1897 / 26 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 30 Jan 1897 18:00:01 GMT) scan diff

und die Einfuhr russischer Schweine nur ausnahmsweise unter sofortiger Abschlachtung in öffentlichen Schlachthäusern bis auf weiteres noch insoweit zugelassen wird, als dies im Interesse der Ver⸗ sorgung des Industriebezirks Oberschlesien mit Schweinefleisch und Speck sich als nothwendig erweist. .

giei Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ ein: 1 Meine Herren! Nachdem hier im vorigen Jahre die Interpellation Miing verhandelt worden ist, und nachdem vor acht Tagen über den⸗ selben Gegenstand eine eingehende und erschöpfende Verhandlung im Rieeichstage stattgefunden hat, hatte ich mich der Hoffnung hingegeben, 1 daß ich heute der abermaligen Wiederholung dieser Verhandlungen enthoben sein würde. Ich hatte mich um so mehr dieser Hoffnung hingegeben, weil nach meiner Ueberzeugung die Art und Weise, wie im vorigen Jahre vom Herrn Antragsteller Ring seine Wünsche und seine Ansichten begründet sind, nicht ganz zum Vortheil für unsere Landwirthschaft gedient hat. (Oh! oh! rechts.) 8 Sie hatten eine große Reihe von Schwierigkeiten mit den aus⸗ 8 wärtigen Staaten zur Folge gehabt (oh! oh! rechts), an denen wir heute noch zu leiden haben, und die ganz zweifellos unserer Landwirth⸗ schaft keinen Nutzen gebracht haben. (Widerspruch rechts.) Meine Herren, ich habe im vorigen Jahre schon gesagt, daß wir, nachdem wir Handelsverträge und eine Viehseuchen⸗Konvention ab⸗ geschlossen haben, nur berechtigt sind, aus veterinärpolizeilichen Gründen nach Maßgabe der bestehenden Gesetzgebung und der Konvention Beschränkungen der Vieheinfuhr dem Auslande gegenüber anzuordnen, wir aber nicht berechtigt sind, um der inländischen Produktion ine Preissteigerung zu verschaffen, die Gesetze und die Bestimmungen ahin zu handhaben, daß wir die Einfuhr einschränken. (Sehr richtig! links.) Und, meine Herren, ich kann es nicht verhehlen: die wesentlichsten Theile der Deduktionen des Herrn Abg. Ring gehen wieder darauf hinaus, sowohl seine Schlußworte wie die Anfangsworte, daß es ge⸗ boten sei, den auswärtigen Import einzuschränken, um eine Preis⸗ steigerung der inländischen Produktion herbeizuführen. (Widerspruch rechts.) Wenn wir dazu berechtigt wären, würde ich allerdings dazu ereit sein. Aber ich habe im Reichstage ausführlich dargelegt und halte mich verpflichtet, es heute nochmal wieder zu betonen: unsere staatsrechtliche Stellung gegenüber den auswärtigen Staaten bedingt, daß wir uns streng in den eben von mir im Reichstage dargelegten renzen bei Handhabung der Veterinärpolizei zu halten haben.

Nun bin ich dem Herrn Abg. Ring dankbar dafür, daß er mir das Zeugniß ausgestellt hat, daß ich, soweit ich dazu befugt bin, in den zwei Jahren das Möglichste gethan habe, um Deutschland vor Viehseuchen zu bewahren. Aber in demselben Augenblick hat auch Herr Ring wieder gesagt: alle diejenigen Maßnahmen, die wirksam ergriffen wären, beispielsweise die Maßnahmen auf dem Viehhof in Berlin, die Maßnahmen in Rummelsburg und die Aufdeckung der allergrößten Schäden und Nachtheile, seien im wesentlichen auf seine Anregung und seine Initiativen zurückzuführen. (Rufe rechts: Hat er nicht gesagt!) Das hat Herr Ring ausdrücklich ge⸗ sagt; ich bitte das späterhin durch den stenographischen Bericht festzustellen. Nun bin ich verpflichtet, meine Herren Amts⸗ vorgänger und mich in dieser Beziehung in Schutz zu nehmen. Lange bevor hier die Erörterungen über die Viehhoffrage durch Herrn Ring veranlaßt wurden, sind die eingehendsten Verhandlungen mit der Stadtverwaltung geführt worden, um die Schäden auf dem Viehhofe zu beseitigen. Ich persönlich hatte diese Verhandlungen bereits in die Hand genommen, ehe die Anregung von dort kam. (Sehr richtig! links.) Ebenso verhält es sich mit Rummelsburg und ebenso mit der strengen Handhabung der Veterinärpolizei in Deutschland.

Nun will ich, anknüpfend an Bemerkungen des Herrn Ring, welche wesenilich sich beziehen auf bedenkliche Zustände in Beuthen und Myslowitz u. s. w. und an der russischen Grenze, darlegen, wie Herr Ring seine Nachrichten eingezogen und gesammelt hat. Meine Herren, im Anfang Januar dieses Jahres erhielt ich einen Bericht vom Regierungs⸗ Präsidenten in Oppeln, worin er mittheilte, er habe ermittelt, es sollten im Geheimen ein paar Thierärzte nach Schlesien in den Industrie⸗ bezirk geschickt werden, um festzustellen, ob dort die Veterinärpolizei in angemessener Weise gehandhabt werde, welche Zustände in den Schlachthäusern beständen, und welche Verhältnisse in Rußland bestehen. Ich freue mich, daß Herr Ring heute mitgetheilt hat, daß auf seine Initiative die Entsendung eines Thierarztes dorthin statt⸗ gefunden hat.

Der Herr Regierungs⸗Präsident von Oppeln hat nun unterm 20. Januar zwei Berichte des Grenzthierarztes Tappe vom 9. und 18. d. M. hierher eingereicht, worin mitgetheilt wird, es seien nicht zwei Thierärzte, sondern nur ein Thierarzt, und zwar der Thierarzt Arnons zunächst im Geheimen erschienen, um klarzustellen, wie die Verhältnisse in den Schlachthäusern und an der russischen Grenze lägen, und nun darf ich den Herrn Präsidenten bitten, mir zu gestatten, die Berichte des Kreis⸗Thierarztes zu verlesen. Die Berichte sind vom 9. Januar und sagen Folgendes:

Der Thierarzt Arnons aus Berlin ist angeblich am 7. Januar ier eingetroffen. Seine hiesige Anwesenheit sollte absolut geheim leiben, ebenso der Zweck seines Besuchs in den Schlachthäusern es oberschlesischen Industriebezirks und in Sosnowice, Chzelatz

. dergl. Nur der Unvorsichtigkeit eines Händlers und das sind die Personen, auf die Herr Ring sich bezogen hat —, lso nur der Unvorsichtigkeit eines Händlers ist es zuzuschreiben, daß die Personalien des Arnons kurz vor seiner Rückkehr nach Berlin derselbe wollte noch nach Breslau und Guben fest⸗ gestellt wurden. Arnons war heute früh 6 ½ Uhr im hiesigen Schlacht⸗ haus erschienen. Dem Direktor Hillmann theilte er angeblich mit: er wolle seine gelegent liche Anwesenheit hierselbst dazu benutzen, das Schlachthaus einer Besichtigung zu unterwerfen. Hierbei er⸗ suchte er Hillmann, sich über die Einfuhr voͤn Schwarzvieh von Rußland, über das Vorkommen der Maul⸗ und Klauenseuche unter diesen Thieren und über verschiedene andere Dinge auszusprechen. Auch wohnte er der Ausladung des gestern in Sosnowice unter⸗ uchten Schwarzviehs bei. Es waren sämmtliche Händler im Schlachthause vertreten. Die Führung hatte der Händler J. aikert übernommen. Bei der Anwesenheit auf der Verladerampe egrüßte ein Händler den Arnons in kordialer Weise. Arnons gab ihm ein geheimes, aber von Hillmann beobachtetes Zeichen, er möge sich entfernen. Hillmann erfuhr darauf von dem Händler, wer und woher Arnons sei, sowie den Zweck seiner Anwesenheit und machte rnons Vorstellungen, weshalb er ihm nicht gleich gesagt, was ihn ins Schlachthaus führe Nachdem Arnons nun

Veterinärpolizei

als Anonymus nicht mehr fungieren konnte, seine gestrige Anwesen⸗ heit in Sosnowice bei der Untersuchung u. dergl. inzwischen bekannt geworden war, hielt er es für einen Akt der Klugheit, mir vor seiner Abreise einen Besuch zu machen. Aufe meine an ihn gerichtete Frage über den Zweck seines Hierseins erfuhr ich Folgendes: Er sei von Sr. Exzellenz dem Herrn Staats⸗Minister von Hammerstein hierher geschickt worden. ““ 8 (Hört! hört! links.) 8 6 8 Später sagte er: nicht der Minister direkt, sondern der Herr Ministerial⸗Direktor Sterneberg habe ihn kommittiert, um sich über die Einfuhrverhältnisse des Schwarzviehes aus Rußland, das Vorkommen der Maul⸗ und Klauenseuche unter diesen Thieren, die Einfuhr von Fleisch aus Rußland und andere Dinge zu informieren; auch mein Thun und Treiben habe er in Sosnowice beobachten müssen, denn so ungefähr lauteten die verschleierten Redensarten ich sei bedenklich angeschwärzt worden; von wem und bei wem, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Ist es geschehen, so ist es zweifellos seitens der Händler geschehen, welche den Verlust von Schwarzvieh zum großen Theil mir zuschreiben. Später meinte Arnons wieder vielleicht in der Befürchtung, zu weit gegangen zu sein —, sein Kommen richte sich nicht gegen mich und er habe überhaupt keinen amtlichen Auftrag er⸗ halten. Weiterhin theilt Herr Arnons mit, es seien wiederholt in Berlin Telegramme eingelaufen, es langten waggonweise klauen⸗ seuchekranke Schweine aus Rußland an, die aus den Eisenbahn⸗ waggons zum theil ins Schlachthaus gefahren werden müßten, und wunderte sich über die starken Uebertreibungen.“ Dann liegt noch ein vom 18. d. M. datierter Nachtrag zu diesem Bericht vom 9. Januar vor, wonach der Kreis⸗Thierarzt den Herrn Arnons, der ihm gesagt habe, daß auch das Vieh, das in das Schlacht⸗ haus gebracht sei, wie er sich überzeugt habe, gänzlich verseucht (klauenseuchekrank) sei, aufgefordert habe, mit ihm im Schlachthause noch einmal das bereits untersuchte Vieh zu untersuchen, um zu kon⸗ statieren, ob wirklich diese Annahme richtig sei. Herr Arnons hat das aber abgelehnt. Darauf hat sich der Kreis⸗Thierarzt zum zweiten Mal in das Schlachthaus begeben, um die gesammte Sendung des Schwarzviehs, von dem behauptet war, es sei seuchenkrank, noch einmal zu untersuchen. Und dieser vereidete, angestellte Beamte bezeugt aus⸗ drücklich, daß er sämmtliche Thiere (Schweine) gesund gefunden habe. Es sollten nach der Angabe des Schlachthaus⸗Direktors Hillmann nur drei Schweine mit den ersten Merkmalen der Klauenseuche eingetroffen und sofort abgeschlachtet worden seien. (Hört, hört!) Die Sache liegt in Oberschlesien so: das Kontingent ist auf eine bestimmte Zahl beschränkt und Schweine werden nur zur sofortigen Abschlachtung in die Schlachthäuser eingeführt und alles, was krank ist, bei dem die Gefahr vorliegt, daß die Krankheit weiter verschleppt werden kann, wird sofort unschädlich gemacht. 1 Ich will nun anknüpfen an eine fernere Bemerkung, des Herrn Ring: Wie ich damals in Beuthen gewesen sei, sei ein russisches Schwarzvieh dort nicht gezeigt worden. Es sei anderes Vieh dort gewesen. Diese Behauptung ist nicht richtig. (Hört! hört! links; Widerspruch rechts.) Ich habe persönlich die russischen Schweine neben den deutschen gesehen, eine Anzahl von den Schweinen ist in meiner Gegenwart abgeschlachtet worden; es war sogar, soweit ich mich erinnere, unter den abgeschlachteten Thieren eins, das vernichtet werden mußte, weil es krank war, soweit ich mich erinnere, krank an Maul⸗ und Klauenseuche oder Rothlauf. Ja, meine Herren, wenn man aus den vorgelesenen Berichten ersieht, aus welchen Quellen die Mittheilungen, auf die Herr Ring, wie er selbst gesagt hat, im wesentlichen seine Ausführungen stützt, geflossen sind, so bedauere ich, hier erklären zu müssen, daß einmal die Mittheilungen, die die Händler gemacht haben, in hohem Grade verdächtig sind, und zweitens, daß nach diesem Verhalten des Thier⸗ arztes Arnons auch das, was dieser mitgetheilt hat, mindestens nicht ohne weiteres zuverlässig erscheint. Meine Herren, ich möchte dringend bitten: vertrauen Sie doch den angestellten Beamten, die mit den größten Schwierigkeiten, mit Aufopferung aller Mühe und Arbeit seit Jahren an der Grenze thätig gewesen sind und es ist wirklich nicht leicht, dort den Dienst auszuüben —, daß sie mindestens den guten Willen haben, ihre Pflicht zu thun und, soweit es überhaupt möglich ist, dafür zu sorgen, daß Seucheneinschleppungen nicht stattfinden. Sonst liegt die Gefahr vor, daß Uebertreibungen wie die hier heute vorgebrachten, die sich auf, ich möchte wirklich glauben, nicht ganz lautere Quellen stützen, zum Anlaß für Dar⸗ stellungen genommen werden, die uns nach außen hin Schwierigkeiten bereiten. Das kann ich im Interesse der Handhabung der Veterinär⸗ polizei nicht für zweckmäßig und auch nicht im Interesse der Land⸗ wirthschaft liegend erachten. Meine Herren, ich glaube, daß ich in durchaus objektiver Weise im Reichstage dargelegt habe, nach welchen Gesichtspunkten die in den letzten 2 Jahren gehandhabt wird, daß es unerwiesen ist, daß alle die Krankheiten, wie Herr Ring angenommen hat, vom Auslande zugeschleppt werden. Sehen Sie doch die benachbarten Länder an. Frankreich, Holland, Oesterreich, Rußland u. s. w. sind verseucht. Das sind epidemische Krankheiten, die sich über große Gebiete erstrecken und mit einem Male nicht zu be⸗ seitigen sind. Meine Herren, auch durch absolute Sperren, die wir nicht durchzuführen in der Lage sind, können wir uns gegen jede Seuchen⸗ gefahr nicht schützen. Auf der einen Seite klagt man über die strenge Handhabung der Veterinärpolizei; auf der anderen Seite wird uns vorgeworfen, daß wir sie nicht genügend streng handhaben. Ich werde nach wie vor bemüht sein, innerhalb der mir gesetzten Grenzen meiner Verpflichtung nachzukommen; aber über die Grenzen hinauszugehen bin ich nicht befugt. Meine Herren, was geht dahin: . daß das über die See⸗ und Landquarantänen eingehende ausländische Vieh einer vierwöchentlichen Quarantänezeit und einer Tuberkulin⸗ probe unterworfen werde. Was die Tuberkulinprobe betrifft, hat ja Herr Ring bereits selbst anerkannt, daß diesem Antrage stattgegeben sei. Das Reichsamt des Innern hat sich an diejenigen deutschen Staaten gewandt, in deren Gebieten Quarantäneanstalten sind, undhat sie ersucht, die Tuberkulin⸗ impfung dort einzuführen. Soweit preußische Quarantänen ein⸗ schließlich der Landquarantäne in Hoidding in Frage kommen, sind die Tuberkulinimpfungen schon angeordnet.

ist nun beantragt? Der erste Antrag

3. Z. noch annehmen, daß die Inkubationsdauer innerhalb der Frist

um die Einfuhr durch Quarantäne zu erschweren, sind wir nicht be⸗ fugt, die 10 tägige Frist zu verlängern. Namens der Staatsregierung

Staatsregierung auf die Verlängerng der 10tägigen Quarantänefrift 8 4 Wochen nicht einzugehen sich berechtigt erachtet. (Hört, hört! rechts.)

Was dann die Einfuhr russischen Geflügels und russischer Schweine betrifft, so beißt es in dem Antrag: sie solle untersagt werden. Meine Herren, zunächst habe ich zu erwähnen, daß es sich und das hat Herr Ring auch selbst heute bemerkt —, nicht bloß um russische Gänse, sondern auch um ein erhebliches Kontingent von Gänsen aus Oesterreich⸗Ungarn, Galizien u. s. w. handelt Der Antrag richtet sich zwar ausschließlich

es solle dieses Einfuhrverbot auch auf die österreichischen Gänse u. s. w. ausgedehnt werden. Ich will weiter bemerken, daß wir auch ein nicht

Geflügel einführen.

Es ist festgestellt, daß die ländisches Geflügel, insbesondere durch die aus und Oesterreich⸗Ungarn in großen Mengen Gänse in vielen Fällen eingeschleppt ist und große Verheerungen unter dem heimischen Geflügelbestand angerichtet hat. In⸗ sofern kann ich bestätigen, was Herr Ring vorgetragen hat. (Hört, hört! rechts.) Die Regierung beabsichtigt, hiergegen die erforderlichen Schutzmaßregeln zu ergreifen. Die Verhandlungen hierüber schweben

Geflügelcholera durch aus⸗

schränkung der Einfuhr aus Rußland und Oesterreich⸗Ungarn auf be⸗ stimmte Einbruchsstationen und auf die Einrichtung einer mehrtägigen Quarantäne an diesen Einbruchsstationen unter polizeilicher und thier⸗ ärztlicher Aufsicht bestehen. Ist nun auch zu hoffen, daß durch diese Maßnahmen die Fernhaltung des An⸗ steckungsstoffes gelingen wird, so werden trotzdem noch Vor⸗ sichtsmaßregeln getroffen werden müssen für den Transport der Thiere im Inland, für den Hausierhandel und für den Marktverkehr. Ferner werden die vielfach gegebenen Anregungen zur

so ungünstigen Bedingungen transportierte Federvieh seine Wider⸗ standsfähigkeit gegen Krankheiten aller Art auf dem Transport einbüßt.

Meine Herren, der Herr Abg. Ring hat ganz richtig angegeben, daß ich mich an die Landwirthschaftskammern gewandt habe; ich habe mich auch an sämmtliche Ober⸗ und Regierungs⸗Präsidenten gewandt und sie gebeten, sich zu der angeregten Sperre, bezw. was anderweit zu geschehen habe, zu äußern. wirthschaftskammer für Brandenburg darüber ausgesprochen und, wie der Herr Abg. Ring ganz richtig ausführte, beantragt, es möge eine absolute Sperre gegen die russischen Gänse und auch gegen die Gänse aus den anderen Staaten eingeführt werden. Aehnlich haben sich eine große Anzahl anderer Landwirthschaftskammern geäußert. Es sind aber auch Bedenken gegen die absolute Sperre hervorgehoben worden. Der Herr Ober⸗Präsident von Ostpreußen hat sich ent⸗ schieden gegen eine gänzliche Sperre der Grenze ausgesprochen, ein Theil der Regierungs⸗Präsidenten war dafür, ein anderer dagegen. Im Westen steht man der Sache ziemlich ich will nicht sagen gleichgültig gegenüber, aber man hält die Sache dort nicht für so bedenklich. Es unterliegt, wie ich annehme, keinem Zweifel, daß durch die Art des Transports schon an sich eine gewisse Er⸗ krankung bei dem eng zusammengepferchten Geflügel, bei dem Mangel an Wasser, bei der schlechten Ernährung herbeigeführt wird, und man glaubt, daß dadurch die Gefahr der Ansteckung des Geflügels durch etwaige kranke Thiere, die in den Transporten sind, ganz erheblich verschärft wird.

Es ist die Ansicht der Staatsregierung, daß bei dem Umfange, den die Gänseeinfuhr nach Deutschland sowohl aus Rußland wie aus Oesterreich⸗Ungarn hat es handelt sich hier um viele Millionen von Gänsen —, eine sofortige Sperrung der Grenze nicht möglich ist. Weiter ist die Staatsregierung der Ansicht, daß eine Sperrung gegen Rußland allein unausführbar ist; denn wenn die Gefahr der Ein⸗ schleppung aus anderen Ländern ebenso vorliegt wie bei Rußland, so würde eine nur gegen Rußland angeordnete Sperre auf eine divergente Behandlung der Staaten in Veterinärfragen hinauslaufen, und diese ist nicht wohl möglich.

Nun ist es aber nicht einfach, in dieser Frage ein volles Ueber⸗ einstimmen sämmtlicher betheiligten deutschen Staaten herbei⸗ zuführen. Es wird seit Monaten darüber verhandelt, die Maßnahmen werden erwogen, sie sind aber schwer auszuführen. Die Gefahr der Einschleppung ist augenblicklich allerdings vorüber, weil der Hauptimport im wesentlichen sich auf wenige Monate im Sommer und Herbst erstreckt. Die Staatsregierung beabsichtigt, das auszuführen, was ich Ihnen mitgetheilt habe. Auf eine absolute Sperre kann sich die Staatsregierung zur Zeit, wie ich nament der⸗ selben zu erklären habe, nicht einlassen.

Nun habe ich noch der Schweineeinfuhr zu gedenken. Meine Herren, es ist zweifellos die Absicht, auch das letzte Kontingent zu beseitigen, sobald wir überzeugt sind, daß dies ohne Schädigung der Ernährung der Industriebevölkerung geschehen kann. Ich kann ein⸗ räumen, daß zweifellos an der russischen Grenze in vielen Beziehungen in hohem Grade bedenkliche Zustände bestehen (hört! hört! rechts), und daß möglicher Weise Krankheitsverschleppungen durch den Ver⸗ kehr von Menschen und Vieh, vielleicht weniger durch das Vleh, was hereingebracht wird, herbeigeführt worden. Die Ver⸗ schleppung durch Vieh findet vielleicht um deswillen weniger statt, weil dasselbe sofort zur Abschlachtung in die Schlachthäuser kommt. Sobald also die Möglichkeit vorliegt, wird die Staatsregierung in Erwägung nehmen, ob nicht auch das letzt

seitigen ist. 1 8

heißt es weiter

Meine Herren, was die vierwöchentliche Quarantänefrist anbetrifft,

8 1““ 89.

so habe ich im Reichstage schon gesagt und erkläre es hier noch einmal: Auf Grund derjenigen Bezeugungen, die die autoritativen Organe, die wissenschaftlichen Organe uns gegeben haben, müssen wir

von 10 Tagen liegt; und aus einem anderen Grunde, insbesondere

habe ich also hier die Erklärung abzugeben, daß zur Zeit u]

8 . gegen die russischen Gänse, ich nehme jedoch an, daß Herr Ring gemeint hat,

unerhebliches Kontingent von Gänsen aus Holland beziehen und daß

wir auch aus anderen, an diesüd deutschen Staaten grenzenden Ländern . 2 Lceeßtteres ist eingetroffen, ersteres nur in ganz geringem Umfange,

Rußland eingeführten

noch. Voraussichtlich werden die Maßnahmen zunächst in der Be⸗

weiteren

Verbesserung des Geflügeltransportwesens eingehend erwogen, da un⸗- zweifelhaft ist, daß, ganz abgesehen von der Thierquälerei, das unter

Am eingehendsten hat sich die Land-

8 gebracht. Also sind wir nach Maßgabe der eben von mir verlesenen

meird die Staatsregierung erwägen, ob es angezeigt ist, weitere Sperr⸗

maßregeln auch herbeizuführen, die zur Zeit nicht gesperrt sind. Namens der Staats⸗

8 Zeit schon ausgeführt sind, die Staatsregierung wird aber mit der

durch die Viehseuchenkonvention, wir sind gebunden durch die innere

8 2

Den

1“

Meine Herren, so einfach, wie Sie sich die Sache denken, liegt sie aber nicht. Wir haben sorgfältige Ermittelungen für den standard of life der schlesischen Industriearbeiter im Vergleich zu den westfälischen angestellt. In Schlesien sind die Löhne wesentlich niedriger, der ganze Verdienst ist niedriger wie in Westfalen. Es ist immerhin bedenklich, wenn man für Industriebezirke, die einer gesunden Fleisch⸗ nahrung bedürfen, Aenderungen, die auf die Fleischversorgung einwirken, einführt. Merkwürdig ist es: wir haben Ausnahmetarife gewährt, um aus größeren Theilen des Staatsgebiets Schweinefleisch nach dem Industriebezirk Schlesien zu befördern. Die Staatsregierung gab sich der Hoffnung hin, daß die Betheiligten selbst in größerem Um⸗ fange sich auf Schweinemast und Schweineaufzucht werfen würden.

und ich glaube doch dem Herrn Abg. Ring widersprechen zu müssen: nicht die niedrigen Preise waren daran schuld, denn wir haben vor⸗ übergehend bis in den November ziemlich hohe Preise für Schweine⸗ fieisch dort gehabt und trotzdem sind keine Schweine dorthin gebracht. Ich glaube, die oben bereits erwähnten Händler haben mit Erfolg solche Zufuhr zu hindern verstanden. (Sehr richtig!) Gegen die Händler bin ich scharf vorgegangen, habe jetzt den Schlächtern das Kontingent überwiesen; infolge dessen sind jetzt anscheinend normalere Verhältnisse eingetreten. Die Pändler, die ursprünglich antiagrarisch waren, sind jetzt auf die agrarische Seite getreten (Heiterkeit), weil sie glauben, daß, wenn das ganze Kontingent beseitigt ist was sie offen ausgesprochen haben sie dann wieder das Monopol in die Hände bekommen werden. Die Aussagen der Händler sind, meine Herren, unlautere Quellen, aus denen man in dieser Frage nicht schöpfen darf.

Meine Herren, dang komme ich auf den dritten Punkt. Herr Ring hat die Viehseuchen⸗Konvention nach meiner Auffassung falsch ausgelegt. Der § 6 der Viehseuchen Konvention mit Oesterreich sagt:

Wenn aus dem Gebiet eines der vertragschließenden Theile durch den Viehverkehr eine ansteckende Thierkrankheit, hinsichtlich deren die Verpfl chtung zur Anzeige besteht, nach dem Gebiete des anderen Staates eingeschleppt worden ist, so steht letzterem das Recht zu, die Einfuhr von Thieren aller derjenigen Gattungen zeitweilig zu beschränken oder zu verbieten, auf welche der Ansteckungsstoff über⸗ tragbar ist.

Also nicht der Umstand allein, daß, wie Herr Ring behauptet, Oesterreich so stark verseucht sei, was richtig ist, genügt zur Sperrung der Grenze, sondern es müssen Fälle der Einschleppung von Seuchen fest⸗ gestellt sein. Richtig ist, daß in Oesterreich und Ungarn allerdings in sehr vielen Dorfschaften und unter sehr vielen Viehbeständen die Maul⸗ und Klauenseuche herrscht. Einschleppungsfälle aber haben wir in letzter Zeit nur wenige gehabt, und zwar im Monat Oktober und im Dezember, und auf Grund dieser Fälle ist zunächst gegen die Bukowina und von Bayern gegen Tirol und Vorarlberg gesperrt. Seitdem sind Ein⸗ schleppungsfälle noch nicht wieder zur Kenntniß der Staatsregierung

Bestimmung zur Zeit nicht befugt, zu sperren; denn rücksichtlich dieser paar Fälle, die vorgekommen sind, haben wir die Sperr⸗ maßregeln bereits vor Monatsfrist ausgeführt. Kommen neue Einschleppungsfälle vor und auf dem Veterinär⸗ gebiet wechseln die Verhältnisse von Tag zu Tag —, so

rücksichtlich derjenigen Theile Oesterreich⸗Ungarns

regierung aber habe ich zu erklären, daß im gegenwärtigen Augenblick sich die Königliche Staatsregierung nicht für befugt erachtet noch gewillt ist, weitere Sperrmaßregeln auszuführen, als diejenigen, welche zur

größten Sorgfalt diese Verhältnisse überwachen. Kommen neue Ein⸗ schleppungsfälle vor, und sind dann die Voraussetzungen des Art. 6 der Viehseuchenkonvention vorhanden, so nehme ich an, daß die Staats⸗ regierung wie in anderen Fällen so auch hier zur Gesundhaltung unserer deutschen Viehbestände das thun wird, was sie zu thun berechtigt und wozu sie dann meines Erachtens verpflichtet ist. Meine Herren, auf eine große Zahl von Einzelbemerkungen des Herrn Ring kann ich, da es schon spät ist, zu meinem Be⸗ dauern nicht mehr eingehen. Ich beschränke mich heute auf das Gesagte und hoffe, daß die ferneren Verhandlungen wie es wenigstens mein Wille gewesen ist —, objektiv geführt werden, wie das auch im Reichstage geschehen ist. Aggressiv habe ich nicht vorgehen wollen, ich war aber verpflichtet auf die Schranken zu verweisen, die der Veterinärverwaltung gezogen sind. Wir sind gebunden durch die Handelsverträge, wir sind gebunden

Gesetzgebung, durch die Reichsgesetze und die dazu ergangenen Aus⸗ führungsbestimmungen. Ich kann mich in veterinärwissenschastlichen Fragen nicht an die Herren halten, die glauben, die Sache zu verstehen, sondern ich muß mich an die mir

ex officio zur Seite gestellten Beamten halten; mit diesen zusammen muß ich arbeiten, und das werde ich auch ferner thun, und auf An⸗ schauungen, die ja vielleicht berechtigt sind, vielleicht auch nicht, welche aus Privatkreisen hervortreten, bin ich nicht in der Lage, mich zu stützen; thäte ich das, so verlöre ich den festen Boden unter meinen Füßen.

Uebrigens muß ich zum Schutze unserer Beamten doch auch be⸗ haupten, daß sie bis jetzt, so lange ich die Ehre gehabt habe, ihnen vorzustehen, getreulich und gewissenhaft ihre Pflicht erfüllt haben, und daß es nicht nothwendig ist, diese getreu ihre Pflicht erfüllenden Beamten unter eine sinnlose Kontrole zu stellen, Privat⸗Thierärzte zu entsenden, die unter salschen Vor⸗ spiegelungen sich einführen. Ich freue mich darüber, daß die er⸗ wähnten Vorgänge klar gestellt sind; denn was wuͤrde es für einen Eindruck bei einem verdienten Kreis⸗Thierarzt, der an der Grenze ge⸗ wissermaßen in fortwährendem Kriege liegt, machen, wenn er haͤtte

sschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußi

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eilage

Thätigkeit zu kontrolieren, ohne daß das Geringste gegen ihn vor⸗ liegt? Ich halte es für meine Pflicht, hier ausdrücklich zu bestätigen und das ist auch die Ansicht des Königlichen Regierungs⸗Präsidenten in Oppeln —, daß der benannte Kreis⸗Thierarzt in jeder Beziehung treu und gewissenhaft seine Pflicht erfüllt und nicht verdient hat, in den Verdacht gebracht zu werden, als habe er lässig und in unrichtiger Weise seinen Dienst versehen.

Abg. Graf von Kanitz (kons.): Der Minister hat den Antrag wohl als Mißtrauensvotum gegen ihn aufgefaßt. Das ist nicht richtig. Wir haben ihn im Gegentheil 5 wollen, und die Zahl der Unterschriften des es sollte ihn überzeugen, welche Be⸗ deutung wir der Sache beilegen. Den Minister binden handels⸗ politische Rücksichten. Aber in die Handelsvertragsstaaten wird am wenigsten Vieh von Deutschland eingeführt. Das Ausland hat sich egen uns abgesperrt, nicht umgekehrt. 1894 betrug der Werth unserer Ausfuhr nach dem Auslande noch nicht den zehnten Theil der Auslands⸗ einfuhr; 1895 war es ähnlich. Rußland hat sich gegen deutsches Schweine⸗ fleisch vollständig abgeschlossen. Was es gegen uns thut, können wir doch auch gegen Rußland thun. machen? Oesterreich hat sich gegen uns ebenfalls fast ganz abge⸗ schlossen, exportiert aber zu uns eine große Menge von Vieh. Sollen wir die Konvention mit Oesterreich zu unseren Ungunsten ausführen? Man befürchtet Retorsionsmaßregeln anderer Staaten, wenn wir uns gegen Oesterreich sichern. Dänemark hat eine viel größere Einfuhr nach Deutschland als wir nach Dänemark; außerdem hat es sich jetzt schon gegen uns hermetisch abgeschlossen. Die Schweiz hat eine ab solute Schweinesperre und die Einfuhr anderen Viehs aus Deutschland eingeschränkt, während wir von ihr viel einführen. Aehnlich liegt es in Schweden. Uns ist es nur um einen Schutz gegen die Seuchen⸗ einschleppung zu thun. Herr Ring hat von der Produktion nur im Zusammenhang mit der Veterinärfrage gesprochen. Ein Miß⸗ trauen gegen den Minister hat uns vollständig fern gelegen.

Ein Vertagungsantrag wird angenommen. Persönlich bemerkt

Abg. Ring, daß er seinen eigenen Thierarzt nach Oberschlesien hingeschickt habe, aber nicht heimlich. In Rußland habe der Arzt sich allerdings nicht vorgestellt, aber in Deutschland gesagt, daß er in seinem, des Redners, Auftrage gekommen sei FEr werde den Bericht seines Arztes dem Minister einschicken. Der Umbau des Berliner Viehhofs, in den die Regierung sieben Jahre vergeblich hingearbeitet habe, sei wohl in der Hauptsache auf seinen Antrag im Hause zurückzuführen.

Die Budgetkommission hat beantragt, die Zahl ihrer Mitglieder um 7 für die Dauer der Session zu erhöhen. Das Haus ist damit einverstanden. 1

Schluß 4 ³¾ Uhr. Nächste Sitzung: Montag, 11 Uhr. (Fortsetzung der heute abgebrochenen Debatte.)

Setteatistik und Volkswirthschaft. Die Erhebungen über die Arbeitslosigkeit am 8 2. Dezember 1895 in Straßburg i. E.

Im ersten Heft der vom Statistischen Amt der Stadt jetzt zum ersten Mal berausgegebenen „Beiträge zur Statistik der Stadt Straßburg i. E.“ ist eine Arbeit von Dr. N. Geissenberger, Direktor des Statistischen Amts daselbst, über die Ergebnisse der Erhebungen über die Arbeitslosigkeit am 2. Dezember 1895 veröffent⸗ licht, der nachstehende Mittheilungen von allgemeinerem Interesse entnommen seien. In einem einleitenden Abschnitt über die Ar⸗ beitslosigkeit und Arbeitslosenzählung im allgemeinen macht der Verfasser über die Bedeutung der amtlichen Arbeitslosenzählungen des Jahres 1895 u. a. folgende beachtenswerthe Bemerkung: „Obwohl die in Verbindung mit den beiden großen Zähl⸗ werken des Jahres 1895 durchgeführte Erforschung des Um⸗ fangs der Arbeitslosigkeit im deutschen Reichsgebiete ein erster Versuch bleiben wird, dürfte dessen Nützlichkeit und hohe Sehentune kaum einem Zweifel unterliegen. Dieses von der Reichsstatistik geschaffene Augenblicksbild gewinnt erst in der regelmäßig fortzusetzenden mittel⸗ baren oder unmittelbaren Beobachtung des Arbeitsmarkts an Werth. Insofern ist die Weiterbeobachtung als ein dringendes Bedürfniß zur Klärung der überaus ernsten Frage zu bezeichnen. Immerhin gestatten die Ergebnisse der ersten deutschen Arbeitslosenstatistik eine amtliche Prüfung der Frage, ob der Arbeitslosigkeit in der That jene weit⸗ gehende wirthschaftliche und politische Bedeutung zukommt, die ihr von erfahrenen Volkswirthen vindiziert wird. Im Anschluß daran seien chon hier folgende Ausführungen aus den „Schlußbemerkungen“ des erfassers mitgetheilt. Das Hauptergebniß sei dahin zusammen zu fassen: „Die Arbeitslosigkeit in Straßburg nahm im Dezember 1895 keine beunruhigende Ausdehnung an.“ Bei einer ziemlich er⸗ heblichen Masse des Arbeiterstandes habe sich aber doch der Mangel „passender Arbeitsgelegenheit“ fühlbar gemacht, doch habe eine nähere Prüfung der Berufsverhältnisse ergeben, daß das Hauptkontingent der Arbeitslosen auf Angehörige von „Saisongewerben“ und auf solche fiel, „die vermöge der Eigenartigkeit ihres Berufes auf eine ununterbrochene Beschäfti ung überhaupt nicht reflektieren können.’ Daneben seien freilich auch „in ab⸗ normer Höhe betheiligte Gewerbezweige, namentlich beim andwerke, festgestellt worden. Hinzuweisen sei ferner auf die große Hahl derjenigen Fälle, „in welchen die Arbeitslosigkeit durch vorüber⸗ gehende Arveitsunfähigkeit, Krankheit, verursacht worden war.“ Bei alledem sei noch zu berücksichtigen, daß am Erbebungstermin (2. Dezember 1895) ungewöhnlich milde Witterung herrschte, welche die Zahl der Arbeitslosen ohne Zweifel herabgedrückt habe. Die persoͤnlichen Verhältnisse der Arbeitslosen ließen zwar g. einen schweren Nothstand in manchen Arbeiterfamilien schließen, aber auch hier habe sich ergeben, daß die individuelle Betrachtung jedes Einzel⸗ falles nothwendig zu Modifikationen führt und „jeder Verallgemeinerung von vornherein den Boden entzieht.“ Was die Zählungsergebnisse am 2. Dezember 1895 an⸗ belangt, so waren abgesehen von den ohne weitere Nachfrage, „prima vista“ auszuscheidenden irrthümlich Gezählten im Ganzen 2122 Personen, und zwar 1442 männliche und 610 weibliche, als an⸗ geblich arbeitslos in Betrocht zu ziehen. Von diesen gingen weiter ab 487 Insassen des Bücgerspitals und anderer Anstalten, ferner 358 Spitalkranke und 129 Insassen anderer Krankenhäuser und der Strafanstalten, sowie endlich 250 aus anderen Gründen nicht zu den Arbeitslosen zu zählende Personen, sodaß überhaupt nur verblieben 1385 Arbeitslose, von denen jedoch 537 wegen „Krankheit“ beschäftigungslos waren. Eigentlich Arbeitslose waren mithin nur 848, nämlich 607 männliche und 241 weibliche vorhanden, das sind auf die ortsanwesende Bevölkerung von 135 313 im Ganzen 0,63 %. Das Statistische Amt der Stadt Straßburg hat in seinen Zahlen⸗ angaben die „Kranken“ nicht aus der Zahl der Arbeitslosen ausge⸗ sondert und berechnet demgemäß den Fraeentso der (1385) Arbeits⸗

losen mit 1,15 % der Straßburger Zivilbevölkerung“.

Warum also den Russen ö a

Staats⸗Anzeiger

1892.

rufsabtheilung E mit 28 Arbeitslosen und 2710 Personen über⸗ haupt aus, so kommen 1357 Arbeitslose auf 39 630 Berene „Es folgt hieraus“ sagt der Verfasser —, „daß am 2. Dezember 1895 in Straßburg 3,49 % der gesammten Arbeiterschaft ohne Be⸗ Süftägamng waren.“ Eigentlich arbeitslos waren jedoch nur etwas über 2 %.

Nach den weiteren Zablenmittheilungen waren vorhanden im Dezember 1895 in den

Arbeitslose

Berufs⸗ Arbeitnehmer davon einschl. Kranke.

abtheilungen 5 E % 312 1 245 3,36 5,1 5 092 21 056 4,33 3,55 7 269 1 652 8 9221 2,55 5,02

erkehr .... D. Lohnarbeit wechs. Art ꝛc. 941 7 448 8 389 5,10 1,62 A.— D. 25 126 14 504 39 630 3,80 2,76 3,49

Ohne hier auf die weiteren interessanten Darlegungen in Bezug auf den Beruf der Arbeitslosen einzugehen, sei noch auf folgende Bemerkungen über die Arbeitslosigkeit im Handwerk kurz hingewiesen. Es scheine die Arbeitslosigkeit sagt der Ver⸗ fasser im Kleingewerbe größer gewesen zu sein, als in der Groß⸗ industrie, wobei allerdings „der überwiegend kleingewerbliche Berufs⸗ charakter Straßburgs“ zu berücksichtigen sei. Von den 691 Arbeits⸗ losen der Berufsabtheilung B entfielen auf das Handwerk rund 540. Sehe man von den Bauhandwerkern und Sattlern, welche infolge einer Lohnbewegung verhältnißmäßig hoch an der Arbeitslosigkeit betheiligt gewesen seien, ab, so fielen unter den Handwerkern mit hohen Prozent⸗ ziffern noch besonders auf: die Kupferschmiede mit 14,29 %, die Müller, Kachler und Bürstenmacher mit je 10,00 %, die Buchbinder und Kartonnagearbeiter mit 9,52 %, die Installateure mit 9,26 %, die Hutmacher mit 8,51 %, die Seiler mit 7,50 %, die Metzger mit 6,90 %, die Wagner mit 6,06 %, die Kürschner mit 5,88 %, die Gerber mit 5,71 %, die Barbiere und Friseure mit 5,66 % und die Bäcker mit 5,33 %. Daß die Schneider und Schuhmacher relativ wenig Arbeitslose (3,24 und 2,24 %) stellten, schreibt der Verfasser dem Umstande zu, daß für sie die Geschäftslage vor den Weihnachts⸗ feiertagen günstig war. Eine Erhebung im Januar, meint er, würde für diese Berufsarten ungünstigere Zahlen geliefert haben. „Im all⸗ emeinen dürfte das Ergebniß die Freunde des Handwerks wenig be⸗ friedigen“, fügt er hinzu. 1 1

Ueber die Ursachen der Arbeitslosigkeit seien folgende Zahlen mitgetheilt: Von den 1385 Arbeitslosen waren außer Stellung

angeblich infolge von absolut %

Lb“*“ 537 38,77 Eigener Kündigung. . . . . . 9 6,79 Kündigung durch den Arbeitgeber. 98 7,08 EZZZZ““ 0,65 * 31 22,96 Aufbören der Saisonarbeit . . . 1,73 11* 2 1,52 Sonstigen Ursachen. . . . .. 6 Nicht mehr zu ermittelnde Fälle. 220 15.88 Zusammen 1385 100,00

Von besonderem Interesse sind auch folgende Zahlen über die angebliche Dauer der Arbeitslosigkeit am Erhebungstage unker Trennung der Kranken von den eigentlich Arbeitslosen.

Es waren außer Beschäftigung bezw. arbeitslos seit

Männer Frauen

8

A. Landwirth⸗

schaft c... 952 B. Industrie und Bauwesen. . 15 964

Zusammen

Arbeits⸗ Arbeits⸗

Kranke Arbeits⸗

1 bis 7 Tagen. 8 bis 14 Tagen. 15 bis 28 Tagen 20 bis 90 Tagen 91 und mehr Tagen 81. unbekannt. 8 Zusammen. 387 0 170 241 537 848

Was den Zivilstand der Arbeitslosen anbelangt, so waren hier wieder Kranke und Arbeitslose zusammengerechnet von den Männern: 57,8 % ledig, 38,3 % verheirathet, 3,9 % verwittwet und geschieden; von den Frauen: 75,9 % ledig. 9,7 % verheirathet. 14,4 % verwittwet und geschieden; insgesammt: 63,2 % ledig, 29,8 % ver⸗ heirathet, 7,0 % verwittwet und geschieden.

Dem Alter nach waren von den 1385 Arbeitslosen (und Kranken)

S835 Kranke 9 20 0⸗2

Männer Frauen Zusammen 9 27% 90 14 70 Jabre alt . .. 24,8 19,6 öhJ“ 42,1 36,8 BS““ 18,5 27,1 F1““ 13,4 15,2 70 und mehr Jahre alt . . . 8 1.2 1.3 100,00 100 00 100,00 Haushaltungsvorstände waren unter den 1385 Arbeitglafen und Kranken 464 oder 33,5 %, die für 282 nicht erwerbsthätige Che⸗ frauen, 493 Kinder unter 14 Jahren und 90 fonstige „ermerdsunfähtge“ Familienangehörige zu sorgen hatten. Erwerdsthätige Haushaltung mitglieder dagegen entsfielen auf jene 46 ¼ ardeitslosen dezw. kranken Haushaltungsvorstände im Ganzen 341. In Bezug auf die Stellung der Arbeitslosen zum Haushaltungsvorstande theilt der Verfasser folgende Ergehniffe einer Ermittelungen mit. Es defanden sich unter den Arbeitslosen in den fünf Berufsabtheilungen X b „Familienmitglieder 43,7 % 38,4 % 36,6 % 26.0 % 398,3 % 88 3 .586,3 % 61,6 9 63,4 % 74,0 % 60, 7 0 „Der physische, moralische und wirthschaftliche Vontheil eines eigenen Heims für den Ardeitslosen gegenüder jenem Theil, dem dieses Feiluchtsüte, 2 nicht offen steht, unterlingt mohl keinem Zweifel“ demerkt der Verfasser hie hier auf weitere Mittdeilungen verzichtet verden. Auch die Straßburger 8“* in * ardridung. welche Fuülle volkswirthschaftlicher sehwalpeltee durch 8 vorjährigen Zählungen gegeden ist. Der Wsenkchatt in der weiteren Verarbeitung des den den derscheedenemn Stzellen

gebotenen Materials jedenfalls eine überaus dankdare Aufpade geftellk.

Diesen 1385 Arbeitslosen sind im Ganzen 42 340 „Berufs⸗

glauben müssen, ich schickte heimlich einen Privat⸗Thierarzt, um seine

111“

thätige“ gegenüber zu stellen. Scheidet man davon die Be⸗

E1“ 11“