Industrie. In den sen Betrieben mit Ausnahme der zurück⸗ gebliebenen Betriebe der Bäckerei, der Müllerei, der Ladengeschäfte ꝛc., ist die Arbeitszeit let meist eine 10 stündige. Die Eisenbahnen und die Post haben erhebliche Ueberschüsse geliefert, die Arbeitszeit ihrer Beamten und Arbeiter ist aber eine übermäßig lange. In Amerika und England hat sich der Achtstundentag sehr gut bewährt, wie überall, wo er eingeführt worden ist; er hat zahlreiche Nachahmung gefunden. Die Arbeitgeber berichten darüber, daß die Produktion größer ge⸗ worden ist, während die Ausgaben für Gas und elektrische Beleuchtung, Abnutzung der Geräthe u. s. w. geringer geworden sind. Dem Bei⸗ spiel der Privaten sind die Behörden gefolgt. Die Stadtverwaltungen haben den Lieferanten die Bedingung auferlegt, ihre Arbeiter nur 8 Stunden zu beschäftigen; die Staatsverwaltungen sind bezüglich der Militärwerkstätten ꝛc. ebenfalls zum Achtstundentag übergegangen. Eine sozialdemokratische Erfindung ist der Achtstundentag nicht. Durch denselben wird nicht die Reservearmee der Arbeitslosen ver⸗ mindert, denn es zeigt sich überall eine Steigerung der Arbeits⸗ leistungen. Die Behauptung der Undurchführbarkeit kann man nicht mehr aufrecht erhalten, nachdem Unternehmer in Deutschland den Achtstundentag eingeführt haben, so Siemens u. Halske, Heintze u. Blankertz und namentlich Heinrich Freese. Eine schlechte Verwendung der freien Zeit kommt bei den Arbeitern nicht vor; ihre Bildung und ihr Lebensniveau steigt. Auf dem internationalen Kongreß für Demographie und Hygiene wollte kein Fabriksarzt über den Acht⸗ stundentag referieren. Gegen denselben wollte sich keiner aussprechen aus wissenschaftlichen Gründen, für denselben nicht mit Rücksicht auf die Arbeitgeber. Der Kaiserliche Erlaß vom 4. Februar 1890 nahm direkt auf den Achtstundentag Bezug. Ich will nicht von einem Bruch der darin enthaltenen Versprechungen sprechen, aber von einer Nicht⸗ erfüllung derselben, und deshalb ist es die Aufgabe der Volksvertre⸗ tung, die Regierung an ihre Pflicht zu mahnen, und das kann sie nicht besser thun, als durch Annahme unseres Antrags, der lediglich das verspricht, was der Kaiserliche Erlaß versprochen hat: die Besser⸗ stellung der Arbeiter.
Abg. Dr. Hitze (Zentr.): Die Freunde des Vorredners hoffen doch wohl kaum, daß der Antrag Zustimmung in diesem Hause finden werde. Wenn es wahr ist, daß die Arbeitsleistung in acht Stunden dieselbe ist wie in neun oder zehn Stunden, so ist das eine falsche Taktik, gleich das Aeußerste zu verlangen. Der Achtstundentag ist keine sozial⸗ demokratische Forderung, sondern eine Forderung praktischer Erwägung. Aber gerade deshalb sollte man erst Erfahrungen sammeln. Die acht⸗
stündige Schicht herrscht in dem Bergbau des Westens; wo eine große Wärme herrscht, ist sogar eine sechsstündige Schicht durchgeführt. Ferner hat der Reichstag dem Bundesrath die Ermächtigung gegeben, für besonders gesundheitsschädliche Betriebe eine Beschränkung der Arbeitszeit eintreten zu lassen. Aber dieser Weg allein wird nicht zum Ziel führen. Erreicht werden muß eine Verkürzung der Arbeits⸗ zeit, weil durch die übermäßige Dauer derselben das Familienleben zerstört wird. Die Verkürzung der Arbeitszeit wird die Anschaffung neuer Maschinen, die Verbesserung der Technik fördern. Wenn auch die Arbeitsleistung in acht Stunden nicht dieselbe sein wird wie in zehn Stunden, so wird sie doch eine intensivere sein als bei längerer Arbeitszeit. Dadurch wird die Waarenproduktion geringer, die Preise steigen, und schließlich müssen mehr Arbeiter eingestellt werden, um die Waaren herzustellen, wodurch wiederum die Löhne steigen. Die Normalarbeits⸗ zeit für die Arbeiterinnen ist ohne große Unbequemlichkeiten eingeführt worden; soweit solche vorhanden waren, wurden sie bald überwunden. Aber die allgemeine Durchführung des Normalarbeitstages erfordert vielleicht einige Rücksichtnahme, und deshalb ist die Maximalarbeitszeit für die Woche vielleicht in Erwägung zu zieben. Redner empfiehlt die Annahme seines Antrags, welcher einen erheblichen Kulturfortschritt bringen würde. Abg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim inl.): Ich bin im alge⸗ meinen mit den Ausfübrungen des Vorredners einverstanden, halte den Antrag Hitze aber nicht für geeignet, dem Arbeiter etwas Nennens⸗ werthes zu verschaffen; denn 90 % der Großbetriebe haben heute schon eine Arbeitszeit von 10 Stunden täglich, also 60 Stunden wöchent⸗ lich. Für die Kleinindustrie aber würde die Beschränkung der Arbeitszeit eine erhebliche Störung mit sich bringen. Die Zunahme der Aktien⸗ Fründungen ist nicht als wirthschaftlicher Fortschritt zu bezeichnen, sie ist vielmehr zu bedauern, denn sie ist entstanden, weil die Unternehmer fürchten, daß die Zollpolitik des Auslandes die deutschen industriellen Interessen schwächen könnte, und außerdem, weil viele Unternehmer infolge der sozialdemokratischen Bewegung die Liebe zu ihrem Be⸗ rufe und zu ihren bis dahin persönlich geleiteten Unternehmungen ver⸗ loren haben. Die Ermäßigung der Arbeitszeit in Deutschland, die sich ohne gesetzliche Bestimmung vollzogen hat, ist erfreulich; wenn sie an Ausdehnung zugenommen hat, so ist das kein Beweis, daß man gesetzlich vorgehen muß. Die Sozialdemokraten, als sie noch eine nationale Arbeitervartei waren, verlangten nur den Zehn⸗ stundentag. Erst seit 1890 ist der Achtstundentag als Forderung auf⸗ gestellt worden. Die internationale Arbeiterschutz⸗Konferenz, bei der ich auch mitgewirkt habe, hat ihn als undurchführbar ver⸗ worfen, weil die Verhältnisse in den anderen Staasen außer⸗ halb Europas anders sind als in Europa. Die klimatischen Verhältnisse fordern eine kürzere Arbeitszeit, die Bodenverhält⸗ nisse sind anders als die Verhältnisse unserer Landwirth⸗ schaft. In Australien und Amerika hat man auch von dem gesetz· lichen Magximalarbeitstag abgesehen; nur in Oesterreich und der Schweiz ist man dazu übergegangen, aber mit soviel Ausnahmen, daß diese eigentlich die Regel bilden. In England besteht der Wunsch der Arbeiter nach einer gesetzlichen Regelung durchaus nicht in erheb⸗ lichem Maße. Auch die freiwillige Einschränkung der Arbeitszeit in den Marine⸗ und Militärwerkstätten in England, in den Spandauer Millitärwerkstätten ist kein Beweis für die Nothwendigkeit einer gesetz⸗ lichen Regelung. Die Arbeiter wünschen geradezu eine gleichmäßige, regelmäßige Beschäftigung von 10 Stunden; die Frauen sind garnicht für eine Verkürzung der Arbeitszeit, weil die Männer in die Wirth⸗ schaften gehen; denn es ist leider eine Thatsache, daß um die Fabriken herum sich die Wirthschaften ansammeln und der Alkoholgenuß der Arbeiter zunimmt. Die Erfahrungen in Eagland ꝛc. sind nicht maß⸗ gebend, denn in den Spinnereien z. B. sind die Leistungen der Arbeiter von ihrer Geschicklichkeit abhängig, und die englischen Arbeiter sind geschickter als die deutschen Arbeiter in Schlesien u. s. w. Eine Vermebrung der Produktionskräfte müßte namentlich jetzt geschehen, wo die Zoll⸗ politik des Auslandes den Absatz deutscher Waaren beeinträchtigt. Ich habe persönlich die Erklärung des Grafen Posadowsky mit Genug⸗ thuung entgegengenommen, daß die Regierung dabei ist, einen speziali⸗ erten Zolltarif auszuarbeiten. Die Regierungen sollten damit recht schnell vorwärts gehen. Die Kleinbetriebe arbeiten allerdings durch⸗ schnittlich bis zu 13 Stunden, denn sie können ihre Arbeiter nicht so unterbringen wie die großen Fabriken, namentlich, wenn es sich dabei nur um vorübergehende starke Beschäftigung handelt. Die „Bäckereiverordnung hat nicht das Richtige getroffen; eine Verbesserung der gesundheitlichen Verhältnisse ist nicht erreicht, und die Bäcker⸗ sellen verlangen selbst, daß die Verordnung aufgehoben wird, weil sie die Hoffnung haben, selbst einmal Meister zu werden, und wissen, daß unter solchen Verhältnissen ein Meister nicht bestehen kann. Die Be⸗ schäftigungsdauer von 36 Stunden kommt in der Müllerei vor; aber es sind dabei so wenig Arbeiter beschäftigt, daß ein großer Mißstand nicht vorliegt. ie Mißstände bei der Konfektionsarbeit. Die Gewerbeordnung hat den Arbeitsvertrag bis auf zwei Punkte geregelt, darin liegt auch eine Erfüllung der Kaiserlichen Erlasse; es fehlt nur eine Regelung der Lohnfrage und eine Regelung der Ueberstunden. Die Arbeiterausschüsse sollten ihre Zustimmung geben müssen zur Ueberarbeit; da haben sie etwas Besseres zu thun als die allgemeinen Arbeiterausschüsse, die das Gesetz vorsieht. Da die Gewerkvereine sich überlebt haben, so sollte man obligatorische Berussgenossenschaften schaffen, um in Gemeinschaft mit den Arbeitgebern wie in den Knaypschaftskassen diese Verhältnisse zu regeln. Alle Prophezeiungen des Professors Brentano bezüglich der Gewerkschaftsbewegung sind längst widerlegt. Den Kongreß der christlich⸗sozialen Arbeiter hat Herr von Stumm richtig charakterisiert. Herr Pfarrer Naumann wünschte di kt den Anschluß an die sozialdemokratische Organisatison. “
Aber beseitigt werden müßte nech Mißstand ebenso wie
Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Ich bestreite in keiner Weise, daß man uͤber das, was in den Königlichen Erlassen steht, auf Grund sehr vieler anderer Erwägungen noch viel weiter gehen kann, aber ich bestreite ganz entschieden, daß man behaupten kann, daß die Versprechen der Allerhöchsten Erlasse nicht er⸗ füllt worden seien. Es ist ausdrücklich der preußische Staatsrath offiziell einberufen worden, um darüber Vorschläge zu machen, in welcher Form und Weise die Erlasse ausgeführt werden sollten. Diese Vorschläge sind gemacht worden, und auf Grund dieser Vorschläge hat der Bundesrath einen Entwurf ausgearbeitet. Dieser Entwurf ging noch über die Vorschläge des preußischen Staatsraths hinaus, und die Vorlage im Reichstage wiederum über die Vorlage des Bundesraths. Auf weitere Verpflich⸗ tungen kann man die Regierung nicht festnageln. Die Sozial⸗ demokraten wollen jetzt mit einem großen Sprung weit über das hinausgehen, was sie früher gefordert haben; während sie noch 1890 einen zehnstündigen Normalarbeitstag verlangten, der im Jahre 1894 zu einem neunstündigen und 1898 zu einem achtstündigen werden sollte, kommen sie jetzt auf einmal sofort mit einem An⸗ trage auf Einführung des Achtstundentages. Damals sagten sie selbst, daß ohne internationale Vereinbarung über den Normalarbeitstag die Konkurrenzfähigkeit unserer Industrie nicht aufrecht zu erhalten sei. Ueberall wo der Versuch mit dem Achtstundentag gemacht ist, haben sich größtentheils die Arbeiter selbst dagegen ausgesprochen, und nirgends besteht heute gesetzlich der Achtstundentag. Daß überall, wo freiwillig der Achtstundentag eingeführt ist, ausnahmslos ein Er⸗ solg damit erzielt ist, ist ganz falsch. In England ist an fehr vielen Stellen das Experiment gemacht worden, aber man ist davon zurück⸗ gekommen wegen erheblicher Nachtheile. Und wenn Herr Fischer sagt, daß überall die Arbeitsleistungen gestiegen sind infolge einer Verkürzung der Arbeitszeit, so weise ich einfach auf die Statistik der Bergver⸗ waltung hin, woraus Sie ersehen können, daß die Arbeitsleistung von 1880 bis 1895 um 11 % heruntergegangen ist. Ich behaupte, daß dieser Antrag gewissermaßen ein ganz erheblicher Schlag ins Gesicht der Industrie ist, und daß er bewußtermaßen erreicht und erreichen will die Verminderung der Erwerbsfähigkeit und die Schädigung einer sehr großen Zahl von Arbeitern. Der Accordarbeiter würde bei dem Achtstundentag pro Stunde genau dasselbe verdienen wie früher, weil er denselben Stücklohn bekäme, seine Ausgaben würden aber ent⸗ sprechend steigen, wenn er 2 Stunden mehr auf andere Weise verbringen muß. Wenn er diese in der Familie zubrächte, würden seine Ausgaben allerdings nicht steigen. Das ist aber thatsächlich nicht vorauszusehen. Und wenn Herr Hitze meint, man solle den Arbeiter eine möglichst geringe Stundenzahl beschäftigen, damit er sich seiner Familie widmen und seine Kinder besser erziehen könne, so liegt nach meinen Erfahrungen eine viel größere Gefahr für das Fa⸗ milienleben und die Kindererziehung in dem Vereinswesen und dem Wirthshausbesuch, als in der längeren Arbeitszeit. Nun soll der Arbeiter in der kürzeren Zeit genau dasselbe leisten, das ist bei einer ganzen Menge von Arbeitsthätigkeiten garnicht möglich. Wie soll z. B. der Kesselwärter, der nur eine Aufsicht zu üben hat, in acht Stunden ebenso viel leisten wie in zwölf oder zehn? Und solcher Thätigkeiten giebt es eine große Menge. Ja, bei vielen Thätigkeiten schonen sich gerade die Arbeiter durch langsame Arbeit und werden über 60 Jahre alt. Das englische Beispiel beweist nichts. Der englische Arbeiter steht sich nicht etwa besser als der deutsche, weil er mehr verdient — denn er verdient durchaus nicht mehr als der deutsche —, sondern er ißt besser, weil er nicht die Neigung hat, zu Vergnügungszwecken, für Getränk und den Putz seiner Frau sein Geld auszugeben. Man sollte daher die Bestrebungen, den deutschen Arbeiter zu einem größeren Fleischkonsum anzuregen, fördern. Der Achtstundentag wäre geradezu eine Prämie für die starken Arbeiter, die sich mehr anstrengen können, während der schwächere nicht mehr zu leisten im stande wäre. Daß der Arbeiter in den acht Stunden bei gleicher Leistung einen höheren Lohn bekäme, nehmen die Herren als selbstverständlich an. Unsere Konkurrenz mit dem Auslande würde aber erheblich gefährdet, wenn die Arbeitslöhne steigen. Es ist auch wieder auf die industrielle Reservearmee hingewiesen worden. Nach der Arbeitslosen⸗Statiftik vom Juni 1895 giebt es überhaupt nur 1,1 % aller Arbeiter, die beschäftigungslos sind, wenn sie nicht gerade krank oder aus anderen Gründen unbeschäftigt gewesen sind. Von den 1,1 % müssen Sie noch diejenigen abziehen, die nicht arbeiten wollen, die faulen, und diejenigen, die gerade im Begriff waren, von einer Arbeit zur anderen überzugehen, sodaß ich behaupte, diese Arbeitslosen⸗Statistik hat bewiesen, daß die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland fast ver⸗ schwindend ist gegen andere Staaten, und daß von einer Reservearmee keine Rede ist. Man kann sagen, eine Arbeitslosig⸗ keit im großen Ganzen existirt garnicht. Wenn das richtig ist, wo wollen Sie dann die 20 % der Arbeiter mehr bernehmen, die bei Vertürzung der Arbeitszeit von 10 auf 8 Stunden nothwendig wären, um dasselbe Arbeitsquantum zu leisten wie bisher? Es würde sogar ein Arbeitermangel entstehen, namentlich in der Landwirth⸗ schaft, und wollen Sie etwa eine Kuliwirthschaft? Mit dem, was ich gesogt habe, will ich keineswegs einer vernünftigen Regelung der Arbeitszeit entgegentreten. Ich selbst habe in meiner Arbeits⸗ ordnung mir Garantien geschaffen, daß namentlich für die Zeit, wo ich nicht anwesend bin, nicht durch die untergeordneten Beamten die Arbeitszeit in meinem Betrieb ins Ungemessene vermehrt wird. Ich habe selbft gegen den Willen der Arbeiter eine Reduktion der Arbeitszeit eingeführt; die Arbeiter haben in der Regel eine große Neigung zu Ueberschichten. Aber es ist ein Unding, wenn man die Seoche generell für alle gleichmäßig regelt und einem Goliath von Menschen, der eine Frau und sieben Kinder und vielleicht alte Eltern zu versorgen hat, die Verrflichtung auferlegt, nicht länger zu arbeiten und nicht mehr zu leisten wie ein Schwächling. Wenn Sie überhaupt einen Normalarbeitstag haben wollen, der mehr ist als eine Redensart, so müssen Sie für jeden einzelnen Menschen individualisieren, Sie müssen eine Dynamomaschine haben, welche die Leistungsfähigkeit eines jeden Einzelnen feststellt. Mit Ihrem Antrage (zu den Sozialdemokraten) steuern Sie geradezu auf den sozialdemokratischen Staat los. Mit der Bäckereiverordnung hat der Bundesrath am falschen Ende angefangen. Die gefährlichsten Betriebe hätte er zuerst heraussuchen müssen, z. B. die Metall⸗ schleifereien, die Fabriken mit Quecksilber, die Thomasschlacken⸗ mühlen. Statt dessen hat er das Bäckereigewerbe heraus⸗ gegriffen, das —“” die Herren mögen sagen, was sie wollen — das gesundeste Gewerbe ist. Die Bäckergesellen sagen sich: wenn sie auch ein paar Jahre unbequeme Arbeit haben, so werden sie doch später selbst Bäckermeister. Die kleinen Bäcker werden durch die Brotfabriken erheblich geschädigt, und diesem Zu⸗ stande müßte ein Ende gemacht werden. Jede Festsetzung eines Normal⸗ oder Maximalarbeitstages, die über den Charakter eines sanitären Arbeitstages hinausgeht, verkümmert dem Arbeiter diejenige Gleichberechtigung, auf die er von Gottes und Rechts wegen orugs hat. An dem Arbeiterschutz habe ich mich gern betheiligt, aber darum handelt es sich hier nicht, sondern um das Recht des Mannes, seine Kraft möglichst zu verwerthen. Ueber den Antrag Hitze ließe sich ja reden. Vielleicht käme ein Kompromiß zu stande; jedenfalls wäre er unschädlich. Die Betriebe, die Tag und Nacht und im Feuer arbeiten, können keinen Normalarbeitstag haben, oder man müßte sie zwingen, drei statt zwei Schichten zu machen. Herr von Heyl meinte, Ueberstunden könnten nur mit Genehmigung des Arbeiter⸗ ausschusses eingeführt werden; das ist aber schon im Arbeitsvertrag geregelt. Darin verpflichtet sich der Arbeiter schon ohne weiteres, Ueberstunden zu machen, wenn es nothwendig ist. Würden diese Ueberstunden nicht eingeführt sein, so wäre der ganze Betrieb un⸗ möglich. Das können Sie doch nicht beabsichtigen. Diese Frage kann nur im Arbeitsvertrage geregelt werden, darüber hinaus kann kein Arbeiter zu Ueberstunden gezwungen, vielleicht sogar garnicht einmal zugelassen werden. In den sogenannten staatserhaltenden Parteiblättern hat man früher darauf hingewiesen, die sozialdemo⸗ kratische Partei wäre keine Umsturzpartei mehr, sie verfolgte keine Uiopien, sie sei eine ganz harmlose Reformpartei, die mit anderen Parteien bestrebt sei, das Wohl des Arbeiters zu fördern — mit diesem
Antrage springen Sie weit über die Forderung hinaus, die noch 1891 für allein erreichbar gehalten haben; Eis würden 8 Ihren Antrag eine Knechtschaft berbeiführen, die schlimmer ist als diejenige, die irgend ein Unternehmer den Arbeitern auferlegen kann. Abg. Dr. Schneider (fr. Volksp.): Die Arbeiterschu Gesetz⸗ gebung wird auch von uns vertheidigt. Aber dem Antrage des rums gegenüber möchte dech darauf aufmerksam zu machen sein daß der Bundesrath von seinen Vollmachten nicht immer richtige Anwendung gemacht hat, namentlich bezüglich der Bäckereien. Der Bundesrath könnte sich für ermächtigt halten, ebenso wie bei der Bäckerei, da von seiner Befugniß Gebrauch zu machen, wo eine ausgedehnte Arbeitszeit besteht. Für den Antrag des Zentrums liegt deshalb kein Anlaß vor. In der Schweiz besteht ein Normalarbeitstag. In England wird von den Arbeitern der Achtstundentag verlangt auf Grund der Erfahrungen, welche in einzelnen Etablissements gemacht worden sind. Die Fabrikinspektoren treten auch zum theil für eine Beschränkung der Arbeitszeit ein, aber, was Herr Fischer nicht mitgetheilt hat, unter Wahrung der für die einzelnen Industrien nothwendigen Spezialisierung. Der Antrag des Zentrums ist empfehlens⸗ werther, weil er sich an die bestehenden Verhältnisse anschließt, während der Antrag der Sozialdemokraten einen zu großen Sprung macht. Es kann doch nicht behauptet werden, daß eine Arbeitszeit von acht Stunden in Handel, Handwerk und Industrie unbedingt das äußerste ist, was man den Arbeitern zumuthen kann. In vielen Betrieben würde die achtstündige Arbeitszeit dahin führen, daß die Zahl der Arbeiter vermehrt werden müßte, ohne daß eine Erhöhun des gesammten Lohnes eintritt. Das wäre dann durchaus kein Kulturfortschritt, wenn man nicht gleich mit einem gesetzlichen Minimal⸗ lehn vorgeht. Das beste Mittel ist die wirkliche Freiheit des Arbeits⸗ vertrages. Deshalb treten wir für die Sicherung des Koalitions rechts, für die Schaffung von Berufsvereinen ein. Wenn die Polizei nicht eingreift, wenn sich die Kräfte ruhig mit einander messen können, dann wird man sich auch über die Arbeitszeit verständigen. Daß die Arbeitgeber dabei nicht immer die Oberhand haben werden, zeigen die Verhältnisse in England. Wenn auf dem Wege der Ver einbarung eine Verminderung der Arbeitszeit erreicht wird, so wi das Püertange 6 Frtarssrkscheitt sein. 2 — Abg. Bindewald (Reformp.): Ohne Schädigung der Industrie wäre der achtstündige Arbeitstag EE“ nigt für alle Be⸗ triebe; für das Kleingewerbe ist er undurchführbar wegen der Ver schiedenheit der Menschen bezüglich ihrer geistigen und körperlichen Anlage. Ich weiß nicht, ob die achtstündige Arbeitszeit für die Arbeiter einen Nutzen haben würde; die Arbeiter wollen sie nicht überall. Viele Leute, die nicht gerade Arbeiter sind, aber doch zu den Enterbten gehören, würden mit einer nur achtstündigen Arbeitszeit sehr zufrieden sein. Die Arbeiter würden einen Vortheil von der Verkürzung der Arbeitszeit nicht haben, denn sie würden kein Mitte haben, um die Arbeitgeber zur Erhöhung ihres Lohnes zu zwingen Die achtstündige Arbeitszeit wäre nicht möglich ohne eine gesetzliche Regelung der Lohnfrage. Ich bin in dieser Beziehung nicht ängstlich sondern ziehe die Konsequenz. Aber ob es möglich ist, die Lohnfrag gesetzlichzzu regeln, das ist eine andere Frage. In gesundheitsschäd⸗ lichen Betrieben muß die Arbeitszeit herabgesetzt werden, darin sind wohl alle Parteien einig. Für die Einführung obligatorischer Berufsgenofsenschaften bin ich auch, ebenso wie Herr von Heyl, der damit im Gegensatz zu den meisten seiner Freunde steht. Nur die Berufsgenossenschaften des Handwerks können die Arbeitszeit und die Lohnfrage regeln. Dem Antrage des Zentrums stehen wir freundlich gegenüber. . Abg. Dr. Hitze (Zentr.) verwahrt sich gegen einzelne Ausführungen des Abg. Freiherrn von Heyl, und weist darauf hin, daß der Vorsitzende des christlichen Bergarbeitervereias Brust gegen die Stellungnahme des Pfarrers Naumann protestiert habe. Die Berufung auf die Kaiser⸗ lichen Erlasse von 1890 mache auf die Arbeiter immer einen großen Eindruck. Herrn von Stumm'’s Auslegung derselben sei eine andere als die des Ministers von Berlepsch gewesen, und von einer schon erfolgten Ausführung der Kaiserlichen Erlasse keine Rede. Ein Vertagungsantrag wird angenommen. Abg. Freiherr von Stumm bemerkt perfönlich, daß nach seiner Meinung durch die Berathungen des Staatsraths die Kaiserlichen Erlasse zur Ausführung gekommen seien, daß von einem nicht erfüllten Versprechen also keine Rede mehr sein könne. Schluß 5 ½ Uhr. des Reichskanzlers und der Reichskanzlei; Wahlprüfungen.)
Parlamentarische Nachrichten.
Dem Reichstage ist der nachstehende Entwurf eines Ge⸗ setzes wegen Abänderung des Gesetzes, betreffend die 8
Beschlagnahme des Arbeits⸗ oder Dienstlohnes, und der Zivilprozeßordnung zugegangen: Artikel 1. —
Das Gesetz, betreffend die Beschlagnahme des Arbeits⸗ oder Dienstlohnes, vom 21. Juni 1869 (Bundes⸗Gesetzbl. S. 242) wird dahin geändert: 3
1) Der § 4 Nr. 3 erhält folgende Fassung:
auf die Beitreibung der den Verwandten, dem Ehegatten und
dem früheren Ehegatten für die Zeit nach Erhebung der Klage
und für das diesem Zeitpunkt vorausgehende letzte Vierteljahr kraft Gesetzes zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge; 2) Als § 4a wird folgende Vorschrift eingestellt:
Auf die Beitreibung der zu Gunsten eines unehelichen Kindes von dem Vater für den im § 4 Nr. 3 bezeichneten Zeitraum krast Gesetzes zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge findet dieses Gesetz nur insoweit Anwendung, als der Schuldner zur Bestreitung seines notbdürftigen Unterhalts und zur Er⸗ füllung der ihm seinen Verwandten, seiner Ehefrau oder seiner früheren Ehefrau gegenüber gesetzlich obliegenden Unterhalts⸗ pflicht der Vergütung (§§ 1, 3) bedarf.
Artikel 2. Der § 749 Absatz 4 der Zivilprozeßordnung erhält folgende
Fassung:
In den Fällen der beiden vorhergehenden Absätze ist die Pfändung ohne Rücksicht auf den Betrag zulässig, wenn sie wegen der den Verwandten, dem Ehegatten und dem früheren Ehegatten für die Zeit nach Erhebung der Klage und für das diesem Zeitpunkte vorausgehende letzte Vierteljahr kraft di zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge beantragt wird. 86 Gleiche gilt in Ansehung der zu Gunsten eines unehelichen Kindes von dem Vater für den bezeichneten Zeitraum kraft Gesetzes zu entrichtenden Unterhaltsbeitröge; diese Vorschrift findet jedoch insoweit keine Anwendung, als der Schuldner zur Bestreitung seines nothdürftigen Unterhalts und zur Erfüllung der ihm seinen Verwandten, seiner Ehefrau oder seiner früheren Ebefrau gegenüber gesetzlich obliegenden Unterhaltspflicht der Bezüge bedarf. Begründung. 1 Das Verbot der Beschlagnahme des noch nicht fälligen Arbeits⸗ oder Dienstlohnes, wie es durch das Gesetz vom 21. Juni 1869 (Bundes⸗Gesetzbl. S. 242) zur Geltung gebracht ist, findet keine An⸗ wendung, wenn es sich um die Beitreibung der auf gesetzlicher Vor⸗ schrift beruhenden Alimentationsansprüche der Familienglieder handelt. Dem entsprechend gewährt der § 749 Absatz 4 der Zipilprozeßordnung der Ehefrau und den ehelichen Kindern die Befugniß, wegen ihrer Forderungen an laufenden Alimenten Gehalt und Pension der Be⸗ amten und der ihnen gleichgestellten Personen ohne Rücksicht auf die Beschränkungen in Anspruch zu nehmen, welche für die Beitreibung anderer Forberungen aus den erwähnten Bezügen gelten. Wiederholt sind im Reichstage Anträge gestellt worden, welche darauf abzielten, die bezeichneten Vergünstigungen auf die Unterhalts⸗
ansprüche des unehelichen Kindes gegen seinen Erzeuger auszudehnen.
twurf in der Sitzung vom 13. b-ö worden, welche in dem am 26. desselben Monats erstatteten Berichte die Vorschläge des Antragstellers mit einigen Aenderungen zur Annahme empfohlen hat.
danke muß als ein berechtigter anerkannt werden 1 denen gegenwärtig die Psändun von Arbeitslohn, Gehaltsbezügen und Pensionen unterliegt, gewähren dem Erzeuger eines unehelichen Kindes die Möglichkeit, sich mit einem solchen Einkommen, auch wenn es den zum eigenen Unterkbalt erforderlichen Betrag übersteigt, der Erfüllung seiner gesetzlichen Pflicht zum Unterhalt des Kindes zu ent⸗ ziehen und das Kind mit der Mutter der Noth preiszugeben oder der öffentlichen Armenpflege anheimfallen zu lassen. eint
angezeigt, den hieraus sich ergebenden Mißständen, welche feit längerer
Zeit in weiten Kreisen der Bevölkerung empfunden werden, im Wege der Gesetzgebung abzuhelfen.
8 1
Nächee Sttung Freitag 1 Uhr. (Elat
der laufenden Session des Reichstages ist ein zu dem gleichen von dem Abgeordneten Grafen von Holstein eingebrachter Ge⸗ Juni v. J. an eine Kommission
Der den Beschlüssen dieser Kommission zu Grunde liegende Ge⸗
Die Beschränkungen,
Es erscheint daber
Die Vorschläge der Reichstags⸗Kommission aus dem Sommer
vorigen Jahres geben jedoch zu Bedenken Anlaß, namentlich insofern, als sie die durch die Ebe und die Familiengemeinschaft begründeten Unterhaltsansprüche nicht ausreichend wahren. se Recht gefühl verlangt, daß diese Ansprüche in erster Reihe berücksichtigt werden. ehelichen Kinder erscheint daber nur zulässig, soweit dadurch die An⸗ . sonstigen Unterhaltsberechtigten nicht gefährdet werden.
Das natürliche Rechts⸗ Eine Aenderung des bestehenden Rechts zu Gunsten der un⸗
it dieser Maßgabe will der vorliegende Entwurf dem Bedürf⸗ nisse nach einer besseren Sicherstellung des Unterhalts der unehelichen
Kinder durch Abänderung der Vorschriften des Lohnbeschlagnahme⸗ gesetzes n bietet sich auch die erwünschte Gelegenheit, die in den erwähnten Vor⸗ schriften bestehenden sachlichen Verschiedenheiten, für welche es an einem inneren Grunde fehlt, zu beseitigen und damit für den Bereich der beiden Gesetze einen übereinstimmenden Rechtszustand bherbeizu⸗ führen.
und der Zivilprozeßordnung Rechnung tragen. Hierbei
Der Artikel 1 des Entwurfs enthält die erforderlichen Aende⸗ rungen des Gesetzes vom 21. Juni 1869, der Artikel 2 die ent⸗ sprechende Abänderung der Zivilprozeßordnung. 8 “
Von einer Aenderung der Unfallversicherungsgesetze, wie sie im Artikel 3 des Entwurfs der Reichstags⸗Kommission in Aussicht ge⸗ nommen ist, wird hier abzusehen sein, da die Frage, ob und inwieweit die Pfändung der in diesen Gesetzen gewährten Entschädigungs⸗ forderungen zu Gunsten der unehelichen Kinder zu gestatten sei, besser der bereits im Gange befindlichen allgemeinen Revision der Unfall⸗ versicherungsgesetze überlassen bleibt.
Zur Erläuterung der Einzelbestimmungen des Entwurfs werden die nachstehenden Bemerkungen genügen:
Artikel 1.
1) Die Nothwendigkeit, sämmtlichen Verwandten und dem Ehe⸗ gatten, foweit sie kraft Gesetzes Anspruch auf Unterhalt haben, das im § 4 Nr. 3 des Lohnbeschlagnahmegesetzes den Familien⸗ gliedern gewährte Recht zu erhalten und ihnen ein Vorrecht vor den unehelichen Kindern zu sichern, ergiebt sich ohne weiteres aus den oben erörterten allgemeinen Gesichtspunkten. Die gleiche Berücksichti⸗ gung wird den Unterhaltsansprüchen des früheren Ehegatten (zu vergl. Bürgerliches Gesetzbuch §§ 1345, 1346, 1351, 1578, 1583, 1586) zu gewähren sein; eine Bevorzugung der unehelichen Kinder würde auch hier in vielen Fällen, z. B. wenn die Ehe wegen desjenigen Ehebruchs geschieden ist, aus welchem das un⸗ eheliche Kind hervorgegangen ist, oder wenn es sich um einen wegen Geisteskrankeit geschiedenen Ehegatten handelt, sich mit dem allgemeinen Rechtsbewußtsein nicht vereinigen lassen. Die Uebergehung der frag⸗ lichen Ansprüche würde zudem mit den Grundsätzen in Widerspruch treten, nach denen das Bürgerliche Gesetzbuch in den §§ 1579, 1609 für den Fall des Zusammentressens mehrerer Unterhaltsberechtigter das Rangverhältniß ihrer Ansprüche regelt. “
Die Beschränkung des Vollstreckungsvorrechts auf die Unter⸗
haltsbeiträge, welche für die 8 nach Erhebung der Klage und für
das diesem Zeitpunkt veorausgehende letzte Vierteljahr zu entrichten sind, ist bei den im § 749 Absatz 4 der Zivilprozeßordnung auf⸗ geführten Bezügen schon jetzt geltendes Recht. Die Aenderung, welche damit für das Lohnbeschlagnahmegesetz eintritt, ist zwar von keiner
erheblichen praktischen Tragweite, da nach § 1613, § 1360 Absatz 3,
§ 1580 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, abgesehen von den un⸗ ehelichen Kindern (§ 1711 daselbst), für die Vergangenheit Unterhalt
nur im Falle des Verzugs oder der Rechtshängigkeit gefordert werden kann. Immerhin empfiehlt es sich im Interesse der Gleichmäßigkeit,
die in der Zivilprozeßordnung vorgesehene, durchaus zweckmäßige Be⸗ schränkung auch auf die Pfändung des Arbeitslohnes auszudehnen. 2) Der § 4a läßt eine Beschlagnahme des in Zukunft fällig werdenden Lohnes wegen der zu Gunsten eines unehelichen Kindes von dem Vater kraft Gesetzes zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge zu. Wie sich aus der Fassung ergiebt, kann von dieser Vorschrift auch die Mutter des unehelichen Kindes Gebrauch machen, fei cs, daß ibr das Gesetz, wie dies zur Zeit in einzelnen Rechtsgebieten der Fall ist, einen eigenen Anspruch gegen den unehelichen Vater auf Grwährung der Mittel zum Unterhalte des Kindes zugesteht, sei es, daß der An⸗ spruch des Kindes auf sie kraft Gefetzes (zu vergl. Bürgerliches Gesetz⸗ buch § 1709 Absatz 2) übergegangen ist. Wer als Vater des unehelichen Kindes im Sinne des § 4a gilt, bestimmt künftig der § 1717 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, gegen⸗
wuärtig das geltende Landesrecht, wobei selbstverständlich nicht der in
dem Gesetz gewählte Ausdruck, sondern allein die Frage entscheidet, wen das Hele behufs Regelung der Unterhaltspflicht als den Er⸗ zeuger ansieht. b
Abweichend vom § 4 Nr. 3 trifft der § 4a durch eine besondere Bestimmung Vorsorge, daß dem Schuldner der zu seinem Unterhalt erforderliche Betrag des Lohns nicht entzogen werden kann. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 1360, 1361, 1579, 1603) machen im allgemeinen die Unterhaltspflicht von den Ver⸗ mögens⸗ und Erwerbeverhältnissen des Verpflichteten abhängig; die Ansprüche der unehelichen Kinder gegen den Vater sind indessen solchen Beschränkungen, abgesehen von gewissen Ausnahmefällen (§ 1708 Absatz 2), nicht unterworfen. Aehnlich liegen die Verhält⸗ nisse zum theil schon nach dem geltenden bürgerlichen Recht. Gegen⸗ über dem Anspruch des unehelichen Kindes ist es daher geboten, dem Schuldner durch einen ihm für das Zwangsvollstreckungsverfahren zu gewährenden Rechtsbehelf unter allen Umständen wenigstens seinen nothdürftigen Unterhalt zu sichern. Noch weiter zu geben und dem Schuldner den standesmäßigen Unterhalt, entsprechend dem § 1603 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, unangetaftet zu lassen, erscheint nicht angängig, weil hierdurch in den 8 Fällen der Zweck des Gesetzes vereitelt werden würde. 8
Der § 4a stellt, wie durch seine Fassung zum Ausdruck kommt, die Regel auf, daß die Beitreibung der für das uneheliche Kind zu entrichtenden Unterhaltsbeiträge der im § 1 des Gesetzes vom 21. Juni 1869 vorgeschriebenen Beschränkung nicht unterliegt; in Ab⸗ weichung von dieser Regel soll aber die Beschränkung bezüglich der⸗ jenigen Beträge Platz greifen, welche der Schuldner für sich und seine Familie zum Unterhalt braucht. Für die praktische Handhabung des Gesetzes ergiebt sich hieraus, daß das Vorhandensein der Voraus⸗ setzungen, unter denen die Beschlagnahme des Lohnes unzulässig ist, regelmäßig im Wege der Einwendung gemäß § 685 der Zivilprozeß⸗ ordnung geltend zu machen ist.
Im Artikel 2 8
ist die Pfändung der unter § 749 Absatz 4 der Zivilprozeßordnung fallenden Bezüge nach denselben Gesichtspunkten geregelt, wie im Artikel 1 die Beschlagnahme des Arbeits⸗ und Dienstlohnes; es kann daher im wesentlichen auf die Erläuterungen zu Artikel 1 ver⸗ wiesen werden. Hervorzuheben fft nur noch, daß die Vorschrift
§ 749 Absatz 4 der Zivilprozeßordnung nach der neuen Fassung, ebenso wie dies bisher schon bezüglich des 9 4 Nr. 3 des Lohnbeschlagnahmegesetzes der Fall war, lediglich auf die koaft Gesetzes zu entrschtenden Unterhaltsbeiträge Anwendung
finden soll. Die Beschränkung erscheint geboten, da sonst durch einen foden e — zusichernden Vertrag andere Unterhaltsberech⸗ tigte geschädigt werden könnten. Andererseits verfteht es sich von selbst, daß ein gesetzlicher Anspruch diese Eigenschaft durch vertrags⸗ mäßige Anerkennung nicht verliert, daß daher die Feststellung des Unterhaltsanspruchs durch Vertrag seine Verfolguns nach Maßgabe der neuen Vorschriften an sich nicht hindern wird.
Ergebhnisse der Verhandlungen der Kommission für Arbeiterstatistik über die Arbeitsverhältnisse in der Konfektionsindustrie vom 9. und 11. Januar 1897.
(Drucksachen der Kommission für Arbeiterstatistik. Verhandlungen Nr. 12.)
An der Hand der im „Reichs⸗ und Srnatg pgeisfr⸗ Nr. 6 ausführlich besprochenen „Zusammenstellung der Ergebnisse der Er⸗ mittelungen über die Arbeitsverhältnisse in der Kleider⸗ und Wäsche⸗ Konfektion, bearbeitet im Kaiserlichen Statistischen Amt“, hat die Kommission für Arbeiterstatistik am 9. und 11. Januar d. J. darüber eingehend berathen, welche Mißstände überhaupt als fest⸗ gestellt zu betrachten und welche davon einer etwaigen Beseiti⸗ gung zugänglich seien. Es wurden, entsprechend dem von dem Direktor des Kaiserlichen Statistischen Amts erstatteten Referat, zu⸗ nächst 1) diejenigen Verhältnisse in der Konfektions⸗ industrie behandelt, die bisher irrthümlicher Weise als die schwersten Mißstände angesehen worden seien; sodann 2) die Mißstände, welche einer Verbesserung durch Eingriffe der Gesetzgebung oder Verwaltung nicht zugänglich erscheinen, und schließlich 3) die Uebel⸗ stände, bei denen eine Abstellung oder doch wenigstens eine Verminderung als durchführbar anzunehmen sei. Was die ad 1 bezeichneten Verbältnisse anbelangt, so wurde nach eingehender Diskussion die Ansicht dahin festgestellt, „daß die Zufammenstellung die Ergebnisse der Erhebung in allen wesentlichen Punkten wiedergebe, daß die Berathungen sich nach wie vor auf die Kon⸗ fektion im engeren Sinne zu beschränken hätten, daß das Zwischen⸗ meistersystem an sich nicht als ein besonderer Uebelstand anzu⸗ sehen sei und die Erhebungen keine besonderen, der Konfettion eigen⸗ thümlichen sittlichen Mißstände ergeben hätten.“ . Ein Vorschlag, die Beschäftigung von Heimarbeitern durch Zwischenmeister zu verbieten, wurde abgelehnt. b Desgleichen wurde festgestellt, daß die Vernehmungen Anhalt für die Anvahme ergeben haben, daß die früher durch das Trucksystem vorhandenen Mißstände in der Konfektion nicht mehr beständen. Bezüglich der ad 2 bezeichneten Mißstände ergab sich erstens als die Ansicht der Mehrheit der Kommission, „daß die Höhe der Arbeitslöhne in der Konfektion zwar eine sehr geringe sei, daß sich aber direkte Eingriffe durch die Gesetzgebung hier nicht empfehlen“, und zweitens, „daß in dem Charakter der Konfektionsindustrie als Saisonindustrie einer der größten Mißstände zu erblicken sei, daß aber eine Besserung durch ein direktes Eingreifen der Gesetzgebung oder Verwaltung nicht herbeigeführt, die hier zu Tage getretenen Mißstände vielmehr nur indirekt gemildert werden könnten.“ Betreffend der ad 3 bezeichneten Mißstände, auf deren Beseitigung nach der Ansicht des Referenten direkt eingewirkt werden kann, wurde zunächst die Frage gestellt, ob hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit Mißstände vorlägen und wie ihnen abzuhelfen sei. Nach eingehenden Berathungen machte sich die Kommission zunächst dahin schlüssig, daß es nothwendig sei, den Begriff der Werkstatt festzulegen und es sich empfehle, „als Werkstätten diejenigen Arbeitsräume gelten zu lassen, in denen min⸗ destens eine nicht zur Familie des Arbeitgebers gehörige Person gegen Entgeld beschäftigt sei“. Zur Regelung der Arbeitszeit sei es empfehlenswerth: 1) die Schutzbestimmungen der §§ 135 bis 139 b der Ge⸗ werbe⸗Ordnung auf die Werkstätten auszudehnen; 2) die Werkstattarbeiterinnen vor durch Heimarbeit thunlichst zu schützen, wenn nicht anders möglich, auch durch das Verbot der Mitgabe von Arbeit nach Hause.
mission dahin, „daß den Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in den Werkstattbetrieben der Konfektionsindustrie Pausen zu gewähren seien, daß aber die Pausen nicht einzeln festgelegt werden möchten, sondern nur bestimmt werden soll, auf die tägliche Arbeitszeit habe eine Pause von mindestens 1 ½ stündiger Dauer zu entfallen.“
Bezüglich der Klage über die Zeitverluste der Zwischenmeister und Arbeiter bei der Empfangnahme und dem Abliefern der Arbeit gelangte die Kommission zu der Ansicht,
„daß eine Beseitigung der hier bestehenden Mißstände durch gesetz⸗ liches Eingreifen nicht thunlich sei“. 1 8
Sodann wurde die Frage erörtert, ob die Arbeitsbedingungen zu Bedenken Veranlassung geben und wie weit hier Abhilfe zu schaffen sei. Die Mehrheit der Kommission entschied sich für folgende darauf bezügliche Grundsätze: 8 1
„Bei Stückarbeit ist überall durch Tarife, Lohnbücher oder Arbeitszettel eine sichere Grund ge als Arbeitsverhältniß zu affen.“ flecʒ Werkstatt, und Heimarbeiter sind mit Lohnbüchern zu versehen, in welche beim Ausgeben der Arbeit die Löhne für die einzelnen Arbeiten einzutragen sind.“
Bei der weiter zur Verhandlung kommenden Frage der Aus⸗ dehnung der Versicherungspflicht gegen Krankbheit, Invalidität und Alter nahm der Vorsitzende Veranlassung, die Diskussion durch eine ausführliche Darlegung des heutigen Standes der Sache einzuleiten und darauf hinzuweifen, daß die Heranziehung des Konfektionärs zur Zahlung des Arbeitgeberbeitrages erwünscht sei, schon weil diese Heranziehung unter anderem die gute Folge haben würde, daß der Konfektionär sich um die Heimarbeiter kümmern müsse, was bisher, und das sei als einer der schlimmsten Uebelstände zu bezeichnen, nicht geschehen sei. Die Kommission nahm folgenden Antrag an:
„Eine Erweiterung der Versicherungspflicht der Hausindustriellen oder Heimarbeiter bezüglich der Kranken⸗ sowie der Inpaliditäts⸗ und Altersversicherung unter Heranziehung der Konfektionäre zu den Beiträgen der Arbeitgeber erscheint nothwendig.“ 1“
Es wurde dann übergegangen zu den sanitären Verhältnissen in der Konfektionsindustrie und der Beseitigung der auf diesem Gebiete hervorgetretenen Mißstände. — Bezüglich der Spezialfrage, ob sich vor Ansteckung durch Gegenstände der Kleider⸗ und Wäsche⸗ konfektion empfehle, wurde festgestellt: 8” “
„daß nach Ansicht der Kommission besondere, die Konfektions⸗ industrie treffende Maßregeln behufs des Schutzes des Publikums gegen ansteckende Krankheiten nicht erforderlich und räthlich seien.“
Im allgemeinen wurde bezüglich der Beschaffenbeit der Arbeitsräume von verschiedenen Seiten betont, daß zur wirksamen Beaufsichtigung der Betriebe der Konsektionsindustrie die Bestim⸗ mungen der §§ 120 a. ff. der Gewerbeordnung die zur Zeit noth⸗ wendigen Vollmachten gebe und im übrigen die Lokalbehörden und Gewerbeaufsichtsbeamten auf dem Wege der Polizeiverordnung gegen etwaige Mißstände vorgehen könnten. Die Kommission sprach sich dahin aus: 8 8 “
„daß es sich gegenwärtig nicht empfehle, besondere Vorschriften hinsichtlich der Beschaffenheit der Werkstätten in sanitärer Beziehung für die Konfektionsindustrie zu erlassen.“
Was die Gesundheitsschädlichkeit gewisfer Arbeiten anbelangt, so wurde zunächst bezüglich des „Stempelns“ in der Wäschefabrikation ausgesprochen, b
„daß hier irgend welche Vorschriften erforderlich noch
wünschenswerth seien“, und auch bezüglich der sogenannten Kohlenbügeleisen äußerte die Kommission ihre Ansicht dabin:
weder
„daß es sich empfehle, von befonderen Vorschristen über die Ver⸗
einer Ueberlastung
Bezüglich der Pausen ergab sich ein Einverständniß der Kom⸗
der Erlaß besonderer Maßregeln zum Schutze des Publikums
wendung der Kohlenbügeleisen Abstand zu nehmen, daß jedoch die
zuständigen Behörden auf die hierdurch berbeigeführten Schädigungen
aufmerksam zu machen und zu veranlassen seien, auf Grund der be⸗
stehenden Vorschriften diesen Schädigungen entgegen zu arbeitev.“ Endlich sprach sich die Kommission noch dahin aus,
„daß auch bezüglich der Nähmaschinenarbeit in der Kon⸗
fektionsindustrie besondere Vorschriften nicht nothwendig erschienen.“ Die Kommission wird zum Zweck der Feststellung des von ihr
über das Ergebniß der Erhebungen und Verhandlungen zu erstattenden Berichts zu einer ferneren Sitzung zusammentreten.
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Inpaliditäts⸗ und Altersversicherung.
Bei der Hanseatischen Versicherungsanstalt find I. an Anträgen auf Gewährung von Renten eingegangen: a. an Altersrenten: im Laufe des Jahres 1891 1105, 1892 404, 1893 381, 1894 353, 1895 354, 1896 351 und im Jannar 1897 26, zu⸗ sammen 2974; b. an Invalidenrenten: im Laufe des Jahres 1892 181, 1893 301, 1894 550, 1895 895, 1896 948 und im Januar 1897 69, zusammen 2944; mithin sind h Beginn des Jahres 1891 bei der Hanseatischen Versicherungsanstalt an Renten⸗ anträgen im Ganzen eingegangen 5918. Von den Anträgen auf Alters⸗ rente entfallen auf das Gebiet der freien und Hansestadt Lübeck 496, Bremen 636, Hamburg 1842 und von den auf Invalidenrente auf das Gebiet von Lübeck 311, Bremen 928, Hamburg 1705. Von den Anträgen auf Altersrente sind bis Ende Januar 1897 erledigt worden 2944, und zwar 2558 durch Rentengewährung, 344 durch Ablehnung und 42 auf sonstige Weise. Von den Altersrenten⸗ Empfängern sind inzwischen ausgeschieden 617, von diesen sind ver⸗ storben 581. Von den Anträgen auf Invalidenrente sind bis Ende Januar 1897 erledigt worden 2864, und zwar 2088 durch Renten⸗ gewährung, 677 durch Ablehnung und 99 auf sonstige Weise. Von den Invalidenrenten⸗Empfängern sind inzwischen ausgeschieden 592, von diesen sind verstorben 548. Auf die Gebiete der drei Hansestädte vertheilen sich die noch im Bezuge der Rente befindlichen Personen folgendermaßen: Lübeck 320 Altersrenten⸗, 173 Invalidenrenten⸗ Empfänger, Bremen 412 Altersrenten⸗, 533 Invalidenrenten⸗ Empfänger, Hamburg 1209 Altersrenten⸗, 770 Invpalidenrenten⸗ Empfänger. Die Jahressumme der bis jetzt gewährten Renten macht insgesammt 676 334,90 ℳ aus, von welchem Betrage 167 951,80 ℳ für die inzwischen ausgeschiedenen Rentenempfänger abzusetzen sind. Nach den Berufszweigen vertheilen sich diese 4646 Renten⸗ empfänger auf folgende Gruppen: Landwirthschaft und Gärtnerei 291 Rentenempfänger, Industrie und Bauwesen 1953, Handel und Verkehr 930, sonstige Berufsarten 389, Dienstboten ꝛc. 1083 Renten⸗ empfänger. — II. Anträge auf Rückerstattung der Beiträge sind ein⸗ gegangen: a. Anträge gemäß § 30 des Gesetzes: im Laufe des Jahres 1895 425, 1896 2302 und im Januar 1897 219, zusammen 2946 Anträge; b. Anträge gemäß § 31 des Gesetzes: im Laufe des Jahres 1895 83, 1896 377 und im Januar 1897 53, zusammen 513 Anträge; im Ganzen lagen also 3459 Anträge auf Rückerstattung der Beiträge vor. Von diesen 3459 Anträgen entfallen auf das Gebiet von Lübeck 265, Bremen 856, Hamburg 2338, zusammen 3459. Davon sind erledigt worden durch Rückzahlung 2920, durch Ablehnung 352, auf sonstige Weise 44, zusammen 3316, mithin un⸗ erledigt geblieben 143. .““ 1
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Im Brandenburgischen Provinzial⸗Ständehause hierselbst begannen gestern Vormittag unter dem Vorsitz des Direktors im Ministerium für Landwirthschaft, Domänen und Forsten, Wirklichen Geheimen Ober-⸗Regierungs⸗Raths Sterneberg die Verhandlungen des König⸗ lich preußischen Landes⸗Oekonomie⸗Kollegiums. Die Ver⸗ sammlung erledigte an erster Stelle die Vorlage des Ministers für Landwirthschaft ꝛc., betreffend die Beschleunigung der geologisch⸗ agronomischen Landesaufnahme und die Abänderung des be⸗ treffenden Arbeits⸗ und Publikationsplanes. Das Referat erstattete Land⸗Forstmeister Dr. Danckelmann⸗Eberswalde. Nach längerer Debatte wurde folgende Resolution des Referenten einstimmig an⸗ genommen: „1) Im Interesse der Land⸗ und Forstwirthschaft ist es bei der bisherigen Tiefe der Bohrlöcher von 2 m zu belassen. 2) Das Gleiche gilt von der bisherigen Vervielfältigung der Bohrkarten und Bohrtabellen. 3) Die Vorschläge der Königlichen Geologischen Landesanstalt zur größeren Verbreitung und Nutzbarmachung der geologisch⸗agronomischen Landeskarten nebst Erläuterungen sind mit der Maßgabe zu ampfehlen, daß sie auf die Bohrkarten und auf die Kartenbeschaffung für die landräthlichen Kreise ausgedehnt werden.“ Während der ö ang der Minister für Landwirthschaft ꝛc.
reiherr von Hammerstein erschienen. .
8 Den folgenden Gegenstand der Tagesordnung bildete die Aende⸗ rung des Regulativs für das Kollegium. Der Minister für Landwirthschaft zc. hat die Nothwendigkeit der Aenderung des Re⸗ ulativs etwa folgendermaßen begründet: Nachdem in einer größeren Anzahl von Provinzen Landwirthschaftskammern auf Grund des Gesetzes vo:n 30. Juni 1894 errichtet worden sind und die Geschäfte der inzwischen aufgelösten landwirtbschaftlichen Zentralvereine über⸗ nommen haben, erscheint es nothwendig, das Regulativ für das Königliche Landes⸗Oekonomie⸗Kollegium entsprechend um⸗ zugestalten. Ich beabsichtige, dies vorbehaltlich der Allerhöchsten Ermächti⸗ gung, in der Weise zu thun, daß überall da, wo die landwirthschaft⸗ ichen Zentralvereine sich aufgelöst haben, das Wahlrecht für das Kollegium auf die Landwirthschaftskammern übergeht. Auch da, wo landwirthschaftliche Zentralvereine noch neben den Kammern oder als Unterverbände derselben bestehen, halte ich es der Stellung der Landwirthschaftskammern als der einheitlichen Vertretung der gesammten Landwirthschaft für angemessen, die Wahlen durch die betreffenden Kammern und nicht „mehr durch die landwirthschaft⸗ lichen Vereine erfolgen zu lassen. Nur in den Provinzen, wo einst⸗ weilen Landwirthschaftskammern noch nicht bestehen, kann es so lange bei den Wahlen zum Landes⸗Oekonomie⸗Kollegium durch die land⸗ wirthschaftlichen Zentralvereine sein Bewenden haben, bis auch dort Landwirthschaftskammern errichtet sind oder die Vertretung der ge⸗ sammten Landwirthschaft dieser Provinzen im Landes⸗Oekonomie⸗ Kollegium unter Mitberücksichtigung aller in den betreffenden Pro⸗ vinzen vorhandenen größeren landwirthschaftlichen Verbände ander⸗ weitig geordnet ist. Da ecs zu manchen Unzuträglichkeiten führen könnte, wenn die Mitglieder einer so bedeutungsvollen Körper⸗ schaft, wie des Landes⸗Oekonomie⸗Kollegiums, noch auf längere Zeit Mandatare von Organisationen blieben, welche in⸗ zwischen anderen Organisationen Platz gemacht haben, so erscheint es ferner zweckmäßig, mit der vorstehbend geschilderten Um⸗ gestaltung des Regulatios auch die Mandate der bisberigen Vertrerer der landwirthschaftlichen Zentralvereine aufhören zu lassen und Neu⸗ wahlen anzuordnen, denen sich dann der Gleichmäßigkeit wegen auch die Vertreter der landwirtbschaftlichen Zentralvereine der Provinzen ohne Landwirthschaftskammern zu unterztehen haben würden. — Die Referenten, Landes⸗Hauptmann von Röder (Ober⸗Ellguth) und Oekonomie⸗Rath Winkelmann (Köbbing, Westf.), befürworteten die Annahme folgenden Antrags: „Das Landes⸗Oekonomie⸗Kollegium wolle dem Herrn Minister vorschlagen, das neue Re⸗ gulativ, wie folgt, zu gestalten: 1) Das Landes⸗Oekon Kollegium hat die Bestimmung, die Interessen der
und Forstwirthschaft in Preußen wahrzunehmen. Es dient Zentralstelle für die Landwirthschaftskammern und für die landwirth⸗ schaftlichen Vertretungen in den Provinzen und in den Landestheilen. in denen Landwirthschaftskammern nicht bestehen; es ist defugt, seldst⸗ ständige Anträge an die Staatsregierung zu richten, ist der regel⸗ mäßige Beirath des Ministers für Landwirthschaft. Domänen und Forsten und ist als solcher verpflichtet, über die ihm üderwiesenen Gegenstände zu berathen und zu deschließen und die etwa erforderten Gutachten abzugeden. 2) Das Landes.Oekonomie⸗ Kollegium hat seinen Sitz in Berlin; c* desteht: Aà. aus in den Provinzen, wo Laͤndwirthschaftskkammern destehen, von
diesen, in den anderen Prodinzen den den Zentraldereinen.