1897 / 44 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 20 Feb 1897 18:00:01 GMT) scan diff

Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin hat, wie die „Karlsruher 8 . meldet, am Dienstag un Meamoh für einige Stunden das Bett verlassen dürfen. Diese Veränderung hat einen günstigen Einfluß auf das Gesammtbefinden geübt.

292 wird noch für einige Zeit große Ruhe und Schonung der Kräfte für Ihre Königliche Hoheit geboten sein. Die Fortschritte in der Heilung des operierten Auges sind

u andauernd günstig. 8.

Das Staatsbudget für 1897/98, welches der Bürger⸗ schaft vorgestern gegangen ist, weist an Einnahmen 3 993 440 ℳ, an Ausgaben 4 521 auf, sodaß sich ein Defizit von 528 429 ergiebt. Zur Deckung desselben empfiehlt der Senat die sofortige Inkraftsetzung des im vorigen Jahre prinzipiell beschlossenen Erbschaftssteuergesetzes und des erhöhten Einkommensteuergesetzes. Die Erträgnisse dieser beiden Steuererhöhungen werden auf 330 000 be⸗ rechnet, während 198 429 auf die Reservekasse und auf den Staats⸗anleihefonds 1895 angewiesen werden sollen.

Elsaß⸗Lothringen.

Der Kaiserliche Statthalter Fürst zu 8— Langenburg ist am Donnerstag Mittag von Berlin wieder in Straßburg eingetroffen. 8

Der Landesausschuß erledigte vorgestern in zweiter Lesung die Etats der Hoch⸗ und Wegebauverwaltuung, der Tabackmanu⸗ faktur, der Forstverwaltung und der Justizverwaltung. Ein bei dem Etat der Forstverwaltung eingebrachter Antrag des Abg. Spies, für den Ankauf von Grundflächen zur Wiederbewaldung und deren Bepflanzung einen Betrag von 100 000 in den Etat einzusetzen, wurde der vierten Kommission überwiesen. Zum Vertreter des Landesausschusses im Staatsrath wurde an Stelle des bisherigen Abg. Dr. Schneegans, der auf seine Wiederwahl verzichtet hatte, der Abg. Dr. Petri gewählt.

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Oesterreich⸗Ungarn.

Das ungarische Oberhaus hat gestern die Vorlagen, betreffend die Deckung des Defizits der Ausstellung und die Einführung einer Klassenlotterie, an⸗ genommen.

Das ungarische „Amtsblatt“ meldet die Uebertragung des Grafenstandes von dem Grafen Ludwig Tisza auf die drei Söhne seines Bruders Koloman Tisza, nämlich Stefan, Ludwig und Koloman jun. Zugleich werden die letzteren zu erblichen Mitgliedern des Oberhauses ernannt.

Großbritannien und Irland.

Im Unterhause erklärte gestern der Parlaments⸗ sekretär des Auswärtigen Curzon: Die türkische Regierung habe die Absicht angekündigt, Truppen nach Kreta zu senden. Die Vertreter der Großmächte hätten der Türkei allgemein den Rath gegeben, von jeder überstürzten Aktion abzu⸗ stehen. Abtheilungen der Kriegsschiffe hätten Kaneag und Sitia besetzt; die Besetzung werde wahrscheinlich auch auf Kandia und Rethymon ausgedehnt werden, wo bereits Kriegsschiffe stationiert seien.

Der gestrigen Sitzung des parlamentarischen Aus⸗ schusses zur Untersuchung über den Einfall Jameson's in Transvaal wohnten der Prinz von Wales sowie viele Mitglieder beider Häuser des Parlaments bei. In einem Telegramm des Obersten Rhodes vom 21. Dezember 1895 heißt es: „Es könne nichts geschehen, wenn nicht der Vorsitzende und Cecil Rhodes damit einverstanden seien, nach Johannes⸗ burg zu ziehen“. Bereits in der Sitzung am Dienstag war Rhodes gefragt worden, was das Wort „der Vorsitzende“ bedeuten Rhodes hatte die Antwort abgelehnt, da er sich besinnen müsse. Auf die heute wiederholte Frage erwiderte Rhodes: mit „dem Vorsitzenden“ sei der frühere Gouverneur der Kapkolonie, Sir 5— Robinson, gemeint gewesen, welcher die Sachlage in Johannesburg gekannt habe, da dieselbe häufig mit ihm be⸗ sprochen worden sei. Einmal habe Sir Herkules Robinson ihn, als Premier⸗Minister, gefragt, was er (Robinson) thun solle. Ec (Rhodes) habe geantwortet, falls in Johannesburg ein Auf⸗ stand ausbreche, so solle Sir Herkules Robinson dorthin gehen, um zwischen der Bevölkerung und dem Präsidenten Krüger zu vermitteln und für die Uitlanders Bürgerrechte zu erlangen. Nach dieser Unterredung habe er sich berechtigt gefühlt, den Johannesburgern zu versichern, daß Sir Herkules Robinson im Falle eines Aufstandes kommen werde. Rhodes fügte hinzu, Sir Herkules Robinson’s Kenntniß der Dinge in Johannesburg bedeute nicht, daß dieser von dem geplanten Einfall gewußt habe. Auf ein⸗ dringliche Fragen erklärte Rhodes, Prätoria dürfte als weiterer in Frage kommender Bestimmungsort der Theil⸗ nehmer des Einfalles genannt worden sein. Seine Ansicht sei jedoch immer gewesen, Jameson solle nach Johannesburg

ehen. Ueber sein Schweigen, seine Zurückgezogen⸗

eit und Unthätigkeit nach dem Einfall befragt, erklärte Rhodes, der Versuch, Jameson einzuholen, würde zwecklos ge⸗ wesen sein. Er sei zu Hause geblieben, weil er über die An⸗ gelegenheit habe nachdenken wollen. Er habe keine Verhandlungen mit den Londoner Direktoren über den Einfall gehabt, sondern nur mit seinem damals in London befindlichen Sekretär Harris verhandelt, welcher seine Pläne gekannt habe. Er habe die Johannesburger als Privatmann im Interesse Süd⸗Afrikas unterstützt. Auf die Frage, welches Recht die Chartered Company gehabt habe, ihre Mittel für einen Krieg gegen einen befreundeten Staat zu verwenden, antwortete Rhodes nach einigem Zögern, er könne dies Vorgehen nicht vertheidigen. Hierauf wurde die Verhandlung vertagt.

Bei der gestern in Chertsey (Surrey) vorgenommenen Ersatzwahl zum Unterhause wurde Bennet kkonservativ) mit 4845 Stimmen gewählt, gegen Baker (liberal), der 3977 Stimmen erhielt.

In London wurde gestern Abend unter dem Vorsitz des Parlaments⸗Mitglieds Bryce eine öffentliche Versammlu ng zu Gunsten der Vereinigung Kretas mit Griechen⸗ land abgehalten. Geschäftsträger und Mitglieder der

griechischen Kolonie wohnten der Versammlung bei.

Der Senat entschied gestern mit 203 gegen 41 Stimmen, daß der ehemalige Minister Constans zum Senator des Departements Haute⸗Garonne gewählt sei, entgegen der Ent⸗ scheidung der Lokal ommission, welche bei er Zählung der

Viele Parlaments⸗Mitglieder, der griechische

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Stimmen die Gültigkeit mehrerer Wahlzettel bestritten hatte. einem Vortrage des sozialistischen Deputirten aurés über die kretische Frage zogen, wie aus aris gemeldet wird, gestern etwa 1500 Studenten und andere junge Leute unter Hochrufen auf Griechenland und Kundgebungen gegen den inister des Aeußern Hanotaux über den Boulevard St. Michel. Vor den Redaktionen der griechenfreundlichen Blätter fanden Kundgebungen statt. Es war ein starkes Polizeiaufgebot zur Stelle, die Menge 222 streute sich jedoch überall ohne weiteren Zwischenfall. Auch in Lyon fand gestern eine Kundgebung von 500 Studenten zu Gunsten Griechenlands statt.

Spanien.

Wie dem „Temps“ aus Madrid gemeldet wird, hat die spanische Regierung die Zivil⸗ und Militärbehörden be⸗ auftragt, die Umtriebe der Carlisten strengstens zu über⸗ wachen und insbesondere an den Pyrenäen die Einschmuggelung von Waffen zu verhindern, welche für Rechnung der Carlisten in Frankreich und Belgien gekauft seien.

Türkei.

8 Wie dem „Reuter'schen Bureau“ aus Konstantinopel

gemeldet wird, hat Lord Salisbury in einer Zirkularnote an die Mächte erklärt, daß die britische Regierung, bevor eine Aktion gegen Griechenland unternommen werde, die An⸗ sichten der anderen Mächte über die zukünftige Ver⸗ fassung Kretas zu wissen wünsche, da bei der gegenwärtigen Lage das im vorigen Jahre abgeschlossene Arrangement nicht 282 angemessen sei. Lord Salisbury spricht sich zu Gunsten der Autonomie von Kreta nach der Analogie von Samos aus. Bevor diese Angelegenheit geregelt ist, dürfte daher nichts gegen Griechenland unternommen werden.

Die Ernennung Karatheodory Paschas zum General⸗Gouverneur der Insel Kreta ist, nach einer Meldung des Wiener „Telegr.⸗Korresp.⸗Bureaus“ gestern erfolgt und hat die Zustimmung der Mächte erhalten. Faik Pascha ist von dem Kommando der ersten Escadre zurückgetreten. An seine Stelle tritt Hassan Pascha. Das Kommando der zweiten Division ist bisher nicht besetzt. Der Marine⸗Minister hat gestern einen Kontrakt auf Lieferung englischer Kohle abgeschlossen. In der Pforte nahestehenden Kreisen wird, demselben Bureau zufolge, erklärt, daß der Abbruch der Beziehungen mit der griechischen Gesandtschaft vorläufig nicht geplant sei, wodurch die Intervention der Mächte, auf deren Erfolg man hoffe, erschwert werde. Von den General⸗Gouverneuren von Monastir und Janina sind telegraphische Meldungen eingelaufen, daß die albanischen Stämme Waffen und Verwendung an der Grenze verlangten und daß für den Fall, daß dieses Ver⸗ langen unbefriedigt bleibe, Ausschreitungen zu befürchten seien.

Die „Agenzia Stefant“ meldet aus Kanea vom 18. d. M.: In Beantwortung der Mittheilung des griechischen Konsuls über die Proklamation des Obersten Vassos bezüglich der Annexion Kretas durch Griechenland erklärten die Konsuln der auswärtigen Mächte in einem gemein⸗ samen Schreiben, sie seien von ihren Regierungen nicht er⸗ mächtigt worden, von dem gedachten Schriftstück Akt zu nehmen.

Ein von Selino kommender Dampfer, welcher 19 Ver⸗ wundete an Bord hatte, überbringt die Meldung: in Selino seien 125 Mohamedaner ermordet worden, zahlreiche Familien seien noch von den Christen eingeschlossen. Die Admirale hätten beschlossen, nach Selino ein Panzerschiff mit den Konsuln von Rußland, England und Italien abgehen zu lassen, um die erwähnten Familien zu befreien. In Rethymon fahren die Türken, der „Agence Havas“ zufolge, mit der Plünderung der Häuser der Christen fort. Eine Ausschiffung von Truppen⸗ abtheilungen seitens der Mächte ist noch nicht erfolgt. Die Konsuln haben die Entsendung von Schiffen verlangt.

Aus Athen erfährt die „Agence Havas“, daß die Truppen des Obersten Vassos das Fort Vukolis ge⸗ nommen hätten. Elf griechische Soldaten seien gefallen, ein Lieutenant sei schwer verwundet. Von den Türken seien etwa 100 getödtet oder verwundet und 250 gefangen genommen worden.

Die griechischen Dampfer „Hydra“ und „Alpheios“ haben gestern Nachmittag in Kanea die Anker gelichtet, um in Milos Kohlen einzunehmen. Der griechische Konsul hat die Sendung neuer Schiffe verlangt. Der „Penéus“ hat Befehl erhalten, nach Rethymon zu gehen. Die Konsuln haben die Forderung gestellt, 12 Stunden vorher von einem jeden Angriff auf die nähere Umgebung Haleppas seitens der Christen benachrichtigt zu werden, da diese die Absicht hätten, die kleinen Forts Montevarda und Alikianon anzugreifen. Es verlautet, daß in den Provinzen Sitia und Merampelo zwischen Christen und Mohame⸗ danern eine Auswechselung von Gefangenen stattgefunden habe.

Britische Dampfer verhinderten gestern die griechischen Dampfer „Thessalia“ und „Hera“, welche Munition, Lebensmittel und Freiwillige an Bord hatten, an der kretischen Küste anzulegen. 8

Griechenland. Der Prinz Nikolaus ist gestern in Volo (Thessalien) eingetroffen.

Die nationale Liga hat, wie die „Agence Havas“ meldet, an den König und den Minister⸗Präsidenten Dely⸗ annis ein Schreiben gerichtet, worin erklärt wird: Wenn Europa die vollendete Thatsache der Vereinigung Kretas mit Griechenland umstoßen wolle, so sei die Liga bereit, mit Hilfe der Machtmittel, über welche sie in den noch unter Fremd⸗ herrschaft stehenden Provinzen verfüge, eine allgemeine Erhebung des Griechenthums zur Vertheidigung der Existenz⸗Berechtigung ins Leben zu rufen.

In der Deputirtenkammer theilte gestern, wie das „Reuter'sche Bureau“ meldet, bei Beginn der Sitzung der Präsident eine Depesche des italienischen Deputirten Ca⸗ vallotti mit, worin derselbe Griechenland beglückwünscht und die Wünsche des italienischen Volkes übermittelt. Die Depesche wurde mit wiederholtem Beifall begrüßt. Der Minister⸗Präsident Delyannis brachte darauf eine Vorlage ein, durch welche die Konsulate auf Kreta aufgehoben werden. Die Reservemannschaften der Jahrgänge 1890 und 1892 find einberufen worden. Der am 17. d. M. im Piräus an⸗ gekommene Dampfer „Spetsai“ wird, wie es heißt, mit der zweiten Torpedoboot⸗Flottille nach einem andern Bestimmungs⸗ ort als Kreta abgehen. Gestern sind zwei russische Panzerschiffe im Piräus eingetroffen. Der griechische Dampfer „Epirus“ hat 2000 Flüchtlingeg aus; Herakleion nach dem Piräus befördert. 1“ .

öd4““ Die „Politische Korrespondenz“ erfährt aus Bukare

die 8 eingebrachte Vorlage des Kri . isters, d einen außerordentlichen Heeres⸗ kredit von 3 9 in keiner Weise als eine Rück⸗ wirkung der kretischen ignisse anzusehen sei, sondern nur die Ergänzung des erschöpften Patronenvorraths für die neuen Mannlicher⸗Gewehre bezwecke. Die Regierung in der allgemeinen Lage keine Veranlassung zu besonderen Maßnahmen.

Dänemark. Im Folkething verlangte, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern 22 der Lesu er ee treffend die Erneuerung der Kontrolbestimmungen bei der Ausfuhr frischen Fleisches, der Abg. Bertelsen⸗ Skalborg die Einführung der Tuberkulin⸗Impfung bei der Ausfuhr mageren Viehes nach Deutschland und bei der Einfuhr von Vieh aus allen Ländern. Der Minister für Landwirthschaft von Sehested bezeichnete das Verlangen als zu kostspielig, deutete aber an, daß Däne⸗ mark, obwohl die bestehenden Bestimmungen über die Vieh⸗ sperre schärfer seien als in irgend einem anderen Lande, nach Durchführung der letzten Verordnung über die Einfuhr in Deutschland genöthigt werden könnte, sich gegen die Ein⸗ schleppung der Tuberkulose durch Sperrbestimmungen zu wehren. Amerika.

In der gestrigen Sitzung des Senats wurde, wie dem „W. T. B.“ aus Washington berichtet wird, der Antrag, die Berathung des britisch⸗amerikanischen Schiedsgerichts⸗ Vertrages zu verschieben, mit erheblicher Majorität abgelehnt. Das Haus vertagte sich darauf, ohne weiter Stellung zu der

Frage zu nehmen

Nach einer Meldung aus Manila haben die Spanier den Flecken Silang nach zehnstündigem Kampfe genommen. 50 Rebellen wurden getödtet, die Verluste der Spanier sind noch nicht bekannt. v““

Aus Tanger meldet die „Agence Havas“, daß Araber, welche dringend verdächtig seien, den deutschen Jar⸗ quier Häßner ermordet zu haben, verhaftet worden seien.

Die Berichte über die 1 1 n Reichstages und des Herrenhauses befinden si Ersten und Zweiten Beilage.

gestrigen Sitzungen des in der

In der heutigen (181.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und der Kriegs⸗Minister General⸗ Lieutenant von Goßler beiwohnten, wurde die zweite Be⸗ rathung des Reichshaushalts⸗Etats für 1897,98 bei dem Etat des allgemeinen Pensionsfonds fortgesetzt.

Hierzu liegt außer dem Antrage des Abg. Augst (d. Volksp.), betreffend die Herabminderung der Offizierspensionierungen, folgender Antrag des Abg. Gröber (Zentr.) vor:

„Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, darauf hinzuwirken, daß die vom Bundesrath festzustellenden allgemeinen Grundsätze über die Besetzung der Subaltern⸗ und Unterbeamtenstellen bei den Kommunalbehörden, sowie bei den aus Mitteln der Gemeinden unterhaltenen Instituten mit Militäranwärtern 77 des Militär⸗ pensionsgesetzes vom 27. Juni 1871 nach der Novelle vom 22. Mai 1893) unbeschadet der Erreichung des gesetzlichen Zweckes einer ausreichenden Versorgung der Militäranwärter eine Fassung er⸗ halten, welche eine wesentliche Einschränkung des Selbst⸗ verwaltungsrechts der Gemeinden vermeidet und die Verschiedenheit der Verhältnisse in den einzelnen deutschen Bundesstaaten thunlichst berücksichtigt. 8

Bis zum Schluß des Blattes nahmen die Abgg. Bebel

(Soz.) und Galler (d. Volksp.) das Wort.

Im Hause der Abgeordneten stattete in der heu⸗

tigen (35.) Sitzung, welcher der Justiz⸗Minister Schönstedt beiwohnte, der Präsident von Köller zunächst im Auftrage des Präsidenten des Staats⸗Ministeriums, Reichskanzlers Fürsten zu Hohenlohe dem Hause dessen verbindlichsten Dank für die Glückwünsche zur Feier der goldenen Hochzeit ab, worauf das Haus die zweite Berathung des Staatshaus⸗ halts⸗Etats für 1897/98 beim Justiz⸗Etat fortsetzte.

Bei den Remunerationen der Beamten der Amts⸗ anwaltschaft lenk

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons.) die Aufmerksamkeit auf das Uebermaß an Bureauthätigkeit und Schreiberei, welches den Amtsvorstehern aus der großen Zahl von Ermittelungen, Vernehmungen und Erhebungen erwachse. Ferner sei es an vielen leineren Amtsgerichten nur sehr schwer oder auch garnicht möglich, für die Wahrnehmung der Geschäfte der Amtsanwalte geeignete Per⸗ sonen zu gewinnen. Andererseits seien viele Gerichts⸗Assessoren nicht hinreichend beschäftigt, und sie müßten mehr unent⸗ geltliche Geschäfte verrichten, als ihren Interessen entspreche. Im Interesse der Justizpflege solle man daher an einer Reihe kleinerer Amtsgerichte die Assessoren mit der Thätigkeit der Amts⸗ anwalte betrauen. Dadurch würden diese Geschäfte in sachverständiger Weise erledigt werden, und es würde auch ein Gleichgewicht zwischen der Macht der Anklaebehörde und der Vertheidigung im Prozesse hergestellt werden, während jetzt die Macht der Vertheidigung überwiege. Diese Assessoren könnten zugleich die Geschäfte der Amtsvorsteher für die gerichtliche Polizei übernehmen. Das würde zur Folge haben, daß nicht mehr in so vielen Fällen eine Anklage erhoben würde, in welchen es nicht angebracht sei. So ent⸗ ständen Ersparnisse an Gerichtskosten und Zeugengebühren; denn die Kosten für die ehrenamtliche Wahrnehmung aller dieser Geschäfte stellten sich noch höher als die Diäten der Assessoren. Die Justiz⸗ verwaltung solle mit diesen Vorschlägen einen uch machen; auch hier gehe Probieren über Studieren.

Justiz⸗Minister Schönstedt: Seit Jahren ist die Staatsregierung bemüht, die Amtsvorsteher von gerichtlichen Requisitionen möglichst zu entlasten. Sie sollen nur dann zur gerichtlichen Polizei zugez werden, wenn andere geeignete Organe nicht zur Verfügung ste In den Jahren 1881 und 1882 haben wir Verfügungen er⸗ lassen, daß die Requisition der Amtsvorsteher zu umfang⸗ reichen Ermittelungen und Vernehmungen in schwierigen juri⸗ stischen Fragen möglichst vermieden werde. Diese Verfügungen habe ich im vorigen Jahre wieder in Erinnerung gebracht. Wie dies bis jetzt gewirkt hat, weiß ich nicht; einzelne Beschwerden werde ich gern prüfen und berücksichtigen. Die Anregungen des Abg. von Zedlitz bezüglich der Amtsanwalte werde ich in Erwägung zieben. Thatsächlich sind schon in 15 oder 16 Orten besondere Anwalte angestellt; bei einer größeren Zahl von Staatsanwaltschaften sind die Geschäfte der Amtsanwalte mit denen der Staatsanwalte vereinigt. Für kleinere Amtsgerichte ist der Versuch gemacht worden, Gerichts⸗Assessoren mit

eestellt, aber abgelehnt worden sind,

Geschäften der Amtsanwalte zu betrauen, aber u. weil die Assessoren nach den bestehenden gesetzlichen Bestim⸗ en keinen Anspruch auf Anrechnung dieser Beschäftigung auf ihr viasalter haben. Ob es sich empfiehlt, ihnen auch die gerichtlichen fte der Amtsvorsteher zu übertragen, ist mir doch zweifelhaft; indessen werde ich der Frage näher treten. bg. Seydel⸗Hirschberg (nl.) wünscht, daß die Stellen der nwalte, che die Beamten voll beschäftigen, zu etatsmäßigen t würden, und richtet an die Regierung die Anfrage, ob es sesclich siskalische Gründe seien, welche dies verhinderten. 4

Geheimer Ober⸗Justiz⸗Rath Vierhaus: Fiskalische Gründe

baben in dieser Frage keine Rolle gespielt. Bei der in diesem Etat ehenen Schaffung von etatsmäßigen Stellen handelt es sich um

eine neue Organisation, mit welcher wir seit 1894 einen Versuch

machen, der bis jetzt gelungen ist. 8

Bei den sächlichen Ausgaben macht

Abg. Knebel (nl.) darauf aufmerksam, daß die Thätigkeit der Schiedsmänner in 2— Rechtestreitigkeiten sich stetig ver⸗ mindere. Die Zahl der bei Schiedsmännern anhängigen bürger⸗ lichen Streitigkeiten sei von 1887 bis 1895 von 36 000 auf 18 900 und die Zahl der zustande gekommenen Vergleiche in dieser Zeit von 19 000 auf 9785 gesunken. Man solle die Thätigkeit der Schiedsmänner auf Beleidigungen und Verleumdungen beschränken, da könne ihre Thätigkeit eine sehr segensreiche sein, wenn das geeignete Personal dafür vorhanden sei. Es sei aber zu untersuchen, ob dieser Rückgang emn thatsächlicher sei oder die Angaben der Statistik unrichtig seien. Die Schiedsmänner hätten so viele einzelne Bücher über ihre Ge⸗ scäfte zu führen, daß ihnen die Statistik erschwert werde. Justiz⸗Minister Schönstedt: Die Justizverwaltung hat auch zu ibrem Bedauern einen Rückgang der Thätigkeit und Erfolge des Schiedsmanns⸗Instituts feststellen müssen. Die Ursachen dafür haben wir nicht ermitteln können. Vielleicht hat bei der Ein⸗ fübrung die Neuheit des Instituts stärker gewirkt als jetzt, vielleicht ist auch bei der Steigerung der Anforderungen an die Selbsever⸗ waltung die Auswahl der geeigneten Personen schwerer geworden. Wegen der Verschiedenheit der persönlichen Anlagen ist die Thätig⸗ keit der Schiedsmänner eine ganz verschiedene gewesen.

Bei dem Kapitel „Besondere Gefängnisse“ bemerkt

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Herr Brütt hat bei dem Etat des Ministeriums des Innern die Uebertragung des gesammten Ge⸗ fängnißwesens auf das Ministerium des Innern empfohlen. Wenn wir das Gefängnißwesen einer einheitlichen Verwaltung mterstellen wollen, so kann für mich dabei nur das Justiz⸗Ministerium in Betracht kommen. Auch in Frankreich strebt nan dahin, das Gefängnißwesen dem Justiz⸗Ministerium zuzutheilen. Strafzuerkennung und Strafvollzug müssen von einer Stelle aus ver⸗ waltet werden. Das Ansehen des Richterstandes wird nicht erhöht, wenn wir der Justizverwaltung den Strafvollzug entziehen.

Justiz⸗Minister Schönstedt: Diese Frage schwebt fast seit tinem Jahrhusdert. Das Staats⸗Ministerium hält den bestehenden Dualismus nicht für wünschenswerth, der Streitpunkt ist nur der, welchem Ressort das Gefängniß zugetheilt werden soll. Die Anschauung darüber schwankt. Auf Antrag Windthorst’s hat dies Haus schon einmal beschlossen, as Gefängniß⸗ wesen unter einer Verwaltung zu vereinigen, dagegen wurde der Theil des Antrages abgelehnt, welcher dafür das Justizressort empfabl. Die Justiz hat schon einen großen Theil der Gefängnisse unter ihrer Verwal⸗ tung und sich stets dieser Aufgabe voll gewachsen erwiesen und hat keinen Ver⸗ gleich mit den Gefängnissen, die dem Ministerium des Innern unterstehen, in scheuen. Ein Votum der Justizverwaltung in dieser Frage ist vorbereitet und steht bevor. Es entspricht der Natur der Verhältnisse, daß die Strafvollstreckung derselben Verwaltung untersteht, wie die Urtheilsfällung. Die Gerichtsorgane müssen selbst einen Einblick in das Gefängnißwesen erhalten, um die Wirkungen der Strafe erkennen zu können.

Abg. Dr. Sattler (nl.): Der Streit der Meinungen hat die Erledigung so lange verzögert. Die einheitliche Gestaltung ist die Hauptsache. Die Frage des Ressorts kommt erst in zweiter Linie.

Abg. Brütt (fr. kons.) widerspricht der Ansicht, daß es im Interesse des Ansehens des Richterstandes liege, das Gefängnißwesen dem Justiz⸗Ministerium zu unterstellen. Darum könne es sich bei dieser Frage gar nicht handeln.

Abg. Dr. Stephan⸗Beuthen (Zentr.) bemängelt, daß in Beuthen für die Seelsorge unter den katholischen Gefangenen nicht in hin⸗ reichendem Maße gesorgt sei, und wünscht die Anstellung eines katho⸗ lischen Gefängnißgeistlichen daselbst.

Justiz⸗Minister Schönstedt tbeilt mit, daß Erhebungen dar⸗ iber bereits stattfänden, aber noch nicht abgeschlossen seien. Die stidtischen Geistlichen in Beuthen seien allerdings nicht mehr in der Lage, diese Seelsorge mit auszuüben, und die Verwaltung sei sich itrer Pflicht bewußt, die ausreichende Seelsorge zu beschaffen.

Das Kapitel und der Rest der dauernden Ausgaben werden bewilligt. 1

(Schluß des Blattes.)

Dem Hause der Abgeordneten ist der von dem Herren⸗ zause genehmigte Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Erweite⸗ tung des Stadtkreises Breslau, zugegangen.

eydebrand und der Lasa und geordneten folgender Antrag

Von den Abgg. Dr. von sen ist im Hause der cht worden:

das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:

die Königliche Staatsregierung aufzufordern, dem Landtage

baldigst einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den

a. die bisher in Kap. 124 Tit. 2 des Etats des Ministeriums der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten zur Bestreitung eines ausreichenden Einkommens der Geistlichen ausgeworfenen Staatsmittel behufs Gewährung von Aufbesserungszulagen an bestehende Pfarreien und von Alterszulagen an Pfarrer wesentlich erhöht werden,

b. diese Staatsmittel in einer festen Summe den geordneten Organen der evangelischen Landeskirchen und der katholischen Kirche zur eigenen Verwendung nach bestimmten, staats⸗ gesetzlich festzustellenden Grundsätzen überwiesen werden.

Arbeiterbewegung.

„In Magdeburg haben, einer Mittbeilung der „Madbg. Ztg.“ infolge, mehr als 100 Arbeiter am Neustädter Hafen die Arbeit riedergelegt, welche höheren Lohn forderten. Es handelt sich vor⸗ wiegend um Salpeterträger, welche die Preise für ihre durch den Frost Lschwerte Arbeit für zu niedrig halten. Die Arbeiter haben das Dafengelände nicht gleich verlassen, doch bewahrte man überall Ruhe. —, Wie „W. T. B.“ meldet, ist dieser Ausstand bedeutungslos, da reichlich Ersatz vorhanden ist, zumal die Schiffahrt ruht. 3 In Schwedt a. O. befinden sich seit dem 14. Februar die ummerer, an Zahl 60 Mann, im Ausstande, von welchen, wie der „Vorwärts“ berichtet, 36 der sozialdemokratischen Organisation ange⸗ bren. Ihre Forderungen, die den Unternehmern im vorigen Monat 1 lauten in der Hauptsache: Jednstündige Arbeitszeit und 30 Mindestlohn die Stunde. 3i In Leipzig ist, der „Lpz. Zig.“ zufolge, der Ausstand der nmerleute auf dem Ausstellungeplatze nunmehr endgültig beendet e Nr. 41 d. Bl.). Die Tabackarbeiter nahmen in einer zensammlung Stellung zu dem Ausstande der Arbeiter der Leipziger eeern Haschke in ihrer Filiale zu Wintersdorf i. Altenb., Arbeiter Mitte Januar die Arbeit nieder⸗ haben, weil ibnen die vorher zugesagte Zulage eder abgezogen worden ist. Herr Haschke hat ie Gehilfen⸗Lohnkommission die Bewilligung der Forde⸗

theilweise zugesagt. Die Versammlung gab sich hiermit aber icht zufrieden, sondern ersuchte in einer Resolution sämmtliche Arbeiter und Arbeiterinnen der Firma Haschke, falls diese innerhalb zwei Wochen die geri Forderungen nicht Lerüh igen sollte, auch ihrerseits, gleich den Win orfer Kollegen, höhere Lohnsätze zu verlangen. (Vgl. Nr. 22 d. Bl.) 1 8 8 In Oppach (Kr.⸗H. Bautzen) befinden sich, einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge, die Arbeiter der Schmidt schen Spenit⸗ Werkstelle seit Montag im Ausstande. Als Ursache wird die des Unternehmers, die sehr gedrückten Löhne um 12 % zu erhöhen, angegeben. 1 5 Aus New⸗Castle meldet „W. T. B.: „Die Arbeiter an den Schiffswerften der Nord⸗Ost⸗Küste haben das Anerbieten der Arbeitgeber, ½ Krone Zulage für die Woche, angenommen. Hier⸗ durch ist einem großen Ausstande vorgebeugt worden.

Kunst und Wissenschaft.

Der ordentliche Professor der Mathematik an der hiesigen Uni⸗ versität Dr. Weierstraß ist gestern Nachmittag um 1 Uhr hoch⸗ betagt gestorben. Karl Theodor Wilhelm Weierstraß wurde am 31. Oktober 1815 zu Osterfelde im Regierungsbezirk Münster peboren, studierte 1834 bis 1838 zu Bonn Rechts⸗ und Kameralwissenschaften, folgte indessen bald seiner Neigung zu mathematischen und physikali⸗ schen Studien, denen er sich sodann 1838 bis 1840 auf der Akademie zu Münster gänzlich widmete. Nach Beendigung derselben wurde er zunächst Gymnasiallehrer in Münster, 1842 zu Deutsch⸗Krone, 1848 in Braunsberg, 1856 Professor der Mathematik am hiesigen Gewerbe⸗Institut. Im Jahre 1864 wurde er als ordentlicher Professor an die Berliner Universität berufen. Seine wissenschaftlichen Arbeiten, die sich meist auf die allgemeine Funktionslehre beziehen, erschienen in Crelle's „Journal für reine und angewandte Mathematik“, das er mit Kronecker zusammen redigierte, in den „Abhandlungen“ der Berliner Akademie der Wissenschaften, deren Mitglied er war, und in einem besonderen Bande gesammelt als „Abhandlungen aus der Funktionslehre“ (Berlin 1886). Seit 1894 wurden die mathematischen Werke des Ge⸗ lehrten, unter Mitwirkung einer von der Königlich preußischen Akademie der Wissenschaften eingesetzten Kommission (Abhandlungen 3 Bände, Vorlesungen 5 Bände) publiziert. Professor Weierstraß war Ritter der Friedensklasse des Ordens pour le mérite, Mitglied der Akademie der Wissenschaften, Besitzer der goldenen Medaille für Wissenschaft und gehörte mit du Bois⸗Reymond, Bunsen und William Thomsen zu den ersten Inhabern der Helmholtz⸗Medaille. Sein im Auftrage des Ministeriums der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten von dem Maler von Voigtländer ausgeführtes Porträt wurde gelegentlich seines 80. Geburtstages der Galerie berühmter Zeitgenossen in der Königlichen National⸗Galerie eingereiht.

Die am Donnerstag Vormittag auf dem Uebungsplatz der schiffer⸗Abtheilung in Schöneberg, in Gegenwart Seiner Majest Kaisers und Königs und der Botschafter von Frankreich und Ruß 3 zur Ausführung gekommenen, seitens der internationalen aeronautischen Kommission vorbereiteten wissenschaftlichen Ballonfahrten haben folgenden Verlauf genommen. Der Militär⸗ ballon „Condor“, in dessen Korb sich der Premier⸗Lieutenant von Kehler und Dr. Süring vom Meteorologisch⸗Magnetischen Observatorium in Potsdam befanden, erreichte eine Höhe von 3700 m und landete gegen Abend bei Schneidemühl. Der neue Registrierballon „Cirrus II“ zerriß beim ersten Aufstieg und fiel sofort wieder zur Erde. Ein Theil der Registrier⸗Instrumente desselben wurde in einen andern sofort gefüllten Militärballon gehängt, welcher dann gegen 11 Uhr aufstieg und bei Seeren, Kreis Ost⸗Sternberg, aufgefunden wurde. Ein dritter Militärballon, in dessen Gondel sich Herr Berson, wissenschaftlicher Hilfsarbeiter beim Meteorologischen Institut, befand, erreichte eine Höhe von 4600 m und landete um 6 Uhr bei Nakel.

Aus Paris meldet „W. T. B.“: Der vorgestern aufgestiegene Registrierballon „Aerophile“ erreichte eine Höhe von 10 000 m Die niedrigste verzeichnete Temperatur betrug 60 Grad. Der Ballon ist vollständig zerstört. Seine rothe Fahne blieb an Telegraphen⸗ drähten hängen; der Maschinist eines Personenzuges hielt sie für ein Alarmsignal und brachte seinen Zug zum Stehen. vA“

†† Die zur engeren Konkurrenz für ein Helmholtz⸗Denkmal zugelassenen Entwürfe der Bildhauer Janensch, Perter und Lessing waren am 18. Februar im großen Sitzungssaal des Ministeriums der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten der Besichtigung zu⸗ gänglich gemacht. Janensch hat zwei Ausführungen zur Auswahl gestellt, von denen sich die zweits durch einen einfacher und niedriger gehaltenen Sockel vortheilhaft vor der ersten auszeichnet. Die Figur des Gelehrten ist in beiden Entwürfen die gleiche. Trotz der etwas gewaltsamen Erregung, die in der Haltung und dem vorgereckten Kopf zum Ausdruck kommt, imponiert die Gestalt durch monumentale Geschlossenheit des Konturs. Die feierliche Gelehrten⸗ tracht des Talars ist den Künstlern vom Denkmalscomité vor⸗ geschrieben und kommt dem plastischen Aufbau des Ganzen zu gute. Der rechte Arm mit einem Buch stützt sich auf eine Stele, während die Linke mit nervöser Beweglichkeit zurückgestreckt ist. Das Motiv entspricht etwa einem bildenden Künstler, der vor seinem vollendeten Werk den Abstand prüft, aus dem es betrachtet werden soll. Die allegorischen Flachreliefs, die den steileren Sockel des ersten Entwurfs schmücken, versinnlichen die wichtigsten Errungenschaften der Forschung Helmholtz’. Sehr viel glücklicher in den Maßverhältnissen erscheint, wie schon gesagt, die zweite Lösung mit dem niedrigeren schmucklosen Piedestal, das auch in der Profilierung einfacher gehalten ist. Wenn sich Janensch entschließen könnte, für die Ausführung dieses Entwurfs den porträt⸗ ähnlicheren Kopf seiner Arbeit für die erste Konkurrenz zu wählen und die Erregtheit des Bewegungsmotivs etwas zu dämpfen, dürfte sein Helmholtz Denkmal ohne Bedenken in die erste Reihe unserer öffentlichen Monumente gestellt werden. Der Entwurf Herter's zeigt auf einem sehr schmalen und hohen Sockel den Physiker in demonstrierenden Haltung; die Linke ruht auf einem Postament. Am meisten fesselt der ausgezeichnet getroffene Kopf mit seiner hohen durchgebildeten Stirn und dem tief eindringenden Blick des Auges. Dagegen ist die Silhouette der ganzen Figur etwas ein⸗ tönig, der allzu massigen Gestalt fehlt die Elastizität. Sehr ent⸗ behrlich erscheinen auch hier die Sockel⸗Reliefs, die den Gelehrten am Experimentiertisch und im Arbeitszimmer zeigen: eine Wiederholung der Hauptgestalt, die der Einheitlichkeit des Ganzen Eintrag thut. Wenngleich es scheint, als ob alle drei Bewerber bei den Proportionen der Figur des Dargestellten sich nicht ganz an die Natur gehalten haben, so tritt das doch am stärksten in dem Entwurf von Otto Lessing hervor. er Kopf, der im übrigen auch wenig Porträtähnlichkeit zeigt, ist viel zu klein gerathen. Helmholtz, der hier ein Jaquet unter dem an der Seite offen stehenden Talar trägt, steht mit dozierender Geberde frei neben einem Stoß Bücher. Sehr lebendig ist die Behandlung des Gewandes, recht ausdruckslos und dürftig dagegen der Reliefschmuck mit der In⸗ schrift an der Stirnseite des Postaments, das übrigens gleich dem Herter's zu schmal und hoch erscheint. Soweit sich aus Entwürfen ein Urtheil über die schließliche Wirkung eines Denkmals gewinnen läßt, dürfte die zweite Arbeit Janensch's einer befriedigenden Lösung der schwierigen Aufgabe am nächsten kommen.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Vereinigte Staaten von Amerika. Durch Zirkular des Treasury Department vom 18. v. M. werden die für Cholera gegebenen Quarantäne⸗Vorschriften vom 26. April 1894 auf Herkünfte auscpestverseuchtein oder verdächtigen Häfen ausgedehnt. g

Ernteergebniß Irlands im Jahre 18b595.

Einer über die Anbauflächen und den Ernteertrag Irlands ver⸗ öffentlichten Statistik entnehmen wir folgende Angaben: 11“ Anbaufläche Ernteergebniß

in Cwts. 1895 1896 1895 36 532 639 673 594 027 1 216 401 17 008 134 18 221 202 171 650 3 142 580 2 845 172 11 520 174 673 153 867 in Tonnen 710 486 2 701 000 3 472 015

Verkehrs⸗Anstalten.

Ueber die Absichten der Reichs⸗Telegraphenverwaltung bezüglich der Verwendung der Mittel, welche in den Reichshaushalt für das Jahr 1897/98 zur Vervollständigung der Telegraphen⸗ anlagen eingestellt worden sind, erfahren wir Folgendes:

Zunächst soll, sofern der Etat auch in dritter Lesung die Ge⸗ nehmigung des Reichstages erhält, der Telegraphenbetrieb bei 420 Post⸗ anstalten eingerichtet werden, von denen nur 2 in Städten, die übrigen aber sämmtlich auf dem Lande gelegen sind. Dadurch wird die Zahl der Telegraphenanstalten auf 14 606 vermehrt werden. Um diese neuen Telegraphenanstalten an das bestehende Telegraphen⸗ netz anzuschließen, sind 1233 km Gestänge mit 1558 km Draht⸗ leitungen herzustellen. Außerdem erfordert aber das stetige Anwachsen des Verkehrs die Schaffung neuer unmittelbarer Leitungen, damit die Beförderung besonders auf weite Entfernungen nicht durch die Ueber⸗ lastung der vorhandenen Leitungen verzögert wird. Solche Ent⸗ lastungsleitungen sind in Aussicht genommen von Berlin nach Kiel und Frankfurt a. M., von Frankfurt a. M. nach Saarbrücken, von Leipzig nach Wien, von Chemnitz nach München, von Saarbrücken nach Ludwigshafen u. a. m. Im Ganzen sind für diese Zwecke rd. 440 km Gestänge und 4000 km Drahtleitung erforderlich.

Auch für die Ausdehnung des Fernsprechwesens ist Vorsorge getroffen. Für 49 Orte ist die Herstellung von Stadt⸗Fernsprech⸗ einrichtungen in Aussicht genommen, so daß nach Vollendung dieser Erweiterung 539 Orte im Besitze von Stadt⸗Fernsprechanlagen sein werden. Wieweit die Entwickelung des Fernsprechwesens im Reichs⸗ Telegraphengebiet fortgeschritten ist, beweist, daß unter obigen 49 Orten sich bereits solche mit 1300 Einwohnern befinden. Dem von allen Seiten hervortretenden Drängen nach Zulassung des Sprechver⸗ kehrs zwischen Orten, die in größerer Entfernung von einander liegen, soll durch die Herstellung einer Anzahl von Verbindungs⸗ leitungen, soweit die Mittel es gestatten, Rechnung getragen werden. Davon ist in erster Reihe die Leitung Berlin Budapest zu nennen, die auf wiederholtes dringendes Ansuchen der ungarischen Regierung hergestellt werden soll. Ferner ist in Aussicht genommen der Bau von Verbindungsanlagen, unter anderen von Berlin nach Stettin und Kiel, von Magdeburg nach Hannover, Halle und Leipzig, Breslau Gleiwitz, Koblenz Metz, Mannheim —Duisburg, von Köln (Rhein) nach Dortmund und Essen (Ruhr), von Minden (Westf.) nach Han⸗ nover und Osnabrück, Flensburg Apenrade, Schleswig Husum, Hamburg Lübeck, von Straßburg (Els.) nach Schirmeck und Hagenau u. a. m. Zur Vermehrung der Verbindungsanlagen ist nöthig, die Herstellung von rund 1560 km Stangenlinie und 11 420 km Draht⸗ leitung, im Ganzen also 3233 km Stangenlinie und 16 978 k khm Leitung. Hiermit wird freilich den an das Reichs⸗Postamt gelangten An⸗ trägen noch lange nicht Genüge gethan; im Gegentheil haben mit Rücksicht auf die etatsmäßigen Mittel eine Anzahl größerer und wichtiger Anlagen, vorläufig bis zum nächsten Jahr, zurückgestellt werden müssen, von denen wir nur Frankfurt a. M. Wien und Berlin— Brüssel nennen wollen.

In welchem Maße weite Erwerbskreise an der Ausführung der obigen Pläne betheiligt sind, lehrt ein Blick auf die dazu erforder⸗ lichen Materialien. Die Reichs⸗Telegraphenverwaltung hat für das nächste Jahr zu beschaffen (in runden Zahlen) 130 000 hölzerne Stangen, 10 000 eiserne Rohrständer, 1,5 Millionen Kilo Eisen⸗ und 1,2 Millionen Kilo Bronzedraht, 300 000 Stück Isokationsvorrichtunge sowie die erforderlichen Telegraphen⸗ und Fernsprechapparate, welch ebenfalls ausschließlich von der Privatindustrie geliefert werden.

Wie alljährlich, sind auch jetzt alle Vorbereitungen getroffen, um die Ausführung der geplanten Anlagen, wenn der Reichstag in der dritten Lesung des Etats für die gedachten Zwecke dieselben Summe bewilligt, die in zweiter Lesung bewilligt worden sind, sofort nach de Veröffentlichung des Etatsgesetzes überall in Angriff nehmen zu können.

Osterode i. Ostpr., 19. Februar. (W. T. B.) Die durch Schneeverwehung verursachte Betriebsstörung auf der Strecke Hohenstein i. Ostpr. Soldau ist wieder beseitigt.

Bremen, 20. Februar. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. SD. „Trave“ hat 18. Febr. Vm. Reise v. Southampton n. New⸗York fortges. PD. „München“, v. Baltimore kommend, 18. Febr. Abds. auf Weser angek. PD. „Hohenstaufen“, n. Brasilien best, 18. Febr. Nm. in Oporto angek. PD. „Witte⸗ kind“, n. d. La Plata best., 18. Febr. Abds. Las Palmas passiert PD. „Halle“ 18. Febr. Mrgs. v. Baltimore n. Weser abgeg. PD. „Stuttgart“ 18. Febr. Mttgs. v. New⸗York n. Weser abgeg. PD. „H. H. Meyer“, v. New⸗York kommend, 18. Febr. Nm. Eastbourne passiert. RPD. „Darmstadt“, vp. Australien kommend, 19. Febr. Mrgs. in Antwerpen angek. D. „Wartburg“, v. Brasilien kommend, 19. Febr. Mrgs. in Hamburg angek. SD. „Fulda“ hat 19. Febr. Mttgs. Reise v. Neapel n. Genua fortges.

Hamburg, 19. Februar. (W. T. B.) Hamburg⸗Amerika⸗ Linie. Der PD. „Armenia“ hat heute 11 Vm. Prawle Point

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passiert. PD. „Patria“, von Hamburg kommend, ist gestern Nm. in New⸗York eingetroffen.

London, 19. Februar. (W. T. B.) Castle⸗Linie D. „Pembroke Castle“ hat heute auf der Ausreise die Cana⸗- rischen Inseln passiert. D. „Dunvegan Castle' ist heute auf der Ausreise von London abgegangen. D. „Norham Castle“ ist heute auf der Ausreise in Durban (Natal) angekommen. D „Arundel Castle“ hat heute auf der Heimreise die Canarischen Inseln passiert.

Rotterdam, 19. Februar. (W T. B.) Holland⸗Amerika⸗ Linie. D. „Amsterdam“, von Rotterdam nach New⸗York, hat gestern Abend Scilly passiert.

Theater und Mufsik.

3 Konzerte. 1 Herr Edouard Risler aus Paris, der sich schon in einem der Philharmonischen Konzerte durch die Art und Weise, wie er das G-dur- Konzert von Beethoven wiedergab, vortheilhaft einführte, dokumentierte sich am Donnerstag im Saal Bechstein speziell als Interpret dieses Meisters. Vier Beethoven'sche Sonaten mit allen ihren Sätzen hinter einander vorzuführen, setzt bei den Zuhörern doch eine große Aufnahmefähigkeit voraus. Allerdings boten Hans von Bülow wie Rubinstein oft das Doppelte an einem Abend; Herrn Risler's Be⸗ gabung und sein Können berechtigen ihn aber auch zu solchem Unterfangen. Er hat sich in Beethoven's Ideenwelt und in seinen Stil vollkommen eingelebt, und sein Spiel verräth reiches, inneres Gefühlsleben und vornehme Geschmacksbildung. Seine Auf⸗ fassung nähert sich eher der objektiveren Bülow's, während ihn von Rubinstein's himmelstürmender Leidenschaft eine Kluft trennt. Die As-dur-Sonate mit den Variationen und dem Trauermarsch ge⸗ lang besonders gut. Die reich figurierten Schlußsätze geben dem Spieler stets Gelegenheit, seine Fertigkeit leuchten zu lassen Dem Konzertgeber ist nachzurühmen, daß er in ihnen die Tempi nicht überhastete, wie es jetzt gewöhnlich geschieht; das Rondo der Waldstein⸗Sonate gewann dadurch ungemein. An dem⸗