nur mit dem Etat beschäftigen wolle. Der Referent und seine Freunde betrachteten den Etat unter dem Gesichtswinkel dieser Denkschrift. Wir haben das nicht gethan, sondern haben nur die Bedürfnisse der Marine im Auge gehabt. Der Reichstag hat die Ziele der Dent⸗ schrift von 1873 durch seine nachträglichen Bewilligungen voll⸗ ständig anerkannt. Die Stellung der einzelnen Parteien ist eine recht verschiedene. Die Herren von der Sozialdemokratie machen sich das Vergnügen, gegen alle Marineforderungen zu stimmen. Wenn es nach ihnen ginge, müßten die Arbeiter auf den Werften nicht bloß, sondern auch in anderen Industrien, namentlich auf den Eisenwerken, entlassen werden. Das kümmert die Sozialdemokratie nicht, weil sie weiß, daß sie nicht über die Mehrheit verfügt. Die Stimmung der Herren vom Freisinn erinnert an die platonische Liebe, welche die Herren auch für die deutsche Eini hatten. Auf allen Schützen⸗ und Turnerfesten haben sie den ken der Einheit hochgehalten. Als es darauf ankam, Opfer zu bringen, da waren die Herren nicht zu finden. ch erinnere Sie doch nur an Ihre Stellung zur Armeeorganisation. Für die Flotte machen Sie auch einige Bewilligungen, aber nicht so viel, wie nothwendig ist. Man spricht von der Finanzlage und dabei tilgt man Schulden. Wie man heute von Marinespielereien sprach, sprach man zur Zeit der Armeeorganisation von Soldatenspielereien. Die Sache wird sich ebenso wie damals entwickeln. Niemals hat Jemand daran gedacht, daß wir eine Marine wie die Englands oder Frankreichs haben könnten, aber wir wollen eine Marine haben, welche die drei Forderungen erfüllen kann: des Küstenschutzes, der Durch⸗ brechung einer Blockade und des Schutzes des überseeischen Handels. Was man als uferlose Flottenpläne charakterisiert hat, existiert nirgends im Reichstage und auch nicht in der Marineverwaltung. Es liegt im Interesse des Landes, wenn wir den Ersatz der ab⸗ gängig gewordenen Schiffe nicht zurückstellen, sondern so schnell als möglich herstellen. Ich habe es sehr bedauert, daß die Kommission die Raten von 4 auf 3 Millionen herabgesetzt hat; dadurch wird die ertigstellung der Schiffe verzögert. Ich habe auch bedauert, daß die orpedos abgelehnt sind. Unsere Marine hat manche Schicksale durch⸗ zumachen gehabt, namentlich den Uebergang von Holzschiffen zu Eisen⸗ schiffen, von der einfachen zur besseren artilleristischen Ausrüstung. Bezüglich der finanziellen Frage müssen Sie mir einen Vergleich mit Frantreich gestatten. Frankreich hat eine stärkere Armee wie wir und krägt außerdem die schwere Last einer viel größeren Flotte. Nun sagt man: Frankreich ist ein reiches Land. Das ist richtig in mancher Beziehung. Frankreichs Besitz an auswärtigen Werthpapieren ist größer als der unsere und seine Zirkulation an Edelmetallen ist ebenfalls größer. Aber ich glaube, Deutschland ist das bei weitem reichere Land, weil Deutschlands Gesammtproduktion größer ist als die Frankreichs an Getreide, Kartoffeln, Zuckerrüben. Der französische Weinexport wird durch deutschen Bierexport aufgehoben und unsere Bergwerksproduktion ist der französischen erheblich überlegen. Deutsch⸗ lands Kohlenproduktion ist mehr als viermal größer als die Frank⸗ reiche. Deutschland exportiert für 800 Millionen Mark mehr als Femnfric, und die deutsche Handelsflotte ist doppelt so groß als die
anzösische. Wir haben also dafür zu sorgen, daß diese auf dem Meere schwimmenden Güter des Schutzes einer guten Flotte theil⸗ baftig werden. Die Belasturg Frankreichs durch Heer und Marine beträgt 19 ℳ pro Kopf. Wir bleiben um 4 bis 5 ℳ dahinter zurück. Ueber ein paar Kreuzer würde in Frankreich eine Diskussion über⸗ haupt kaum stattsinden. Die Ausgaben für die Marine sind zum theil auch nicht produktive, aber wir dürfen doch nicht ver⸗ gessen, daß alle diese Ausgaben in deutsche Arbeit umgesetzt werden. Dieser Standpunkt sollte uns williger machen, dasjenige nicht zu verweigern, was wir bewilligen müssen, wenn wir den Bedürf⸗ nissen der Marine Rechnung tragen wollen. Wir haben in Preußen und im Reiche sehr umsichtige Leiter der Finanzen, denen man nicht Verschwendung vorwerfen kann. Aber diese Herren tragen kein Bedenken, eine dauernde Belastung des Budgets herbeizuführen für die Beamtenbesoldung, die für Preußen allein 40 Millionen Mark beträgt, also soviel, als wenn wir 1 ½ Milliarden Reichsschulden machen. Wenn die Finanz⸗Minister die Finanzlage für gut halten, dann sollten wir nicht ängstlich sein. Was gefordert wird, ist die Mindestforderung, die die Marine stellen muß, wenn sie ihrer Auf⸗ gabe gerecht werden soll. Ich lasse mich auf die nächsten Jahre nicht ein. Ich würde es aber bedauern, auch wegen des Eindruckes auf das Ausland, wenn diese billige Forderung verweigert werden würde. Eine Marine, die ihren Aufgaben nicht gerecht werden kann, müßte von Rechts wegen verkleinert werden, und es müßten ihr geringere Aufgaben auferlegt werden. Dafür können wir aber die Verantwortung dem Lande gegenüber nicht übernehmen. Ich hoffe, daß die Mindest⸗ der Marine bewilligt werden, wenn auch erst in dritter esung.
Abg. Müller⸗Fulda (Zentr.): Meine Freunde nehmen eine mittlere Haltung ein, und werden bei ihrer Haltung bleiben; sie wollen den Bedürfnissen der Marine gerecht werden, das beweisen die Beschlüsse zum Etat von 1894/95. Aber schließlich ist das Bessere der Feind des Guten. In der ersten Berathung haben sogar die Konservativen die Forderungen der Marine sehr bedenklich empfunden. Man hat auch die Finanzlage in Betracht gezogen und die Leistungsfähigkeit der Werften. Auch Herr Paasche hat erklärt, daß seine Freunde nicht daran denken, alles zu bewilligen, sondern sie werden ernsthaft abstreichen und nur das Dringendste bewilligen. fürest Bismarck bat zwei Jahre nach dem Kriege 1870/71 ausdrück⸗ ich erklärt, daß die Offensivkraft der Landarmee überlassen bleiben müsse. Diese Worte des Fürsten Bismarck waren für uns ent⸗ scheidend bei unserer Stellungnahme in der Kommission. Die jetzt gestellten Forderungen betragen allerdings nur 2 ½ Millionen, aber damit verpflichten wir uns zu einer Ausgabe von 24 Millionen, denen noch weitere Forderungen hinzutreten werden. Nach der vor⸗ jährigen Denkschrift sollte für den Schluß des Jahrhunderts nur ein einziger Hochseepanzer gefordert werden. Jetzt werden aber viel mehr Hochseepanzer gefordert und außerdem 6 Kreuzer I. Klasse. Das ist eine ganz bedeutende Verschiebung, und wir müssen in Erwägung ziehen, ob die finanziellen Kräfte des Reiches aushalten. Der Staats⸗ sekrerär des Reichs⸗Marineamts ist immer offen uns gegenüber⸗ Seine Erklärung vom Freitag voriger Woche hat uns die ugen geöffnet und uns endlich gezeigt, wohin wir treiben. Die
Federae s der Marine betrugen im vorigen Jahre 28 Millionen, sie ind jetzt 38 Millionen Mark höher, so hoch wie niemals seit dem Bestehen des Reiches. Wir haben in den beiden letzten Jahren die geforderten Kreuzer bewilligt, es ist also durchaus ungerechtfertigt, es so darzustellen, als wenn in den letzten Jahren keine Vermehrung der lotte stattgefunden hätte. Ueber den Ausfuhrhandel, den wir besonders chützen sollen, habe ich etwas ketzerische Ansichten. Der Ausfuhrhandel
geht gerade dahin, wo keine deutschen Kriegsschiffe vorhanden sind; er geht nicht nach dem von Kriegsschiffen bewachten Neu⸗Guinea, sondern hauptsächlich nach Nord⸗Amerika. Solche Aeußerungen, wie sie Herr von Eynern im Abgeordnetenbause gethan hat, sind daher geradezu unsinnig. Er hat gesagt: es schwimmen täglich für 6 Milliarden Mark Waaren auf dem Meere. Das ist durchaus unrichtig. Unsere ganze Ausfuhr über See stellt sich höchstens auf 960 Millionen Mark jährlich. Einen inneren Zusammenhang zwischen den und dem Ausfuhrhandel kann ich deshalb nicht finden. Unsere Stellung⸗ nahme war gegeben durch die Rede des Abg. Fritzen bei der ersten Lesung des Etats. Wir sind nicht der Meinung, daß wir erst tapfer streichen und nachher zurückweichen. Wir bleiben bei unserem Standpunkt. Die im Bau begriffenen Schiffe, die ihrer Vollendung entgegengehen, bewilligen wir anstandslos; bei den weiteren Raten, wo die Vollendung der Schiffe in diesem Etats⸗ jahre noch nicht in Aussicht steht, wollen wir Kürzungen ein⸗ treten lassen. Angesichts der Vermehrung der Flotte in den letzten Jahren müssen wir in diesem Jahre mit den Neubauten Halt machen. Während sonst in zwei Jahren eine Torpedo⸗Division gebaut wurde, soll jetzt der Bau in einem ahre erfolgen. Darauf können wir nicht eingehen. Daß die finanzielle Lage so gut ist, ist nicht wahr. Die Anleihe beläuft sich ergf der Ab e auf 28 Millionen Mark, und es wird demnächst ein Nachtrags⸗Etat zur Vermehrung der Be⸗ 2 acht werden, Millionen Mark wird
Von einer Schuldentilgung ist nicht die Rede. Es ist solche nur in Aussicht genommen, wenn sich Mehreinnahmen ergeben. Ob das der Fall sein wird, ist mir aber noch sehr zweifelhaft. Mit diesen unsicheren Summen können wir bei der Vermebrung der Ausgaben nicht rechnen. Ohne die neue Denkschrift und die dadurch geöffnete Aussicht auf die Zukunft wäre die Abneigung gegen die Marine⸗ forderungen wahrscheinlich nicht so stark gewesen. Der Plan stellt eine Ausgabe von 328 Millionen Mark auf, sodaß man dabei an die Kreuzer II. Klasse gedacht hat. Wir sind uns unserer Verantwortlich⸗ keit wohl bewußt. Wir wollen aber unsere finanziellen Kräfte nicht allein für die Marine verwenden, sondern auch für die anderen Inter⸗ essen des Vaterlandes, denen wir dadurch ebenso zu dienen hoffen, wie dieienigen, welche mehr der Marine zuneigen.
Abg. Werner Wir können dem Staatssekretär der Marine dankbar sein, daß er dargelegt hat, was in der Zu⸗ kunft gefordert wird. Aber durch die Denkschrift ist die Sachlage nicht erleichtert worden. Wir müssen eine Offensivflotte haben, denn in dem nächsten Kriege wird der Flotte eine große Aufgabe zufallen. Die Denkschrift ist von der Marineverwalkung allein aufgestellt, während doch die verbündeten Regierungen sich damit hätten be⸗ schäftigen müssen. Für uns ist die Geldfrage die Hauptsache. Vom nationalen Gesichtspunkte aus würden wir für alle Forderungen stimmen müssen, aber von anderen Standpunkten aus kommt die Finanz⸗ lage in Betracht. Wären die Handelsverträge nicht zum Schaden der Landwirthschaft abgeschlossen, hätte man die Handwerker geschützt, dann wäre man zur Bewilligung von Mitteln für die Marine gern bereit gewesen. Unsere Mannschaften leisten Vorzü liches; wir können hoffen, daß die Leute auf den Meeren ihre Pflicht ebenso erfüllen wie auf dem Lande. Aber wir ein gutes Material haben, wir können sie nicht auf alte Kähne setzen! Die Denkschrift von 1873 kann für eine junge aufwachsende Marine nicht immer maß⸗ gebend sein. Man hat Erfahrungen gemacht im Laufe der Jahre. Die Deutschen im Auslande, die oft mehr deutsch sind als die im Inlande, verdienen den Schutz des Reichs. Bei einem Konflikt helfen diplomatische Noten nichts, sondern nur Kriegsschiffe.
Darauf wird die Berathung vertagt.
Eingegangen ist eine Interpellation der Polen wegen Auflösung politischer Versammlungen, in denen polnisch gesprochen wurde, und ein schleuniger Antrag der 18e. Abgeordneten wegen Aussetzung des gegen den Simonis schwebenden Strafverfahrens. Der letztere wird mit auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gesetzt; auf die Interpellation will der Präsident nach Erledigung des Morige gte Lurückonöber. Nachsie S z 2 uh
uß nach 4 ½ Uhr. Nächste Sitzung Freitag 1 r. (Fortsetzung der eeh n. des Tser ne dhats
aus der Abgeordneten.
53. Sitzung vom 18. März 1897.
Eingegangen ist eine Novelle zu den Gesetzen von 1886 und 1888, betreffend den Bau neuer Schiffahrtskanäle und die Verbesserung vorhandener Wasserstraßen.
Ueber den Beginn der Sitzung ist worden.
Auf der Tagesordnung steht die Berathung des An traß⸗ 5ge Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.) U. n..
die Regierung aufzufordern, dem Landtage baldigst einen Geiepentwars vorzulegen, durch den a. die bisher in Kap. 124 Tit. 2 des Etats des Ministeriums der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten zur Bestreitung eines ausreichenden Einkommens der Geistlichen aus⸗ geworfenen Staatsmittel behufs Gewährung von Aufbesserungs⸗ zulagen an bestehende Pfarreien und von Alterszulagen an Pfarrer wesentlich erhöht werden, b. diese Staatsmittel in einer festen Summe den geordneten Organen der evangelischen Landeskirchen und der tatholischen Kirche zur eigenen Verwendung nach bestimmten, staatsgesetzlich festzustellenden Grundsätzen überwiesen werden.
Nach der Vegründung desselben durch den Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa nimmt das Wort der
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten D. Dr. Bosse: Mieine Herren! Die Königliche Staatsregierung steht dem Plane einer Aufbesserung der Pfarrgehälter durchaus wohlwollend gegenüber. Ich glaube, daß in dem nächsten Ziele und auch in den prinzipiellen Grundlagen wir uns mit dem Herrn Antragsteller in den allerwichtigsten Punkten durchaus begegnen; viel weniger freilich in dem modus procedendi. Meine Herren, als hier in diesem hohen Hause an einen solchen Antrag, wie er jetzt vorliegt und auch von seiten des Herrn Abg. Haocke, nur nach einer anderen Richtung, ge⸗ stellt worden ist, noch garnicht gedacht werden konnte, habe ich bereits aus meiner Initiative heraus mich mit dem Herrn Finanz⸗Minister in Verbindung gesetzt und habe die Frage der Aufbesserung der Pfarr⸗ gehälter zur Sprache gebracht und bin dort auf das bereitwilligste und freundlichste Entgegenkommen gestoßen, wie ich ausdrücklich hervor⸗ heben möchte. Die Sache hat zur Folge gehabt, daß wir beide uns darüber verständigt haben, daß, ehe man in dieser Sache spezielle Pläne der Ausführung machen kann, man vor allen Dingen wissen muß, um welchen Bedarf es sich handelt. Wir haben daher statistische Er⸗ mittelungen bei den Provinzialbehörden veranlaßt, die noch nicht eingegangen sind, und ehe wir die Resultate dieser Ermittelungen nicht haben, meine Herren, wird es unmöglich sein, die Modalitäten der Ausführung dieses Planes einer weiteren Aufbesserung der Pfarrgehälter im einzelnen richtig zu erwägen. So lange wir ein solches Bild auf zahlenmäßiger Grundlage nicht haben, kann daher ein Antrag, wie der des Herrn von Heydebrand, namentlich in seinem zweiten Theil ganz außerordentlich unbequem werden und könnte uns doch auf Dinge festlegen, die einzuführen wir garnicht im stande sein würden. Ich möchte auch glauben, daß der Antrag kaum so verstanden werden kann, daß, wenn wir auf Grund des Materials, mit dem wir demnächst unsere Vorlage begründen müssen, zu anderen Voraussetzungen kämen, wir uns doch an diese Dinge, wie sie hier ausgesprochen sind, nicht unbedingt gebunden erachten können. Ich glaube auch, daß Herr von Heydebrand die Sache mehr auf einen allgemeinen und prinzipiellen Gesichtspunkt durch den zweiten Theil seines Antrages hat bringen wollen. Er hat ausdrücklich gesagt, daß er den größten Werth dabei lege auf eine größere Selbständigkeit der evangelischen Kirche, und hat mich daran erinnert, ich werde doch der evangelischen Kirche das Maß von Selbständigkeit nicht verweigern wollen, das einer meiner Herren Amtsvorgänger, der Staats⸗Minister Dr. Falk, ihr in Aussicht gestellt hat. Ja, meine Herren, ich bin absolut kein prinzipieller Gegner der Selbständigkeit der evangelischen Kirche; ich glaube das auch bereits bewiesen zu haben. Ich habe ja, um mit einem Mitgliede dieses hohen Hauses zu reden, die Hand dazu geboten, daß die klirrenden Ketten der evangelischen Landeskirche in Preußen abgenommen sind. Sie klirren nicht mehr! Also ich bin
gestern berichtet
keineswegs ein Gegner Selbständigkeit der evangelischen Kirche.
11“
vielmehr eine
Aber, meine Herrven, das habe ich doch in meiner düshergen ig lichen Praxis auch sehr häufig erfahren, daß man mit dem Becih der Selbständigkeit der evangelischen Kirche oft mancherlei Illrfion verbindet. Meine Herren, so lange wir ein landesherrliches gi a regiment haben und so lange wir wollen, daß die evangelischen gi Volkskirchen bleiben sollen, wird immer diejenige Verbindung die Reformalionszeit die Kirchen mit dem Staat eingegangen sind — die seiner Zeit ein Nothbehelf gewesen sein mag — bis zu einem „ wissen Grade aufrecht zu erhalten sein, und wir werden ung dringen zu hüten haben, da weiter zu gehen, als es nach der ganzen geschi lichen Entwickelung der evangelischen Kirche rathsam und richtig ie Ja, meine Herren, mit dieser Einschränkung bin ich ein wam Freund der Selbständigkeit der evangelischen Kirche; ich vehe nichts darauf, mit sogenannten bureaukratischen und Staats die kirchlichen Behörden einzuschränken. Ich will den kirchliche Synoden alles Gewicht beigemessen wissen, und ich gebe ihnen gen auch etwas zu beschließen und auszuführen, aber, meine Herren, natin⸗ lich in bestimmten gesetzlich festgelegten Formen; das hat auch de Herr Abg. von Heydebrand in seinem Antrage ganz richtig zum A. druck gebracht. Nur nach einer Seite hin scheint mir die Sache dod nicht der augenblicklichen Sachlage vollständig zu entsprechen. Mein⸗ Herren, das versteht sich ganz von selbst, daß wir diese An⸗ besserung der Pfarrgehälter und ihre Modalitäten nicht mache ohne Einverständniß mit den kirchlichen Behörden. Das win eine ganz thörichte einseitige staatliche Aktion, daran denken wir gar⸗ nicht; im Gegentheil, wir stehen schon in Verbindung auch mit den kirz⸗ lichen Organen unserer Kirche. Nun hat aber der Evangelische Ober⸗ Kirchenrath den Wunsch, diese Sache auf kirchengesetzlichem Wege n machen, gewisse Bestimmungen, die schon im Jahre 1885 in da damals von der Synode beschlossene Gesetz aufgenommen waren, mit den Veränderungen, die im Laufe der Jahre sich als nothwendig herausgestellt haben, da mit hineinzubringen. Nun erlaube ich nir darauf aufmerksam zu machen, wenn für die evangelische Kirche die Sache so gemacht wird, daß wir ein Kirchengesetz, das von der General⸗Synode im Herbst dieses Jahres beschlossen ist, hier vorlegen und wenn wir in üblicher Weise dazu ein Staatsgesetz machen, se können wir in dieses Staatsgesetz unmöglich die staatsgesetzlichen Be⸗ stimmungen hineinschreiben, die für die katholische Kirche maßgeben sein sollen. Dann müßten wir für die katholische Kirche ein be⸗ sonderes Staatsgesetz machen. Dagegen ist auch an und für sich gu⸗ nichts zu sagen; es ist möglich, daß das nöthig ist, es ist ebense möglich, daß man es durch den Etat machen kann.
Meine Herren, über alle diese Dinge ist bis jetzt kein Beschluß gefaßt worden. Von der Königlichen Staatsregierung konnte ein folcher Beschluß bisher nicht gefaßt werden, er kann auch heute noch nicht gefaßt werden, bis wir das nöthige zahlenmäßige Bild haber von den Zuständen, wie sie jetzt sind, und von dem Bedarf, um dar es sich handelt. Nach dieser Richtung hin muß ich der Königlichen Staatsregierung vollständig freie Hand vorbehalten. Im übrige aber, meine Herren, erkläre ich mich bereit, Hand in Hand mit Ihner zu gehen und alles zu thun, um die Frage einer ausreichenden Ver⸗ besserung der Pfarrgehälter auch unter Betheiligung der kirchlicher Organe in einer verständigen und der Kirche wie dem Stlaate hell⸗ samen Weise zu lösen, und ich hoffe, daß uns das auch gelinge wird. (Bravo!)
Abg. Dr. Dittrich (Zentr.): Wir sind mit der Tendenz des Antrages ganz einverstanden. Auch die evangelischen Geistlichen woller nicht reine Staatsdiener sein. Wir wollen ihnen dieselbe Freibeit ge⸗ wahrt wissen, welche wir für die katholischen Geistlichen in Anspruch nehmen. Die Tage, wo man die Landpfarrer als sehr gut gestellt ansah, sind vorüber, und es ist sogar ein gewisser Nothstand eingetreten. Wir erkennen ein Bedürfniß zur Aufbesserung der Geistlichen an Der Staat nimmt für sich ein Schutzrecht und eine Schutzpfliät über die Kirche in Anspruch, deshalb muß er auch der Kirche helfen, ihre Aufgaben zu erfüllen. Der Antrag wird hoffentlic eine Klarstellung der noch vielfach dunklen Perhältnisse ergeben: wir wissen z. B. noch nicht, welche Theile des Fonds der evange⸗ lischen, welche der katholischen Kirche zufallen. Die Grundsätze, nat welchen der Fonds verwendet werden soll, dürfen nur im greße Ganzen staatsgesetzlich festgelegt werden, innerhalb dessen muß die Fieseit in der Vertheilung der Mittel auf die einzelnen Be⸗ zirke haben. 1
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons.): Ich bur mit Herrn von Heydebrand in dem Sinne einverstanden, daß wir einer festen Sittlichkeit auf dem Boden der christlichen Kirche bedürfen und daß dazu die Geistlichkeit mithelfen und daher auskömmlich — werden muß, frei von materiellen Sorgen, damit sie voll ihres Amta walten könne. Die rechtliche Parallele mit den Beamten will nicht untersuchen, aber dieselben Gründe, die uns zur Aufbesserung der Beamtengehälter bestimmen, gelten auch für die Geiftlichen. Unser Antrag zum Etat löst die Frage am schnellsten und einfachsten der Antrag von Heydebrand ist nicht der richtige Weg; denn er be packt die Frage mit allerhand Nebenfragen von großer prinzipielle Bedeutung und erschwert so die Lösung. Wir haben auch schon i andern Fällen Etatspositionen erhöht, eine Ungebeuerlichket ist also unser Antrag nicht. Erhebungen über die Frage haben bereis wenigstens in der evangelischen Kirche, stattgefunden, und danach kam man auch den Bedarf der katholischen Kirche ungefähr berechnen Wenn aber die Regierung diese Erhebungen noch nicht für hinreichend hält, so schlagen wir eventuell vor, die Regierung aufzufordern, n einem Nachtrags⸗Etat die Mittel sich bewilligen zu lassen. Das koͤnnte noch in dieser Session geschehen; vor Mitte Mai wird diesmal der Etat doch nicht fertig, und wir werden hier noch bis in den Im oder sogar Juli hinein sitzen. Die Gehaltsfrage mit einer kirchen⸗ rechtlichen Regelung der ganzen Stellung der Geistlichkeit in Ver. bindung zu bringen, wäre äußerst bedenklich. Herr von Heprebrns hat sich auch nur in allgemeinen Redewendungen bewegt. Bedenfli ist mir der Ausdruc „bestehende Pfarreien“. Soll damit eu numerus clausus bestimmt werden? Die neu zu bildenden Pfarreies dürften von den Fonds nicht ausgeschlossen werden. Der spricht von einer „festen Summe“. Die Festlegung der Summe la dem aktuellen Bedürfniß wäre ein zweischneidiges Cchwert, nament für die katholische Kirche. Eine Veränderung nach den zutinf Bedürfnissen muß frei stehen. Die Vertheilung nach paritätis Grundsätzen ist sehr schwierig; wird dafür eine bestimmte S⸗ e. angenommen, so würde das alljährlich Klagen über Imparität r vorrufen. Was sollen „staatsgesetzliche Grundsätze⸗ sein? 22 Staat muß sich dauernd eine Kontrole
über die Verwen Fonds vorbehalten. Ein solcher Gesetzentwurf, wie ihn der ih fordert, würde außerordentlich schwierig sein und in Jahren nig verabschiedet werden können. So gut gemeint der Antrag ist, spannt die Pferde hinter den Wagen. Ich beantrage, den Uen. an die Budgetkommission zu überweisen, aber zu bedenken: bis
qui cito dat. 8
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger. 8
Nℳ,o 62.
Berlin, Freitag, den 19. März
1897
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(Schluß aus der Ersten Beilage.)
inanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Der Herr Abg. Dr. von Heydebrand hat an mein Interesse für die Frage appelliert und erinnert an Auffassungen, die ich als
dneter über diesen Gegenstand geäußert habe. Ich kann ihn
trösten, daß er sich in beiden Beziehungen in keiner Weise inen wird. Ich erkenne in vollem Maße auch meinerseits an, daß ein offenbares Bedürfniß besteht, die materielle Lage der Geistlichen heider Konfessionen zu verbessern. Ich erkenne ferner an, daß nach der ganzen historischen Entwickelung, wie diese Frage sich gestaltet hat, der Staat auch seinerseits sich nicht entziehen kann, dabei mitzuwirken. Ich erkenne aber nicht an, daß diese Aufgabe allein dem Staate obliegt. (Sehr richtig! links.) Ich betone, daß wir, wenn wir der Frage näher treten, uns nicht entziehen können, Grund⸗ säße auch über die Mitwirkung der Gemeinden aufzustellen (sehr ichtig! linke) und der Kirche selbst. — Meine Herren, ich halte dies uch im dringenden Interesse beider Kirchen liegend. Ich halte es für im kirchlichen Interesse liegend, wenn die beiden großen Kichen ausschließlich an den Staatssäckel appellieren.
Meine Herren, der Abg. Freiherr von Zedlitz hat dem Antrage des Abg. von Heydebrand vorgeworfen, daß er die Hilfe, die hier nothwendig bald eintreten müsse, auf die lange Bank schiebt. Ich hann dem Abg. Freiherrn von Zedlitz darin in keiner Weise beitreten und bin sogar etwas erstaunt, muß ich sagen, bei seiner Kenntniß des Etats und der Finanzen ihn hier Grundsätze bedenklicher Art ent⸗ wiceln zu hören. (Sehr gut! rechts.) Meine Herren, der Herr Ab⸗ geordnete sagt: das ist schon oft dagewesen, daß das Abgeordnetenhaus in den Etat aus eigener Initiative Ausgaben eingestellt und daß die Staatsregierung sich damit einverstanden erklärt hat. Das ist aber, glaube ich, noch nicht dagewesen, sollte wenigstens nicht wieder vor⸗ kommen (Heiterkeit), daß Ausgaben in den Etat eingestellt werden gegen den Willen der Staatsregierung. (Sehr richtig! rechts.) Das fürt zu einer konstitutionell falschen Stellung beider Körper⸗ schsten. Meine Herren, das Beispiel, welches der Herr Abg. von Zedlitz angeführt hat in Betreff der Erhöhung der Dotationen für die Elementarlehrer, paßt hier deswegen durchaus nicht: dort stand die Summe ganz bestimmt fest, um die es sich handelt, die Grundlage und der Zweck der Verwendung stand fest, und die Staatsregierung stimmte zu und konnte zustimmen. Diese Voraussetzungen, das glaube ich dem Herrn von Zedlitz schon heute sagen zu können, werden gegenüber den von seiner Fraktion gestellten beiden Anträgen nicht vorliegen; denn so reif und so geklärt st die Frage noch keineswegs, daß man auch nur entfernt die Gesammt⸗ summe bestimmt übersehen kann, geschweige denn die Einzelheiten der Durchführung und der Vertheilung einer solchen Summe.
Er hat sich darauf berufen, daß der Ober⸗Kirchenrath schon seinerseits Ermittelungen angestellt hat. Diese Ermittelungen könnten aber nur gegangen sein auf die der preußischen Landeskirche zugehörigen Provinzen; in Beziehung auf die übrigen Provinzen liegen derartige Ermittelungen m. V. überhaupt nicht vor; sie könnten auch auf die katholische Kirche und ihre Bedürfnisse sich nicht erstreckt haben. Diese Ermittelungen sind also schon aus diesem Grunde durchaus keine genügende Unterlage für die Bewilligung bestimmter Summen in dem gegenwärtigen Etat.
Meine Herren, aber weiter! Die Staatsregierung hat ihrerseits es für nothwendig gehalten, selbständig Ermittelungen anzustellen, weil es ja darauf ankommt, nach welcher Richtung diese Ermittelungen gehen sollen, ob das Ziel und die Zwecke, die der Ober⸗Kirchenrath im Auge gehabt hat, mit denjenigen des Kultus⸗Ministers und des Finanz⸗ Ministers übereinstimmen. Wenn wir andere Thatsachen ermitteln müssen, um eine entsprechende Vorlage in unserem Sinne zu machen, so können uns natürlich die Ermittelungen einer anderen Behörde, von ganz anderen Gesichtspunkten vielleicht ausgehend, in keiner Weise genügen. Wenn wir Ihnen nun sagen, daß wir die Grundlage noch nicht kennen, auf der bestimmte Vorschläge in Bezug auf die Finanz⸗ frage dem hohen Hause gemacht werden können, daß wir Ihnen gar keine bestimmte Summe angeben, die Gesammtsumme, um die es sich handelt, nicht berechnen, keine Vorschläge wegen der Art der Ver⸗ wendung solcher im Etat oder anderswo vorgesehenen Summen machen können, so wird doch, glaube ich, das hohe Haus uns nicht sagen wollen: wir drängen Euch das Geld auf; macht damit, was Ihr wollt, oder macht etwas Verkehrtes nach der Basis der einfachen mechanischen Duplierung der Summen, die heute im Etat stehen. Ich glaube also und hoffe, daß das hohe Haus auf diesen Antrag nicht eingeht, aber ich möchte ebenso davon abrathen, den Antrag von Heydebrand an⸗ zunehmen; denn ich halte es nicht für richtig, daß in der gegen⸗ wärtigen Situation, wo wir namentlich noch gar kein Einvernehmen erzielt haben mit den kirchlichen Organen selbst, wo wir noch gar⸗ nicht wissen, was sie eigentlich wünschen, was sie im Prinzip, was sie im einzelnen wünschen, wo die Staatsregierung in dieser Beziehung also noch gar keine feste Stellung hat nehmen können, ob es eine etatsmäßige Bewilligung, oder ob es eine ein für allemal abgeschlossene Dotation sein soll, oder eine Dotation auf bestimmte Zeit, an welche Modalitäten diese Dotation geknüpft werden soll, — grundsätzlich Stellung in nehmen. Ich kann mir doch denken, daß viele Abgeordnete hier in diesem hohen Hause sich befinden, welche sich entschließen würden, unter bestimmten, ihnen genügend scheinenden Modalitäten und Vor⸗ aussetzungen eine solche Dotation der Kirche zur eigenen Verwendung zu überlassen, die sich aber dazu nicht entschließen würden, wenn die Modalitäten und Voraussetzungen ihnen nicht genügend erscheinen.
clange man also diese nicht kennt, wird es außerordentlich schwer, auch für die Herren Abgeordneten sein, eine bestimmte Stellung zu ieser Sache zu machen.
Meine Herren, in dem gegenwärtigen Stadium halte ich es für genügend für die Erreichung des Zieles, welches wir ja alle erreichen wollen, die Staatsregierung und die verschiedenen Parteien dieses hohen Hauses: wenn uns ausgesprochen wird die Bereitwilligkeit des hohen
uses, staatliche Mittel in erhöhtem Maße zu Gunsten der Auf⸗
besserung der Lage der Geistlichen beider Konfessionen zu bewilligen. Ich glaube, Sie bringen größere Schwierigkeiten in die Sache hinein, wenn Sie nun schon bestimmte konkrete Wege festlegen, auf denen wir uns vielleicht festrennen. Sie verlieren so nichts. Das Ziel wird nach meiner Meinung durch diese speziellen Anträge nicht allein nicht gefördert, sondern eher erschwert, und da eine wesentliche Uebereinstimmung über die Erreichung des Hauptzwecks zwischen Staatsregierung und Landtag vorhanden ist, bedarf es nach meiner Meinung solcher Anträge garnicht, (sehr richtig! links), und nach meiner parlamentarischen Erfahrung würde ich es so für richtiger halten, wenn unter Anerkennung der Stellung der Staatsregierung, wie sie hier deutlich zum Vortrag gekommen ist, alle Anträge zurückgezogen würden, sowohl die des Herrn Freiherrn von Zedlitz als die des Herrn Dr. von Heydebrand.
Kann das nicht stattfinden, will das Haus sich schon über diese Anträge entscheiden, so muß ich sagen: die Regierung ist garnicht im stande, speziell zu den grundsätzlichen Fragen, die in diesen Anträgen liegen, schon heute Stellung zu nehmen.
Abgesehen davon, daß das Staats⸗Ministerium in dieser Beziehung noch garnicht in Berathung getreten ist, würde ich auch selbst mich scheuen, nur meine persönliche Meinung auszusprechen. Ich möchte auch erst hören, was der Ober⸗Kirchenrath, die bischöf⸗ lichen Behörden u. s. w. über diese Sache sagen, ehe ich mich ent⸗ scheide. Ich habe noch keine feste Meinung über das Einzelne. Ich stehe noch heute auf dem Standpunkt, den ich als Abgeordneter aus⸗
gesprochen habe, daß ich ein Gegner jeder unnützen, durch die Staats⸗
interessen nicht unbedingt gebotenen Beschränkung der freien Bewegung der Kirche bin. Ich stehe aber auch auf dem Standpunkt, daß ich ebenso ein Gegner bin einer übermäßigen Zentralisation in der evangelischen Kirche selbst. Ich scheue mich davor, einzugreifen in die alte evangelische Gemeindefreiheit. Ich habe diese Grundsätze auch schon in der ersten General⸗Synode vertreten und stehe noch heute auf diesem Standpunkt. Um so mehr aber würde ich mich scheuen, schon jetzt hier von Staatswegen bestimmte Prinzipien festzulegen, die vielleicht mit den Anschauungen der verordneten Organe der Kirche garnicht in Einklang stehen. Ich glaube, daß der An⸗ trag, auch des Herrn Freiberrn von Zedlitz, zwar einzelnen Geistlichen, die in besonders üblen materiellen Verhältnissen sich be⸗ finden, angenehm sein wird. Ob diese Form aber der General⸗ Synode und den Kirchellorganen überhaupt paßt, darüber bin ich garnicht unterrichtet; ich glaube sogar, daß es nicht überall der Fall ist. Um so weniger kann ich empfehlen, auf solche Anträge einzugehen. Lassen Sie in dieser Frage nach den erforderlichen Ermittelungen, nach den nothwendigen Verhandlungen mit den Organen der Kirche, nach einem hoffentlich zu erzielenden Einvernehmen, wo wir Ihnen sagen können: mit diesen Vorschlägen sind auch die Nächstbetheiligten einverstanden, — überlassen Sie in dieser Frage die Initiative der Staatsregierung! Ich glaube, Sie werden damit am allerbesten
weiter kommen. (Bravo!)
Abg. Dr. Irmer (kons.): Wir erwarten 8 gar keine bestimmte Stellungnahme der Regierung, wir wünschen aber die Meinung des Hauses zu hören, ob es höhere Mittel für diesen Zweck bewilligen will. An der Finanzierung allein wird die Sache nicht scheitern, für uns hat die Sache aber die grundsätzliche Bedeutung: sollen wir der Kirche ein größeres Maß von Autonomie geben? Deshalb ver⸗ langen wir ein Gesetz und nicht die Bewilligung im Etat, die das Abgeordnetenhaus jederzeit rückgängig machen könnte. Die General⸗ Synode hatte schon einmal einen durchaus praktischen ausgearbeitet. Der Antrag von Zedlitz will eine Verstaatlichung der Kirche insofern, als die Mindestgehälter der Geistlichen vom Staate garantiert werden. Im Oktober wird die General⸗Synode zusammen⸗ treten, dann kann ihr ein Kirchengesetz über die Neuregelung der Ge⸗ hälter vorgelegt werden, und es wäre daher angenehm, wenn sich das Haus schon jetzt zur staatsgesetzlichen Bestätigung eines solchen Kirchen⸗ gesetzes bereit erklärte. Den Begriff der Freiheit der Kirche zu überspannen, liegt uns fern, wir tasten die Staatshoheit nicht an; nur innerhalb derselben soll sich die Kirche frei bewegen können.
Abg. Dr. Sattler (nl.): Ich bin mit der Ueberweisung des Antrags an die ö einverstanden. Die Kommission thäte am besten, mit Rücksicht auf die Erklärungen der Regierung für dieses Jahr über die Anträge zur Tagesordnung überzugehen. Ich will hier einen solchen Antrag nicht stellen, um nicht 8eee der guten Absicht der Anträge unfreundlich zu erscheinen. ir erkennen das Bedürfniß der Aufbesserung an, damit die Geistlichen ihre Aufgaben, auch diejenige, mitzuwirken am sozialen Frieden, unbekümmert um materielle Sorgen, erfüllen können. Ich wundere mich, daß der Abg. von Zedlitz seinen Antrag einbringen konnte, ohne die Regierung vorher zu befragen. (Ruf rechts: Antrag Sattler!) Da handelte es sich um die Beamtenbesoldungen, die überhaupt neu geregelt werden. Der Staat muß eintreten, wenn die Geistlichen kein aus⸗ kömmliches Gehalt haben, aber wir können das Bedürfniß und die Leistungsfähigkeit der Gemeinden im einzelnen 29 nicht beur⸗ theilen. Die grundsätzliche Tendenz des Antrages von Heydebrand er⸗ schwert die Lösung der materiellen Frage bedeutend und birgt den Keim ewiger Paritätsstreitigkeiten zwischen den Konserpativen und dem Zentrum. Wenn die Verwendungsgrundsätze gesetzlich werden, wo bleibt dann die Freiheit der Kirche? Wer Gelder ergiebt, wird der der Leute, die die Gelder bekommen. Der Staat wird bei der Verwendung nicht ausgeschlossen werden können. Das Haus ist bereit, höhere Mittel für die Geistlichen zu bewilligen; ob wir aber einem Kirchengesetz zustimmen können, wissen wir nicht, wenn wir es noch nicht kennen. Staat und Kirche können nicht zum Frieden des Menschen zusammenarbeiten, wenn sie ganz von einander abge⸗ sondert werden. 8
Abg. Schall (kons.) dankt im Namen aller Geistlichen für die warme die die Nothlage derselben im ganzen Hause ge⸗ funden habe. In seinem idealen Berufe drücke es den Geistlichen sehr, wenn er mit materiellen Sorgen zu kämpfen habe. Katholische wie evangelische Geistliche hätten das Bestreben, versöhnend auf die Mensch⸗ heit zu wirken. Es sei erfreulich, daß die soziale Aufgabe der Geist⸗ lichkeit allgemein anerkannt werde. Ein Mißbrauch der Freiheit der Kirche sei nicht zu besorgen; die Träger des Amtes würden ihre Dankbarkeit gegen den Staat stets dadurch abtragen, daß sie mithelfen würden, die Fundamente des Staates zu schützen.
Abg. Schaffner (nl.) spricht sich für den ersten, aber gegen den zweiten Theil des Antrags von Heydebrand aus.
Abg. Stöcker: Der Nothstand der Geistlichen ist nicht be⸗ stritten, es handelt sich nur um das Maß, nach welchem der Staat zu helfen hat. Zunächst muß aber die Kirche über die Sache befragt werden. Neu zu bildende Pfarreien sind nicht auszuschließen, Herr von Heydebrand hat das ausdrücklich gesagt. Herr von Zedlitz will
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schnell helfen, aber er verkennt den Charakter der Geistlichen, wenn er etwa meint, daß auch nur ein Geistlicher die Selbständigkeit der Kirche preisgeben möchte, um einige Monate früher ein paar hundert Mark mehr zu bekommen. Von jeher hat man immer nur von einer „Dotation“ der Kirche gesprochen, eine Verstaatlichung kommt nicht in Frage. Vor einigen Jahrzehnten ist man viel mehr bereit gewesen, der Kirche volle Freiheit und Selbständigkeit zu geben. Die Kirchenverfassung ist ein Schritt auf dem Fe e zur Freiheit der Kirche gewesen. Warum soll man also nicht n einen Schritt weiter gehen? Die Kirche hat nur einige Momente der Freiheit, nicht volle Freiheit. Der Abfall von der Kirche zeigt uns, daß jetzt die Kräfte der Kirche nicht richtig funktionieren können. Wie sollen wir die Umsturzpartei, die ja schon die politische Autorität ablehnt, wieder an die Kirche heranziehen? Je freier sich die Kirche bewegen kann, desto besser wird sie dazu im stande sein. Den Geist⸗ lichen darf die Mitwirkung an den sozialen Fragen nicht verwehrt werden. Eine solche Position können die Geistlichen niemals an⸗ nehmen. Politik ist die Stärkung des nationalen Staates und daher meine liebste Beschäftigung. Auf die Gemeinschaft mit dem Staat und der christlichen Obrigkeit ist unsere Kirche angelegt.
Abg. von Eynern (nl.): Niemand von uns ist gegen eine Besserstellung der Geistlichen; eine eigentliche Nothlage besteht im Westen aber im großen Ganzen nicht, weil die Gemeinden aus⸗ kömmliche Gehälter zahlen. Ich zahle in Berlin und in Barmen Kirchensteuer, hier 10 % und dort 34 %. Die Gemeinden im Osten sollten nur selbst soviel thun wie die im Westen. Es müssen also erst Ermittelungen stattfinden, wie die Gehaltsverhältnisse im Osten im Verhältniß zu denen im Westen sind. Wir können die Folgen des Antrags von Heydebrand nicht übersehen. Ein Theil meiner Freunde ist gegen die Ueberweisung des Antrags an die Kommission und lehnt ihn ab; wir begnügen uns mit dem Versprechen der Regierung, die Frage zu lösen. Der Antrag hätte mindestens mit Zahlen begründet werden müssen. Herr Stöcker will natürlich eine Priesterkirche haben. Im Westen besteht kein Wunsch zu einer hierarchischen Gliederung der Kirche; nur einmal, als Herr von Hammerstein seine ganze Bered⸗ samkeit aufwandte, machten sich vorübergehend solche Bestrebungen geltend, aber die Mehrheit unserer Geistlichen will nichts von einem evangelischen Papstthum wissen. Herr Schall und Herr Stöcker haben eigentlich das Gegentheil gesagt; erst wollen wir den beiden Herren überlassen, sich zu verständigen.
Abg Dr. Porsch (Zentr.) stellt fest, 8 eine erfreuliche Ueberein⸗ stimmung über die Nothwendigkeit der Aufbesserung der Geistlichen vorhanden ist, und stimmt dem Antrag von Heydebrand bezw. der Ueberweisung an die Kommission zu. Es hätte zur Zeit gar nichts Anderes beantragt werden können, der Antrag rege ja eine Erwägung der Verhältnisse an. Der Antrag sei weder unklar, noch lege er das 88 auf bestimmte Dinge fest. Wenn die Regierung das gewünschte
esetz einbring „habe man völlig freie Entschließung darüber. Die Klagen über Imparität könnten nicht größer sein, wenn nach dem Antrag verfahren werde, als bei dem jetzigen Zustand, wo der Staat ganz selbständig beschließe.
wird die Diskussion geschlossen und der Antrag
der Budgetkommission überwiesen.
Schluß gegen 4 ½ Uhr. Nächste Sitzung Freitag 12 Uhr.
8, Virchow auf Erlaß eines Komptabilitätsgesetzes; erget
Die Kommission des Reichstages zur Vorberathung des Entwurfs eines Gesetzes über das Auswanderungswesen hat sich konstituiert und den Abg. Dr. von Cuny zum Vorsitzenden, den Abg. von Kehler zum Stellvertreter des Vorsitzenden und die Abgg. Cegielski und Hilgendorff zu Schriftführern gewählt.
— Die Tagesordnung für die morgen, Sonnabend, den 20. d. M., Mittags 12 Uhr, stattfindende 13. Plenarsitzung des Herren⸗ hauses lautet, wie folgt: 1) Wahl eines Mitgliedes für die Staatsschulden⸗Kommission an Stelle des verstorbenen Herrn von
fuel; 2) Antrag zu der Petition des Karl Paasch in Zürich, enthaltend
eschwerden in Rechtssachen (zur Erörterung im Plenum nicht geeisnchh: 3) mündlicher Bericht der Kommission für Eisenbahn⸗Angelegenheiten über die übersichtliche Darstellung der Ergebnisse der im Jahre 1896 stattgehabten Verhandlungen des Landes⸗Eisenbahnrathes (Bericht⸗ erstatter: Herr Hammer. Antrag: Erledigung durch Kenntnißnahme); 4) mündlicher Bericht der Kommission für Eisenbahn⸗Angelegenheiten zu dem Bericht über die weitere Ausführung von Eisenbahn⸗Verstaat⸗ lichungsgesetzen (Berichterstatter: 38 Hammer. Antrag: Erledigung durch Kenntnißnahme); 5) einmalige Schlußberathung über den von dem Hause der Abgeordneten in abgeänderter Fassung zurückgelangten Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Ergänzung einiger jagdrechtlichen Bestimmungen (Berichterstatter: Herr Boie. Antrag: Unveränderte Annahme); 6) mündlicher Bericht der Kommission für den Staats⸗ haushalts⸗Etat und für Finanz⸗Angelegenheiten über den Antrag von Woyrsch, welcher dahin geht, die Königliche Staatsregierun suchen, im nächsten Etat die Regierungs⸗Assessoren soweit irgend möglich mit der Verbesserung des Gehalts, die unbesoldeten aber mit Gehalt beziehungsweise mit Diäten zu bedenken (Bericht⸗ erstatter: Herr von Gerlach. Kommissionsantrag: Ablehnung); 7) mündlicher Bericht der Kommission für Agrar⸗Verhältnisse zu der Denkschrift über die Entwickelung und den Stand der ländlichen Fort⸗ bildungsschulen in Preußen im Jahre 1896/97 (Berichterstatter: Herr von Reinersdorff⸗Paczensky und Tenczin. Antrag: Erledigung durch Kenntnißnahme); 8) mündlicher Bericht der Kommission für Petitionen über die Petition der Wittwe Anna Hansen in Schwabstedt, um Er⸗ wirkung einer Entschädigung aus Staatsmitteln für eine ihrem Ehe⸗ mann gehörig gewesene, inzwischen aufgehobene (Be⸗ richterstatter: Herr Dr. Kohli. Antrag: Ueberweisung zur Berück⸗
sichtigung).
Nr. 10 des „
herausgegeben im Reichsamt des Innern, vom 12.
folgenden Inbalt: 1) Eisenbahnwesen: Crnictitang des Konsuls in Kairo zur Ausstellung von Leichenpässen. — 2) olonialwesen: Ge⸗ schäftsordnung der Diziplinarbehörden für die Schutzgebiete. — 3) Justizwesen: Aenderungen in dem Verzeichniß der zur Einziehung von Gerichtskosten bestimmten Stellen. — 4) Konsu atwesen: Be⸗ stellung eines Sööö — Entlassung; — Exequatur⸗Er⸗ theilung. — 5) Zoll⸗ und Steuerwesen: Ergänzung der Vorschriften für die steuerfreie Verwendung von underaturiertem Branntwein zu Heil⸗ ꝛc. Zwecken, sowie der weiteren Bestimmungen zur Ausführung des Braunntweinstenergesehes,; — Uebertragung der einem Hauptamt ertheilten Befugniß zur bfertigung von Waaren an die demselben untergebenen selbständigen Abfertigungsstellen; — Charaktererhöhung eines Stations⸗Kontroleurs. — 6) Marine und Schiffahrt: Erscheinen des ersten Heftes zwölften Bandes der r. des Ober⸗See⸗ amts und der Seeämter und des Registers der Entscheidungen zum elften Bande. — 7) Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet. — 8) Bankwesen: Status der deutschen Noten⸗
banken Ende Februar 1897.
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