wirthschaftlich und politisch, materiell und ideell ein gar kostbares Kapital. Dieses Kapital zu erhalten, zu pflegen, es nutzbar zu machen für das Mutterland, ist eine unserer ersten Pflichten, und für den Kreis dieser Pflichten nehme ich das Wort „Weltpolitik“ in Anspruch; in diesem Sinne wollen und müssen wir Weltpolitik treiben. (Sehr richtig!)
Die Gefahr, daß wir auf diese Weise auf eine abschüssige Babn gelangen, besteöt nicht. Wer das fürchtet, sieht Gespenster am hellen Tage. Die einheimischen Interessen, die uns zunächst liegen mit allen ihren Lasten, mit allen ihren täglichen Sorgen, bilden das Schwer⸗ gewicht, das uns abhalten wird, über dem Meere Abenteuer zu suchen. Davon ist nicht die Rede. Ich will auf das Argument verzichten, daß, weil andere Staaten so viel Schiffe bauen, wir eine gleiche Anzahl haben müssen. Ich bekenne mich zu der Ansicht, daß der Auf⸗ wand für überseeische Interessen stets im Einklange sein muß mit den individuellen Aufgaben eines jeden Staates für seine einheimischen Interessen, und ich verarge es niemandem, der gegenüber den Anforderungen für die Marine sich die Gesammtlast ansieht, die unser deutsches Volk auch heute schon zu tragen hat. Aber, meine Herren, ich frage: wo haben denn die verbündeten Regierungen bis jetzt die Veranlassung gegeben zu der Annahme, sie könnten die vernünftigen Grenzen dieser Weltpolitik überschreiten? Wer unserem deutschen Leben fernsteht und, angeregt durch den Streit der Mei⸗ nungen, den vorliegenden Etat ansieht, der wird sich eines gewissen Staunens nicht erwehren können über den ungeheuren Apparat, der zur Zeit pro et contra diese Forderung ins Werk gesetzt wird. Es handelt sich doch im wesentlichen um Ersatzbauten für ver⸗ altete Schiffe, und die Forderung für die beiden Kreuzer, wenn sie formell auch Neubauten betrifft, hat doch der Sache nach auch Ersatz⸗ bauten im Auge. Denn wenn diese Kreuzer fertig sein werden, dann sind jedenfalls zwei oder mehr Kreuzer gleichfalls den Weg alles Ir⸗ dischen gegangen.
Man weist auf die Denkschrift des Reichs⸗Marine⸗ amts hin; — über ihre Bedeutung hat der Herr Reichskanzler in der Budgetkommission das Nöthige gesagt —, diese Denkschrift ist nichts Anderes als das, wofür sie sich ausgiebt, nämlich eine Darstellung des Schiffsbestandes, wie er sich gestalten würde nach dem Flottengrün⸗ dungsplan vom Jahre 1873. Da ist eine eigenthümliche Erschei⸗ nung zu konstatieren, daß gerade die Herren auf der linken Seite des Hauses, die sonst sich als die berufenen Wächter der Reichsver⸗ fassung gerieren, in dieser Beziehung die Probe nicht bestanden haben; nachdem sie 5 Jahre lang von dem künftigen Flottengrün⸗ dungsplan redet, haben sie ein freudiges 6„l gerufen und dabei ganz vergessen, daß nach unserer Reichsverfassung zu Flottenplänen die Genehmigung der verbündeten Regierungen nothwendig ist, und diese hier nicht vorhanden war. Diese Denkschrift ist gegen die Bewilligung der Etatsforderungen benutzt worden; ich meinerseits will das Umgekehrte thun. Ich bin der Ansicht, daß gerade aus dieser Denkschrift und den Zahlen, die sie bietet, die verbündeten Regierungen in ganz stringenter Weise entlastet werden von dem Vorwurfe, daß sie jemals uferlosen Flottenplänen nachgegangen seien.
Der Herr Berichterstatter hat dargelegt, daß es sich da nur um eine Meinungsäußerung der verbündeten Regierungen vom Jahre 1873 handele, und dieser Gründungsplan niemals die Geneh⸗ migung des Reichstages gefunden habe. Das ist richtig. Ich meine aber, eine solche Aeußerung der verbündeten Regierungen hat doch auch ihren Werth. Wir entnehmen daraus, welche Zahl von Schiffen die verbündeten Regierungen im Jahre 1873 für noth⸗ wendig erachtet haben zur Wahrung unserer überseeischen Interessen, und wie weit wir heute, nach 24 Jahren, davon entfernt sind, diese Schiffszahl zu besitze. Es war damals der Bau von 32 Kreuzern in Aussicht genommen; wir haben heute, oder werden haben, wenn alle auf Stapel befind⸗ lichen fertiggestellt sind, 22 Kreuzer, d. b. 10 weniger.
Der Herr Berichterstatter hat darauf bingewiesen, daß seit jener Zeit unsere Schiffe technisch wesentlich vollkommner geworden und daß sie viel mehr Geld kosten. Das ist zweifellos richtig, und ich gebe gern zu, daß diese technische Vollkommenheit auch für den auswärtigen Dienst ein Vortheil ist. Aber eine Unvollkommenheit haftet den modernen Schiffen genau ebenso an wie denjenigen vom Jahre 1873, daß ich sie nämlich gleichzeitig nur an einem Theile der Welt ver⸗ wenden kann. Wenn ich zur selben Zeit die Deutschen in Süd⸗ Amerika schützen soll, eine Aktion in Marokko unternehme und des⸗ gleichen in Ost⸗Asien, so brauche ich heute mindestens drei Schiffe dazu, genau wie im Jahre 1873; in dieser Beziehung hat sich nichts verändert; wohl aber ist in anderer Beziehung eine durch⸗ greifende Veränderung eingetreten: feit jenen 24 Jahren haben sich unsere überseeischen Interessen wider alle Erwartung entwickelt; das Schutzbedürfniß ist gewaltig gestiegen und mit ihm die Schutzpflicht. Wir hatten damals keine Kolonialpolitik; heute fordert allein der ständige Schutz unserer Kolonien in normalen Zeiten die Zahl von 6 Kreuzern, und wir können diesen Schutz nur in sehr geringem Maße geben aus Mangel an Schiffen. Ich weise darauf hin, daß beispielsweise zum Schutz unserer Kolonien in Neu⸗Guinea, der Marschall⸗Inseln, zur Wahrung unserer Inter⸗ essen auf Tonga und Samoa zwei Kreuszer vierter Klasse in Thätig⸗ keit sind, jeder mit einem Landungskorps von 40 Mann. Das ist für⸗ wahr eine sehr geringe Machtentfaltung für die großen Interessen, die wir in jener Gegend haben. Aber abgesehen von der Kolonial⸗ politik: seit jener Zeit hat unsere Handels⸗Marine um Tausende von Schiffen, um Hunderttausende von Tonnen zugenommen; unsere Ausfuhr nach überseeischen Plätzen hat um Hunderte von Millionen sich gesteigert, und der Schutz der Deutschen in überseeischen Plätzen nimmt heute eine ganz andere Stellung ein als damals, seitdem wir zu der Erkenntniß gekommen sind, von wie ungeheurer Wich⸗ tigkeit es ist, daß unsere Auswanderung in die Bahnen gelenkt werde, die es ermöglichen, daß der Deutsche auch im fernen Auslande dem Deutschthum erhalten bleibe, und daß seine Thätigkeit nutzbringend gemacht werde für das Mutterland. Mit dieser Steigerung der Zahl der Deutschen und mit dieser Auswanderungspolitik wird naturgemäß auch das Bedürfniß an Schutzmitteln wachsen.
Nun frage ich: wie haben sich die Schutzmittel, die uns zur Verfügung stehen, zu der außerordentlichen Entwicklung unserer über⸗ seeischen Interessen verhalten? Sind sie Hand in Hand damit gegangen? Nein. Die Schutzbedürfnisse haben sich gesteigert; aber die Schutzmittel haben sich verringert. Nicht nur relativ in dem Sinne, daß wir die Zahl der Kreuzer nicht erreicht haben, die im Jahre 1873 für nothwendig erachtet wurde, sondern in absoluten
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Zahlen haben wir heute weniger Kreuzer als vor 10, 12 Jahren. Wir haben damals 27 Kreuzer zum auswättigen Dienst gehabt, und wir haben heute, wenn ich alles zusammenrechne, 15 fertige Kreuzer. Dabei rechne ich dazu 3 Panzerschiffe, die jüngst den Kreuzern zu⸗ getheilt wurden; ich rechne aber ab die „Arkona“⸗ und „Olga“⸗Klasse, die nach dem Gutachten der Marineverwaltung für den auswärtigen Dienst nicht mehr tauglich sind. Daß dadurch ein unhaltbares Miß⸗ verhältniß entstehen muß, ich meine, das bedarf keiner Ausführung.
Gern erkenne ich an, daß der Reichstag durch die Bewilli⸗ gungen des vorigen und des früheren Jahres dazu beigetragen hat, diesen Rückgang aufzuhalten; zu meinem Bedauern aber muß ich sagen: wenn der Beschluß Ihrer Kommission angenommen wird, so wird eine neue Lücke gerissen in die Entwickelung unserer Kreuzer⸗ flotte, und es wird unmöglich sein, im Laufe der Jahre diese Lücke wieder zu schließen. Ihre Kommission wünscht während eines Jahres in der Erbauung von Kreuzern zu pausieren. Ja, aber der aus⸗ wärtige Dienst kann nicht pausieren, und die Abnutzung unserer Schiffe macht auch keine Pause und die Entwickelung unserer über⸗ seeischen Interessen erst recht nicht.
Man beruft sich auf finanzielle Gründe. Ich glaube, daß die Reichs⸗Finanzverwaltung in den letzten Jahren genugsam Beweise dafür gegeben hat, wie ernst es ihr ist, gemeinsam mit dem Reichs⸗ tage an der Herstellung geordneter, sparsamer Finanzen mitzuwirken. Aber ich meine, ohne für mich eine besondere Autorität in Finanz⸗ sachen zu beanspruchen: es ist doch ein großer Unterschied zwischen Ausgaben vermeiden und sparen. Lassen wir das Werkzeug verrosten, dessen wir bedürfen zum Schutz unserer überseeischen Inter⸗ essen, so läge darin nach meiner Ueberzeugung die schlimmste und unverantwortlichste Verschwendung; denn wir würden dann wirthschaftlich zurückgehen, und der politische Rückgang würde auch nicht aus⸗ bleiben. (Sehr richtig! rechts. Zuruf links.) — Der Herr Abg. Richter ruft: Alles das, meine Herren, für zwei Kreuzer! (Heiterkeit.) Ja, meine Herren, wenn man wie ich die Verantwortung dafür trägt, daß überall auf der ganzen Welt, wo der gerechtfertigte Hilferuf eines Deutschen erschallt, ihm auch die Hilfe zu theil wird, auf die er Anspruch hat, dann braucht man nicht zu spotten darüber, wenn ich an dieser Stelle dafür eintrete (sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen), daß auch den Leuten im Auslande ihr Recht werde; denn die Verpflichtung haben wir übernommen mit der Schaffung eines großen und einigen Reiches. Das ist meine Auffassung. (Bravoy! bei den Nationalliberalen und rechts.)
Natürlich kann das Bedürfniß nach Kreuzern nicht in eine mathe⸗ matische Formel gekleidet werden, so wenig als dies möglich ist für die Entwickelung unserer überseeischen Interessen. Ich kann nur im allgemeinen auf den Umfang der Interessen hinweisen, die zu schützen sind, und an einzelnen Beispielen darlegen, wie wenig wir heute ge⸗ wappnet sind, überall unsere Pflicht zu erfüllen.
Weenn darauf hingewiesen wird, in wie ungeheuerem Maße sich unser Handel und unsere Schiffahrt in den letzten 25 Jahren gehoben hat, so pflegt man dem Einwand zu begegnen, daß ein großer Theil dieses überseeischen Verkehrs Deutschlands ja nach überfeeischen Ländern hoher Zivilisation gehe, wo Streitfragen nicht durch Schiffe, sondern durch diplomatische Verhandlungen erledigt werden. Das ist für den Augenblick richtig; allein man täusche sich doch nicht, sondern sehe den Dingen klar ins Auge. Gerade in jenen hochzivilisierten Ländern, nach denen heute ein großer Theil unseres überseeischen Verkehrs geht, wird die deutsche Konkurrenz von Tag zu Tag mehr empfunden, und mehr und mehr geht man dort daran, diese deutsche Konkurrenz zu unterbinden: auf dem natürlichen Wege, daß man die Produkte selbst erzeugt, die bisher von Deutschland dort eingeführt wurden, aber auch auf dem künstlichen Wege durch die Gesetzgebung. Ich darf hinweisen auf das, was heute in den Vereinigten Staaten geschieht. 2
Es wäre ein verhängnißvoller Jirthum, wenn wir glaubten, daß wir bezüglich des Handelsverkehrs nach den hochzivilisierten Ländern die beati possidentes wären und uns ruhig schlafen legen könn⸗ ten; das Gegentheil ist der Fall. Aus der Perspektive, die ich hier stelle, ergiebt sich meines Erachtens die gebieterische Pflicht, daß überall, wo es gilt, neue Länder dem europäischen Verkehr zu erschließen, wir auch zur Stelle sind und unsern Antheil an dem Verkehr verlangen. Denn die Frage, ob wir einige Hunderte von Millionen von deutschen Produkten mehr oder weniger ins Ausland absetzen, das ist für ein Land mit so rasch an⸗ steigender Bevölkerung nicht nur eine wirthschaftliche, sondern auch eine bedeutsame sozialpolitische Frage. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.)
Von diesem Gesichtspunkt aus sind wir vor zwei Jahren in Ost⸗ Asien thätig aufgetreten. Ich habe die einzelnen Gründe, die uns damals zu unserer Politik veranlaßten, im vorigen Jahre dargelegt unter dem Beifall dieses Hauses; ich darf heute noch beifügen, daß dabei auch der Gesichtspunkt mit maßgebend war, daß, wenn jenes große Reich, China, demnächst erschlossen wird, wir auch einen Theil daran haben wollen, und gerade in jenen Ländern haben diplomatische Noten und schöne Worte ein sehr geringes Gewicht; gerade dort wird der Staat das Recht haben, das er durch eigene Machtentfaltung sich selbst erwirbt. Darum wird auf lange Zeit hinaus eine starke deutsche Flotte in China nothwendig sein, verbunden mit den Einrichtungen, die nothwendig sind, um diese Flotte dauernd dort zu erhalten.
In jenen Gegenden haben wir aber nicht nur wirthschaftliche, wir haben auch ideale Interessen. Ein geehrtes Mitglied aus der Mitte dieses Hauses hat mich im vergangenen Sommer mit einer Zuschrift beehrt, der ein Schreiben eines katholischen deutschen Missionärs aus der Provinz Süd⸗Chang⸗Tung beilag. (Aha! links.) Daß die Linke bei der Erwähnung der frommen Männer, die unter Einsetzung von Gut und Leben binausgehen, um das Christenthum zu verkünden, in ein Gelächter ausbricht, das kann ich nur lebhaft bedauern. (Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen.) Ich habe in diesen Dingen eine andere Anschauung; ich halte es für eine Ehrenpflicht des Deutschen Reiches, auch diese wackeren Leute zu schützen! (Bravo!) Ich werde an dieser Pflicht nicht irre werden, auch wenn Sie meine Ausführungen mit Hohngelächter behandeln. (Bravo! rechts.)
Ich fahre fort. — Dieser katholische Missionär aus Süd⸗ Chang⸗Tung führte in dem Schreiben bitter Klage darüber, daß kurz vorher durch aufrührerische Sekten die katholischen Gotteshäuser zerstört, die Heiligthümer geschändet worden seien, deutsche katholische
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Christen mißhandelt und verjagt worden seien, und er pvei. Schat. Ich babe auf diese Zuschrift antworten können, da de Röthige gescheben sei in Peking, daß die Uebelthäöter bingezae seien und volle Entschädigung zugesagt sei. Das, meine Herren, kein diplomatischer Erfolg, den ich mir zurechne; es wat eie un des Umstandes, daß wir eine starke Flortenmacht in jenen Gee haben; es war die Folge eines Vorgangs, der kurz porher
batte, Ende des Jahres 1895, da eine deutsche Misfion bei Cenut geplündert und zerstört wurde und die chinesische Regierung weigerte, Strafe und Entschädigung eintreten zu lassen. dens sich zwei deutsche Kriegsschiffe vor den Hafen von Swatau und nach wenigen Tagen war das gegeben, was wir verlnnat günn Wir sehen alfo, daß die deutsche Flotte im Auslande doch auch si ideale Interessen eine sehr kräftige Wirksamkeit entfalten kann.
Als neulich angesichts der kretischen Wirren ein g Kriegsschiff auf den Schauplatz der Ereignisse gesandt wurde, boden wir lebhaften Tadel gefunden, weil eine so geringe Mach deutscherseits stattfinde. (Unruhe und Heiterkeit links. — Zrni rechts.) Ich halte diesen Tadel für grundlos; wir haben in jenn Gegenden keine Sonderinteressen zu verfolgen und die Art, wie ig einzelnen die Dinge dort geordnet werden, kümmert uns sehr (Sehr richtig! rechts.) Wir nehmen theil an jener Aktion ledi im Interesse der Erhaltung des europäischen Friedens (Bravo]), md für die Kundgabe dieser Politik ist die Entsendung eines Krien schiffs genügend. Wir dürfen hoffen, daß die Absicht der Mächte de erreicht wird; aber wer weiß, ob sich dann in jenen Gegenden b Wogen der Erregung so rasch glätten werden? Das Vorgehe Griechenlands im Zusammenhang mit den schweren Ausschreitarga die — ich muß es zu meinem Bedauern sagen — Christen an wehrlosen Muselmanen verübt haben, können dazu führen, daß da und dort in türkischen Reiche auch Christen in Gefahr kommen, und wenn dam aus den Hafenstädten der Hilferuf ertönte von Deutschen — ja, mein Herren, wo sind die deutschen Kreuzer, die wir hinschicken können, m diesem Hilferuf stattzugeben? Wir werden die Leute nicht schutzlas lassen, wir werden verbündete Mächte darum ersuchen, unsere Inten⸗ essen zu vertreten! Das ist ein Zustand, den ich für unsere Inter. essen nicht nützlich, auch unserer Würde nicht entsprechernz erachte. (Bravol rechts.)
Ich könnte noch weitere Beispiele anführen für die Schwierzg⸗ keiten und Unmöglichkeiten, mit denen das Auswärtige Ant n kämpfen hat infolge des Mangels an Kreuzern. Ich will meine Rede nicht über Gebühr ausdehnen; ich habe schon im vorigen Jaht und vor 2 Jahren die Dinge eingehend dargelegt. Die diesmalig Berathung fällt in eine Zeit, wo mannigfache Stimmungen und Verstimmungen zur Geltung kommen; es ist in der Hitze des Streitz mancher vergiftete Pfeil abgesandt worden, der besser im Köcher ge⸗ blieben wäre — das erkenne ich an. Ich werde mit allem Freimul Ihnen sagen, daß ich die Beschlüsse der Kommission, namentlich soweit die Bauraten vermindert und die beiden Kreuzer gestriche werden, für sachlich nicht begründet und für unseren Interessen schädlich nicht verleiten lassen, denjenigen, die die Entscheidung bei diesen Beschluß gegeben haben, irgend ein anderes Motiv zu unterlege als das, zu dem sie sich selbst bekennen, und ich möchte glauben, wem wir in dieser gegenseitigen Achtung zusammen diskutieren, daß dam manches im deutschen Lande besser werden wird. (Bravo!) Lasen Sie mich zum Schluß nur das Eine sagen; über all den Stin⸗ mungen und Verstimmungen, über den Strömungen und Geger⸗ strömungen, über all dem Zank und Streit steht hoch erhaben als einigendes Moment der Reichsgedanke, dessen Verwirklichung us reichen Segen gebracht, der aber auch ernste Pflichten und Aufgaber gestellt hat. Von den Deutschen, die hinübergehen über das Welr⸗ meer, verlangen wir, daß sie festhalten an Kaiser und Reich, daß fi gute Deutsche bleiben, und daß ihre Thätigkeit nutzbar werde de alten Heimath. Wir haben ein Recht, das zu verlangen. (Zurufe lints] Wir haben ein Recht, dies zu verlangen (sehr richtig! rechts), damm erfüllen wir aber auch unsere Pflicht gegenüber diesen Leuten, inden wir uns ausrüsten mit den Werkzeugen, damit wir ihnen in Falle der Noth zur Hilfe kommen können und sie ver⸗ theidigen gegen fremdes Unrecht. Ich bitte Sie, meine Herren bewilligen Sie die beiden Kreuzer! (Lebhafter Beifall rechts.)
Staatssekretär des Reichs⸗Marineamts Admiral Holl⸗ mann:
Meine Herren! Obwohl ich den hochbedeutsamen Ausführunge meines Herrn Kollegen vom Auswärtigen Amt nichts Neues meht hinzufügen kann, kann ich es Ihnen doch nicht ersparen, Ihre werth volle Zeit auf einige Augenblicke auch für meine Person in Anspruch zu nehmen. Nachdem der Herr Referent durch seine Ausfüt· rungen gewiffermaßen die Generaldiskussion eröffnet hat und nntj seinen Ausführungen die Stimmung in der Budgetkommisston der hohen Hauses zum Ausdruck brachte, müssen Sie mir schon geftatten auch den Standpunkt der Marine⸗Verwaltung hier klarzustellen ehe ne in die Spezialdiskussion eintreten. Meine Herren, ich bhalte es ⸗ nächst für wichtig, Erwähnung zu tbun der Aufzeichnungen, walche ich in der Budgetkommission zu Protokoll gegeben habe, das sind dee jenigen über den Schiffsbestand der deutschen Marine auf Grund . Denkschrift vom Jahre 1873 und ihre Erhaltung. Fürchten Sie nicht, dc ich auf den Inhalt dieser Aufzeichnungen hier noch einmal zurüdktomms bei dieser Gelegenheit, sie sind Ihnen vom Herrn Referenten, e weit es nothwendig war, mitgetheilt worden; mir liegt bloß dame hier noch einmal festzustellen, was ich in der Budgetkommisfion &. sagt habe beim Beginn der Verhandlungen. Meine Herren, es ve informatorisch, ich gab den Herren diese Niederschrift in die Hes damit sie meinen Ausführungen besser folgen könnten und J. das, was ich ihnen sagte, sofort schwarz auf weiß hatten; kome⸗ andern Zweck batte diese Niederschrift. Erinnern Sie sich doch, ve⸗ von allen Seiten dieses Hauscs an mich seit Jahren die Fordemn herangetreten ist, Ihnen doch einmal endlich mit einer Denk reinen Wein einzuschänken, wohin die Ziele der Marin 2 beziebungsweise der verbündeten Regierungen denn geben; 2. werden sich die Herren sehr wohl erinnern, sie werden s. u. bestätigen, daß ich hier nach der Wirklichkeit die Thatzes wiedergebe. Die früheren Erfahrungen mit den alten Denkschau⸗ ermuthigten in keiner Weise dazu, dem hohen Reichstage 2. einer neuen Denkschrift solcher Art entgegenzutreten. Wir sind 8 in der Kommission darüber auch ganz einig gewesen. Weder die n bündeten Regierungen noch der Reichstag werden sich jemals dala 2 stehen, sich an eine formelle Denkscheift zu binden für Jahn dan
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die Gegen
erachte. Dadurch werde ich mich aber
56 nur eine Klasse, das sind die Panzerschiffe.
b0 ist gans unmöglich und, selbst wenn beide Theile es wollten, nicht
ztrbar, aus dem sehr einfachen Grunde, weil zunächst, ebenso
8 auf dem Lande, so auf der See, die Kriegskunst ganz wandel⸗
und man sich nach Maßgabe der Kriegskunst rüsten muß.
unmöglich, daß Ihnen heute eine Marine⸗Verwaltung
sogen kann, was wir nach zehn Jahren brauchen, sie kann es nur für
wart Ihnen mittheilen, und wenn sich nun die Verhält⸗
gisse ändern, dann werden sich auch die Forderungen ändern; darüber
st kein Zweifel, meine Herren. Lesen Sie doch einmal gelegentlich
sie Denkschrift vom Jahre 1873, die damals, wie ich weiß, entgegen⸗
men wurde mit großem Wohlwollen, lesen Sie doch einmal
diese Erklärung — da werden Sie gleich im Eingange finden, daß die
fortschreitende Technik auf allen Gebieten, insbesondere auf den Ge⸗
bieten der Schiffsbaukunst, des Maschinenbaues und auf dem der
Artillerie es selbstverständlich macht, daß man sich nicht auf Jahre binaus festbindet.
Diese Denkschrift vom Jahre 1873 hot Ihnen klarstellen sollen, was auf Grund der festgelegten Aufgaben der Marine das Reich an
itteln zu geben hat, um jener die Erfüllung möglich zu machen. In der That hat, wie der Herr Abg. Dr. Lieber sagt, die Kostenfrage ime Rolle gespielt. Es hat geheißen: wir wollen die Kostenfrage hier mit entscheiden lassen. Ja, man hat sich aber nicht binden wollen mit Typen, sondern gesagt: die Kostenfrage wollen wir einmal entscheidend sein lassen. Aber das habe ich in der Kommission gesagt, — ich babe, glaube ich, im Ganzen die Zustimmung der Mehrheit gefunden und werde sie wahrscheinlich auch hier finden, — ich habe zesagt: „Wenn im Jahre 1873 aus Anlaß dieser Forderungen jie Kosten höhere gewesen wären, so hätte der Reichstag doch aach diese Forderungen bewilligt trotz der höheren Kosten.“ Das habe ich gesagt. Es sollte im Augenblick auch nicht das Maß⸗ gebende und Entscheidende der finanzielle Standpunkt sein, sondern 8s sollten maßgebend und entscheidend sein die Aufgaben, die die Flotte im Krieg und im Frieden zu erfüllen hat. Ja, meine Herren, warum hat denn die Reichs⸗Marineverwaltung das Jahr 1873 beziehungsweise die in diesem Jahre vorgelegte Denkschrift gewählt als Unterlage für ihre Zusammenstellung, die nothwendig war, um Ihnen das mitzutheilen, was Sie immer wissen wollten? Ja, meine Herren, die Erwägung ist eine einfache. Wenn auch, wie ich ohne weiteres zugebe, der hohe Reichstag sich nicht klipp und klar einverstanden erklärt hat mit allen diesen Dingen, es ist doch vom hohen Reichstage zu Wege gebracht worden, daß im Anfang der 80 er Jahre dieser Plan von 1873 voll und ganz erfüllt war. Meine Herren, wir hatten im Jahre 1883 alle die Schiffe, die der Plan von 1873 fordert — das hat Ihnen der Herr Abg. Rickert schon wiederholt gesagt und ist ganz besonders stolz gewesen auf den Reichstag, der das zu Wege gebracht hat. Also, meine Herren, was liegt denn nun näher, als daß ich auf etwas zurückgreife, was in der That, wenn auch nicht in dem Jahre, wo es vorgelegt wurde, bewilligt wurde, aber was in Laufe der Zeit durch die Thatsachen bewilligt ist? Nichts ist Narer als das, meine Herren. Nun gehe ich weiter.
Ja, wenn ich Ihnen ein Bild geben soll, was nun im Laufe dieser Jahre seit 1873 erfüllt ist, ein Bild, welches allein Ihnen eine klare, richtige Vorstellung von der Sachlage giebt, dann muß sch Ihnen doch auch dasjenige mittheilen, was der Reichstag im Fufe der folgenden Jahre noch hinzugesetzt hat. Da wird mir ge⸗ sagt: ja, das hat ja gar keine Bedeutung, das kannst Du nicht für Dich in Anspruch nehmen als eine Vermehrung der Flotte.
Ja, das ist ein Standpunkt, aber der Standpunkt der Marine⸗ verwaltung ist der, daß die Bewilligung dieser Schiffe aus dem Grunde erfolgte. Es sind der Marine neue Aufgaben erwachsen, und aus diesen neuen Aufgaben sind neue Forderungen entstanden, und diese Forderungen sind vom Reichstage für begründet erklärt worden. Das ist die einfache Genesis, die Entstehung dieser so viel be⸗ sprochenen und so falsch beurtheilten Erklärungen und Aufzeichnungen.
Nun komme ich auf den wesentlichen, auf den springenden Punkt. Mir gingen die Augen auf vor, wie soll ich sagen, vor wahrhaft verblüffendem Erstaunen, als ich die Entrüstung gewahrte, welche diese ganz unschuldige Denkschrift verursachte. (Große Heiterkeit.) Sie ist, meine Herren, deswegen so unschuldig, weil sie ein jeder von Ihnen ebenso gut aufzeichnen könnte; denn dazu gehört gar keine Sachkenntniß, sondern dazu gehörte bloß das Bemühen, in die Vergangenheit zurückzugehen und nur das zu sammeln, was im Etat vorlag. Ja, da heißt es, das soll nun etwas sein, was die uferlosen Pläne zerstreute. Mir wurde entgegengehalten: ja, freilich bis zum Jahre so und so bis 1901 oder 1902 — das ist ja ganz gleich — sehen wir alles klar; aber was dahinter kommt, das ist uferlos im wahrhaften Sinne des Wortes. Ja, gewiß! Die Zu⸗ kunft ist in dem Sinne immer ungewiß. Es kommen immer wieder neue Jahre, und in den neuen Jahren kommen immer wieder neue Ansprüche. Aber das Absehbare, das wir vor Augen haben, und das in sehr einfacher Weise begrenzt wird durch das, was dem Reichstage vorlag, also ein einfaches Fortsetzen der Bauten, die der Reichstag bewilligt hat — das ist in diesen Plänen nieder⸗ gelegt und nicht viel mehr. Aber um sie vollständig zu machen, mußten
wir Ihnen doch sagen, welche Schiffe nun nothwendig sind, um
das zu ersetzen, was bereits ausgefallen ist oder im Ausfall begriffen ist. Es ist eben nur eine Ergänzung zu dem, was bereits vom Reichstage in früheren Jahren bewilligt worden ist. 1 Nun, meine Herren, habe ich Ihnen folgende Ausführungen zu machen, und ich möchte Ihnen das einmal ganz ruhig auseinandersetzen, damit Sie in Zukunft, wenn Sie Lust, Zeit und Bedürfniß haben, scch diese Rechnung einmal selbst anstellen können. Folgende drei Faktoren sind es — ich habe das auch schon in der Budgetkommission gesagt —, die hier mitwirken: der eine Faktor ist die militärische Invalidität der Schiffe, also die Altersgrenze. Der zweite Faktor ist der Werth der Schiffe, die erneuert werden, und der dritte Faktor ist die Zahl der Schiffe in den verschiedenen einzelnen Typen, welche die Marineverwaltung braucht, um ihre Aufgabe zu erfülen. Aus diesen drei einfachen Faktoren setzt sich das ganze Rechenexempel zusammen, welches ich Ihnen nun vorlegen will. Ich fange bei der Altersgrenze an. Es giebt bei den Schiffen zwei Altersgrenzen. Die eine ist die materielle und die andere ist die militärische Altersgrenze. Die materielle lterggrenze ist weit hinausgezogen, viel weiter wie die militärische. Ein Schiff kann noch lange seetüchtig sein, wenn es schon nicht mehr für den Seekrieg geeignet ist — ich nenne Ihnen beispiels⸗ Wir geben den Danzerschiffen eine militärische Lebensdauer von 25 Jahren,
nach Verlauf von 25 Jahren sind sie invalide; genau wie in der Armee der Mann nach einer bestimmten Dienstzeit invalide ist, so auch bei den Schiffen. Oder, wenn Sie ein anderes Beispiel haben wollen, sagen Sie: eine Waffe. Nehmen Sie eine veraltete Flinte. Sie können mit ihr wohl noch schießen; was Sie damit treffen, wissen Sie aber nicht. Jede Waffe hat seine militärische Altersgrenze. So ist es auch mit den Panzerschiffen; denn was ist ein Panzerschiff anders als eine große Waffe?
Wenn nun also nach 25 Jahren diese militärische Invalidität eintritt, so ist es Pflicht und Schuldigkeit der Marineverwaltung, Sie darauf aufmerksam zu machen. Sie brauchen die Leistungsfähigkeit der Schiffe nicht zu verfolgen, aber wir müssen es thun. Wir sagen also: wir haben hier das Schiff A, B, C, das ist inzwischen 25 Jahre alt geworden, und wir müssen dafür ein neues haben. Ich darf aber damit nicht erst herauskommen, wenn das Schiff 25 Jahre alt geworden ist, sondern muß damit herauskommen, wenn das Schiff 21 oder 22 Jahre alt ist; denn der Ersatz soll ja vorhanden sein, wenn das andere stirbt. Bei dem „König Wilhelm“, ja, meine Herren, da können Sie mir einen sehr begründeten Vorwurf machen, daß ich Ihnen dies jetzt erst sage. Das Schiff ist heute schon 28 Jahre alt. Es ist im Jahre 1868 vom Stapel gelaufen, und von diesem Tage an beginnt die militärische Laufbahn eines Schiffes. Ich habe freilich schon vor langen Jahren darauf auf⸗ merksam gemacht, daß auch für dieses Schiff die Grenze kommt, daß ich ein neues Schiff fordern muß. Wenn dieses nach vier Jahren eingereiht wird, ist das alte 33 Jahre alt, es hat also seine militärische Altersgrenze bereits um acht Jahre über⸗ schritten. Nicht anders ist es mit den beiden anderen Panzerschiffen, die zu den Kreuzern erster Klasse gehören; sie sind jetzt 23 Jahre“, und wenn im nächsten Jahre die Marineverwaltung kommt und Sie bittet, die Schiffe zu ersetzen, dann werden sie auch 28 Jahre alt, ehe sie ihren Ersatz vorfinden.
Also, meine Herren, das ist die militärische Altersgrenze. Jetzt kommt der zweite Faktor, das ist der Werth der Schiffe. Da hat nun der Herr Referent hier im Plenum werthvolle Zahlen gegeben, und niemand — das habe ich auch in der Kommission gesagt — bedauert mehr als wir, daß diese Zahlen heute gaxr keine Eültigkeit mehr haben; denn was würde wohl der Reichstag sagen, wenn die Marineverwaltung vor ihn hintritt und sagt: wir wollen einen Kreuzer zweiter Klasse haben; es kostet aber ein Kreuzer zweiter Klasse heute 10 Millionen Mark, wenn wir Alles zusammenrechnen; das wage ich garnicht von Ihnen zu fordern, denn das bewilligen Sie mir doch nicht; wir wollen den Kreuzer mit der Hälfte bauen. Was ge⸗ schieht? Dann bauen wir ein Schiff für 5 Millionen, welches aber die Aufgabe eines Kreuzers zweiter Klasse nie und nimmer erfüllen kann. Meine Herren, das wäre eine übel angebrachte Sparsamkeit, wenn man sagen wollte: wir wollen Kriegsschiffe bauen, aber das Geld, welches dazu nothwendig ist, nicht anwenden, sondern das halbe Geld. Das geht nicht. Wir können uns beklagen, können uns sträuben, wir kommen aber darüber nicht hinaus: wollen wir ein Panzer⸗ schiff bauen, kostet es so und so viel; wollen wir einen Kreuzer bauen, kostet er heute so und so viel u. s. w., undlich kann Ihnen garnicht versprechen, daß das so bleibt; denn wenn nach 10 Jahren ein Staatssekretär hier Ihnen dieselbe Rede hält, wird er sagen: im Jahre 1897 kostete das Panzerschiff 20 Millionen, aber heute kostet es 30 Millionen. Meine Herren, das können Sie nicht der Marineverwaltung zum Vorwurf machen. Sie können der Marine⸗ verwaltung aus diesem Grunde Bauten nicht verfagen, weil sie so theuer sind.
Nun kommt die dritte Sache. Das ist die Zahl der Schiffe, die die Marine fordert. Da kommen wir an die große Frage: was ist die Aufgabe der Marine? Die Aufgabe der Marine ist in den verschiedenen Denkschriften, wie der Herr Abg. Dr. Lieber Ihnen das mitgetheilt hat, in ganz verschiedener Weise dargestellt. Man denkt eben über die Aufgabe der Marine nicht immer ganz gleich — freilich, in dem Wesentlichen, darauf will ich jetzt kommen, wird in absehbarer Zeit die Marineverwaltung immer daran denken: die erste und vor⸗ nehmste Aufgabe einer Marine ist, die heimathlichen Küsten zu schützen. Darüber kann kein Zweifel sein: die Heimath über alles, sie hat den ersten Anspruch, sie muß zuerst berücksichtigt werden, weil da naturgemäß die größten Werthe liegen, per⸗ sonelle und materielle Werthe. Was ist denn nun Küstenschutz? Darüber haben wir uns lange unterhalten in der Budget⸗ kommission, es hat sich dabei ein großer Gegensatz gefunden zwischen den Anschauungen der Mehrheit der Kommission und der Minderheit derselben mit der Reichs⸗Marineverwaltung. Dort habe ich das Wort gesprochen, das auch so angefeindet und in die Welt hinaus erklungen ist, indem ich sagte: Unsere Küsten können auf andere Weise geschützt werden; dazu brauchen wir keine große Marine, und dabei bleibe ich auch; ich habe nicht zuviel gesagt. Verlangen Sie nichts Auderes, als den Schutz des Küstenstrichs gegen eine feindliche Invasion, so können Sie in der That den Schutz auch mit anderen Dingen wie mit Schiffen erreichen. Wollen Sie bei dem Küstenschutz die heimathlichen Meere, Nord⸗ und Ostsee, preisgeben, so brauchen wir dazu keine große Marine. Das können Sie mit Sperrforts, mit submarinen Sperren aller Art machen, und das können Sie auch dadurch machen, daß Sie Truppen in der Reserve halten, welche bei der Landung zu stellen sind. Natürlich ist, das hat der Herr Abg. Jebsen erwähnt, kein Zweifel, daß an vielen Stellen der Küsten der Feind großen Schaden anrichten wird. Das habe ich auch gesagt, über die Gefahren, die der Küste als solcher im nächsten Kriege drohen, kann Ihnen kein Mensch, selbst der beste Sachverständige nicht, weder Freund noch Feind, reinen Wein einschänken; das hängt alles ab von der Kriegführung und Kriegslage. Immerhin ist es sehr wohl möglich, daß eine un⸗ geschützte Küste, wie die deutsche, wo also der Feind im Besitz der heimischen Gewässer ist, großen Schaden leidet. Es werden Städte bombardiert werden; es wird die Bevölkerung großen Schaden haben; aber das reicht nicht sehr weit. Das sind nur ein paar Kilometer Binnenlands, wo man das Donnern wohl hört, aber man es nicht mehr fühlt. Es leiden nur die Küstenbewohner, aber das große Land nicht. Also, meine Herren, wollen Sie das heimische Meer dem Feinde preisgeben, dann brauchen Sie nicht einmal die Flotte, die wir heute haben.
Aber nun kommt ein anderer Standpunkt, und das ist der der verbündeten Regierungen und der Marineverwaltung als Beauftragte derselben. Wollen Sie die Besitzerhaltung des Meeres, ja, meine Herren, da müssen Sie eine Flotte haben, und zwar eine Flotte, 1.“ 8 8 “ ““ v“
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die dem Feind, der die Meere in Besitz nehmen will, eine Schlacht liefert, wenn er sich unserer Flotte entgegenstehlt. Dazu brauchen wir eine Hochseeflotte, und wenn wir eine solche nicht haben, die zu diesen Aufgaben befähigt ist, dann wird eben das eintreten, was ich Ihnen sage: wir werden uns schmählich zurückziehen müssen von unseren eigenen Gewässern, und werden dieselben dem Feind überlassen müssen mit allen Konsequenzen, die sich daran knüpfen. Ich habe Ihnen aber noch eine andere Konsequenz, eine große Kon seqauenz vorzuführen, die das ganze Reich, nicht nur die Handels städte trifft. Diese große Konsequenz liegt darin, daß kein Schi hineinkommt und keines hinauskommt, daß der Verkehr unterbunde ist und daß darunter der ganze Handel und die ganze Industrie schwer leiden müssen, abgesehen davon, daß auch die Bevölkerung alles das, was wir heute über Wasser beziehen, natürlich entbehren muß. Darüber ist kein Zweifel.
Also dazu brauchen wir eine Hochseeflotte, und diese Hochsee⸗ flotte müssen wir denjenigen feindlichen Kräften entsprechend ein⸗ richten, mit denen wir zu rechnen haben. Wenn nun anerkannt wird, daß wir eine Hochseeflotte brauchen, so müssen Sie darunter nicht nur nicht verstehen, daß das nur eine Anzahl von Panzerschiffen sind; das ist nicht der Fall. Zu einer Hochseeflotte gehören auch Kreuzer, Avisos und Torpedos.
Nun wird es so dargestellt, als ob ich mit einem Male, wie man sagt, mit der Thür ins Haus gefallen wäre, mit einer großen Anzahl von Panzern, die zur Begleitung einer Hochseeflotte nöthig sind, als ob es sich um einen vollkommen neuen Begriff handle, von dem wir bisher nie etwas gehört hätten, und als ob ich mit einem Male geradezu die allerschlimmsten Perspektiven für die Zukunft eröffnet hätte. Das ist nicht der Fall; das kann ich nachweisen. Wenn Sie so gut sein wollen, die Denkschrift von 1892 in die Hand zu nehmen, so werden Sie dort die Schiffe der Hochseeflotte finden, und unter diesen Schiffen der Hochseeflotte diejenigen geschützten Kreuzer, die damals zur Verfügung standen: „Irene“, „Prinzeß Wilhelm“, „Gefion“ und „Augusta“. Alle diese 4 Schiffe finden Sie in der Liste der Schiffe verzeichnet, die der Hochseeflotte angehören. Dabei ist also nichts Neues. Aber die Erfahrungen bringen es nun einmal mit sich — und dagegen läßt sich garnicht angehen —: wir brauchen für jedes Panzerschiff der Hochseeflotte mindestens einen Kreuzer oder einen Aviso. Ich habe Ihnen schon gesagt: die Anforderungen anderer Nationen gehen viel weiter, die brauchen mehr. Wir wollen uns mit demjenigen be⸗ gnügen, was absolut nothwendig ist.
Also, meine Herren, auch darüber wollte ich Ihnen keinen Zweifel lassen, wie die Sache mit dem Küstenschutz aussieht, und wie diese Dinge bei den verbündeten Regierungen und innerhalb der Reichs⸗ Marineverwaltung zu stande gekommen sind.
Nun möchte ich noch Eins hinzufügen. Immerhin hat das Deutsche Reich schon viel für die Marine aufgewendet. Der Herr Abg. Dr. Lieber hat uns ja ein außerordentlich dankenswerthes Zahlen⸗ material gegeben. Ich habe schon in der Budgetkommission erklärt: wenn wir solche Additionsexempel machen, werden in der That die Zahlen erschreckend. Es ist in der That eine erschreckende Zahl, wenn ich lese: die Marineverwaltung fordert 328 Mil⸗ lionen für solche Schiffe. Ja, es fragt sich nur, auf wie lange Zeit vertheilt wird das gefordert? Dann wird es schon er⸗ heblich weniger schrecklich. Ich habe das in der Denkschrift klar⸗ gestellt: die Marineverwaltung braucht, wenn die Frage des Ersatzes so gelöst wird, wie sie unserer Ansicht nach gelöst werden muß, wenn anders man die Flotte nicht aufgeben will, für Schiffsbauten und artilleristische und Torpedo⸗Armierung jährlich 60 Millionen. Das habe ich ganz offen gesagt. Das ist sehr viel mehr, als bisher auf⸗ gewendet worden ist. Aber vergessen Sie nicht, meine Herren, daß Sie niemals darüber im Zweifel gelassen worden sind, daß das, was früher gewesen ist, nicht annähernd die Lücken ausfüllt, die entstanden sind. Denn wenn der hohe Reichstag Jahre lang nicht mehr als 10 bis 12 Millionen für Schiffsbauten bewilligt hat, und der Werth der Flotte 300 Millionen schon übersteigt, so können Sie sich nicht wundern, wenn diese Summe in den folgenden Jahren auch anwächst. 45 Millionen, hatte ich Ihnen eine Rechnung gemacht, würden un⸗ gefähr hinreichen, um den Ersatz herzustellen; jetzt brauchen wir für die nächsten Jahre 60, weil wir die Versäumnisse früherer Jahre nachholen müssen.
Also, meine Herren, so liegen die Dinge. Ich will Sie über andere Dinge, die angeregt worden sind hinsichtlich der Verschiebung der Schiffe, Panzerschiffe in Kreuzer u. s. w., garnicht weiter unter⸗ halten; ich habe vielleicht Ihre Zeit zu lange in Anspruch genommen; die Spezialberathungen werden dazu Gelegenheit geben.
Nur das Eine will ich noch hinzufügen: für den Fall, den Gott verhüten möge, daß ein Krieg ausbricht, in den Deutschland verwickelt wird, und daß der Krieg sich in unsere heimischen Gewässer hinein⸗ zieht, für diesen Fall werden Sie der Marine nicht zutrauen wollen, daß sie sich in die Häfen verkriecht und daß sie den Feinden die deutschen Meere überläßt. Die deutsche Marine wird ihre Schuldig⸗ keit voll und ganz thun. Nur, meine Herren, das habe ich auch in der Kommission gesagt, in diesem Falle sind wir für das Personelle ganz allein verantwortlich, für das Materielle sind Sie in gewisser Beziehung aber mitverantwortlich. Denn wenn Sie bei der Inferiorität unserer Marine anderen Marinen gegenüber uns nicht das beste Material geben, so werden alle personellen Vorzüge, alle personelle Tüchtigkeit und Tapferkeit nicht hinreichen, für die Flotte einen sehr folgenschweren Ausgang zu geben. Das wollte ich Ihnen gesagt haben.
Hinsichtlich der Vergleiche, die gemacht worden sind zwischen der deutschen Marine und der fremden, will ich mich im Augenblick nicht äußern. Ich habe wiederholt in den Zeitungen Aeußerungen gelesen, als wenn ich gesagt hätte ganz ohne Vorbehalt, die deutsche Flotte müsse der französischen gleich sein. Was daran wahr ist, werde ich Ihnen im Laufe der Diskussion noch mitzutheilen haben. Zunächst wenn die Marineverwaltung diese Absicht hätte, die man ihr ja vielleicht gar nicht so übel nehmen könnte, da sie sich natürlich ent⸗ wickeln will, sich geschickt und bereit machen will, gegen den Feind zu fechten, — ja, meine Herren, wenn wir den Weg einschlagen wollten, dann müßten wir Ihnen Vorlagen machen, daß Ihnen in der That die Augen übergehen würden. Was wir zurückgeblieben sind, kann man in 10 Jahren gar nicht einholen. Keine finanziellen Mittel würden dazu ausreichen können. Also in der Beziehung seien Sie ganz unbesorgt! (Bravo! rechts.)
Abg. von Kardorff (Rp.): der Kommission war man
In allerdings der Meinung, daß man sich nicht mit der Denkschrift, sondern