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Session nichts wird. Wenn das Zentrum seinen Antrag einbringen wird, wird sich die zukünftige Entwickelung im Sinne des Antrages von Ploetz bewegen. 3
bg. Werner (Reformp.) erllärt sich als Unterzeichner des Antrags von Ploetz für diesen Antrag, der allerdings keinen ganz vollständigen Gesetzentwurf bringe; aber die Einkommensteuer würde nicht als Grund⸗ lage für die .g der Lasten angenommen werden können, weil die Einkommensteuern in den Einzelstaaten sehr verschieden seien. Es müßte erst eine stark progressive Einkommensteuer allgemein eingeführt
werden. Abg. Aichbichler (Zentr.) spricht sich im Sinne des Herrn von ling und gegen den Antrag von Ploetz aus. Besonders empfind⸗ lich berührt sei die Landwirthschaft durch die gegenwärtige Lastenver⸗ theilung. Hier müsse eine Aenderung vorgenommen werden. 8 Abg. Dr. von Levetzow (d. kons.): Lange Reden über einen Gegenstand, der doch nicht zur Erledigung kommt, sind in diesem Augenblick vom Uebel. So sehr schwer belastend ist die Invaliden⸗ versicherung nicht. Für das Jahr macht der Beitrag für einen Knecht in der ersten Lohnklasse 3,50 ℳ, in der zweiten Klasse 5 ℳ aus. Wenn der Knecht statt 150 ℳ 160 ℳ Lohn verlangt, so giebt der Bauer den Mehrbetrag ohne Murren. Lüstig bloß das Kleben, aber wir haben noch nichts gefunden, um darüber hinwegzukommen. Ich will nur über zwei Punkte sprechen. Der eine ist die Aufsicht. In Preußen ist die Invalidenversicherung rein Provinzialsache geworden. Sie wird von den Provinzen in ganz angemessener Weise ver⸗ waltet, ohne daß Klagen seitens der .“ oder der Staats⸗ behörden vorgekommen sind. Nun kommt aber mit einem Male eine Fül⸗ von Aufsichtsinstanzen hinzu. Die Organe des Staats, das eichs⸗Versicherungsamt, die Landes⸗Zentralbehörden und schließlich der Staatskommissar greifen ein. Wenn man da nicht Lust und Liebe zur Sache verlieren soll dann muß man ein Mann sein, der sich alles gefallen läßt. Wäre ich Landes⸗Direktor und es käme ein solches . ich würde sofort mein Amt niederlegen. Die Ueberwachung des Reichs⸗Versicherungsamts und in gewisser Beschränkung des Staatskommissars würde ich mir gefallen lassen, ob⸗ wohl ich praktisch niemals gemerkt habe, daß der letztere bezüglich der Belastung des Reichs etwas gehindert hat. Was er dem Reich er⸗ spart hat, ist lange nicht so bedeutend, wie sein Gehalt. Es hat nur eine große Masse von Schreibereien und Kosten verursacht und nun soll er gar sich um alles küämmern. Dagegen möchte ich lebhaft pro⸗ testieren. Die Uebertragung eines Theils der Last auf die Gesammtheit der Versicherungsanstalten ist zu meinem Bedauern nothwendig, weil onst einige Versicherungsanstalten zusammenbrechen. Die Nothlage einiger ieser Anstalten beruht auf einer mangelhaften Verwaltung; man bat die Renten bewilligt an Leute, denen sie nicht zustand, und man hat nicht überall darauf geachtet, daß allenthalben geklebt wird. Es hat mir erst kürzlich jemand aus der Provinz gesagt: Bei mir wird überhaupt nicht geklebt. Mit der Uebertragung der Hälfte der Lasten auf die Gesammtheit bin ich einverstanden. Aber wenn die Einzel⸗ staaten noch weiter gehen können, dann kommt man in Preußen, wie die erste Vorlage zeigt, mindestens auf drei Viertel. Dann ist die Selbstverwaltung ruiniert, denn es fällt jedes finanzielle Interesse weg. Der Vorschlag des Herrn von Hertling ist so radikal, daß er undurch⸗ führbar ist, wenigstens jetzt; beim Erlaß des Gesetzes wäre er durchführbar gewesen. Der Antrag von Ploetz geht nicht von der konservativen Partei aus; ich habe ihn nicht unterschrieben, weil ich ihn für nicht vereinbar mit dem Gesetz halte. Es besteht weni Kenntniß im Publikum von dem Inhalt des Gesetzes; man wei nur, daß man kleben und kleben lassen muß. Da sollte man nicht, wie der Antrag Rösicke will, erst noch eine vorläufige Aenderung her⸗ beiführen. Ich beantrage, die Vorlage der Kommission zu überweisen, die sich mit der Unfallversicherung beschäftigt. Aus dieser Kommission sollte ein nur wenige Paragraphen umfassendes Gesetz herauskommen. welches die ö eines Theils der Rentenlast auf die Gesammt⸗ heit der Anstalten regelt.
Um 5 ³¾ Uhr wird die weitere Berathung bis Freitag 2 Uhr vertagt. “
88 8
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
71. Sitzung vom 29. April 1897.
Das Haus setzt die zweite Berathung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten bei dem Titel „Gehalt des Ministers“ fort.
Nach der bereits gestern im Auszug wiedergegebenen Rede 8* Abg. Grafen zu Limburg⸗Stirum (kons.) erhält das
ort
Abg. Dasbach (Zentr.): Wir werden kein Jahr vorübergehen lassen, ohne immer wieder unsere Klagen vorzubringen, sei es in ge⸗ mäßigter Form, sei es in anderer Form. Die Kontrole über die Verwendung des Dispositionsfonds in den letzten drei Jahren müßte uns in einer besonderen Nachweisung ermöglicht werden. Die Re⸗ gierung läßt uns mit solchen Nachweisungen 58* lange warten. Die Bevorzugung von Protestanten bei der Besetzung der höheren Ver⸗ waltungsstellen ist nicht wegzuleugnen.“«w Im Regierungsbezirk Trier weiß man davon zu erzählen. Ein kommissarischer Land⸗
rath hat diese seine Stellung ausgenützt, um seine definitive Wahl
zu fördern. Der katholische Kandidat zog natürlich den Kürzeren. Das Prinzip Friedrich's II., daß kein Katholik eine Stelle erhalte, die mehr als 300 Thaler einbringe, ist lange Zeit aufrecht erhalten worden. Wenn der Reichskanzler Katholik ist, so beweist das, daß Seine Majestät die Meinung der Nationalliberalen nicht theilt, daß die Katholiken staatsgefährlich sind. Herr von Eynern meäinte, Herr Roeren hätte keine Berechtigung gehabt, den Ausspruch des evangelischen Lehrers auf dem Hamburger Lehrertag über die Abstammung des Menschen vom Thier hier anzuführen. Diese Aeußerung steht nicht vereinzelt da. Seine Behauptung, daß ein Katholik gesagt hat: wir verlangen nach anderen Grund⸗ sätzen behandelt zu werden als die Protestanten, steht beweislos da. Ich halte es unter meiner wissenschaftlichen Würde, mich auf das Material des Abg. von Eynern einzulassen. Er hat geschwiegen, als ich ihn aufforderte, uns nachzuweisen, daß die katholische Kirche nach fremdem Gut trachte, und als ich ihn abermals auf⸗ forderte, hat er sein Schweigen verdoppelt. Unbewiesen ist g2.- daß wir bei der letzten Reichstagswahl in Dortmund für den Sozial⸗ demokraten gestimmt haben. Liberale Blätter haben offenkundig zur Wahl von Scozialdemokraten aufgefordert, Zentrumsblätter haben Stimmenenthaltung empfohlen. Eine Anzahl von Zentrumsmännern hat sogar die Wahl des Nationalliberalen befürwortet. Wir werden für makellose Nationalliberale, die keine Kulturkämpfer sind, auch ferner eventuell gern stimmen. Pfäns von Eynern hat sich über die Prozessionen beklagt. Außer München⸗Gladbach und Stirum hat er uns keine Thatsachen genannt. Die betreffenden Verfehlungen haben doch ihre Sühne gefunden. Redner beschwert sich sodann über die Ein⸗ zwängung katholischer Kinder in Schulen bei Eisleben und in Merseburg, und bemerkt: In Riedberg waren die Katholiken in dieser Beziehung toleranter als die Evangelischen. Der Minister meinte, daß die Orden einer besonders scharfen Aufsicht unterworfen werden müssen, weil sie eng aueinander angeschlossen sind und ohne Bruch des Gelübdes den Orden nicht verlassen können. Das ist ein Irrthum. Der Ordens⸗ angehörige kann bei triftigen Gründen von seinem Oberen von der Ein⸗ haltung des Gelübdes dispensiert werden. Die Dispense ertheilt der Papst, in vielen Fällen auch der Bischof. Die Dispense sind auch in zweifel⸗ haften Fällen zulässig. Die Regierung kann also ruhig noch in dieser Session die Aufhebung des Ordensgesetzes in Vorschlag bringen. Die Polenpolitik der Regierung verwirft sogar Hans Delbrück in den „Preußischen Jahrbüchern“; er meint, daß die Regierungskunst der Re⸗ ertig gebracht habe, aus zwei drei Millionen Polen zu
machen. Thatsachen über hochverraͤtherische Pläne der Polen t der Minister ni führt. Der unkontrolierbare Aus⸗
spruch eines Mannes im Auslande ist nicht maßgebend. — Daß an katholischen Schulen evangelische Lehrer angestellt werden, sucht Redner in einer Reihe von Fällen aus dem Regierungsbezirk Posen nachmweisen. Auch in anderen Gegenden, führt er weiter aus, haben sich die katholischen Eltern vergeblich um Errichtung katholischer Schulen bemüht. In einzelnen Fällen hat man sich mit katholischen Sozietätsschulen beholfen. In Giebichen⸗ stein haben Kreistag und Provinzialrath die Errichtung einer katho⸗ lischen Schule abgelehnt, obwohl 92 Kinder in der Zivilgemeinde vorhanden waren. Der Minister hat auf eine Beschwerde erklärt, er habe keine Mittel, um alle solche Schulen auf die Staatskasse zu übernehmen. Das war auch garnicht nöthig, weil die Gemeinde Giebichenstein nicht arm ist, sie brauchte bei 2400 ℳ Zuschuß für die katholische Schule ihren Zuschlag zur Einkommensteuer nur um 2 ½ % zu erhöhen. Ich bitte den Minister, in Zukunft den Berichten seiner nachgeordneten Organe ein größeres Mißtrauen entgegenzubringen und solche Imparitätsfälle eingehend zu prüfen. Sie würden nicht vorkommen, wenn wir eine katholische Abtheilung im Ministerium hätten. Für 15 katholische Kinder hat man meines Wissens nicht 15 000 ℳ bewilligt, wie es bei einer evangelischen Schule geschehen ist.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten D. Dr. Bosse:
Meine Herren! In dem Umfange, wie der Herr Abg. Dasbach seine Beschwerden vorgetragen hat, werde ich nicht erwidern. Ich will mich ganz kurz fassen, will es aber doch dem Ermessen des hohen Hauses anheimstellen, ob die Debatte über den preußischen Kultus⸗ Etat durch ein derartiges Vorbringen kleiner Einzelheiten auf die Höhe gehoben wird, die sie wohl zu beanspruchen hat. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Ich will mich deshalb nur auf ganz wenige allgemeine Erwiderungen beschränken. Mögen die einzelnen Dinge, die der Herr Abg. Dasbach hier vorgetragen hat, an uns herangebracht werden, dann werden sie erledigt werden mit derselben Gerechtigkeit, wie jede Beschwerde auch von Evangelischen; darauf können Sie sich verlassen; das greife ich nicht aus der Luft.
Der Herr Abg. Dasbach hat sich unter anderem beschwert, es würden die Beihilfen für katholische Schulbauten von einem Kon⸗ sistorialk⸗Rath bearbeitet, der Hilfsarbeiter im Ministerium ist. Richtig! Zu Ihrem Nachtheile, Herr Abg. Dasbach, hat diese Be⸗ arbeitung durch einen Konsistorial⸗Rath nicht geführt! Es sind aus dem Ordinarium des Jahres 1896/97 aus dem Kap. 121, Tit. 38 bewilligt für evangelische Elementar⸗Schulbauten 637 800 ℳ, für katholische 417 290. Das entspricht ungefähr dem Ver⸗ hältniß der evangelischen zur katholischen Bevölkerung. Aber im Extraordinarium des Jahres 1896/97 sind bewilligt für evangelische Schulen Baubeihilfen von 406 390 ℳ, für katholische von 528 340 ℳ (Hört! hört!) Nun, meine Herren, das ist das Uebelwollen, über das sich hier der Herr Abg. Dasbach beschwert. Ich mache noch darauf aufmerksam, daß auch eine Zusammenstellung dieser einzelnen Beihilfen gar keinen Zweck hat; denn es kommt nicht darauf an, ob die Schulen katholische oder evangelische sind, sondern es kommt auf die Bedürftigkeit der Leute an, die die Schulen zu unterhalten haben. Das ist der einzige Gesichtspunkt, nach dem wir gehen können und nach dem wir entscheiden; da kommen wir zu einem gerechten Resultat. Wollten wir die Dinge so behandeln, wie der Herr Abg. Dasbach es in Aussicht genommen hat, wohin würden wir dann kommen? Dann würden Sie Beschwerden aus evangelischen Kreisen
bekommen, die über alles Maß hinausgehen.
Ich will auch noch bemerken, um den Herrn Abg. Dasbach zu beruhigen, daß die evangelischen Schulen in den Jahren von 1891 bis 1896 im Staat um 3,2 % zugenommen haben, die katholischen um 5,7 %. Wollte man hier alles bloß auf Parität und auf die Konfessionellität stellen, so wäre dies ja ein Grund für die Evangelischen, sich mit Recht zu beklagen. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.) So liegt aber die Sache natürlich nicht, sondern es kommt in der That auf das Bedürfniß an, und wo ein wirkliches Bedürfniß vorhanden ist, da helfen wir aus.
Die Zahlen, die Herr Dasbach vorgebracht hat, beanstande ich nicht; aber er hat neben den Zahlen eine Menge Thatsachen wie Kraut und Rüben durcheinander geworfen (Unruhe im Zentrum) und dadurch das Bild vollständig verschoben, um das es sich handelt. Ich will deshalb auf die Einzelheiten nicht eingehen, ich will nur einen Fall beispielsweise anführen, den Fall in Giebichenstein. Da sind die Gründe, die wir vom Ministerium angeführt haben und die Sie so sehr beanständen, Gründe, die der Provinzialrath in den Vorder⸗ grund gestellt hat. Gegen die Selbstverwaltungsbehörden können wir nichts machen — die beruhen auf Gesetz.
In Holzweissig ist es ähnlich. Darüber hat der Abg. Dasbach doch nicht die richtige thatsächliche Information. In Bezug auf Holzweissig hat uns die Regierung berichtet: wir wollen die Sache nicht urgieren, weil in der Industrie Veränderungen bevorstehen, auf Grund deren angenommen werden muß, daß der größte Theil der katholischen Arbeiter, um deren Kinder es sich handelt, wegzieht. Das ist doch ganz vernünftig, das ist doch nicht eine Benachtheiligung der katholischen Kinder. Wir haben die Regierung zu einem neuen Be⸗ richt aufgefordert, und wir müssen abwarten, bis wir den neuen Bericht bekommen.
Meine Herren, gegen eines will ich mich nur noch verwahren. Der Herr Abg. Dasbach mag sehr gute Informationen haben; aber gegen die Art und Weise, wie er die Berichte der mir unterstellten Behörden hier angezweifelt hat, verwahre ich mich auf das aller⸗ bestimmteste. (Sehr gut!) Ich bin mit den Berichten meiner Be⸗ hörden zufrieden; ich habe allen Grund anzunehmen, daß diese Be⸗ hörden kraft ihres Gewissens ihre Pflicht und Schuldigkeit thun, und daß sie sie ebenso gut thun, als sie der Herr Abg. Dasbach zu thun glaubt, wenn er sich Privatmaterial beschafft. Ich muß mich aber halten an das offizielle Material, was mir vorgelegt wird, und dieses offizielle Material zu beanstanden, habe ich nicht den geringsten Grund. (Bravo!)
Abg. Dr. Beumer (nl.) protestiert gegen die Verballhornung des Riemenschneider'schen monopolisierten Lesebuchs für die evan⸗ gelischen Schulen im Regierungsbezirk Arnsberg, in dem Gedichte von Rittershaus und andere schöne Gedichte aus Sittlichkeitsgründen zurechtgestutzt sind. Der Minister möge zu uns nach Westfalen kommen und sich davon überzeugen, wie wenig man von diesen Ver⸗ stümmelungen westfälischer Gedichte erbaut ist. Die Frauen und Mädchen alle dagegen protestiert. Hoffentlich werden 1* Gedichte bei der nächsten Auflage in integrum restituiert. Die Ab⸗ fassung von Volksschul⸗Lesebüchern sollte Regierungs⸗Schulräthen über⸗ haupt nicht anvertraut werden, darauf hat schon in den 70 er Jahren ein Ministerialerlaß hingewiesen. Die Arnsberger Regierung hat aber diese Arbeit ihres Mitgliedes als eine ernste Arbeit empfohlen. Die Konkurrenz anderer guter Lesebücher ist ganz -v (Redner führt einzelne Proben aus dem Riemenschneider'schen Lesebuch an.) Der Verlag eines Konkurrenz⸗Lesebuchs hat si b die
Riemenschneider'schen Lesebücher durch die seinigen kostenlos umm⸗ tauschen. Der Minister hat dies aber abgelehnt. Soll nun Monopolisierung jenes Lesebuchs für Arnsberg und eventuell auch Düsseldorf aufrecht erhalten werden?
Geheimer Regierungs⸗Rath Vater: Bei dem öfteren el der Schulen empfiehlt es sich, in dvewe- Bezirken dasfelbe Lese⸗ buch einzuführen. Lediglich dieser pädagogische Grund war für uns bestimmend. In Arnsberg waren acht verschiedene Lesebücher vor⸗ handen, die nicht genügten und von denen keines als einheitli Lesebuch eingeführt werden konnte. Darum entschloß sich die Arnz⸗ berger Regierung dazu, selbst die Sache in die Hand zu nehmen. Der Verfasser hat aus dem Verkauf dieses Lesebuchs absolut keinen mate⸗ riellen Gewinn. Mein Chef hat sich selbst davon überzeugt, daß das Buch gut ist. Die Verstümmelung des „Westfalenliedes“ in philiströsem Sinne bedauern wir. Die besonderen Bedürfnisse ein⸗ zelner Distrikte sollen bei den einheitlichen Lesebüchern berü werden. Ueber den Arnsberger Bezirk hinaus soll das Riemen⸗ schneider'sche Lesebuch nicht eingeführt werden.
Abg. Motty (Pole) wendet sich gegen die Ausführungen des Grafen Limburg⸗Stirum und meint, daß die Polen nicht gegen ihrtn Willen zu Deutschen umgestempelt werden könnten. Die Polen ver⸗ langten nur, daß die von Hause aus polnischen Kinder in ihrer Mutter⸗ sprache unterrichtet würden. Revolutionäre Bestrebungen der Polen seien nicht nachgewiesen. Aus dem Zusammenhang gerissene auswärtige “ bewiesen nichts, jedenfalls sei dafür die ganze polnif⸗ Bevölkerung nicht verantwortlich zu machen. Solle etwa das system für einzelne Zeitungen büßen? Die Polen erfüllten ihre Pflicht, und es sei weit gekommen, wenn man ein Verbrechen darauß mache, daß ein polnischer Lehrer ein Hoch auf Seine Majestät den Kaiser in polnischer Sprache ausbringe. Die Regierung müsse zu dem System Caprivi zurückkehren.
Abg. Dr. Sattler (nl.): Dissidentenkinder dürfen nicht in kon⸗
fessionelle Schulen hineingezwungen wersen; es ist Sache der Eltern, ihren Kindern den Religionsunterricht angedeihen zu lassen, der ihrer Ueberzeugung entspricht. Herr Dasbach mag seine Wissenschaft in der „Trierschen Landeszeitung“ niederlegen. im Kreise Dortmund die Ultramontanen für die Sozialdemokraten gestimmt haben müssen, süht aus dem Stimmenverhältniß klar hervor. Kommen Nationalliberale mit Sozialdemokraten in die Stichwahl, so verhelfen die Ultramontanen den Sozialdemokraten stets zum Siege; ein Beweis, daß es mit dem Bollwerk des Zen⸗ trums gegen die Sozialdemokraten nicht weit her ist. Das Zentrum hat auch gegen Herrn Möller gestimmt, der sich am Kultur⸗ kampf nicht betheiligt hat, also „makellos“ ist. Sogar einen guten Katholiken hat man in Solingen abgelehnt und ein Kompromiß verworfen, weil man nur einen Fraktionskandidaten wünschte. In Lemberg haben nicht Galizier allein, sondern auch Herr von Koszielski und andere preußische Polen Reden gehalten, die gezeigt haben, was wir von dieser Seite zu erwarten haben. Der gemäßpigie Ton, den die Polen mitunter anschlagen, erweckt Mißtrauen; sie wählen ihren Ton je nach den Umständen. Herr Motty hat aller⸗ dings heute sehr friedlich gesprochen. Die Polen sprechen immer nur von Abschlagszahlungen. Mit Beginn der Herrschaft der Jesuiten hörte auch in Polen die Duldung auf. Wenn ein polnischer Probst gesagt hat: das deutsche Gebet ist eine Sünde, so fühlen wohl auch die Polen ihr Gewissen schlagen, und daraus erklärt sich auch ihre mildere Tonart. Das kann uns aber nicht abhalten, auf dem betretenen Wege den Polen gegenüber fortzuschreiten. Germani⸗ sierung ist nicht Protestantisierung; eher kann man sagen: Katho⸗ listerung ist Polonisierung. Im Posenschen wollten westfälische Kolsnien deutschen katholischen Kultus haben; der Erzbischof hat sich aber bis jetzt geweigert, ihnen einen deutschen Geistlichen zu geben. Mit einem Dispens konnte sehr wohl ein Geistlicher aus einer anderen Diszese den Gottesdienst verrichten. Daß der Staat für die katholischen Schulen mehr ausgiebt als für die evangelischen, hat der Minister schlagend nachgewiesen. Die Abhängigkeit der Ordensangehörigen von ihren Oberen legt dem Staat die Verpflichtung auf, sie sorgsam zm überwachen. Die Orden mit den Vereinen zu vergleichen, ist ein Unsinn, und daß auch die krankenpflegenden Orden der Ueberwachung bedürfen, beweisen die Vorgänge in Mariaberg. In den katholischen Lehrorden sehen die Protestanten eine Gefahr für ihre Konfession, und dies Gefühl sollte doch auch etwas gelten. Der Jesuitenorden insbesondere ist die Verkörperung des Unfriedens und des Hasses gegen die evan⸗ gelische Kirche. Wir haben 1887 gegen das Ordensgesetz gestimmt, und wir werden gegen alle weiteren derartigen Abbröckelungsversuche stimmen. Die Ultramontanen wollen uns mit ihrer Wissenschaft be⸗ glücken. Wie es damit bestellt ist, zeigt das Beispiel Leo Taxil's in der Frage der Freimaurerei. Herr Bachem und seine „Kölnische Volkszeitung“ ist selbst von diesen „Enthüllungen“ wenig er⸗ baut. Der heute erwähnte Artikel der „Trierer Landeszeitung“ hat in cvangelischen Kreisen Unwillen und Entrüstung hervorgernfen. Wir haben keinen Anlaß, den ultramontanen Einfluß auf unsere Schulen zu verstärken. Auf den Tagxilschwindel sind sogar Kardinäle hereingefallen, die noch gebildeter sein sollen als Herr Dasbach. Der Staat kann nur solche Beamten gebrauchen, die tauglich und nicht von anderer Stelle, z. B. der Kirche, abhängig sind und im Konflikis⸗ falle gegen ihn Partei ergreifen in Schulaussichts⸗ und anderen Fragen. Der politische Einfluß des Zentrums geht immer weiter, von der Presse ganz zu schweigen. Solchen Ansprüchen werden wir energischen Widerstand entgegenstellen und eine Schuldenliquidation des Zentrums an den Staat als unbegründet zurückweisen.
Abg. Dr. Porsch (Zentr.): Ueber den Fall in Dortmund werden wir uns hier nicht einigen können. Die Nationalliberalen haben in Hannover gegen Brühl für den Sozialdemokraten gestimmt, in anderen Orten auch. In Stichwahlen ist es schwer, unsere Wäbhler
zu Gunsten eines Mannes zu beeinflussen, der im höchsten Grade
uns gefährlich ist. Waren die heutigen Ausführungen Sattler'’s etwa geeignet, unsere Wähler für ihn einzunehmen? Ich persönlich habe immer widerrathen, den Sozialdemokraten zum Siege zu verhelfen⸗ Die Nationalliberalen sollten alles vermeiden, was uns die Stimm⸗ abgabe 88 sie erschweren kann. Daß nicht schon Herr von Eynem die Affaire der Miß Vaughan vorgebracht hat, hat mich gewundert⸗ Man thut so, als ob auf, anderer Seite solcher 2 nicht vorgekommen ist. Ob Kardinäle darauf „hereingefallen“ sind, weiß ich nicht. Herr Leo Taxil verdient nach dem Bisherigen wenig Glauben. Die Blamage hat die Freimaurerei wie die katholische Kirche gleichmäßig getroffen, auf das Konto der deutschen Katholiken fällt sie nicht. Ein deutscher Jesuit hat Taxil entlaryt. In der Schulfrage verlangen wir Freiheit für beide Theile. Was in der Errichtung der geistlichen Schule in Ehrenfeld Ungehöriges I soll, ist mir unerfindlich. Herr von Eynern beschwert sich ü die Prozessionen und verlangt die Nachahmung der fran⸗ zösischen Gesetzgebung; warum nicht gleich der mecklenburgischen? Kommen Ausschreitungen nicht auch bei Vereinen vor? Bei utem Willen lassen sie sich vermeiden. Die . follten nicht ostentativ provozieren: dadurch, daß sie bei der Prozession hinstellen, die Zigarre im Munde behalten u. s. w. Im Osten kommen solche Ausschreitungen kaum vor. Die Beschwerden katholischer Eltern in Schulsachen sind in den meisten Fällen i und ich möchte die Interessenten von dieser Stelle aus bitten, ihre Klagen uns detailliert mitzutheilen. Die Leistungen des Stoates für die Beschulung und den Religionsunterricht katholischer Kinver in den letzten drei Jahren gewinnen ein ganz anderes Licht, wenn man die Bedürsntgfrage ins Auge faßt. Man hat nur bis jetzt Versäumtes nachgeholt, aber keineswegs die Katholiken beHorzugt. Was die Orden betrifft, so hat Herr Sattler zur Empfehlung der Staatsaufsicht an) den Fall Mariaberg hingewiesen. Dieser Fall ist aber nicht so schlimm, wie man anfangs annahm, was die späteren 2 Feststellungen beweisen. Als Krankenanstalt gehört Mariaberg ohne weiteres unter die Staatsaufsicht, ob wir ein Ordensgesetz haben oder nicht. Man kennt unser Ordenswesen viel zu wenig, und ger darum fürchtet man es; in Amerika u. s. w. nimmt man daran keinen Orden zur Ausrottung der Ketzer giebt es Frige Auch die Jesuiten haben solche Tendenz nicht, wenn sie auch in ne Kämpfe gegen die Reformation hineingezogen worden sind. Die Bulle
es Papstes Clemens XIV., auf die man sich immer beruft, ist nicht des vebend (Zuruf links: Unfehlbar!), — man sollte doch 8 en, — das mit der Unfehlbarkeit nichts zu thun hat, — man muß berück⸗ sichtigen, wie die Bulle zu stande gekommen ist. Ich erinnere auch taran, wie Friedrich II. über die esuiten geurtheilt hat. In vielen ällen entscheidet die Staatsregierung in der Ordensfrage zu eng⸗ E und dann kann ein neuer Kultus⸗Minister noch ganz andere Bahnen beschreiten. Das kann die katholische Kirche nicht ertragen. Gegenüber der Ausbreitung des Kapitalismus, der lebenden Hand, ist es sehr gut, wenn die Güter der todten Hand sich vermehren und so den Armen zu gute kommen. Ginge es nach Herrn Sattler, so würden Katholiken überhaupt kein Staatsamt erhalten. Eine mechanische arität verlangen wir nicht, wir wollen nur nicht eine systemati 8 urücksetzung der Katholiken, auch in katholischen Provinzen. as ist mechanische Imparität. Jetzt wird es ja besser, und wir können den jungen katholischen Leuten nur rathen, sich der Staatscarrière mehr uzuwenden. Der Staat kann seine Hoheitsrechte nicht aufgeben, sagt der Kultus⸗Minister. Das geben wir zu. Wir wünschen aber eine gerechte Verwaltung. Dann werden die beiden Konfessionen sich leicht verständigen. Man führe solche Zustände wieder herbei, wie sie vor Emanation der Maigesetze bestanden.
Wirklicher Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Schneider stellt llgmeßis fest, daß für katholische Schulen und Seminare ausreichend gesorgt ist. ie nächste Statistik wird darüber noch weitere überraschende Aufschlüsse geben. Der katholischen Volksschule wird ihr volles Recht.
Nach einer Reihe persönlicher Bemerkungen wird nach 4 ⁴¼ Uhr die weitere Berathung auf Freitag 11 Uhr vertagt.
Parlamentarische Nachrichten.
em Hause der Abgeordneten ist nachstehender Gesetzentwurf, betreffend die Erweiterung des Staats⸗ eisenbahnnetzes und die Betheiligung des Staats an dem Bau von Kleinbahnen, sowie an der Errichtung von landwirthschaftlichen Getreidelagerhäusern, zuge⸗ gangen:
§ 1. Die Staatsregierung wird ermächtigt: I. Zur Herstellung von Eisenbahnen und zur Beschaffung der für dieselben erforderlichen Betriebsmittel und zwar: a. zum Bau einer Eisenbahn:
) von Stallupönen nach Goldap die Summe von 5 475 000 ℳ, 2) von Ortelsburg nach Neidenburg die Summe von 3 720 000 „ 3) von Kulm nach Unislaw die Summe von 1 330 000 „ 4) von Schweidnitz nach Charlottenbrunn die Summe
von . 8 3 660 000 „
6 180 000
5) von Petersdorf nach Ober⸗Polaun (Grünthal) die
Summe von . “ 6) von Grätz i. P. nach Kosten i. P. oder Czempin 8 oder einem zwischen diesen Orten gelegenen
anderen Punkte der Linie Lissa — Pofen die Summe von 1—11666-9-9 7) von Kallies nach Falkenburg die Summe von. „2 800 000 8) von Wollin nach Swinemünde die Summe von 2 160 000 9) von Blankenstein nach Marxgrün die Summe von 1 030 000 9 von Niederfüllbach nach Rossach die Summe von 567 000 11) von Ebersdorf bei Soanefeld nach Weidhausen
die Summe von I1II 12) von Schandelah nach Oebisfelde die Summe von 2 440 000 13) von Triangel nach Uelzen die Summe von 3 110 000 14) von Münster i. W. nach Coesfeld die Summe von 3 610 000 15) von Coesfeld nach Borken i. W. die Summe von 1 860 000 16) von Borken i. W. nach Empel die Summe von 2 257 000 17) von Wülfrath nach Ratingen (West) die Summe
v“ 61616ö611616 18) von Kirchberg i. Hunsrück nach Hermeskeil die
v61661111“ 19) von Primsweiler nach Dillingen die Summe von 1 550 000 „
b. zur Beschaffung von Betriebsmitteln:
5 988 000 zusammen..
die Summe von. 8 2 “ . 59 416 000 ℳ . zur Förderung des Baues von Kleinbahnen: die Suümme von .68000 000 „ III. zur Errichtung von landwirthschaftlichen „Getreidelagerhäufern: o“
insgesammt 69 416 000 ℳ
zu verwenden.
Ueber die Verwendung der Fonds zu II und III wird dem Land⸗ tage alljährlich Rechenschaft abgelegt werden.
Mit der Ausführung der vorstehend unter Nr. I Litt. a auf⸗ 1.8Lg; Eisenbahnen ist erst dann vorzugehen, wenn nachstehende Bedingungen erfüllt sind:
A. Der gesammte, zum Bau der unter 1 bis 19 bezeichneten Eisenbahnen und deren Nebenanlagen nach Maßgabe der von dem Minister der öffentlichen Arbeiten oder im Enteignungsverfahren fest⸗ zustellenden Entwürfe erforderliche Grund und Boden ist der Staatsregierung in dem Umfange, in welchem derselbe nach den landesgesetzlichen Bestimmungen der Enteignung unter⸗ worfen ist, unentgeltlich und lastenfrei — der dauernd erforder⸗ liche zum Eigenthum, der vorübergehend erforderliche zur Benutzung für die Zeit des Bedürfnisses — zu überweisen, oder die Erstattung der sämmtlichen staatsfeitig für dessen Beschaffung im Wege der freien Vereinbarung oder Enteignung aufzuwendenden Kosten, einschließlich aller Nebenentschädigungen für Wirthschaftserschwernisse und sonstige in rechtsgültiger Form zu übernehmen und sicher zu stellen, und zwar:
a. bezüglich der Linien unter Nr. I Litt. a 1 bis 4, 6 bis 8 und 10 bis 19 in der ganzen Ausdehnung,
b. bezüglich der Linie unter Nr. I Litt. a 5 (Petersdorf —Ober⸗ Polaun) für die im preußischen Staatsgebiet belegene Theilstrecke,
c. bezüglich der Linie unter Nr. I Litt. a 9 (Blankenstein — Marxgrün), soweit der erforderliche Grund und Boden sich im Besitz
der betheiligten fremden Staaten befindet und im übrigen die Kosten
die Höhe von 18 000 ℳ für die bayerische Theilstrecke und von 4000 ℳ für die reußische Theilstrecke nicht übersteigen.
Vorstehende Verpflichtung erstreckt sich insbesondere auch auf die unentgeltliche und lastenfreie Hergabe des für die Ausführung der⸗ jenigen Anlagen erforderlichen Grund und Bodens, deren Herstellung dem Eisenbahn⸗Unternehmer im öffentlichen Interesse oder im Interesse des benachbarten Grundeigenthums auf Grund landesgesetzlicher Be⸗ stimmungen obliegt oder auferlegt wird.
Von der Forderung der 1xn Hergabe des Grund und Bodens (Litt. A Absatz 1 und 2 ist, soweit die vorbezeichneten Eisenbahnlinien auf preußischem Gebiete auszuführen sind, Abstand zu nehmen, wenn von den Betheiligten in den mit ihnen wegen Aus⸗ führung der Linien abzuschließenden Verträgen die Leistung einer un⸗ verzinslichen, nicht rückzahlbaren Pauschsumme in der nachstehend 88n die einzelnen Bahnen angegebenen Höhe übernommen wird,
nd zwar: bei Nr. 1 (Stallupönen—Goldap) von . 316 000 ℳ „ „ 2 (Ortelsburg — Neidenburg) voln 1436 000 3 (Kulm — Unislaw) von 219 000 493 000 580 000 143 000 284 000 85 000 76 000 245 000
8 4 (Schweidnitz — Charlottenbrunn) von 5 e — Ober⸗Polaun) von. „ 6 (Grätz i. P. — Kosten i. P.) von.
7 (Kallies —- Falkenburg) von.. 8 (Wollin —Swinemünde) von.
12 (Schandelah— Oebisfelde) von . 13 (Triangel — Uelzen) von...
bei Nr. 14 (Münster i. W. — Coesfeld) von „ 1 003 000 ℳ
„ 15 (Coesfeld — Borken i. W.) vo .339 000
„ 16 (Borken i. W. —- Empel) voln . 674 000
„ 17 (Wülfrath-—Ratingen⸗West) von 335 000
„ 18 (Kirchberg i. “ von 525 000
„ 19 (Primsweiler — Dillingen) von EE13 B. Zu den Grunderwerbskosten für die unter 1 Litt. a 1, 18 und 19 benannten Eisenbahnen soll für den Fall, daß der erforderliche Grund und Boden von den Betheiligten in natura hergegeben wird, staatsseitig ein Zuschuß gewährt werden und zwar:
a. bei Nr. 1 eeee vee von 375 000 ℳ, b. bei Nr. 18 (Kirchberg — Hermeskeil) von 525 000 „
c. bei Nr. 19 (Primsweiler— Dillingen) von . 235 000 „
C. Die Mitbenutzung der Chausseen und öffentlichen Wege ist, soweit dies die Aussichte beböͤrde für zulässig erachtet, seitens der daran betheiligten Interessenten unentgeltlich und ohne besondere Entschädi⸗ vharfer die Dauer des Bestehens und Betriebes der Eisenbahnen zu gestatten.
D. Für die unter I Litt. a Nr. 10 und 11 benannten, durchweg in außerpreußischem Staatsgebiet belegenen Eisenbahnen und die unter Nr. 12 benannte, zum theil in außerpreußischem Staatsgebiet belegene Eisenbahn muß außerdem von den Betbeiligten — für letztere jedoch nur für die außerhalb Preußens belegene Theilstrecke — zu den Bau⸗ kosten ein unverzinslicher, nicht rückzahlbarer Zuschuß geleistet werden, und zwar zum Betrage:
a. bei Nr. 10 (Niederfüllbach —Rossach) von . 260 000 ℳ,
b. bei Nr. 11 (Ebersdorf bei Sonnefeld —Weid⸗
—. 240 000 176 000
1““ c. bei Nr. 12 ““ von.
Die Staatsregierung wird ermächtigt, 1) zur Deckung der zu den im § 1 unter Nr. I vorgesehenen Bauausführungen und Beschaffungen erforderlichen Mittel von 59 416 000 ℳ die nach § 10 von den Betheiligten zu leisten⸗ den Zuschüsse zu den Baukosten der Eisen⸗ bahnen unter I Litt. a 10—12 im Betrage 1*“
zu verwenden,
2) zur Deckung des alsdann noch verbleibenden
„Reestbetrages von höchstens . . . . . . . .58 740 000 ℳ sowie zur Deckung der für die im § 1 unter Nr. II und III vor⸗ gesehene Förderung des Baues von Kleinbahnen und Errichtung von landwirthschaftlichen Getreidelagerhäusern erforderlichen Mittel im Betrage von 10 000 000 ℳ Staatsschuldverschreibungen auszugeben.
Wird von den Betheiligten von der ihnen im § 1 unter A Ab⸗ satz 3 eingeräumten Befugniß Gebrauch gemacht, so erhöht sich die von der Staatsregierung nach § 1 Nr. Ia für den Bau der be⸗ treffenden Eisenbahn zu verwendende Summe, sowie die Gesammt⸗ -. des § 1 um die im § 1 unter A Absatz 3 bei den einzelnen inien angegebenen Beträge, wogegen die von den Betheiligten hier⸗ hüch 8 zahlenden Pauschsummen den vorstehenden Deckungsmitteln inzutreten.
§ 3.
Wann, durch welche Stelle und in welchen Beträgen, zu welchem Zinsfuße, zu welchen Bedingungen der Kündigung und zu welchen Kursen die Schuldverschreilungen verausgabt werden sollen (§ 2), bestimmt der Finanz⸗Minister.
Im übrigen kommen wegen Verwaltung und Tilgung der Anleihe und wegen Verjährnng der Zinsen die Vorschriften des Gesetzes vom 19. Dezember 1869, betreffend die Konsolidation preußischer Staats⸗ anleihen (Gesetz⸗Samml. S. 1197), beziehungsweise des Gesetzes vom 8. März 1897, betreffend die Tilgung von Staatsschulden (Gesetz⸗Samml. S. 43), zur Anwendung.
4
Jede Verfügung der Staatsregierung über die im § 1 unter Nr. I bezeichneten Eisenbahnen beziehungsweise Eisenbahntheile durch Veräußerung bedarf zu ihrer Rechtsgültigkeit der Zustimmung beider Häuser des Landtages.
Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf die beweglichen Be⸗ standtheile und Zubehörungen dieser Eisenbahnen beziehungsweise Eisenbahntheile, und auf die unbeweglichen insoweit nicht, als die⸗ selben nach der Erklärung des Ministers der öffentlichen Arbeiten für den Betrieb der betreffenden Eisenbahn entbehrlich sind.
Dieses Gesetz tritt am Tage seiner Verkündigung in Kraft.
Statistik und Volkswirthschaft.
Auswärtiger Handel des deutschen Zollgebiets im März 1897. 8
(Nach dem vom Kaiserlichen Statistischen Amt herausgegebenen Märzheft.) .
A. Einfuhr im März in Tonnen zu 1000 kg netto: 2 928 330 8* 2 561 343 und 1 975 982 im März der beiden Vorjahre, daher mehr 366 987 und 952 348. Hierunter Edelmetalle 86, übdige Artikel 2 928 244. Gestiegen ist hrupe sächlich die Einfuhr von Absällen (um 42 640), Droguerie⸗, Apotheker⸗ und Farbe⸗ waaren (24 396), Eisen⸗ und Eisenwaaren (13 670), Getreide (150 138), Hoß ꝛc. (42 839), Material⸗, Spezerei⸗, Konditorwaaren ꝛc. (19 882)
el und Fetten (19 412), Stein⸗ und Braunkohlen ꝛc. (30 411), während die Einfuhr von Flachs, Hanf ꝛc., Seide, Wolle ꝛc. und Vieh zum theil nicht unerheblich zurückgegangen ist.
B. Ausfuhr im März in Tonnen zu 1000 kg netto: 2 235 977 gegen 2 031 483 und 1 843 007 im März der beiden Vorjahre, daher mehr 204 494 und 392 970. Hierunter Edelmetalle 29, übrige Artikel 2 235 948. Gestiegen ist hauptsächlich die Ausfuhr von Erden, Erzen ꝛc. (um 648 026), Getreide (38 178), Holz ꝛc. (49 455), Material⸗ ꝛc. Waaren (883 662 — worunter 112 563 Rohzucker —), Steinen und Steinwaaren (179 537), Kohlen (553 233), während die Ausfuhr von Baun wollenwaaren (um 11 416), Wolle und Wollen⸗ waaren (5884), Eisen⸗ und Eisenwaaren (256 980), Papier und Pappwaaren (10 534), Theer ꝛc. (10 335), Thonwaaren (47 355) zurückgegangen ist.
Gesanünt. Cin⸗ und e sund der Menge nach im 1. Viertel⸗ jahr 1887 gegen die beiden Vorjahre erheblich gestiegen.
Einfuhrwerthe für das 1. Vierteljahr 1897 nach den für 1896 festgesetzten Einheitswerthen in 1000 ℳ: 1 136 203 gegen 1 102 058 und 965 159 in den beiden Vorjahren, daher mehr 34 145 und 171 044, worunter Edelmetalle 22 186 gegen 43 254 und 26 224, übrige Artikel 1 114 017 gegen 1 058 804 und 938 935.
Ausfuhrwerthe für das 1. Vierteljahr 1897 in 1000 ℳ: 853 220 gegen 883 733 und 758 895, daher weniger gegen 1896: 30 513, mehr gegen 1895: 94 325, worunter Edelmetalle 23 052 gegen 29 336 und 21 622, übrige Artikel 830 168 gegen 854 397 und 737 273.
Gestiegen ist der Einfuhrwerth der Abfälle gegen 1896 um rund 5, von Baumwolle ꝛc. um 12, von Eisen um 5, Getreide um 12, Haaren, Federn, Borsten um 2, Häuten ꝛc. um 5, Holz ꝛc. um 7, Instrumenten, Maschinen ꝛc. um 2, Kupfer ꝛc. um 4, Material⸗ ꝛc. Waaren um 20, Oel und Fetten um 5, Erdöl um 1, Seide um 1, Kohlen um 1, Thieren ꝛc. um 4, während er bei Droguerie⸗ ꝛc. Waaren um 8, Erden, Erzen und Edelmetallen um 18,
lachs um 3, Wolle und Wollenwaaren um 23, Vieh um 2 Millionen ark gefallen ist.
Gestiegen ist der Ausfuhrwerth von Instrumenten, Maschinen ꝛc. um 3, Kautschuk um 1, Kurzwaaren ꝛc. um 1, Material⸗ ꝛc. Waaren um 9 (Rohzucker allein 11 mehr, anderer 2 weniger),
efallen der Ausfuhrwerth von Droguerie⸗ ꝛc. Waaren um 3,
isen und Eisenwaaren um 12, Erden, Erzen, Edelmetallen um 5, Getreide um 3, Kleidern und Leibwäsche ꝛc. um 8, Seide und Seiden⸗ waaren um 5, Wolle und Wollenwaaren um 6, Zink und Zink⸗ waaren um 1 Millionen Mark.
Handel und Gewerbe.
Tägliche Wa gengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 29. d. M. gestellt 12 977, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. „In Oberschlesien sind am 29. d. M. gestellt 3886, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.
Berlin, 30. April. (Bericht der ständigen Deputation der Woll⸗Interessenten über den Wollhandel im April.) Das Ge⸗ schäft in deutschen Wollen, Rückenwäschen, zeigte im abgelaufenen Monat mehr Leben. Eintretender Bedarf, verbunden mit weiteren ereeahnge hhen der Verkäufer, bei Vorräthen von noch guten, ehlerfreien Wollen, ermöglichten größere Umsätze als im März. Es wurden etwa 4000 Ztr. Rückenwäschen und etwa 1000 Ztr. ungewaschene Wollen verkauft. In letzteren Wollen neuer Schur will sich das Geschäft immer noch nicht entwickeln, und es hat den Anschein, als wenn die Käufer die Auktionen abwarten wollten. Die Preise haben einen niedrigen Standpunkt und fast Parität mit den überseeischen Wollen erreicht. Die Zufuhren von Rückenwäschen alter Schur aus der Provinz betrugen etwa 1000 Ztr. Am 11. Mai d. J. findet hier eine Auktion von ungewaschenen Wollen statt, wobei etwa 10 000 Ztr. zum Angebote kommen. — Für den diesjährigen hiesigen Wollmarkt, der am 15., 16. und 17. Juni auf dem städtischen Zentral⸗ viehhofe abgehalten wird, kann die Einlagerung der Wollen bereits am 13. Juni beginnen. Das sehr schöne Lager, sowie wesentlich niedrigere Spesen als in früheren Jahren, erleichtern das Geschäft und laden zu reger Betheiligung ein. Eine Zentralisation der kleineren Provinzialmärkte in Berlin dürfte für die Verkäufer sowie für die Käufer nur Vortheil bringen. — Die im Vormonat für Kolonialwollen gemeldete Ruhe dauerte weiter an und die Umsätze erreichten nur etwa 3000 Ballen, 8½ Kapwolle, ½§ Buenos Aires⸗ und Austral⸗Wolle, zu behaupteten Preisen. In den letzten Tagen ist die Stimmung eher zuversichtlicher geworden, und man erwartet von der bevorstehenden Londoner Anktions. Eröffaung keine Verschlechterung der Lage.
— Die gestrige ordentliche Generalversammlung der Ober⸗ schlesischen Ei en⸗Industrie⸗Aktien⸗ Gesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb in Gleiwitz genehmigte die Anträge des Vorstands und des Aufsichtsraths und ertheilte die Ent⸗ lastung. Die auf 8 % festgesetzte Dividende ist von heute ab zahlbar. Die ausscheidenden Mitglieder des Aufsichtsraths wurden wiedergewählt. — Aus Essen wird der „Rhein.⸗Westf. Ztg.“ über die gestrige Versammlung der Zechenbesitzer des Rheinisch⸗westsälischen Kohlensyndikats gemeldet: Nach dem Bericht über den Monat März betrug die rechnungsmäßige Betheiligung 3 800 948 t, die örderung 3 570 396 t, also Einschränkung 230 552 t = 6,07 % gegen 11,70 % im März 1896). Von der Betheiligung sind bereits 51 774 t infolge freiwilliger Anmeldung abgesetzt, sonst wäre die Einschränkung 7,33 % gewesen. Die hohe Einschränkung erklärt sich daraus, daß viele Zechen infolge von Betriebsstörungen, Arbeiter⸗ mangel ꝛc. nicht voll fördern konnten. Auf solche Weise sielen 131 207 t aus, sodaß eigentlich die Einschränkung nur 2,71 % betragen hat. Versandt wurden 2 672 508 t, davon 94,05 % für Syndikatsrechnung. Der arbeitstägliche Versand der Syndikats⸗
zechen betrug:
März 1897 Februar 1897 März 1896 Kohlen 10 181 D.⸗W. 10 745 D.⸗W. 9 245 D.⸗W. Koks 1 939 „ 1 728 1 2z5
Briquets JHoö . 13 * 2 12 426 D.⸗W. 13 030 D.⸗W 11 285 D.⸗W.
Auch im April war der Absatz durchweg gut, sodaß gerade die sonst für die Kohlenindustrie wenig günstigen Frühjahrsmonate als recht befriedigende zu bezeichnen sind. Im 1. Quarfal 1897 betrug die Betheiligung 10 747 670 t, die Förderung 10 220 517 t, Ein⸗ schränkung also 527 153 t = 4,90 % (gegen 8,54 % im Ve⸗he Der arbeitstägliche Versand an Kohlen betrug 10 428 D.⸗W. (+ 921 gegen I. Quartal 1896), 1957 D.⸗W. Koks (+ 227) und 305 D.⸗W. Briquets (+ 23). Ende März ergab sich, wie dem Blatt mitgetheilt wird, ein Ueberschuß von etwa 750 000 ℳ, nachdem die Unterbilanz aus dem vorigen Jahre getilgt ist. Dies berechtigt zu der Erwartung, daß es möglich sein wird, im Laufe des Jahres eine Ermäßigung der Umlage eintreten zu lassen. Die Anforderungen der Händler und Werke an das Syndikat sind so
roß, daß ihnen nicht voll entsprochen werden kann. Für das
aiserdenkmal auf Hohensyburg wurde auf Antrag von Stadtrath Kleine wiederum 1⁄10 ₰ pro Tonne bewilligt; es giebt das etwa 40 000 ℳ — In der Generalversammlung der Aktionäre wurden sämmtliche Punkte der Tagesordnung durch Zuruf erledigt.
— Nach dem in der Generalversammlung der Gladbacher Fenerhenech n15 .. vom 29. d. M. erstatteten
eschäftsberichte für 1896 beträgt der Gewinn 118 575 ℳ, wovon nach Abzug von 11 300 ℳ Gewinnantheilen und 6000 ℳ Gra⸗ tifikation an die Beamten eine Dividende von 8 ½ % = 50 ℳ für die Aktie gezahlt und 1275 ℳ auf neue Rechnung vorgetragen werden. Die Brutto⸗Prämieneinnahme ist bei der F um 201 609 ℳ auf 3 605 344 ℳ und bei der Glasversicherung um 8444 ℳ auf 80 247 ℳ gestiegen. Die im Berichtsjahre in Kraft gewesene Versicherungssumme betrug für die Feuerversicherung 2 404 476 662 ℳ (i. V. 2 291 525 048 ℳ), wovon Ende des Jahres noch 2 222 872 347 ℳ 8 V. 2 053 802 039 ℳ bestanden. In der Glasversicherung war während des Jahres eine Versicherungssumme von 3 752 877 ℳ in Kraft. Die Schäden im Rechnungsjahr betrugen für eigene Rechnung: bei der Feuerversicherung 883 272 ℳ (i. B 1 098 103 ℳ), bei der Glasversicherung 38 837 ℳ (i. V. 39 994 ℳ)
„— Nach dem in der Generalversammlung der Gladbacher Rückversicherungs⸗Gesellschaft vom 29. d. M. erstatteten Geschäftsbericht für 1896 beträgt der Ueberschuß 84 462 ℳ, wovon nach Abzug von 7412 Gewinnantheilen und nach Ueberweifung von 25 000 ℳ zur Kapitalreserve eine Dividende von 8 ½8 % = 25 ℳ auf die Aktie hhebrt und 2050 ℳ auf neue Rechnung vorgetragen werden. Die Versicherungssumme betrug 1 042 010 592 ℳ und war um 117,701 772 ℳ höher als im Vorjahre. Die Prämieneinnahme betrug 2 879 052 ℳ und übersteigt die des Vorjahres um 435 176 ℳ Die Schäden des Rechnungsjahres betrugen 1 546 637 ℳ, d. i. 363 000 ℳ mehr als im Vorjahre.
Stettin, 29. April. (W. T. B.) Nach Privatermittelungen wurde im freien Verkehr notiert: Weizen loko 160 — 161, Roggen loko 116—117. Hafer loko 125.—128. Rüböl pr. April 54,00. Spiritus loko 39,10 Gd., Petroleum loko —.
Breslau, 29. April. (W. T. B.) (Schluß⸗Kurse.) Schl. 3 ½ % L.⸗Pfobr. Litt. A. 100,20, Breslauer Diskontobank 114,85, Breslauer Wechslerbank 102,80, Schlesischer Bankverein 130,00, Breslauer Spritfabrik 133,50, Donnersmarck 148,00, Kattowitzer 157,90, Oberschl. Eis. 94,10, Caro Hegenscheidt Akt. 127,20, Oberschl. P. Z. 137,75, Oxp. Zement 149,80, Giesel Zem. 136,50, L.⸗Ind. Kramsta 145,00, Schles. Zement 191,00, Schl. Zinkh.⸗A. —,—, Laurahütte 154,25, Bresl. Oelfbr. 102,50.
— Produktenmarkt. Spiritus per 100 1 100 % 50 ℳ Verbrauchsabgaben pr. April 58,70 Br., do. do. 70 ℳ Verbrauchts⸗ abgaben pr. April 39,00 Br.
Magdeburg, 29. April. (W. T. B.) Zuckerbericht. Kornzucker exkl. von 92 % —,—, Kornzucker 88 % Rendement 9,50 — 9,60. Nachprodukte exkl. 75 % Rendem. 6,80 — 7,70. Ruhig. Brotraffinade 1 23,00. Brotraffinade II 22,75. Gem. Brotraffinade mit Faß 22,50 — 23,25. Gem. Melis I1 mit Faß 22,00. Ruhig. Rohzucker I. Produkt Transito fr. a. B. burg pr. veet odet Les en era nr J7, Cn 162, d.epg a heh 1 8 r., pr. b „89 „ pr. Au 88 8— 8 2s lI. (W. T. B.) (S .
rankfurt a. M., 29. April. .T. B. luß⸗Kurse. Lond. Wechs. 20,372, Pariser do. 81,133 Ble.e 88 Felh
3 % Reichs⸗A. 98,10, Unff. Egvpter 106,40, Italiener 89,90, 30 1 An ide 22 80, 5 % amort. Rum. 100,00, 4 % russische eos.