1897 / 34 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Feb 1897 18:00:01 GMT) scan diff

kfürzeren Etappen vollzieht sich nun die Wendung zum Unglück, bis wir seHeslic den Eroberer an der Spitze seiner Truppen auf der verschneiten dandstraße den Rückzug antreten sehen (Nr. 7 des Cyelus). In diesem Bilde kommt Werestchagin’s Vorliebe für das Grauenvolle wieder deutlich zum Vorschein. Aus den Schneemassen am Wege, auf dem der Kaiser, in einen Bojarenpelz gehüllt, mit seiner Eskorte ein⸗ herzieht, blicken die erstarrten Gliedmaßen der hervor. Andere Episoden, wie das Quartier Davoust's im schudor⸗Kloster, das Kriegsgericht über gefangene russische Bauern und eine große Anzahl von Studien vervollständigen die Bilderreihe des Feldzugs von 1812. Mit der packenden Kraft der Schilderungen Tolstoi's in seinem Roman „Krieg und Frieden“ hält Werestchagin'’s Werk zwar keinen Vergleich aus, immerhin aber verdient der Eifer Bewunderung, mit dem der Maler, den Berichten von Augenzeugen bis ins kleinste Detail folgend, die schrecklich⸗große Zeit zu künstlerischem Leben wieder zu erwecken versucht hat.

Fridtjof Nansen hielt gestern in London in einer überaus zahlreich besuchten Versammlung der Royal Geographical Society in der Albert⸗Hall, an welcher, dem „W. T. B.“ zufolge, Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz von Wales und der Herzog von York sowie viele andere hervorragende Persönlich⸗ keiten theilnahmen, einen längeren Vortrag. Hierauf ergriff der Prinz von Wales das Wort und rühmte die wunderbare Beschreibung, die Nansen von seiner Nordpolreise gegeben habe, und zwar in einer Sprache, die nicht einmal seine Muttersprache sei. Der Prinz über⸗ reichte Nansen sodann im Namen der Gesellschaft eine edaille, welche eigens zur Erinnerung an diese Feier geprägt war. Nansen erwiderte mit lebhaften Worten des Dankes.

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Theater und Musik.

Konzerte.

Das achte E1“ Konzert, welches gestern nter Arthur ikisch's Leitung stattfand, wurde mit der hantasie für Orchester „Romeo und Julia“ von Tschaikowsky er⸗ net. Nach diesem, bereits öfter gehörten Werke spielte die

Solistin des Abends, Fräulein Gabriele St m die be⸗ kannte Violinspielerin aus der Joachim'schen Schule, das Konzert in D-moll (op. 55) von Spohr. Ihre technische Sicherheit und ihr durchdachter Vortrag trugen ihr lebhaften Beifall und Hervorruf ein. Hierauf folgte als Novität ein Orchesterwerk „Königs⸗Idyllen“ von Cornélie van Oosterzee. Die Komponistin, die, aus der Schule des Professors Urban hervorgegangen, nicht nur eine gründliche Kenntniß der Technik sämmtlicher Orchesterinstrumente, sondern auch die Kunst musikalisch wirksamer Verwendung derselben erkennen läßt, hat die einzelnen Theile nach dem Tennyson'schen Epos: „Elaine’'s Traum und Tod, Leichenfahrt“ und „Fürst Geraint's Brautfahrt“ betitelt. Der Inhalt beider Theile ist charakteristisch und tonmalerisch illustriert, die Instrumentierung effektvoll, ohne lärmend zu werden. Der Kom⸗ position wurde eine außerordentlich günstige Aufnahme zu theil. Den Schluß des Abends bildete Beethoven's herrliche A-dur-Sym honie, die gleich sämmtlichen anderen Werken unter der anerkannten eitung Nikisch's von dem Orchester vortrefflich ausgeführt wurde. Das Publikum war ebenso zahlreich wie beifallsfreudig.

Noch einiger Konzerte, die am Sonnabend voriger Woche statt⸗ fanden, sei nachträglich Erwähnung gethan. In der Sing⸗ Akademie gab Professor Waldemar Meyer sein IV. und letztes diesjähriges Konzert, welches er mit dem D-moll⸗Konzert für zwei Violinen von J. S. Bach unter Mitwirkung seiner begabten Schülerin Miß Sherman und des Neuen Berliner Sym⸗ phonie ⸗Orchesters (Dirigent: C. Zimmer) wirkungsvoll eröffnene. Es folgten das Violin⸗Konzert von Beethoven und einige von Joachim und Rudorff arrangierte kleinere Stücke von Schumann, in welchen die Vorzüge seines Spiels bestens zur Geltung kamen. Im Saal Bechstein ließ sich zu gleicher Zeit die Mezzosopranistin Auguste Honig hören. Ihre klangvolle und umfangreiche Stimme ist recht ausdrucksfähig, wie der Vortrag der selten gehörten Arie von Haydn aus „Orpheus und Eurydice“

wies. Auf vollkommenere Ausgleichung der Stimme in allen Registern wird die Künstlerin indessen bei der Fortsetzung ihrer Studien noch etwas mehr zu achten haben. Der Panih Herr welcher hier zum ersten Male konzertierte, ist ein Schüler des bereits vortheilhaft bekannten Ton⸗ künstlers M. Mayer⸗Mahr. Seine Technik ist weit vorgeschritten, auch ist sein Vort interessant und fein schattiert; nur wäre eine Einschränkung ves Peralgebenuchs mitunter zu wünsch⸗n. Er hatte bekannte Stücke von Schumann, Scharwenka und Mayer⸗Mahr zum Vortrag gewählt und wurde gleich der Sängerin von dem zahlreich erschienenen Publikum mit reichem Beifall ausgezeichnet.

Im Koöniglichen Opernhause gelangt morgen Meyerbeer's Oper „Der Prophet“ unter Kapellmeister Sucher's Leitung zur Aufführung. Den Johann ven Leyden singt Herr Sylva, die Fides Frau Goetze, die Bertha Fräulein Reinl. (Anfang 7 Uhr.)

Im Königlichen Schauspielhause wird morgen Goethe's „Egmont“ mit Herrn Matkowsky in der Titelrolle gegeben. Im übrigen lautet die Besetzung der Hauptrollen: Wilhelm von Oranien: Herr Ludwig; Alba: Herr Klein; Clärchen: Frau von Hochenburger; Brackenburg: Herr Purschian. Die Musik von L. van Beethoven wird unter Mitwirkung der Königlichen Kapelle unter Leitung des Musik⸗ dire s Wesgner zu Gehör gebracht. 1““

.““ Mannigfaltiges.

Der Zentralausschuß des Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohlthätigkeit hat am 6. Februar in einer sehr zahlreich besuchten Versammlung beschlossen, die nächste (17.) Jahresversammlung in der letzten Septemberwoche ia Kiel ab⸗ zuhalten und über folgende Gegenstände zu berathen: 1) Die Fürsorge für schulentlassene Kinder; 2) Wöchnerinnenpflege; 3) Die öffentliche Armenpflege in ihren Beziehungen zu den Leistungen auf Grund der Ver⸗ sicherungegeseßgebung; 4) Die Betheiligung größerer Verbände an der Armenlast in Verbindung mit dem ländlichen Armenwesen, unter besonderer Berücksichtigung der Gesundheitspflege auf dem Lande; 5) Das Verhältniß der Geld⸗ zur Mieth⸗ und Naturalunterstützung. Die Frage der Er⸗ richtung einer Auskunftsstelle für Armenpflege und Wohlthätigkeit und Anbahnung einer Fühlung mit verwandten Vereinen ist dem Vorstand zur Erwägung überwiesen worden. An Stelle des am 4. Februar dem Verein durch den Tod entrissenen hochverdienten Be⸗ zirks⸗Präsidenten Freiherrn von Reitzenstein in Freiburg i. B. ist der Gemeinderath Stähle in Stuttgart zum stellvertretenden Vorsitzenden und der Landeshauptmann der Provinz Sachsen, Graf von Wintzigerode in Merseburg, zum Vorstandsmitglied ernannt worden.

Max Landow,

Im Verlage von Carl Stange zu vese enhh i. S. erschien zu dem bevorstehenden Jubiläum ein elanchthon⸗Katalog“, welcher auf Wunsch überallhin kostenfrei versandt wird. Neben lite⸗ rarischen und musikalischen Erscheinungen verzeichnet derselbe für die

eier passende Festlieder zum Singen, Deklamationen bez. Festgedichte, edenkschriften, Medaillen für Schulen und Sammler, Reliefs, Bilder, Büsten ꝛc.

Ein volksthümlich geschriebenes Lebensbild Philipp Melanch⸗ thon’'s, von Armin Stein verfaßt, publizierte der Verlag der Buch⸗ handlung der Berliner Stadtmission (Berlin SW., Johannistisch 6). Der Preis der mit dem Porträt des Reformators und anderen Ab⸗ bildungen geschmückten Schrift beträgt 50 ₰, geb. 1 20 ₰.

Am 27. Februar findet im Kaiserhofe auch in diesem Jahre zum Besten der „Genossenschaft deutscher Bühnen⸗ angehörigen“ jenes eigenartige Kostümfest statt, welches unter dem Namen „Gesindeball“ bekannt geworden ist. Bestellungen auf Billets (nur schriftlich) zum Preise von 10 (für Bühnenmitglieder 5 ℳ) sind an die „Genossenschaft deutscher Bühnenangehörigen“, Berlin SW., Charlottenstr. 85, zu richten.

und von Liedern von Schubert, Brahms, Schumann und Anderen be⸗

In dem kleinen des Zoologischen Gartens, das gegenüber dem Eisbären⸗Käfig liegt und in welchem zahlreiche aus. ländische Tauben⸗, Hühner⸗ und Sumpfvögelarten, darunter viele Seltenheiten ersten Ranges, gehalten werden, ist vor einigen Tagen ein sehr merkwürdiger südamerika nischer Vogel, der Tschunja, Dicholophus Burmeisteri, eingetroffen. Diese nach dem bekannten Zoologen Professor Burmeister in Buenos Aires benannte Art ist so eigenthümlich, daß man sich noch nicht darüber einigen konnte, ob man sie den Raubvögeln oder den Störchen oder den Kranichen zuzugesellen hat. Der kurze raubvogelartige Schnabel und die kräftig entwickelte, starke Kralle der zweiten Zehe weisen darauf hin, daß der Tschunja sich vorwiegend an ihierische Nahrung hält. Die langen Füße und die kurzen Flügel verrathen, daß der Vogel wenig und schlecht fliegt, aber sehr gut läuft, daß er also für das Leben auf ebenen Flächen vorzüglich ausgestattet ist. Der Tschunja hat einen nahen Verwandten in dem seit längerer Zeit hier bekannten Seriema oder Cariama, der vielen Besuchern des Gartens deshalb bekannt sein dürfte, weil er, auf einem niedrigen Aste seines Käfigs sitzend, namentlich vor dem Beginn eines Regenwetters unter den possierlichsten 1““ unablässig seinen gellenden, weithin schallenden Ruf ertönen läßt. Der Tschunja bewohnt die argentinischen Pampas, während der Seriema in Süd⸗Brasilien und Paraguay gefunden wird.

Wittenberg, 9. Februar. Die Betriebs⸗Inspektion Witten⸗

berg macht bekannt: Vom Münchener Schnellzuge Nr. 41 ent⸗

gleisten gestern Abend in Gräfenhainichen infolge Radreifen⸗ bruchs der Packwagen und der Tender der Maschine. Menschen find nicht verletzt, Geleise und Wagen nicht erheblich beschädigt. Das Geleise Halle Berlin war 8 Stunden gesperrt. Der Betrieb wurde während der Sperrung eingeleisig durchgeführt.

Köln, 8. Februar. Der Rheinwasserstand ist 7,60 m. Das Wasser steigt langsam, der veeha he höchste Stand ist um 7, cem überschritten. Die Werften sind überschwemmt, ebenso die niedrigeren Straßen, in denen Boote verkehren und Nothstege ge⸗ schlagen sind. Die Schiffbrücke ist wegen des Hochwassers ab⸗ gefahren. Der Schiffsverkehr mit Mülheim a. R. wird noch theil⸗ weise aufrechterhalten. In Koblenz steigt der Rhein gleichfalls noch. Die Mosel fällt langsam.

Wien, 9. Februar. Gestern fand, wie alljährlich, der Ball der Stadt Wien statt, welcher glänzend verlaufen ist. Wie „W. T. B.“ meldet, nahmen an demselben Seine Majestät der Kaiser, mehrere Erzherzoge, die Botschafter, die Minister und die Spitzen der Gesellschaft theil. Der Kaiser führte die Gemahlin des deutschen Botschafters Grafen zu Eulenburg. Seine Majestät beehrte mehrere Gemeinderäthe mit Ansprachen und trank ein von dem Bürgermeister dargebotenes Glas Bier auf das Wohl der Stadt Wien.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen. .

Athen, 9. Februar. (W. T. B.) Der griechische Konsul

ist nach Haleppa zurückgekehrt. Die Lage in Herakleion ist beunruhigend. Die Türken vermochten nicht, sich der Munitionsniederlage dortselbst zu bemächtigen. In Rethy⸗ mon besetzten Mohamedaner und Amarioten mit Unterstützung der Behörden die christlichen Quartiere. Die Mohamedaner plündern die Kaufläden der Christen. Der Kreuzer „Miaulis“ wird heute Mittag in Begleitung eines anderen Dampfers nach Rethymon abgehen.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

00 82 82 1'

Bar. auf 0Gr.

=40R.

Stationen.

Wetter.

M;f Temperatur in 0 Celsius

u. d. Meeressp red. in Millim.

2 bedeckt 1 halb bed. 5 bedeckt

3 bedeckt lswolkig

1 bedeckt

Belmullet.. 758 Aberdeen .. 751 Christiansund 750 Kopenhagen. 770 St. Petersbg. 777 Moskau . .. 778 Cork, Queens⸗ 1 eroh ... 761 3 wolkig 10 Cherbourg. 765 4 Nebel 1111““ SSW 6 Regen eE116111666 7 Schnee amburg. 768 5 bedeckt winemünde 774 Zwolkig ¹) 15 Neufahrwasser 777 1 wolkenl.2) 20 Memel 777 3 Dunst 19 1 769 3 Regen 3 768 2 bedeckt 1 772² 2 2 bedeckt 2 771 2 bedeckt 1 773 2 bedeckt 774 3 halb bed. 774 3 bedeckt 774 NNW A4 balb bed. 776 NW 1sbedeckt 772 S 3 Dunst 768 NNO I beiter 767 ONO FAI beiter

¹) Rauhfrost. ²) Nebel.

Uebersicht der Witterung.

Ein tiefes Minimum ist nördlich von Schottland rschienen und verursacht im Nordseegebiet lebhafte füdliche Winde, unter deren Einfluß die Temperatur

aselbst erheblich gestiegen ist. Das barometrische Maximum liegt über dem westlichen Ausland. In Deutschland ist das Wetter trübe, im Nordwesten wärmer, im Osten und auch im Süden kälter; in den westlichen Gebietstheilen ist Niederschlag gefallen; nur an der ostdeutschen Küste herrscht heitere Witterung. Da die Depression im Nordwesten ihren Einfluß ostwärts auszubreiten scheint, so

ürfte Thauwetter für das nordwestliche, nachher ür ganz Deutschland zu erwarten sein.

Deutsche Seewarte.

bdo 00

4 10 17

haus. 37. Vorstellung. Der Prophet. Große Oper in 4 Akten von Giacomo Mevyerbeer. Text nach dem Französischen des Eugêne Scribe, deutsch bearbeitet von Ludwig Rellstab. Ballet von Emil

Graeb. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tezlaff Dirigent: Kapellmeister Sucher. Anfang 7 Uhr

Schauspielhaus. 41. Vorstellung. Egmont. Trauerspiel in 5 Aufzügen von Wolfgang von Goethe. Musik von Ludwig van Beethoven. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Musikalische Direktion: Musikdirektor Wegener. Anfang 7 Uhr.

Donnerstag: Opernhaus. 38. Vorstellung. Undine. Romantische Zauber⸗Oper in 4 Akten von Albert Lortzing. Text nach Fouqué's Erzählung frei be⸗ arbeitet. Tanz von Emil Graeb. Anfang 7 ½ Uhr.

Schauspielhaus. 42. Vorstellung. 1812. Schau⸗ spiel in 5 Aufzügen von Otto von der Pfordten. Anfang 7 ½ Uhr.

Deutsches Theater. Mittwoch: Die ver⸗ sunkene Glocke. Anfang 7 ½ Uhr.

Donnerstag: Die versunkene Glocke. 5

Freitag: Morituri.

Berliner Theater. Mittwoch: Renaissance. Anfang 7 ½ Uhr.

Donnerstag: Kaiser Heinurich.

Freitag (22. Abonnements⸗Vorstellung): Neu ein⸗ studiert: Uriel Acosta.

Lessing- Theater. Mittwoch: Heimath. (Louise Dumont.) Anfang 7 ½ Uhr. Donnerstag: Die Wiederkehr. Niobe. (Louise Dumont.) Freitag: Das Glück im Winkel. Dumont.)

Hierauf:

(Louise

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ burg. Mittwoch: Associés. Lustspiel in 3 Akten von Leon Gandillot. Anfang 7 ½ Uhr.

Donnerstag und folgende Tage: bäepr-se

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Zu ermäßigten Preisen: Der Hüttenbesitzer. Schauspiel in 4 Akten von Georges Ohnet.

Nenes Theater. Schiffbauerdamm 4 a./5. Direktion: Sigmund Lautenburg. Mittwoch: Marcelle. Komödie in 4 Akten von Victorien Sardou. Für die deutsche Bühne bearbeitet von 2. Lindau. In Scene gesetzt von Sigmund

zutenburg. Anfang 7 ½ Uhr.

Donnerstag und folgende Tage: Marrelle.

Schiller ⸗Theater. Mittwoch, Abends 8 Uhr: Der Schierling. Die Komödie der Irrungen.

Donnerstag, Abends 8 Uhr: Zum ersten Male: Eine Palastrevolution.]

Dresdenerstraße 72/73.

Deutsch von Max Schönau.

Theater des Westens. Kantstraße 12. (Bahn⸗ hof Zoologischer Garten.) Mittwoch: Der Naub der Sabinerinnen. Anfang 7 ½ Uhr. 8

Donnerstag: Treue. .

Freitag: Wilhelm Tell. 8

Theater Anter den Linden. Behrenstr. 55/57. Direktion: Julius Fritzsche. Mittwoch: Die Fledermans. Operette in 3 Akten von Meilhac und Halévy, bearbeitet von C. Haffner und Rich. Genée. Musik von Johann Strauß. Hierauf: Pierrot als Rekrut. Pantomimische Balletscene von Greco Poggiolesi. usik von M. Dahms. Anfang 7 ½ Uhr.

Donnerstag: Die Fledermaus.

Mittwoch, den 17. Februar: Strauß⸗Cyelus. 1. Abend: Indigo und die vierzig Räuber. Große Ausstattungsoperette. ,

Thalia⸗-Theater (vorm. Addlph Ernst⸗Theater)

Direktion: W. Hasemann. Mittwoch:⸗ Frau Lientenaut. Vaudeville in 3 Akten von P. seeh⸗ und A. Mars. Deutsch von H. Hirschel. usik von G. Serpette und V. Roger. Anfang 7 ½ Uhr. Donnerstag und folgende Tage: Frau Lieutenant. Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Trilby.

Bentral⸗Theater. Alte Iakobstraße 30. Direktion: Richard Schultz. Mittwoch: Ein sideler Abend. Burleske dramatische Revpue in 1 Vorspiel und 3 Bildern von J. Freund und W. Mannstädt. Musik von verschiedenen Meistern, arrangiert von Julius Einödshofer. Anfang 7 ½ Uhr.

Saeen und die folgenden Tage: Ein sideler

end.

Konzerte.

Sing-Akademie. Mittwoch, Anfang 8 Uhr: ö von Flora Scherres⸗Frieden⸗ al.

Konzerthaus. Karl Meyder⸗Konzert.

Mittwoch: Jubel⸗HOuverture von Bach. Ouverture „Der Kobold“ von Adam. Phantasie aus „Carmen“ von Bizet. Walzer „Estudiantina“ von Waldteufel. Phantasie „Nordische Weisen“ (neu) von Mohr. 20 cara memoria“ für Cello von Servais (Herr Smit). „Lieb Mütterlein ade“ für Cornet⸗à⸗Piston von Rühle (Herr Werner). 1 8

Saal Bechstein. Mittwoch, Anfang 7 ½ Uhr: Konzert von Martha Gardeicke. Mitwirkung: rren H. Hasse (Violine) und Hugo Rüdel

Klavier). .““

Birkus Renz. Karlstraße. (JIubiläums⸗ Saison 1896/9 7.) Mittwoch, Aben ds 7 ½ Uhr: Gala⸗Vorstellung. Aufführung der Novität: Durchschlagender Erfolg! Aus der Mappe eines Riesengebirgs⸗Phantasten. Eine romantisch⸗ phantastische Handlung von Direktor Fr. Renz und dem Greßherzeglich hessischen Hof⸗Balletmeister August Siems. Außerdem die hervorragendsten Nummern des Revpertoirs. 6 Trakehner Rapp⸗

hengste, dress. und vorgef. von Herrn Robert Renz. Chicago, Rapphengst, in der hohen Schule 1

1Sö von Mr. Gaberel. Die doppelte hohe chule, geritten von den Damen Frl. Wally Renz und Frau Robert Renz.

eines Riesengebirgs⸗Phantasten.

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Else Gerlach mit Hrn. Sec.⸗Lieut. d. R. Fritz von Lossow (Suhl). Frl. Charlotte Schweitzer mit Hrn. Rittergutsbesitzer Hugo Vellay (Wiesbaden —Pilgramsdorf i. Schles.). Frl. Käthe Foerster mit Hrn. Prem.⸗Lieut. Wilhelm Wenzel (Berlin).

Verehelicht: Hr. Rittergutsbesitzer Richard Schultz mit Frl. Anna Holst (Jabel).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Sec.⸗Lieut. von Lucanus (Berlin). Hrn. Grafen Max Arco⸗ Valley (St. Martin). Hrn. Hauptmann r. halter (Sierakowo b. Rawitsch). ine Tochter: Hrn. Oberst a. D. Behrenz (Char⸗ lottenburg). Hrn. Kammerherrn Joseph Frhrn. von Maltzahn (Mirow). Hrn. Pastor Ernst Klein (Lichtenrade). Hrn. Pastor Graetz (Reich⸗ hah) Hrn. Forstmeister Schmidt (Bischofs⸗ w

ald). Gestorben: Stiftsdame Frl. Hedwig von Schaper (Lemgo). Fr. Konsistorial⸗Rath Sophie Kloster⸗ mann, geb. Heuser (Kiel). Fr. Thusnelde von Petersdorff⸗Campen, geb. von Campen (Kirchberg b. Seesen a. Harz). Hr. Geheimer Kanzlei⸗ Rath a. D. Adolf Abesser (Berlin). Verw. Fr. Rechnungs⸗Rath Marie Rauer, geb. Neu⸗ gebauer (Breslau).

Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin.

Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Acht Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage),

sowie die Inhaltsangabe zu Nr. 6 des öffent⸗

lichen Anzeigers (Kommanditgesellschaften auf Aktien und Aktiengesellschaften) für die Woche vom 1. bis 6. Februar 1897, und das Verzrichniß der gekündigten Schlesischen Pfandbriefe.

16 Spring⸗Akrobaten. Donnerstag, Abends 7 ½ Uhr: Aus der Mappe

Anzeiger und Königlich

Erste Beilage

Berlin, Dienstag, den 9. Februar

Preußi chen

Berichte von dentschen Fruchtmärkten.

Qualität

Außerdem wurden am

Durch⸗

mittel

1

gering

gut schnitts⸗

Ver Markttage

(Spalte 1)

Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner

nach über⸗

schläglicher tzung

1 Doppel⸗ verkauft

preis fůr

nie⸗ höch⸗ nie⸗ drigster ℳꝛℳ

(100 kg) höch. nie⸗

ster drigster ster drigfter

ster zentner . 11 (Preis unbekannt)

14,70] 15,20 15,50 15,50 14,70 15,20 15,50 15,50

15,70 16,00 16,00 16,50 15,70 16,00 16,00 16,50

Breslau Neuß. Breslau Neuß

Lissa.. Breslau Neuß. Breslau Neuß

12,10 11,30

ae 11,70 11,80 11,90 V 12,10

10,80 11,30 11,70 11,80 11,90 10,80 11,30

bb“ . 12,65 12,75 Breslau 12,00 13,00 13,30 Breslau 12,00 13,00 13,30 Lissa.

8 12,10] 12,10 ß12,30 Breslau 1

X 10 12,30 12,50 12,90 13,10 12,30 12,50 V 12,9

1

schnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet.

11,30 Gerste. 14,50 14,50 Hafer.

1669 13,10 11,60

Bemerkang. Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet mitgetheilt.

Weizen. 16 50 17,00 16,40 16,50

Roggen. 11,80

16,70 11 15,50 6 2.

16,70 . 8 16,33 8. 2.

17,00 11,80] 5. 2. 11,55 6. 2. 11,30 8.2.

11,90 12,30 11,80 12,30 11,80

1 12,70 15,40 . 15,40 8 W“ 12,20 11,95] 5. 2. 12,10 6. 2. 12,10 8. 2.

12,30 3 13,20 12,60 2⁰ 13,20 1 12,60 20 242

12,10

Der Durch⸗

Deutscher Reichstag. 170. Sitzung vom 8. Februar 1897, 1 Uhr.

Die zweite Berathung des Reichshaushalts⸗Etats für 1897/98 wird fortgesetzt beim Etat des Reichskanzlers und der Reichskanzlei, und zwar bei dem „Gehalt des

Reichskanzlers“.

Hierzu liegt folgender Antrag der Abgg. Dr. Barth

6 Vgg.⸗ und Genossen vor:

„Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstage bald⸗ thunlichst eine Denkschrift über die erkennbaren volkswirthschaft⸗ lichen Wirkungen der seit 1892 bezw. 1894 zwischen dem Deutschen Reiche einerseits und Oesterreich⸗Ungarn, Italien, Belgien, der Schweiz. Serbien, Rumänien und Rußland andererseits bestehenden Handelsverträge vorzulegen.“

3u demselben beantragen die Abgg. Fritzen⸗Düsseldorf

(Zentr.) und Genossen, hinter dem Worte „Handelsverträge“

einzuschieben: „mit besonderer Rücksicht auf die Landwirthschaft“.

Abg. Dr. Barth (fr. Vgg.): Es giebt eine Reihe privater

Publikationen über die Wirkungen der Handelsverträge, aber diese

Veröffentlichungen tragen immer den Stempel einer gewissen Parteilich⸗

keit; es handelt sich dabei auch immer nur um Theilaufnahmen der

ganzen Sachlage. Die Denkschrift, welche wir verlangen, soll eine umfassende sein. Die Erwartung darf man allerdings nicht allzu hoch spannen. Wir haben daher auch darauf verzichtet, die Denkschrift auf die politischen Wirkungen auszudehnen, die doch auch vorhanden sind; wir haben uns auf die wirthschaftlichen Fragen beschränkt. Die

Regierung ist mehr in der Lage, sich alle Gutachten und Berichte der

Handels⸗ und Industriekorporationen, der Landwirthschaftskammern

u. s. w. zu verschaffen, als ein Privatmann. Die Wirkungen der

Handelsverträge auf die Industrie brauchen nicht in erster Linie klargestellt

zu werden; aber gerade in den Kreisen der Landwirthschaft herrscht

die größte Unklarheit über die Handelsverträage. Wenn man die

Wirkungen der Getreidezölle vor und nach den Handelsverträgen ver⸗

gleicht, so wird man zu sehr überraschenden Ergebnissen kommen.

Man hat berechnet, daß auf jede Million Mark Export 1000 Arbeiter

kommen. Je mehr der Export von Industrieartikeln steigt, desto mehr

Arbeiter werden beschäftigt, und zwar gerade die bestgelohnten, welche

die zahlungsfähigsten Käufer von landwirthschaftlichen Produkten sind.

Wir haben vor einigen Tagen eine Debatte im Abgeordnetenhause erlebt,

in welcher der Landwirthschafts⸗Minister sich ohne jede Provokation

als Gegner der Handelsverträge bekannt hat; er hat allerdings gesagt, daß er ein Gegner gewesen sei; aber er meinte auch, daß die Handelsverträge nicht allein Schuld an der schlechten Lage der

Landwirthschaft seien; zum theil schiebt er ihnen also die Schuld

daran zu. Deshalb wird eine Denkschrift, wie wir sie fordern, auch

für ihn aufklärend sein. Die Denkschrift wird den Nachweis er⸗ bringen, daß der Abschluß der Verträge ein großes Verdienst des

Reichskanzlers Grafen Caprivi war. 1 .

Abg. Fritzen (Zentr.) empfiehlt die Heranziehung der öffentlich⸗ rechtlichen Korporationen zur Berichterstattung über die angeregte

Frage, der Landwirthschaftskammern; aber auch die landwirthschaft⸗

lichen Vereine müßten dabei mitwirken. Bedenklich sei nur, daß der

Antrag vielleicht etwas verfrüht sei, da nur erst kurze Zeit seit der

Geltung der Verträge verflossen sei. Die Wirkung der Handelsverträge

werde sich schwer feststellen lassen. In Rußland habe z. B. die An⸗

legung der sibirischen Eisenbahn die Aufnahmefähigkeit für Industrie⸗ produkte gestärkt. Das sei nicht auf die Wirkung der Verträge zurück⸗

zuführen. Redner weist darauf hin, daß Deutschland allein im

stande sei, das nöthige Fleisch zu produzieren; deshalb müsse der

deutsche Viehstand geschützt werden gegen die Einschleppung von

Seuchen. Wenn die Handelsverträge einen Schutz gegen die Seuchen⸗

einschleppung verböten, dann müßte das Verhältniß zu den anderen taaten beim Ablauf der Handelsverträge in dieser Beziehung jeden⸗

falls anderweitig gestaltet werden.

Abg. Dr. Hammacher (nl.): Meine politischen Freunde erkennen mit dem Vorredner an, daß die Landwirthschaft sich in einer sehr üblen Lage befindet, und daß daraus nicht nur für sie, sondern auch für das gesammte Staatswesen nach der wirthschaftlichen und morali⸗ schen Seite hin Nachtheile erwachsen. Eine Besserung dieses Zu⸗ standes mit den gesetzlich zulässigen Mitteln herbeizuführen, ist eine pflichtmaͤßige Aufgabe des Staates. Was den Antrag Barth betrifft, so halten ihn meine Freunde für durchaus nützlich, und wir können die Meinung des Vorredners nicht theilen, daß er zu früh ein⸗ zebracht sei. Für die Vorbereitung der zukünftigen handelspolitischen Stellung Deutschlands anderen Staaten gegenüber hat es eine sehr große Bedeutung, wenn rechtzeitig die Erhebungen und

Untersuchungen angestellt werden, auf deren Grundlage Deutsch⸗ land in Verhandlungen mit anderen Staaten eintreten kann. Obwohl ich in voller Uebereinstimmung mit der Handelsvertrags⸗ politik bin, welche die Reichsregierung in den letzten Jahren getrieben hat, so muß ich doch bekennen, daß unsere Regierung in die letzte Verhandlung nicht genügend vorbereitet eingetreten ist; nicht nur nach meinem Urtheil, sondern auch weiter gewerbetreibender Kreise des Landes, hätten wir unter günstigeren Bedingungen unseren wirthschaftlichen Verkehr mit den Vertragsstaaten fortsetzen können. Graf Posadowsky hat uns bereits in einer der letzten Sitzungen mit⸗ getheilt, daß die Reichs⸗Finanzverwaltung oder die verbündeten Re⸗ gierungen ich weiß nicht, welches Organ es ist sich mit Vor⸗ tudien für die Aufstellung eines Generaltarifs beschäftige. Die französische Handelspolitik ist insofern besser daran, als die unserige, als Frankreich neben dem Generaltarif einen Spezialtarif hat; dieser wird angewandt bei allen denjenigen Staaten, mit denen Frankreich Handelsverträge abschließt. Der Äntrag scheint mir nicht nur nicht verfrüht, sondern sehr zeitgemäß zu sein, insofern er für die Regie⸗ rung eine wesentliche Unterstützung bei der Aufstellung des Generaltarifs ist. Herr Fritzen meint, bei der Beurtheilung der Wirkung der Handels⸗ verträge sei man vielfach nach dem Satze verfahren: post hoc, ergo propter hoc. Gewiß ist Weeles eingetreten, was nicht eine Wirkung der Handelsverträge ist. Ich bin der letzte, der nicht die Landwirthschaft schützen möchte; aber ohne eine richtige Handelspolitik ind auch die Einzelstaaten nicht in der Lage, die Landwirthschaft zu schützen. Das Solidaritätsgefühl zwischen Industrie und Landwirth⸗ schaft muß erhalten werden. Das ganze Wirthschaftsleben ist in einer ungewöhnlichen Entwicklung begriffen. Darum ist das Bedürfniß nach Export besonders lebhaft geworden. Man kann nicht behaupten, daß die Handelsverträge für Deutschland nicht günstig gewesen sind. Wenn der Export gestiegen ist, so mögen dazu allerdings die neuen Unternehmungen, die in Rußland aufgetaucht sind, mit dazu beigetragen haben; aber es ist nicht zu leugnen, daß, wenn die russischen Zölle noch erhöht wären und der Handelsvertrag nicht ab⸗ geschlossen wäre, wir unseren Export nicht so hätten verbessern können, wie es geschehen ist. Man muß anerkennen, daß der Landwirthschaft die Bewegungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit fehlt, welche der Industrie mehr oder weniger eigen ist, und darauf muß Rücksicht genommen werden. Wenn Herr Fritzen meint, daß die Landwirth⸗ schaft bei den Handelsvertragsabschlüssen in eine gewisse gebundene Lage gekommen sei, so ist auch die Industrie an gewisse Zölle gebunden, und der Schutz für sie kann auch nicht mehr erhöht werden. Erst wenn wir die vom Antrage Barth gewünschte Denk⸗ schrift erhalten, werden wir im stande sein, völlig objektiv uns über die handelspolitischen Fragen und die Handelspolitik Deutschlands zu unterhalten. Heute fehlt uns noch das Material dazu, und deshalb bitte ich Sie, den Antrag Barth ein⸗ stimmig anzunehmen. Es ist kürzlich vom Regierungstisch unter Zustimmung vieler Mitglieder des Hauses darauf hingewiesen worden, daß die Handelsverhältnisse des nächsten Jahrhunderts auf dem ganzen orbis terrarum sich anders gestalten werden. Die Vereinigten Staaten gestalten den nordamerikanischen Kontinent allmählich zu einem einheitlichen Wirthschaftsgebict. In England werden die Be⸗ strebungen des Greater Britain ebenfalls Erfolg haben. Wenn wir das klar voraussehen, so müssen in nicht zu ferner Zeit die europäischen Staaten dazu übergehen, enger aneinander Anschluß zu finden, als es zur Zeit der Fall ist. Diese Entwickelung würden wir stören, wenn wir das System der Handelsverträge verlassen würden. Unsere Handelsverträge haben auch politisch vortheilhaft gewirkt und die Stellung unserer Regiekung gestärkt.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister Freiherr Marschall von Bieberstein:

Meine Herren! Im Namen der verbündeten Regierungen kann ich erklären, daß, wenn der hohe Reichstag nach dem Antrag der Herren Barth und Fritzen beschließt, sie selbstverständlich gern bereit sein werden, dem Wunsche nachzukommen. Der Herr Vorredner hat an eine Aeußerung meines Herrn Kollegen vom Reichs⸗Schatzamt erinnert, die er vor wenigen Tagen hier in diesem Hause gethan hat, indem er die Mittheilung machte, man sei im Reichs⸗Schatzamt mit der Aufstellung eines Entwurfs eines spezialisierten autonomen Tarifs beschäftigt. Man hat aus dieser Aeußerung draußen im Lande Kapital zu schlagen versucht, als ob ein klaffender Riß zwischen den handels⸗ politischen Anschauungen des Herrn Grafen von Posadowsky und mir bestände. Das ist in keiner Weise der Fall. Auf die Gefahr hin, daß ich vielleicht etwas Wasser in den Wein der Begeisterung Einzelner schütte,

muß ich erklären, daß der Herr Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts, bevor er an die Ausarbeitung dieses Entwurfs ging, nicht nur selbst⸗ redend sich der Zustimmung des Herrn Reichskanzlers versicherte, sondern auch meiner Zustimmung. Ja, ich kann mittheilen, daß ich schon vorher aus eigener Initiative meinem Herrn Kollegen vom Reichs⸗Schatzamt wiederholt den dringenden Wunsch ausgesprochen habe, daß möglichst bald an die Aufstellung eines der⸗ artigen Entwurfs gegangen werde (bött, hört! rechts), und

zwar aus dem Grunde, weil ich den Besitz eines mehr spezialisierten Entwurfs für unumgänglich nothwendig gerade für den Fall erachte,

wenn die bisherige Handelspolitik fortgesetzt werden sollte, was ich hoffe. Die Erfahrungen bei den letzten Verhandlungen mit anderen Staaten haben gezeigt, daß die heutige Anlage unseres Zolltarifs die Verhandlungen erschwert (hört, hört! rechts), daß sehr häufig aus einer Sammelposition, um Spezialkonzessionen zu machen, ein Gegenstand herausgerissen werden muß, dann aber eine schwierige Definition zu geben ist, die sehr häufig sich in der Praxis nicht bewährt. Ich bin auch der Ansicht, daß die Grenze zwischen unserem Zolltarif und dem amtlichen Waarenverzeichniß zum theil nicht richtig gezogen ist; da⸗ durch ergiebt sich häufig die Nothwendigkeit von Verschiebunden im amtlichen Waarenverzeichniß. Daraus entstehen Reklamationen von auswärtigen Staaten, selbst Konflikte; wir setzen uns sogar dem Verdachte aus, daß wir nicht vollkommen loyal verfahren. Bei dem fraglichen Entwurf handelt es sich ja zunächst nur um die äußere Anlage, um das Gerippe. Es wird niemand in diesem Augenblick daran denken, sich über die Zollsätze schlüssig zu werden, die wir im Jahre 1904 erheben werden. Und auch der Vorwurf ist ganz ungerecht, der gegen meinen Herrn Kollegen vom Reichs⸗ Schatzamt erhoben worden ist, er habe diese Sache hier nicht öffent⸗ lich sagen sollen. Die Ausarbeitung eines derartigen Entwurfs kann nicht sekret geschehen, es bedarf der Mitwirkung einer großen Reihe von Sachverständigen aus allen möglichen Erwerbskreisen. Es ist ganz unmöglich, in dieser Beziehung das Geheimniß zu wahren. Wie wenig in dieser Richtung ein Widerspruch zwischen den Mittheilungen des Herrn Staatssekretärs des Reichs⸗Schatzamts und mir besteht, mögen Sie daraus entnehmen, daß ich schon vor fünf Jahren in diesem hohen Hause darauf aufmerksam gemacht habe, daß vor Ablauf unserer Handelsverträge die Revision unseres Zolltarifs eine unbedingte Noth⸗ wendigkeit sei. Es war bei der ersten Lesung des deutsch⸗schweizerischen Handelsvertrages, da wurde uns von dessen Gegnern vorgeworfen, wir hätten es überhaupt ablehnen sollen, mit der Schweiz zu verhandeln, denn die Schweiz habe unmittelbar vor den Verhandlungen einen neuen autonomen Zolltarif aufgestellt. (Sehr richtig! rechts.) Ein solcher Zolltarif hätte von uns nicht als Basis der Ver⸗ handlungen angenommen werden sollen. Ich habe damals darauf aufmerksam gemacht, daß die Schweiz nicht anders handeln konnte, da ihre Autonomie bis zum 1. Februar 1892 durch den um⸗ fassenden Tarifvertrag, den sie mit Frankreich hatte, beschränkt war, daß sie daher erst kurz vor diesem Termin in der Lage war, einen neuen autonomen Zolltarif aufzustellen; ich habe die Herren Gegner dringend gebeten, doch keine Grundsätze aufzustellen, die man gegebenenfalls auch uns gegenüber zur Anwendung bringen könnte. Was ich damals sagte, ist Folgendes: Wir werden, meine Herren, uns demnächst ganz in derselben Lage befinden wie die Schweiz, wir werden uns nach zwölf Jahren der Pflicht nicht entziehen können, unseren autonomen Zolltarif zu revidieren. Wir haben daher gar keinen Anlaß, jetzt das Prinzip aufzustellen, daß Zolltarife, die unmittelbar vor dem Eintritt von Vertragsverhandlungen errichtet werden, Popanze oder Papierexistenzen werden.

Ich habe also damals das Recht der verbündeten Regierungen gewahrt, vor Ablauf der Handelsverträge einen autonomen Zolltarif aufzustellen.

Bei diesem Anlaß möchte ich einem Vorwurf entgegentreten, der in den letzten Tagen häufig hervorgetreten ist: als ob die verbündeten Regierungen sich damals ein wesentliches Versäumniß hätten zu schulden kommen lassen, indem sie nicht ihrerse’ts unmittelbar vor dem Eintritt in die Handelsvertrags⸗Verhandlungen mit den anderen Staaten einen hohen autonomen Zolltarif aufgestellt hatten. Dabei wird der Vorwurf in einer Weise begründet, als ob wir damals mit einem alten vergilbten freihändlerischen Tarif ins Feld gezogen wären, während die anderen Staaten sammt und sonders neue hohe schutzzöllnerische Tarife uns gegenübergestellt hätten; das ist doch eine Legende. (Zuruf rechts.) Das wird in allen möglichen Variationen draußen in der Presse behandelt; man spricht von dem unbegreiflichen Fehler des Herrn Grafen von Caprivi, daß er damals nicht vor Eintritt in die Verhandlungen mit Oesterreich einen hohen autonomen Zolltarif aufgestellt habe. Da erinnere ich doch daran, daß wir in den letzten Jahr⸗ zehnten vor Eintritt in die Vertragsverhandlungen dreimal unseren Zolltarif revidiert haben und zwar in schutzzöllnerischer Richtung. Einmal die Integralrevision des Jahres 1879. In dieser Beziehung kann ich die Anschauung des Herrn Vorredners nicht theilen, wir hätten im Jahre 1879 nicht daran gedacht, daß diese Zollrevision das Hilfsmittel bieten sollte für spätere Vertragsverhandlungen. Wenn mich mein Gedächtniß nicht täuscht, ist sogar in dem Dezemberbrief des Fürsten Bismarck von 1878 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß auch zum Zwecke der Verhandlungen mit anderen Staaten, um Kompensationsobjekte dabei zu gewinnen, die Er⸗ höhung unseres Zolltarifs nothwendig sei. Wir haben im Jahre 1885 abermals für eine Reihe von Gegenständen unsere Zöͤlle er⸗ höht, desgleichen im Jahre 1887. Mit diesem so gestalteten Zoll⸗ tarif haben wir die Verhandlungen begonnen mit Belgien, welchen seinerseits ein Zolltarif von 1881 zu Grunde lag, mit Oesterreich⸗ Ungarn, dessen Zolltarif vom Jahre 1887, und mit Italien, dessen Zolltarif auch vom Jahre 1887 datierte; mit der Schweiz lag es aus den Gründen, die ich vorhin angegeben habe, anders.

Abgefehen von der Frage, ob es zeitlich überhaupt möglich ge

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