glauben, daß ich mich etwa mit all den wenig freundlichen Kommentatoren auseinandersetzen will, die ich draußen im Lande gefunden habe. Was mich veranlaßt, das Wort zu ergreifen, ist die Thatsache, daß die An⸗ gelegenheit jüngst im Abgeordnetenhause zur Diskussion kam, der ich leider nicht beiwohnen konnte. Der Herr Abg. Graf zu Limburg⸗ Stirum und seine Freunde haben mein Vorgehen in dieser Sache einer sehr scharfen Kritik unterzogen. Es würde gegen alle parlamen⸗ tarische Höflichkeit verstoßen, wenn ich nicht die erste Gelegenheit benutzte (sehr gut! links und Heiterkeit), in Anwesenheit des Herrn Grafen zu Limburg⸗Stirum ihm darauf zu antworten. Was er gesagt, besitzt eine um so größere Bedeutung, weil nach der Mitthei⸗ lung eines seiner Fraktionskollegen die ganze konservative Partei des Abgeordnetenhauses hinter seinen Ausführungen steht. (Hört! hört!) Preßthätigkeit des Auswärtigen Amtes im allgemeinen bemängelt. Ich gefunden hat, die näher zu sonst würde er vermuthlich eine Reihe irrthümlicher
Der Herr Abgeordnete hat zunächst die kann nur bedauern, daß er nicht Zeit stenographischen Berichte über den Prozeß betrachten;
Behauptungen vermieden haben.
etwas
Der Herr Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum hat gesehen, daß im empfangen Da hat der geehrte Herr falsch gesehen. (Sehr gut!
Auswärtigen Amte worden seien. links.) Richtig ist — man ruft mir „Gingold⸗Staerk“ zu —, daß
„ganz untergeordnete Subjekte“
ein Kriminalkommissär den Versuch gemacht hat, das Auswärtige Amt
mit diesem untergeordneten Subjekte in Verbindung zu bringen und zu kompromittieren. Der schöne Plan ist aber an unserer Wachsam⸗ keit und unserer Vorsicht gescheitert. (Sehr gut! links.) Die Herren Leckert, Lützow sind niemals bei uns empfangen worden; das haben sie auch gar nicht behauptet.
Der Herr Abgeordnete Graf zu Limburg⸗Stirum hält es für absolut unzulässig, daß ein Beamter des Ministeriums „ohne bestimmte Weisung des Chefs Mittheilungen an die Vertreter der Presse macht“; das sei auch geschehen. Nein, das ist nicht geschehen. Wenn der geehrte Herr Abgeordnete Seite 103 der stenographischen Berichte nachlesen wollte, dann würde er finden, daß politische Informationen an die Blätter nur auf meine ausdrückliche Bestimmung gegeben werden.
Sodann hat der Herr Abgeordnete mit Erstaunen gesehen, daß „einfach die Karte eines Chefredakteurs eines hiesigen Blattes genügt hat, einem Manne Zutritt im Auswärtigen Amt zu verschaffen“. Ob
ddieser Vorgang, wenn er richtig wäre, so bedeutsam und gewichtig ist, daß er es verdient, mit dem Ausdruck des Erstaunens in die parla⸗ mmaentarische Arena eingeführt zu werden (Sehr gut! links), ist mir zweifelhaft; die Behauptung ist aber nur mit einer sehr wesentlichen Modifikation zutreffend. Der Mann ist im Auswärtigen Amt erschienen; er hat nicht nur eine Karte, sondern sogar einen Brief eines Chef⸗ redakteurs gehabt; er hat auch Zutritt verlangt — der Zutritt ist ihm aber nicht gewährt, sondern verweigert worden — siehe Seite 235 des stenographischen Protokolls. (Große Heiterkeit und Sehr gut! links.) Dieser Fall ist also auch nicht wesentlich anders gelagert. Nun hat der Herr Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum schwereres Ge⸗ schütz aufgeführt. Er sagte, ein Ministerium müsse sich doch sehr in Acht nehmen, „mit Zeitungen in Verbindung zu treten, die durch ihre Haltung den Verdacht erregten, daß sie intrigante Mittheilungen von einem Ministerium an das andere enthielten.“ Das ist sehr vorsichtig ausgedrückt, aber die Spitze ist doch klar erkennbar. (Sehr richtig! links.) In diesem Fall ist das Erstaunen ganz auf meiner Seite (sehr gut! links), darüber, daß man diese Behauptung aufge⸗ stellt hat, nachdem durch die jüngsten Verhandlungen nachgewiesen ist, wer es war, der bei dem einen Ministerium intriguiert hat, daß ich es gewesen bin, der diese Intriguen durchkreuzte, und nach dem Urtheil des Gerichts auch nicht ein Schimmer des Beweises für Intriguen des Auswärtigen Amts vorhanden war.
Der Herr Abgeordnete hat damit wohl andeuten wollen, daß es Unrecht sei, wenn das Auswärtige Amt solchen Blättern Infor⸗ mationen ertheile, die mitunter Artikel gegen Minister schrieben. In der Beziehung habe ich keinen Anlaß, irgend etwas zu bemänteln: ich habe Blättern Informationen gegeben, die in inneren Fragen Opposition gemacht haben. Ich habe noch viel Schlimmeres gethan, und das weiß der Herr Abgeordnete Graf Limburg⸗Stirum offenbar noch nicht: ich habe sogar solchen Blättern Informationen gegeben, die zur Zeit der Erörterung der Handelsverträge mich selbst auf das schärfste angegriffen haben. (Lebhafter Beifall und Hört! hört! links.) Das Allerschlimmste ist, daß ich in der Beziehung eine Aenderung nicht eintreten lassen kann.
Der Herr Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum hat uns gewisse Nor⸗ mativbestimmungen aufgestellt (Heiterkeit links), wie ein Blatt beschaffen sein muß, damit es, wie er sich ausdrückte, „der Auszeichnung“ des Empfanges in einem Ministerium würdig sei. Es müsse „wissen⸗ schaftlich, sachlich, gediegen sein“ und dürfe nicht auf Sensation schreiben, auch nicht auf den Abonnentenfang ausgehen. Das ist theoretisch ganz vorzüglich, praktisch kann ich damit gar nichts anfangen (SHeiterkeit links), und die Hauptsache hat der geehrte Herr vollkommen vergessen. Für Informationen bezüglich der aus⸗ wärtigen Politik kommt es in erster Reihe darauf an, daß das Blatt im Inlande und namentlich auch im Auslande gelesen und beachtet wird und dort wirkt, wie es wirken soll. (Sehr richtig.) Die Informationen, die ich über die auswärtige Politik pflichtmäßig geben muß so lange alle auswärtigen Kabinette dasselbe thun, haben mit unserem Parteileben gar nichts zu thun. Ich werde mich niemals dazu hergeben, aus diesen Informationen ein Handelsobjekt zu machen (Sehr gut!) — um einen Einfluß auf die Haltung der Blätter in inneren Fragen auszuüben. (Lebhaftes Bravo!) Ich werde diese Informationen nicht mißbrauchen zu Be⸗ Lohnungen für gute Artikel, und werde ihnen solche nicht entziehen als Strafe für schlechte Artikel. (Bravo!) Wenn ich auf diesen Weg ginge, dann würde ich die Verantwortlichkeit für die Haltung dieser Blätter übernehmen, von der ich heute vollkommen frei bin (Sehr gut!), — und dann würde sehr bald überhaupt kein Blatt mehr mit mir in Verbindung treten; denn ein Blatt, welches halb⸗ wegs auf seine Ehre etwas giebt, würde sich diese Behandlung nicht gefallen lassen. (Sehr gut!) Und was wäre dann die Folge? Daß nicht nur das Ausland, sondern auch das Inland seine Infor⸗ mationen über die deutsche auswärtige Politik aus denjenigen Quellen bezieht, die die ausländischen Offiziösen schreiben. Das wäre ein Zustand, den der Herr Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum kaum als einen dem deutschen Interesse dienlichen bezeichnen kann. (Sehr gut!)
Prozeß einer scharfen Kritik unterzogen. Soweit diese Kritik nega⸗ tiver Natur war, ist sie klar und durchsichtig; der Herr Graf weiß genau, was ich nicht hätte thun sollen. Soweit sie dagegen die positive Frage behandelte, was ich eigentlich hätte machen sollen, da beschränkt er sich auf allgemeine Andeutungen; da sagt er, man hätte mit den Ressorts verhandeln sollen. Darunter kann man alles Mögliche verstehen. (Sehr gut!)
Ich rekapituliere die Sachlage. Seit Jahren hat man öffentlich behauptet, daß das Auswärtige Amt Intriguen spinne in der Presse gegen Minister, gegen hochgestellte Personen. Das ist von Mund zu Mund gegangen. Man hat mir vorgeworfen, ich hätte eine Indiskretion aus dem Staats⸗Ministerium in ein Münchener Blatt lanciert, ich hätte dem einen Minister gesagt, das rühre von dem anderen her, ich hätte den Versuch gemacht, zwei meiner Kollegen gegen einander zu hetzen, ich hätte im vorigen Jahre Artikel inspiriert gegen die Umgebung Seiner Majestät, ich hätte endlich in einem hiesigen Montagsblatt einen Artikel inspiriert, der einen hochgestellten Hofbeamten einer landesverrätherischen Handlung bezichtigte: das ist im wesentlichen die Sachlage. Wer im öffentlichen Leben steht, der muß gefeit sein heut zu Tage gegen Wurfgeschosse aller Art. (Sehr richtig!) Ich habe in den letzten sieben Jahren gezeigt, daß ich nicht leichthin nach dem Strafrichter rufe. Persönliche Angriffe lassen in mir kein anderes Gefühl aufkommen als schmerzliches Bedauern darüber, daß ich so vielen meiner Mitmenschen Aerger und Verdruß bereite. (Heiterkeit.) Wenn aber dieser persönliche Kampf dahin ausartet, daß einer Behörde und deren Beamten systematisch konkrete Handlungen angedichtet werden, die man Infamien oder zu deutsch Schurkenstreiche nennt (sehr wahr), wird die Beschreitung des gerichtlichen Weges eine Pflicht der Selbstachtung (sehr wahr!) und eine Forderung der öffentlichen Moral, nicht um die inferioren Herren, die dann regelmäßig auf der Anklagebank sich befinden, in Strafe zu bringen. Ich wüßte nicht, was in der Welt mir gleichgültiger wäre, als ob die Leckert, Lützow und alles, was drum und dran hängt, im Gefängniß sitzen oder nicht, sondern um von dem Organ, das Gesetz und Verfassung dazu berufen, jene Be⸗ hauptungen als Erfindungen zu brandmarken und die Integrität einer deutschen und preußischen Behörde klarzustellen. (Bravo!) Man hat mein Wort von der Flucht in die Oeffentlichkeit getadelt, man hat da höhnisch gefragt, vor wem ich denn eigentlich geflüchtet sei? Die Antwort lautet: vor der Lüge und der Verleumdung (sehr gut!); mit diesen Feinden im Dunklen zu kämpfen, habe ich in meiner Jugend nicht gelernt. (Sehr gut!) Ich kann mich ihrer nur erwehren im hellen Tageslicht des Gerichtssaales, darum bin ich vor Gericht gegangen und viele meiner Kollegen haben vor mir dasselbe gethan. (Bravo!) Ob ich vor Gericht den Eindruck gemacht habe eines Mannes, der ängstlich um Hilfe sucht, das überlasse ich dem Ermessen des hohen Hauses. (Sehr gut! Heiterkeit.) Man greift mich ja draußen aufs heftigste an, daß ich zu scharf zugegriffen habe und daß da Leute zu Schaden gekommen seien, um die es schade sei. (Heiterkeit.) Das Klagelied, das heute der Chor der Beschädigten anstimmt, daß ich zu grob gewesen, daß ich diplomatischer hätte vorgehen sollen, das bleibt auf mich ohne jeden Eindruck.
Der Herr Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum sagt, man hätte die Sache unter den Ressorts erledigen sollen. Der Herr Abg. Munckel hat heute einen analogen Gedanken ausgesprochen, auch er hat mich dem Schutze der Ressorts empfohlen. So dankenswerth diese Für⸗ forge ist, die von den entgegengesetzten Polen dieses hohen Hauses mir angeboten wird (Heiterkeit), ich kann damit nichts anfangen. In derartigen Dingen muß Jeder auf seinen eigenen Füßen stehen. Wenn ich meine Ehre nicht schützen kann, so kann es niemand (sehr wahr!), und die mir obliegende Pflicht, für die Ehre meiner Beamten einzutreten, kann kein Ressort mir abnehmen, die muß ich selbst erfüllen. (Sehr richtig!) Indem ich diesem Grundsatz getreu gehandelt habe, habe ich jedenfalls keine preußische Tradition verletzt. (Lebhafter Beifall.) Aber, sagt man, es sei ein unerquickliches Bild in der Verhandlung entrollt, es sei viel Schmutz aufgerührt worden, es sei ein Polizei⸗Kriminalkommissar zu Schaden gekommen, und das sei im öffentlichen Interesse sehr bedauerlich. Niemand wird bestreiten, daß das Bild der Verhandlung ein sehr be⸗ dauerliches gewesen ist (sehr richtig! rechts, Heiterkeit links), aber damit ist die Frage doch nicht entschieden, ob das vermieden werden konnte, und wenn man es vermied, ob dann nicht üblere Folgen eintraten? Der Herr Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum sprach von der mangelnden Einheitlichkeit in ministeriellen Kreisen, und der Herr Abg. Munckel hat demselben Gedanken heute Ausdruck gegeben. Er meint, es hätte doch möglich sein müssen, schon vor dem Prozeß diese Leute zu entlarven; das war aber nicht möglich. (Hört, hört!) Niemals werde ich einen Beamten, der sich bis dahin tadellos geführt, bei seinem Vorgesetzten und Behörde ver⸗ dächtigen, wenn ich nicht bestimmte thatsächliche Beweismomente in Händen habe. Das war früher nicht der Fall. Deshalb habe ich niemals bei dem Ministerium des Innern, bevor der Prozeß begann, die Entfernung des Herrn von Tausch angeregt. Sobald das erste Verdachtsmoment in meine Hände kam nach Stellung des Strafantrags, habe ich davon dem Herrn Minister des Innern Kenntniß gegeben. Alles Material, was mir zufloß im Laufe der Vorerhebungen: die Angelegenheit mit dem Kriegs⸗Ministerium, die Angelegenheit von Kukutsch, die Sache mit Levysohn, alles das habe ich dem Herrn Minister des Innern und dem Herrn Polizei⸗ Präsidenten mitgetheilt. Wir haben die Sache besprochen; der Kriminalkommissar ist vernommen worden, seine Aussage war negativ. Die Sache ist im Staats⸗Ministerium zur Sprache ge⸗ kommen. So lag die Sache vor der Hauptverhandlung. Mit Recht hat also der Herr Reichskanzler im Abgeordnetenhause die Behauptung zurückgewiesen, daß hier eine mangelnde Einheitlichkeit in ministeriellen Kreisen zu Tage getreten wäre. Davon ist nicht die Rede.
Die Sache mit dem Kriminalkommissar lag vor der Haupt⸗ verhandlung so, daß die Möglichkeit seiner Belastung vorhanden war. Ob die Verdachtsmomente sich verdichten würden zu Beweisen, das hing in erster Reihe von dem Auftreten des Beamten selbst ab, von der Aussage der Zeugen, von denen die Mehrzahl noch garnicht ver⸗ nommen war, vor allem aber davon, ob der Agent von Lützow geneigt war, sich bis zum Schluß des Prozesses mit dem Kriminal⸗ kommissar zu identifizieren. Um dem Tadel des Herrn Abg. von Limburg⸗Stirnum gerecht zu werden, hätte angesichts dieser Mög⸗ lichkeit der Prozeß oder doch die Oeffentlichkeit sistiert werden
Der Herr Abgeordnete hat dann mein Vorgehen im jüngsten
Oeffentlichkeit”. Auswärtige Amt und für mich unumgänglich. (Sehr richtig)) Die Thatsache, daß trotz dieser unbedingten Oessent⸗ lichkeit der Herr Abgeordnete Graf von Limburg⸗Stirum verschiedene irrthümliche Behauptungen aufstellte, giebt einen Vorgeschmack, welche Verwirrung der Geister hätte eintreten müffen (Sehr gut!), wenn in dieser Sache die Oeffentlichkeit ganz oder theilweise ausgeschlossen worden wäre. (Sehr wahr!) Hätte die Oeffentlichkeit in dem Augen⸗
um den Kommissar zu schonen? Wäre nicht weithin der Eindruck er weckt worden, daß umgekehrt das Auswärtige Amt ein Interesse habe an der Geheimhaltung dieser Sache? (Sehr wahr 1)
einen Mann in der Welt giebt, mit dem ich diese Dinge verhandeln mußte, so war es der Beamte, der als Chef der geheimen Polizei in Preßsachen alle die Fäden der Preßintriguen in seinen Händen hatte; vor diesem Mann konnte ich die Oeffentlichkeit nicht ausschließen.
Nun sagt man, dieser Kriminalkommissar hätte im Wege einer Disziplinaruntersuchung beseitigt werden können, so unter der Hand. Eine solche Untersuchung kann man nur durchführen, wenn man Beweise hat, und die hat erst die Hauptverhandlung erbracht, und jeder, der diesen Prozeß verfolgt hat, wird mir zugeben, daß nur in der öffentlichen Hauptverhandlung, nur unter dem Kreuzverhör der Angeklagten und Zeugen, und bei einer Prozeßlage, wo diver⸗ gierende Interessen zwischen dem Kommissar und seinem Agenten entstanden, diese Beweise geschaffen werden konnten. Jede Disziplinar⸗ untersuchung würde an einer undurchdringlichen Phalanx abgeprallt sein. (Sehr richtig') Man sagt, man hätte ja den Kriminal⸗ kommissar so unter der Hand beseitigen können; ein Mann in meiner Stellung müßte stark genug sein, um das zu machen. Ich nehme einmal an, das wäre geschehen. Herr Abg. Graf von Limburg⸗Stirum scheint
gewaltig die Gutmüthigkeit meiner Gegner (Sehr gut! Heiterkeit!), das direkte Gegentheil wäre eingetreten. (Sehr richtig!) In einer Sache, wo ich mich gegen die Beschuldigung von Intriguen zu vertheidigen habe, soll ich den geraden Weg verlassen, der zum Gerichtssaal führt, und den krummen Wezg einschlagen, daß ein bis dahin tadelloser Beamter unter der Hand beseitigt wird? (Sehr gut!) Das wäre so ziemlich das Verkehrteste gewesen, was ich hätte thun können. (Sehr gut!) Das enthält eine Zumuthung, die man einem ernsten Manne nicht stellen sollte. (Sehr gut!) Ich behaupte, es wäre ein wahres Kessel⸗ treiben gegen das Auswärtige Amt entstanden, und zu den Intriguen der Wilhelmstraße hätte man eine weitere gefügt, daß durch mich dieser pflichttreuae Beamte, dieser Hüter des Gesetzes (Lachen) und Feind aller ministeriellen Intriguen beseitigt worden sei. (Sehr gut!) Ich zweifle nicht, daß die Rath
schläge des Herrn Grafen Limburg⸗Stirum durchaus wohlgemeint sind (Heiterkeit), ich glaube aber, sie leiden an einer seltsamen optischen Täuschung. Er wünscht, daß man den Mantel des Dienstgeheimnisses über diese Angelegenheit geworfen hätte. Er übersieht dabei, daß dieser Mantel die Fehltritte eines Polizeibeamten zudeckt, zugleich aber auch das gute Recht, die Ehre und die Integrität des Aus⸗ wärtigen Amts verhüllt hätte. (Sehr gut!) Mit anderen Worten, der Beamte, der gefehlt hat, wäre geschützt; die Be⸗ hörde aber, die sich nichts zu Schulden kommen ließ, wäre erst recht bloßgestellt worden. (Sehr gut!) Das ist ein Verfahren, das mit den besten preußischen Traditionen in Wider⸗ spruch gestanden wäre. So viel verstehe ich auch davon. (Sehr gut!) Nun wendet man wohl ein: Das ist alles richtig vom Stand⸗ punkt des Auswärtigen Amts, aber die Autorität, die Staatsgewalt ist durch diese Oeffentlichkeit verletzt, das allgemeine Interesse ist geschädigt worden, oder, um eine beliebtere Form anzu⸗ wenden, ich hätte in der ganzen Sache als Staatsanwalt, nicht aber als Staatsmann gehandelt. (Zuruf rechts.) Der Herr Abg. Graf von Mirbach fragt mich, wer das gesagt habe. Ich bitte ihn, sich etwas in der Presse umzusehen (Heiterkeit, sehr gut!), es ist das außerordentlich häufig gefagt worden, und ich acceptiere das auch mit Vergnügen; denn ich habe mich niemals dankbarer meiner früheren Thätigkeit erinnert (Große Heiterkeit) als in dem Augenblick, wo dank alter Uebung es mir gelang, die ziemlich ver⸗
„worrenen Fäden dieser Intrigue zu entwirren. (Bravo! Sehr gut!)
Der Vorwurf, den man mir macht, ist aber vollkommen ungerecht, er geht von dem einseitigen Standpunkt aus, daß in der ganzen An⸗ gelegenheit die Autorität der Staatsgewalt in dem Kriminal⸗ kommissar verkörpert sei. Ich neige nicht zur Selbst⸗ überhebung, aber darauf darf ich doch hinweisen, daß auch ein preußischer Staats⸗Minister, der gleichzeitig Chef eines obersten
Reichsamts ist, mit den ihm untergebenen Beamten einen Theil der Staatsautorität bildet (Sehr wahr! links), und wenn diese Behörde ist das doch wohl auch eine Verletzung der Autorität. Warum hat man denn darüber keine Klage erhoben? von der Verletzung der Staatsautorität durch jenen Prozeß gesagt wird, beruht doch auf einer gewaltigen Uebertreibung, und von dieser Uebertreibung hat sich auch der Herr Abg. Munckel nicht freigehalten. Daß, wo Menschen in Thätigkeit sind, auch menschliche Fehler vor⸗ kommen, das haben wir früher gewußt, und wenn ein Kriminal⸗ kommissar das Vertrauen, welches in ihn gesetzt wird, täuscht und schwere Fehltritte begeht, so ist das noch kein staatserschütterndes Er⸗ eigniß. Angehörigen auf den Weg des Unrechts geht, mit Recht das Verlangen, daß man von schließe. Staats⸗Minister des selbe Forderung wäre ungerechter, als aus den Fehltritten dieses einzelnen Beamten auf die gesammte politische Polizei zu schließen und eine Reihe von pflichttreuen und tüchtigen Beamten ungerecht zu kränken. (Sehr richtig!) Die Thatsache, daß der Kriminalkommissar sich schwer verfehlt hat, ist bedauerlich, nicht aber hüllung der Thatsache (sehr wahr!), und damit komme ich auf einen Punkt, wo ich zu meinem Bedauern anscheinend diametral ver⸗ schiedener Ansicht bin mit dem Herrn Abg. Grafen Limburg⸗Stirum.
systematisch mit Schmutz beworfen ist, so
(Sehr gut! links.) Was da
Jede Privatkorporation, jede Partei stellt, wenn einer ihrer
dem Einzelnen nicht auf das Ganse wahr!) Mit vollem Recht hat der Herr Innern im Abgeordnetenhause diese Ich wiederhole sie; denn nichts
(Sehr
erhoben.
die Ent⸗
Ich will in keine theoretische Erörterung darüber mit ihm eintreten
ob das öffentliche oder das geheime Gerichtsverfahren das bessere sei.
müssen; denn er tadelt die „bis zum Aeußersten getriebene
Ich erkenne unbedingt an, es giebt Fälle, wo das Wohl des Staats
Gerade diese Oeffentlichkeit war fuͤr das
blick Halt gemacht, wo der Kriminalkommissar zur Erscheinung kam, ja, wie viele Leute hätten dann wohl geglaubt, daß das geschehen b“
anzunehmen, daß dann Ruhe eingetreten wäre. Da übersch ätzt er ganz
„ Norhandlung lhinter verschlossenen Thüren verlangt, die Gesetz⸗ eg 8 Fälle vor; was aber diesen Spezialfall betrift, so sage ich ganz freimüthig, es ist dem öffentlichen Interesse dienlicher, wenn das Land derartige Dinge durch das natürliche Auge einer öffentlichen Verhandlung sieht, als durch die trübe Brilhe einer geheimen Prozedur. (Sehr gut!) In dem ersten Falle ist Umfang und Grenze des Uebels erkennbar, zu⸗ gleich ist der feste Wille erkennbar, das Uebel abzustellen. Im anderen Falle wird der öffentlichen Meinung ein verschwommenes Bild gezeigt, welches aus Wahrheit und Dichtung, aus Kombination, aus Ueber⸗ treibung, aus Klatsch und noch schlimmeren Dingen hervorgeht, und dann entsteht die Gefahr, daß man draußen im Lande die Sache ver⸗ allgemeinert, daß man sie politisch ausbeutet und daß man da auf den Verdacht kommt, die Regierung habe etwas vertuschen wollen, und dagegen ist die öffentliche Meinung in Deutschland recht empfindlich.
Der Herr Abg. Graf Limburg sagte, die Presse sei natürlich für die Oeffentlichkeit, die mache ihre Arbeiten viel interessanter. Man könnte das direkte Gegentheil behaupten; wenn die Presse die Frage nur von ihrem Interessenstandpunkte betrachten wollte, dann könnte man sagen, daß geheime Prozeduren für das Interesse der Leser recht häufig einen unendlichen Faden bieten, den man spinnen kann, so lang maa will, und den auch kein offiziöses Dementi abzuschneiden im stande ist. (Sehr richtig! links und in der Mitte.)
Nun kommt aber ein letzter Punkt noch in Betracht, den ich zur zeneigten Aufmerksamkeit dem Herrn Grafen Limburg Stirum empfehle. (Heiterkeit.) Unter dem mannigfachen Material, das mir seiner Zeit in die Hände fiel, war auch die Thatsache, daß die sozial⸗ demokratischen Führer um einen großen Theil der Dinge, die in der politischen Polizei für Preßangelegenheiten vorgehen, Kenntniß hatten, und daß sie ihrerseits eine große Enthüllung vorbereiteten. Dieser Enthüllung ist der Prozeß zuvorgekommen. Wäre das nicht der Fall gewesen, wäre dem Herrn Abg. Bebel es vergönnt gewesen, diese Dinge zu enthüllen, und hätte die sozialdemokratische Presse die entsprechenden Kommentare dazu geschrieben, dann wäre die öffent⸗ liche Verhandlung vor Gericht auch nicht vermeidlich gewesen, nur wurde dann die Thatsache kund, daß die Regierung von diesen Dingen vorher Kenntniß hatte, die Sache aber unter der Hand erledigt worden sei. Ich glaube, damit wäre dem öffentlichen Interesse gewiß nicht gedient worden. (Sehr wahr! links und in der Mitte.)
Damit bin ich mit meinen Ausführungen zu Ende. Ich bin stets bereit, für mein Thun und Lassen die volle Verantwortu ng zu tragen. Wenn in dieser Sache unerfreuliche Dinge vor die Oeffentlichkeit gebracht sind, so fällt die Schuld ausschließlich jenen zu, welche politische Gegnerschaft und persönliche Verunglimpfungen nicht unterscheiden können, die, um ihre eigenen Intriguen zu ver⸗ bergen — (Zuruf rechtsz) — wer das ist? Ja, meine Herren, ich glaube, ich habe den Kriminalkommissar bereits sehr oft genannt (große Heiterkeit links und in der Mitte), daß ich auf die Frage, wen ich hier im Auge habe, keine Antwort zu geben brauche. (Sehr richtig! links.) Das kann kein Mensch von mir verlangen, daß ich meinen guten Namen, meine persönliche und meine dienstliche Ehre antasten lasse, nur damit unerfreuliche Dinge nicht genannt werden, die andere Menschen verübt haben. Wenn infolge dieses Prozesses in dieser Richtung eine Besserung eintritt, so wird das niemand lieber sein als mir. Täuscht sich diese Er⸗ wartung, so werde ich in Zukunft genau ebenso handeln, wie ich es diesmal gethan habe. (Bravo! links und in der Mitte.) Ich werde den Weg gehen, der für Hoch und Niedrig der gleiche ist, den Weg zu Gericht, und damit, glaube ich, die preußi⸗ schen Traditionen zu wahren und ebenso die monarchischen und öffentlichen Interessen. (Wiederholter lebhafter Beifall links und in der Mitte.)
bg. Graf von Mirbach (dekons.): Die Auseinandersetzung u dem Saenn Limburg⸗Stirum und dem Staatssekretär von Marschall ist eine E Sache. Gegen gewisse Angriffe braucht man nicht zu vertheidigen. - 88 fähig wäre, daß Freiherr von Marschall gegen seine Kollegen intriguiere. Ich habe keine Fühlung mit der Presse im allgemeinen; den Vorwurf, daß wir gegen Herrn von Marschall vor⸗ gehen wollten, muß ich zurückweisen. Er ist aus unserer Partei hervorgegangen, und wir sind stolz darauf. Bei dem Falle Leckert⸗ Lützow muß man sich fragen: cui bono? Er hat bei gewissen Leuten außerordentlichen Jubel hervorgerufen, nur nicht bei den Kon⸗ servatven. Die Folgen des Prozesses sind eine Herabsetzung der politischen Polizei, die wir nicht entbehren können; das Ansehen der preußischen Regierung ist dadurch nicht ge⸗ hoben, sondern geschmälert worden. Das bedauere ich als kon⸗ servativer Mann schmerzlich. Die Antwort, die der Reichskanzler und Minister⸗Präsident im Abgeordnetenhause gegeben hat, kann uns nicht vollständig genügen. Der Hinweis auf das „von“ vor dem Namen Lützow, das durch den gesperrten Druck in dem steno⸗ raphischen Bericht besonders hervortritt, hat Jubel hervorgerufen ei Allen, die den Kampf gegen Junker und Pfaffen proklamieren. Mit den Junkern werden Sie nicht so schnell fertig werden. Ich bin dem Minister⸗Präsidenten dankbar für die Erklärung, daß eine volle Kontinuität bestehen müsse im Staats⸗Ministerium. Aber nach außen hin ist diese Kontinuität nicht hervorgetreten, und ich befinde mich in Uebereinstimmung mit meinen Freunden, wenn ich das bedaure. Es wird weder den Minister⸗Präsidenten noch einen Minister oder Staatssekretär verletzen können, wenn ich erkläre, daß der größte Staatsmann des Jahrhunderts Fürst Bismarck ist, dessen Politik eine zielbewußte, kraftvolle und erfolgreiche war nach 8,8. und nach innen. Würden derartige Vorkommnisse in die Oeffentlichkei gedrungen sein unter seiner Regierung? Ich behaupte: nein! Das ist die Stellung meiner politischen Freunde. Abg. Bebel (Soz.): Daß die Sozialdemokratie von dem Proz nicht I. Ssan “ 4 Staatssekretär bereits angedeutet. Allerdings kannten wir bereits vieles, was in dem Prozeß erörtert worden ist, seit Jahren. Aber manches war uns doch durchaus un⸗ bekannt. Erfreulich war für uns, daß endlich ein Regiment war, welches auf Ehrlichkeit etwas giebt. Die Korruption innerhal der politischen Polizei haben wir bereits zur Zeit des Sozialisten⸗ esetzes kennen gelernt. Ich habe bereits früher vorausgesagt, daß ein sel 8 Svstem sich schließlich gegen die Regierung selbst richten müsse, und zwar in dem Augenblick, wo das System in sich selbst nicht mehr lebensfähig war. Die Aufbebung des Sozialistengesetzes war der politischen Polizei ein Dorn im Auge. Es hat mich mit Genug⸗ thuung erfüllt, daß der Reichskanzler Abstand genommen Verhandlung in dieser Angelegenheit abzulehnen. Das wãre aum u begründen gewesen angesichts der Thatsache, daß diese Intrigue bs gegen die höchsten Beamten richtete. Wenn auch nicht im tat des Reichskanzlers, so stehen doch im Etat des Auswärtigen Amts die Gelder für die Polizei, die Verwendung finden durch den Kanal der preußischen Polizei. So lange die politische Ec bestehen wird, werden solche Dinge, wie sie im Prozesse Le⸗ br
Lützow nachgewiesen sind, immer wieder vorkommen. Der Fa
Normann⸗Schumann hat wohl dem Staatssekretär des Auswärtigen Amts die Veranlassung gegeben, mit der politischen Pehts zu brechen, weil der Minister des Innern Graf Botho Eulenburg nicht im
w d ntriguen des Herrn von Tausfe⸗ . “ die Polizei⸗Agenten, um sein Loblied in der
w einlich auf Grund seines 1 habisch “ ist. Die politische Polizei ist eine bedenkliche E
Es giebt in Deutschland niemanden,
de war, diesen Vertrauensmann der politischen Polizei zu be⸗ fende, er blieb viele Jahre lang in seiner Stellung, trotzdem er,
der vielnamige Mann (Normann, Schumann, Dr. Mundt u. s. w.) der Verfasser Eulenburg will
ben. . 8 Staatssekretärs, fertig gebracht, daß dem Herrn von Tausch eine
gewisser Skandalartikel war. Graf Philipp Herrn von Tausch nur wenige Male gesehen Graf Eulenburg hat es aber mit Umgehung seines Chefs,
besondere Dekoration verliehen wurde. Der Kriegs⸗Minister und
sogar der Liebling der Konservativen, Herr von, Faner 1e.
' aus Anlaß eines Hochverrathsprozesses, der vrssesngen, ꝛu lgffen J.neings ungünstig für die Ang ⸗ n⸗
richtung in unserem Staat; ich bin nicht der Ansicht, daß wir sie nicht entbehren können.
Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister Freiherr Marschall von Bieberstein:
Der Herr Vorredner hat die Person des Botschafters Grafen zu Eulenburg, eines Beamten meines Ressorts, in einer Weise in die Diskussion gezogen, daß ich entschieden Protest erheben muß. Er hat behauptet, in dem Prozeß sei erwiesen, daß der Kriminal⸗ kommissar von Tausch seinen Agenten von Lützow wiederholt beauf⸗ tragt habe, Artikel zu schreiben, damit er sie dem Botschafter Grafen zu Eulenburg schicken könne. Von dem ist in dem Prozeß nichts erwiesen, das sind ausschließlich willkürliche Kombinationen des Herrn Abg. Bebel. (Bewegung.) Es ist nichts hergestellt, als daß der Kriminalkommissar von Tansch einen Artikel der ⸗Welt am Montag“ dem Grafen Eulenburg mit der Bitte sandte, ihm eine Unterredung zu gewähren, damit er ihm Auskunft gebe über die Provenienz dieses Artikels. Auf diese Unterredung ist Graf Eulen⸗ burg nicht eingegangen. b Was den Orden betrifft, den Graf Eulenburg dem Kommissar verschafft hat, so ist das das natürlichste Ding von der Welt. Der Herr Botschafter hat einfach eine ihm obliegende dienstliche Verpflich⸗ tung erfüllt, als er gelegentlich der Anwesenheit des Souveräns, bei dem er accreditiert ist, in Stettin dem Kriminalkommissar, der damals mit der Sicherheit Seiner Majestät des Kaisers betraut war, einen österreichischen Orden verschaffte.
Der Herr Abg. Bebel hat im Laufe seiner Rede auch den Namen eines hochgestellten preußischen Offiziers mit diesem Normann⸗ Schumann in Verbindung gebracht. Ich halte mich verpflichtet, zu erklären, daß, obgleich ich glaube, alle Fäden der Treibereien in Händen zu haben, ich nirgends eine Spur vorgefunden habe, die darauf hinwiese, daß der Kriminalkommissar und seine Agenten bei ihrem Treiben irgend welchen hochgestellten Hintermann hätten. Davon ist nicht die Rede. (Hört, hört! rechts. Ach, ach! bei den Sozialdemokraten.) In den Kreisen Leckert⸗Lützow, Normann⸗ Schumann waren die Namen hochgestellter Personen billig zu haben. Lesen Sie die Artikel des „Mémorial diplomatique“, da kommen so ziemlich die Namen aller hohen Beamten vor. Die Leute haben es lukrativer betrachtet, wenn sie beauftragt waren mit Ermittelungen, hoch⸗ gestellte Personen als Hintermänner anzugeben, als vielleicht irgend einen kleinen Reporter, dem die Zeile mit Pfennigen bezahlt wird. Ist doch in dem Prozeß festgestellt, daß für einen Schandartikel von einigen Zeilen, dessen Inspirator ich gewesen sein soll, die Summe von 80 ℳ bezahlt worden ist. (Bewegung.) Warum follte nicht einer von diesen Leuten auf den Gedanken kommen, auch den Namen eines hochgestellten Offiziers zu gleichem Zwecke zu mißbrauchen? (Sehr gut!) Ich bin lange genug in dem Mund der Leute als Hintermann für alle möglichen Intriguen und Infamien gewesen, als daß ich nicht einen gründlichen Abscheu hätte gegen die Suche nach Hintermännern, wie sie heute betrieben wird. (Bravo!) Und dieser Abscheu ist bei mir genau derselbe, ob es sich um mich handelt oder um Andere. (Bravo!) Ich sage es freimüthig: diese Art, nach hochgestellten Hintermännern zu suchen, wie es jener Kriminalkommissar getrieben und wie leider es manche ihm nachthun, ist nichts Anderes, als ein leichtfertiges Spielen mit der Ehre anderer Menschen; und ich glaube, alle Menschen, die Ehre zu verlieren haben, haben ein Interesse daran, diesem Treiben ein Ende zu machen, das unser inneres Leben vergiftet und uns im Auslande diskreditiert. Warum redet man im Auslande von der Korruption unserer höheren Stände? Nur deshalb, weil man bei uns in der letzten Zeit, dank diesem Treiben, sobald eine Infamie passierte, eine Reihe von hochgestellten Leuten Revue passieren ließ, um zu sehen, ob nicht einer von ihnen über Nacht ein Schurke geworden sei. Wenn dieser Prozeß ein gutes Resultat hat, so wird es das sein, daß, wenn Infamien passieren oder wenn schmutzige Briefe geschrieben werden, man nicht mehr in Kreisen hochgestellter Leute nach dem Thäter sucht, sondern in den Quartieren, wo die Leckert⸗Lützow⸗ Normann⸗Schumann wohnen; dort wird man auch den Thäter finden. (Bravol links.)
bg. Graf zu Limburg⸗Stirum (d. kons.): Daraus, daß ein Bonahaften ücg. untergeordneten Beamten einen Orden verschafft, ist gar nichts zu schließen. Die politische Polizei wird immer noth⸗ wendig sein; sollten Sie (zu den Sozialdemokraten) ans Ruder kommen, so werden Sie noch rücksichtsloser sein. Daß die gegenwärtige Regierung die Polizei nicht entbehren kann, zeigt Ihre Gegenwart. Die Regierung muß wissen, was Sie planen. Wenn ein Veteran Ihrer Partei gesagt hat, daß nach einer Besiegung der deutschen Armee der Moment für die Sozialdemokratie gekommen wäͤre, so ist das bedenklich. Meine Rede im Abgeordnetenhause war der Kern der eingehenden Verhandlungen, der Widerklang der An⸗ schauungen der weitesten Kreise des Landes, Kreise, deren politische Bedeutung Sie nicht verkennen können. Eine ppolitische Animosität gegen den Staatssekretär liegt mir fern. Wir sind aneinander gekommen wegen der Handelsverträge. Aber politische Meinungsverschiedenheiten begründen keine Gegnerschaft. Der Staatssekretär hat sich der auswärtigen Angelegenheiten so an⸗ enommen, daß es wünschenswerth ist, daß er sie auch weiter führt. Ich habe gesagt, daß die Behörde nur mit einer anständigen Presse verkehren soll, die nicht auf Sensation und Abonnentenfan ausgehe. Ich will keine Namen nennen, aber Sie werden glei wissen, welche Presse ich meine! Ich halte es für eine Auszeichnung für die Vertreter der Presse, wenn hohe Beamte ihnen etwas mit⸗ theilen; denn das hebt einen Stand. Darin liegt kein feindlicher Angriff, sondern ein freundlicher Rath. Ich habe ferner selagt daß man nicht mit solchen Blättern verkehrt, die eine tendenziöse Haltung egen andere Ressorts einnehmen. Damit habe ich die „Kölnische Zeitung“ gemeint. Dieses Organ wurde in erster Linie vom Aus⸗ wärtigen Amt informiert, und es erschienen dort Artikel gegen andere Ressorts, die nur auf guten Informationen beruhen konnten. Ih habe davor gewarnt, daß Leute empfangen werden ohne Autorisation des Chefs des Amts. Der Staatssekretär bestreitet, daß Herr Gingold⸗
Staerk empfangen worden sei; aus dem Prozeßbericht geht hervor, daß er von einigen Räthen empfangen ist und daß dabei die Thüren
verschlossen waren. Wenn das geschehen wäre zu der Zeit, wo ich
mußten
vortragender Rath war, ich wäre aus meinem Amt entfernt worden. üeer. dasfäbheeen 3 12 nicht 5 kri „ um ebelstände 1 gktch s gesehen, daß hohe Diplomaten der Preß sehr zugänglich waren be 1 “ 2 52 8b Presse li
einem Angriff war keine Rede. 1— ohne den Proneß seine und seiner Beamten angegriffene Ehre nicht retten können. Der eigentliche Zweck des Prozesses, die Verurtheilung der unter⸗ geordneten Journalisten, hätte durch einfachere Mittel erreicht werden können.
polemisch abzuschaffen. J
sondern meiner
ewesen, be in
freund behandelt. Von Der Staatssekretär sagte, er hätte
Es lag also in der Hand des Staatssekretärs, dem Prozesse eine größere oder geringere Ausdehnung zu geben. Er hat mit einer beispiellosen Geschicklichkeit die Sache in die Hand genommen und die ganzen Verhandlungen geleitet, um der Sache diejenige Wendung zu geben, die sie genommen hat. Konnte das verbrecherische Treiben des Polizeikommissars nur auf diese Weise ermittelt werden? Ich bin der Meinung, daß man im Wege des Disziplinarverfahrens dasselbe hätte erreichen können. Der Erfolg des Prozesses hat eine Diskreditierung der politischen Polizei mit sich gebracht; aus dem Vergehen des einzelnen Mannes leitet man eine Mißachtung des ganzen Instituts her. Es zeigte sich, daß nicht die nöthige Einheit im Ministerium vorhanden war, die nach außen und innen nöthig ist. Die Mehrheit des Hauses wird meiner Meinung nicht sein, aber man wird es im Lande, im Kreise meiner politischen Freunde nicht verkennen: das Verhalten des Staatssekretärs war nicht ein solches, wie man es nach den preußischen Traditionen verantworten kann.
Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister Freiherr Marschall von Bieberstein:
Gestatten Sie mir nur einige wenige Worte! Der geehrte Herr Vorredner hat versichert, daß er keinerlei Animosität gegen mich habe. Ich kann ihm meinerseits erklären, daß in dieser Beziehung eine volle Reziprozität vorhanden ist. (Heiterkeit.) Der Herr Vorredner hat sich nach wie vor als einen entschiedenen Gegner der Handelsverträge bekannt; er wird es verstehen, daß ich hier erkläre, daß ich nach wie vor die Handelsverträge für gut und nützlich erachte (Bravol links), und daß es mir außerordentlich erwünscht wäre, wenn ich demnächst mit dem geehrten Herrn Vorredner in einen öffentlichen Meinungs⸗ austausch über die Wirkung der Handelsverträge wiederum eintreten
könnte. Was den Herrn Gingold⸗Staerk betrifft, dieses untergeordnete
Subjekt, so ist es ganz richtig, daß es dem Manne, nachdem er bei uns abgewiesen war, gelungen ist, einmal bei einem Herrn der zweiten und einmal bei einem Herrn der dritten Abtheilung einzudringen. Ich 8 habe sofort Remedur eintreten lassen und dem Manne überhaupt das Auswärtige Amt verboten, und nun frage ich Sie, ob man unter diesen Verhältnissen öffentlich behaupten kann, man habe gesehen, daß untergeordnete Subjekte den Zugang zum Ministerium gehabt haben. (Sehr richtig! links.) Der Herr Vorredner hat meinen Wunsch erfüllt und hat eingehend dargestellt, wie man es eigentlich in dem Prozesse hätte machen sollen, um seine Zufriedenheit zu erwerben. (Sehr gut! Heiterkeit.) Man hätte diesen Prozeß vornehmlich gegen den Leckert und den Lützow führen müssen. Ich fürchte, wenn ich nach dem Rezept des Herrn Vorredners vorgegangen wäre, so würde man mir das Sprichwort entgegenhalten: „Die kleinen Diebe hängt man, die großen läßt man laufen.“ (Sehr richtig! Heiterkeit.)
bg. Richter (fr. Volksp.): Wir wollten die Diskussion, die ja bedoter hcgen Eat hätte anknüpfen können, nicht unvorbereitet kommen lassen, wir wollten sie durch unseren Antrag fhrierea. Hätten wir die Sache beim Auswärtigen Amt angefangen, so hätte es so ausgesehen, als ob es sich um eine Streitfrage mit dem Auswärtigen Amt handelte. Es ist eine allgemeine Sache, die ebenso gut jeden anderen hoben Beamten hätte treffen können. Der Reichskanzler meinte, man könnte auch die bayerische und württembergische Polizei zur Rede stellen. Das trifft nicht ganz zu. Es handelt sich um die Polizei am Sitze der Reichsbehörde, um die Polizei des größten deutschen Staats, dessen Minister⸗Präsident der Reichskanzler ist. Eine Frage, die so weite Kreise beschäftigt hat, muß auch im Reichstage besprochen werden. Im preußischen Abgeordnetenhause hat sich der Reichskanzler nur mit dem Grafen Limburg⸗Stirum beschäftigt, ohne den Kern der Frage zu berühren. Hier hat sich die Sache zugespitzt zu einer Auseinandersetzung zwischen den Konservativen und dem Staatssekretär von Wrirsczafl. Wir können ihn dazu beglückwünschen, daß es ihm gelungen ist, die Angriffe in so guter Weise zurück⸗ zuweisen. Die Konservativen greifen den Staatssekretär an und vertheidigen die politische Polizei, während wir für die Regierung eintreten und die politische Polizei angreifen. Die Frage der Verhält⸗ nisse der Presse zu den Behörden ist gegenüber der Hauptfrage eine kleinliche. In dem Stadium, in welchem sich die Sache befand, blieb dem Staatssekretär nichts Anderes übrig, als sich in die Oeffentlich⸗ keit zu flüchten. Das hat Graf Bismarck auch gethan. Haben Sie denn den Arnim⸗Prozeß ganz vergessen? Dem Staatssekretär bin ich dankbar für die klassische Darlegung des Werthes der Oeffentlichkeit im Strafverfahren. Damit ist auch der letzte Gegner der Oeffentlichkeit im Militär⸗Strafverfahren geschlagen. Aufgeklärt ist aber noch nicht, wes⸗ halb es drei Jahre gedauert hat, ehe Remedur in diesen Dingen geschaffen werden konnte. Man konnte doch eher gegen die politische Polizei vorgehen, nachdem das Auswärtige Amt seit Jahren vermieden hatte, der politischen Polizei Aufträge zu geben. Wenn eine Einigkeit im Ministerium vorhanden ist, wäre es nöthig gewesen, das ganze Institut einer Prüfung zu unterwerfen. Gegen die Beamten richten wir keine Vorwürfe; viele derselben werden über Tausch ebenso denken, wie wir selber. Der Reichskanzler sagt: Die politische Polizei sei nicht entbehrlich. Die politische Polizei ist aber ein Knäuel der verschiedensten Befugnisse: Ueberwachung der Presse, der Ver⸗ eine und Versammlungen, die Zensur der Theater u. s. w. Als man beim Sozialistengesetz das Personal der Polizei verstärkte, hat sich ein ganzes System herausgebildet, nicht zur Verhütung von Ver⸗
brechen, sondern zur Besorgung von politischen Recherchen, nicht im
Auftrage, sondern zum Theil auf Lager. Dadurch wird die ganze Nanh be,n einem Spionagensystem überzogen und die politische Polizei kommt schließlich darauf, selbst Politik zu treiben. Aus der politischen Polizei ist der große Prozeß gegen die Sozialistenpartei hervorgegangen, der mit einem so kläglichen Fiasko geendet hat, daß die Regierung selbst das Verbot der Vereinigung von Vereinen nicht mehr aufrecht erhaͤlten will. Der preußische Minister des Innern hat durchaus nicht gesagt, daß er schon Schritte gethan hätte zur Reformierung der politischen Polizei; er hat nur etwas in Aus⸗ sicht gestellt. Der Minister des Innern ist nicht hier (Zuruf: Er war hier¹); er hätte doch wenigstens den Rahmen angeben können, wie die Umgestaltung erfolgen soll. Es handelt sich um die Polizei ůber· haupt. Wenn das einem Staatssekretär passiert, so kann er sich ver⸗ theidigen. Aber wie 80. es einem 6“ Manne gehen, wenn er riffen der Polizei ausgesetzt ist! 1“ solchen Angif von Perchen eng (b. k. 2 Man wird sich ein ab⸗ schließendes Urtheil über die Dinge erst bilden können, wenn der sich auffällig lange hinziehende Prozeß Tausch zur Verhandlung kommen wird. Bis dahin werden wir alle uns gern zurückhalten, wenigstens werden die Perren es mir nicht verdenken, wenn ich mich zurückhalte. Ich will nur eine Behauptung des Abg. Bebel richtig stellen. Er hat von einem Briefe gesprochen, den jemand über Kreta an den Fürsten Bismarck geschrieben hätte. Dieser Brief wäre wenige Tage nach seinem Eintreffen in Friedrichsruh, in Berlin und sogar in den Händen des Herrn von ögg. gewefen. Daran hat Herr Bebel eine Aeußerung oder Andeutung ge⸗ nüpft, die sich in der Richtung bewegt wie manche Insinuationen der den Herren nahestehenden Presse im Laufe dieses Winters, nämlich daß
dieser Herr von Tausch doch wohl Beziehungen zum Fürsten Bismarck
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