ausnahmsweise und nur mit ausdrücklicher Erlaubniß des Kriegs⸗
8
in der Schwarzen Adler⸗Kammer und der Rothen Sammet⸗ Kammer: 1— für die Hofstaaten; 1 im Gardes du Corps⸗Saale und den anliegenden Räumen: — für die tanzenden Damen und Herren; in den Braunschweigischen Kammern, der boisierten Galerie, dem Schweizer⸗Saal, den Königin⸗Elisabeth⸗Kammern und dem Elisabech⸗Saal: 16“ 8 für die außerdem Eingeladenen. Ende des Festes gegen 12 ½ Uhr. Die Abfahrt) ist nach Wahl bei der Wendeltreppe, oder im Portal Nr. 4 bei der Theatertreppe in der Richtung nach dem Lustgarten, oder vom Königinnen⸗Zimmer aus über die Höllen⸗Treppe durch Portal Nr. 3 nach der Schloßfreiheit. Berlin, den 6. Februar 1897. 8 Der Ober⸗Hof⸗ und Haus⸗Marschall Graf zu Eulenburg.
.“) Die zur Abholung kommenden Wagen dürfen nur vom Schloß⸗ platz her durch Portal I und II in die Schloßhöfe 1.--.n gstis
Ministerium für Landwirthschaft, Domänen und Forsten.
Bekanntmachung.
Die Herren Forst⸗Referendare, welche in diesem Frühjahr die forstliche Staatsprüfung abzulegen beabsich⸗ tigen, haben die vorschriftsmäßige Meldung bis späͤtestens zum 15. März d. J. einzureichen.
Derselben ist der Nachweis über die Dauer der aktiven Militärdienstzeit der Prüflinge beizufügen.
Berlin, den 1. Ferruar 1897. Die Königliche Forst⸗Ober⸗Examinations⸗Kommission. Donner. 8 6G 8
Nichtamtliches.
Deutsches Reich. 8 Preußen. Berlin, 8. Februar.
Ihre Kaiserlichen und ö. Majestäten begaben Sich gestern Vormittag zum Gottesdienst nach der Dom⸗Interims⸗Kirche. Mittags empfingen Seine Majestät der Kaiser im Schlosse Seine Königliche Hoheit den Erbgroßherzog von Mecklenburg⸗Strelitz zur Meldung anläßlich öchftbessen Ernennung zum General der Kavallerie.
eute Vormittag empfingen Seine Majestät der Kaiser den Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister Freiherrn Marschall von Bieberstein zum Vortrage, hörten hierauf den Vortrag des Chefs des Zivilkabinets, Wirklichen Geheimen Raths Dr. von Lucanus und nahmen sodann die Marine⸗Vorträge ntgegen.
Im „Armee⸗Verordnungsblatt“ wird folgende, die 8 literarischen Veröffentlichungen seitens der im aktiven Dienste befindlichen Offiziere und Beamten des Heeres sowie der zur Disposition stehenden Offiziere betreffende Allerhöchste Kabinets⸗Ordre vom 23. Januar d. J. veröffentlicht:
Auf den Mir gehaltenen Vortrag bestimme Ich, daß die im aktiven Dienst befindlichen Offiziere und Beamten des Heeres, sowie die zur Disposition stehenden Offiziere bei literarischen Veröffent⸗ lichungen fortan nach beifolgenden Bestimmungen zu verfahren haben und daß alle entgegenstehenden Festsetzungen außer Kraft treten. Wenn Ich hiermit behufs Förderung des wissenschaftlichen Strebens in Meiner Armee Erleichterungen eintreten lasse, so spreche Ich gleich⸗ zeitis die Erwartung aus, daß Meine Offiziere und Beamten bei literarischen Veröffentlichungen mit besonderem Takte verfahren wer⸗ den, um Reibungen zu vermeiden und das Wohl der Armee zu fördern. Das Kriegs⸗Ministerium hat das Weitere zu veranlassen.
AAAAAXX“
An das Kriegs⸗Ministerium.
„1) Bei Veröffentlichungen von Mittheilungen über Vorgänge auf militärischem Gebiete, von kriegsgeschichtlichen Abhandlungen oder sonstigen schriftftellerischen Arbeiten über militärische Fragen und An⸗ gleichviel ob die Veröffentlichungen die eigene oder eine fremde Armee bz. Marine betreffen, ist das Dienstgeheimniß streng zu wahren. Angaben und Mittheilungen u. s. w. ous geheimen und nur für den Dienstgebrauch bestimmten Dienstvorschriften dürfen nur ganz
Miinisteriums veröffentlicht werden. 82) Wird bei der Herausgabe von Schriften u. s. w. die Be⸗ züstung von amtlichem, dem Herausgeber nur infolge seiner Dienst⸗ stellung bekannt gewordenem Material gewünscht, so ist, unter Be⸗ zeichnung desselben, die Entscheidung des nächsten direkten Vorgesetzten, von den regimentierten Offizieren u. s. w. des Regiments⸗ selbst⸗ ständigen Bataillons⸗) Kommandeurs, von den zur Disposition S Offizieren des vorgesetzten General⸗Kommandos, einzuholen. Vorbezeichnete Dienststellen vermitteln auch die Benutzung von amt⸗ lichem Material, welches ihnen selbst nicht zugänglich ist. Ihrer Entscheidung bleibt es ebenfalls vorbehalten, ob derartige Schriften alsdann mit dem Vermerk „nach amtlichen Quellen zusammengestellt“ 1 88 werdent dürfen. ¹ Entf n zweifelhaften Fällen ist die Entscheidung der nächsthöheren Stelle, eventuell diejenige des Kriegs⸗Ministeriums, zu veacseheh 1 3) Berichte und Arbeiten über Kriegfeereignisse, welche bereits vom Generalstabe bearbeitet sind, werden vor ihrer Veröffentlichung dem Chef des Generalstabes der Armee vorgelegt. Derselbe kann im Interesse der Unparteilichkeit der Veröffentlichkeit die Genehmigung versagen bz. Richtigstellungen anordnen. 4) Gesuche um Widmung oder Ueberreichung von schriftstellerischen Erzeugnissen, Kompositionen u. s. w. an fremde Souveräne unterliegen der Entscheidung des Kriegs⸗Ministeriums. Anträge dieser Art sind indessen nur dann vorzulegen, wenn eine wirklich ausreichende Ver⸗ 1 ä. vorhanden ist. . 5) Die nach Nr. 1, 3 und 4 erforderlich werdenden Gesuche sind auf dem Dienstwege, von den zur Disposition stehenden Offizieren durch das vor esetzte General⸗Kommando, vorzulegen. 6) Bei Veröffentlichungen im „Militär⸗Wochenblatt“ und in Fhetsctbiften. deren verantwortliche Redakteure sich dem Kriegs⸗ inisterium gegenüber verpflichtet haben, auf Besichen die Namen der ihnen Aufsätze u. s. w. einsendenden Angehörigen der Armee und Offiziere zur Disposition zu nennen (die betreffenden Blätter werden seitens des Kriegs⸗ Ministeriums besonders bekannt gegeben werden), sind die Verfasser von der Mitveröffentlichung ihrer Namen und Dienststellungen entbunden. 1 7) In allen anderen Fällen ist dagegen entweder der volle Name
unmittelbar zu melden. Eine gleiche Meldung ist dem näͤchsten
Regiments⸗ (selbständigen Bataillons.) Kommandeur, von den zur — stehenden Offizieren den vorgesetzten General⸗Kommandos zureichen. 8) Die Anwendung von Namenszeichen, an Stelle des vollen Namens, unter den Veröffentlichungen ist gestattet. In derartigen Fällen genügt — der stete Gebrauch derselben Zeichen vorausgesetzt — eine einmalige Meldung an die unter 7 bezeichneten Stellen. 9) Die Befolgung vorstehender Bestimmungen entbindet den Verfasser nicht von der vollen persönlichen Verantwortlichkeit für den Inhalt seiner Veröffentlichungen. 10) Diese Bestimmungen sind von den Offizieren des Beurlaubten⸗ standes bei Einberufungen zum Dienst gleichfalls zu beachten.
Dieselbe Nummer des „Armee⸗Verordnungsblatts“ ver⸗ öffentlicht ferner eine, vom 4. d. M. datierte Allerhöchste Kabinets⸗Ordre über die diesjährigen größeren Truppenübungen, welche, wie folgt, lautet: Auf den Mir gehaltenen Vortrag bestimme Ich hinsichtlich der diesjährigen größeren Truppenübungen: ). Das VIII. und XI. Armee⸗Korps einschließlich der — herzoglich Hessischen (25.) Division halten Manöver vor Mir gemaͤß
Felddienst⸗ gedhung viff 409 und zwar nach getroffener Uebereinkunft gegen das Königli verische Heer (I. und II. Königlich Bayerisches rmee⸗Korps) ab.
2) a. Beim IX., XI. und XVII. Armee⸗Korps wird behufs Abhaltung besonderer Kavallerie⸗Uebungen gemäß Felddienst⸗ Ordnung II. Theil, Abschnitt D, je eine Kavpallerie⸗Division aufgestellt. Die Ordre de Bataille dieser Divistonen ist aus der Anlage ersichtlich. Die Bestimmung der Divisionsführer behalte Ich Mir vor. Soweit Ich hierbei nicht über die Bildung der Divisionsstäbe Anordnung treffe, veranlassen die General⸗Kommandos dieselbe.
b Hheeng. die abzuhaltenden Besichtigungen werde Ich besonders erfügen.
.Die beim XI. Armee⸗Korps aufzustellende Kavallerie⸗Division nimmt nach Beendigung der besonderen Kavallerie⸗Uebungen an den vor Mir abzuhaltenden Manövern theil.
Dem XI. Armee⸗Korps wird behufs Verwendung als Divisions⸗ Kavallerie⸗Regiment ein vom General⸗Kommando VIII. Armee⸗ Korps zu bestimmendes Kavyallerie⸗Regiment dieses Korps für die Dauer der gesammten Manöver zugetbeilt.
„Die beim IX. und XVII. Armee⸗Korps zu den besonderen Kavallerie⸗Uebungen herangezogenen Stäbe und Truppentheile nehmen nach Beendigung derselben an den Manövern derjenigen Armee⸗Korps theil, zu denen sie dauernd gehören.
3) Dem VIII. und XI. Armee⸗Korps wird je eine Luftschiffer⸗
Abtheilung zugetheilt.
.4) Die Herbstübungen derjenigen Armee⸗Korps, welche nicht vor
Mir Mansver abhalten, finden in Gemäßheit der Bestimmungen der Felddienst⸗Ordnung und unter möglichster Berücksichtigung der Ernte⸗ verhältnisse statt. „ 5) Bei der Auswahl des Uebungsgeländes sowohl, als der Aus⸗ führung aller Uebungen ist auf Verringerung der Flurschäden Bedacht zu nehmen. In denjenigen Fällen, in denen die Flurentschädigungen als besonders hoch anzusehen sind, sehe Ich einem Vortrage des Kriegs⸗ Ministers entgegen.
6) Bei dem Garde⸗Korps, dem I., II., IV., V., VI., VII., VIII., XIV. und XVII. Armee⸗Korps finden Generalstabsreisen, bei dem HE“ 19 dehee nach Maß⸗
er Bestimmungen über die rlichen Generalstabsrei 29. November 1888 statt. “
7) Unter Leitung der beiden Kavallerie⸗Inspekteure finden je zwei größere Kavallerie⸗Uebungsreisen von Generalen und Stabsoffhzieren der Kavallerie und Kommandeuren reitender Abtheilungen der Feld⸗ Artillerie statt. Nähere Anordnungen hierüber hat das Kriegs⸗ Ministerium zu treffen.
8 8 95 1I 2 648 8 XIV. und XVI. Armee⸗ or nden Kavallerie⸗Uebungsreisen nach Maßgabe der In w vom öhedhene 1879 8 5 bS
rößere Pionier⸗Uebungen haben bei Krossen a. O., bei Koblenz a. Rh. und bei Ulm a. D. stattzufinden. Die näheren Anordnungen trifft die General⸗Inspektion des Ingenieur⸗ und Pionierkorps und der Tctngen —
10) Die Rückkehr der Fußtruppen in ihre Standorte muß bis zum 30. September 1897, welcher Tag als der späteste Corta fuus bis gilt, erfolgt sein. 8
Berlin, den 4. Februar 1897.
v . An das Kriegs⸗Ministerium. on Goßler
Die Allerhöchst genehmigten Bestimmungen für die Uebungen des Beurlaubtenstandes im Etatsjahre 1897/98 liegen derselben Nummer 4 des „Armee⸗Verordnungs⸗ blatts“ vom 7. d. M. bei ö
Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Königlich sächsischer Staats⸗ und Finanz⸗Minister von .Aniglich sachsäscher württembergischer Staats⸗Minister des Kriegswesens, General der Infanterie Freiherr Schott von Schottenstein und Herzoglich sächsischer Staats⸗Minister von Strenge sind von Berlin abgereist.
8 NMNach Flexeghischen Meldungen an das Ober⸗Kommando
der Marine ist S. M. S. „Stosch“, Kommandant Kapitän zur See Thiele, am 6. Februar in Palermo angekommen und beabsichtigt, am 10. Februar nach Cadix in See zu gehen; S. M. G. „Gneisenau“, Kommandant Kapitän zur See H ofmeier, ist am 6. Februar in Genua eingetroffen und be⸗ absichtigt, am 17. Februar nach Tanger in See zu gehen; S. M. S. „Bussard“, Kommandant Korvetten⸗Kapitän Winkler, ist gestern in Sydney angekommen; S. M. S. „Cormoran“, Kommandant Korvetten⸗Kapitän Brussatis, ist heute von Shanghai nach Hongkong in See gegangen.
“ 88 L111““ —
Hannover, 6. Februar. In der heutigen Sitzung des Provinzial⸗Landtages wurden zunächst die Jahres⸗ rechnungen der Provinzial⸗Hauptkasse, der Provinzial⸗ Wittwen⸗ und Waisenkasse der Landwirthschaftlichen Be⸗ rufsgenossenschaft, der Provinzial⸗ Forstverwaltung und der Provinzial Anstalten sowie außerordentliche Baurechnungen und sonstige Rechnungen für 1894/95 dem Rechnungsaus⸗ schuß überwiesen. Graf zu Inn⸗ und Knyphausen und Genossen brachten sodann einen Antrag, betreffend die Aus⸗ übung der ostfriesischen Wasservogeljagd, ein. Der⸗ selbe lautet:
Der Provinzial⸗Landtaß wolle beschließen: Die Königliche Staats⸗ regierung zu ersuchen, entsprechend dem Beschlusse der ostfriesischen Landschaft vom 14. März 1886, eine Modifikation der noch in Ost⸗ friesland zu Recht bestehenden, mittels des § 13 des hannoverschen Jagdgesetzes vom 11. März 1859 gewährleisteten Jagdordnung für Ostfriesland vom 31. Juli 1838 in der Weise eintreten zu
des Versassers, nebst Charge und Truppentheil, mit zu veröffentli der gleichzeitig mit der Veröffentlichung dem eru expffedtlichen,
lassen, daß die Ausübung des den Ostfriesen zustehenden Rechts auf
direkten Vorgesetzten, von den regimentierten Offizieren u. s. w. dem
schränkt werde, soweit ohne Verletzung der privaten teress bal. rn das Betreten srchen Grund cke 18 ist.* 1 er Antrag wurde einer Kommission überwiesen. Leandes⸗Hieektot Muͤlker degruündete hierauf der icrag der Provinzial⸗Ausschusses vom 1. Februar 1897, die Ge⸗ währung von Beihilfen zur v ver⸗ chiedener eschichtswissenschaftlicher Werke aus den
ie des Vorjahres betreffend, welcher lautet:
E Fpirse adts güee-
Historischen Verein in Hannover zur au archivalischer, sich auf die Geschichte der Provinz einzelner Theile derselben beziehender Ürkunden zunächst für das kommende Jahr einen 8 von 3000 ℳ unter der Voraussetzung zu gewähren, daß seitens der Königlichen Staatsregung für diesen Zweck ein Zuschuß von 1000 ℳ Heleisgi wird, 88 b em Dr. phil. Thimme zur Herausgabe eines die Geschi des vormaligen Königreichs Hannover in der Zeit . bis 1866 behandelnden Werks unter Abschluß eines die Er⸗ reichung des Zwecks sichernden Vertrags für die nächsten fünf Jahre eine jährliche Beihilfe von 1500 ℳ unter der Voraus⸗ setzung zu bewilligen, daß eine gleiche Beihilfe seitens der Königlichen Staatsregierung gegeben wird, und dem Harzverein für Geschichte und Alterthums⸗ kunde zur Herausgabe eines 3. Bandes der Urkunden und sonstigen Geschichtsqguellen der Stadt Goslar und der in und bei dieser Stadt belegenen Klöster und geistlichen S eine Beihilfe zu den Druckkosten von 1000 ℳ zu
igen
und die hierzu erforderlichen Mittel in der Höhe von 3000 ℳ
3 ℳ und 1000 ℳ aus den Ueberschüssen des Vorjahres zu ent⸗ men.
Nach längerer Debatte wurde der Antrag angenommen.
“ Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach.
Der Landtag trat in seiner Sitzung vom 5. d. M. in die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Ab⸗ änderung des revidierten Gesetzes über die Steuer⸗ verfassung des Großherzogthums vom 18. März 1869 nebst Nachträgen, sowie des neurevidierten Gesetzes über die allgemeine Einkommensteuer vom 10. September 1883, ein. Der Chef des Devpartements der Finanzen, Wirkliche Geheime Rath Rothe betonte, daß diese Aenderung nicht aus fiskalischen Gründen zu finanzieller Plusmacherei vorgeschlagen werde, sondern allein zur gerechten Vertheilung der Steuerlast. Die Vorzüge des neuen Entwurfs im Großen und Ganzen wurden allseitig an⸗ erkannt, bezüglich des Deklarationszwangs bei der Einkommen⸗ steuer aber von verschiedenen Seiten der Wunsch ausgesprochen, die Grenze von 3000 auf 2000, bezw. auf 1500 ℳ . a setzen. Der Entwurf wurde einem besonderen Ausschuß von neun Mitgliedern überwiesen. v1XAX“
en der
Desterreich⸗Ungarn.
Das ,Fremdenblatt“ stellt in einer Besprechung der jüngsten Ereignisse auf Kreta fest, die eura adsch aktion in der Türkei sei von seiten aller Mächte mit der grundlegenden Fee eingeleitet worden, den status quo aufrecht zu erhalten; somit könnten die in ent egengesetzter Richtung sich bewegenden Bestrebungen nicht auß Re Pecdir⸗ stigung Europas rechnen. Ein Versuch Griechenlands, die kretische Frage im Sinne der Radikalen zu behandeln, würde seine Stammesgenossen auf Kreta in die äußerste Gefahr stürzen. So nahe auch Griechenland von den Ereignissen berührt werde, so müsse es doch aus vielen Gründen ruhiges Blut bewahren. Das eingeleitete Reformwerk könne nicht als durch die jüngsten Katastrophen vereitelt angesehen werden. Jene Lösung der kretischen Frage, mit welcher sich eine ungeheure Majorität der Bevölkerung der Insel einverstanden erkläre, müsse trotzdem in die Praxis umgesetzt werden.
Der Finanzausschuß des ungarischen Unter⸗ hauses hat den Gesetzentwurf über die Deckung des Ausstellungs⸗Defizits und über die Einführung der Klassenlotterie mit der Abänderung angenommen, daß die Einsätze in der kleinen Lotterie erst vom 1. Oktober 1897 ab aufhören sollen.
Frrankreich.
Der deutsche Botschafter Graf zu Münster hat, wie ELI meldet, dem General Gallifet zu schat⸗ Ge⸗ nesung den Glückwunsch Seiner Majestät des Deutschen Kaisers überbracht.
8. d den. 8 Sernabend. im inisterrath machte der Minister des Aeußern Hanotau Mittheilung von Depeschen, welche aus Kanea Fntässer sind und folgende Meldungen enthalten: „Zwischen Mohame⸗ danern und Christen ist ein heftiger Kampf entbrannt. Ein Theil der Stadt ist in Brand gesteckt worden. Der französische Konsul und der Kommandant der fran⸗ zösischen Flottenstation haben Mannschaften landen lassen, welche gemeinsam mit den Mannschaften, die von Slassen der anderen Mächte gelandet sind, sich an den Löscharbeiten betheiligen. Die französischen Unterthanen und Schu genossen 5. sich in das Konsulat geflüchtet, ungefähr 100 aesofhen jlind von den auf der Rhede befindlichen Schiffen auf⸗ genommen worden.“ Der Minister Hanotaux theilte ferner mit, die Regierung habe schon am Freitag neue Maßregeln ge⸗ troffen. Der Admiral Pottier werde sich an Bord des Panzer⸗ schiffeskAdmiral Charner“, das nach dem Orient in See gehen solle, einschiffen; der Kreuzer „Forbin“ werde nächstens in Kreta eintreffen. — Der Ministerrath beschloß ferner, die Einfuhr von Waaren, welche aus pestverseuchten Orten Indiens stammen, in die französischen Häfen zu verbieten. Hinsichtlich der Reisenden würden besondere Quarantäne⸗Maß⸗
regeln getroffen werden.
Auf der Tagesordnung der vorgestrigen Sitzung der Deputirtenkammer stand die Berathung der Vorlage, betrefk)end Erhöhung der Zölle auf auslaändische, zu Destillationszwecken bestimmte Melasse. Das Haus beschloß mit 369 gegen 204 Stimmen die Dringlichkeit der Berathung. „‚Der Deputirte Dausette befürwortete die Vorlage; es sei nöthig, führte er aus, Maßregeln gegen Einfuhr deutscher und belgischer Melasse zu ergreifen, aus welcher Alkohol hergestellt werde, der auf diese Weise fast keinen Zoll zahle. Der Deputirte Graf de Mun richtete eine Anfrage an die Regierung, betreffend die Ereignisse in Kanea. Der Minister des Aeußern Hanotaux ergriff alsbald das Wort zur Beantwortung und erklärte: Die Unruhen in Kanea seien vor acht Tagen ausgebrochen, doch hätten die Ereignisse seit em 3. . ven.
Elysée abgehaltenen
freie Wasservogeljagd nur auf die See⸗ und Strom⸗Außen⸗Deiche be⸗
6
—
eine jähe Wendung genommen. Sechs französische Marine⸗
keschützt.
Solbat en und * englische seien gelandet worden, um den
eelegrapben zu schützen. Der christliche Gouverneur und die onsuln seien einhellig bemüht gewesen, die Unruhen zu unter⸗ rücken, doch sei ihnen dies nicht gelungen. In einer Vor⸗
stadt sei eine heftige Feuersbrunst ausgebrochen, die mehr als
100 Personen genöthigt habe, uflucht in dem fran⸗ 99 0 smen g⸗ u suchen. def Mannschaften der Fremdläͤndischen Krie sschiffe hätten das slaue⸗ bekämpft; die sonen, welche sich in das Konsulat geflüchtet hätten, sowie alle Einwohner femnöfischer Nationalität hätten sich an Bord der französischen Schiffe begeben. Marinesoldaten vertheidigten das Konsulat, die Kanzlei, das Missionsgebäude und den Telegraphen. Der Minister fügte hinzu, er werde demnächst ein Gelbbuch über die Armenien und Kreta betreffenden Fragen vertheilen. — Der Gesetzentwurf über Melasse wurde dann im weiteren Verlauf der Sitzung im Ganzen mit 353 gegen 148 Stimmen angenommen. — Der Deputirte Deloncle hat dem Minister Hanotaux mitgetheilt, daß er heute eine Anfrage über die französische Politik in Egypten an ihn richten werde.
Nußland. Der Großfürst Michail Michailowitsch ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern von St. Petersburg wieder in das Ausland abgereist.
Der General Graf Raffaele Cadorna, welcher im Jahre 1870 die italienischen Truppen befehligte, die am 20. September Rom besetzten, ist vorgestern in Turin ge⸗
Der Minister⸗Präsident Canovas del Castillo hat, dem „W. T. B.“ zufolge, erklärt, er werde die für Cuba beschlossenen Reformen in loyaler Weise zur Anwendung bringen. Er werde nicht warten, bis die Ruhe auf Cuba vollständig wiederhergestellt sei; es werde genügen, daß die vufständische Bewegung auf den westlichen Theil der Insel beschränkt sei. Er habe die Ueberzeugung, daß der Krieg einen guten Verlauf nehme.
Portugal.
Luciano de Castro, der mit der Bildung des Kabinets beauftragt ist, hat bereits vorgestern Abend dem König eine Minister⸗Liste eingereicht. Die Cortes sollen ausgetz werden, ohne daß das neue Ministerium sich ihnen vorstellt, und die neuen Kammern erst im Mai zusammentreten.
Türkei.
Das Wiener „Telegraphen⸗Korrespondenz⸗Bureau“ berichtet aus Konstantinopel von vorgestern, in den daselbst ein⸗ getrofftenen Meldungen aus Kanea werde hervorgehoben, daß dort infolge dauernder Straßenkämpfe unter den nicht einheimischen Einwohnern große Panik herrsche. Oesterreicher und andere Ausländer seien auf die Kriegsschiffe „Maria Theresia“ und „Sebenico“ ge⸗ flüchtet. Das österreichische Konsulat, in welchem sich viele
lüchtlinge befänden, werde von einem Detachement Matrosen bewacht. Die Christen hätten dem Konsular⸗Korps ein Memo⸗ randum überreicht, worin wegen der langsamen Durchführung der Reformen Vorwürfe erhoben würden. Die Christen würden vielfach beschuldigt, den Beginn der Straßenkämpfe insceniert zu haben. Andererseits sei als erwiesen anzunehmen, daß ein türkisches Comité die Einwanderung von Mohamedanern nach den Städten zum Zwecke einer Demonstration gegen die Durchführung der Reformen ins Werk gesetzt habe. Das Konsular⸗Korps sei eingeschritten; man hoffe eine vorüber⸗ ehende Beruhigung herbeiführen zu können. Die Pforte habe die vom General⸗Gouverneur dringend verlangte Truppen⸗ verstärkung aus dem Grunde nicht bewilligt, weil sie befürchte, daß die Ankunft der Truppen den Aufstand aufs neue ent⸗ fachen werde. 1u“
Der „Agence Havas“ wird über die letzten Vorfälle in Kanea mitgetheilt, fast alle Christen seien an Bord der fremden Kriegsschiffe gebracht worden. Etwa 300 andere, in der Stadt zurückgebliebene Christen würden von einer Abtheilung Matrosen Mehr als die Hälfte aller christlichen Häuser der Stadt
seii niedergebrannt, die Konsulats⸗Archive seien an Bord der ScSchiffe gebracht. Die Zahl der Opfer scheine geringer zu
sein, als die zuerst übermittelten Zahlen besagten. Starke atrouillen europäischer Matrosen durchzögen die Straßen der tadt. Die Gebäude der katholischen Mission, in welche sich
zahlreiche Personen geflüchtet hätten, seien völlig unbehelligt
geblieben. 1
Die „Agenzia Stefani“ meldet aus Kanea von gestern, der Kommandant der italienischen Schiffsdivision habe die Panzer⸗ schiffe Lauria“ und „Stromboli“ von Smyrna nach Kaneg beordert. Das bereits vor Kanea liegende Panzerschiff Etna“ habe eine Kompagnie Matrosen gelandet und 7⁰0 Personen an Bord genommen, um dieselben nach Syra zu befördern. Vorgestern Abend und gestern habe in Kanea vollkommene Ruhe Feerischt. as Feuer, welches nahezu vollständig unterdrückt gewesen, sei von neuem ausgebrochen. Alle christlichen Familien befänden sich an Bord der Schiffe. In der Umgebung sehe man mehrere Ortschaften brennen. Die Aufständischen und die Truppen unterhielten Legenseic. ein lebhaftes Gewehrfeuer. Ungefähr 700 be⸗ waffnete Christen ständen bei Haleppa gleichfalls bewaffneten Mohamedanern gegenüber. In Rethymon und Kandia sei die Lage eine schlimme. Ein italienisches Schiff werde nach Kandia gehen Das Panzerschiff „Etna“ sei vorgestern Abend mit ungefähr 1000 griechischen nach Syra abgegangen.
Das österreichisch⸗ungarische Kriegsschiff „Sebenico“ ist, wie aus Wien gemeldet wird, vorgestern in den Hafen von Rethymon eingelaufen.
Die in Konstantinopel nicht anwesenden Mitglieder der Synode sind zur Lösung der Patriarchenkrise dorthin berufen worden. Den in Konstantinopel erscheinenden Blättern wurde eine Besprechung der Krise verboten. Der „Moniteur“ vurde wegen eines gegen den Patriarchen gerichteten Artikels unterdrückt.
Griechenland.
Der Minister des Aeußern Skuses und der Marine⸗ Minister Levidis hatten, wie die „Agence Havas“ aus Athen meldet, vorgestern früh eine lange eee mit dem König. Vor der Abfahrt des griechischen Geschwaders nach Kreta (s. Nr. 32 d. Bl.) richtete der Marine⸗
inister eine Ansprache an die Mannschaften, worin er sie zur Tapferkeit und Manneszucht emaknie, Die Schiffe werden bei ihrer Ankunft in Kanea die türkische
lagge nicht in der üblichen Weise durch Kanonen⸗ chüͤsse salutieren, um zu vermeiden, daß dnnch die Schüsse Unruhen hervorgerufen werden. Der Kommandant des nach Kreta entsendeten griechischen Geschwaders hat den Befehl erhalten, daß das Geschwader im Fall von Unruhen in Merzün. und Herakleion dort die griechische Flagge zu eigen habe. “ 88 Kriegsschiff „Alpheios“ hat ebenfalls Befehl erhalten, nach Kreta zu gehen. Die Königliche Yacht „Sphakteria“ ist nach Milos in See gegangen, um zum von Flüchtlingen, ausgenommen nach Athen, zu ienen.
Der griechische Gesandte in Konstantinopel Maurocor⸗ dato ist beauftragt worden, der Pforte über die Entsendung der Schiffe nach Kreta Aufklärung zu geben. vSrsegaese
In verschiedenen Provinzstädten, besonders in Tri⸗ kala, fanden Volksversammlungen statt, in denen Adressen an die Regierung beschlossen wurden, welche deren thatkräftige, zielbewußte Politik gutheißen.
Aus Athen meldet „W. T. B.“, daß sich gestern etwa 3000 Personen vor das Marine⸗Ministerium begeben und dort unter den Rufen: „Hoch Kreta! Hoch die Union!“ eine Kundgebung veranstaltet hätten.
In der vergangenen Nacht trafen französische Kriegs⸗ schiffe mit 300 flüchtigen Frauen und Kindern aus Kreta in Milos ein; die Fluͤchtlinge, welche alles verloren haben, sind in beklagenswerthem Zustande und leiden Mangel an Kleidung und Nahrung. Aus Syra wird gemeldet, daß man in Herakleion und Rethymon dringend nach Schiffen verlange, da auch dort Unruhen bevorständen.
Amerika.
Der „Times“ wird aus New⸗York berichtet, daß der Senat der Einwanderungsbill gegenüber eine von der des Repräsentantenhauses abweichende Haltung eingenommen habe. Die Bill werde den Gegenstand einer nochmaligen
““
Konferenz zwischen den beiden Häusern bilden.
Asien.
Einer in Modrid eingetroffenen Privatdepesche aus
Manila zufolge wären dort ache Personfs erschossen worden, die, wie es deiße⸗ der von den Aufständischen eingesetzten R.
gierung angehört hätten.
“ 59
Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Kairo, die egyptische Regierung habe dem französischen und dem behcen Vertreter erwidert, sie habe das von der bri⸗ tischen Regierung gemachte Anerbieten eines Geldvorschusses in laufender Rechnung in Uebereinstimmung mit dem Gesetz an⸗ genommen, welches sie zu einem derartigen Vorschußabschlusse berechtige. Die Regierung glaube nicht, ihre internationalen Verpflichtungen verletzt zu haben, welche sie stets sorg⸗ fältig achte.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Berichte über die vorgestrigen Sitzungen des Reichstages und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (170.) 3ehung des Reichstages, welcher der “ Fürst zu Hohenlohe, der Staats⸗ sekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher, der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister
reiherr von Marschall und der Staatssekretär des Reichs⸗
Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky beiwohnten, erbat
und erhielt zunächst der Präsident Freiherr von Buol die
Ermächtigung, dem Reichskanzler zu seiner goldenen Hochzeit
die Glückwünsche des Reichstages auszusprechen. 1
Darauf wurde die zweite Feratheeng des Reichs⸗ haushalts⸗Etats für 1897/98 bei dem Etat des Reichskanzlers und der Reichskanzlei und zwar bei dem „Gehalt des Reichskanzlers“ fortgesetzt. ierzu liegt folgender Antrag der Abgg. Dr. Barth (fr. Vgg.) en. vor:
„den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstage bald⸗ thunlichst eine Denkschrift über die erkennbaren volkswirthschaft⸗ lichen Wirkungen der seit 1892 bezw. 1894 zwischen dem Deutschen Reich einerseits und Oesterreich⸗Ungarn, Italien, Belgien, der Schweiz, Serbien, Rumänien und Rußland andererseits bestehenden Handelsverträge vorzulegen.“ b
Hierzu beantragen die Abgg. Fritzen⸗Düsseldorf (Zentr.) u. Gen., hinter dem Worte „Handelsverträge“ einzuschieben: „mit besonderer Rücksicht auf die Londrwirthschaft.
Das Wort nahmen zur Begründung ihrer Anträge bis zum Schluß des Blattes die Abgg. Dr. Barth und Fritzen.
und
AErbeiterbewegung. ““
Aus Hamburg wurde bereits am Sonnabend unter den nach Schluß der Redaktion eingelaufenen Depeschen mitgetheilt, daß der Ausstand der Hafenarbeiter durch eine erneute Abftimmung der Ausständigen beendet worden ist. Ueber die näheren Umstände dieser Abstimmung meldet das „Wolff'sche Bureau’ weiter: In den Versammlungen der Ausständigen am Sonnabend empfahlen die von der sozialdemokratischen Partei ab⸗ gesandten Referenten, am Montag die Arbeit wieder aufzunehmen. Der Kampf sei verloren; die geeignete Zeit zur Wiederaufnahme desselben müsse abgewartet werden; vielleicht kämen am Dienstag noch 4 ℳ zur Auszahlung; für den folgenden Dienstag sei nichts vorhanden. Die Berichterstatter wurden alsdann zum Verlassen des Saales aufgefordert. Hierauf folgte die Ab⸗ stimmung, welche eine große Mehrheit für die Wiederaufnahme der Arbeit ergab. — Ueber Ausschreitungen der Ausständigen, die vorgestern Abend in Hamburg und Altona vor⸗ kamen, wird berichtet: Am Hafen, in St. Pauli und in Altona kamen Ausschreitungen vor. Ueber die ergebnißlose Beendigung des Ausstandes gereizte Arbeiter überfielen von der Arbeit kommende Ersatz⸗Arbeiter, mißhandelten sie in roher Weise, rissen solche, die in Straßenbahnwagen flüchteten, heraus und mißhandelten sie. An mehreren Stellen hieben die Schutzleute mit blanker Waffe ein. Drei Verletzte wurden in das Krankenhaus geschafft. Nachdem die Polizei Ver⸗ stärkungen erhalten und auch reitende Schutzleute eingegriffen hatten, wurden die Straßen bald gesäubert. Starke Patrouillen durchzogen Nachts die Straßen. Gegen 11 Uhr Abends war alles ruhig. Viele Verhaftungen wurden vorgenommen. — Den Hauptanlaß zu dem Straßenkampf, der sich auf dem Schaarmarkt entwickelte, gab ein Revolverschuß, den ein Kohlenarbeiter in die Luft abfeuerte, nach⸗ dem er und zwei seiner Kameraden von einer Anzahl Aus⸗ ständiger überfallen worden waren. Darauf entwickelte sich ein förmlicher Kampf. Major von Gestefeld ließ die gesammte Reserve⸗ mannschaft der Schutzleute anrücken und den Schaarmarkt räumen.
Der Kampf wurde in dem „Großen Becerhec fortgesetzt. Aus den Fenstern wurden Steine, Flaschen, Ascheimer u. a. auf die Schutzleute geschleudert. Drei utzleute wurden verletzt. Einer von ihnen erhielt einen Steinwurf an den Kopf, der ihm das Gesicht unkenntlich machte. Wieviel Per onen unter dem Publikum Verletzungen erlitten, konnte noch nicht festgestellt werden, da sie flüchteten. Auch viele Seeleute betheiligten sich an den Ausschreitungen; es wurde mit dem] Messer blindlings drauflosgestochen; daher kam es auch vor, daß verschiedene Ausständige von ihren Kameraden selbst verwundet wurden. Schimpfworte sowie Johlen, Schreien und Pfeifen erhöhten den Tumult. Die schmale Straße „Großer S wurde an beiden Enden abgesperrt. Es wurden zahlreiche Verhaftungen vorgenommen; allein von der Wache am Venusberg wurden 56 Per⸗ sonen verhaftet. In der Nacht um 2 Uhr hatten die Straßen wieder ihr e“ Aussehen. Militär brauchte nicht requiriert zu werden. — Gestern Vormittag standen in der Gegend am Hafen zahlreiche Gruppen von Arbeitern, welche die Vorkommnisse vom Sonnabend besprachen, sich aber ruhig verhielten. Schutzleute sah man gestern nur noch wenige.
Aus Barmen wird der „Rhein.⸗Westf. Ztg. zur Lohnbewegung der Tischler (vgl. Nr. 32 d. Bl.) geschrieben: Am Donnerstag 8g. eine Sitzung der Lohnkommission der Tischler statt, zu welcher auch die Meister eingeladen, von ihnen aber nur 15 erschienen waren. Die Innung hatte am Montag eine Meisterversammlung ab⸗ gehalten, in welcher die Ablehnung aller Fendervnges der Ge⸗ hilfen beschlossen wurde. In der Versammlung am Donnerstag machten nun die 15 Meister, welche ihrem Bedauern über die ab⸗ lehnende Haltung der Meisterversammlung Ausdruck gaben, den Vor⸗ schlag, zunächst statt der von den Gehilfen geforderten 9 stündigen eine 9 ⅞ stündige Arbeitszeit in Aussicht zu nehmen. Es wurde eine Kom⸗ mifsion gewählt, welche versuchen soll, eine Meisterversammlung ein⸗ zuberufen.
In Eckernförde haben, einer Mittheilung des „Vorwärts“ zu⸗ folge, die Walker der Lohgerberei von J. L. Schmidt die Arbeit wegen Lohnstreites niedergelegt.
In Gmünd in Württemberg haben nach demselben Blatt die Brauer der Stadtbrauerei die Arbeit eingestellt.
Aus Wien meldet „W. T. B.“: In einer gestern abgehaltenen sozialdemokratischen Wahlversammlung kam es zu einem Fendgemenße zwischen Sozialdemokraten und Christlich⸗Sozialen.
ie Polizei schritt ein und nahm mehrere Verhaftungen vor.
Aus Budapest wird der „Wiener Ztg.“ berichtet: Fünfhundert Arbeiter der Schiffswerfte Schönichen u. Hartmann stellten die Arbeit ein; sie fordern eine Lohnerhöhung.
In Ancona legten am Freitag, wie der „Voss. Ztg.“ aus Mai⸗ land telegraphiert wird, infolge von Lohnstreitigkeiten sämmtliche Hafenarbeiter die Arbeit nieder, wobei 48, die sich weigerten, ihren eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen, verhaftet wurden. Aus dem gleichen Grunde traten am Sonnabend in Savona 2000 und in Genua 3500 Kohlenverlader in den Ausstand ein.
Kunst und Wissenschaft.
Am 5. d. M. verstarb hierselbst, der „Nat.⸗Ztg.“ zufolge, im 64. Lebensjahre der Historiker Dr. Theodor Wiedemann, bekannt als Mitarbeiter Leopold von Ranke’'s. Besonders an dem letzten Lebenswerke Ranke's, der „Weltgeschichte“, die der fünfundachtzig⸗ jährige Gelehrte im Jahre 1880 begann, nahm er hilfreichen Antheil, und von dem vorletzten Band VIII (1887) war er Mitherausgeber. Die „Gesammelten Werke“ aus dem Nachlaß Ranke'’s, eine Arbeit, die vier starke Bände umfaßte, wurden ebenfalls von ihm publiziert. Ueber die Arbeitsweise des großen Historikers hat er in den Aufsätzen „Sechzehn Jahre in der Werkstatt Leopold von Ranke’'s“ werthpvolle Beiträge zu dessen wissenschaftlicher Charakteristik und menschlicher Werthschätzung geliefert.
— Der Verein für deutsches Kunstgewerbe veranstaltet am Mittwoch, den 10. Februar, im großen Saale des Architekten⸗ hauses einen Fachabend, an dem die Benutzung moderner Glas⸗ mischungen zu künstlerischer Wirkung bei der Bleiverglasung durch eine Ausstellung neuerer deutscher Arbeiten dargestellt werden wird. Glas⸗ maler Carl Ule aus München wird einen Vortrag über „Neuzeitliche Bestrebungen auf dem Gebiete der Glasmalerei“ halten.
— Die Gedenkfeier für Jacob Böhme, deren Vorbereitung auf den Wunsch des Denkmals⸗Ausschusses und der Handwerksgenossen Böhme's in Görlitz die Comenius⸗Gesellschaft in die Hand ge⸗ nommen hat, ist in einer Reihe größerer Städte gesichert. Berlin wird vorangehen (Vortragender ist 59 Herr Professor Dr. Ad. Lasson); Breslau (Universitäts⸗Professor Dr. Kawerau), Kiel (Universitäts⸗Pro⸗ fessor Dr. Deußen) und Magdeburg werden alsbald nachfolgen. Am 16. Fe⸗ bruar findet in Berlin eine Vorbesprechung statt, an welcher Vertreter der Stadt, der Universität, der Philosophischen Gesellschaft, der Hand⸗ wer ker⸗Innungen und der Comenius⸗Gesellschaft theilnehmen werden. — Der Senat der Universität Bonn hat beschlossen, das im No⸗ vember v. J. versandte Rundschreiben an die „Meeittsver und Freunde der Comenius⸗Gesellschaft“, das inzwischen von vielen Zeitungen im Auszuge veröffentlicht worden ist, durch Anschlag am Schwarzen Brett zur allgemeinen Kenntniß zu bringen. 11“
Theater und Musik.
X“
In dem dreiaktigen Schwank „Das Ordensband“ von G. Feydeau und M. Desvallières, den Benno Jacobson ins Deutsche übertragen hat, tritt das in Feydeau'schen Arbeiten sonst vorherrschende belustigende Element stark in den Hintergrund. Eigentlich trägt nur eine Scene einen harmlosen Schwankcharakter, und diese hatte auch einen freundlichen Erfolg. Im Ganzen fand das Stück aber am Sonnabend bei den Zuschauern der ersten Aufführung nur eine laue Aufnahme. Der Schwank schildert einen Pariser Arzt, der mit allen Mitteln den Orden der Ehrenlegion zu erlangen sucht und diese Aus⸗ zeichnung endlich auch erhält, weil ihm irrthümlich eine verdienst⸗ volle That zugeschrieben wird, die ein Anderer ausgeführt hat. Hctihf liegt entschieden in dem Einfall, daß der Doktor Paginet im
ugenblick des sicher erhofften Sieges erleben muß, daß das Ordens⸗ band nicht ihm, sondern seiner Gattin verliehen wird, und daß, als er es endlich selbst erhält, dies nur durch ein Mißverständniß geschieht. Die Verfasser haben aber nicht verstanden, ihre heiteren Motive in wirksame dramatische Szenen umzusetzen. Die Darsteller bemühten sich redlich, jedoch ohne Erfolg, die Zuschauer über die öden und lang⸗ weiligen Scenen Hnwweazntäuf en. Perr Schönfeld stellte einen un⸗ geschickten Assistenten und Liebhaber sehr komisch dar und konnte durch seine drastische Laune das Publikum vorübergehend wirklich erheitern. Herr Guthery gab mit allen Mitteln seiner humoristischen Dar⸗ stellungsweise die Rolle des Doktor Paginet. Residenz⸗Theater. 1
Ein neues französisches Stück, von der Gattung, wie sie schon seit geraumer Zeit an dieser Stätte in Scene zu gehen pflegt, errang am Sonnabend wiederum einen Lacherfolg. „Associés“ heißt das von Léon Gandillot verfaßte, von Max Schönau geschickt verdeutschte Werk, welches ungerechtfertigterweise wieder als „Lustspiel’ in drei Akten bezeichnet wird, während es unverkennbar die Merkmale des Schwankes aufweist. Es wäre überflüssig, den Inhalt anzugeben, da er mit demjenigen älterer Arbeiten desselben Schlages heoße Aehnlichkeit hat; es genüge, die Grundidee in den Satz zusammenzufassen, daß der eine von zwei Geschäftsinhabern von seinem Sozius auf Reisen geschickt wird, damit letzterer ungestört ein galantes Abenteuer bestehen kann, ½ dem es indessen nicht kommt. An gewagten Situationen und Sch 8 fehlt es selbstverständlich nicht; die Grenzen des Anstands werden wie das leider in den meisten der französischen Schwänke der all ist nur äußerlich innegehalten. Gespielt wurde, wie stets im Residenz
1
Theater, namentlich von den beiden Associés, den Herren Alexvander
und Pansa, und von den Damen Bertens und Reisenhofer, sehr flott.