in Lübeck, in Bremen und Hamburg. Als Gründe für diese Abnahme des guten Einvernehmens zwischen Gesellen und Meistern werden angeführt einmal, daß die Meister naturgemäß auf hunlichste Ausnutzung der Arbeitszeit dringen müßten, während die Gesellen die genaueste Einhaltung der Arbeitszeit fordern; sodann, ß die Gesellen sich lässiger zeigen als früher, wo die Arbeit schlechthin
bis zur Vollendung fortgesetzt werden mußte; ferner, daß die Gesellen
unbotmäßiger geworden sind, daß die Meister sich als unter der Kon⸗ trole der Gesellen stehend fühlen, daß die Meister die Beschränkung der Arbeitszeit besonders da, wo Gesellen und Lehrlinge in häuslicher GSemmeinschaft leben, als einen Eingriff in ihr Hausrecht ansehen, und daß manche Gehilfen ihre freie Zeit zu übermäßigem Wirthshaus⸗ besuch oder in sonstiger Weise mißbrauchen, während die Meister sich im Geschäft abplagen. Die übrigen Aeußerungen — außer diesen, die ich soeben genannt habe — lauten sämmtlich dahin, daß Klagen über die Verschlechterung der Beziehungen zwischen Meistern und Gesellen nicht oder nur ver⸗ einzelt bekannt geworden sind.
Was insbesondere Preußen anbetrifft, so neigen sechs Regierungs⸗ Präsidenten der Meinung zu, daß die Verordnung das Verhältniß wischen Meistern und Gesellen nachtheilig beeinflussen möchte. Ein
egierungs⸗Präsident berichtet, daß unter den Bäckergesellen einer kleinen Stadt seines Bezirks sozialdemokratische Regungen zu Tage getreten sind, die nur durch den gesunden Sinn der Meister haben unterdrückt werden können. Nach dem Bericht eines anderen Re⸗ gierungs⸗Präsidenten sucht die sozialdemokratische Partei die Bäcker⸗ hesellen dadurch für sich zu gewinnen, daß sie die Verordnung als eine rrungenschaft der Sozialdemokratie hinstellt. (Zuruf links. Heiterkeit.) Dagegen wird von zwei den entgegengesetzten Standpunkt ver⸗ Regierungs⸗Präsidenten darauf hingewiesen, daß
ängst vor dem Erlaß der Verordnung und unabhängig von dieser Eingang gefunden haben. (Hört! hört! links.) Aus einer Mittelstadt des Westens, wo vor dem Erlaß der Verordnung wischen den Bäckermeistern und ihren größtentheils der Sozial⸗ semokratie zugehörigen Gesellen wiederholt Zwistigkeiten bestanden hatten, berichtet der Magistrat, daß der sozialdemokratischen Agi⸗ tation durch diese Bestimmung ein wesentliches Kampfmittel ent⸗ ogen sei. (Hört! hört! links.) Der Obermeister der Bäcker⸗ nung einer Stadt im Osten hat dem dortigen Gewerbe⸗Inspektor segenüber erklärt, daß die Bestimmungen für die Entwickelung und Schaffensfreudigkeit der im Bäckereigewerbe beschäftigten Personen gensreich und dazu angethan seien, mit der Zeit ein besseres invernehmen zwischen Meistern und Gesellen herbeizuführen, in besseres, als bei dem bisherigen System der unbeschränkten usnutzung der Arbeitskräfte zu beobachten war. (Sehr richtig! inks.) Meine Herren, das ist kurz der wesentliche Inhalt der vor⸗ egenden Berichte. Wenn Sie mich nun fragen: Was wird weiter geschehen? — so kann ich Ihnen sagen, daß wir im Begriff sind, ine Zusammenstellung dieser Berichte zu machen — sie liegt bereits im Entwurf vor —, und zwar auf Wunsch des Königlich preu⸗ ischen Herrn Handels⸗Ministers, aus dessen Ressort die Initia⸗ tive zur Bäckereiverordnung ergriffen worden ist, — daß diese Zu⸗ sammenstellung der preußischen Regierung und, wie ich beabsichtige, auch allen übrigen Regierungen zugänglich gemacht werden wird, und daß wir dann abzuwarten haben, welche Anträge an den Bundesrath etwa bezüglich einer Aenderung der Verordnung werden gestellt werden.
In einem Punkte halte ich, was meine Person anlangt, eine olche Aenderung für angängig, und zwar bezüglich der Arbeitszeit den Tagen vor den Sonn⸗ und Festtagen; man entspricht mit ner solchen Aenderung einem namentlich im Westen der Monarchie ebhaft hervorgetretenen Bedürfniß. So lassen sich vielleicht auch noch einzelne andere Modifikationen machen. Für jetzt aber glaube ich, indem ich auf meine Eingangsworte urückkomme, nicht in Aussicht stellen zu können, daß die verbündeten Regierungen sich zu einer Aufhebung der Bäckereiverordnung ent⸗ schließen werden. Die Berichte, die uns von den Regierungen vor⸗ liegen, lassen darüber keinen Zweifel, daß man überall im ganzen Reiche bei den Regierungen der Meinung ist, daß die kurze Zeit seit eer Einführung der Bäckereiverordnung noch nicht ausgereicht hat, m ein zutreffendes Urtheil über ihren Werth oder Unwerth zu ekommen.
Zur Geschäftsordnung bemerkt der Abg. Dr. Hitze (Zentr.): Die Mittheilungen des Staatssekretärs sollten auch dem Reichstag zugestellt werden, und ich würde beantragen, daß wir bis dahin
nsere Debatte vertagen, damit auf Grund eines festen Materials ebattiert werden kann.
Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher: 9 Ich bin in diesem Augenblick nicht in der Lage, eine bindende Zusage in der von dem Herrn Abg. Dr. Hitze gezeigten Richtung abgeben zu können, und zwar um deswillen nicht, weil die Berichte on den Einzelregierungen erstattet sind, und ich mich ohne Zu⸗ stimmung der Regierungen nicht für ermächtigt halte, nach außen hin diese Berichte in der Form, in welcher es der Herr Vorredner wünscht, zu verwerthen. Ich bin aber bereit, die Zustimmung der Bluundesregierungen dazu zu extrahieren; wenn ich die Zustimmung erhalten habe, so werde ich sehr gern die Zusammenstellung des Inhalts der Berichte dem hohen Hause mittheilen.
Abg. Dr. Hitze: Ich habe die Hoffnung, daß die einzelnen Staats⸗ egierungen ebenso wie der Staatssekretär geneigt sein werden, unseren Wunsch zu erfüllen. Wir wollen die Diskussion nicht hintertreiben, ondern nur gründliches Material schaffen. Ich stelle den Antrag, die Verhandlung von der Tagesordnung für heute abzusetzen.
Abg. Dr. von Bennigsen (nl.): Ich möchte mich dem Antrag
des Hitze anschließen. 3 üs-e esberff⸗ Ich kann mich mit dem Antrag nicht
einverstanden erklären. ir werden mit Petitionen von Bäckern
überschüttet werden und wollen die Sache endlich einmal im Reichstag
e. eeg wvigs bringen, nachdem wir seit März v. J. hingezogen orden sind.
Abg. Dr. Vielhaben (Reformp.) bittet um Ablehnung des An⸗ trags auf Vertagung, weil verfelbe keine Vortheile bringe. Die Gutachten, welche die Regierung eingezogen habe, hätten ja gar keinen Werth, weil die Verwaltungsbeamten in die kleinen Kreise des Publikums eindrängen; die Regierung werde daher getäuscht.
Präsident herr von Buol: Sie haben nur zur Geschäfts⸗
g.e. S (Ro.)
. ’ von Stumm (Ryp.): Die Auss der Ab⸗
stim würde ich verstehen; aber die Vertagung der ist mir nicht begreiflich. 8
gehabt
Abg. von Kardorff: Der Antrag auf Vertagung ist nur mit Zustimmung der Antragsteller zulässig.
Abg. Dr. Hitze: Wenn wir Sb⸗ nicht Widerspruch gegen die Tagesordnung erboben haben, so zeigt das, daß wir die Erörterung nicht aussetzen wollen.
Abg. bon Kardorff: Herr Hitze hatte gar nicht das Recht, unserem Antrage zu widersprechen. Die Geschäftsordnung giebt nur das Recht zur Beantragung der einfachen Tagesordnung.
Abg. Dr. Hitze: Wenn die Herren diskutieren wollen, ziehe ich meinen Antrag zurück.
Abg. Bebel: Dann nehme ich den Antrag wieder auf; Sie werden uns doch nicht zutrauen, daß wir der Erörterung ausweichen!
Der Antrag wird gegen die Stimmen der Konservativen, eines Theils des Zentrums und der Nationalliberalen ab⸗ gelehnt und die Debatte fortgesetzt. Das Wort erhält der
Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Der Bundesrath hat sich pehür die Aufhebung der Verordnung ausgesprochen. Die Antrag⸗ steller haben ihren Antrag nur auf Abänderung gerichtet, und damit wird die Mehrheit des Hauses einverstanden sene Wir müssen daher den verbündeten Regierungen unseren Wunsch kundgeben. Die verschiedenen Urtheile der preußischen I“ beweisen, daß die Verhältnisse in den einzelnen destheilen ganz verschieden sind. Die Regierungs⸗Präsidenten haben ihr Urtheil doch kaum aus eigener Anschauung abgegeben, sondern haben sich wohl der Ge⸗ werbeinspektoren bedient, deren Auffassung jedenfalls beeinflußt ist, so daß sie nicht die nöthige Objektivität besitzen. Aus den Petitionen geht hervor, daß die Sache meist gut geht, weil die Polizeibehörde meist vernünftiger ist als die Urheber der Verordnung, weil sie sieht, daß die Verhältnisse derartig sind, daß die Durchführung der Ver⸗ ordnung eine drakonische Maßregel sein würde, daß die gewissen⸗ haften Meister geschädigt werden zu Gunsten der weniger gewissen⸗ haften Unternehmer. n die Regierung wirthschaftliche Maßregeln für den Großbetrieb treffen will, so befragt sie die Handels⸗ kammern. Aber über solche Maßregeln für das kleine Gewerbe werden die Betheiligten nicht befragt. Die Bäckergesellen beschweren sich darüber, daß die Meister in der verkürzten Arbeitszeit ein größeres Arbeitsquantum verlangen. Das ist das sweating⸗System, welches die Folge verkürzter Arbeitszeit ist. Von der 12⸗ oder 13 stündigen aximalarbeitszeit der Bäcker sind in Wirklichkeit 10 Stunden Arbeit, der Rest sind Pausen. In den Betrieben mit unterbrochenem Feuer hat der Bundesrath, um einen Schichtwechsel zu ermöglichen, zugelassen, daß die Arbeiter 24 Stunden hinter ein⸗ ander arbeiten können. Das ist eine andere Leistung, als sie von den Bäckern gefordert wird. Die Bäckerei ist eines der wenigen noch be⸗ stehenden Handwerke, soll es denn unter allen Umständen ruiniert werden? urch die Verordnung bekommen die großen Brotfabriken einen Vorsprung vor den kleinen Bäckereien. Vorhin ist die Verordnung als eine sozialdemokratische Errungenschaft bezeichnet worden. Das glaube ich allerdings, daß die Erdrosselung der Kleinbetriebe den Sozialdemokraten als Ziel vorschwebt. Die Verordnung fördert die Spionage, und der Geselle, der sich mit dem Meister überworfen hat, hat Material genug, um zur Polizei zu laufen und seinen Meister zu denunzieren. an sollte die Polizei nicht in alle Dinge hineinreden lassen, die nicht zu ibrer eigentlichen Aufgabe gehören. Eine Ausdehnung der Besugnisse der Polizei sollte vermieden werden. Wollen die Herren vom Zentrum das verhindern, so haben sie die Macht dazu. Aber aus dem Material des Staatssekretärs werden sie keine Unterstützung für sich herleiten können.
Abg. Augst (d. Volksp.): Den verbündeten Regierungen ist die Berechtigung zum Erlaß einer solchen Verordnung nicht zu bestreiten. Abg. Dr. Hitze: Wir hatten durchaus keinen Grund, der Debatte auszuweichen. Der bisherige Verlauf der Diskussion, speziell die Bemerkungen des Herrn von Stumm, haben aber den Beweis geliefert, daß er das Ergebniß der Untersuchung der Einzelregierungen nicht überblicken konnte. Einige Aenderungen der Gewerbeordnung werden nützlich sein, z. B. den Betrieben für Sonnabend eine längere Arbeitszeit zu gewähren, welche volle Sonntagsruhe haben; man kann auch auf eine wöchentliche Normalarbeitszeit kommen. Die Herren (rechts) hätten nur nicht die Bäcker in die unbedingte Opposition hineintreiben follen. 1891, als der § 120 E eingeführt wurde, hat Herr von Kardorff geschwiegen und jetzt, wo derselbe zum ersten Male ausgeführt werden soll, wendet er sich mit aller Heftigkeit dagegen. Zu einer Abänderung im Interesse des andwerks wir bereit, soweit der Schutz für die Arbeiter und Lehrlinge dabei nicht vergessen wird. Wir haben das Handwerk schützen wollen vor der Invaliditätsversicherung; die Herren von der Rechten unterstellten das Handwerk dieser Versicherung. Die Handwerker werden es nicht vergessen, daß die Anträge zu Gunsten der Handwerker der Initiative oder der kräftigen Unterstützung des Zentrums ihre Annahme verdanken.
Abg. Dr. Vielhaben protestiert dagegen, daß der Akänderungs⸗ antrag von Stumm mit verhandelt werde, da ihm die noth⸗ wendige Unterstützung von 30 Mitgliedern fehle.
Abg. Hilpert (b. k. F.) erklärt sich für Aufhebung der Ver⸗ ordnung.
Abg. Dr. Hasse (nl.): Ich hätte gewünscht, daß wir erst Zeit Fatken, die vth ndcn des Sesscgtt ee zu prüfen. Ihre Werthlosigkeit kann ich nicht von vornherein feststellen. Meine Freunde bedauern, daß der Bundesrath von seiner rechtlichen Be⸗ fugniß gerade an dieser Stelle Gebrauch gemacht hat; Verhältnisse in der Bäckerei liegen sehr ungewöhnlich; Mißstände vorhanden, welche einer Regelung bedürfen, z. B. bezüglich der Beschäftigung kranker Gesellen u. s. w.; auf die Arbeitszeit hätte sich die Reglementierung nicht in erster Linie erstrecken sollen. Die ufhebung der Verordnung wird nicht mehr verlangt. Eine Abänderung halten wir auch für nöthig; wir werden deshalb für 8 Antrag der Konservativen und den Abänderungsantrag von Stumm mmen.
Abg. Dr. Vielhaben beantragt die Aufhebung der Bäckerei⸗ verordnung in Uebereinstimmung mit dem ursprünglichen Antrag Kardorff⸗Manteuffel. Redner weist darauf hin, daß ein Obermeister einer Bäckerinnung gegen die Verordnung des Bundesraths gekämpft habe, endlich aber habe er den Kampf aufgegeben, weil er in seinem Gewissen bedrängt worden sei. Er sei jetzt nicht mehr Obermeister. Die Erhebungen der Behörden seien werth⸗ los. Es giebt Gesellen, fährt Redner fort, die den Meister wegschicken, wenn sie über die Zeit arbeiten wollen, und die Sozial⸗ demokratie soll die Parole ausgegeben haben: so lange die Ver⸗ ordnung noch nicht gesichert ist, sollten die Gesellen sich ruhig ver⸗ halten. Es besteht ein Unterschied zwischen den Fabrikarbeitern; die abrikarbeiter wollen möglichst wenig arbeiten; denn selbständig können doch nicht werden. Die Bäcker aber haben in der Hoffnung auf Selbständigkeit einen sittlichen Anreiz zur Arbeit. Eine Aenderung der Verordnung, etwa durch Einführung einer Normalarbeitswoche, ist nicht ausreichend; denn eine Kontrole darüber wäre nicht möglich. Was die Werkstätten betrifft, so sollte sich Herr Bebel seiner eigenen Werk⸗ stätten in Leipzig erinnern; darüber wäre mehr zu sagen als über die Bäckerstuben. Was r Bebel vorbringt, ist ja bei seiner naiven, fast kindlichen bigkeit schon oft als falsch erkannt worden. Ueber die Bäckereien in Harburg hatte Herr Bebel haarsträubende Behauptungen aufgestellt, die von dem Gewerbe⸗Inspektor als unzu⸗ treffend erklärt sind. Wenn die Regierung durch solche Verordnungen
die selbständigen ruiniert, ss
Inzwischen ist der gestern bereits mitgetheilte Antrag des Zentrums (über den Antrag von Kardorff und Genossen zur Tagesordnung überzugehen) dahin abgeändert worden, daß an⸗ statt der Worte: „in Erwägung endlich, daß diese Erhebungen * nicht abgeschlossen sind, und daher weder der Bundesrath — der Reichstag jetzt schon in der Lage ist“ die Worte: „in
a
denn die
auch dem Reicheto nicht beurtheilen läßt“ gesetzt worden sind.
Abg. Bebel (Soz.): Es ist wohl kaum glaublich, daß Betriebswerkstätte eines öffentlich so vielfach beachteten M man die
g bin, nicht beachtet bätte, sodaß mir, wenn die Zustiane sn. wirklich so unter aller Kritik waren, sicherlich schon — seüs macht worden wären. Ich muß die Behauptung des Wirf. ge⸗ direkt als eine Lüge der allergemeinsten Art bezeichnen. Deräners redner hat auch den Bäckermeister peßelnt in Dresden hi Bm⸗ auf der Tribüne erwähnt; durch Prozesse ist festgestellt, daß af na hauptungen über denselben unrichtig waren. Die S Be. eeee. würde der Sozialdemokratie Abbruch thun. Aber 18
äckereigewerbe ist schon von dem allgemeinen Entwickelungsproch das Großbetrieb ergriffen, wie die Statistik beweist. Im — bümn besteht, wie in den meisten Handwerken, eine schwere Konku * Meister kämpfen schwer um ihre Existenz. man brauche den Bäckern nur an die gefüllten Taschen zu die Thaler würden schon herausfliegen. Jetzt spricht man von schutzbedürftigen Bäckern! In den kleinen Bäckereien sind die a hältnisse am schlimmsten, die Arbeitszeit am längsten. Die e b. der Bäckerei stammen nicht aus den Großstädten, sondern bhüs verlorensten Gegenden, in denen die bescheidenste Lebens 8 herrscht. von Stumm, der Ordnungsmann, hat en die Regierungsautorität bloßgestellt; er meinte, die 2 gierungs „ Präsidenten hätten ihr Urtheil nicht d eigene Anschauung gewonnen, ihre Berichte seien werthlos. erd stritt die Obje ät der Gewerbe⸗Inspektoren. Wenn das „ Sozialdemokrat gesagt hätte! Herr von Stumm sprach auch von 8 Polizeibehörden, welche sich vernünftiger erweisen, als die Urhbes der Verordnung. Das heißt also, die Polizeibehörden lassen 8 röbsten Mißstände und Gesetzesverletzungen zu! Viele andere Staate d mit der Herabsetzung der Arbeitszeit vorgegangen, und daduiz hat sich das Verhältniß der Arbeiter zu den Unternehmern nicht 8 wesentlich gebessert. Man sollte die Verordnung unverändert be stehen lassen, weil die Zeit noch viel zu kurz ist, um ihre Wirk übersehen zu können. Wie die Petitionen der Gesellen gegen de Verordnung zu stande gekommen sand. das wissen wir. (Zuruf rechtz: Wieso denn!) Die Petitionen sind zum theil in den bergen mn Heimath unterzeichnet worden. Die Petitionen von Arbeitern 8 von aöbängigen Ferpfe ür nee 8 „ Abg. von Podbielski (d. kons.): Ueber patriarchali hältnisse will ich mit Herrn Bebel nicht Fethr enanch liche dg. nicht, weil er patriarchalische Verhältnisse einfach mit Knechtschat übersetzt. Daß die Bäckergesellen sich aus den untersten Vollk⸗ schichten rekrutieren, widerspricht den Thatsachen, wenigstens auf dem Lande, wo der Sohn dem Vater folgt. Die schlechten ustände in den Backstuben wollen wir nicht erhalten. Da muß die Zusäe eir⸗ schreiten, dazu hilft diese Verordnung nicht. Die Sozialdemokrate wollen das gute Verhältniß zwischen Meistern und Gesellen stören, um einem noch einigermaßen feststehenden Gewerbe den Boden 88 entziehen. Mit der Tagesordnung, die das Zentrum beantragt, kam den Bäckern nicht geholfen werden. Aber Sie (zum Zentrum) werden bekennen müssen, wenn die Bäckermeister an Sie herantreten. ir vertreten die dwerker, wie die Sozialdemokraten die Arheite vertreten, allein es folgen Ihrem renfänger von Hamenn mit seinem Geigenspiel noch lange nicht alle Arbeiter. Deshalk bitte ich Sie, dem Antrage zuzustimmen, obgleich ich nicht so sehr für das Abändern, sondern für das Aufheben der Verordnung bin.
Abg. Dr. Schneider (fr. Vgg.): Wir sind auch mit der Ver⸗ ordnung nicht ganz einverstanden, namentlich hätten wir es auch für besser gehalten, daß eine Minimalrubezeit statt einer Maximal⸗ arbeitszeit festgesetzt worden wäre. Nach den Mittheilungen de Herneee Boetticher hätten wir auch eine Vertagung der Debatte
n
] * 729. der b
g. Molkenbuhr (Soz.), daß seine Freunde den Pichler stimmen würden, aber ohne sich Ffhar Menen un zueignen. Die Hauptsache sei, daß zur Tagesordnung übergegarga
werde.
Das Schlußwort nimmt der Abg. von Kardorff: Hitze hat uns wieder in Wieer⸗ spruch setzen wollen mit dem Februarerlasse, trotzdem ich ihm gewiesen habe, daß seine Interpretation desselben im bich ühn na mit den Ausführungen des Ministers von Berlepsch. Nicht das Zentrum hat die Initiative zur Sozialgesetzgebung ergriffen, sonden mein Fraktionsgenosse von Stumm. Wera gesagt wurde, daß Hen von Stumm die Fabrikinspektoren abschaffen wollte, so ist das eie Verdächtigung, die mit den Thatsachen in Widerspruch steht. De Petitionen der Bäckergesellen sind nicht von den Meistern aus sondern von den Gesellen selbst, die noch hoffen, selbständig 2 werden, und die älteren Gesellen wollen sich nicht mehr an n Hetzarbeit gewöhnen, welche infolge der Verordnung nothwendz Feseekac In einer Petition wird ausgeführt, daß die einzelzn Pausen fünf Stunden betragen. Die Folgen der Verordnung find eine unerträgliche Polizei⸗Chikane gewesen, die Ausdehnung des Denunziationswesens mit Zerstörung des freundschaftlichen Verhäl⸗ nisses zwischen Arbeiter und Arbeitgeber, die Vernichtung der kleinere Betriebe, also im Ganzen ein großes Anwachsen der Sozialdemokmtie. In der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“, dem offilissen Regierungsblatt, lesen wir große Artikel. Aber was thut die Regierung selbst? Sie züchtet ja die Sozialdemokratie mit solchen Verordnungen. Ich habe nach der Rede des Herrn von Boetticher wenig Hoffnung daß die Verordnung aufgehoben wird. Ich hoffe aber, stens eine Aenderung eintreten wird, und fordere die Bäcker die schlechte Zeit auszuhalten; es wird doch wieder besser ezgr des Herrn von Stumm nehmen wir in unseren Ar⸗ rag auf.
Direktor im Reichsamt des Innern von Woedtke: Der Vorwurf des Herrn von Kardorff, daß die Regierung die Sojial⸗ demokraten groß ziehe, muß ich zurückweisen. In dem Augenblick, ve im Bundesrath als festgestellt gelten wird, was Herr von Kard berichtet hat, wird der Bundesrath zur Aenderung der Verordnung übergehen. Vorläufig liegen aber die Thatsachen anderes.
Die hierdurch wieder eröffnete Diskussion wird wiederum geschlossen. In namentlicher Abstimmung wird darauf Antrag Pichler in der verbesserten Fassung mit 148 geger 104 Stimmen angenommen.
Schluß 6 Uhr. Nächste Sitzung Donnersta 12 Uhr. (Dritte Berathung des osleserumg wertroges mit den Nieder⸗ landen und Berathung des rine⸗Etats.) 8
Haus der Abgeordneten. 52. Sitzung vom 17. März 1897.
Die zweite Berathung des Staatshaushoelta-Eifs: für 1897/98 wird beim Etat des inisteriums füt Handel und Gewerbe fortgesetzt.
Nach der bereits im Auszug wiedergegebenen Rede des Abg. Gothein (fr. Vgg.) nimmt das Wort 4
Abg. Gamp (fr. kons.): Der Abg. Gothein steht den Stettina n des Minist ber. V eissteigerug 5 ührungen des Ministers darüber. on einer den Terminhandel hat der Produzent nicht “ bacche⸗ diese muß vielmehr der Konsument bezahlen zu Gunsten des Hanrei Die Frage des Terminhandels in der Börsen⸗Enquste⸗Kommifficnee so vusfägelic ebehandelt 1 nicht —2 — will. ie minderung der Preisdifferenz zwi Roagen Wehen ist nicht auf das Verbot des Lerminbandels nurückzufäbs;
daß die vom Bundesrathe veranlaßten Erhebungen einer ng noch nicht unterzogen werden konnten, gieselben
sondern hängt von der Ernte ab. Es i v der Preis ir Roggen höber & als .. . n vorce ge Sals
e nicht mitgetheilt sind, sich mithin 8
Fürst Bismard nn Börsenregister
issen fern und ist nicht der richtige Interpret der dech
tädten sind allerdings besonders benachtheiligt durch
—— 8n Terminhandels, das ist aber eine Folge der Privi⸗
des Großhandels durch die Zollkredite. eshalb fordern
gimmer die Hesgttigung. der Zollkredite, und ich bitte den I.e seinen Einfluß bei der eichsregierung dahin geltend zu machen. 5 Beseitigung des Rauhweizens an den Börsen ist nicht durch die Handels⸗ Die herbeigeführt worden, sondern Fürst Bismarck hat gerade darum hmmern fe mit 89 E““ 2 885 58 3 je freisinnige Presse a een Kampf und forderte die Uhe ileefeae — lieber die Börsen zu schließen. Und heute man den Segen des Ausschlusses des Rauhweizens längst an⸗ bat nt. Die Vorschriften über den Börsenkommissar im Börsen⸗ eckannz. d durchaus nothwendig. Wenn so hervorragende Männer ntzel und von Mendelssohn sich für das -51 kann es doch nicht so ehrenkränkend sein, sich in das eintragen zu lassen. Auch nach den früheren Gesetzen ite die Regierung Maßregeln gegen die Börsenmißstände ergreifen 0s den Terminhandel verbieten. Das neue Börsengesetz ist also
beße buben
2 geeigneter Angriffspunkt für die Herren von links. Das Börsen⸗
ift mit der größten Sorgfalt in jahrelangen Verhandlungen borbereitet worden. Ich hätte gewünscht, daß man bei anderen Ge⸗ legenheiten, wie der Bäckereiverordnung und der Sonntagsruhe, solche falt angewendet hätte. Von der Taktik, dem Gegner etwas mterzuschieben, was nicht ist, um ihn widerlegen zu können, klang durch e Rede des Abg. Gothein wieder etwas durch; er sagte: man kann doch nicht verlangen, daß alle möglichen Geschäfte außerhalb der Börse mit in Betracht gezogen werden. Wer von uns hat den das verlangt? Einen Deklarationszwang cßte man für ür an der Börse abgeschlossenen Geschäfte einführen, auf die Amn der Geschäftsleute kommt es garnicht an, sondern nur auf in beschäfte selbst. Hängen kann man die Leute natürlich nicht, den sie ihre Geschäfte nicht anmelden. Herr Gothein hat uns nieer einmal selbst das Beispiel falscher Notierung angeführt, daß, väbrend in Plauen der notierte Preis 160 ℳ betrug, ein Plauener Rüler in Berlin 178 bis 180 ℳ habe zahlen müssen. Wenn öraf Schwerin und Graf Klinckowström die Sache der Stettiner Koetierungen aufgeklärt haben und von drüben doch immer wieder Mißverständniß zu erregen versucht wird, so muß man doch annehmen, neß da eine Absicht vorliegt. Daß die Staatsbetriebe und das Kriegs⸗ Mnifterium nur von Produzenten kaufen, ist eine durchaus berechtigte Naßnahme, die auch einer vom Hause angenommenen Resolution atspricht. Ein Fehler ist es nur, daß man bei den Ankäufen für die proviantämter die lokalen Marktpreise zu Grunde legt; dabei könnte ss wohl einmal vorkommen, daß ein zu hoher Preis gezahlt würde. Der Kampf zwischen der Landwirthschaft und den Börsen ist jetzt zuf ein praktisches Geleise gekommen, indem die Kaufleute schon manche ihrer Bedenken fallen gelassen haben. In Berlin sind nicht, wie von Eynern gestern bemerkte, ungeeignete Personen in den d gekommen, sondern sehr tüchtige Leute, wie unsere Kollegen Ring und von Werdeck. Die Händler unter sich mnögen Geschäfte machen, soviel sie wollen, ich habe nichts dagegen, daß sie sich gegenseitig abschlachten, aber sie sollen das Privat⸗ nublikum mit Spekulationsgeschäften verschonen. Den Herrn Handels⸗ Minister frage ich, wie es kommt, daß noch immer Zeitgeschäfte in Bergwerks⸗ und Fabrikpapieren gemacht werden können trotz des Börsengesetzes. line Auskunft über die Enguste⸗Ergebnisse in Sachen der Bäckereiverordnung lehnte der Minister wohl nur mit Küdsicht auf die heutige Verhandlung im “ hoffentlich zekommen wir dort eine genügende Auskunft. Die Bäckereiver⸗ udnung hat geradezu verheerend gewirkt, und die Regierung wird zeffentlich bereit sein, die Verordnung wenigstens zu mildern, was uch vom Standpunkt der Gesellen erwünscht ist. Für das Handwerk mchält der Handels⸗Etat nicht eine einzige Position, die es im Kampfe die Großindustrie unterstützen könnte. Den Provinzen oder hen müssen Mittel dazu zur Verfügung gestellt werden, und auch hi der Schaffung der Organisation des dwerks muß der Staat nanziell helfen. Die Vorschriften über die Sonntagsruhe entsprechen nicht den Zwecken der Sonntagsheiligung und den Bedürfnissen der Gewerbetreibenden. Fast alle Tage erscheinen neue Polizeiverord⸗ nungen. Jetzt sollen auch geschäftliche Telephongespräche am Sonntag verboten sein. Ich kann mir also wohl beim Schlächter am Sonntag telephonisch einen Kalbsbraten bestellen; wenn es aber der Hotelier thut, so gehört das zu seinem Geschäftsbetrieb, und das Fräulein im Amt erwidert ihm: Das Gespräch darf ich nicht zulassen.
In Süddeutschland wird die Sonntagsruhe viel richtiger gehandhabt.
Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:
Ich habe das Wort ergriffen, um einige Fragen, die der Herr Verredner an mich gerichtet hat, an seine Ausführungen anknüpfend⸗ in beantworten.
Der Herr Vorredner hat zunächst Bezug genommen auf die im zorigen Jahre vom hohen Hause gefaßte Resolution, in welcher die Pfforderung an die Regierung gerichtet wurde, daß die staatlichen Beriebsverwaltungen nur inländische Waaren oder vorzugsweise in⸗ lindische Waaren kaufen sollen, um ihren Bedarf zu decken. Diese Reso⸗ Ution stand in Uebereinstimmung mit dem Verfahren, welches schon seit lüngerer Zeit bei der Regierung üblich gewesen ist. Die Regierung ist immer bemüht gewesen, soweit es möglich war, im Inlande den Zedarf zu decken; leider ist das nicht überall der Fall, sodaß sie bei manchen Artikeln darauf angewiesen ist, sich aus dem Auslande zu versorgen. Darüber, welche Verfügungen seitens der einzelnen Ressorts erlassen sind oder nothwendig waren zu erlassen, um diese Auffassung etwa den Behörden erneut einzuschärfen, ist mir nichts bekannt ge⸗ worden. In Bezug auf das Ressort des Handels kann ich nur mit⸗ theilen, daß die Kornmagazin⸗Verwaltung in Osterode angewiesen ist, für die dortige bergmännische Bevölkerung nur inländisches Korn zu kaufen. Ich führe das beispielsweise an. Was speziell seitens der Kriegs⸗ verwaltung bezüglich der Proviantämter veranlaßt ist, weiß ich nicht. Ob die Verfügung erlassen ist in dem Sinne, wie der Herr Abg. Gothein es behauptete, und wie weit die Proviantämter angewiesen sind, nur von den Produzenten zu kaufen, eventuell welches die Gründe dam gewesen sind — ich bin nicht in der Lage, darüber Auskunft geben zu können.
1 Ich habe dann noch eine Erklärung abzugeben bezüglich der eigen⸗ thümlichen Art, in der gegenwärtig nach Angabe des Herrn Vorredners Zeitgeschäfte über Bergwerkspapiere an den Börsen abgeschlossen werden. Die aus dem Kurszettel ersichtliche Thatsache, daß dort Ge⸗ schäfte abgeschlossen werden, die den Charakter von Ultimogeschäften zu haben und eigentlich an die Stelle derselben getreten zu sein scheinen,
mir Veranlassung gegeben, Berichte darüber zu er⸗ fordern, und zwar bereits im Anfang des Januar. Der Bericht ist von dem Staatskommissar erstattet worden, und er kommt wesentlich darauf hinaus, daß es allerdings den Anschein habe, als ob es sich hier um nichts Anderes handle, als um gewöhnliche Ultimo⸗ geschäfte. Ich habe infolge dessen Veranlassung genommen, die Auf⸗ sichtsbehörden und die Aeltesten der Kaufmannschaft darüber zu hören. Dieselben sind aufgefordert, der Bericht von ihnen ist aber noch nicht eingegangen. Erst wenn das geschehen, werde ich in der Lage sein, estimmungen darüber treffen zu können, ob es sich hier um eine mläfsige Art von Geschäften handelt.
Sodann hat Herr Abg. Gamp noch auf die Beschränkung des Pmerblichen Verkehrs am Sonntag Bezug genommen. Ich stehe in
ieser Beziehung im wesentlichen mit ihm auf dem gleichen Stand⸗ puntt; ich bin auch der Meinung, daß bei solchen Beschrän
Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse unbedingt nöthig ist. Was für den einen Ort sehr nützlich sein kann, kann an einem anderen ein scharfes Hinderniß für den Verkehr bilden. Man muß diesen Um⸗ ständen unbedingt Rechnung tragen.
Daß eine Verfügung ergangen sei seitens der Postbehörden, wo⸗ nach der Telephonverkehr am Sonntag nicht stattfinden soll, habe ich ebenfalls in den Zeitungen gelesen; ich habe aber auch in der heutigen Morgenzeitung gelesen, daß die Mittheilung nicht richtig wäre, sodaß ich bis jetzt davon abgesehen habe, mich genauer darüber zu informieren. Sollten die Verhältnisse doch so liegen, wie der Herr Vorredner an⸗ nimmt, so würde ich mich näher nach dem Sachverhalt erkundigen; denn ich muß zugeben, daß allerdings der örtliche Verkehr unter einer solchen Beschränkung leiden würde.
Abg. Dr. Friedberg (nl.): Die Bäckereiverordnung muß in wesent⸗ lichen Punkten geändert werden. Den Vortheil davon haben nur die großen Bäckereien gehabt, die mit größeren Kapitalien arbeiten. Sozial⸗ demokratisch angehauchte Bäckergesellen haben diese Verordnung zu allerlei Chikanen gegen ihre Meister benutzt. Die Behauptung, daß die rechte Seite mehr für den Handel thäte als die linke, ist un⸗ richtig. Herr von Eynern hat schon im vorigen Jahre in Bezug auf die Sonntagsheiligung gebeten, daß sie nicht schematisch durchgeführt würde. Bestände wirklich das Telephonverbot am Sonntag, so müßte eine solche komische Einrichtung so bald wie möglich beseitigt werden. Ueber das Ziel schießt es hinaus, wenn die Staatsbetriebe unter be⸗ wußter Umgehung des Kaufmannsstandes nur bei Produzenten kaufen. Es kommt nur darauf an, daß die heimischen Landwirthe nicht durch den Import ausländischen Getreides geschädigt werden. Man sollte also nur verlangen, daß der Händler die Provenienz des Getreides vom Inlande nachweist. Ueber die Börsenfrage will ich im Interesse
des Friedens nichts sagen. 8 “
Abg. Herold (Zentr.): Wir haben Fabrikinspektoren für die Industrie, und die Börse soll vom Staate durch seine Kommissare nicht kontrolliert werden? Der Staatskommissar war doch wirklich kein Grund zur Auflösung der Produktenbörse, ebenso wenig die Angriffe der Agrarier. Der Minister Maxybach hat früher schon vom „Giflbaum⸗ gesprochen. Der ganze Strike hat nur den Zweck, den Terminhandel wiedereinzuführen. Daran ist aber nach den gestrigen Erklärungen des Ministers nicht zu denken. Bei der versöhn⸗ lichen Stimmung aller Parteien und der ist auf eine Verständigung mit der Börse zu hoffen. Eine gesunde Börse ist für die gesammte Volkswirthschaft von größtem Werth. Der direkte Bezug der Staatsbetriebe vom Produzenten ist doch ganz natürlich und eine größere Garantie für die Güte der Qualität. Für den An⸗ trag Kanitz hat sich ein erheblicher Theil des letzten Katholikentages nicht ausgesprochen, sondern nur für eine größere Fürsorge des Staates für die Landwirthschaft. Ich habe die einzelnen Vorschläge in meiner Resolution später zurückgezogen. Ueber den Antrag Kanitz wurde über⸗ haupt gar nicht gesprochen. Landwirthschaft und Handel müssen zu⸗ sammenstehen zum Wohle des Staates und des Handels.
Das Gehalt des Ministers wird bewilligt.
Unter den Ausgaben für die hanbelr. und Gewerbe⸗ perwaltung figuriert zum ersten Mal eine Ausgabe für den Staatskommissar bei der Berliner Börse. Er soll außer seinem Gehalt von 9900 ℳ eine Funktionszulage bis zur Höhe von 5100 ℳ erhalten. Die Regierung will dadurch tüchtige Beamte für diesen Posten gewinnen und sich sichern. emunerierung der übrigen Staatskommissare werden im
anzen 25 100 ℳ gefordert. , .
Abg. Broemel A(fr. Vag.) kommt auf die gestrige Börsendebatte zurück. An den Friedensverhandlungen sollten nicht nur die Regie⸗ rungs⸗Präsidenten, sondern auch die Staatskommissare mitwirken. Das gelte besonders von Stettin. Die rein formale Untersuchung des Ministers babe den Frieden dort nicht gefördert, die Kaufleute hätten eine materielle Untersuchung gewünscht. Auf den Stettiner Maklern laste nach wie vor der Vorwurf der Doppelzüngigkeit, und es müsse deshalb eine nochmalige Prüfung der Sache stattfinden.
Abg. Gothein (fr. Vgg.) verwahrt die Börsenvorsteher gegen den Vorwurf, daß sie die Ausführung des Börsengesetzes er⸗ schwert hätten. Sie hätten nicht die Macht, die Leute zum Börsen⸗ besuch zu zwingen, die nicht in die Börse kommen wollten. Die Aus⸗ wahl der Staatskommissare sei seines Wissens bisher eine glückliche gewesen. Sie hätten sich mit den Korporationen der Kaufleute gut vertragen, das könne er wenigstens von Breslau behaupten. Der Minister habe allerdings die Tendenz, das Börsengesetz auszudehnen. Der Kommissar solle auch in den Ausschußsitzungen der Handels⸗ kammern . er dazu doch nur bei ehrengerichtlichen Verhandlungen berechtigt sei. 1
Abg. Graf von Kanitz: Diese Frage gehört in den Reichstag. Man hat dem Kommissar nicht eine überwachende Thätigkeit zu⸗
ewiesen, wie ich es wollte, sondern nur eine lediglich beobachtende. ie Untersuchung an der Stettiner Börse hat materiell ergeben, daß an der Börse andere Preise notiert werden als außerhalb. Das
war die Hauptsache. 1 de bec Hahn (b. k. Fr.): Der Minister hat die Parteien aufgefordert, die Streitaxt zu begraben. Wir Agrarier sind damit einverstanden, nachdem wir in dem Stettiner Fall Recht bekommen haben. In Berlin sind wir erst im B des Kampfes um Beseitigung von Mißständen im Börsenleben. Die Freunde der Börsenreform, namentlich die agrarischen, sind befremder darüber, daß 2 ½ Monate ins Land gegangen sind, ohne daß man Fere die Vorgänge im vorgegangen ist. Fürst Bismar hätte kaum erst den ericht eines Staatskommissars oder des EI“ abgewartet, sondern wäre sofort vorgegangen. Ich will aber dem Minister keinen Vorwurf machen. Der Staatskommissar hätte schon im Januar den Auftrag erhalten sollen, möglichst bald zu berichten. „Ich bitte den Minister, dafür zu sorgen, daß diese Auskünfte schleunigst erfolgen. Was soll eine Verständigung? Man ver⸗ lange eine strikte Ausführung des Gesetzes, nicht ein Paktieren mit den Interessenten. Die Kursfestsetzungen im Feenpalast üben auf die Preise im Lande nach der Meinung mancher Leute einen großen Ein 1 aus, und es wäre deshalb an der Zeit, daß diese Zu⸗ stände im Feenpalast aufhören und der regelrechte Verkehr an der Produttenbörse wieder aufgenommen wird. Die ostpreußischen Land⸗ wirthe finden es nicht begreiflich, daß die Neegeun gegen den Feen⸗ palast nicht vorgeht. Die Börsenreform müßte ch noch mehr auf die Effekten erstrecken. Das Gesetz hat allerdings das Zeitgeschäft in Industriepapieren untersagt, diese Bestimmung wird aber umgangen. Der Börsenkommissar sollte uns alljährlich Bericht über seine Thätig⸗ keit an der Börse erstatten. Die Emissionsthätigkeit der großen Firmen muß scharf beobachtet werden. Es müßte zu diesem Zweck eine Zentral⸗Emissionsbehörde geschaffen werden. Leider ist ein entsprechen⸗ der Antrag des Grafen Kanitz im abgelehnt worden, auch von den Nationalliberalen. (Abg. von Eynern: Das Bedauern können wir ertragen!) Die Nationalliberalen haben doch den nationalen Gedanken zu vertreten. ser⸗ von Eynern lächelt darüber. Wir haben doch das höchste Interesse, dß deutsches Kapital im Auslande nicht gefährdet wird. Die Befugnisse des Staatskommissars müßten aus⸗ gedehnt, nicht eingeschränkt werden.
Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:
Meine Herren! Der Herr Abg. Broemel hat gestern seiner Be⸗ friedigung Ausdruck gegeben über den Inhalt des Erlasses, den ich an die Kaufmannschaft in Stettin gerichtet habe. Er hat heute die Er⸗ klärung abgegeben, daß dieser Erlaß in Stettin doch nicht diejenige Befriedigung erregt habe, die er gestern hier kundgegeben habe, daß man im Gegentheil die von mir eingeleitete Untersuchung über den Gegenstand des Streits des Grafen Schwerin
mit der Stettiner Kaufmannschaft für ungenügend erachtet. Ich
glaube doch zur Aufklärung eines Mißverständnisses sagen zu müssen, 8 “ .““ 1“
daß ich eine Untersuchung überhaupt nicht eingeleitet habe. Ich habe
mich lediglich darauf beschränkt, mir dasjenige Material von dem
Herrn landwirthschaftlichen Minister geben zu lassen, was den Anlaß
geboten hat zu diesem Antrage, den die Stettiner Kaufmannschaft an
mich gerichtet hat, nämlich: den Herrn landwirthschaftlichen Minister
zu veranlassen, eine solche Untersuchung seitens des Regierungs⸗
Präsidenten durch die Landwirthschaftskammer berbeizuführen. Ich
habe in dieses Material Einsicht genommen zu dem Zweck, um mich
zu überzeugen, ob etwa für mich ein Anlaß vorliege,
solche Untersuchung herbeizuführen. Nachdem ich die Ueberzeugung
gewonnen habe, daß solcher Anlaß nicht vorlag, habe ich selbstver⸗
ständlich von einer Untersuchung Abstand genommen. Damit ist die
Sabe für mich erledigt. In den Streit zwischen dem Grafen
Schwerin⸗Löwitz und der Stettiner Kaufmannschaft mich einzumischen
und nun zu veranlassen, daß also die Landwirthschaftskammer genöthigt
werde, eine Untersuchung zu beantragen — dazn habe ich gar keine
Veranlassung. (Braval rechts.)
Ich möchte dann noch auf die Aeußerungen des Herrn
Abg. Gothein eingehen. Herr Abg. Gothein ist der Meinung gewesen, daß der Stlaatskommissar nicht berechtigt wäre, an allen Berathungen derjenigen Börsenorgane, die er angeführt hat, theil zu nehmen, auch insbesondere nicht berechtigt wäre, theil zu nehmen an den Berathungen der Handelskammer. Das letztere ist selbstverständlich ausgeschlossen; er hat aber die Berechti⸗ gung, theil zu nehmen an den Berathungen der Börsenorgane — das sind alle diejenigen Organe, die dazu berufen sind, die der Börse ob⸗ liegenden Aufgaben auszuführen: dazu gehört in erster Linie der Börsenvorstand, ferner gehören dahin die Zulassungsstellen, ferner das Ehrengericht, ferner die Maklerbank; es gehören endlich dahin die Notierungskommissare. An den Berathungen dieser Börsenorgane theil zu nehmen, ist der Staatskommissar berechtigt, und ich verlange auch von ihm, daß er daran theil nimmt, damit er vollständig informiert ist und in der Lage ist, mich selbst und die mir nachgeordneten Aufsichtsbehörden ebenfalls zu informieren. Das ist seine naturgemäße Aufgabe. Daraus ergiebt sich auch, daß der Staatskommissar, wenn es zu Vermittelungsverhandlungen bezüglich der Stettiner Börse kommen sollte — Herr Broemel meint, es würde nicht dazu kommen, ich würde das sehr bedauern —, aber wenn es dazu kommen sollte, daß der Staatskommissar das natürliche Organ ist, um dem Ober⸗Präsidenten zur Seite zu stehen, um ihn bei diesen Vermittelungsverhandlungen entsprechend zu unterstützen. Ich habe meinerseits die Hoffnung, daß solche Verhandlungen stattfinden und zu einem gedeihlichen Ende führen werden.
Was nun die Aeußerungen des letzten Herrn Vorredners an⸗ betrifft, so kann ich nicht daran denken, auf die weitgehenden Reform⸗ projekte, die er uns hier vorgetragen hat, näher einzugehen. Ich stehe auch nicht auf dem Standpunkte, auf dem er steht, daß es noth⸗ wendig wäre, jetzt schon wieder mit weiteren Reformen vorzugehen. Ich bin der Meinung, daß der Reformversuch, den wir hier mit dem Börsengesetz gemacht haben, ein außerordentlich schwieriger ist, und daß wir allen Anlaß haben, zunächst doch mal durch Erfahrung zu erproben, ob und wie weit dieser Reformversuch als geglückt anzusehen ist. Erst wenn wir diese Sicherheit erlangt haben, wird der Zeitpunkt gegeben sein, weitere Maßnahmen einzuleiten und eventuell auf dem Wege der Gesetzgebung vorzugehen. (Sehr richtig!) Ich bin der Meinung, gerade auf dem Wege der Gesetzgebung soll man mit Vorsicht vor⸗ gehen und sich nicht überstürzen. (Sehr richtig!) Die Ueberstürzung schadet in dieser Beziehung unbedingt.
Ich bin dem Herrn Vorredner für die Anregungen, die er ge⸗ geben hat, gewiß dankbar — die können ja erwogen werden —; aber jetzt schon wieder die Klinke der Gesetzgebung in die Hand zu nehmen, nachdem wir eben erst das Gesetz eingeführt haben, das keineswegs allgemeinen Beifall gefunden hat, das halte ich nicht für richtig. (Sehr richtig!)
Nun möchte ich noch eingehen auf den Vorwurf, den der Herr Vorredner gegen die Regierung und gegen mich speziell erhoden hat, daß ich die Erhebungen in Betreff der hiesigen Versammlung im Feenpalast nicht mit der nöthigen Beschleunigung betrieben hätte. Diese Erhebungen sind nicht so einfach; wir haben keinen gesetzlich festgestellten Begriff der Börse und also keinen gesetzlichen Anbalt für die Entscheidung der Frage, ob die Versammlung, die dort Ge⸗ schäfte schließt nach bestimmten Einrichtungen, als Börse anzusehen ist oder nicht — die Entscheidung hängt von einer ganzen Reihe ver⸗ schiedener Erwägungen ab. Die thatsächlichen Verhältnisse sind im einzelnen festzustellen, um zu prüfen, ob sie den Voraussetzungen ent⸗ sprechen, welche den Inhalt des Begriffs erschöpfen. Sie sind zunächst einzeln festzustellen und dann in ihrer Gesammtheit abzuwägen. Ich habe mir erlaubt, bei der ersten Berathung des Etats, als wir diese Frage besprochen haben, hervorzuheben, daß ich nach einer ganzen Reihe bestimmt artikulierter Gesichtspunkte, die ich damals auch ausdrücklich angeführt habe, den Auftrag gegeben habe, die Ermittelungen anzustellen. Eine solche Erwägung ist nicht einfacher Natur und erledigt stch nicht in einem Tage. Sie ist um so schwieriger, als die Versammlung, um die es sich handelt, eine geschlossene ist. Da hat der Staatskommissar keinen Zutritt, er kann nicht direkt hingehen und sich überzeugen von den Geschäften, die dort abgeschlossen werden. Er muß Kenntniß davon erhalten durch dritte Personen. Allein die Erkundigungen, die er angestellt hat, hat er mit Vorsicht anzustellen; denn ich will eine sichere Grundlage haben für meine Entscheidung. Deshalb habe ich ihn nicht gedrängt, sondern gewartet, bis der Bericht von ihm in erschöpfender Weise eingegangen ist. Ebensowenig habe ich Anlaß, die weiteren Erhebungen zu beschleunigen in dem Sinne, wie es der Herr Vorredner wünscht. Ich wünsche unter allen Umständen eine zuverlässige Grundlage zu haben für eine Entscheidung. Ob die etwas früher oder später kommt, halte ich nicht für so wichtig, und zwar aus den Gründen, die ich gestern dargelegt habe. Ich bin der Meinung, daß durch die Geschäfte, die jetzt im Feen⸗ palast abgeschlossen werden und sehr geringen Umfang haben, nach allem, was man hört, ein großer Schaden im Lande in der That nicht angerichtet wird. Ob dem Handel, den man dort gegenwärtig vornimmt, einige Tage früher oder später der Garaus gemacht wird, ist nicht eine Frage von so großer wirthschaftlicher Bedeutung, daß ich deshalb den Accent darauf zu legen hätte, diese Erhebungen mit der äußersten Beschleunigung zu Ende zu führen. Ich lehne das einfach ab. (Bravo!)
Abg. von Eynern (nl.): Die Emissionshäuser würden sich gegen 8. Zentralstelle wdgr einhch garnicht sträuben; aber die
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