Voraus⸗ setzungen seiner Berufung zu kirchlichen Ehrenämtern, noch sein Gelübde als Mitglied eines Gemeinde⸗ oder Synodalorgans schließen eine bestimmte Stellung zum Bekenntniß ein. Jedenfalls hat er sie nicht menschlich zu verantworten. Anders der Geistliche. Anders auch der Lehrer der Theologie, er sei Geistlicher oder Laie. Bei beiden kann die Bekenntnißstellung zur förmlichen Kon⸗ testation kommen. Hier also giebt es Grenzen der Freiheit zu er⸗ mitteln. Sind sie für beide gleich? Es ist einer der katholisierenden Grundirrthümer, die Bekenntnißgebundenheit mit formal recht⸗ lichem Maßstab gleich einer absolut gegebenen Größe zu hand⸗ haben. Sie wird vielmehr, soweit dabei die Uebernahme einer Ver⸗ antwortlichkeit in Frage kommt, spezifisch differenziert durch den konkreten Dienst, welcher der Kirche geschuldet wird. Sie ist nothwendig anders geartet für den Beruf an der Wissenschaft und den Dienst an der Gemeinde.
Aber ist sie nicht wenigstens für den Geistlichen staats⸗ oder kirchenrechtlich näher bestimmt? Wenn es ginge, ohne ganz kanonisch zu sein, hätte man's gemacht. Schon im Preußischen Allgemeinen Land⸗ recht. In der kirchenrechtlichen Abtheilung, deren Arbeiten 1782 be⸗ gannen, wurde beim Abschnitt über die Amtspflichten der Geistlichen ernsthaft darüber verhandelt. Klein nahm in seine Entwärfe nichts vom Bekenntniß auf. Er erklärte sich gegen symbolische Bücher über⸗ haupt. Er that es als richtiger Territorialist des XVIII. Jahrhun⸗ derts. Die landesherrliche Gewalt in Kirchensachen soll nicht be⸗ schränkt sein. Erst auf Erinnerungen Carmer's machte Svarez den Zusatz, daß Pfarrer „in ihren kirchlichen Vorträgen nichts einmischen sollen, was dem Lehrbegriff ihrer Religionspartei offenbar wider⸗ spricht“. Aber die Oberamts⸗Regierungen von Breslau und Glogau waren damit nicht zufrieden. Sie verlangen in ihren Monita die ge⸗ setzliche Verpflichtung auf die symbolischen Bücher. Dagegen wandte sich binwiederum mit Ernst und Humor der spätere Ober⸗Tribunals⸗
Präsident von Grolmann. Auch in ihm kommt der Territorialift
der beglückendste und lohnendste. Aber er fragt auch, ob sie nicht
thümlicher M g
prinzip des eben entdeckten Kollegialsystems. „Die Christen sollen kein anderes symbolisches Buch als die Bibel haben. Verpflichte ich den Lehrer, nach einem anderen symbolischen Buch zu lehren, so setze ich ja das symbolische Buch über die Bibel, Menschensatzungen über das göttliche Wort. Wenn ich sage: lehre mich das Corpus juris nach dem Leyser, so gilt ja Leyser mehr wie das Corpus juris. So wenig ich bei der letzteren Vorschrift ein recht guter Jurist sein kann, so wenig bei der ersteren ein recht guter Christ.“ „Was für eine widerliche Rolle spielet auch der Landesherr, wenn er jede Religions⸗ Sne zwingen will, nicht ein Titelchen von ihren symbolischen
üchern abzugehen.“ „Ein reformierter Prediger hat Bedenken, die harte Lehre von der Gnadenwahl vorzutragen; er nähert ich in seinen Vorträgen den Grundsätzen der Leibniz'schen
hilosophie, seine Gemeinde wendet nichts ein. Aber der andesherr leidet es nicht. Bleib' bei dem Heidelberger Katechismus und dem Dordrecht'schen Synodus, oder du wirst abgesetzt. Ein katholischer Priester will seine Gemeinde von der Bilder⸗ und Heiligenverehrung abbringen, die Gemeinde beklaget sich nicht. Aber was hilfts? Der Landesherr will den heiligen Nepomuk und Antonius von Padua nicht untergehen lassen.“ Es folgten noch viele, zum theil erregte Auseinandersetzungen. Svarez gab zuletzt den Ausschlag. Bei seiner Redaktion, die der heutige § 73 II. 11 darstellt, ist es ge⸗ blieben: „In ihren Amtsvorträgen und bei dem öffentlichen Unter⸗ richt müssen sie zum Anstoß der Gemeinde nichts einmischen, was den Grundbegriffen ihrer Religionspartei widerspricht““ Sein ausführ⸗ liches Votum schließt mit dem salomonischen Rath, welcher bei Staats⸗ und Kirchenbehörden durchschlagend war: „Besser, man bleibt in generalioribus und läßt der Nachwelt die nähere Be⸗ stimmung über.“
Diese Nachwelt sind wir. Inzwischen ist der Territorialismus beseitigt. Ein gesunder Kollegialismus hat der evangelischen Kirche die Anerkennung ihrer Selbständigkeit, in der Selbständigkeit den unbestrittenen Besitzstand ihrer Bekenntnisse gebracht. Seit den Frei⸗ heitskriegen ist ihre autoritäre Werthschätzung mehr und mehr ge⸗ stiegen. Auf eine Anfechtung ihrer Nothwendigkeit kann sie heute die Einlassung verweigern. Unionsurkunden, Synodalordnungen, Agenden haben ihren Bestand ausdrücklich garantiert. Mit der kirchengesetz⸗ lichen Garantie ihres Bestandes war auch die Bekenntnißgebunden⸗ heit der Geistlichen unzweideutig ausgesprochen. Aber freilich nur im
rinzip. Ueber ihren Grund, ihre Art, ihr Maß war nichts bestimmt.
ier hat die gesetzliche Formulierung versagt. Um so hingebender aben Kirchenrechtswissenschaft und Theologie des XIX. Jahrhunderts eine Fülle redlicher Arbeit an die Frage gewandt. Von ihrem Er⸗ trag muß nun die Rede sein.
Es ist die Kirche, welche in den Bekenntnißschriften bekennt. Daher sind sie nothwendig Norm und Schranke für das amtliche Handeln ihrer Diener. Es wird einer tieferen Auffassung entsprechen, diese Bekenntnißgebundenheit nicht auf den Formalakt der ordinato⸗ rischen Verpflichtung allein zurückzuführen, sondern in ihr nur die religiöse Verstärkung einer durch das geistliche Amt selbst ge⸗ setzten Verpflichtung zu erkennen. Der Begriff des Amts schließt eine schrankenlose Geltendmachung des individuellen Meinens gegenüber dem objektiven Glauben, gegenüber dem Bekenntniß der Kirche aus. Aber die hieraus resultierende Gebundenheit ist keine recht⸗ liche, sie ist nicht eine Gebundenheit wie unter das Gesetz. Diese Annahme würde Voraussetzungen haben, welche die Be⸗ kenntnsse nicht erfüllen. Sie sind nicht gbeee en Inhalts. Sie enthalten göttliche Offenbarung und menschliche Rechtsordnung,
eitgeschichtliches und Ewiges, Apologetisches und Polemisches, Thatsachen und Reflexionen, Bewiesenes und Beweisendes, Wahres wie „Fehlbares“. Solche Ungleichartigkeit schließt rechtliche Ver⸗ pflichtung aus. Die Bekenntnisse sind nicht übereinstimmenden Inhalts. Auch Gesetze enthalten Widersprüche. Aber der Richter löst die Antinomie auf. Diese Instanz fehlt der evangelischen Kirche. Die Bekenntnisse enthalten Gegensätzliches über die Sakramente und in Geringerem. Eine Theologie der Augustana und der Apologie lautet anders, als eine Theologie der Konkordienformel. Wider⸗ sprechende Normen ertragen nicht die Wirkung juristischer Gebunden⸗ heit. Die Bekenntnisse sind auch nicht absoluten Inhalts, d. h. sie haben sich in ihrer verpflichtenden Kraft nicht indifferent verhalten gegenüber der geschichtlichen Entwickelung. Längst mag unsere Ueberzeugung geworden sein, daß ein Gesetz nicht mehr den fortgeschrittenen Lebensbedingungen entspreche. Das muß An⸗ stoß sein, es zu ändern. Aber es ist. Darum gilt es, so lange nicht der Gesetzgeber oder ein unter bestimmten Bedingungen gebildetes Gewohnheitsrecht seine Anwendung ausschließen. An dem Inhalt der Bekenntnißschriften haben, — man nehme, was die Apologie über Privatbeichte, die Schmalkaldischen Artikel über die potestas juris- dictionis des Pfarrers sagen, — die Jahrhunderte eine Arbeit spontaner Auflösung verrichtet, welche jede unmittelbare Anwendung dem Geistlichen verwehren muß, wenn er sich nicht mit der lebendigen Kirchenordnung in Widerspruch bringen will. Solche durch keine Rechtsquelle legitimierte Veränderung schließt wiederum jede Möglich⸗ keit juristischer Verpflichtung aus. Das Konkordienbuch kann nicht Gesetzbuch sein.
Keine rechtliche Bekenntnißgebundenheit des evangelischen Geistlichen. Also überhaupt keine? In Wahrheit eine viel höhere und stärkere: die durch den Inhalt des geistlichen Amts gegebene und durch die Verantwortlichkeit der geistlichen Amtsführung täglich erneuerte ethisch⸗religiöse Gebundenheit vor Gott, vor der Kirche, vor der Gemeinde, vor dem Gewissen. Sie ist nicht para⸗ graphenweise abzustecken. Alle Versuche der Theologen, partes principales und minus principales in den Bekenntnißschriften zu unterscheiden, sind vithlunsen. Wo soll die Grenze der Unterscheidungen sein? Ob der Geistliche fest im Bekenntniß stehe, kann sich nicht nach der Summe der von ihm in einer bestimmten Auffassung für wahr gehaltenen Einzelsätze berechnen. Nicht dies und nicht das, vielmehr alles ergreift seine ethisch⸗religiöse Gebundenheit in derjenigen Beziehung und Anwendung, in welcher es zum Aufbau der Gemeinde als gliedlichen Bestandtheiles der Kirche noth⸗ wendig ist. Dies ist der konkrete Dienst des Geistlichen, dies der Anspruch der Kirche. Hier liegt der allumfassende, nie ver⸗ sagende Maßstab einer Bekenntnißgebundenheit, der es schlechterdings verwehrt bleibt, an Stelle der Position die Negation, an Stelle der Glaubensstärkung die Kritik, an Stelle des einfach Schlichten das kompliziert Spekulative, an Stelle des religiösen Gehalts die theologische Formulierung, an Stelle der Friedensbotschaft den wissen⸗ schaftlichen Streit, an Stelle des objektiv Festen das Flüssige der Entwickelung, an Stelle des Wortes Gottes die Meinung des J treten zu lassen. Eine Gebundenheit in der Freiheit, wie sie dur keine rechtlichen Schranken erreicht werden kann, wie sie die Kirche von jedem Geistlichen fordern darf und muß. Die Bekenntnisse sind nicht sein. Sie sind das Schriftverständniß der Kirche. Sie sind ihm anvertraut zum Aufbau der Gemeinde. Im Sinne dieses Ver⸗ trauens sind sie zu gebrauchen. Wer Geringeres fordert, löst den Bestand der Kirche auf. Wer rechtliche Garantien dazu verlangt, ist ins römische Lager übergegangen. Das Geistliche will geistlich ge⸗ richtet sein. 1
Wollte nun im Unterschiede von solcher Gebundenheit des Geistlichen ein Lehrer der Theologie seine Lehrfreiheit einfach begründen durch Hinweis auf einen Verfassungsparagraphen und sein staatsbürgerliches Recht, Deckung suchend unter seiner Eigenschaft als Staatsbeamter, so würde er den Kern der Sache, um welche es sich hier handelt, nicht getroffen haben. Er würde schlecht bestehen vor der Geschichte, wie vor den Ordnungen der Gegenwart. Die evangelisch⸗theologischen Fakultäten sind im engsten und unmittelbarsten Zusammenhang mit der Kirche der Reformation entstanden. Sie waren im vollen Sinn als Baufteine der Landeskirchen selbst gedacht. Sie gewannen theil⸗ weise die Stellung kirchlicher Behörden. Sie verwalten das Prüfungswesen. Sie führen ein Wort bei der Besetzung geist⸗ licher Aemter. Sie überwachen die Reinheit der Lehre. Die Wittenberger Statuten von 1533 ordnen sogar ein eigenes Ver⸗ fahren für die Feststellung streitig ewordener Lehre durch die Fakultät; befremdlich zuerst, aber erklärlich fur die Zeit der Auseinandersetzung
it dem Gemeinde⸗
in die Wissenschaft. Endlich bekleiden noch während des XVIII. Jahr⸗ hunderts der Regel nach die Professoren der Theologie ein geistliches Amt in der Gemeinde. Solcher organischer Zusammenhang zwischen evangelischer Kirche und theologischen Fakultäten hat sich zwar in der Folgezeit gelöst. Auch die letzteren sind säkularisiert und in den all⸗ gemeinen Entwickelungsprozeß der Universitäten zu Staatsanstalten eingeschlossen. Aber im Kernpunkt ist die, kirchliche Auf⸗ gabe der theologischen Fakultäten davon nicht berührt. Auch die gegenwärtigen Statuten vertrauen ihnen die Pflege der tbeologischen Wissenschaft und die Vorbildung der Geistlichen. Ob sie dabei auf die Bekenntnisse besonders verweisen, begründet im Wesen der Sache keinen Unterschied. Denn nirgends kann es nach protestantischer Grundauffassung darauf ankommen, die Bekenntniß⸗ ebundenheit irgendwie durch formale Voraussetzungen zu bestimmen.
as Ergebniß läßt sich dahin zusammenfassen: die evangelisch⸗theo⸗ logischen Fakultäten der Gegenwart haben einen Dienst nicht in der Kirche, wohl aber an der Kirche.
Es ergeben sich Folgerungen nach zwei Seiten: für die Kirche und für die Lehrer der Theologie.
Für die Kirche: sie hat auch heute das lebendigste Interesse an der Besetzung der theologischen Lehrstühle. Es ist berechtigt und noth⸗ wendig, daß diesem Interesse dauernd Rechnung getragen werde durch gutachtliches Gehör der Kirchenregimentsbehörden, wie es in voller Uebereinstimmung mit anderen Landeskirchen auch in Preußen durch Kabinetsordre vom 5. Februar 1855 geschehen ist.
„Für die Lehrer der Theologie: Ihr Dienst an der Kirche recht⸗ fertigt und bedingt nothwendig die Forderung einer kirchlichen Theologie. Nur darum kann es sich handeln, wie diese Qualität, wie die Kirchlichkeit der Theologie zu bestimmen sei. Hier ist der Brennpunkt der Frage. Ein doppelter Maßstab ist denkbar. Die Kirchlichkeit einer Theologie kann beurtheilt sein nach ihrem Ver⸗ hältniß zur Kirchenlehre, nach ihrer Rückwirkung auf die Gemeinde.
Den ersteren Maßstab zu handhaben, bedarf es der vollen Aus⸗ rüstung mit den Mitteln der theologischen Wissenschaft selbst. Wie ich andere Laien warnen möchte, ohne diese Ausrüstung ein Richteramt über die Kirchlichkeit der Theologie zu beanspruchen, so möchte ich vor allem mich selbst vor der Vermessenheit eines richtenden Urtheils bewahren. Der Laie kann nach ehrlicher Prüfung der Sache nur dahin sich entscheiden, von welcher Seite der streitenden Theile er nachhaltigere Eindrücke, scheinlichere Beweisgründe, eine stärkere Ueberzeugung empfangen habe. Die letzten Gründe zu kontrolieren ist er außer stande. Nicht, als ob ich durch bequeme Bescheidenheit einer Stellungnahme ausweichen wollte. Ich bekenne freudig, über⸗ zeugt worden zu sein, daß die Kirchlichkeit evangelischer Theologie nicht nach quantitativer Uebereinstimmung mit einem Minimum bestimmt formulierter Sätze der Bekenntnißschriften meßbar sei, weil in keinem Zeitpunkt der kirchengeschichtlichen Entwickelung die Formulierung dieser Sätze ein abgeschlossenes Resultat, vielmehr im Geiste der Reformation immerdar nur ein in ununterbrochener Arbeit zu er⸗ strebendes Ziel darstellen kann; und daß bei solchem Versuch, das Geheimniß der göttlichen Offenbarung auf den jeweils voll⸗ kommenen menschlichen Ausdruck der Kirchenlehre zu bringen, eine Theologie nur in der Art der Kirche wahrhaft zu dienen ver⸗ möge, daß sie mit absolutem Wahrheitssinn, und eben deshalb immer in religiöser Grundstimmung befindlich, auf keines der von Gott selbst gegebenen wissenschaftlichen Erkenntnißmittel verzichtet. So erweisen sich die verschiedenen Richtungen innerhalb der Theologie nicht als Typen ihrer Entartung zur Unkirchlichkeit, sondern als Zeugnisse für den unermeßlichen Reichthum des Evangeliums, als Staffeln auf seinem Siegeszuge durch die Welt. Sie bilden im förderlichen Aus⸗ tausch geistiger und geistlicher Kräfte unentbehrliche Hilfen und Durchgangspunkte auf dem Weg zum letzten Ziele der Gottesgelehrt⸗ heit überhaupt: zur Erkenntniß des Ewigen. Daß bei solcher Ueber⸗ zeugung von den Merkmalen kirchlicher Theologie nicht an eine surfstische Bekenntnißgebundenheit der Theologen geglaubt werden könne, versteht sich von selbst. Der Austrag der Sache bleibe denen, welche Beruf und Befähigung dazu besitzen.
Geringere Zurückhaltung ist gegenüber dem anderen Maßstab der Kirchlichkeit evangelischer Theologie auferlegt. Hier ist das Gemeinde⸗ ghied/ hier ebenso die Wissenschaft als solche interessiert. Auf der
inie der Erwägungen hierüber liegt auch der Punkt, an welchem die Rechtsfrage wieder einzusetzen und abzuschließen hat.
Der Schluß ist ungemein populaͤr: da der Lehrer der Theologie den Geistlichen auf das Kirchenamt vorzubereiten habe, so müsse auch er in eben dieser Funktion die Kirchenlehre mit derjenigen Be⸗ kenntnißgebundenheit handhaben, wie sie durch den Begriff des Kirchenamts für den Geistlichen selbst gegeben ist. Unkirchlich also sei eine Theologie, welche sich ungebunden Füerin dem Zuge der wissen⸗ schaftlichen Freiheit überlasse. Denn sie gefährde die Gemeinde. Der Schluß ist verkehrt. Und wenn er richtig wäre, das Recht könnte nicht helfen.
Der Schluß ist verkehrt, weil er ein Dreifaches verkennt: das Wesen des akademischen Lehrberufs, den Werth theo⸗ logischer Bildung für das geistliche Amt, das Verhältniß von Glaube und Wissenschaft. Wissenschaftspflege und Unter⸗ richtsertheilung sind nicht getrennte Funktionen. Der Unterricht selbst ist Unterricht der Wissenschaft. Beides nicht neben⸗, sondern ineinander. Beides im Geiste einer Wahrheit. Die Zumuthung eines Doppelgebrauchs der Freiheit als Gelehrter und als Lehrer wäre Auflösung der Einheit der sittlichen Persönlichkeit. Wäre die Theologie gebunden an die Bekenntnißschranke der geistlichen Amtsführung, sie würde aufhören, Wissenschaft zu sein. Denn diese ist ihrem Wesen nach frei. Es kann keine der wissenschaftlichen Untersuchun entzogenen Voraussetzungen der Theologie geben, ohne daß diese selbs ihr wissenschaftliches Wesen verlöre. Vor allem aber würde mit jener Beschränkung der theologische Unterricht nicht ferner diejenige wissen⸗ schaftliche Ausrüstung zu bieten vermögen, welche unerläßlich noth⸗ wendig ist zur Führung des geistlichen Amts. So gewiß ein Unter⸗ richt seines Zieles, Begeisterung und Freudigkeit fürs künftige Amt zu wecken, verfehlen müßte, wollte er die Kritik um der Kritik, den Zweifel um des Zweifels willen vorbringen, so gewiß würde er werth⸗ und zwecklos sein, wollte er beides ängstlich unterdrücken. Unterricht ist nicht Gemeindedienst, sondern wissenschaftlicher Beruf. Den Zweifel wirksam bekämpfen kann nur, wer entschlossen und auf⸗ richtig ihn in sich selber durchgekämpft. Nur wer mit Strömungen und Unterströmungen wohl vertraut ist, kann selbst im Strom den festen Fuß leffen, der nöthig ist, dem Sinkenden den rettenden Arm zu bieten. Wahrhaft kirchlich ist diejenige Theologie, welche zu solchem Dienst in der Gemeinde wehrfähig macht. Leisten kann diesen Dienst nur eine Theologie der Freiheit. Ist man aber rasch bei der Hand mit dem Vorwurf, dieser oder jener Jüngling habe durch die kritische Richtung der Theologie Schiffbruch gelitten an seinem Glauben, dann hat man das S von Wissenschaft und Glauben im Grundsatze verkannt. Glaube ist nicht die Frucht der Wissenschaft. Ihre Ergebnisse ver⸗ halten sich zu der auf der persönlichen Erfahrung beruhenden Glaubens⸗ gewißheit weder begründend noch auflösend. er da vorgiebt, durch die theologische Wissenschaft um den Glauben gebracht worden zu sein, prüfe 89 doch ernst, ob nicht vielmehr umgekehrt in dem mangeln⸗ den Besitz des Glaubens eine der Grundvoraussetzungen ihm gefehlt habe, welche zur theologischen Arbeit mit heranzubringen war. Der Glaube ist eine Ausstattung zur Theologie, nicht die Theologie das Mittel zur Erweckung des Glaubens. Die evangelische Kirche ist nicht die Gemeinschaft der Theologen, sondern die Gemein⸗ schaft der Gläubigen. Zu ihr gehören Kinder und Arme im Geist, welche von theologischer Wissenschaft nichts ahnen. Glaube und Wissenschaft verhalten sich „disparat“, ungleichartig und unmeßbar.
Von der Lehrfreiheit droht der Gemeinde keine Gefahr. Würde sie drohen, so könnten organisatorische Rechtsbehelfe sie nicht überwältigen. Daß an und für sich Synoden nach geschichtlich be⸗ rechtigter und prinzipiell gesunder Oekonomie in Vertheilung der kirchlichen Funktionen, vollends Synoden in der Formierung von kirchlichen Parteien nicht die berufenen Organe zur Mit⸗
rkung bei Besetzung theologischer Lehrstühle sein können, daß insbesondere dann der dauernde Erfolg nicht Parität, sondern Imparität der verschiedenen theologischen Richtungen sein würde, steht mir unerschütterlich fest. Aber ich gebe hier die Fragen preis. Man verstärke die Einsicht und Gewissendastigkeit des Kirchenregiments durch ganze Synoden. Man entsende bekenntnißfeste Geistliche in die akademischen Aemter mit der stillschweigenden Erwartung oder mit dem bündigsten Befehl: in Wissenschaft und Lehre bis hieher und nicht weiter! Was wird gewonnen sein? Nichts, solange nicht die römische Lehre mitübernommen sein wird: Glaubenssatz ist Rechts⸗ gebot. Das ist wirksamer Schutz, so lange die Eisenklammer hält, welche Strafe und Zwang um das Gewissen legen. Aber die Re⸗ formation hat sie für ihr Geltungsgebiet gesprengt. Das evangelische Gewissen erträgt kein imperatives Mandat. Im Gewissen will Gott allein sein. Kein Aufrichtiger kann ans Ende der Entwickelung sehen. Das konnte auch Luther nicht, als er weit entfernt war von dem Bruch mit der päpstlichen Kirche, als er in der Klosterzelle rang, als seine Hammerschläge an die Schloß⸗ kirche zu Wittenberg den anbrechenden Morgen der Gewissensfreiheit verkündigten. Seitdem haben die besten und größten unserer Theologen eine Entwickelung durchlaufen, deren Ende sie oft weit hinaushob über Anfang und Ausgangspunkt. Der religiös wissen⸗ schaftlichen Bewegung wohnt eine Kraft inne, der keine rechtliche Schranke Stand zu halten vermag. Die Versetzung des Abtrünnigen in den ordo philosophorum wird die Kraft nicht hemmen. ar er ein falscher Prophet, wird ohnehin seine Lehre untergehen, er trage den Talar in dieser oder jener Farbe. Hat er ein Körnlein evangelischer Wahrheit beigebracht, so wird es weiterkeimen. Der Unterschied wird nur der sein, daß im einen Fall die neue Lehre als Angriff auf die Theologie aus fremdem Lager sich zur Geltung bringen wird, während im andern der Streit als häusliche Angelegenheit der Theologie zum Austrag kommt. In der Sache selbst ist nichts geändert. Ideen, geistige Mächte lassen sich nicht bannen durch einen Wechsel der Dekoration. Sie bekämpfen einander, vernichten einander, greifen sich wieder auf, berichtigen sich, vervollkommnen sich und halten zuletzt fest, was sie an Reingehalt in sich tragen. Es ist wie in der Hunnenschlacht. Die Geister der Gefallenen kämpfen weiter. Rechtliche Stützen zerbrechen unter der Wucht dieses Kampfes im Reiche des Geistes. Das Empfinden des Innersten bei dem immer erneuerten Rufe nach Recht
egen die Lehrfreiheit kann ich vollkommen nur wiedergeben durch eine
Anleihe aus Luther's Brief, den er 1530 von Coburg an den Kanzler Brück nach Augsburg gerichtet hat: „Da ich zum Fenster hinaussah, sah ich die Sterne am Himmel und das ganze schöne Gewölbe Gottes und sah doch nirgend keine Pfeiler, darauf der Meister solch Gewölbe gesetzt hatte; noch fiel der Himmel nicht ein und stehet auch solch Gewölbe noch fest. Nu sind etliche, die suchen solche Pfeiler und wollten sie gerne greifen und fühlen. Weil sie denn das nicht vermögen, zappeln und zittern sie, als werde der Himmel ge⸗ wißlich einfallen aus keiner andern Ursache, denn daß sie die Pfeiler nicht greifen noch sehen. Wenn sie dieselbigen greifen könnten, so stände der Himmel fest.“
„Und dennoch hilft das Recht. Nur an anderer Stelle. Es weicht zurück, wo es den Bekenntnißinhalt formieren oder zwangs⸗ weise durchsetzen soll. Es leiht seine volle Kraft zur Sicherung des Bekenntnißstandes. Die Rechtsgeltung der Symbole wird von dem Anspruch auf 89 der Wissenschaft und Lehre überhaupt nicht be⸗ rührt. Jene beruht allein auf Akten der Kirchengesetzgebung oder gewohnheitsrechtlicher Rezeption. So wird auch jede Veränderung in der kirchlichen Geltung der Bekenntnisse sich durch mittelbare oder unmittelbare rechtsschöpferische Thätigkeit des kirchlichen Gemein⸗ geistes vollziehen. In jedem Fall behält die Kirche selbst die Verfügungsgewalt über den Bekenntnißstand. Die Theologie ist nicht Gesetzgeber. Die tbeologische Wissenschaft ist nur mitberufen, eine Vertiefung und Erneuerung des Schriftverständnisses vorzubereiten, nicht aber, ein erneuertes und vertieftes Schriftverständniß als Symbol
zu legalisieren. Hierin bietet das Recht auch der evangelischen Kirche
eine Garantie, stark genug, die Quellen der Beunruhigung zu schließen. Denn die Kautelen evangelischer Lehrgesetzgebung schließen es aus, daß einer unreifen, einer im Fluß begriffenen theologischen Lehrmeinung einseitig zum Siege verholfen und durch Aufnahm in das Bekenntniß gemeinverbindlicher Ausdruck gegeben werde. Ihre Wirksamkeit setzt vor allem ein vom Gesammtglaubens⸗ bewußtsein der Kirche freiwillig aufgenommenes Schetftwerstindnüh voraus. Dieses Glaubensbewußtsein kann kein landeskirchlich abgeschlossenes sein. Wohl giebt es keine einheitliche evan gelische Rechtskirche. Im Gebiete des Rechts sind die Landes⸗ kirchen ihre eigenen Wege gegangen. Aber die Entwickelung des Schriftverständnisses und der Besitz der reinen Lehre fallen nicht mit den Landesgrenzen zusammen. Eine Landeskirche würde durch ein seitigen und darum voreiligen Gebrauch ihrer Lehr sammenhang mit der Geisteseinheit der Reformation verleugnen un verlieren. In dem Bedürfnisse dieser Einheit liegt der denkbar stärkst Schutz des Bekenntnißstandes. Die Kirche bleibt Herrin in ihrem Hause, wie die Theologie es in dem ihrigen bleiben soll. Wann freilich der Zeitpunkt kommen wird, ein unter Vermittelung der theologischen Wissenschaft abgeschlossen gewonnenes erneuertes Schriftverständniß durch einheitliche Akte landeskirchlicher Lehrgesetzgebung zu neue Bekenntnissen auszugestalten, ist nicht zu prophezeien. Alles mensch liche Drängen müßte des Ziels verfehlen. Ich bin durchdrunge davon, daß unserer Zeit die bekenntnißbildende Kraft nicht innewohnt Bekenntnisse werden nicht gemacht. Sie entstehen. Freilich hat menschliche Berechnung und Kunst ihren Theil daran. Aber dere Arbeit kann nur fließen aus der Tiefe eines von wahrer religiöse Begeisterung ergriffenen Volks. Ist dies das Merkmal bekenntni bildender Zeit, dann ist sie die unserige nicht. Kommen wird sie unausbleiblich und gewiß. Dann werden auch diejenigen im Rechte geblieben sein, welche mit aller Kraft evangelischer Ueberzeugung da⸗ gegen gekämpft haben, daß der nothwendig voraufgegangenen Geistes⸗ arbeit der Theologie rechtliche Schranken errichtet würden, und welche bei allen Unvollkommenheiten und Irrthümern des ringenden Menschengeistes von dem Glauben an den Dauerbestand der Wahr⸗ heit auch ohne greifbare Stützen und Pfeiler nicht gewichen sind. Das Problem klingt aus in die Stimmung des Vertrauens au die Zukunft. Ich lasse es getrost ausklingen in unerschütterliches Vertrauen zu unserem gefeierten König und den Räthen Seine Krone. Nichts wird geschehen, was das Erbe unserer Freiheit schmälern könnte. Doppelt mächtig quellen heute Liebe und Ver trauen. War's doch, als ob die Feierglocken dieses Tages schon di Gedächtnißzeit an unseren heimgegangenen Kaiser, der in ernster reude das deutsche Volk entgegenharrt, mit eingeläutet hätten. Eine ommende Zeit wirft ihren verklärenden Zauber auf die Stunde der Gegenwart. Kaiser Wilhelm's Erbe und Enkel ist unser Kaiser. Die Tage Seines Gedächtnisses werden das Band der Liebe und des Vertrauens nosschen Kaiser und Volk von neuem binden, es von neuem heben auf die heilige Höhe der Begeisterung aus jener Feohen Zeit des Kampfes und des Sieges. Unter keinem schöneren Zeichen könnte der Beginn des neuen Lebensjahres unseres Kaisers stehen. Möge es Ihm reiche Fesct⸗ bringen der vertrauenden Liebe eines dankbaren, glücklichen olkes! Gottes Gnade walte über Seinem Haupte, Seinem Haus und Seinem Königlichen Amt! 8
„Der Kunst⸗Unterricht vor Begründung der Kunst⸗Akademie“, 8g sirede zur Feier des Allerhöchsten Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers und Königs, gehalten in der öffentlichen Sitzung der Königlichen Akademie der Künste im großen Saale der Sing⸗Akademie am 27. Januar 1897 8 von Professor Dr. Dobbert, Senator der Akademie. Die Rede begann mit einem Rückblick in den verflossenen
Sommer, in welchem die Akademie ihr zweihundertjähriges Bestehen feierte: ein Jubiläum, dem Ihre Matestäten der Kaiser und die Kaiserin
durch Ihre Anwesenheit bei dem Festakt die höchste Weihe gaben, und
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eAeis Feraeese. 2