1897 / 76 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 30 Mar 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 11 der „Gesetz⸗Sammlung“ enthält unter 82 Nr. 9888 das Gesetz, betreffend die Kirchengemeinde⸗ Ordnung für die evangelischen Gemeinden in den Hohen⸗ zollernschen Landen, vom 1. März 1897; und unter Nr. 9889 die Verfügung des Justiz⸗Ministers, betreffend die Anlegung des Grundbuchs für einen Theil der Bezirke der Amtsgerichte Hennef, Euskirchen, Andernach, Cochem, St. Goar, Mönstermaifeld, Stromberg, Kreuznach, Zell, Berncastel, Hilles⸗ heim, Neuerburg, Prüm, Saarburg, Wadern, Wax⸗ eiler, Wittlich und Trier, vom 15. März 1897 Berlin W., den 30. März 1897. Koönigliches Gesetz⸗Sammlungs⸗Amt. Weberstedt.

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 30. März.

Seine Majestät der Kaiser und König kehrten gestern Abend gegen 6 Uhr von den Beisetzungsfeierlichkeiten in Weimar hierher zurück und empfingen nach der Ankunft im Königlichen Schlosse den Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister Freiherrn von Marschall zum Vortrage.

Heute Vormittag um 10 Uhr empfingen Seine Majestät der Kaiser den Staatssekretär des Reichs⸗Marineamts, Admiral Hollmann, sodann den Reichskanzler, Fürsten zu Hohenlohe, und später den Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen. Um 1 Uhr nahmen Seine Majestät militärische Meldungen entgegen. 8 8

Der Bundesrath versammelte sich heute zu einer Plenarsitzung. Vorher beriethen die vereinigten Ausschüsse für das Landheer und die Festungen, für das Seewesen, fuͤr Justizwesen und für Rechnungswesen.

b’. Regierungs⸗Assessor Dr. jur. Ikier zu Berlin ist bis Nauf weiteres dem Landrath des Kreises Essen im Regierungs⸗ bezirk Düsseldorf zur Hilfeleistung in den landräthlichen Ge⸗ schäften zugetheilt worden.

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Laut telegraphischer Meldung an das Ober⸗Kommando der Marine wird S. . S. „Bussard“, Kommandant Korvetten⸗Kapitän Winkler, am 3. April von Sydney nach

In der Dritten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“ wird eine tabellarische Uebersicht über die Gewinnung der Bergwerke, Salinen und Hütten im Deutschen Reich und in Luxemburg während des Jahres 1896, nach dem im Kaiserlichen Statistischen Amt zusammengestellten vorläufigen Ergebniß, veröffentlicht.

Sigmaringen, 29. März. Se. Fürst von Hohenzollern hat sich heute von San Remo begeben.

Seine Königliche e der

ier nach

Renstz . 8

Seine Durchlaucht der Fürst vollendete am 28. d. M. sein 51. Lebensjahr. Zu Ehren des Tages war die Stadt Greiz festlich geschmückt.

Bremen. Gesstern Nachmittag fand auf der Werft der Aktiengesell⸗ schaft „Weser“ der Stapellauf des für die Kaiserliche Marine bestimmten Kreuzers zweiter Klasse statt. Außer zahlreichen geladenen Gäͤsten nahmen Seine König⸗ liche Hoheit der Erbgroßherzog von Oldenburg, der Chef⸗Konstrukteur der Kaiserlichen Marine, Geheime Admi⸗ ralitäts⸗Rath Dietrich, Vize⸗Admiral Karcher, Kontre⸗Admiral Büchsel, Ober⸗Werftdirektor von Schuckmann, die Ober⸗ Bauräthe Jäger und Aßmann sowie die leitenden Marine⸗ Baumeister Bockhacker und Bonhage an der Feier theil. Seine Königliche Hoheit der Erbgroßherzog von Oldenburg vollzog die Taufe im Namen Seiner Majestät des Kaisers. Das Schiff erhielt den Namen „Victoria Luise“.

Oesterreich⸗Ungarn. 1

Der Kaiser empfing gestern Nachmittag den Minister des Auswärtigen Grafen Goluchowski und den Chef der Marinesektion, Admiral Freiherrn von Sterneck gemeinsam in längerer Audienz. Ferner empfing der Kaiser Nachmittags ie außerordentliche persische Gesandtschaft, welche en Regierungsantritt des Schahs notifizierte. Der Reichsrath ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern von dem Kaiser mit folgender Thronrede eröffnet worden: „Am Beginne einer neuen, wichtigen Periode des verfassungs⸗ mäßigen Lebens habe ich Sie um meinen Thron versammelt; ich entbiete Ihnen meinen Kaiserlichen Gruß und heiße Sie herzlich willkommen. Die Reichsvertretung hat mein in ihre Vaterlandsliebe und Einsicht gesetztes Vertrauen während der abgelaufenen Session gerechtfertigt, indem sie trotz der bestehenden Gegensätze auf vielen Gebieten des staatlichen Lebens fruchtbare Arbeit vollbracht hat. Ich hege die Erwartung, daß auch Sie das glücklich Begonnene aus⸗ gestalten und weiterführen, neue nützliche Arbeit aufnehmen und mit Erfolg vollenden werden. In dieser Hoffnung fühle ich mich dadurch bestärkt, daß die auf die Erweiterung des Wahlrechts ab⸗ zielende gesetzgebende Thätigkeit ihren Abschluß gefunden hat, und es gelungen ist, breiten Schichten der Bevölkerung eine verfassungsmäßige Vertretung zu gewähren. Es wird nunmehr möglich sein, die Interessen aller Kreise mit jener Mäßigung, die aus der ver⸗ antwortungsvollen Mitarbeit für das Wohl der Gesammtheit ent⸗ springt, nach dem Maße ihrer Berechtigung geltend zu machen. So wichtig auch diese Ausgestaltung der Verfassung für die staatliche Gemeinschaft sich darstellt, sie erhält ihre volle Bedeutung in dem Bestreben nach gesunden sozialen Reformen. Ihre Thätigkeit wird darauf gerichtet sein, für die Bevölkerung in materieller und kultureller Beziehung ausreichende Vorsorge zu treffen, innerhalb des

Rahmens der bestehenden Gesellschaftsordnung vorhandene Gegensätze zu mildern, ohne an die Leistungsfähigkeit der Unternehmer für sozial⸗ politische Zwecke übermäßige Ansprüche zu stellen und ihre auch ihren Arbeitern zu aute kommende Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem Aus⸗ lande zu schwächen. In diesem Sinne wird die Regierung zunächst Entwürfe für eine Reform des Krankenversicherungsgesetzes vorlegen.“

Die Thronrede betont sodann die ernstliche der Regierung für die Hebung des Gewerbestandes, die kräftige Förderung der industriellen Thätigkeit, die Unterstützung und den genügenden Schutz der Landwirthschaft und kündigt eine Vorlage hinsichtlich der berufsgenossenschaftlichen Organisation des landwirthschaftlichen Standes an. „Als die wichtigste und dringlichste Aufgabe für den nächsten Sessionsabschnitt . jedoch eine Ordnung der Vereinbarungen, die sich auf die Erneuerung des Zoll⸗ und Handelsbündnisses mit den Ländern der ungarischen Krone, auf die in beiden Staatsgebieten nach gleichen Grundsätzen zu behandelnden Verzehrungssteuern, auf die Regelung der Bankfrage, die Fortführung der Valutareform und endlich auf die Beitragsleistung zur Deckung der Bedürfnisse des gemeinsamen Haushalts der,. Monarchie beziehen. Erfüllt von patriotischem Geiste, werden Sie die Ihnen hierüber zugehenden Vor⸗ lagen, deren rasche Erledigung ebenso wünschenswerth als noth⸗ wendig erscheint, einer gerechten Ueberprüfung unterziehen. Die Thronrede kündigt sodann auf dem Gebiete der inneren Verwaltung Vor⸗ lagen, betreffend das Versicherungswesen und betreffend die Bevölkerung welche ihren Erwerb im Auslande sucht, an, und hebt die besondere Sorgfalt für die Pflege von Wissenschaft und Kunst hervor und das Bestreben, auf dem Gebiete des öffentlichen Unterrichts in ruhiger Ausgestaltung der bestehenden Einrichtungen die allgemeine Bildung zu heben. Die vornehmste Aufgabe der Schule wird die er⸗ ziehliche Thätigkeit bleiben. Sie in ihren Erfolgen wirksamer zu ge⸗ stalten, soll durch entsprechende Einrichtungen in den Lehrerbildungs⸗ anstalten erreicht werden. Die Thronrede kündigt ferner Aende⸗ rungen der Konkursordnung an, sowie Vorlagen über Friedens⸗ richter, Gemeindevermittelungsämter, Checks und kaufmännische An⸗ weisungen und Erwerbs⸗ und Wirthschaftsgenossenschaften. Die Kodi⸗ fizierung des Strafrechts soll in Angriff genommen werden, sobald ein durch die Zivilprozeßgesetze in seinem formellen Theile auf eine neue Basis gestelltes Rechtsleben den Beginn dieser großen Gesetzgebungsarbeit gestattet. Die Regierung wird sich die Vorlage der Militär⸗Straf⸗ prozeßordnung, welche den besonderen militärischen Interessen, sowie den Erfordernissen moderner Rechtswissenschaft Rechnung trägt, an⸗ gelegen sein lassen und einen Gesetzentwurf, betreffend die Wahrung des militärischen Geheimnisses, einbringen.

In der nächsten Zeit wird ein Gesetzentwurf über Erhebung und zwangsweise Einziehung der direkten Steuern unter Regelung der Entschädigung der Gemeinden für Erbebung der staatlichen Steuern hinzukommen. Die Thronrede kündigt alsdann eine Reform des Gefäll⸗ strafgesetzes und Gebührengesetzes an. Behufs gründlicher Ordnung der Haushalte beabsichtigt die Regierung, aus den Mehrerträgnissen der Konsumsteuern eine namhafte Zuweisung an die Länder der Krone zu beantragen und die Bestrebungen der Länder nach Schaffung besonderer Landessteuern thatkräftig zu fördern. Weitere Vorlagen betreffen die Eröffnung und Nutzbarmachung der binnenländischen Wasserstraßen, die Entwicklung des Seeverkehrs, die Herstellung neuer Bahnverbindungen und die Verstaatlichung einzelner Bahnlinien. „Wenn die Lösung so zahlreicher Auf⸗ gaben gelingen soll“, heißt es dann weiter, „werden nationale Gegensätze deren Berathung und sachgemäße Entscheidung nicht erschweren oder beirren dürfen. Die ersprießliche Lösung dieser Aufgaben wird rückwirkend as Wohl jedes Landes und Voltsstammes fördern und zur Beseitigung der bestehenden Schwierigkeiten beitragen und alle Kräfte zu gemeinsamem Handeln im Dienste der Macht und der Interessen des Reichs vereinen. Die Regierung wird unablässig bemüht sein, die Hindernisse einer Annäberung zu entfernen und innerhalb der geltenden Verfassung einen Ausgleich der sich bekämpfenden Ansprüche anzubahnen und so einen Boden zu schaffen, auf dem sich die Gegner in wechselseitiger Anerkennung ihres Rechts und ihrer Kraft versöhnen können und mit Hilfe des Allmächtigen auch versöhnen werden. Der Umfang und die Zahl der Ihnen zukommenden Vorlagen stellen an Sie große Ansprüche, aber ich setze in Ihren Willen und Ihre Arbeits⸗ kraft das Vertrauen, daß Sie ihre Erledigung auch deshalb zu be⸗ schleunigen wissen werden, um den Landtagen aller Königreiche und Länder ein größeres Maß von Zeit und freiere Bewegung für ihre Thätigkeit zu gestatten. Diese Forderung ergiebt sich auch aus Rück⸗ sicht für die richtige Besorgung der autonomen Entscheidung der dem Landtage zugewiesenen Angelegenheiten, welche im Laufe der Zeit aus sachlichen Gründen und im Interesse einer raschen Administration nur eine Vermehrung erfahren können.“

„Was die auswärtige Politik betrifft, ist es dem einverständ⸗ lichen Zusammenwirken sämmtlicher Großmächte gelungen, die mit den jüngsten Wirren im Orient aufgetauchten Gefahren einzudämmen, und es darf wohl der Hoffnung Ausdruck gegeben werden, daß die diesfalls unternommene Aktion trotz mancher im Laufe der Verhand⸗ lungen zum Vorschein kommenden Meinungsverschiedenheiten und Be⸗ denken zu einer gedeihlichen, im Wesen befriedigenden Lösung führen werde. Dies gilt zunächst von der unvorsichtig heraufbeschworenen kretischen Frage, die meine Regierung veranlaßt hat, im Einvernehmen mit unseren Bundesgenossen und in enger vertrauensvoller Fühlung mit den anderen uns befreundeten Mächten eine Reihe von Maßregeln zu ergreifen, deren Zweck ist, durch eine auf die Erhaltung desterritorialen status quo hinzielende Aktion friedenstörende Tendenzen und Aspi⸗ rationen in die gebührenden Schranken zurückzuweisen. Kann somit die Haltung Griechenlands in der gegenwärtigen Phase keinesfalls auf die Billigung der Großmächte zählen, so muß andererseits auch die Türkei beherzigen, daß sie eine große Verantwortung auf sich laden würde, falls sie unter Verkennung ihrer vitalsten Interessen und gegen die einstimmigen Rathschläge der europäischen Mächte sich der Beseitigung trauriger Mißbräuche entziehen und damit einen Zustand erhalten sollte, der den Keim steter Beunruhigung in sich trägt. Es darf wohl der Er⸗ wartung Raum zu geben sein, daß auch in dieser Richtung das un⸗ abweislich Erforderliche sichergestellt werde.“

Die Thronrede schließt: „So möge Ihnen denn, geehrte Herren von beiden Häusern des Reichsrathes, gegönnt sein, unterstützt durch die friedliche Gestaltung der auswärtigen und inneren Verhältnisse, in einträchtigem sachlichen Zusammenwirken Gedeihliches zu schaffen zum Wohle des Vaterlandes. Gott der Allmächtige verleihe Ihren Arbeiten seinen Segen!“

Der Präsident des Herrenhauses Fürst Windischgrätz brachte beim Erscheinen des Kaisers und ebenso als Allerhöchst⸗ derselbe sich zuruckzog, ein dreimaliges, mit Begeisterung auf⸗ genommenes Hoch aus. Die Thronrede, an mehreren Stellen von Beifallsrufen unterbrochen, fand laute und begeisterte Zustimmung.

Im ungarischen Unterhause meldete gestern der klerikale Abgeoordnete Pfarrer Kalmann einen Antrag an, worin die Stellung des Abgeordneten Grafen Stefan Ti s [18 MNr56s8 Orr 4„½2 2 z 9 18 Tisza als Präsident der Industriebank, des Abgeordneten Hieronymi als Präsident der Agrarbank und des Abgeordneten Enyedy als Generaldirektor der letzteren Bank mit dem Ab⸗ geordneten⸗Mandat für unvereinbar erklärt wird. Auch gegen den Vize⸗Präsidenten des Hauses Ludwig Lang meldete der Abg. Kalmann die Inkompatibilität an. Graf Stefan Tisza erklärte die Behauptung, daß seine politische Stellung zu seiner Thätigkeit auf volkswirthschaftlichem Gebiet in irgend einer Beziehung stehe, als eine Verleumdung.

Der Inkompatibilitäts⸗Ausschuß des Unter⸗ hauses verhandelte gestern uͤber die Inkompatibilitäts⸗ Anzeige des Abg. Varossy gegen die Abgg. Tolnay, Benke, Samuel und Neumann. Nach dreistündiger Be⸗ rathung verkündete der Präsident das Urtheil des Aus⸗ schussee, wonach zufolge des Vertrages, welchen die

Budapester Sparkasse und die Pfandleih⸗Anstalt über die Klassenlotterie abgeschlossen hätten, für die genannten Abgeordneten, welche Direktionsmitglieder dieser Institute seien, der Inkompatibilitätsfall nicht vorliege. Das Urthei wurde mit 4 gegen 3 Stimmen gefällt.

Großbritannien und Irland. 1“

In der gestrigen Sitzung des Unterhauses machte, dem 2 2 7 „W. T. B.“ zufolge, der Parlaments⸗Sekretär des Aus⸗ wärtigen Curzon folgende Mittheilung:

Der britische Admiral vor Kreta habe am 23. März telegraphisch emeldet, daß eine türkische Truppenabtheilung in dem Blockhause bei Malarxa, ungefähr 1 ½ Meilen vom Ankerplatze in Kanea entfernt ohne Lebensmittel sei und daß die Aufständischen die Zufuhr von Nahrungsmitteln und Fourage dahin verwehrt hätten. Drei Türken, welche versucht hätten, dem Hause Proviant zu⸗ zuführen, seien in Gesichtsweite der Schiffe getödtet worden Darauf hätten die Admirale dem Anführer der Aufständischen ein Ultimatum gesandt, welches besagt habe, daß die Ver⸗ proviantierung gestattet werden müsse, sonst werde Gewalt zur Er⸗ reichung dieses Zwecks angewendet werden. Am 25. März habe der Admiral telegraphiert, daß Insurgenten in großer Anzahl ungeachtet der Aufforderung der Admirale die Verproviantierung des Block. hauses verhinderten. Ein türkisches Kriegsschiff habe auf dieselben gefeuert, um sie zu vertreiben, doch würden, wenn der beabsichtizte Zweck nicht erreicht werde, die vor Kanea liegenden Schiffe der Mächte feuern müssen. Diesen Schritt hätten sodann die Admirale ein⸗ stimmig für nothwendig erklärt, um das Blockhaus zu retten; see bätten einstimmig entschieden, daß es nothwendig sei, des Feuer zu eröffnen und die Aufständischen aus der Stellung, welche se entgegen dem schriftlichen Protest der Admirale eingenommen hätten zu vertreiben. Das Feuer, zu dessen Eröffnung der italienische Admiral das Signal gegeben habe, habe sechs Miruten gedauert. Fachdem das Feuer eingestellt worden sei, habe sich ergeben, daß die Aufständischen augenscheinlich das Blockhaus geplündert und in Brand gesteckt hätten. Am 26. März habe der Admiral gemeldet, daß die am Tage vorher erfolgte Räumung des Blockhauses seitens der Türken mittels zweier den Griechen gehöriger und von griecchischen Truppen bedienter Kanonen erzwungen worden sei, welche außer Ge⸗ sichtsweite der Schiffe zur Verwendung gekommen seien. Auch sei die Wasserversorgung des Blockhauses gestört worden. Die Ein⸗ nahme des Blockhauses sei in direkter Mißachtung der zwei Tage vorher den Aufständischen durch den britischen Konsul übersandten Warnung der Admirale geschehen. Sodann hätten die Admirale beschlossen, da die von den Aufständischen eingenommene Stellung das Arsenal und die Straße nach Suda beherrschte, weitere Uebergriffe der Auf⸗ ständischen durch Feuer von den Schiffen zu verhindern. Am 27. März sei eine Depesche des Admirals eingelaufen, die besagt habe, daß in⸗ folge wiederholter Angriffe der Aufständischen, deren Geschütze sich nunmehr auf vorgeschobenen Posten, die Kanea beherrschten, befänden, die Admirale beschlossen hätten, die Aufständischen als Feinde zu behandeln und baldige weitere Truppensendungen von ihren Regierungen zu verlangen, um der Stadt einen wirksameren Schutz gewähren zu können. Einem weiteren Vorschreiten der Aufständischen müsse Einhalt gethan werden. Es herrsche große Beunruhigung in der Stadt Kanea, woselbst die Flüchtlinge bereits durch Hungersnoth und Krankheiten bedroht seien. An demselben Tage habe der Admiral gemeldet, es werde berichtet, daß der Oberst Vassos die Warnung der Admirale erhalten und durch den Befehl zur Einnahme des Block⸗ hauses erwidert habe. Am 28. März sei eine weitere Meldung des Admirals eingelaufen, daß die Insurgenten im Verfolge des gegen das Blockhaus von Malaxa errungenen Erfolgs einen Angriff auf ein stark verschanztes Fort unternähmen, welches die Türken rückwärts von der Suda⸗Spitze besetzt hielten, und daß der allgemeine Zustand auf Kreta der sei, daß Oberst Vassos offenen Krieg gegen die Großmächte erklärt habe. 1

Der Staatssekretär für die Kolonien Chamberlain er⸗ klärte auf eine Anfrage: Da er in der Lage sei, dem neuen Gouverneur der Kap⸗Kolonie Milner seine Ansichten und J⸗ struktionen mündlich mitzutheilen, halte er schriftliche In⸗ struktionen für unnöthig, doch würden keine von ihm mündlich ertheilten Instruktionen mit den Erklärungen unvereinbar sein, die er über die Politik der englischen Regierung in Süd⸗Afrika wiederholt im Unterhause abgegeben habe. Ferner erklärte der Staatssekretär, die Regierung stehe in Schrift⸗ wechsel mit der Regierung der Südafrikanischen Republik über die Angelegenheit der Unterdrückung der Zeitung „ECritic“; die Unterdrückung der Blätter „Star“ und „Critic“ entziehe den Uitlanders ihre beiden Hauptorgane in der Presse des Landes. Charles Wilson richtete die Anfrage an den Präsidenten des Handelsamts, ob derselbe auf die Vorstellungen der deutschen Regierung und der Besitzer von Fischerschiffen hin die Weglassung des Wortes „sailing“ in Zeile 1 und 2 des Art. 26 des Reglements zur Verhinderung von Zu⸗ sammenstößen auf See erwägen werde. Namens des Pra⸗ sidenten des Handelsamts erklärte hierauf Hamilton, daß die erwähnten Vorstellungen Gegenstand sorgfältiger Erwägung seien; es sei nöthig, vor einer definitiven Entscheidung die An⸗ sichten der verschiedenen an der Sache interessierten Seiten zu hören. Blake beantragte sodann eine Resolution, welche erklärt, der Bericht der Kommission über die finanziellen Beziehungen Irlands und Englands stelle fest, daß für Irland eine ungehörige Steuerlast bestehe und die Regierung die Pflicht habe, baldigst Mittel zur Abhilfe vorzuschlagen. John Redmond unter⸗ stützte diesen Antrag. Whittaker bekämpfte denselben durch einen Unterantrag, der erklärt, daß, solange der Staatsschatz Englands und der Irlands vereinigt blieben, beide für Finanz⸗ zwecke ein Land bildeten und daß die Beschwerden nur zu be⸗ seitigen seien durch eine Neuregelung des Systems der Finanzverwaltung, sodaß dasselbe für Alle, wo immer, im Vereinigten Königreich sie wohnten, gerecht und billig werde. Der Kanzler der Schatzkammer Sir M. Hicks⸗Beach bekämpfte hierauf den Antrag Blake’'s, stellte in Abrede, daß eine wirkliche Beschwerde vorhanden sei, und erklärte, die Regie⸗ rung werde nichts thun, was einem separaten irischen Finan⸗ system oder einem separaten irischen politischen System zu⸗ steuere; ein politisches Homerule würde unheilvoll sein, ebenso unheilvoll ein finanzielles Homerule. Die von der Regierung in Aussicht genommene Untersuchungskommission werde den Gegenstand vom unionistischen Standpunkt erwägen; er hoffe, daß auch Richter Englands und Schottlands in dieser Kommission sitzen würden. Anläßlich des Berichts über den a conto⸗Kredit beantragte Stanhope die Herabsetzung 20 Gehalts Lord Salisbury's um 1660 Pfd. Sterl. und K-g- kämpfte die Politik der Regierung bezüglich Kretas. Der Erste Lord des Schatzamts Balfour wiederholte, die Großmächte und England hätten sich für die Autonomm Kretas verpflichtet; dies bedeute, daß Kreta Feger in Lokalangelegenheiten der Pforte nicht untergeordne fei. Eine Fortsetzung der Debatte könne der Regieranes nur hinderlich sein. Nach längerer Debatte, während wel 8 der Parlaments⸗Sekretär Curzon die Aktion rale bei Malaxa energisch gegen die Angriffe Dillon 8 vv theidigte und ebenso die Aktion der Mächte, welche, wie Curzor hervorhob, nicht die Partei der Türkei ergriffen hätten, sot

1 - 2 2 8 dern Kreta von der Türkei befreien wollten, wurde Stanhope

Antrag mit 163 gegen 60 Stimmen abgelehnt.

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Frankreich.

Der Senat stimmte nach kurzer Berathung der Dring⸗ sichkeit fuͤr die Vorlage, betreffend die Zuckersteuer, zu und erledigte sodann den Artikel 1 der Vorlage. Die Weiter⸗ berathung wurde auf heute vertagt.

In der Deputirtenkammer herrschte gestern unter den zahlreich erschienenen Deputirten große Erregung. Die Deputirten Jullien und Clovis Hugues, deren Namen in Verbindung mit der Panama⸗-Angelegenheit in der Presse genannt waren, protestierten energisch gegen diese Verleum⸗ zungen und ersuchten die Kammer, für ihre Person die

rlamentarische Unverletzlichkeit aufzuheben, damit sie vertheidigen und alsdann die Verleumder ge⸗ richtlich belangen könnten. Die Deputirten Salis und Goirand protestierten ebenfalls lebhaft gegen die Anschul⸗ digungen, die gegen sie erhoben würden, und erinnerten daran, daß sie stets Gegner des Panama⸗Kanals gewesen seien. Rouvier wünschte, daß man die parlamentarische Unver⸗ letzlichkeit auch für ihn aufhebe; auch er verwahrte sich entschieden gegen die Bezichtigung seiner Person, indem er be⸗ hauptete, daß er niemals irgendwelche Beziehung zu Arton ge⸗ habt habe. Der Justiz⸗Minister Darlan sagte, Arton habe niemals den Namen des Abg. Salis genannt, jedoch be⸗ hauptet, er habe an Clovis Hugues, Jullien und Rouvier durch Zwischenpersonen Geld zahlen lassen. Der Untersuchungsrichter habe die Beweise nicht für genügend erachtet. Arton habe den Deputirten Goirand beschuldigt, 6000 Fr. ohne Ver⸗ mittelung erhalten zu haben. Der General⸗Staatsanwalt habe jedoch keine Beweise dafür aufgefunden. Der Justiz⸗ Minister fügte hinzu, er habe nicht das Recht, die von dem vorgenannten Abgeordneten verlangte Aufhebung der Un⸗ verletzlichkeit zu verlangen. Der General⸗Staatsanwalt müsse davon unterrichtet werden. Der Minister beantragte, die Sitzung zu unterbrechen, damit er sich mit dem General⸗Staatsanwalt darüber ins Vernehmen setzen könne. Die Kammer trat dem Antrage bei. Auch nach Wiederaufnahme der Sitzung hielt die hochgradige Bewegung an. Der Justiz⸗Minister Darlan erklärte, der General⸗Staatsanwalt glaube, daß kein neuer Verfolgungsantrag gestellt werden könne, da sich keine neuen Thatsachen ergeben hätten. Der sozia⸗ lisische Deputirte Develle beschuldigte den Justiz⸗ Minister, das Geheimniß der Untersuchung verletzt zu haben, indem er habe verlauten lassen, daß er neue Ver⸗ solgungsanträge einbringen könne. Der Justiz⸗Minister Darlan verwahrte sich energisch gegen diesen Vorwurf. Der Deputirte Le Moign erstattete hierauf den Bericht der Kommission, welcher dahin geht, daß der gerichtlichen Ver⸗ folgung gegen Boyer, Maret und Naquet stattzugeben sei; die Genehmigung schaffe in keiner Weise ein Präjudiz und greife der Genauigkeit der Anklage in keiner Weise vor. Die Deputirten Boyer und Maret erklärten hierauf, daß sie für den Verfolgungsantrag stimmen würden, der ihnen ermögliche, ihre Schuldlosigkeit darzuthun. Der Vorsitzende der Kom⸗ mission verlas alsdann eine Depesche des Deputirten Naquet, worin dieser seine Unschuld betheuert. Darauf beschloß die Kammer ohne namentliche Abstimmung fast einstimmig die Genehmigung der Verfolgungsanträge. Der Deputirte Rouanet (Sozialist) schlug vor, eine Untersuchungskommission für die Panama⸗Angelegenheit zu ernennen, und verlangte für seinen Antrag die Dringlichkeit. Nachdem der Minister⸗Präsident Möline sich mit der Dringlichkeit einverstanden erklärt hatte, wurde dieselbe angenommen. Alsdann führte der Minister⸗ Präsident Méline aus, daß die parlamentarische Untersuchung erst beginnen könne, nachdem die gegenwärtige richterliche Untersuchung abgeschlossen sein werde. Andernfalls würde die Kommission auf richterliche Befugnisse übergreifen. Des weiteren legte der Minister⸗Präsident die in einer Verlängerung der Aufregung liegende Gefahr dar und forderte die Kammer auf, ihre gewöhnlichen Arbeiten wieder aufzunehmen. Der Deputirte Rouanet bestand auf seinem Antrage. Der Deputirte Lavertujon brachte nunmehr folgende Tagesordnung ein: „Indem die Kammer die Er⸗ klärungen der Regierung billigt und von dem Versprechen, die Aktenstücke mitzutheilen, Akt nimmt, beschließt sie, die Er⸗ nennung einer Untersuchungskommission zu vertagen.“ Der Minister⸗Präsident Méline erklärte, diese Tagesordnung an⸗ zunehmen. Hierauf wurde der erste Theil derselben, welcher die Billigung der Erklärungen der Regierung ausspricht, mit 329 gegen 243 Stimmen und der zweite Theil mit 270 gegen 268 Stimmen angenommen. Sodann ging das Haus zur Berathung des Budgets über. 8 Der Deputirte Boyer ist heute früh verhaftet worden. n seiner Wohnung wurden zahlreiche Schriftstücke in Be schlag genommen.

Italien.

VVon den am Sonntag vorgenommenen 62 Stichwahlen steht nur noch ein Ergebniß aus. nisterielle, 13 Mitglieder der 12 Radikale und 1 Sozialist.

Spanien. Aus Madrid erfährt „W. T. B.“, führung neuer gleichgewichts erwäge. Gestern Abend fand, wie „W. T. B.“ aus Konstanti⸗

nopel berichtet, im Yildiz⸗Kiosk zu Ehren der außer⸗ ordentlichen persischen Gesandtschaft ein Diner statt, an Agent

welchem auch der bulgarische diplomatische theilnahm. Derselbe wurde nach dem Mahle vom Sultan in Audienz empfangen. Nach einer Meldung des Wiener „Telegraphen⸗Korrespon⸗ denz⸗Bureaus“ ist es in Skutari (Albanien) zu einem usammenstoß zwischen Mohame danern und Christen gekommen, wobei Schüsse gewechselt wurden. Zwei Katholiken wurden getödtet und zwei verwundet. Das Konsularkorps intervenierte bei dem Vali, um das Eindringen der Moha⸗ medaner in die Konsulatsgebäude zu verhindern. Infolge dessen werden die Konsulate von Truppen bewacht. Dem Vali gelang es, die Mohamedaner zu beruhigen, und es besteht Hoffnung, daß weiteres Blutvergießen werde verhindert werden. Die etzlleien und die Plünderung in Tokat dauerten nach neuesten Berichten 36 Stunden, die Fahl der armenischen Opfer beträgt über 400. Die türkischen Truppen machten zum theil die Ausschreitungen mit. Die Pforte hat den Botschaftern

mitgetheilt, daß der Truppenkommandant im Disziplinarwege“

Gewählt wurden 35 Mi⸗ konstitutionellen Opposition,

Au daß die Regierung, mit Rücksicht auf die außerordentlichen Kriegskosten, die Ein⸗ Steuern zur Herstellung des Budget⸗

1“

durch den Kriegs⸗Minister abgesetzt worden sei, daß ferner die Untersuchungskommission Todesurtheile ohne Zulassung einer Appellation aussprechen und vollstrecken könne, sodaß nur die erfolgte Exekution nach Konstantinopel bekannt ge eben werde. Die Botschafter haben ihrerseits eine Fon isston nach Tokat entsandt, welche aus dem russischen Vize⸗Konsul in Samsun und dem britischen Konsul in Siwas besteht. Die Ausschreitungen in den Ortschaften des Bezirks Erbal waren ebenfalls von Bedeutung und dauerten einige Tage.

Der „Times“ wird aus Saloniki vom 29. d. M. berichtet, die Lage daselbst werde täglich kritischer; es seien nunmehr 50 000 Mann um Elassona versammelt und 300 Krupp'sche Geschütze zwischen Elassona und Arta vertheilt. Man fürchte, die griechischen Irregulären würden Raubzüge über die Grenze unternehmen.

Aus Kanea meldet „W. T. B.“, daß die Admirale zur Sicherung der Ruhe in den von den internationalen Truppen besetzten Städten gestern früh von ihren Regierungen telegraphisch die sofortige Sendung je eines weiteren Bataillons von 600 Mann verlangt hätten. Die Admirale hätten ferner beschlossen, eine Position auf Akrotiri zu be⸗ setzen. Gestern früh ist die unter dem Befehl des französischen Hauptmanns Perignon stehende Truppen⸗ abtheilung, nämlich 75 Franzosen, 60 Italiener mit 3 Geschuͤtzen und 20 Engländer mit einem Geschütz, von Kanea nach dem Fort Subaschi abgegangen. Die Abthei⸗ lung traf um 11 Uhr dort ein und besetzte das Fort. Um 11 ½ Uhr wehten die franzöfische, die italienische, die englische und die türkische Flagge über dem Fort. Die Geschütze waren auf dem Marsche von den Mannschaften durch die Schluchten gezogen worden. Gestern Vormittag wurden 675 Oester⸗ reicher vom 89. steierischen Regiment in der Suda⸗Bay gelandet. 400 Mann davon werden heute das an der Bay gelegene Fort Izzeddin besetzen.

Die „Agence Havas“ berichtet aus Athen, nach einer Depesche aus Rethymon häütten sich britische und russische Offiziere mit einer starken Bedeckung in der Richtung nach dem Insurgentenlager hin begeben, um den Aufständischen die Proklamation der Autonomie zu verkünden. Die Aufständi⸗ schen hätten Parlamentäre gesandt, aber die Baschibozuks auf dieselben geschossen. Es sei ein lebhaftes Gewehr⸗ euer zwischen den Türken und den Aufständischen entstanden, sodaß die Offiziere hätten umkehren müssen.

Griechenland.

Der Kronprinz und der Prinz Nikolaus sind gestern um 1 Uhr Nachmittag in Larissa eingetroffen und begeistert

1“

Amerika.

Aus New⸗York wird gemeldet, daß der Dr. Luis, welcher überführt sei, eine Freibeuter⸗Expedition für Cuba ausgerüstet zu haben, zu 18 Monaten Gefängniß und 500 Dollars Geldstrafe verurtheilt worden sei.

Einer in Madrid eingetroffenen Depesche aus Havanna zufolge sind die Aufständischen in der Provinz Pinar del Rio von den spanischen Truppen geschlagen worden. Rivera, der Nachfolger Maceo's als Führer der Aufständischen, wurde verwundet und gefangen genommen.

8 Afrika.

Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Kairo, es seien bisher in Egypten 23 000 Pfund Sterling für den türkischen Kriegsfonds gezeichnet worden. Die Agenten des Comités in Kairo sammelten im Namen des Sultans weiter Geld in 44*“

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tages und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

In der heutigen (201.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher beiwohnte, stand zunächst die Besprechung der Interpellation der polnischen Abgeordneten wegen der Auflösung von Wahlversammlungen auf der Tagesordnung.

An der Debatte betheiligten sich bis zum Schlusse des Blattes der Abg. Roeren (Zentr.), der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und der Abg. Freiherr von Hodenberg (b. k. F.)

Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen (60.) Sitzung, welcher der Finanz⸗Minister Dr. von Miquel und der Justiz⸗Minister Schönstedt beiwohnten, die zweite Berathung des Staatshaushalts⸗Etats für 1897,98, und zwar die gestern abgebrochene General⸗Diskussion über die Beamtenbesoldungs⸗Vorlage und die dazu beantragten Resolutionen fort.

Die Abgg. beantragen ferner, der Resolution IV folgende geben:

die Regierung zu ersuchen, in der nächsten Session in Ergänzung der Besoldungsaufbesserung für die mittleren und höheren Beamten eine Vorlage über die Aufbesserung der Besoldung der unteren Beamten zu machen.

Abg. Im Walle (Zentr.) spricht zunächst dem Berichterstatter Abg. von Dallwitz Dank und Anerkennung für den vorzüglichen Bericht über die umfangreichen Kommissionsverhandlungen aus und schließt sich dann im Großen und Ganzen den Ausführungen des Finanz⸗Ministers an. Dagegen könne er dem Finanz⸗Minister nicht darin beistimmen, daß ein Abgeordneter nicht eine Gehaltsverbesserung für diese oder jene Beamtenkategorie vorschlagen solle. Verschiedene Wünsche, die das Zentrum gehabt habe, seien durch die Kommissions⸗ beschlüsse nicht erfüllt worden; es wolle z. B. die höheren Beamten nur bis zum Gehaltssatze von 8000 aufbessern, die richterlichen Beamten mit den Verwaltungsbeamten gleichstellen und gewisse schon hochbesol⸗ dete Subalternbeamten nicht weiter im Gehalt erhöhen. Der Werth eines Amtes sei allerdings nicht nach dem Gehalt zu bemessen; aber die Abgeordneten hätten keinen Einfluß auf den Rang einer Beamtenklasse und müßten einen Einfluß daher auf die Festsetzung des Gehalts ausüben. Mit den Vorschlägen der Kommission über die Richtergehälter sei seine Partei nicht einverstanden. Möge die Vor⸗ lage in solcher Weise verabschiedet werden, daß sie dem Wohle des Staats und der Beamten diene.

von der Acht (Zentr.) und Genossen Fassung zu

verordneten ist es gestern Abend gelungen, den

Abg. Dasbach (Zentr.): Die Vorlage kann nicht die Zu⸗ friedenheit der Beamten herbeiführen, im Gegentheil scheinen die Unterbeamten nicht zufrieden zu sein, wenn sie nicht berücksichtigt werden, während die Gehälter der höheren und höchsten Beamten um Tausende erhöht werden. Die Erhöhung der Gehälter der Unterbeamten im Jahre 1890 war keineswegs ausgiebig genug und kann uns nicht abhalten, auf eine weitere Erhöhung zu dringen. Manche Kategorien der Unterbeamten sind dadurch geschädigt worden; die Weichensteller z. B. erhalten jetzt in 17 Jahren zusammengenommen 350 weniger, als sie vorher erhielten. Wenn die Finanzlage so schlecht ist, daß der Finanz⸗Minister die Erhöhung des Gehalts der Unter⸗ beamten ablehnen muß, so können wir die Aufbesserung des Gehalts der höheren Beamten nicht gutheißen. Wenn die Beamtenaufbesserungen 20 Millionen kosten, die Konvertierung uns aber 18 Millionen Er⸗ sparniß ergiebt, so kostet uns die neue Besoldung nur 2 Millonen, und deshalb können wir sehr wohl auch die Unterbeamten bedenken. Auf die Befürchtung des Finanz⸗Ministers, daß die Finanzen wieder schlecht werden können, brauchen wir nichts zu geben. Wir haben im Gegentheil noch eine weitere Steigerung der Eisenbahn⸗Einnahmen zu erwarten.

Finanz⸗Minister Dr. von Miquel: Die Aufbesserung der höheren Beamten von der ersten bis dritten Klasse erfordert nur 424 000 Wieviel dagegen die Aufbesserung der unteren Beamten kosten würde, brauche ich garnicht auseinanderzusetzen. Deshalb, weil die Betriebsverwaltungen gut rentieren, können wir nicht die Gehälter erhöhen. Das würde nur dazu führen, nicht mehr etats⸗ mäßige Beamte anzustellen, deren Gehälter beim Rückgang des Betriebes wieder gekürzt werden könnten. Das ist ein Gesichtspunkt, der nicht einmal für die Privatindustrie zu empfehlen ist. Wenn wir nicht 1890 allein an die unteren Beamten gedacht hätten, wäre damals überhaupt nichts zu stande gekommen. Die vorhandenen Härten und Ungleichheiten in den Besoldungen der unteren Beamten sollen bald beseitigt werden. Die Herren können dech mit meinen Erklärungen, die ich in Uebereinstimmung mit dem Staats⸗Ministerium abgegeben habe, sich zufrieden geben.

Abg. Reichardt (nl.): Als ein Kompromiß, wie der Finanz Minister gestern sagte, sind die Kommissionsbeschlüsse durchaus nich aufzufassen. Sehr wenige der Wünsche meiner Partei sind in der Kommission erfüllt worden. Wenn nicht der Abg. Ehlers die frei 8 sinnige Volkspartei mitvertreten hätte, sondern ein Vertreter dieser Partei Kommissionsmitglied gewesen wäre, wäre viele Abstimmungen wohl anders ausgefallen. Aber im Interesse des Zustandekommens dieses Gesetzes, welches die Gehaltsverhältnisse von 73 000 Beamten regelt, wollen wir unsere Wünsche zurücktreten lassen und namentlich nicht die Anträge wiederholen, welche eine poli⸗ tische Bedeutung haben. Dagegen beantragen wir für manche Kategorien noch eine weitere Erhöhung, denn auf ein paar Millionen kann es dabei doch nicht ankommen. Wenn das Gesetz dem Staat zum Wohle gereichen soll, dann müssen die berechtigten Wünsche der Beamten erfüllt werden, damit nicht wieder die Unzufriedenheit in zahlreichen Petitionen zum Ausdruck gelange. Wenn wir hier auch ein paar Millionen mehr beschließen, so wird darum die Regierung das Gesetz nicht zu Falle kommen lassen. Ich habe wenigstens ein besseres Zutrauen zur Regierung.

Abg. von Riepenhausen (kons.) hebt hervor, daß die Universitäts⸗Professoren mit der Regelung ihrer Gehälter nicht ein⸗ verstanden seien. Die durchschnittliche Hoͤhe der Gehälter bilde keine Grundlage der Professorenbesoldung. Die Vorlesungshonorare sollten von einer gewissen Höhe ab in einen besonderen Fonds fließen, aus dem Professoren mit geringeren Honoraren Zuschüsse bekommen sollten. Das sei eine schematische Ordnung der Dinge; unter den Professoren herrsche freie Konkurrenz; wo höhere Leistungen, da seien auch die Honorare höher. Wenn die Honorare der Professoren im letzten Jahr⸗ zehnt über Gebühr gestiegen sein sollten, warum habe denn der Kultus⸗ Minister nicht von seiner Befugniß, die Honorare zu ermäßigen, Ge⸗ brauch gemacht? Ueber die Neuregelung der Professorengehälter hätte man zum mindesten zunächst die Professoren selbst befragen sollen.

Abg. Dr. Dittrich (Zentr.) führt aus, daß nicht nur infolge höberer Leistungen die Honorare mancher Professoren ungemessen hoch seien, sondern daß auch andere Umstände die Verschiedenheiten herbeiführten, und will noch weiter auf diese Frage eingehen, wird aber vom Präsidenten von Köller ersucht, bei der Generaldiskussion nicht auf diese einzelne Frage einzugehen.

(Schluß des Blattes.)

Dem Herrenhause sind die von dem Hause der Abgeord⸗ neten genehmigten Gesetzentwürfe, betreffend die Abänderung der §§ 8 und 12 des Gesetzes über die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der unmittelbaren Staatsbeamten vom 20. Mai 1882 und betreffend die Regelung der Richter⸗ gehälter, zugegangen.

Nr. 13 des „Centralblatts der Bauverwaltung“, heraus⸗ gegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 27. März, hat folgenden Inhalt: Amtliches: Dienstnachrichten. Nichtamtliches: Das National⸗Denkmal Kaiser Wilhelm's I. in Berlin. Kultur⸗ geschichtlicher Rückblick auf das Jahrhundert 1797 bis 1897 (Schluß). Der Wettbewerb für eine feste Straßenbrücke über die Süderelbe bei Harburg (Fortsetzung). Zur Frage der Richtung des Erddrucks auf Stützmauern. Vermischtes: Wahl des Stadt⸗Bauraths von Berlin. Wettbewerb um Entwürfe für drei Brücken und drei Stege über die Dreisam in Freiburg im Breisgau. Preisausschreiben für das Leipziger Rathhaus. Wettbewerb um Pläne für den Neubau eines Landeshauses der Provinz Westfalen. Wettbewerb um Entwürfe zu einem Meisterbrief der Berliner Steinmetz⸗Innung. Um⸗ und Erweiterungsbau des Münchener Rathhauses. Geburtstagsfeier Kaiser Wilhelm's I. in der Technischen Hochschule in Char⸗ lottenburg. Verkehr in den Rheinhäfen Ruhrort, Duisburg und Hochfeld im Jahre 1896. Geheimer Baurath ofessor Dr. Heinrich Wagner in Darmftadt †. Bücherschau.

Arbeiterbewegung.

Aus Hamburg berichtet „W. T. B.“ zur Entwickelung der Arbeiterverhältnisse nach dem großen Hafenarbeiter⸗Ausstand: In einer am Sonntag unter Ausschluß der Oeffentlichkeit abge⸗ haltenen Versammlung von Mitgliedern sämmtlicher Sektionen des Verbandes der Hafenarbeiter wurde nach langer Debatte, die sich ent⸗ schieden gegen das Eintreten in einen geuen Ausstand anläßlich der Diffe⸗ renzen zwischen den Kohlenarbeitern und den Importeuren richtete, eine Resolution angenommen, welche im wesentlichen besagt, daß die Ver⸗ sammlung den Kohlen⸗Schauerleuten anräth, sich auf gütlichem Wege mit den Importeuren zu einigen, da von einem allgemeinen Ausstand entschieden abzurathen sei. Einer Meldung der „Voss. Ztg.“ zu⸗ folge unterzeichnete eine große Anzahl „schwarzer“ Schauerleute den verlangten Revers. Die Bewegung scheine damit beendet zu sein. 1

Aus Berlin berichtet die „Voss. Ztg.“: Einen großen Rückgang weist die (sozialdemokratische) Organisation der Berliner Hut⸗ macher auf. Nach dem Bericht des Vorstandes sind 790 Mitglieder während des dritten Vierteljahres 1896 aus dem „Unterstützungs⸗ verein“ ausgeschieden, während sich nur 119 Personen neu aufnehmen ließen. Die Berliner Hutarbeiter waren im vorigen Jahre in einen allgemeinen Ausstand getreten und haben diesen verloren.

Aus Kopenhagen meldet „W. T. B.“: Durch Vermittelung des Ersten Bürgermeisters von Kopenhagen und zweier Stadt⸗ Streit zwischen den

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