1897 / 104 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 04 May 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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Seine Majestät der König hat sich gestern Nachmittag von Dresden nach Sibyllenort begeben, um daselbst, dem „Dresdener Journal“ zufolge, bis Mitte Juni Aufenthalt zu nehmen. Ihre Majestät die Königin wird sich nach Be⸗ endigung der Kur in Karlsbad, voraussichtlich am 20. Mai, glei falls ach Sibyllenort begeben. 1 1.1X“

Ihre Majestäten die Königin und die Königin⸗ Regentin der Niederlande sind gestern Vormittag von Stuttgart nach Wien abgereist.

Reuß ä. L.

Seine Durchlaucht der Fürst ist am 1. d. M. von Bücke⸗ burg nach Greiz zurückgekehrt.

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1

Oesterreich⸗Ungarn.

Die ee und die Königin⸗Regentin der Nieder⸗ lande sind gestern Abend in Wien eingetroffen und von dem niederländischen Gesandten, den anderen Mitgliedern der Ge⸗ sandtschaft sowie dem niederländischen General⸗Konsul und dem niederländischen Vize⸗Konsul am Bahnhof empfangen worden. Der Kaiser hatte den Königinnen Zimmer in der Hofburg angeboten, welche jedoch dankend abgelehnt wurden. Die Königinnen nahmen in einem Hotel Wohnung. Heute Vormittag wird die Königin dem Erzherzog Rainer einen Besuch abstatten.

Die Berathungen der beiden Quotendeputationen wurden gestern ergebnißlos beendet. Die Mitglieder der österreichischen Deputation und die österreichischen Minister sind nach Wien zurückgereist. Der ungarische Minister⸗ b. vag. Baron Banffy hat sich Abends ebenfalls dorthin

geben.

In Eger war, wie dem „W. T. B.“ aus Prag berichtet wird, für vorgestern eine Versammlung in Aussicht genommen, um gegen die Sprachenverordnung für Böhmen zu protestieren, von der Bezirks⸗Hauptmannschaft aber verboten worden. Trotz des Verbots sammelten sich zahlreiche Personen in der Nähe des Schützenhauses an, von wo sie zum Kaiser Joseph⸗ Monument zogen. Dieselben wurden jedoch von einem Beamten mit vier Gendarmen bei dem Monument zerstreut. Die Menge folgte der Aufforderung, auseinander zu gehen, willig, ohne daß es nöthig gewesen wäre, Zwangsmaßregeln zu ergreifen. Außer in Eger fanden in Frankenthal und in Wies an der bayerischen Grenze Versammlungen statt, von denen die erstere auf die Aufforderung der behördlichen Organe ruhig auseinander ging, während die Theilnehmer an der Versammlung in Wies sich auf bayerisches Gebiet be⸗ gaben, um dort die Versammlung abzuhalten.

Den Budapester Blättern zufolge sind die Quoten⸗ verhandlungen deshalbz gescheitert, weil der öster⸗ reichische Ausschuß der Quotenberechnung das Verhältniß der Kopfzahl der Bevölkerung beider Staaten zu Grunde legen wollte, während der ungarische Ausschuß an der Berechnung nach Maßgabe der Steuerverhältnisse beider Länder festhielt.

Großbritannien und Irland.

In der gestrigen Sitzung des Unterhauses fragte Morton an, ob die deutsche Regierung die Bestrafung Griechenlands oder die Zurückzwingung Kretas unter die tür⸗ kische Herrschaft angeregt habe und ob die Regierung sich ver⸗ pflichten wolle, Schritte zu thun, um die Ausführung solcher Vorschläge zu vereiteln. Der Parlaments⸗Sekretär des Aeußern Curzon erwiderte, es seien solche Vorschläge nicht eingegangen, und es sei unnöthig, Schritte zur Vereitelung von Vorschlägen zu thun, die nie gemacht werden dürften und von denen zu reden lächerlich erscheine. Der Staatssekretär des Innern White Ridley beantragte darauf die erste Lesung der Vorlage, be⸗ treffend die Entschädigung bei Unfällen von Arbeitern. Danach soll bei Unfällen, die zum Tode führen, eine Ent⸗ schädigung gewährt werden, die dem Ertrage des Lohnes der drei dem Tode vorhergehenden Jahre gleichkommen, aber 300 Pfd. Sterl. nicht übersteigen soll. Wenn der Unfall zur Arbeitsunfähigkeit führt, soll die Entschädigung die Hälfte des Wochenlohns, höchstens jedoch ein Pfund Ster⸗ ling für die Woche betragen. Es soll den Arbeitern gestattet sein, durch ein Abkommen mit den Arbeitgebern sich den Vor⸗ schriften des Gesetzes zu entziehen; doch muß in diesem Falle eine Bescheinigung des hierfür zuständigen Beamten bei⸗ gebracht werden, daß das Abkommen ebenso günstig oder besser ist, als die Bestimmungen der Vorlage. Dieselbe betrifft nur Arbeiter, die bei Eisenbahnen, Fabriken, Berg⸗ werken, Steinbrüchen oder sonstigen Arbeiten beschäftigt sind, bei denen Maschinen verwendet werden. Die erste Lesung der Vorlage wurde ohne namentliche Abstimmung angenommen. Sodann wurde die zweite Lesung der Bill, betreffend die unge⸗ nügende Bemannung der Kauffahrteischiffe, genehmigt. Im Laufe der Debatte erklärte der Präsident des Handels⸗ amts Ritchie: die Vorlage sei auf englische und ausländische Schiffe anwendbar; die Schiffe könnten, falls sie ungenügend bemannt seien, von dem Handelsamt angehalten werden, bis der Mangel beseitigt sei. Er fürchte keinen Einwand aus⸗ wärtiger Regierungen; diese hätten auch kein Recht zu einer age da 9 fremden Schiffe genau so wie die britischen be⸗

ürden.

Rußland.

D r. „Regierungsbote“ meldet die Ernennung des Zeremonienmeisters Grafen Pahlen zum Vi. von Warschau. 6

Türkei.

Das ökumenische Patriarchat hat, dem Wiener „Telegr.⸗Korresp. Bureau“ zufolge, bei der Pforte gegen die gewaltsame Entfernung des Monsignore Ambrosius von Uesküb protestiert. 8- der nächsten Sitzung der Synode wird über die neue Wahl des Metropoliten in Uesküb be⸗ rathen werden. Alle Mitglieder der Synode sind gegen die Wahl eines Serben.

Eine amtliche Mittheilung besagt, der Vali von Trapezunt melde, daß nach der Veröffentlichung des Irade, nach welchem die Stärke der mobilisierten Redifbataillone auf 1000 Mann zu erhöhen sei, in weniger als einer Woche sich

Das „Reuter’'sche Bureau“ meldet, daß der Befehl ertheilt worden sei, alle Mustafizs (Landwehrleute) des III. Armee⸗ Korps (Saloniki) einzuberufen.

Eine Depesche des Blaties „Ikdam“ aus Larissa vom 3. d. M. meldet die Ankunft der Division Hairi Paschas in Kariditscha, zwischen Trikkala und Pharsala, und den weiteren Vormarsch derselben. Die in Larissa eingetroffenen Verwundeten gehören der zweiten, dritten, fünften und siebenten Division an. In Turnavo und Larissa sind Feldlazarethe errichtet worden. Nach türkischen Angaben seien die Feldbefestigungen bei Velestino von den Türken genommen worden; die Kämpfe dauerten fort. Die Verbindung zwischen Pharsala und Volo sei gestört. Von den Türken seien 10 Geschütze erbeutet worden.

Von türkischer Seite wird weiter berichtet, daß die Auf⸗ klärungs⸗Abtheilungen rechts von der Linie Larissa Phar⸗ sala bis über die Bahnstation Miskoloruli hinaus vor⸗ gedrungen seien; in der Front hätten dieselben Subasi erreicht. Die Kämpfe bei Velestino und Pilaf Tepe dauerten fort. Man hoffe jedoch, daß man mit den erwarteten Ver⸗ stärkungen baldigst den Weg nach Volo werde frei machen können. Außerdem sei ein Umgehungsmanöver über Gerli und Kapurna in der Ausführung.

Die „Agence Havas“ berichtet aus Athen: Eine De⸗ pesche aus Volo, wo eine große Aufregung sich der Be⸗ völkerung bemächtigt habe, melde, daß ein großer Theil der dortigen Einwohner nach Athen und nach der Insel Euböa abgereist sei. In Volo sei es gestern infolge der Ankunft eines französischen, eines britischen und eines italienischen Kriegsschiffes sowie des griechischen Geschwaders ruhiger ge⸗ wesen. Französisch Marinetruppen durchzögen in einer An⸗ zahl von Mann die Straßen der Stadt, was zur Be⸗ ruhigung der Bewohner beitrage.

In Paris eingetroffenen Depeschen aus Konstantinopel

zufolge hat die Räumung von Pharsala begonnen. In den Depeschen heißt es ferner, daß die Griechen keine Vorbereitungen träfen, um bei Pharsala eine Schlacht zu liefern, sondern sich in der Richtung nach Domoko auf die von dem Othrys⸗Gebirge gebildete natürliche Vertheidigungs⸗ linie zurückzögen. Auch die Räumung von Arta habe be⸗ gonnen. Auus Kandia meldet das „Reuter’sche Bureau“, daß am Sonntag eine Besprechung der Admirale mit den Füh⸗ rern der Aufständischen in Paläokastro stattgefunden habe. Die Admirale hätten das Versprechen gegeben, es werde den Kretern vollständige Autonomie gegeben und die Ernennung des Gouverneurs der Insel der National⸗ Versammlung zur Bestätigung unterbreitet werden. Die Auf⸗ ständischen hätten indessen die Besprechung abgebrochen und wiederholt, sie blieben bei ihrem Wahlspruche: „Annexion oder Tod“. 8

Der „Agence Havas“ zufolge ist der Oberst Vassos von Kreta zurückberufen worden und wird durch den Obersten Staikos ersetzt werden. 8 8 8

Griechenland.

Der Minister des Auswärtigen Skuludis und der Kriegs⸗Minister, Oberst Psamados sind von Pharsala nach Athen zurückgekehrt.

Rumänien.

Wie die „Politische Korrespondenz“ aus Bukarest er⸗ fährt, waren die identischen depeschen des Grafen Murawjemw und des Grafen Goluchowski, welche am 29. April dem rumänischen Minister⸗Präsidenten Stu 8 notifiziert wurden, folgendermaßen eingeleitet: „Die Ankunft des Kaisers Franz Joseph in St. Petersburg hat dem Kaiser Nikolaus neuerlich Ge⸗ legenheit geboten, die vollständige Uebereinstimmung der An⸗ schauungen zu konstatieren, die zwischen den beiden Souveränen besteht.“

8 Montenegro. 8 Der König von Serbien, welcher gestern früh in Antivari angekommen war und dort von dem Erb⸗ prinzen Danilo begrüßt wurde, traf Abends 6 ½ Uhr in Cetinje ein und wurde, wie „W. T. B.“ meldet, von dem Fürsten am Eingange der Stadt empfangen. Im Palais begrüßte der König Alexander die Fürstin und die Prin⸗ zessinnen und begab sich alsdann in das Palais des Erb⸗ prinzen Danilo, wo der König Wohnung genommen hat.

Afrika.

Wie die „Neue Zürcher Zeitung“ meldet,⸗ hat der König Menelik von Abessinien den Ingenieur Ilg am 28. März zum Ersten Minister und Kaiserlichen Staatsrath mit dem Prädikat Excellenz ernannt. Der Franzose Lagarde wurde zum Herzog von Entotto erhoben, und der Franzose Mondon er⸗ hielt den Titel „Conseiller de l'instruction publique“.

Die britische Regierung betrachtet, wie der „Agence

Havas“ aus Prätoria gemeldet wird, auf Grund der Ver⸗ einbarungen der Südafrikanischen Republik mit der Kap⸗ kolonie den Vertrag der Letzteren mit dem Oranje⸗Frei⸗ staat als ungültig. Der Volksraad der Südafrikanischen Republik ist gestern Nachmittag eröffnet worden. Der Präsident Krüger hielt eine Rede, worin er, dem „Reuter'schen Bureau“ zufolge, darlegte, daß sich die Republik, trotz ungünstiger Einflüsse, freund⸗ licher Beziehungen zu allen auswärtigen Maͤchten erfreue. Anläßlich des Jubiläums der Königin Victoria werde der Volksraad aufgefordert werden, den 22. Juni zum Zeichen der Sympathie fuͤr die Königin für einen offiziellen Feiertag zu erklären. Er beabsichtige ferner, Anträge, betreffend die Erleichterung des Handelsverkehrs an der Grenze und die Förderung des Handels mit den angrenzenden Kolonien, einzubringen. Die Regierung fahre fort, der Minen⸗Industrie ihre volle Aufmerksamkeit zuzuwenden. Maß⸗ nahmen zur Förderung jener Industrie würden dem Volksraad vorgelegt werden, sobald die Minenkommission ihren Bericht eingereicht haben werde. Er bedauere, nicht sagen zu können, daß der politische Horizont unbewölkt sei, aber er blicke, voll Vertrauen auf die gerechte Sache der Republik, frohgemuth und furchtlos in die Pukunft

1 Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tages und des Hauses der Abgeordneten befinden sich

mehr Redifs, Mustahfizs und Freiwillige versammelt hätten als erforderlich seien. 8

in der Ersten und Zweiten Beilage.

In der heutigen (214.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher, und der Staatssekretär des Reichs⸗Schatz⸗ amts Dr. Graf von Posadowskr beiwohnten, bemerkte vor Eintritt in die Tagesordnung der

Präsident Freiherr von Buol: Ich sehe mich veranlaßt, auf den Schluß der gestrigen Sitzung zurückzukommen. Es wurde eine Aeußerung des Abg. von Kardorff bemängelt und hierauf gegen eine Rüge, die ich ertheilt habe, Widerspruch erhoben. Es widerstrebt mir immer, in einer Aeußerung, die im Hause gefallen ist, eine Beleidigung zu erblicken. Auch im vorliegenden Fall habe ich geglaubt, daß sich bei näherer Einsicht in das Steno⸗ gramm die Sache objektiver darstellen würde. Ich muß aber zugeben, daß die Fassung derart ist, daß diejenigen Herren, gegen welche die Aeußerung gerichtet war, eine Beleidigung darin erblicken konnten, und ich muß zugeben, daß die Gegenbemerkung, wenn nicht zulässig, so doch dadurch gemildert erscheint. Die Aeußerung des Herrn von 1 muß ich aber als entschieden parlamentarisch unzulässig

ären.

Für die allgemeinen Rechnungen für 1885/86 bis 1891/92 wird, entsprechend den Anträgen der Rechnungs⸗ kommission, die Entlastung ertheilt.

Ebenso werden in dritter Berathung die Rechnungen der Kasse der Ober⸗Rechnungskammer und die Ueber⸗ sichten der Einnahmen und Ausgaben der Schutz⸗ gebiete für 1894/95 und 1895/96 erledigt

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abg n der heu (75.) Sitzung, welcher der Minister der geistlichen ꝛc. gelegenheiten D. Dr. Bosse beiwohnte, die zweite Be⸗ rathung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten bei dem Kapitel „Universitäten“ fort.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons.): Es war interessant, daß der Abg. Virchow sich als Anhänger alter, historisch gewordener Einrichtungen bekannte gegen den Fortschritt der Neuzeit. Mit Wärme ist Virchow für die korporative Gestaltung der Universitäten eingetreten, während seine Parteifreunde sonst alle korporativen Einrichtungen als mittelalterlich bekämpfen. Das war eine Anerkennung des konservativen Gedankens. Wir stehen auf dem Boden der Beschlüsse zweiter Lesung über die Regelung der Professorengehälter. Allerdings müssen die Universitäts⸗ statuten geändert werden, um das geltende Recht mit dem geschriebenen in Einklang zu bringen. Das sozialdemokratische Parteiblatt hat über das Abgeordnetenhaus eine sehr herbe Kritik gefällt, weil es seine Zeit mit Paritätsklagen ausfülle, aber den Fall Arons nicht be⸗ sprochen habe. Es ist merkwürdig, daß an einer Hochschule des Staats ein sozialdemokratischer Dozent, der auch als Agitator auftritt, lehrt. Es muß ein geordnetes förmliches Disziplinarverfahren mit allen nothwendigen Kautelen eines solchen für solche Fälle eingeführt werden. Das Ober⸗Verwaltungsgericht hat auf Amtsentsetzung eines Polizeibeamten erkannt, weil er ein ihm gehöriges Grundstück für sozialdemokratische Parteizwecke zur Verfügung gestellt hat. Das Ober⸗Verwaltungsgericht hat damit entschieden, daß ein Beamter, welcher auch nur indirekt die staatsgefährlichen Tendenzen der Sozialdemokratie begünstigt, sich der Bekleidung seines Amtes unwürdig macht. Es ist unmöglich, daß ein Dozent, welcher direkt die Bestrebungen der Sozialdemokratie unterstützt, einer Universität angehört; nichts kann mehr den Kampf der Regierung gegen die Sozialdemokratie beeinträchtigen als die Wahrnehmung, daß über diese Dinge an maßgebenden Stellen ver⸗ schiedene Auffassungen herrschen. Die Einheitlichkeit der Staats⸗ regierung muß auf jeden Fall aufrecht erhalten werden. Redner kommt dann auf die Ausvildung der Juristen zurück. Auch der Fachjurist, führt er aus, muß die Staats⸗ und Sozial wissenschaften beherrschen. Staatswissenschaft und Verwaltungs recht berühren sich sehr nahe, und daher ist es fraglich, ob die Staats⸗ wissenschaft nicht der philosophischen Fakultät entzogen und auf die juristische übertragen werden soll. In Straßburg ist dies der Fall, und daher sind die Juristen durch die enge Berührung mit den Staats⸗ wissenschaftlern vor dem allzustarken Formalismus bewahrt geblieben, und die Staatswissenschaftler umgekehrt vor sozialistischen Theorien. Sehr wichtig ist die Frage der Besetzung der staatswirthschaftlichen Lehrstühle. Die kathedersozialistische Schule hat dabei ein bedeutendes Uebergewicht. Ich bin kein Gegner des Kathedersozialismus an sich, er bedeutet zweifellos einen Kulturfortschritt ersten Ranges gegen⸗ über der manchesterlichen Schule. Aber es sind Erscheinungen eingetreten, die zeigen, daß diese Schule sich überlebt hat und altert. Der Wissenschaft ist eine enge Verbindung und Berührung mit dem praktischen Leben erforderlich. In der kathedersozialistischen Schule hat sich eine gewisse Inzucht und Verschulung, wie Adolf Wagner sagt, gezeigt, und aus der krankhaften Ueberbildung hat sich demnächst Unfruchtbarkeit herausgebildet. Deshalb darf diese Schule kein Uebergewicht bei der Besetzung der Lehrstühle haben. Es muß volle Parität zwischen allen Richtungen herrschen. Allein die wissenschaftliche Tüchtigkeit des Mannes darf maßgebend sein. Der Kultus⸗Minister hat uns fruͤher gesagt, bei der Besetzung der theologischen Professuren be⸗ folge er volle Parität, Licht und Schatten solle auf jeder Universität gleichmäßig zwischen der positiven und der historisch⸗kritischen Richtung herrschen. Das geht auch auf dem theologischen Gebiet wegen der großen Anzahl der Professuren. Aber die paritätische Behandlung der verschiedenen staatswissenschaftlichen und volkswirthschaftlichen Rich⸗ tungen und der verschiedenen Schulen innerhalb dieser Richtungen stößt auf große Schwierigkeiten, weil die Zahl dieser Professuren sehr gering ist. In Berlin und Göttingen haben wir nur 2 Ordinariate für Staats⸗ wissenschaft, in Halle nur 1 Ordinariat und 1 Extraordinariat und an anderen Universitäten nur 1 Ordinariat. Das reicht überhaupt nicht aus, und wir müssen vor allem Männer des praktischen Lebens für diese Professuren heranziehen. In der medizinischen Fakultät giebt es keinen bedeutenden Lehrer, der nicht auch die Praxis ausübt, in der juristischen Fakultät ist auch, wie z. B. vom Professor Gneist, die Lehrthätigkeit zugleich mit dem Richteramt ausgeübt worden. Grade für das staatswissenschaftliche Lehramt ist es von besonderer Bedeutung, daß die enge Fühlung mit dem praktischen Leben, mit der wirthschaftlichen und sozialen Entwickelung nicht fehlt, denn die Richtigkeit der Theorien kann nur an der Praxis geprüft werden. Es werden sich wohl Leute, die an der Spitze von Versicherungsgesellschaften u. s. w. stehen, bereit finden lassen, eine Lehrthätigkeit auszuüben. Das Geld, das wir für diese Zwecke aufwenden, fände eine der nützlichsten Verwendungen im Interesse der Staatswissenschaft und unserer Beamten und würde segensreiche Früchte tragen. Der tüchtigste Mann muß an die richtige Stelle kommen und das Cliquenwesen be⸗ seitigt werden. Es wäre gut, wenn uns der Kultus⸗Minister darüber seine Grundsätze mittheilte.

Hierauf nimmt der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegen⸗ heiten Dr. Bosse das Wort, dessen Rede morgen im Wortlaut wiedergegeben werden wird.

Von den Abgg. Graf von Hompesch und Genossen ist im Reichstage sfolgender Antrag zur zweiten Berathung eines In⸗ validenversicherungsgesetzes eingebracht worden:

Der Reichstag wolle beschließen:

In Erwägung, daß gemäß den eigenen Darlegungen der Vorlage die Durchführung der Invaliditätsversicherung in ihrer gegenwärtigen

Ausdehnung ohne grundsätzliche Preisgabe des Territorialprinzips nicht

möglich ist,

1) den Entwurf eines Inbvalidenversicherungsgesetzes abzulehnen;

2) die verbündeten Regierungen zu ersuchen, eine Abänderung des Gesetzes vom 22. Juni 18889, betreffend die Invaliditäts⸗ und Alters⸗ unter Berücksichtigung nachfolgender Gesichtspunkte vor⸗ zubereiten:

a. Beschränkung der Versicherungspflicht auf die Arbeiter in

2. Bergwerken, Fabriken und sonstigen großgewerblichen Betrieben;

b. Aufhebung des Versicherungszwanges für die Arbeiter der Land⸗ und Forstwirthschaft, des Handwerks und der kleingewerblichen Betriebe und für das Gesinde unter Wahrung der auf Grund des Gesetzes vom 22. Juni 1889 erworbenen Rechte, sei es durch die Ge⸗ stattung der Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses, sei es durch Rückerstattung der entrichteten Beiträge;

„Vc. Zulassung der nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 22. Juni 1889 versicherungspflichtigen, künftig aus der Versicherungs⸗ pflicht ausscheidenden Personen zur freiwilligen Versicherung;

d. Ausdehnung des Anspruches auf Gewährung von Renten auf die Hinterbliebenen der unter a genannten Versicherungspflichtigen;

e. Beseitigung des Reichszuschusses, soweit er nicht zur Wahrung wohlerworbener Rechte und zur Fortsetzung des Versicherungsverhält⸗ nisses nothwendig ist.“

8 Arbeiterbewegung. 1

In Speyer haben, wie die „Köln. Ztg.“ mittheilt, sämmtliche Maurer wegen Lohnstreites die Arbeit eingestellt. 1 Aus Sonneberyg berichtet die „Cob. Ztg.“, r. die dortigen Maurer seit gestern wegen Lohnstreites ausständig sind. Auch in Coburg sind die Maurer in eine Lohnbewegung eingetreten und drohen für den Fall der Nichtbewilligung ihrer Forderungen mit dem Ausstande. 1 8 Die sogenannte „Maifeier“ der sozialdemokratischen Arbeiter hat auch in diesem Jahre an verschiedenen Orten zu Abwehrmaß⸗ regeln der Arbeitgeber solchen Arbeitern gegenüber geführt, die am 1. Mai unentschuldigt der Arbeitsstätte fern blieben. Hier in Berlin war dies, wie der „Vorwärts“ berichtet, in größerem Umfange z. B. in der Holzindustrie der Fall; u. a. sollen in der Möbelfabrik von W. Kümmel 40 Mann und in der Möbeltischlerei von G. Klug 54 Tischler, 20 Möbelpolierer und 8 Maschinenarbeiter vorläufig von der Arbeit ausgeschlossen sein. In Harburg sind 65 Metallarbeiter der Schiffswerft von Holst aus demselben Grunde auf 10 Tage von der Arbeitsstätte verwiesen worden. Aus Brüssel wird der „Voss. Ztg.“ unter dem 2. Mai ge⸗ schrieben: Auf den Zechen zu Mariemont, den bedeutendsten Zechen des Hennegauschen Mittelbeckens, greift die Ausstands⸗ bewegung immer weiter um sich. Der Verwaltungsrath hatte ch auf Antrag des Vermittelungsraths bereit erklärt, die öhne der Auflader und der 14 bis 20 Jahre alten Führer der kleinen Förderwagen um 10 v. H. zu erhöhen, aber das hat die Arbeiter in keiner Weise befriedigt. Die Sortierer fordern auch Lohnerhöhungen und sind ausständig. In allen sechs Gruben zu Mariemont ist die Förderung eingestellt worden. Der gesammte Betrieb ruht; an 3000 Arbeiter sind ausständig. Man erwartete für den gestrigen Tag den Gesammtausstand der Bergarbeiter auch in den zu Mariemont gehörigen Zechen in Bascoupsx.

Statistik und Volkswirthschaft.

EClearing⸗ und Giroverkehr in Oesterreich⸗Ungarn. Die Entwickelung des Zahlungsverkehrs in der österreichisch⸗ ungarischen Monarchie bietet zweifellos ein erbebliches volkswirth⸗ schaftliches Interesse; noch lehrreicher wird die Betrachtung, wenn mit den entsprechenden Verhältnissen des Auslandes Vergleiche angestellt werden können. Das ist, wie bereits früher, jetzt wieder in der Oesterr. Statistischen Monatsschrift (II. Jahrg., Heft 2 u. 3) von dem auch auf diesem Gebiet wohl bewanderten Gelehrten Dr. Heinrich Rauchberg geschehen, der neue werthvolle Aufschlüsse giebt.

Besonders hervortretend sind die Gegensätze zwischen dem öster⸗

reichischen und amerikanischen Zahlungsverkehr. R. zeigt, in wie hohem Maße die untersten Schichten der amerikanischen Volkswirth⸗ schaft an der kreditwirthschaftlichen Organisation des volkswirthschaft⸗ lichen Zahlungsprozesses betheiligt sind; letzterer umfaßt dort alle

Schichten des Volkslebens, während er in Oesterreich den untersten noch fremd ist und bei den mittleren Schichten schwer und langsam Eingang findet. 18 11““

Die österreichische und ungarische Regierung, sowie insbesondere

die Oesterreichisch⸗Ungarische Bank sind seit langen Jahren bemüht, den Giroverkehr nach dem Muster der Deutschen Reichsbank aus⸗

zubauen und möglichst tief in das gesammte Geschäfts⸗ und Verkehrs⸗ leben einzuführen, doch fühlt man sich dem erstrebten Ziele noch nicht so nahe, als selbst bescheidene Hoffnungen erwarten ließen. Obgleich in Oesterreich keineswegs jeder „anständige“ Kaufmann es als ein Er⸗ forderniß oder eine Standespflicht betrachtet, seine Firma protokollieren zu lassen, so haben doch nicht mehr als 5 ½ %, in Ungarn 9 % der protokollierten Firmen ein Giro⸗Konto bei der Oesterreich⸗Ungarischen Bank. Und dieses Ergebniß entwickelte sich nicht etwa auf gleichsam natürlichem Wege, vielmehr erst dadurch, daß (fünf Jahre nach

Einführung des Giroverkehrs) zum förmlichen Girozwang seitens

der Bank mit ihren Kunden übergegangen wurde. Allein für

Oesterreich wie für Ungarn darf man die öffentlichen Sparkassen

hierbei nicht übersehen. So waren die mit den Postämtern verbundenen Staatssparkassen in Oesterreich mit der Organisation des

Ueberweisungsverkehrs der Bank sogar zuvorgekommen, wogegen die ungarische Postsparkasse seiner Zeit diesen Schritt noch nicht gethan hatte. Wie sich bei der Deutschen Reichsbank vor allem der Giro⸗ Zahlungsverkehr von Ort zu Ort zuerst entwickelte, indem die Filialen und Bank⸗Nebenstellen mit der Hauptstelle in Bezug auf diesen Verkehr einheitlich zusammengefaßt wurden, wie dann auch der Lokalverkehr in der Gunst der Geschäftswelt mehr und mehr stieg und dem Ver⸗ rechnungsgeschäft der Reichsbank sehr wirksam vorarbeitete, so hofft auch die Oesterreich⸗Ungarische Bank durch die Einbeziehung der Bank⸗ Nebenstellen in das Verkehrsnetz weitere Fortschritte auf allen Gebieten des Giroverkehrs zu erreichen. Augenblicklich nehmen die Baarzahlungen noch einen unverhältnißmäßig breiten Raum ein, und nach unten erstreckt sich, wie erwähnt, der Ueberweisungs⸗ verkehr nicht tief, er dringt nicht ein in die „breiten Niederungen der Volkswirthschaft“, sondern bleibt bei den

obersten Schichten der Geschäftswelt, wie die hohen Appoints der

Checks und Ueberweisungen sofort erkennen lassen. Dem Börsen⸗ arrangement dient als eigentlicher Träger der Wiener Giro⸗ und

Kassenverein. Zwar ist es der enge Kreis der Börsenfirmen, in dem

dieser besondere Verkehr sich abwickelt, doch werden außerordentlich

S Umsätze erzielt, die fast ohne jede Baarzahlung ausgeglichen

werden.

In welchem Ausmaße während des letzten Jahrzehnts ein Ueber⸗ ang von der Baarzahlung zur Kreditzahlung stattgefunden hat, läßt ch nach zwei besonderen Ermittelungen mit annähernder Sicherheit

beurtheilen. Auf Ansuchen der Statistischen Zentralkommission hat

nämlich sowohl im Jahre 1885 wie 1895 die „K. K. privilegierte österreichische Creditanstalt für Handel und Gewerbe“ für je 14 Tage eine genaue Analyse ihres Kassenrevirements vorgenommen mit dem

folgenden Ergebniß: . 8 g 8 8 Vom 12. bis Vom 7. bis ingang 25. August 1885 22. Juni 1895 Gutschriften auf Giro⸗Konto 0,39 ö—17122119o 8—bb100 1öö1“. 7,72 Absolut in Gulden . 24 489 379 30 888 000

B. Von der Kredit⸗Anstalt in Zahlung een auf Gir *“ 62,47 Absolut in Gulden 1 28 141 800

Daß die kreditwirthschaftlichen Formen entschieden vordringen, ist auf den ersten Blick ersichtlich, daß aber der Baarverkehr, selbst bei der Bank, noch einen außerordentlichen breiten Raum einnimmt, ist gleichfalls dargethan, und bemerkt dazu, daß der Baarverkehr an den Umsätzen der Kreditanstalt relativ stärker betheiligt sei als an denen eines amerikanischen Detailmagazins, in welchem der Arbeiter seinen Hausbedarf deckt. Selbst die Arbeitslöhne werden in Amerika (d. h. in den Vereinigten Staaten v. A.) mehr in Checks als baar gezahlt. Merkwürdiger Weise überwiegen aber gerade in den Staaten mit dichtester Bevölkerung und größter industrieller Entfaltung dabei die Baarzahlungen. Die Checks sollen seitens der Arbeiter etwa zu gleichen Theilen von den bezogenen Banken unmittelbar einkassiert oder zunächst an Zahlungsstatt in die Detailgeschäfte wandern, um erst durch diese an die Banken gegeben zu werden. 3

Nach einer im Juni 1896 an einem einzelnen Tage veranstalteten Aufnahme der Einzahlungen, an der sich 3474 National⸗ und 2056 Staats⸗ oder Privatbanken der Vereinigten Staaten betheiligten, waren die Prozentantheile der einzelnen Zahlungsformen die folgenden:

Ne Nationalbanken Im Ganzen Kleinhandel in Baargeld.. 3 5 Pepirrgeld Pb—¹ Absolut in Dollars. 20 814 000

aus dem Großhandel in Baargeld.. 0,5 8 Papiergel ““ 116161“ 92.8 95,3 Absolut in Dollars 56 450 000 6 595 000 63 045 000

Dieses Ziffernbild bedarf keiner weiteren Erläuterungen; es kenn⸗ zeichnet im Vergleich mit dem oben mitgetheilten (allerdings weniger umfassenden) österreichischen Material am besten die gegensätzliche Stellung beider Länder im Zahlungswesen. 1 Auch ein Hinweis auf den thatsächlichen Geldumlauf in Oesterreich⸗ Ungarn ist von ö Interesse. Am Ende der einzelnen Jahre befanden sich im Umlauf: 1 v. Staats⸗ Bank⸗ Schheide⸗ Ins⸗ münzen noten noten münzen gesammt Millionen Gulden ö. W. 1891. . 42,2 351,69 438,21 52,60 884,73 1892 388,42 316,13 460,92 52,30 867,77 1898 6739 323,40 443,44 69,24 870,38 1894 . 63,07 267,45 471,23 83,62 885,37 1895 70,97 162,93 568,26 85,16 887,31

Die Zusammensetzung der Umlaufsmittel hat sich infolge der Valutareform zwar wesentlich verändert, der Gefammtbetrag jedoch ist in diesem Jahrfünft fast derselbe geblieben. Nun sprechen aber alle Indizien: die Ausweise der Eisenbahnen, die Produktionsmengen der maßgebenden Industrien, die Umsätze der Kreditinstitute, die wachsenden Einnahmen des öffentlichen Haushalts u. s. w. dafür, daß der Verkehr in rascher Entfaltung gewesen ist. Dennoch wurden die gesteigerten Umsätze von einer ziemlich gleichgebliebenen Geldmenge vermittelt. Daraus darf geschlossen werden, daß letztere in entsprechend höherem Maße als Grundlage eines kreditwirthschaftlichen Ueber⸗ baues dient, daß also die Organisation des Zahlungsverkehrs ebenso große Fortschritte in Oesterreich⸗Ungarn gemacht hat wie der Verkehr oder Umsatz selbst. Der Clearingverkehr bleibt aber immer noch sehr im Rückstande. Mit dem als Mittelpunkt gedachten „Wiener Saldierungs⸗Verein“ steht ein verhältnißmäßig großer Theil der Bankgeschäfte und anderer Institute nicht in Verbindung, auch das Postsparkassenamt ist nicht Mitglied dieses Vereins. R. empfiehlt die Zentralisierung des gesammten staatlichen Zahlungs⸗ und Einziehungsdienstes (ausgenommen besondere Dienstzweige, wie Soldatenablöhnung) bei der Oesterreichisch⸗Ungarischen Bank und der Postsparkasse. Die erste und wichtigste Aufgabe der Notenbank würde es sein, nach Durchführung der Währungsreform den Geldbesitz des Landes durch eine Diskontopolitik zu vertheidigen, welche die Ansprüche des einheimischen Geldmarkts der wechselnden Geftaltung der Wechsel⸗ kurse unterordnet. In eine derartige Politik, wie sie im Deutschen Reiche grundsätzlich bekanntlich seit langer Zeit geübt wird, würden sich die Geschäftskreise um so leichter finden, je geringeren Antheil das Baargeld und die Banknoten an der Zahlungsabwickelung haben. Die Funktion des Geldes oder der Baarmittel wäre dann eine wesentlich andere und unvergleichlich wirksamere als bei der Baar⸗ zahlung. B.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

ö““ Saatenstand in Rußland. Ueber den Stand der Saaten gehen uns aus einzelnen Gouverne⸗ ments folgende Nachrichten zu: 8; Polen waren die Wintersaaten, nachdem die Bestellung im vorigen Herbst unter günstigen Witterungsbedingungen beendigt worden, gut aufgegangen und zeigten nach erfolgter Ueberwinterung im allgemeinen ein befriedigendes Aussehen. 8 Der Winter war verhältnißmäßig milde. Zur Zeit der größeren Fröste im Januar und Februar waren die Felder durch eine genügende Schneedecke geschützt. Während des März und April fanden hänufige Regenfälle statt, sodaß sich insbesondere in niedrig gelegenen Gegenden mit fettem Boden ein Uebermaß von .S ansammelte. Infolge dessen konnte mit der Frübjahrsbestellung erst später begonnen werden, als in anderen Jahren. Seit Mitte April ist trockene und warme Witterung eingetreten, die Frühjahrsbestellung ist daher jetzt in vollem Gange. 1 3 P.nhcerttion ist im allgemeinen etwas zurückgeblieben und macht erst seit einigen Tagen rasche Fortschritte. Die wegen der Ueberwinterung der Saaten in Südrußland gehegten Befürchtungen haben sich nur in einzelnen, den südlichsten Gebieten und auch hier nicht im vollen Maße verwirklicht. Das Frübjahr ist ungewöhnlich früh eingetreten; um den 20. Februar alten Stils begannen die Feldarbeiten, und Ende Februar säte man bereits Gerste und Weizen. Seitdem hat es an reichlichen, warmen Niederschlägen nigt gefehlt, sodaß die Ernteaussichten im allgemeinen als günstig betrachtet werden. 1 89B liegen folgende Nachrichten vor: Gouvernement Cherson: Im Odessaer Kreise mußte etwa ein Fünftel der Winter⸗ saatenfläche umgepflügt werden. Im übrigen ist der Stand der Saaten gut, doch sind Anzeichen vorhanden, daß der Prußkäfer in großer Menge auftreten wird. Auch im Jelisawetgradschen Kreise brauchte nur ein kleiner Theil der Wintersaaten umgepflügt zu werden. Die Mehrzahl derselben ist gut durch den Winter gekommen, mit Ausnahme der Rapssaaten, die ganz zu Grunde gegangen sind. Im Dnjeprowschen Kreise steht Winterroggen befriedigend, während auf ein Ergebniß bei Winterweizen nicht gerechnet wird. Die Sommer⸗ saaten sind in dem ganzen Gouvernement gut aufgegangen. Aus dem Fekaterinoslawschen und Alexandrowschen Kreise des ouvernements Jekaterinoslaw het. Kash en bezüglich der Ueberwinterung ud des Keimens der Saaten günstig. 8 Im Lömfng, Bessarabien ist der Stand der Wintersaaten sehr ut, nur der Raps hat gelitten. Anhaltende öö“ hat das Aufgehen der Sommersaaten überall begünstigt. m südlichen Begsarabien ist das Getreide infolge ungleichen Schneefalls nur streifen⸗ und stellenweise aufgegangen. Auch wird hier das Auftreten

des Prußkäfers befürchtet.

Saatenstand in Spanien.

Die Nachrichten aus den einzelnen Provinzen Spaniens über den Saatenstand 8 im allgemeinen recht günstig. Doch ist Regen dringend erwünscht, da dessen noch längeres Ausbleiben die Ernte ernstlich gefährden würde. In der Provinz Valencia hat die anhaltende Dürre

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den Stand der Saaten bereits ungünstig beeinflußt.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs 35128 ““ Maßregeln. I11“ Zufolge Verordnung des National⸗Gesundheitsraths in Monte⸗ video vom 20. Februar d. J. haben sich die von Rio de Janeiro und Santos eintreffenden Schiffe, welche während der Reise keine verdächtigen oder wirklichen Fälle von gelbem Fieber an Bord gehabt haben, auf der Quarantänestation der Insel Flores einer ärztlichen Untersuchung zu unter⸗ ziehen. Die Effekten der Reisenden und der Besatzung, soweit letztere in Montevideo zu landen wünschen, müssen auf der gedachten Insel desinfiziert werden. Während der zu dieser Desinfektidn erforderlichen Zeit bleiben die gedachten Passagiere in dem Lazareth der Insel Flores. Diejenigen Schiffe, welche ihre Reise in Monte⸗ video beendigen, sollen einer generellen Desinfektion unterworfen werden. Dagegen soll die Korrespondenz und die Ladung stet

beanstandet gelandet werden können. 8

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Verdingungen im Auslande.

Oesterreich⸗Ungarn.

4. Juni, 12 Uhr. K. K. Staatsbahn⸗Direktion Wien: Liefe rung von Arbeitsmaschinen und Werkstätteneinrichtungen. Näheres bei der Fachabtheilung für Zugförderung und Werkstättendienst der K. K. Staatsbahn⸗Direktion Wien, Administrationsgebäude, XV. Schön⸗ brunnerstraße Nr. 6, und beim „Reichs⸗Anzeiger“.

Italien.

13. Mai, 11 Uhr. Artillerie⸗Direktion des I. Marine⸗Departe⸗ ments in Spezia: Lieferung von Muldenblei, bleiernen Röhren und Platten. Voranschlag 12 041,60 Fr.: Kaution 1403 Fr.; definitiver Zuschlag 4. Juni, Mittags. ö“

15. Mai, 10 Uhr. Stadtverwaltung von Ajeta (Cosenza) Bau einer Wasserleitung. Voranschlag 42 565 Fr.; Kaution 4500 Fr.; definitiver Zuschlag 15 Tage nach Verkündigung des Resultats des provisorischen Zuschlags.

. Mai, 10 Uhr. Stadtverwaltung von Arpino (Caserta): Bau einer Trinkwasserleitung (Sektion 1). Voranschlag 26 514 Fr.; Kaution 2651 Fr.; definitiver Zuschlag 22. Mai, 1 Uhr.

Rumänien. 8 1

11. Mai. Kriegs⸗Ministerium in Bukarest: Lieferung einer größeren Quantität gelben Drahts, 15 000 Bauchgurtschnallen, 19 000 verschiedener Stricknadeln, 400 000 Stifte für Pferdebürsten, 100 000 Schrauben, circa 600 kg Zwirn, 692 300 beinerner Knöpfe, 4400 Heftel, 10 900 Nähmaschinennadeln, circa 260 000 verschiedener Nägel.

21. Mai. General⸗Direktion der Posten und Telegraphen in Bukarest: Lieferung von 100 Briefwaagen und 125 Kästen mit Gewichten von 1— 500 g. 11 88

24. Mai. Kriegs. Ministerium in Bukarest: Lieferung von 12 540 kg verschiedenen Garnes.

Bulgarien.

13. Mai, 10 Uhr. General⸗Direktion der Posten und Telegraphen in Sofia: Lieferung von Material für die Telegraphie, und zwar galvanisierter Eisendraht, Bronzedraht, Isolatoren, Träger für Isolatoren u. s. w. Provisorischer Voranschlag 55 067,50 Fr.; Kaution 5 Prozent. 8

Ohne Datum. Ministerium für Handel und Landwirthschaft, landwirthschaftliche Abtheilung, in Sofia: Lieferung von 4 Dresch⸗ maschinen nebst Lokomobilen. Auskunft auf dem genannten Ministerium.

Egypten. 17. Mai. General. Zohldireltion in Kairo: Lieferung von 2 engl. Tonnen Metalldraht. Muster und Bedingungsheft auf dem Sekretariat der genannten Behörde an allen Richtfeiertagen von 8 bis 1 Uhr

einzusehen. Australien.

8. Juni, 3 Uhr. Supply and Tender Board Office in Ade⸗ laide: Lieferung verschiedener Arten von Metallröhren. Bedingungen und Submissions⸗Formulare auf dem Bureau des Chef⸗Ingenieurs in Adelaide oder des Chef⸗Lagerverwalters in Port Adelaide. Be⸗ dingungsheft auch einzusehen bei dem General⸗Agenten der Kolonie in London. Abschrift des Bedingungsheftes für 5 Shilling bei dem genannten Chef⸗Lagerverwalter erhältlich. Kaution 5 % des Sub⸗ missionsbetrages. 1

30. Juni. Ministerium der öffentlichen Arbeiten, Bureau des Sanitäts⸗Ingenieurs in Sydney oder Generalagentur für Neu⸗ Süd⸗Wales in London: Lieferung und Anlage von Pumpen und Dampfkesseln für die Kanalisierung.

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Verkehrs⸗Anstalten.

Bremen, 3. Mai. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. RPD. „Darmstadt“, n. Australien best., 1. Mai Nm. in Sydney angek. RPH. „Gera⸗ hat 1. Mai Nm. die Reise v. Adelaide n. Albany fortges. RPD. „Sachsen“, v. Ost⸗Asien kommend, 1. Mai Mrgs. Gibraltar passiert. RPD. „Karls⸗ ruhe“, n. Australien best., 30. April Nm. in Aden angek. PDa „Hohenstaufen“, v. Brasilien kommend, 1. Mai Nm. a. d. Wese angek.

3 4. Mai. (W. T. B.) SD. „Aller“ 2. Mai Ahbds. Reise v. Cherbourg n. New⸗York fortges. PD. „Wittekind n. d. La Plata bestimmt, 2. Mai Nm. in Antwerpen angek. PD. „Roland“ 2. Mai Vm. v. Galveston, n. d. Weser abgeg. PD. „Pfalz“, v. La Plata kommend, 2. Mai Mrgs. Las Palmas passiert. PD. „Crefeld“, v. Baltimore kommend, 1. Mai Nachts auf der Weser angek. PD. „München“ 1. Mai Nm. in Bal⸗ timore angek. PD. „Friedrich der Große“, v. New⸗York kom. mend, 3. Mai Mrgs. Hurst Castle passiert PD. „Königin Luise 2. Mai Mrgs. in New⸗Yor kangek. PD. „Aachen“, n. Baltimore best., 2. Mai Vm. Lizard passiert. RPD. „Preußen“ 2. Mai Abds. in Genua angek. D. „Barbarossa“ 1. Mai Nachts Reise v. Port Said n. Neapel fortges. D. „Holyrood“, n. d. La Plata bestimmt, 2. Mai Nm. Las Palmas passiert. RPD. „Baypern⸗ 2. Mai Vm. Reise v. Singapore n. Colombo fortges. SD. „Ems hat am 3. Mai Mtgs. Reise v. Gibraltar n. New⸗York ort.. PD. „Friedrich der Große“, v. New⸗York kommend, 3. Mai Nm. Eastbourne passiert. PD. Prinz⸗Regent Luitpold, n. New⸗York best., 3. Mai Vm. Lizard passiert.

London, 3. Mai. (W. T. B.) Castle⸗Linie. D. „Roslin Castle“ ist gestern auf der Heimreise in London, D. „Lismore Castle“ auf der in pftgd⸗ 75 D. „Doune Castle“ auf der Ausreise in Durban (Natal) angekommen.

D. „Norman“ ist heute auf der Heimreise in Madeira angekommen.

e 3. Mai. (W. T. B.) Holland⸗Amerika⸗ Linie. D. „Veendam“ von Rotterdam Sonnabend Vm. nach New⸗York abgegangen. D. „Edam“ hat gestern Nm. Lizard passiert.

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Theater und Mufik.

Schiller⸗Theater.

Als drittes in der Reihe Volksstücke wurde am Sonnabend „Der G'wissenswurm“ aufgeführt, das Werk, in welchem der Dusterer, jener bäuerliche Tartuffe, eine der charakte⸗ ristischsten Gestalten, die der Dichter je geschaffen, sein Wesen treibt. Diese Rolle spielte Herr Ludwig Neuert, der Sohn des bekannten Mitgliedes des hier noch in bester Erinnerung stehenden Münchener Ensembles und Mitarbeiters von Ludwig amghofer, als Gast. Der Künstler vermochte dieser Figur, welche namentlich den beiden ersten Akten alle übrigen durch ihre Ueberlegenheit überragen muß, nicht die dominierende Stellung zu geben, welche ihr gebührt. Seine

Charakterisierungsfähigkeit reichte dazu nicht hin; man empfing nur