1897 / 61 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 12 Mar 1897 18:00:01 GMT) scan diff

schaften im bosporanischen Reich einer Mischreligion angehörten, auf die das Judenthum starken Einfluß ausgeübt hat. Diese Mäschreligien wird an der Formel 940α 5Cegros (zavrozpdrwp) bis ins 4. Jahr⸗ Ucßper und bis zu der Sekte der Hypsistarier in Kappadozien erfolgt.

Im „Verein für deutsches Kunstgewerbe“ sprach am Mittwoch Abend (im Architektenhause) der Geheime Regierungs⸗ Rath, Professor Dr. F. Reuleaux über: „Sinnbilder r. Formenschatz der bildenden Künste“. Der Redner erörterte die Symbole der alten Völker, die in der sinnbildlichen Sprache der bildenden Künste wiederkehren, indem er, den ostasiatischen Vorstellungs⸗ kreis bei Seite lassend, nur den europäisch⸗asiatischen berührte. Nus diesem griff er eine Reihe von uralten Symbolen heraus und legte ihre Bedeutung dar. Redner hob insbesondere hervor, welche un⸗ gemein wichtige Rolle in der sinnbildlichen Sprache die Sternbilder und Thierkreisbilder spielen. Die Hauptfigur bei den ersteren ist Herkules; er ist der Gott der Wanderer, die sich nach der Stellung seines Sternbildes am Himmel richten, ebenso der Seefahrer. Er wird dar⸗ gestellt, wie er zwei Säulen umspannt; letztere deutete der Vortragende als die Jahreswenden. Indem die Figur diese beiden in Form der Säulen umfaßt, versinnbildlicht sie das ganze Jahr, und in dieser Bedeutung ist sie auf alter Münze dargestellt. Zum orientalischen Vor⸗ stellungskreise übergehend, erörterte der Redner die aus dem Kultus der Chaldäer, Perser und anderer orientalischer Völker später auf die Römer übergegangene Göttergestalt des Mithra. Ursprünglich war derselbe bei den orientalischen Völkern das der Sonne voraufgehende Licht. Im weiteren Verlauf der Ausführungen wurde auf die von Layard aufgefundenen vier assyrischen Kolossalfiguren in Ninive mit ihren menschlichen Theilen, mit dem Löwenkopf, Stierhorn und hingewiesen. Die Thierkreisbilder von Mensch (Wasser⸗ mann), Löwe, Adler und Stier wurden in ihrer speziellen Bedeutung eingehender behandelt. Zum Schluß betonte der Vortragende, daß er es als Aufgabe der modernen bildenden Künste betrachte, neue Sinnbilder für zeitgemäße Begriffe zu schaffen, wie man ja bereits als eine neue, sehr glückliche Lösung solcher Forderung die der Eisenbahn in dem geflügelten Rade betrachten könne. Ein Symbol für die Elektrizität zu finden, dürfte eine be⸗ sonders dankenswerthe Aufgabe sein. Herr Hof⸗Graveur Otto besprach im weiteren Verlauf der Sitzung einige Cameen, welche von der Firma Schultz in Birkenfeld ausgestellt waren, und erörterte im Anschluß daran die Frage, in welcher Weise das deutsche Kunst⸗ sich für die Beschickung der Pariser Ausstellung vorzubereiten abe.

Der bekannte deutsche Sprachforscher Professor Dr. Daniel Sanders ist, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, im 78. Lebens⸗ jahre gestern in Alt⸗Strelitz, seiner Geburtsstadt, gestorben. Sanders war am 12. November 1819 geboren, studierte in Berlin und Halle

hilologie und wurde 1843 zur Leitung der Schule in seiner Vater⸗ tadt berufen. Seit 1852 lebte er als Privatmann seinen literarischen Arbeiten und wandte sich hauptsächlich der Lexikographie zu. In den Jahren 1859 bis 1865 arbeitete er sein großes dreibändiges „Wörterbuch der deutschen Sprache“ aus, welches Belege von Luther bis zur Gegenwart enthält. An dieses sein Haupt rerk schlossen sich auf lexikographischem und grammatikalischem Gebiet folgende Ver⸗ öffentlichungen an: „Katechismus der deutschen Orthogrophie“, „Hand⸗ wörterbuch der deutschen Sprache“, „Fremdwörterbuch“, „Wörterbuch der deutschen Synonymen“, „Wörterbuch der Hauptschwierigkeiten in der deutschen Sprache“, „Deutscher Sprachschatz“’, „Vor⸗ schläge zur Feststellung einer einheitlichen Rechtschreibung für Alldeutschland“ 3 „Orthographisches Wörterbuch“, „Deutsche Sprachbriefe“, „Lehrbuch der deutschen Sprache für Schulen“, „Geschichte der deutschen Sprache und Literatur“, „Verdeut⸗ lichungswörterbuch“, „Deutsches Stilmusterbuch’“ ꝛc. Außer⸗ dem veröffentlichte er „Das Volksleben der Neugriechen“, „Das Hohe⸗ lied Salomonis“, „Heitere Kinderwelt“, Gedichte, eine neugriechische Grammatik, sowie im Verein mit A. R. Rhangabé eine „Ge⸗ schichte der neugriechischen Literatur“. In der letzten Zeit arbeitete Sanders an dem deutsch⸗englischen Theil des im Verlage von

.

Langenscheidt erscheinenden Muret⸗Sanders'schen eenüschen Wörterbuchs, von welchem die erste Lieferung kürzlich erschien. In Vorahnung seines nahen Todes hatte Professor Sanders noch im Märzheft der von ihm begründeten „Zeitschrift für deutsche Sprache“ ein Abschiedswort an die Leser gerichtet, in dem er ankündigte, daß er sich infolge seines hohen Alters entschlossen habe, die Leitung dieser Zeitschrift niederzulegen, daß aber nach einer Pause von drei Monaten die Zeitschrift vom 1. Juli an unter der Leitung eines jüngeren Ge⸗ lehrten weiter erscheinen werde.

Die Universität Cambridge hat, nach einer Meldung des „W. T. B.“, den amerikanischen Botschafter Bayard und den französischen Botschafter Baron Courcel in London, ferner den

rofessor der Mathematik in Göttingen Felix Klein und den Pro⸗ essor der Theologie in Erlangen Theodor Zahn zu Ehren⸗ doktoren ernannt. Die feierliche Verkündigung erfolgte gestern durch den Sprecher der Universität in lateinischen Reden, welche die Verdienste der Promovierten feierten.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

„Loondon, 11. März. (W. T. B.) Der Parlaments⸗Sekretär für Indien Earl of Onslow theilte heute im Oberhause mit, daß Dr. Yersin am 6. d. M. nach Bombay zurückgekehrt ist. Die Wirkung des Pestserums soll bei neuen Fällen eine überraschend gute sein. Es werden Impfanstalten eingerichtet und Maßregeln zur Beschaffung eines genügenden Serumvorraths getroffen. Bis zum 7. d. M. sind 2341 Personen mit Haffkine’'s Serum geimpft worden; von diesen sind nur zwei erkrankt und befinden sich noch am Leben.

8 Venedig, 11. März. (W. T. B.) Die internationale Sanitätskonferenz hat heute ihre Arbeiten beendigt, die sich auf die Prüfung der Beschlüsse der verschiedenen Unterausschüsse erstreckten. Die Konferenz wird baldigst aufs neue zusammentreten, um den von einem hierfür besonders eingesetzten Ausschusse bearbeiteten Entwurf einer Sanitätskonvention zu berathen. Alsdann soll die Unterzeichnung der Konvention erfolgen. 8 b

Theater und Musik.

Im Königlichen Opernhause gehen morgen Richard Wagner's „Meistersinger von Nürnberg“ unter Kapellmeister Wein⸗ artner's Leitung in Scene. Der Königliche Kammersänger Herr Emil

ötze gastiert als Walther Stolzing,. der K. K. Kammersänger Herr Theodor Reichmann aus Wien als Hans Sachs. Im übrigen lautet die Besetzung: Eva: Fräulein Hiedler; Magdalena: Frau Götze; Hogner: Herr Stammer; Beckmesser: Herr Schmidt; David: Herr ieban. (Anfang 6 ½ Uhr.)

Im Königlichen Schauspielhause wird morgen G. von Moser's Schwank „Der Bibliothekar“ gegeben. Die Herren Keßler, Oberländer, Hertzer, Vollmer, die Damen Schramm, von Mayburg und Krause sind darin beschäftigt.

8

Die öffentliche Bekanntmachung der im Bereich des Bezirks⸗ kom mandos III Berlin in diesem Frühjahr stattfindenden Kontrolversammlungen erfolgt am 21. und 28. März, sowie am 1. April d. J. an den Lltsaßsaäulen.

Auf der Tagesordnung der gestrigen Sitzung der Stadt⸗ verordneten stand zunächst die Berathung einer Reihe von Etats. Zu dem Etat der Badeanstalten lag dem Ausschuß ein Antrag vor, der die Aufhebung der Wannenbäder erster Klasse in allen Volksbade⸗ anstalten befürwortet. Dieser Antrag wurde mit neun gegen sechs Stimmen abgelehnt. Bei dem Etat „Krankenhäuser“ hatte die Ver⸗ sammlung im vorigen Fere felge Resolution gefaßt: „Die Ver⸗ sammlung ersucht den Mazgistrat, ihr eine vergleichende Uebersicht über das bei anderen großen, hiesigen und auswärtigen Kranken⸗ häusern beschäftigte Personal zugehen zu lassen, damit bei

2

der Berathung des Stadthausbhalts⸗Etats für 1897/98 ei dahin eintreten kann, ob das in den städtischen Leafeina schäftigte Personal nicht zahlreicher ist, als das wirkliche Bedü erfordert.“ Auf dieses Ersuchen der Versammlung hin dansrfeih Magistrat er en zur Beschaffung des Materials für eine dee ee ebersicht unternvommen. Der Magistrat erachtet hige nach den Nachweis, daß das in den städtischen Krankenhäusern 88 schäftigte Personal nicht zahlreicher ist, als es das wirkliche Be⸗ dürfniß erfordert, für erbracht. Die Versammlung erklaänt⸗ nunmehr die vorjährige Resolution für erledigt und nahm Etat ohne Aenderung an. Ebenso wurden die Etats der Irr 8 anstalten, der Desinfektionsanstalt, der Heimstätten für Genesende 8 der Park⸗ und Gartenverwaltung nach den Vorschlägen des Ausschueh festgestellt. Die vom Magistrat vorgelegte neue Bekleidungsordmees für die in städtischer Waisenrflege stehenden Kinder wurde vohng Debatte genehmigt. Mit der Ueberlassung des Festsaales ine Rathhause zu einer von der Comenius⸗Gesellschaft am 4. 88 Mittags 12 Uhr, zu veranstaltenden Gedenkfeier für den Philosophen Jacob Böhme war die Versammlung einverstanden. Die Vorla betreffend die Feststellung von Fluchtlinien für die zu verlegene Stallstraße, sowie für die Straßen „Weidendamm“ und „Am Kupfer⸗ graben“, welche hohe Anforderungen an die Stadt⸗Hauptkasse stellt wurde einem Ausschusse von 15 Mitgliedern zur Vorberathung über⸗ wiesen. Auf die öffentliche folgte eine geheime Sitzung.

rüfung ern be⸗

Der Verein für die Geschichte Berlins veranstalte Morgigen Sonnabend, Abends 7 ½ Uhr, im Bereranftal a. Rathhauses für seine Mitglieder, deren Damen und Gäste zur Vor⸗ feier des 100 jährigen Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm I. einen Festabend mit dem Programm „Kaiser Wilhelm J. in Lied und Wort“, Rezitation patriotischer Gedichte aus dem Leben des Entschlafenen. Die Rezitation über⸗ nehmen heer Laverrenz (Schöneberg) und Herr Karl Blankenstein vom Berliner Theater; die in den Gang der Handlung eingefügten Musikstücke werden von der Kapelle der Magistratsbeamten ausgeführt Durch Mitglieder eingeführte Gäste erhalten Eintrittskarten von dem Hauptschriftwart Dr. H. Brendicke, Kurfürstenstraße 41.

Cronberg i. Taunus, 12. März. Nach dem von dem Vor⸗ sitzenden des Ortsausschusses, Landrath von Meister, gestern Aden erstatteten Bericht sind dem Comité für die Errichtung eines Kaiser Friedrich⸗Denkmals hierselbst der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe, Fürst Bismarck, die Präsidenten des Reichstages und des Abgeordnetenhauses, die Vize⸗Präsidenten des Herrenhauses, fast sämmtliche Minister und eine große Zahl von Parlamentariern und angesehenen Persönlichkeiten aus allen Theilen des Reiches beigetreten.

Dortmund, 12. März. Gestern wurden, dem „W. T. B.“ zufolge, auf der Zeche, Monopol“ bei Camen drei Bergleute durch die vorzeitige Explosion einer Dynamitpatrone ge⸗ tödtet und ein Bergmann schwer verletzt.

London, 11. März. Dem „Reuter'schen Bureau“ wird aut Tanger gemeldet, daß in Fez 180 Arbeiter bei dem Einsturze hes Shes der alten Stadtmauer ums Leben gekommen ein sollen.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Kapstadt, 11. März. (W. T. B.) Bei der heute er⸗ folgten Eröffnung des zweiten Jahreskongresses des Bundes der Afrikander erklärte der Zweite Vorsitzende Botha, Cecil Rhodes thue sein Möglichstes, um Großbritannien zum Kriege mit Transvaal zu veranlassen.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

t vom 12. März, Morgens.

Stolzing:

fang 6 ½ Uhr.

illim.

40 R.

thekar. Moser.

in ° Celsius

Bar. auf 0Gr. Temperatur

u. d. Meeressp. red. in Mill

50 C.

e1““ und Gretel. Belmullet.. Aberdeen Christiansund Kopenhagen. Stockholm . Penda. . St. Petersbg. Moskau . ..

Cork, Queens⸗

R. Leoncavallo, Anfang 7 Uhr.

still halb bed. O 1 Schnee 2 Schnee

Lustspiel Anfang 7 ½ Uhr.

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4 heiter

3 wolkig

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5 bedeckt

1 Nebel

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765 SO Nhelh bed. ⁴)

766 still wolkenlos

765 NW 2 bedeckt

765 O 1 wolkig 766 stil bedeckt

²2) Reif. ³) Früh Regen.

Preise der Plä

Karlsruhe ..

Wiesbaden. Sonntag,

-99Oodo —80oSO Socha —IbbbSO-OOBEImw

5 1) Nachts Schnee. ⁴) Vorm. Regen.

Uebersicht der Witterung.

Ein neues Minimum ist über der Irischen See 5 erschienen, über Schottland stürmische Luftbewegung v; Comtesse Guckerl. Abends 7 ½ Uhr:

Sonntag,

hervorrufend und seinen Einfluß über das Nordsee⸗ gebiet hinaus ausbreitend, wo unter Wechselwirkung dieses Minimums und eines hohen am Weißen Meere lagernden Maximums die südöstlichen Winde auf⸗ gektle find. In Deutschland wo Niederschlag ge⸗ allen ist, ist das Wetter bei nahezu normalen Wärmeverhältnissen trübe; nur im nordwestdeutschen Binnenlande herrscht heitere Witterung; vielfach haben Nachtfröste stattgefunden. Trübes, windiges Wetter demnächst wahrscheinlich.

Deutsche Seewarte.

——— Theater.

Ksönigliche Schauspiele. Sonnabent“⸗Opern⸗

haus. 64. Vorstellung. Die Meistersinger von

Nürnberg. Große Oper in 3 Akten von Richard

Wagner. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Birsgent: Kapellmefster Weingartner. Walther 8

Civil.

von Anfang 7 ½ Uhr.

Direktion: Marcelle. Sardou.

Sonntag,

8 Herr Emil Götze, Königlicher Kammer⸗ sänger, Hans Sachs: Kammersänger aus Wien, als Gäste.) An⸗

Schauspielhaus. 7 Schwank in 4 Aufzügen von Gustav von oser. Regie: Herr Plaschke. Sonntag: Opernhaus. 65. Vorstellung. Hänsel Märchenspiel in 3 Bildern von Engelbert Humperdinck. Text von Adelheid Wette. Bajazzi. (Pagsliaceci.) Oper in 2 Akten und einem Prolog.

Schauspielhaus. 72. Vorstellung. Doctor Klaus. in 5 Aufzügen

Neues Opern⸗Theater (Kroll). Vasantasena. Drama in 5 Aufzügen von Emil Pohl, mit freier Benutzung der 1 des altindischen Königs Sudraka. Der Billet⸗Ver findet heute und morgen in der 12 1 ½ Uhr im Königlichen Schauspielhause statt.

8: 3 22 Aufgeld wird nict erhoben.

Deutsches Theater. Sonnabend: Die ver⸗ sunkene Glocke. Anfang 7 ½ Uhr. Nachmitt Abends 7 ½ Uhr: Der

Berliner Theater. Sonnabend: Der Pfarrer von Kirchfeld. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag, Nachmittags 2 ½ Uhr: Die Jungfrau von Orleaus. Abends 7 ½ Uhr: Renaissance.

Montag: König Heinrich.

Lessing- Theater. Sonnabend: Der Herr Abbé. Hierauf: In Civil. Nachmittags 3 Uhr

er Herr Abbé. Hierauf: In Civil. Montag: Der Herr Abbé. Hierauf: In

Residenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ burg. Sonnabend: Associés. Lustspiel in 3 Akten Léon Gandillot.

Sonntag und folgende Tage: Associés.

Neues Theater. Sigmund Lautenburg. Komödie in 4 Akten von Victorien . Für die deutsche Bühne bearbeitet von Lindau. In Scene gesetzt von Sigmund

zutenburg. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag und folgende Tage: Marcelle. Nachmittags 3 Preisen: Der Hüttenbesitzer.

Herr Theodor Reichmann,

71. Vorstellung. Der Biblio⸗

Anfang 7 ½ Uhr.

Male: König Saul. Adalbert von Hanstein.

Drama

Musik und Dichtung von deutsch von Ludwig Hartmann.

rühmte Frau. Montag: König Saul. Dienstag: Letztes Gastspiel Kadelburg.

von Adolf LArronge.

kauf zu dieser Vorstellung Zeit von 9—10 und Ausstattung: Strau die vierzig Räuber. in 3 Akten, nach hiesige Bühne

1,50 und 75 ₰. Cyelus.

Anfang 7 ½ Uhr.

solesi. 8 2 ½¼ Uhr: Hamlet. Poggiolesi. Anfang Uhr ohn des Khalifen.

Der Bettelstudent. Cyelus. Joh. Strauß.

Anfang 7 ½ Uhr. (volksthümliche

Sonnabend:

Frau Lieutenant. 3 Akten von

errier und

Roger. Anfang 7 ½ U

Deutsch von Mar Schönau. a. G. Ein sfideler Abend.

und W. Mannstädt. Meistern, arrangiert Anfang 7 ½ Uhr.

von

Schiffbauerdamm 4 a. /5. Sonnabend:

Schiller⸗Theater. Sonnabend, Abends 8 Uhr: Zum ersten Male: Die gerechte Welt.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Ein Volksfeind. Abends 8 Uhr: Eine vis veeee

Theater des Westens. Kantstraße 12. (Bahn⸗ hof Zoologischer Garten.) Sonnabend: in 4 Akten von 1— Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Bei halben Preisen: Die wilde Jagd. Abends 7 ½ Uhr: Vorletztes Gastspiel des Herrn Gustav Kadelburg. Die be⸗

des Herrn Gustav Die berühmte Frau. 8G

Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57. Direktion: Julius Fritzsche. Sonnabend: Mit neuer

. Große Ausstattungsoperette einem älteren Sujet für die bearbeitet von Eduard Jacobson. Musik von Johann Strauß. Drei große Ballets, entworfen und arrangiert vom Balletmeister Greco

Sonntag: Indigo und die vierzig Räuber. Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Bei halben Preisen:

In Vorbereitung: Zweiter Abend im Strauß⸗ „Der Karneval in Rom. Ballet in 3 Akten von J. Braun.

Thalia-Theater (vorm. Adolph Ernst⸗Theater). Dresdenerstraße 72/73. Direktion:

. 1 A. Mars. von H. Hirschel. 85* von G. Serpette und V. r.

Sonntag und folgende Tage: Frau Lieutenaut. Sonntag, Nachmittags 3 Ühr: Trilby. 6

Bentral⸗Theater. Alte Jakobstraße Direktion: Richard Schultz. Sonnabend: Emil Thomas 1 Burleske dramatische Revue in 1 Vorspiel und 3 Bildern von J. .

Musik von verschie Julius Einödshofer.

Sonntag und folgende Tage: Ein sideler Abend.

Saal Bechstein. Sonnabend, Anfang 7 ½ Uhr: Konzert von Frieda Lautmann (Alt) und ili Gretscher (Bariton). P.

Birkus Renz. Karlstraße. (Jubiläums⸗ Saison 1896/9 7.) Sonnabend, Abends 7 ½ Uhr: Gala⸗Vorstellung. Zum Benesiz für die be⸗ rühmte Künstler⸗Familie James Jee. Erstes Wieder⸗Auftreten der Benefiziantin Miß Amalie Jee als Reitkünstlerin. Doppel⸗Jonglerie auf 2 Pferden, ausgeführt von dem Benefizianten Mr. James und Mr. Charles Jee. Der Beneftziant Mr. James Jee als vorzüglicher Jockeyreiter. Durch⸗ schlagender Erfolg! Aus der Mappe eines Riesengebirgs⸗Phantasten. Außerdem: Bagdad, arabischer Vollblut⸗Schimmelhengst. Hierauf: 6 Tra⸗ kehner Rapphengste, dressiert und vorgeführt vom Direktor Fr. Renz. Mr. Gaberel mit dem Schul⸗ ferde Albarac. Auftreten der Schulreiterin Frau

obert Renz mit dem Schulpferde Cyd und dem Vollblut⸗Springpferde Blitz.

Sonntag: Zwei große Vorstellungen. Nach⸗ mittags 4 Uhr (ermäßigte Preise und 1 Kind unter 10 Jahren frei); IJo Ni En mit dem beliebten Schellenspiel. Abends 7 ½ Uhr: Aus der Mappe eines Riesengebirgs⸗Phantasten.

——ÿ—— Familien⸗Nachrichten.

Operette mit Verlobt: Frl. Gertrud von Holy⸗Poniecitz mit Musik von der⸗ Lieut. Tesdorpf (eerfeb e Selesn sc)

Frl. Elfriede Hüne mit Hrn. Prem.⸗Lieut. Hans Petrick (Görlitz Glogau). Frl. Käthe Bredereck mit Hrn. Oberlehrer Dr. Paul Thomaschky

(Berlin).

W. Hasemann. Verehelicht: Hr. Julius Frhr. von Eckardstein⸗

Vaudeville in Reichenow mit Frl. Hanna Gerlich (Berlin).

Deutsch Hr. Rittmeister Eduard von Barnekow mit

Frl. Bella Géniol (Bredow, Ost⸗Havelland).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Hans von Glischinski (Klein⸗Loitz b. Spremberg). Hrn. Chemiker Dr. phil. A. Krug (Berlin). Eine Tochter: Hrn. Landrath Dr. Lotz (Melsungen).

Gestorben: Hr. Hofrath Dr. Georg Horn (Potsdam). Hrn. Hauptmann Fritz von Borcke Sohn Bernd (Rudolstadt). Hr. Hauptmann a. D. Robert von Leutsch (Berlin). Verw. Fr. Stadt⸗ rath Anna Friederici, geb. Schindler (Breslau).

um ersten

Indigo und

30.

denen

Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin.

Konzerte.

Konzerthaus. Karl

Sonnabend:

Uhr: Zu halben

Meyder⸗Konzert. 26. Operetten⸗ und Walzer⸗ Sieben Beilagen

Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

(einschließlich Börsen⸗Beilage).

Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeig

Erste Beilage

Berlin, Freitag, den 12. März

Berichte von deutschen Fruchtmärkten.

Qualität

Außerdem wurden am

Ver⸗ Durch⸗

gering m

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gut

Markttage (Spalte 1) nach über⸗

kaufte schn itts⸗

Ver⸗

(100

kg)

Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner

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Menge schläglicher Schätzung verkauft

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Doppel⸗ zentner (Preis

unbekannt)

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höch· ster zentner

100 kg

Ratibor. Aschersleben Neuß. Döbeln. Breslau . Neuß

Ratibor.

Breslau Neuß

Ratibor Breslau

Ratibor Aschersleben 1“ Döbeln. Breslau Neuß

Ein liegender Strich (—) in den Spalten

Aschersleben

Aschersleben

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15,50 15,80

13,85 15,30

14,60 15,30 15,00 15,30

11,50 11,60 10,60

11,30 10,60

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12,00 13,00

12,00 12,45

4

12,30 1250

Punkt (.) in den letzten sechs Spalten, daß entspre

12,50 12,00

12,40

15,25 13,45 16,30

16,30

11,6

11,4 11,1

13,30

12,80 12,75

15,80

11,70 11,90

0 11,00

0

0]11,10

12,50 12,15

Wei 15,30 14,20 16,30 14,60 16,20

16,30

Rog 11,80

11,10 11,60

gen.

G e

13,40 14,50

Hafer.

3800 11,60

12,90

für Preise hat die Bedeutung,

11,60

13,10 11,60

ze n. 16,00

16,80 15,10 16,50 16,80

11,80

11,60 11 30 11,80 11,60

t e. 16,50 15,40

13,00

12,60 11,80 13,20 12,60

12,35 12,32

11. 3.

12,35

15 188 12,53

Bemerkungen. Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet mitgetheilt. Der Durch⸗

schnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet.

daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist; ein

cceender Bericht fehlt.

Deutscher Reichstag.

189. Sitzung vom 11. März 1897, 1 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht zunächst folgender Antrag der Abgg. Auer (Soz.) und Genossen:

„Die verbündeten zur nächsten Session

einen

sämmtliche landesgesetzliche Sonderbestimmungen über die

verhältnisse der land⸗ Gesindes zu ihren Arbeitgebern

egierungen zu ersuchen, dem Reichstage bis esetzentwurf vorzulegen, wodurch

Rechts⸗

und forstwirthschaftlichen Arbeiter und des bezw. zu ihrer Dienstherrschaft auf⸗

ehoben werden und an deren Stelle die Bestimmungen der Reichs⸗ ewerbeordnung treten.“ Hierzu liegt folgender Abänderungsantrag des Abg. Lenzmann (fr. Volksp.) vor:

„Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem ntwurf vorzulegen, wodurch die Rechtsver⸗

baldigst einen Gesetze 1 1 d land⸗ und forstwirthschaftlichen Arbeitern so⸗

hältnisse zwischen den

Reichstage

wie dem Gesinde einerseits und deren Arbeitgebern andererseits reichsgesetzlich geregelt werden.“

Abg. Stadthagen (Soz.): bei Bürgerlichen Gesetzbuchs ist diese Frage gestreift worden. trag fand in der Kommission lebhafte Zustimmung, Freisinnigen nicht mitstimmten, wurde er abgelehnt. doch wohl nicht annehmen, Reichstags ausgedrückt sei. buch in seiner Fertigstellung nicht aufhalten.

und nur,

Bereits bei der Berathung des Der An⸗

weil die

Aber man darf

daß darin die wirkliche Meinung des Man wollte nur das Bürgerliche Gesetz⸗ Die Verhältnisse des

Gesindes können nicht beibehalten werden, wie sie jetzt bestehen. Denn von einem freien Arbeitervertrage ist dabei keine Rede; das Ge⸗ sinde hat kein Recht mehr und die Herrschaft keine Pflichten.

führt einzelne Prozesse als welchen schlechten Verhältnissen das ländliche Gesinde jetzt lebe, daß e unter der Bezeichnung des

es sich Mißhandlungen gefallen lassen müss . . chaft aufrecht erhalten heißt

Züchtigungsrechts.) Die Vorrechte der Herrs

(Redner

Beispiele an, um zu beweisen, unter

daß

nichis Anderes, als die nackteste Gemeinbeit auf sittlichem Gebiete und die brutalste Ausbeutung auf wirthschaftlichem Gebiete festhalten. Die Landleute jubelten im Anfang des Jahrhunderts den Franzosen zu, welche eine freiheitlichere Gesetzgebung brachten, besonders die Beseiti⸗

gung der Gesindeordnung. t. n ebenfalls. Jetzt sind sie etwas rückschritt die Marineforderungen ihre

Ansichten verbessert

haben.

So weit waren die Freisinnigen 1893 lich geworden, wohl weil

Stein

hob die Gesindeordnung des Landrechts auf, weil es nur noch freie

Leute in Zukunft geben sollte,

Gesindeordnung. (Zuruf des Abg. von Winterfeldt (d. kons.):

Junker sind denn das gewesen?) In P.

aber die Junker schufen eine neue

Welche

reußen hat es immer nur

ostelbische Junker gegeben! Für das Deutsche Reich ist ein einheit⸗ liches Recht geschaffen worden, aber diejenigen, die am meisten unter Ausnahmebestimmungen schmachten, werden von diesem Recht ausge⸗ schlossen. Was bedeutet denn der Begriff „Gesinde“ 2 Gärtner, Köchinnen und Köche der großen Restaurants und ähnliche Angestellte sind doch gewerbliche Gehilfen, müßten also dem Gewerberecht unter⸗ liegen, nicht solchen Ausnahmebestimmungen, wie die Führung der Gesindedienstbücher und die Koalitionsbeschränkung für ländliche Arbeiter es sind. Diese Beschränkung des Koalitionsrechtes ist die brutalste wucherische Ausbeutung der Arbeitskräfte der Aermsten im Lande. Der freisinnige Antrag will nicht die Gewerbeordnung auf die länd⸗ lichen Arbeiter anwenden. Etwaige Aenderungen des Gewerberechts, welche aus der Natur der ländlichen Arbeit folgen, können ja in der

zu machenden Vorlage vorgeschlagen werden.

Aber mit einer Reichs⸗

Gesindeordnung, wie der freisinnige Antrag sie verlangt, ist garnichts gesagt; denn damit wird der freisinnige Standpunkt von 1893 ver⸗

ver

Ich bitte Sie, uns zu helfen, daß wir aus diesen Ausnahme⸗ ältnissen endlich herauskommen.

Mecklenburgischer Ministerial⸗Rath Dr. Langfeld: Der Vorredner hat unter den speziellen Fällen auch einen aus Mecklenburg aufgeführt. Das Züchtigungsrecht des Dienstherrn gegenüber dem Gesinde ist in Mecklenburg vollständig ausgeschlossen. Gleichwohl soll das Ober⸗ Landesgericht in Rostock den Grundsatz aufgestellt haben,

Gutspächter sein Gesinde prügeln darf. Es wird sich die betreffende Entscheidung wohl durch die

tellen.

Das muß ich in

daß der Abrede

besondere Lage des betreffenden Falles rechtfertigen lassen. Es handelte ch dabei um einen Gänsejungen, der im Alter von 12 bis 13 Jahren

stand. Das Gericht wird angenommen haben, daß die Eltern dem Dienstherrn das Züchtigungs⸗ bezw. Erziehungsrecht übertragen hatten. Abg. Lenzmann (fr. Volksp.): Der Abg. Stadthagen hat uns zu Unrecht bezichtigt, daß wir unsern arbeiterfreundlichen Standpunkt auf⸗ gegeben hätten. So schnell mausern wir uns nicht, Herr Stadthagen. Wenn wir gegen die Uebertragung der Fag erxigeehe auf die ländlichen Arbeiter und das Gesinde gestimmt haben, so ist es nicht geschehen aus reaktionären Gründen, sondern weil wir nicht schablonen⸗ mäßig vorgehen wollten. Gegen eine Partei, die sich stets freiheitlich gehalten hat, kann man den Vorwurf des Gesinnungswechsels nur erheben, wenn man selbst hinter dem Busch gestanden hat. Wir wollen die Frage durch reichsgesetzliche Spezialgesetzgebung, die sich eng an die Gewerbeordnung anschließt, regeln. Daß besondere Verhältnisse in Bezug auf das ländliche und häusliche Ge⸗ sinde bestehen, hat Herr Stadthagen selbst anerkannt. Wir werden es nicht dulden, daß in die Reichs ⸗Gesinde⸗ ordnung eine einzige Bestimmung hineinkommt, welche dies Arbeiter schlechter stellt als die gewerblichen. Von dem Züchtigungsrecht wird nach dem Erlaß des Bürgerlichen Gesetzbuches wohl kein Gebrauch mehr gemacht werden. Denn da dieses Gesetzbuch das Züchtigungsrecht aufhebt, wird jeder vernünftige Richter die Be⸗ rufung auf die Gesindeordnung zurückweisen. Den Antrag der Sozial⸗ demokraten können wir nicht annehmen, weil wir damit bei der Re⸗ gierung kein Glück haben werden; denn die einfache Anwendung der Gewerbeordnung ist nicht möglich. Trotz allen Respekts vor der Gleichberechtigung aller, vor diesem Grundsatz des Christenthums kann man doch der Meinung sein, daß ein Unterschied besteht zwischen dem Arbeiter im Gewerbe, der nur dem Erwerb des Arbeitgebers dient, und dem Arbeiter, der in der Haushaltung des Arbeitgebers lebt. Dem Gesinde werden die Kinder anvertraut und manche Dinge, die man den gewerblichen Arbeitern nicht an⸗ vertraut. Der ländliche Arbeiter steht mehr inmitten der Familie des Arbeitgebers als der gewerbliche. Daher ist eine verschiedenartige Regelung der Rechtsverhältnisse nothwendig, wenn man nicht direkt die sittliche Stellung des Gesindes verkennen will. Das weibliche Gesinde wird nach der Gesindeordnung von der Ehefrau gemiethet. Eine solche Bestimmung kennt die Gewerbeordnung nicht. Was will man mit den Bestimmungen der Gewerbeordnung über die Sonntagsruhe bezüglich der Dienstboten machen? Daß wir das Koalitionsrecht für diese Arbeiter nicht autasten wollen, geht aus unserer ganzen Stellung und aus unserem Programm hervor. Der von uns eingenommene Standpunkt ist der allein praktische, der zum Ziele führt. Ich hoffe, daß wir zu einem Gesetze kommen werden, welches den armen dienenden Leuten mehr Segen bringt, als die doktrinären Wünsche der Sozialdemokraten. . Abg. Schall (d. kons.): Der Antrag der Sozialdemokraten ist für die Praxis unannehmbar; denn die einfache Ersetzung der be⸗ stehenden Gesindeordnung durch die Gewerbeordnung würde für die meisten Verhältnisse ein vollständiges Vakuum schaffen; aber auch der Antrag Lenzmann liegt nicht im Interesse der Sache; denn die Ge⸗ sindeordnung ist den Einzellandtagen vorbehalten, und das war sehr vernünftig bei der großen Verschiedenartigkeit der Verhältnisse in den deutschen Einzelstaaten. Es liegt auch gar kein dringendes Bedürfniß vor, eine reichsgesetzliche Regelung zu schaffen. Redner wendet sich dagegen, daß die land⸗ und forstwirthschaftlichen Arbeiter und das Gesinde die geknechteten Personen seien, und fährt dann fort: Das Gegentheil ist bielfach der Fall. Die land⸗ und forstwirthschaftlichen Arbeiter und namentlich die Dienstboten knechten die Herrschaften. Man 815 kaum noch Dienstboten. Die Arbeiterfrage erschwert die Land⸗ wirthschaft, ja macht sie fast unmoͤglich. Diese Frage ist fast noch schlimmer als die niedrigen Getreidepreise. Gegen⸗ über den Brutalitäten der Züchtigung durch die Herrschaft steht viel öfter der Fall, daß das Gesinde sich an der Herrschaft vergreift. Darüber mögen Sie (links) lachen, daß durch Ihre Thätigkeit solche Zu⸗ stände erzeugt werden, daß das alte patriarchalische Verhältniß immer mehr verschwindet. Suchen Sie doch einmal die Herren, welche gute Dienstboten haben! Daß das Gesinde nicht mehr zur Familie ge⸗ rechnet wird, liegt an der großen Unbotmäßigkeit. Wenn das Zuüchtigungsrecht mißbraucht wird, so sind wir die letzten, die das nicht verurtheilen. Der Reform bedürftig ist die Gesindeordnung;

aber das ist eine Aufgabe der Einzelstaaten, die sich dieses Recht nicht ohne weiter 1 werde sie im eigenen Hause Herr

1897.

Herr Stadthagen hat auch des verstorbenen Kaisers

sein wollen. 1 gedacht. Wenn die Worte,

Wilhelm und der Kaiserlichen Botschaft

wie er sie gebraucht hat, in dem stenographischen Bericht unverändert

bleiben, so sind sie ein Schlag ins Gesicht der deutschen Nation.

Abg. Dr. Bache m (Zentr.): Die Sache verdient doch eine nüchterne und objektive Behandlung. Wenn man aber die Rede des Herrn Stadthagen hörte, da rasselte es ja nur so von Brutalitäten, Aus⸗ beutungen u. s. w., daß man annehmen mußte, die Hälfte aller Herr⸗ schaften müßte morgen ins Zuchthaus kommen. Die Gesindeordnung verdient eine Reform, aber nicht wegen der Ausnahmefälle, die Herr Stadthagen vorgebracht hat. Auch was Herr Schall vorgetragen hat über die Haltung des Gesindes, sind Ausnahmefälle. Die Hinein⸗ ziehung des Kaisers Wilhelm I. in diese Frage hat auch mich empört; damit nützt man der Sache der Dienstboten nichts, es handelt sich schließlich nur darum, ob wir eine reichsgesetzliche Regelung vornehmen oder die Sache den Einzelstaaten überlassen. Im letzteren Falle würden wir statt der 80 bis 90 Gesindeordnungen 22 bekommen. Damit ist nichts erreicht, zumal da die Dienstboten aus allen Theilen des Reichs in alle Theile desselben gehen, was dringend einheitliche Bestimmungen verlangt. Darüber hat der Reichstag auch schon einen Beschluß bei dem Bürgerlichen Gesetzbuche gefaßt. Das dieser Beschluß des Reichs⸗ tages noch nicht ausgeführt ist, ist doch sehr begreiflich. Aber es ist nicht zu bezweifeln, daß das Reichs⸗Justizamt sich dieser Arbeit nicht entziehen wird. Die seltsamen Bestimmungen der Gesinde⸗ ordnung stehen doch zum größten Theil auf dem Papier und werden nicht mehr angewendet. Daß die Gewerbeordnung nicht einfach an die Stelle der Gesindeordnung gestellt werden kann, hat Herr Lenzmann schon ausgeführt. Damit würde den Dienstboten auch kein Gefallen erwiesen werden. Nur derjenige meint es gut mit dem ländlichen Gesinde, der sich nicht auf den Standpunkt des Antrags Auer stellt. Deshalb werden wir gegen den Antrag stimmen. Der Antrag Lenzmann unterscheidet sich von dem bereits gefaßten Reichstagsbeschluß nur dadurch, daß statt „baldthunlichst“ das Wort „baldigst“ gesetzt wird. Aber es wird nichts schaden, wenn man den Antrag annimmt, ohne die Sache im übrigen agitatorisch zu behandeln.

Abg. Dr. von Marquardsen (nl.): Sowohl die Rede des Herrn Stadthagen wie auch die des Herrn Schall zeigen Ueber⸗ treibungen. Ich will deshalb nicht darauf eingehen. Es wundert mich doch, daß die Herren Auer und Genossen mit ihrem Antrag kommen konnten, daß die Gewerbeordnung auf die land⸗ und forst⸗ wirthschaftlichen Arbeiter und das Gesinde angewendet werden soll, die ihrer großen Buntscheckigkeit wegen, welche sie durch die vielen Novellen erhalten hat, auf die einfachen Verhältnisse nicht npaßt. Wir werden für den Antrag Lenzmann eintreten. Eine gemeinsame Grundlage für die Gesindeordnung des Deutschen Reichs muß ge⸗ schaffen werden, weil die Dienstboten sich ja aus allen Landestheilen rekrutieren. Von einem besonderen Rechte der Einzelstaaten auf ihre besonderen Gesindeordnungen kann keine Rede sein.

Abg. Rickert (fr. Vgg.): Die bestehende Gesindeordnung enthält längst vergessene und veraltete Bestimmungen. Das muß geändert werden. Die Einzelstaaten haben kein vorbehaltenes Recht auf ihre Gesindeordnungen. Die Reichs⸗Gesetzgebung kann nicht nur, sondern sie muß sogar diese Materie in ihren Bereich ziehen zur Ergänzung der Gewerbeordnung. Wir müssen im Reiche vorgehen, weil die preußische Regierung ein Bedürfniß zur Aenderung der Gesindeordnung nicht anerkannt hat. 1

Abg. Stadthagen: Ich bin erstaunt darüber, daß mir meine Rede zum Vorwurf gemacht wird. Was habe ich denn bezüglich des Kaisers Wilhelm 1. gesagt? Ich habe auf die Vorlage von 1866 hingewiesen, die ich durchaus billige, wonach das Koalitions⸗ recht den landwirthschaftlichen Arbeitern gegeben werden sollte. Als der Krieg vorbei war, war von dem Gesetze keine Rede mehr, sodaß die ländlichen Arbeiter jetzt bei der Hundertjahrfeier sich sagen können: wir haben die Lasten des Reichs zu tragen, aber haben unsere Menschenrechte nicht erhalten. Ich habe damit nur sagen wollen, daß Sie (die Konservativen) das nachholen sollen, was bisher versäumt worden ist, was der angeblich von Ihnen so geliebte Kaiser den ländlichen Arbeitern schon geben wollte. (Vize⸗Präsident Schmidt: Der Redner schiebt den Abgeordneten andere Gesinnungen unter, als sie bekunden. Das ist nicht in der Ordnung. Ich rufe ihn deshalb zur Ordnung!) Ich habe keine andere Gesinnung wenn ich von „angeblich“ sprach. (Vize⸗Präsident Schmidt: Wenn Sie die Ausführungen wiederholen, so ist das wieder nicht in der Ordnung. Ich rufe Sie zum zweiten Mal zur Ordnung und mache Sie auf die Folge aufmerksam, welche die Geschäftsordnung darauf setzt.) Es handelt sich bei dem Antrage nicht um Agitation, sondern um eine Forderung, die wir seit Jahren verfochten haben und die auch der Reichstag durch seinen Beschluß als berechtigt anerkannt hat. Die heutige Verhandlung hat gezeigt, daß man aus Mangel an sachlichen Gründen persönliche Vorwände zu Hilfe nimmt.

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Daß die Rede des Herrn Stadthagen das Haus verletzt hat, haben die beiden SIö bewiesen. Der Antrag Lenzmann stimmt mit einem Antrag überein, den der Reichstag bereits im November v. J. angenommen hat; wiederholte Annahme desselben Antrags innerhalb desselben Sitzungsabschnittes ist eigentlich parlamentarisch unzulässig. Die Reichsgesetzzebung kann nur gewisse allgemeine Grundsätze aufstellen und muß das andere der Landesgesetzgebung überlassen. Der Antrag Lenzmann ist formell richtig, aber ich werde dagegen stimmen, weil eine Wiederholung des Beschlusses vom November meinem Gefühl

widerspricht. ac. Spahn (Zentr.): Die einfache Aufhebung der Gesinde⸗ ordnung führt nicht zum richtigen Ziel, sondern es muß eine reichs⸗ gesetzliche Neuregelung erfolgen. Wir schwächen die Wirkung des Beschlusses vom November 1896 ab, wenn wir heute den Beschluß wiederholen, wo zwei große Parteien gegen den Antrag stimmen. Herr Lenzmann sollte deshalb seinen Antrag zurückziehen. 1

Abg. Schall: Der Abg. Stadthagen hat gesagt, die Nicht⸗ gewährung des Koalitionsrechts für die Landarbeiter sei eine wort⸗ brüchige Hinderung des Koalitionsrechts, ein brutaler Ausfluß der wucherischen Ausbeutung der Landarbeiter. Dagegen hat sich mein Patriotismus empört. Sie werden sich doch nicht darüber wundern, daß ich Patriotismus habe, wenn er auch bei Ihnen fehlt (zu den Sozialdemokraten). Herr Lenzmann und Herr Stadthagen sind ja Beide nicht verheirathet, sie haben also keine Erfahrung bezüglich der Dienstboten.

Abg. Lenzmann: Selbst auf die Gefahr hin, daß nicht das gesammte Zentrum für meinen Antrag stimmt, werde ich denselben nicht zurückziehen, weil er nicht vollständig übereinstimmt mit dem Beschluß vom November 1896.

Abg. Freiherr von Stumm: Wenn der Antrag Lenzmann nur eine Einschränkung des Beschlusses vom November v. J. ist, dann ist es um so bedenklicher, ihm zuzustimmen.

Damit schließt die Debatte.

Nach einem Schlußwort des Abg. Molkenbuhr (Soz.) wird der Antrag der Sozialdemokraten gegen die Stimmen der letzteren abgelehnt; der Antrag Lenzmann wird gegen die Stimmen der Konservativen und eines Theils des Zentrums

und der deutsch⸗sozialen Reformpartei angenommen. Den Antrag wegen Aufhebung der Bäckerei⸗ verordnung beantragt

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