b;
.
neues, besonderes Gebäude dafür errichtet werden, wenn nicht jetzt zugleich für das S und Amtsgericht gesorgt werde. Abg. Dr. Friedberg (nl.) fragt an, in welchem Stadium der — sich das Projekt eines neuen Gerichtsgebäudes in Halle a. S. efindet.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meeine Herren! Das dringende Bedürfniß eines Neubaues sowohl für das Amtsgericht, als für das Gefängniß in Halle wird seitens der Königlichen Staatsregierung nach wie vor anerkannt. Die Verhand⸗ lungen über einen solchen Neubau sind im Gange. Schwierigkeiten macht die Erwerbung des Bauplatzes. Darüber schweben zur Zeit Verhandlungen, die nach den mir zugegangenen Mittheilungen einen baldigen Abschluß erhoffen lassen.
Zu den Positionen für den Umbau des Amtsgerichts in Querfurt und für den Neubau des Amtsgerichts in Mansfeld, welche die Budgetkommission zu streichen beantragt, bemerkt der
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Von seiten der Königlichen Staatsregierung wird den Anträgen der Kommission nicht widersprochen. Es sind bereits auf anderer Grundlage Verhandlungen eingeleitet und voraus⸗ sichtlich wird es gelingen, in einer den allseitigen Interessen mehr zu⸗ sagenden Weise dem Bedürfniß nach einem neuen Amtsgerichtsgebäude in Querfurt zu genügen.
Bezüglich des Neubaues des Amtsgerichtsgebäudes in Mans seld speziell bemerkt der Justiz⸗Minister Schönstedt weiter:
Meine Herren! Auch zu diesem Punkt kann ich die Annahme der Kommissionsanträge nur anheimstellen, so sehr ich es bedaure, daß dadurch die Gefahr einer längeren Fortdauer der in der That unzu⸗ träglichen Zustände auf dem Amtsgericht in Mansfeld herbeigeführt wird. Das Eine aber halte ich mich für verpflichtet im Interesse der Staatsregierung zu sagen, daß wegen der Wahl des Bauplatzes die Staatsregierung kein Vorwurf trifft. Sie hat den Platz angenommen, den der Magistrat als geeignet bezeichnet und ihr angeboten hat. In⸗ zwischen haben sich die Anschauungen der städtischen Körperschaften geändert, und das, was früher als geeignet bezeichnet war, wird jetzt als im hohen Grade ungeeignet von den Vertretern der städtischen Behörden bezeichnet. Die Staatsregierung fügt sich in soweit den Wünschen der städtischen Vertreter, in der Hoffnung, daß es gelingen wird, einen anderen besser geeigneten Platz ausfindig zu machen, wobei allerdings recht große Schwierig⸗ keiten zu überwinden sein werden, die sich ergeben aus der Bauart der Stadt, aus den Bergbau⸗ und Wasserverhältnissen. Hoffentlich gelingt es, diese Schwierigkeiten so bald zu überwinden, daß auf die nothwendige Abhilfe nicht noch lange gewartet zu werden braucht.
Beide Positionen werden gestrichen. Die zu der ersteren Position eingegangenen Petitionen um Ablehnung der Forde⸗ rung und Errichtung eines Neubaues werden der Regierung zur Erwägung überwiesen.
Abg. Brütt (fr. kons.) wünscht eine Vergrößerung des Gerichts⸗ gebäudes in Rendsburg durch einen Anbau.
Jlustiz⸗Minister Schönstedt:
Ich werde die Angelegenheit prüfen lassen und, soweit nothwendig und möglich, für Abhilfe sorgen.
Abg. von Knapp (nl.) wünscht einen Neubau für das Amts⸗ gericht in Barmen auf dem zuerst dafür in Aussicht genommenen Platz.
AIustiz⸗Minister Schönstedt:
Zu dieser positiven Auskunftsertheilung bin ich zu meinem Be⸗ dauern nicht im stande. Die Sache liegt eben so, wie sie seitens des Herrn Abg. von Knapp dargestellt worden ist. Der Fiskus hatte einen für die Eisenbahnverwaltung entbehrlich gewordenen Platz an der Stelle des alten Rheinischen Bahnhofs, glaube ich, zur Verfügung, der den Behörden annehmbar erschien. Nachher hat sich nun ein großer Streit in Barmen erhoben, namentlich der öftliche
Stadttheil macht sehr scharfe Opposition, aber auch da
sind die Meinungen verschieden. Ich könnte mich dafür, daß der in Aussicht genommene Platz nicht so ganz schlecht ist, auf die Erklärung des Herrn Abg. von Eynern berufen, der seiner Zeit für diesen Platz eingetreten ist. (Heiterkeit.) Inzwischen verschließt sich aber die Königliche Staatsregierung keineswegs den Bedenken, die von anderer Seite vorgebracht sind; und es schweben jetzt Verhandlungen darüber, ob nicht der von der Stadt angebotene Platz für die Regierung auch annehmbar ist und ob die für seine Uebernahme gestellten Bedingungen erfüllt werden können.
Abg. Böttinger (nl.) bemängelt die baulichen Verhältnisse des Gerichtsgebäudes in Elberfeld und beklagt es, daß die Parteien so lange warten müssen, weil zu viele Prozeßtermine auf einunddieselbe Stunde angesetzt werden.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Ueber die baulichen Wünsche des Herrn Abg. Böttinger kann ich mich heute nicht äußern. Die Zustände in Elber⸗ feld sind allerdings nicht gerade ideal, aber sie lassen sich doch er⸗ tragen. Der von Herrn Abg. Böttinger angeregte Punkt, daß mehr Rücksicht genommen werden möge auf die richtige Zeitbestimmung bei der Ladung der Zeugen u. s. w., hängt zwar nicht unmittelbar mit dem außerordentlichen Etat zusammen; ich kann aber erklären, daß über diese Frage schon generelle Verfügungen erlassen worden sind, die leider in der Praxis nicht den Erfolg gehabt haben, den wir davon erhofft und gewünscht haben. Ich bin bereit, die Sache noch⸗ mals in Erinnerung zu bringen und würde mich freuen, wenn ich damit einen besseren Erfolg hätte.
Es folgt der Etat der Gestütverwaltung. Bei den Einnahmen bittet
Abg. Herold (Zentr.) um Berücksichtigung des Wunsches des landwirthschaftlichen Provinzialvereins in Westfalen betreffs Ein⸗ führung des Fohlengeldes in dieser Provinz.
Ober⸗Landstallmeister Graf von Lehndorff erwidert, daß frühere Versuche in dieser Richtung zu einem negativen Resultat feführt haben.
Abg. Freiherr von Dobeneck (kons.) wiederholt seine vor⸗ jährigen Wünsche nach Vermehrung der Mutterstuten in der Provinz Brandenburg. Besonders empfehle sich die Zucht von Landbeschälern. In Ostpreußen habe man bessere Resultate erzielt. Den Gestüts⸗ wärtern müsse die Annahme von Trinkgeldern untersagt werden, bezw. ihr Einkommen erhöht werden.
Ober⸗Landstallmeister Graf von Lehndorff bemerkt, daß in Ostpreußen günstigere Bedingungen für die Zucht von Landbeschälern vorhanden seien. 1 8
Abg. von Axnim (kons.) wünscht, daß mehr stärkere Hengste nach Brandenburg geschickt und daß den Züchtern die im Frühjahr abgekauften I⸗ und nicht erst im Herbst abgenommen würden, wodurch ihnen Mehrkosten erwüchsen.
Ober⸗Landstallmeister Graf von Lehndorff: Wir würden diesem Wunsche gern entsprechen, müßten aber zuvor vom Finanz⸗Minister
die Mittel für Stallung und Futterkosten für sechs Monate bewilligt erhalten.
Abg. von Mendel⸗Steinfels (kons.) beklagt, daß der Import von Pferden den Export bedeutend übersteige. Die Provinzen, welche für die Remonten der Kavallerie sorgen sollen, führt Redner aus, scheinen den Bedarf noch nicht genügend decken zu können. In dieser Hinsicht muß ein größerer Erfolg zu erreichen gesucht werden. Ferner müssen wir einen weiteren Fortschritt in der Züchtung schwerer Arbeits⸗ pferde machen und zwar nicht bloß in qualitativer, sondern auch in quantitativer Beziehung. Wir importieren jährlich Tausende von Pferden aus Dänemark, Frankreich, Belgien, Rußland, die zumeist dem schweren Schlag des Arbeitspferdes angehören. Wir haben im letzten Jahre 85 000 kaltblütige Pferde aus dem Ausland importiert gegenüber 65 000 im Jahre 1893, d. h. 50 % unseres Bebarfs an kalt⸗ blütigen Pferden. Wir müssen selbst mehr produzieren. Der Mangel an Warmblutzucht in den westlichen Landestheilen liegt hauptsächlich daran, daß wir nicht ein hinreichendes Wärter⸗ personal haben. Vor allen Dingen müssen wir die Gestüts⸗ hengste vermehren. Wenn das Angebot von mehr Hengsten he ist, wird sich die Züchtung bei unseren Bauern ver⸗ mehren. Ferner müssen die Pferdezuchtgenossenschaften in weiterem Maße als bisher vom Staate mit Geldmitteln unterstützt werden. Dabei müssen die Zuchtgenossenschaften sich freier bewegen können. Auf die Privatzüchtung durch die Genossenschaften und Pferdezucht⸗ vereine müsse viel mehr Gewicht gelegt werden, denn die Staats⸗ gestüte allein können den Bedarf nicht decken. Ebenso müssen wir die Königlichen Hengste vermehren und ihre Qualität verbessern. Das Entgegenkommen des Staates auf diesem Gebiet wird ein lebhaftes Echo in den weitesten Kreisen unserer Züchter und unserer Bauern⸗ schaft finden. Allenthalben sind die Körungen eingeführt worden, die Folge ist aber, daß ein ganz minderwerthiges Material abgekört wird, und das ist ja auch ganz gut. Die Lücke müsse aber durch Ver⸗ mehrung der staatlichen Hengste ausgefüllt werden. Der Vorwurf, daß die Königlichen Hengste unfruchtbar seien, ist nicht zutreffend, mit den 60 % kann man recht zufrieden sein. Bewegung und gute Fütterung würden gute Dienste thun. Die Privathengste in der Provinz seien auch nicht fruchtbarer als die Königlichen. In den Gestüten dürften nicht der Kaltblüter und der Warmblüter zu⸗ sammenstehen, die heterogene Kreuzung müsse vermieden werden. Die Engländer, Schotten und Amerikaner beachten dieses Prinzip. Man unterscheidet da zwischen Zucht⸗ und Gebrauchspferden. Die Zucht des gewöhnlichen Arbeitspferdes ist der beste Weg zur Zucht des Stangen⸗ pferdes und des Omnibuspferdes. Redner bespricht dann das Umsich⸗ greifen der Borna'schen Krankheit, namentlich in der Provinz Sachsen. Diese Krankheit sei eine Art Genickkrampf. Ein eigener Kommissar der Regierung untersuche diese Krankheit, die unter den Züchtern eine wahre Panik errege. Es müsse ein Quarantänestall errichtet werden, wenn nicht noch weiteres kostbares Material verloren gehen solle. Die Gestütswärter seien viel zu schlecht bezahlt in Bezug auf ihre Leistungen und ihre große Verantwortung. Die Unterwärter in Halle hätten Gehälter von etwas über 40 ℳ monatlich, während der durchschnittliche Tagelohn des Arbeiters 2,50 ℳ betrage. So erkläre sich das Nehmen der Trinkgelder. Im Interesse der Humanität und der hohen Werthe, welche in den Pferden stecken, müßten die Ge⸗ hälter der Wärter erhöht werden. stei Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗
ein:
Meine Herren! Zunächst eine allgemeine Bemerkung über die statistischen Zahlen, die Herr von Mendel vortrug! Wenn ich ihn richtig verstanden habe, führte er an der Hand seiner Zahlen aus, daß wir ungefähr die Hälfte unseres Pferdebedarfs von auswärts ein⸗ führen müssen. Soweit ich seiner Zahlendarlegung gefolgt bin, ist ein Irrthum darin. Er hat das, was wir exportieren, bei seinen Zahlen nicht berücksichtigt; und da handelt es sich um einen Export von 10 000 Pferden. Indessen kommt es ja darauf weniger an; im großen Ganzen kann ich einräumen, daß Deutschland seinen Pferde⸗ bedarf in vollem Umfang nicht deckt. Ich bin aber auch der Meinung, daß es das auch in Zukunft nicht zu thun im stande ist, wenn wir auch Maßnahmen ergreifen, um die Pferdezucht noch mehr wie jetzt zu fördern.
Meine Herren, es ist doch eine zweifellos feststehende Thatsache, daß jede Produktion auf dem Gebiete der Thierzucht nur dann dauernden Erfolg hat, wenn sie erstens lohnend ist, und zweitens, wenn die natürlichen Vorbedingungen für solche Zucht vorhanden sind. Nun werden die Herren, die unser deutsches Vaterland kennen, mir darin beipflichten, daß zweifellos große Theile desselben sich viel mehr für Rindvieh⸗, Schweinezucht als zur Pferdezucht eignen, und daß nur beschränkte Theile durch ihre natürliche Lage, Bodenqualität, Kalkgehalt des Bodens, Weide u. s. w. naturwüchsig für die Pferde⸗ zucht geschaffen sind. So haben sich historisch die Verhältnisse überall entwickelt und werden sich auch ferner so entwickeln.
Dann kommt noch ein Weiteres in Betracht: Auf allen Gebieten der Viehzucht können Sie in kurzer Zeit Rückschritte machen, aber auch in kurzer Zeit erhebliche Fortschritte. Es steht aber fest, daß die Pferdezucht sehr schwierig ist, daß nur da, wo dieselbe Dezennien und vielleicht noch länger betrieben ist, Verständniß dafür besteht, wie Pferde gezüchtet, behandelt, aufgezogen werden müssen, wie in dieser Richtung eine gedeihliche Thätigkeit zu erzielen ist.
Ich streife bei dieser Gelegenheit einen Punkt, den Herr von Mendel hervorhob. Für die Pferdezucht ist die Frage des Wärter⸗ personals von großer Bedeutung. Der Ostpreuße, der Niedersachse sind von Natur Pferdeliebhaber, sind es seit Hunderten von Jahren gewesen. Was man im Hause gelernt, wird Eigenthum, und das bleibt. In Gegenden, wo das nicht anerzogen ist, werden Sie schwer⸗ lich in kurzer Zeit ein Personal, welches unbedingt den Erfordernissen für eine richtig betriebene Pferdezucht genügt, so heranbilden, wie es für die Förderung der Pferdezucht nothwendig ist.
Nun kommt noch ein anderer Gesichtspunkt in Frage. Ich bin der Meinung, daß die Verwendung kaltblütiger Pferde in der Land⸗ wirthschaft nur deswegen wesentlich gestiegen ist, weil man die Pferdewärter für warmblütige Pferde, die man früher ausgiebig finden konnte, nicht mehr findet. Mit warmblütigen Pferden zu arbeiten, dazu gehört Liebe, Passion und Geschick. Mit Ochsen, mit Kaltblütern kann jeder gewöhnliche Tagelöhner arbeiten, mit warmblütigen Pferden nicht. Leider Gottes liegt es aber so, daß die ganze Richtung der Gegenwart dahin geht, sowohl bei den Männern wie bei den Frauen, daß, während man früher es für eine Ehre hielt auf einem Gute, im Pferdestall thätig zu sein, mit Pferden zu arbeiten, jetzt diese Neigung verschwindet, daß Frauen⸗ zimmer, die früher es für eine Ehre hielten, im Vieh⸗ stall zu arbeiten, jetzt es für unter ihrer Würde halten, und daß die Landwirthschaft schwer Leute findet, die, wie früher, mit Lust und Liebe diese Dienste verrichten. Das sind also die allgemeinen Hindernisse, die einer Vermehrung der Pferdezucht nach meiner Auffassung große Schwierigkeiten bereiten, die schwer zu überwinden sind.
Dann hat Herr von Mendel darauf hingewiesen, die Hebung der Pferdezucht sei dadurch zu ermöglichen, daß die Staatsregierung ihr Hengstmaterial bedeutend vermehrt. Soweit wir — das
wird Graf Lehndorff mir bezeugen — die Möglichkeit n
sitzen, hervorragendes Material an Vaterthieren zu be⸗ kommen, kaufen wir solches jetzt schon, und Herr Lehndorff wird mir ferner bezeugen, daß es immer schwieriger wird hervorragendes Hengstmaterial zu bekommen. Nicchtsdestoweniger find aber wie bisher so auch in diesem Etat die Mittel zur Vermehrung der Hengste eingestellt, wenn ich nicht irre, um 56. Also das, wat Herr von Mendel nach dieser Richtung wünscht, beabsichtigt die Staatsregierung zu thun, sie wird auch ferner die erforderlichen Mittel bei der Finanzverwaltung beantragen; aber über das Vor⸗ handensein geeigneter Vaterthiere hinaus Ankäufe zu machen, ist selbst. verständlich ausgeschlossen.
Durchaus richtig hat Herr von Mendel darauf hingewiesen, daß ein schwer wiegender Faktor in der Pferdezucht die Mangelhaftig⸗ keit des Stutenmaterials sei. Wenn man mit aufmerksamem Blich durch unser Vaterland, durch Preußen reist, so sträuben sich einem mitunter die Haare, wenn man sieht, welche mangelhaften Mutter⸗ thiere den Hengsten zugeführt werden. (Sehr richtig! rechts.) Ich habe längere Zeit einen Kreis verwaltet, in welchem fortwährend Beschwerde darüber geführt wurde, daß im Kreise die Pferdezucht nicht vorwärts komme, weil die Qualität der vom Staat aufgestellten Hengste eine zu schlechte sei. Ich wies stets darauf hin, die Qualität der aufzustellenden Hengste müsse dem Stutenmaterial im Kreise entsprechen, nicht das Vaterthier allein mache das Fohlen, sondern die Stute muß auch das Ihrige zu⸗ geben, und das Stutenmaterial im Kreise sei schlecht, und führte ich eine Stutenkörung im Kreise ein, damit man sich überzeuge, wie ge⸗ ring der Prozentsatz tüchtiger Stuten sei. Es gelang mir, eine Zwangskörung nur für die Vorführung herbeizuführen, und hinterher erklärte der ganze Kreis, es wäre geradezu schreckenerregend gewesen, sie hätten keinen Begriff davon gehabt, daß ein solches Schandmaterial von Stuten im Kreise vorhanden sei und daß das die Grundlage der Züchtung gewesen sei. So ist es auch in weiten Theilen des deutschen Vaterlandes, auch speziell in Preußen; die Leute glauben noch immer, vom Hengst allein hänge alles ab. Sie verlangen vom Staat, daß er gute Hengste stellt, aber die Qualität des Hengstes muß sich nach den Stuten richten; sprungweise ist eine Züchtung überall nicht möglich, allmählich muß sich die Qualität verbessern.
Dann hat Herr von Mendel mir vollständig aus der Seele ge⸗ sprochen, indem er auf die Gefahr der heterogenen Züchtung hinwies. Es ist geradezu haarsträubend, wie in Provinzen, wo die Grundlage für eine gute Zucht gegeben ist, wie z. B. in Westpreußen — vielleicht beeinflußt durch nach meiner Ansicht verkehrte Rathschläge — die Leute verleitet werden, mit kaltblütigen Hengsten warmblütige Stuten und noch dazu von geringer Qualität zu decken. Herr von Mendel hat zutreffend dargelegt, daß das erste Züchtungsprodukt meist brauchbar sei, für die Nachzucht sei es aber geradezu verderblich. Was geschieht aber? Alle Ermahnungen, Warnungen in dieser Richtung von zu⸗ ständiger Seite werden überhört, und falschen Rathgebern folgt man. Das Drängen nach Aufstellung von Kaltblütern, um warmblütige Stuten damit zu decken, ist fortwährend im Steigen, weil die Leute glauben, daß sie damit vorwärts kommen. Ich hoffe, daß die Herren, welche aus dem Landtage in die Provinzen heimkehren, dazu beitragen werden, die richtigen Gesichtspunkte zu vertreten und die bedenklichen Bestrebungen, die speziell in Westpreußen gang und gäbe sind, zu bekämpfen, und auf die Gefahren, die damit verbunden sind, hin⸗ zuweisen.
Meine Herren, auf einen ferneren Punkt muß ich noch eingehen, den Herr von Mendel bezüglich Sachsens hervorgehoben hat. Herr von Mendel hat darauf hingewiesen, daß wegen der unter den Pferden dort herrschenden sogenannten Borna'schen Krankheit es wünschenswerth sei, einen Quarantänestall einzurichten. Ich theile mit, daß die Borna'sche Krankheit von den Veterinären an den Thierärztlichen Hochschulen sorgfältigst untersucht wird. Diese Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Ich habe für alle möglichen Versuche erhebliche Mittel bewilligt. Leider scheint es, daß die Krankheit ansteckend ist. Die Anregung, einen Qua⸗ rantänestall einzurichten, werde ich prüfen und event. der Einrichtung näher treten.
Dann hat der Herr Abg. von Mendel über die Gehaltsverhältnisse der Wärter gesprochen. Ehrlich gesagt, bedaure ich das. Leider ge⸗ schehen ähnliche Anregungen immer häufiger. Die Frage der Gehälter⸗ regelung ist meines Erachtens der Initiative der Staatsregierung zu überlassen. Wenn solche Anregungen aus dem Parlamente hervor⸗ gehen, so werden leicht unberechtigte Erwartungen hervorgerufen. Die Staatsregierung hat die Pflicht, für eine angemessene Besoldung ihrer Beamten zu sorgen. Früher war solches Vorgehen, soweit meine parlamentarischen Kenntnisse reichen, nicht Gebrauch. Es hat solches Vorgehen doch seine großen Bedenken. Wenn die Staats⸗ regierung, die gewillt und verpflichtet ist, diese Frage zu prüfen, ihrerseits zu der Ansicht gelangt, sich vom Landtage die Mittel dafür zu erbitten, so hat das keine Bedenken; wenn aber vom Landtage heraus derartige Forderungen gestellt werden und die Staatsregierung ihrerseits der Meinung ist, daß diesen Forderungen des Landtages nicht Rechnung getragen werden kann, dann erweckt das große Unzufriedenheit bei den Beamten, die da glauben: der Landtag der Monarchie sei zwar gewillt, Mittel für Gehaltserhöhung zu gewähren, die Staatsregierung aber habe für ihre Beamten kein Interesse.
Aber abgesehen von diesen allgemeinen Gesichtspunkten, darf lich auch darauf hinweisen, daß sowohl in diesem wie in den früheren Etats Beträge auf Gehaltsaufbesserung für Wärter vorlagen. Die Staatsregierung ist sich voll der Pflicht bewußt, daß sie für eine auskömmliche Besoldung ihrer Beamten, aber in dem Umfange, wie es ihre Dienstleistungen und ihre soziale Stellung erfordern, sorgen muß. Das wird die Staatsregierung auch fernerhin thun, sie wird es wie bei allen Beamten, so auch bei den Gestütswärtern thun. Ich bitte daher, derartige allgemeine Wünsche nicht weiter zu diskutieren.
Im übrigen bin ich für die Anregungen, welche seitens des Herrn Abg. Dr. Mendel gegeben sind, dankbar. Das Großherzogthum Oldenburg kenne auch ich genau; und es ist zutreffend, daß durch eine Einwirkung der oldenburgischen Staatsregierung für die in bäuer⸗ lichen Kreisen befindliche Pferdezucht Großes geleistet ist. Wenn Sie den Verhältnissen der Pferdezucht in Preußen näher treten, so finden Sie, daß fast überall ähnliche Verhältnisse wie in Oldenb bestehen.
“
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preufischen Staats⸗Anzeiger.
Berlin, Montag, den 22. Februar
—
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
““
In Hannover ist auch die Pferdezucht im wesentlichen in bäuerliche Händen, in Ostpreußen ist sie es zum großen Theile. — Aber das Gute und Beste zur Hebung der Pferdezucht hat immer der Staat gethan: durch Belehrung, durch die Aufstellung geeigneter Vaterthiere, durch eine richtige Vertheilung der Vaterthiere, wie das dem Stuten⸗ material entspricht, durch reiche Geldunterstützung u. s. w. Die Pferdezucht hat der Staat großgezogen, das wird die Staatsregierung, wie sie es bisher gethan hat, auch ferner thun, schon, meine Herren, um die Wehrhaftigkeit unseres Vaterlandes zu erhalten. Was sollte wohl aus dem preußischen, aus dem deutschen Vaterlande werden, wenn wir unser Pferdematerial, soweit die Armee es erfordert, nicht selbst zu ziehen in der Lage wären! Und nun, meine Herren, kann ich aus den Mittheilungen der Kriegsverwaltung, welche der Herr Kriegs⸗Minister alljährlich auf Grund der Berichte der Remonte⸗ kommissionen über den Fortschritt der Pferdezucht für Remontezwecke an mich gelangen läßt, hervorheben, daß in den letzten Jahren, so besonders auch in diesem Jahre, die Kriegsverwaltung erklärt hat: die Pferdezucht in der Monarchie schreitet entschieden fort; das Material, das für die Armee beschafft werde, werde von Jahr zu Jahr besser. Dabei wird hervorgehoben, daß ungefähr ein Zehntel unserer Remonten für die Kavallerie direkt von Vollblut abstamme und daß gerade dieses Material sich ganz besonders bewähre. Unsere Pferde⸗ zucht wollen wir ferner hegen und pflegen, das wird auch das Bestreben der Staatsregierung sein, im allgemeinen wirthschaftlichem Interesse und um unser deutsches Vaterland unabhängig vom Auslande und wehrhaft zu erhalten. (Bravo!)
Abg. Kullak (kons.) empfiehlt, daß die Gestüts⸗Direktoren den Züchtern die Hengste frühzeitig abnehmen und unter Aufsicht nehmen. Die Mittel für diese frühe Abnahme werde der Landtag gern be⸗ willigen. Bis jetzt arbeiteten die Züchter mit sehr geringen pekuniären Eefehe. Freiherr von Dobeneck bedauert, daß seine vorjährige Bitte bezüglich Neustadts zu spät gekommen sei, weil der Gestüts⸗ Direktor in Neustadt leider seinen Dienst quittiert habe. Die jetzt vor⸗ herrschende Zuchtrichtung wende sich mehr und mehr der reinen Voll⸗ blutzucht zu, und dadurch gehe die Tüchtigkeit des Trakehner Pferdes verloren. Die Brandenburger legten den größten Werth auf einen starkknochigen, leistungsfähigen Halbbluthengst; daran herrsche aber ein großer Mangel. Die Verwaltung von Trakehnen sei ihm (Redner) als hervorragend gut geschildert worden. Jetzt soll nun auf einmal, nachdem Herr von Oettingen als Direktor dorthin berufen sei, alles im Argen liegen. Das Heu solle unbrauchbar sein, meint Herr von Oettingen; aber in früheren Jahren sei das dortige Heu gerade für Futter⸗ zwecke gerühmt worden. Es würden Mittel für künstlichen Dünger gefordert. Kalidünger sei aber gerade für Pferde gefährlich. Er wolle nicht die Absetzung der betreffenden Mittel beantragen, bitte aber, daß man vorsichtig mit dieser Verwendung vorgehe. Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ stein:
Meine Herren! Zunächst antworte ich dem Herrn Vorredner auf die Andeutungen und Bemerkungen, die er bezüglich Neustadt gemacht hat. Die Stelle des Dirigenten in Neustadt wurde im Jahre 1891 erledigt, und wurde nacheinander drei Herren angeboten: erstens dem Grafen Kanitz von der Garde⸗Artillerie, zweitens Herrn von Damnitz, der an der Spitze der Remonte⸗Kommission steht, drittens Herrn von Götzen. Alle drei lehnten die Uebernahme der Stellung ab. Dann wurde die Stelle mit Herrn von Tepper⸗Laski besetzt, der sie kommissarisch auf ein Jahr übernahm, dann aber in die Armee zurücktrat. Dann erklärte Herr von Götzen, der inzwischen Rittmeister 2. Klasse geworden war, und demzufolge mit 5000 ℳ anfing statt mit 3600 ℳ, daß er nun bereit wäre, die Stelle zu übernehmen. Ihm ist damals schon in Aussicht gestellt worden, daß er zum Haupt⸗ gestüts⸗Dirigenten avancieren solle. Als nun Beberbeck frei wurde, wurde er von Neustadt nach Beberbeck versetzt. Von dort ist er abgegangen, weil er einen schweren Herzfehler hat, der ihm die Dienstleistung unmöglich machte. Wir haben, weil wir die hervorragende Leistungsfähigkeit des Herrn von Götzen in vollstem Umfange anerkannten, ungern seinem Wunsche Rechnung tragen müssen, weil seine Gesundheit sein Verbleiben im Dienst un⸗ möglich machte.
Meine Herren, diese Thatsachen beweisen wieder, wie nothwendig es ist, daß die Gestütverwaltung nicht die Stellung der Landstallmeister und der Hauptgestüt⸗Dirigenten als eine Versorgung von Militär⸗ oder anderen Personen ansieht, die aus dienstlichen oder sei es aus finanziellen oder körperlichen Gründen ihre bisherige Laufbahn verlassen. Die Gestütverwaltung muß vielmehr Fürsorge treffen, daß jüngere, tüchtigere, mit Talent für Hippologie ausgestattete Personen in die Verwaltung eintreten (sehr richtig! rechts), um für wichtige vakant werdende Stellen geeignete Personen zu besitzen. Herr von Götzen hat meiner Ueberzeugung nach zweifellos den Militärdienst verlassen, weil er damals schon körperlich leidend war. Er trat in die Gestüt⸗ verwaltung in der Hoffnung und in dem Glauben, daß seine Gesund⸗ heit noch länger aushalten werde.
Näher auf die Neustädter Frage einzugehen, enthalte ich mich. Sollte es gewünscht werden, so bin ich auch bereit, die vollen Gründe dafür darzulegen, aus denen der gegenwärtige Beamte dort die Stellung bekommen hat.
Meine Herren, auf Trakehnen jetzt schon an dieser Stelle näher einzugehen rücksichtlich der Frage, ob dort die Landwirthschaft in einem ordnungsmäßigen Zustande ist, ob die Wiesen richtig kultiviert sind, versage ich mir, weil es mir richtig erscheint, die Antwort auf die betreffenden Bemerkungen des Herrn Vorredners bis zu dem betreffenden Etatstitel zu verschieben. Wir werden dann Gelegenheit haben, ein gehender die ganze Angelegenheit zu diskutieren. Ich halte das um so mehr für richtig, als der Herr Referent ja über den Verlauf der Verhandlungen in der Budgetkommission seinen Vor⸗ trag noch nicht erstatter hat. Hätte der geehrte Herr Vorredner mit seinen kritisierenden Bemerkungen so lange gewartet, so würde er sich schon aus dem Vortrage des Herren Referenten überzeugt haben, daß die Verhältnisse in der Budgetkommission eingehend geprüft und dar⸗ gelegt sind, und daß die Budgetkommission einstimmig zu der Ansicht
gelangt ist, daß die Vorschläge der Staatsregierung durchaus zu⸗ treffend und richtig sind. — Meine Herren, ich behalte mir vor, das noch ausführlicher und näher darzulegen.
Aber, meine Herren, leid hat es mir gethan, daß ein zweifellos hochverdienter Beamter — und das ist Herr von Oettingen, der anerkanntermaßen ein hervorragender Hippologe ist, als solcher sich schon in Beberbeck u. s. w. bewährt hat — in der Weise ohne An⸗ gabe bestimmter Thatsachen hier angegriffen oder kritisiert wird. Der Herr Vorredner behauptet, er habe in Beberbeck dem Gestüt nicht genützt und würde Trakehnen wahrscheinlich auch nicht nützen. Herr von Oettingen ist erst sehr kurze Zeit in Trakehnen, grundlegende Aenderungen in den Zuchtprinzipien in der ganzen Verwaltung hat er noch garnicht vornehmen können. Ich halte mich doch für verpflichtet, den mir unterstehenden Beamten, dessen Dienstleistungen bisher stets volle Anerkennung gefunden haben, gegen solche allgemein gehaltenen Angriffe in vollstem Umfange in Schutz zu nehmen.
Abg. von Werdeck (kons.) meint, daß Deutschland und Preußen sich ebenso gut zur Pferdezucht eigneten wie Frankreich, daß unsere Pferdezucht aber gleichwohl hinter der französischen zurückstehe. Die Pflege der kaltblütigen Hengste erkläre sich aus der größeren Rentabilität. Nach einem Erkenntniß des Kammergerichts sollten die Hengste der Pferdegenossenschaft der Kör⸗ ordnung nicht unterstehen, wenn sie zur Deckung der eigenen Stuten verwendet würden. Der Ober⸗Präsident von Westpreußen habe aber in einer Körordnung diese Verwendung unter Strafe gestellt. Das müsse Verwirrung und Erbitterung erzeugen.
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Thiel: Das Urtheil des Kammergerichts spricht nicht aus, daß jede Pferdegenossenschaft von dem Körzwang befreit sei, sondern es ist basiert auf die Körordnung der Provinz Brandenburg, die die Stuten der Genossenschaften nicht als fremde Stuten anfieht. Nach der westpreußischen Körordnung sollen aber die Hengste mit Ausnahme der Gestüte abgekört werden. Die Sache ist übrigens jetzt in das Stadium der gerichtlichen Ent⸗ scheidung getreten.
Abg. Freiherr von Plettenberg (kons.) wendet sich ebenfalls gegen die Kreuzung bei der Nachzucht. Die Wahl der Zucht dürfe sich nicht nach den geographischen Grenzen der Provinzen richten, was auch für die Armee von der größten Wichtigkeit sei. Es eigneten sich auch kaltblütige Pferde für die Artillerie.
Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ stein:
Nur um einige Bemerkungen des Herrn Vorredners richtig zu stellen, ergreife ich das Wort. Der Herr Vorredner meint, es sei möglich, in der Armee für Artillerie, Train u. s. w. Kaltblüter zu verwenden. In dieser Richtung sind umfassende Versuche angestellt worden, die zum Nachtheil der Kaltblüter ausgefallen sind. Man denkt daran, schwere Warmblüter für Artillerie, Train u. s. w. heran⸗ zuziehen und auszubilden. Es kommt auch noch ein ganz anderer Um⸗ stand in Betracht. In der Armee, die jetzt im Kriege sich so rasch vorwärts bewegen muß, kommt es auch wesentlich in Betracht, das Material, was nachgeführt werden muß, nicht zu vermehren. Zweifellos erfordert aber das kaltblütige Pferd an Masse und Qualität ein viel größeres Quantum Futter als das warmblütige, und nach der Richtung hin würde für die Kriegsverwaltung aus dem kaltblütigen Pferde⸗ material ein gewisses Bedenken entstehen können. (Bravo!)
Abg. von Mendel⸗Steinfels warnt nochmals vor der heterogenen Kreuzung.
Die Einnahmen werden bewilligt.
Bei den Ausgaben für die Wirthschaftskosten der Haupt⸗ gestüte macht der
Berichterstatter Abg. Freiherr von Erffa darauf aufmerksam, daß die Wiese und Weide des Hauptgestüts in Trakehnen im Laufe der Jahre in ihren Erträgen so zurückgegangen sei, daß mehrfach ein erheblicher Zukauf von Fourage habe stattfinden müssen. Dem Boden müsse künstlicher Dünger zugeführt werden. Im nächsten Jahre werde 1 Million zur Vermehrung von Stallungen und Wirthschafts⸗ gebäuden nothwendig sein. Trotz dieser Aussicht habe die Kom⸗ mission die in diesem Etat geforderte Mehrausgabe zur Bewilligung vorgeschlagen.
Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗
stein:
Meine Herren! Zunächst muß ich eine Bemerkung des Herrn Referenten berichtigen. Er hat, wenn ich ihn richtig verstanden habe, gesagt, das Hauptgestüt Trakehnen enthielte nur 500 ha Wiesen. Die Zahlen sind anders, es handelt sich um 1200 ha Wiesen und 29 ha Weide. (Zurufe.) — Dann habe ich den Herrn verkehrt verstanden.
Dann bitte ich den Herrn Präsidenten, mir zu erlauben, daß ich aus den Verhandlungen, die bei der ersten Etatsberathung stattfanden, einige Bemerkungen verlese, die der Herr Finanz⸗Minister damals ge⸗ macht hat; sie lauten:
Auchdie Gestütverwaltung erfordert erhebliche Mehraufwendungen, namentlich das Gestüt in Trakehnen. Es hat sich herausgestellt, daß die Zustände namentlich der Wohnungen der dort beschäftigten Per⸗ sonen so mangelhafte waren, daß es geradezu als unverantwortlich erschiene, dieselben noch länger in einer Staatsverwaltung zu dulden. Wir haben daher als erste Rate — es werden sehr erhebliche Mehrraten werden — den Betrag von 218 000 ℳ für die dringend nothwendige Herstellung von Familienhäusern ausgeworfen. Auch in landwirthschaftlicher Beziehung läßt der Zustand des Gestüts viel zu wünschen übrig, und der Herr Landwirthschafts⸗Minister hat die Absicht, nach dieser Richtung hin in Zukunft erhebliche Beträge einzufordern, welche ihm auch zu bewilligen klug sein wird, weil die Aufwendungen hoffentlich dahin führen, daß der sehr bedeutende eigene Besitz des Gestüts Trakehnen mehr als bisher ausreichen wird, den Bedarf an Getreide, Heu, Stroh u. s. w. selbst zu decken. Wir haben jetzt Jahre gehabt, wo wir Heu im Betrage von 64 000 ℳ haben ankaufen müssen.
Meine Herren, auf die außerordentliche Position, welche der Herr Referent schon hier gestreift hat, betreffend die Baubedürfnisse, be⸗ halte ich mir vor einzugehen, wenn wir an die außerordentlichen Verwendungen gelangen, die in dieser Richtung im Etat beantragt werden. Zu der hier in Frage stehenden Forderung von 54 720 ℳ bemerke ich Folgendes: meine Herren, ich würde schon in diesem Jahre eine umfassende Denkschrift über alle wirthschaftlichen Veränderungen
1897
in Trakehnen, welche in Aussicht genommen werden, vorge legt haben, und mich nicht allein auf Verordnungen für die Wiesenwirthschaft beschränkt haben, wenn mir die Vor arbeiten in umfassender Weise rechtzeitig vorgelegen hätten; letztere sind aber erst so spät zum Abschluß gelangt, daß beispielsweise ein landwirthschaftliches Gutachten, das ich von dem Domänenpächter in Tapiau, von einem hervorragend tüchtigen, mit der östlichen Land⸗ wirthschaft genau bekannten Beamten, eingezogen habe, erst vor wenigen Tagen an mich gelangt ist. Es war daher leider nicht möglich die ganze Angelegenheit erschöpfend vorzubereiten. Zweifellos zweck⸗ mäßig und nothwendig ist aber, daß, wenn die Landwirthschaft in Trakehnen auf der Höhe der Kultur stehen soll, dort Aenderungen eintreten müssen. Darin ist aber, wie der verehrte Herr Vorredner behauptet, nicht ein Vorwurf gegen die frühere landwirthschaftlich Verwaltung zu befinden. Welche Fortschritte haben wir auf land⸗ wirthschaftlichem Gebiet gemacht, und denen muß doch die Staatsregierung erst recht folgen. Das ist aber in Trakehnen in vollem Umfang nicht geschehen. Für die technische Bodenbearbeitun in der Verwendung mineralischer Dungstoffe — Kalk u. s. w — und sonstiger Hilfsmittel steht Trakehnen zweifellbs — das er kennen auch die gehörten Sachverständigen an — nicht auf der volle Höhe. Daneben, meine Herren, ist noch ein anderer Faktor i Betracht zu ziehen. Der große König Friedrich Wilhelm der Erste, dem Trakehnen seine Entstehung verdankt, der in genialster Weise diese Schöpfung ins Leben gerufen hat, der aus Sümpfen, welche vo Elchen bewohnt wurden, das geschaffen hat, was wir jetzt Trakehnen nennen, ein Gebiet von nahezu 1¼ Quadratmeilen, hat für die Ver⸗ waltung dieses Gebiets auch schriftliche Anordnungen erlassen, welche ho interessant und noch für die gegenwärtigen Verhältnisse zutreffend sind Diese Königlichen Anordnungen bestimmen ausdrücklich: Die ganz Wirthschaftsführung soll das Ziel verfolgen, zur Hebung der Pferde⸗ zucht, in aller und jeder Beziehung die Unterlagen zu gewähren. Meine Herren, es ist aber zweifellos, daß die gegenwärtige Art d Wirthschaftsführung von dieser Bestimmung im Laufe der Zei allmählich wesentlich abgewichen ist. Die Wirthschaftsführung muß wenn man diesen Zweck noch heute als den richtigen erkennt, eine Um gestaltung erfahren; sie kann auch — und das bestätigen die Sach verständigen — nach anderen Richtungen einer wesentlichen Hebung un Besserung unterworfen werden. Aber, meine Herren, dies Frage steht ja heute nicht auf der Tagesordnung, si ist nur gestreift, und ich behalte mir vor, im nächsten Jahr in Uebereinstimmung mit dem Herrn Finanz⸗Minister, der sich j bereits für diese Sache ausgesprochen hat, Ihnen eine ausführlich Denkschrift mit den nothwendigen Unterlagen vorzulegen; ich verlass daher heute diesen Gegenstand.
Aber, meine Herren, auf die Wiesen gestatte ich mir jetzt nähe einzugehen. Meine Herren, jeder Landwirth wird einräumen, daß ein Areal von nahezu 1200 ha Wiesen für einen Pferdebestand vo 1500 Pferden annähernd die nöthige Fourage beschaffen kann und muß, vorausgesetzt, daß die Wiesen erträglichen Boden haben, daß die Qualität des Bodens die richtige ist, daß das Heu richtig geworbe wird u. s. w. Das ist aber schon seit länger nicht der Fall. Ich theilte schon mit, daß seit Jahren für 50 — 60 000 ℳ Heu zugekauft werden muß, weil die Wiesen weder quantitativ noch qualitativ den Bedarf an für das hochedle Zuchtmaterial geeignetem Heu liefern. Vorhin ist nun — ich behaupte ganz entschieden, von einem der Vorredner — gesagt, das liege an Herrn von Oettingen, wei der das Heu nicht gut befinde, der unrichtiger Weise behaupte, das Heu, welches dort gewonnen werde, sei zum größten Theil für die Pferde⸗ zucht unbrauchbar. Ich bin selbst Landwirth; ich habe das geworbene Heu dort gesehen und die Wiesen untersucht, und habe gefunden, da viele der Wiesen durch mangelnde Entwässerung schlecht und sauer geworden sind, obgleich der Boden nicht schlecht ist. Das auf diesen Wiesen gewonnene Heu ist zur Fütterung von Mutterstuten, zur Aufzucht von Hengsten und von jungen Pferden nicht brauchbar, — darin hat Herr von Oettingen unbedingt Recht, auch Herr Graf Lehndorff wird das bestätigen — und es wird behauptet, daß infolge der unrichtigen Er⸗ nährung mit mangelhaftem Rauhfutter schon allerlei bedenkliche Er⸗ scheinungen eingetreten seien, denen man vorbeugen müsse.
Zweifellos hat ein Theil der Wiesen sehr guten, zu Wiesenkultu geeigneten Boden, weil er auch die nöthige Feuchtigkeit besitzt und die Einrichtungen vorhanden sind, um die Wiesen anfeuchten zu können Ein anderer Theil ist Moorboden, an dem bisher noch wenig ge schehen ist. Auf dem Gebiete der Wiesenkultur auf Moorboden haben wir große Fortschritte gemacht. In der Forst⸗ und Do mänenverwaltung liegen bereits die günstigsten Erfolge vor Es empfiehlt sich daher die Melioration dieser Moorwiesen. Einem anderen Theile der Wiesen fehlt es an der nöthigen Vorfluth, an der nöthigen Entwässerung, weil die vorhandenen Entwässerungs vorkehrungen nicht gehörig erhalten sind; einem anderen Theile fehl⸗ infolge von Rückstau durch Stauwerken die nöthige Vorfluth. Den Wiesen ist die nöthige Pflege auch deshalb nicht zu theil geworden, weil man glaubte, die Wiesen als Bewässerungswiesen nutzen zu können. Das Wasser ist aber dazu völlig ungeeignet, der Untergrund ist kalt, der Boden ist durch unrationelle Bewässerung verarmt, die Bewässerungsanlagen haben sich kurzum als unzweck mäßig erwiesen; die Bewässerung hat mehr geschadet als genützt.
Meine Herren, ich will dem Osten nicht zu nahe treten glaube aber doch sagen zu dürfen, daß ich bei Bereisung des Ostens und aus meiner Kenntniß der westlichen Verhältnisse der Monarchie die Ueberzeugung gewonnen habe, daß die Wiesenkultur im Westen weiter ist als im Osten. Das haben mir auch anstandslos viele Grund⸗ besitzer zugestanden. In gewisser Weise ist das entschuldbar; denn die Melioration der Wiesen mit künstlichem Dünger ist im Osten er⸗- heblich theuerer und schwieriger als im Westen. Daneben fehlt den Landwirthen häufig noch die richtige Erkenntniß, auch fehlen häufig noch die ausführenden Techniker, geschickte Wiesenbaumeister u. s. w. Eine Aufgabe des Staates scheint es mir zu sein, da er sich im Besitz von 4200 Morgen guter Wiesen befindet, daß der Staat gerade hier
8 8
8