1897 / 108 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 08 May 1897 18:00:01 GMT) scan diff

g Hieraus folgt jedoch keineswegs, daß auch Unfälle, we die zu ihrem Vergnügen ge⸗ ladenen Jagdtheilnehmer auf gleiche Weise erleiden, von der Berufsgenossenschaft zu entschädigen sind; denn diese Personen können im allgemeinen, und sofern nicht besonders geartete Verhältnisse vorliegen, nicht als von dem Jagdgeber in seinem „Betriebe beschäftigt“ angesehen werden (1604).

Die Liquidation einer Aktiengesellschaft ist lediglich die vom Gesetz bestimmte Form ihrer Auflösung, ehn⸗ daß ein Wechsel des Unternehmers eintritt (1605).

A

Versicherung e. e

Der Königliche Gesandte in Oldenburg von Bülow ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der gemiethete Dampfer „Oldenburg“ des Norddeutschen Lloyd ist mit der Ablösung für die Schiffe in Ost⸗Asien Transportführer: Korvetten⸗Kapitän Pustau gestern in Singapore angekommen und wird heute die Reise nach dem Ablösungshafen Kobe fortsezen.

Hessen. Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin is von Bukarest wieder in Darmstadt eingetroffen.

Oesterreich⸗Ungarn.

Das österreichische Abgeordnetenhaus fuhr gestern in der Berathung der Anträge auf Versetzung der Minister in den Anklagezustand fort. Der Justiz⸗Minister Graf Gleispach führte aus: die vorgestrigen Erklärungen des Minister⸗Präsidenten seien durch die nachfolgenden Reden nicht erschüttert worden. Für jeden Juristen und Nicht⸗ juristen stehe es fest, daß einer Regierung, welche denselben Weg betreten habe, den die vorangegangenen Regie⸗ rungen gegangen seien, und der übereinstimmende Beschlüsse des Parlaments genehmigt worden sei, weder culpa noch dolus imputiert werden könne. Daraus folge, daß die⸗ jenigen, welche die Anträge auf Versetzung der Minister in Anklagezustand eingebracht, eine solche Anklage nie ernstlich

gewollt hätten. (Beifall rechts, ungeheurer Lärm links. Rufe: „Zurücknehmen.“) Da der stürmische Lärm sich nicht legte, unterbrach der Präsident Kathrein die Sitzung. Nach fast zweistündiger Unterbrechung wurde die Sitzung wieder aufgenommen. Der Präsident Kathrein ertheilte dem Justiz⸗Minister Grafen Gleispach das Wort. (Es erhob sich neuerdings großer Lärm auf der linken Seite des Hauses; es wurden Rufe laut: „Ordnungsruf!“) Der Abg. Wolff verlangte, der Präsident solle dem Minister das Wort ent⸗ ziehen. Der Präsident Kathrein rief den Abg. Wolff zur Ordnung und bemühte sich vergeblich, die Ruhe wiederherzustellen. (Rufe: „Abzug oder Widerruf!“) Endlich be⸗ gann der Justiz⸗Minister Graf Gleispach seine Ausführungen, schloß dieselben aber bald unter dem sich wiederholenden stürmischen Beifall der Rechten. Viele Abgeordnete beglückwünschten den Minister. Der Präsident ertheilte nun den Abg. Hofmann von Wellenhof und Dr. Groß das Wort, welche die Be⸗ merkung des Ministers, daß die Anklage nicht ernstlich gemeint sei, unter stürmischer Zustimmung ihrer Parteigenossen für eine Beleidigung erklärten, für welche der Justiz⸗Minister Genugthuung geben solle, widrigenfalls sie eine weitere Debatte nicht zulassen würden. Der Abg. Groß beantragte den Schluß der Sitzung und namentliche Abstimmung darüber, zog jedoch schließlich seinen Antrag zurück. Auf Verlangen brachte der Präsident Kathrein die vom Justiz⸗Minister ab⸗ gegebenen, aber bei dem Lärm nicht vernommenen Er⸗ klärungen zur Verlesung. Dieselben lauteten: „Die Aeußerungen, die ich gethan habe, und auf Grund welcher Sie mich an der Fortsetzung meiner Rede hinderten, gründen sich auf meine Auffassung, daß es sich bei den Anträgen, die in Verhandlung stehen, lediglich um eine parlamentarische Taktik gehandelt habe, wobei es mir selbstverständlich nicht beigekommen ist, durch Wiedergabe dieser Auffassung irgend eine Partei beleidigen zu wollen.“ Jetzt trat im Hause Ruhe ein. Im weiteren Verlauf der Debatte empfahlen die Abgg. Pergelt und Hochenburger die Annahme der Anträge, welche die Sprachenverordnungen als ungesetzlich be⸗ zeichnen. Der Abg. von Jaworski erklärte im Namen der Polen und der Abg. Graf Palffy im Namen des böhmischen konservativen Großgrundbesitzes, ihre Parteien hätten nicht den geringsten Grund, die Minister in den Anklage⸗ zustand zu versetzen; sie würden daher bezüglich der Anträge für Uebergang zur Tagesorduung stimmen. Graf Palffy sagte, die Verordnungen enthielten nur Maßnahmen, die seine Partei billige. Niemand werde in denselben eine Ver⸗ Peegecghans der nationalen Existenz der Deutschen erblicken önnen.

Im ungarischen Oberhause widmete gestern der Präsident von Töth der Herzogin von Alengon einen warmen Nachruf, worin er der tiefen Trauer und Theilnahme des Hauses an dem für den König und die Königin so schmerzlichen Verluste Ausdruck gab. Sodann genehmigte das Haus ohne Debatte den Handelsvertrag mit Bulgarien und den Gesetzentwurf, betreffend die Deckung der Kosten für die Theilnahme Ungarns an der Pariser Welt⸗ ausstellung.

1 Großbritannien und Irland.

In der gestrigen Sitzung des Unterhauses erklärte der Staatssekretär für die Kolonien Chamberlain, daß er keinen Grund habe, der Nachricht von der Aufhebung des Ein⸗ wanderungsgesetzes durch den Volksraad von Transvaal zu mißtrauen, obwohl bisher keine amtliche Bestätigung ein⸗

elaufen sei. Sollte sich die Meldung bewahrheiten, so würde ch die Spannung, welche leider zwischen der englischen und der Transvaal⸗Regierung bestanden habe, sehr mildern. Ueber die Schadenersatzforderung des Präsidenten

Krüger finde zur Zeit ein Schriftwechsel statt. Bei der Be⸗

rathung des Etats des Auswärtigen Amts beantragte Robson

die Streichung von 500 Pfund von dem Gehalt des Ministers des Auswärtigen und sprach seine Mißbilligung über die in Kreta befolgte Politik aus. Parlaments⸗Sekretär des Aeußern Curzon erwiderte, daß der Einfluß Großbritanniens zu Gunsten des Friedens, der Versoͤhnung und Mäßi⸗ gung bezüglich Kretas aufgeboten worden sei und auch in Zukunft die Regierung dahin streben werde. Ob⸗ wohl die Verwirklichung des britischen Planes durch ander⸗ weitige Rathschläge verzögert worden sei, werde die Politik der Regierung doch nicht au werden; die Regierung hoffe, dieselbe zu einem erfolgreichen Ausgange zu führen. Die Ansicht, daß die Bevölkerung Kretas in christliche Schafe und mohamedanische Wolhe getheilt sei und die Mächte letztere unterstützten, sei falsch. hatsächlich sei das Innere der Insel in den Händen der christlichen Insurgenten, die in bewaffnetem Müßiggange von den Ernten der Mohamedaner lebten und jeden Mohamedaner ohne Unterschied des Geschlechts tödteten, der in ihre Hände falle. In der Nähe der Städte griffen die Insurgenten die Blockhäuser und Vorposten an, schnitten das Wasser ab und versuchten, die Bevölkerung der Städte aus⸗ zuhungern. Die Insurgenten seien größtentheils von Frechihe Offizieren geführt und ihre Reihen von griechischen Freiwilligen gefüllt. Es sei unwahr, daß einige Mächte den von England gewünschten Rück⸗ zug der Türken verhinderten. Die europäischen Truppen allein könnten nicht die Städte und die mohamedanischen Flüchtlinge beschützen. Würden die türkischen Truppen zurück⸗ gezogen, so seien Metzeleien zu gewärtigen, im Vergleich mit enen die armenischen unbedeutend gewesen sein würden. Es sei keine Hoffnung für Kreta vorhanden, bevor den mohamedanischen Bauern die friedliche Rückkehr in die Dörfer gestattet werde, was unmöglich sei, so lange griechische Truppen auf Kreta seien. Er hoffe, daß die Abberufung des Obersten Vassos auf den Rückzug der griechischen Truppen von Kreta hinweise. Dann würde eine Verminderung der türkischen Garnison und die Herstellung der Ruhe auf Kreta möglich sein. Das europäische Konzert sei für den türkisch⸗ griechischen Krieg nicht verantwortlich, sondern die Heraus⸗ forderungen von seiten Griechenlands. Die Mächte seien zur Vermittelung bereit gewesen und seien es auch noch, sie hätten auch ihre Bereitwilligkeit dazu ausgedrückt, falls Griechenland gewillt sei, dieselbe anzunehmen. Die Opposition handle unweise, wenn sie das europäische Konzert angreife; für Armenien, Kreta und die anderen Unterthanen der Türkei könne nur in Uebereinstimmung mit den anderen Mächten etwas geschehen. Hierauf wurde der Antrag Robson mit 169 gegen 63 Stimmen abgelehnt.

Der parlamentarische Ausschuß zur Untersuchung des Einfalls Jameson's in Transvaal beauftragte gestern den Vertreter der Kabel⸗Gesellschaft, Abschriften von den zwischen Ferras und Rhodes gewechselten Kabeltelegrammen vorzulegen. Hierauf wurde das Verhör Lionel Phillip's fortgesetzt. In Erwiderung auf eine Frage des Staatssekretärs für die Kolonien Chamberlain sagte der Zeuge aus, alle Lehrer an den Schulen in Transvaal Pracgen nur holländisch; deshalb könnten die Kinder englischer Herkunft, welche die holländische Sprache nicht ver⸗ ständen, nichts lernen. Der Herzog von Abercorn, Prä⸗ sident der „Chartered Company“, sagte als nächster Zeuge aus, die Verwaltung der Gesellschaft habe weder irgend welche Kenntniß von dem Einfall noch die Absicht gehabt, Truppen der Gesellschaft gegen Transvaal zu senden. Er glaube nicht, daß Harris der Gesellschaft über das Ergebniß seiner Unter⸗ redungen im Kolonialamt Mittheilung gemacht habe.

Frankreich.

Der Herzog von Aumale ist, wie die „Agenzia Stefani“ meldet, in der Nacht zum 7. d. M. in seiner Villa in Zucco auf Sizilien, wo Höchstderselbe sich bereits seit einiger Zeit aufhielt, plötzlich verstorben. Vor drei Tagen noch schrieb, wie „W. T. B.“ berichtet, die Prinzessin Clementine von Sachsen⸗Coburg und Gotha, die Schwvester des Herzogs, die gleichfalls in Zucco weilt, nach Paris, daß der Herzog sich wohl zu fühlen scheine. Vorgestern Abend unterhielt sich der Herzog bis Mitternacht, um welche Zeit er sich zur Ruhe begab, mit der üemgg sin Clementine, der Herzogin von Chartres, der Marquise von Beauvoir und anderen Per⸗ sonen. Um 2 Uhr 20 Minuten Nachts hörte der Kammer⸗ diener den Herzog schwer athmen; er rief den Doktor Toupet, welcher jedoch nur den Tod des Herzogs konstatieren konnte. Man glaubt, daß die Nachricht von dem Tode der Herzogin von Alengon tief erschreckend auf ihn eingewirkt habe. Die Leiche wird noch nicht einbalsamiert, sondern in einen dreifachen Sarg verschlossen und am Sonntag oder Montag nach Palermo in das Palais des Herzogs gebracht werden, auf welchem die Flagge auf Halbmast gehißt ist. Es wird eine große Trauer⸗ feier vorbereitet. Der Bildhauer Civiletti begab sich nach Zucco, um die Todtenmaske abzunehmen. Später wird die Leiche nach Paris überführt werden. Heute werden der Herzog von Chartres, welcher vorgestern auf die Nach⸗ richt vom Tode der Herzogin von Alençon nach Paris reisen wollte, und der Herzog von Orleans von Neapel in Zucco eintreffen.

Der Präsident Faure sandte, sobald er die Nachricht von dem Tode des Herzogs erhalten hatte, einen Ordonnanz⸗ Offizier nach der Wohnung desselben, um sich in den 288 liegenden Listen einschreiben zu lassen.

(Heinrich Prinz von Orleans, Herzog von Aumale, war am 16. Januar 1822 als vierter Sohn des Königs Ludwig Philipp von Frankreich aus dessen Ehe mit der Prinzessin Amsélie von Bourbon⸗Sizilien geboren. Schon im Alter von 18 Jahren zeichnete er sich in den Kämpfen in Algerien aus, und wurde schließlich General⸗ Gouverneur daselbst. Die Februar⸗Revolution von 1848 zwang den Herzog, nach England ins Exil zu gehen. In Twickenham bei London widmete er sich mit Eifer geschichtlichen und kriegswissenschaftlichen Studien. Nach Ausbruch des deutsch⸗französischen Krieges bot der Herzog erst der Kaiserlichen, dann der provisorischen Regierung seine Dienste an, wurde aber von beiden abgewiesen; dagegen wurde er am 8. Februar 1871 in die National⸗Versammlung gewählt, in der er si dem rechten Zentrum anschloß. 1871 wurde der Herzog in die Akademie aufgenommen. Nachdem er 1873 dem Kriegsgericht über den Marschall Bazaine präsidiert hatte, wurde er zum Kommandeur des VIII. Armee⸗ Korps in Besangon ernannt. Im Februar 1879 wurde er seines Kom⸗ mandos enthoben und zum General⸗Inspektor der Armee ernannt, 1883 aber auch aus dieser militärischen Stellung entlassen. Auf Grund des Gesetzes vom 23. Juni 1886 wurde er aus der Armeeliste gestrichen; am 13. Juli aus Frankreich ausgewiesen, begab er sich nach Brüssel. Erst im März 1889 erhielt er die Erlaubniß, nach Frankreich zurückzukehren. Der Herzog war seit dem 25. November 1844 mit der Prinzessin Karoline von Bourbon⸗Sizilien vermählt, die im Dezember 1869 starb. Von seinen beiden Söhnen: Louis Philippe Maria Leopold d'Orleans, Prinz von Condé, geboren 15. No⸗

vember 1845 in Paris, und Frangçois Louis Maria Philippe d'Orleang,

Herzog von Guise, geboren am 5. Januar 1854 in Twickenham, starb der erstere am 24. Mai 1866 am Typhus auf einer Reise nach Australien in Sydney, der jüngere am 25. Juli 1872 in Dreux.)

DHer und die Fürstin Anton Radziwill sind, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Nachmittag in Paris ein⸗ Frrken Zwei von Seiner Majestät dem Kaiser

ilhelm und Ihrer Majestät der Kaiserin Auguste Victoria Kränze, welche heute von dem Fürsten und der Fürstin an dem Katafalk in der Notre Dame⸗Kirche niedergelegt wurden, bestehen aus Orchideen, weißen Rosen, Fefen Nelken und Palmzweigen, die mit Trauerflor urchflochten sind. Die seitwärts befestigten Schleifen tragen die von einer Kaiserkrone überragten Initialen Ihrer Majestäten. Gestern Abend stattete Fürst Radziwill dem Minister des Auswärtigen Hanotaux einen Besuch ab.

Der Minister des Aeußern Hanotauvx erhielt gestern von dem französischen Botschafter in St. Petersburg Grafen Montebello das folgende, an den Präsidenten Faure ge⸗ richtete Telegramm: „Ihre Majestäten, tief bewegt von dem Unglück im Wohlthätigkeits⸗Bazar, beauftragen mich, Ihnen ihr aufrichtiges und tiefes Beileid auszudrücken“. Der Minister Hanotauvx ersuchte den Grafen Montebello, dem Kaiser und der Kaiserin von Rußland den leb⸗ haftesten Ddank des Präsidenten Faure für ihre Antheil⸗ nahme an der Trauer Frankreichs auszudrücken. Dem Präsidenten Faure gingen ferner Beileidstelegramme des Sultans und des Königs von Schweden und Nor⸗ wegen zu, auf die der Präsident dankend erwiderte.

In der russischen Kirche zu Paris wurde gestern eine Trauerfeier für die Opfer des Brandunglücks in der Rue Jean Goujon abgehalten, der alle Mitglieder der russischen Botschaft beiwohnten. Der Präsident Faure und sämmtliche Minister hatten Vertreter entsandt.

In der Kirche Sainte Clotilde fand gestern Vormittag die Trauerfeier für die Gräfin Hunolstein, Schwägerin der Herzogin von Uzés, statt. An der Feierlichkeit nahmen auch der deutsche Botschafter Graf zu Münster und der russische Botschafter Baron von Mohrenheim theil.

Italien.

Auf den Antrag des Deputirten di San Donato, der von dem Finanz⸗Minister Branca im Namen der Regierung unterstützt wurde, beschloß die Deputirtenkammer gestern, die große Antheilnahme der Kammer und des Landes an dem Unglück in dem Pariser Wohlthätigkeits⸗Bazar zum Ausdruck zu bringen.

Der Papst hat anläßlich der Katastrophe in Paris Beileidstelegramme an den Präsidenten der Republik Faure, den Herzog Karl Theodor in Bayern und an die Familie der Herzogin von Alengon gerichtet.

Schweiz. Der Bundesrath hat die Volksabstimmung übe die Bundesverfassungs⸗Revisionen, betreffend den

Erlaß einer eidgenössischen Lebensmittelpolizei⸗Gesetzgebung und die Einführung der Oberaufsicht des Bundes über die Wasser⸗ bauten und die Forstpolizei in der ganzen Eidgenossenschaft, auf den 11. Juli festgesetzt.

Türkei.

Edhem Pascha ist gestern früh mit dem Generalstabe von Pharsala nach Velestino abgegangen.

Eine amtliche Depesche Edhem Paschas vom gestrigen Tage an den Kriegs⸗Minister meldet, dem „W. T. B.“ zufolge, den Einzug der türkischen Truppen in Velestino. Der Kampf sei ein sehr blutiger gewesen. Schließlich seien sowohl Velestino, als auch die Pofi lonen in der Umgebung von Pilaw⸗Tepe in der Richtung auf Volo genommen worden. Nach Aussage des Kommandanten von Velestino seien die griechischen Truppen, 15 000 Mann, größtentheils nach Volo, der Ref⸗ nach Ermie geflüchtet. Wie das Journal „Sabah“ meldet, erfolgte die Einnahme Velestinos durch die Division Hakki Paschas und einige Bataillone einer anderen Division.

An dem Kampfe vor Pharsala haben, wie die „Agence Havas“ meldet, drei türkische Divisionen theil⸗ genommen. Die Stärke der griechischen Truppen, welche von dem Kronprinzen und dem Prinzen Nikolaus be⸗ fehligt wurden, wird auf 20 000 Mann und 5 Batterien geschätzt. Das Gefecht begann um 2 Uhr früh, dauerte den ganzen Tag über und war erst in der Nacht zu Ende. Die Griechen hatten die Höhen von Kara⸗Dernirdii besetzt; von dort wurden sie durch eine geschickte Schwenkung zweier türkischen Batterien, durch welche die griechische Artillerie zum Schweigen gebracht wurde, verdrängt. Gegen Mittag rückte die türkische Artillerie vor und unmzingelte den rechten Flügel der Griechen. Die türkische Schlacht⸗ linie rückte überaus rasch vor. Der Souschef des General⸗ stabs Seifullah Pascha zog einige Bataillone zusammen, unter welchen sich auch albanesische Mannschaften befanden, und ließ dieselben einen Vorstoß gegen die riechen machen, welche sich infolge dessen in die südlich von Tatari sich ausdehnende Ebene zurückzogen. Gegen 2 Uhr Nach⸗ mittags war Tatari von den Türken genommen. Dieselben setzten ihren Vormarsch fort, während die Griechen, das Feuer der Türken erwidernd, sich in ungeordnetem Rückzuge bis zur Brücke von Pharsala drängen ließen. Die türkische Artillerie lieh der auf die Griechen feuernden Infanterie Unter⸗ stützung. Schließlich leisteten die Griechen noch in Vasili Widerstand; die Türken erwiderten das Feuer von Palager⸗Magula aus. Von den griechischen Ge⸗ schossen hat nur ein einziges eingeschlagen; es fiel in der Nähe der beim türkischen Generalstab befindlichen Militär⸗Attachés Frankreichs und Oesterreich⸗Ungarns nieder, welche sich mit der Aufnahme von Momentbildern der Schlacht beschäftigten. Um 6 Uhr Apends nahm die türkische Artillerie vor Pharsala Stellung, während die Infanterie die Brücke überschritt. Am Donnerstag Morgen um 7 Uhr wurde nach kurzem Kampfe die Stadt’, genommen. Auf beiden Seiten sind große Mengen Munition verschossen worden. Die Türken hatten etwa 250 Todte und Verwundete. Das türkische Hauptquartier sollte während der Nacht zum Freitag in Pharsala verbleiben und am Freitag Morgen weiter vor⸗ rücken. Bei dem Kanapfe hat die türkische Artillerie große Manövrierfähigkeit bewisesen; die Einnahme der verschiedenen aufeinander folgenden Stellungen vollzog sich in großer Ordnung. Mit Pharsalß selbst wurden 80 Dörfer der Un⸗

egend von den türkischerg Truppen besetzt, welche dabei eine

Vevirgsbanterte mit 18 Meaulthieren, zahlreiche Munition u

auch das Gepäck der griechischen b t

darunter,

11 1 eschlaene

Der „Times“ wird aus Velestino von gestern gemeldet,

daß die gegen Volo vorrückende türkische Heeresabtheilung vor den ußentheilen der Stadt eingetroffen und die Ein⸗ nahme der Stadt in wenigen Stunden zu erwarten sei. Die Konsuln in Volo hätten beschlossen, Abtheilungen der

emden Kriegsschiffe dort ausschiffen zu lassen, und versprochen, die Stadt zu beschützen.

Eine in Athen eingetroffene Depesche aus Almyro von

estern Vormittag 11 Uhr meldet, daß die Brigade Pmolenski dort eingetroffen sei und ihren Rückzug in guter Ordnung bewerkstelligt habe.

Nach einer in Athen eingetroffenen Depesche des Obersten Manos hat der Vormarsch der Türken auf Arta am 5. d. M. begonnen. Die gegen Prevesa operierenden griechi⸗ schen Truppen sind zurückberufen worden.

Dem Wiener „Telegr.⸗Korresp.⸗Bureau“ wird aus Kon⸗ stantinopel berichtet, daß griechische Freiwillige in Akrotiri von den Kretern mißhandelt worden seien und sich auf das italienische Admiralschiff geflüchtet hätten.

Die „Kölnische Zeitung“ meldet aus Kanea von gestern: Die Aufständischen hätten auf die ausmarschierende 7 österreichische Kompagnie bei Nerokuru ge⸗ chossen, jedoch ohne ihr Verluste zuzufügen. ö Blatte zu⸗ folge verlautete in Kanea, der Oberst Vassos sei in der Nacht zu gestern mit 5 Offizieren nach Griechenland ab⸗ gereist und zwar, wie es heiße, auf einem italienischen Tor⸗ pedoboot.

Griechenland.

Die Regierung hat, der „Agence Havas“ zufolge, er⸗ klärt, daß Griechenland, falls die Mächte auf der Zurück⸗ berufung der griechischen Truppen von der Insel Kreta als einer Bedingung für die Vermittelung zwischen der Türkei und Griechenland bestehen sollten, den Krieg bis zur Vernichtung vorziehen werde. 1

Den Vertretern der Mächte in Athen ist mitgetheilt worden, daß der Thermaische Golf und die Küste von Epirus blockiert würden.

Die Zurückberufung von 25 Offizieren und zwei Kompagnien Sappeurs aus Kreta ist beschlossen worden.

Amerika.

Der Kongreß der Argentinischen Republik wurde,

wie das „Reuter'sche Bureau“ meldet, gestern in Buenos Aires mit einer Botschaft des Präsidenten eröffnet, welche die Beziehungen zu den auswärtigen Staaten für ausgezeichnete erklärt. Der Außenhandel beziffere sich im abgelaufenen Ver⸗ waltungsjahr für die Einfuhr auf 112 163 591 und für die Ausfuhr auf 116 753 095 Pesos Gold. In den ersten vier Monaten des Jahres 1897 habe sich der aus⸗ wärtige Handel im Durchschnitt noch günstiger gestaltet. Die Banknoten⸗Ausgabe belaufe sich auf 295 165 957 Pesos. In der Ueberzeugung, daß die Gesundung der Valuta ein Gebot der äußersten Nothwendigkeit sei, gehe die Regierung damit um, das Papiergeld einzulösen und zu diesem Behufe die Bildung eines Metallschatzes in Angriff zu nehmen. Der aufgestellte Finanzplan verbürge gemäß dem Beschluß des Kongresses die unverkürzte Zahlung im Schulden⸗ dienste. Die Botschaft spricht die Hoffnung aus, daß die ganze schwebende Schuld prompt werde eingelöst werden, und empfiehlt Sparsamkeit im Budget. Die üsse sein: Ordnun Sparsamkeit, Arbeiiet. 1X“

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tages und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (218.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und der Staatssekretär des Reichs⸗Justiz⸗ amts Dr. Rieberding beiwohnten, stand zunächst die dritte Berathung des Entwurfs eines Gesetzes über das Auswanderungswesen auf der Tagesordnung.

In der Generaldiskussion bemerkt

Abg. Metzger (Soz.): Wir haben Widerspruch gegen den ersten Theil der Vorlage erhoben, weil die Experimente, die man machen will, um den Auswandererstrom zu hemmen oder zu lenken, schließlich den Steuerzahlern zur Last fallen. Der zweite Theil der Vorlage ist uns durchaus sympathisch. Deswegen haben wir daran mitgearbeitet und Verbesserungen versucht. Aber etwas ist in der Vorlage ganz vergessen: die Auswandererschiffe sollen ge⸗ prüft werden in Bezug auf die Einrichtung, Ausrüstung, Ver⸗ proviantierung u. s. w., aber von der Mannschaft ist keine Rede, trotzdem diese auch nach dem Handelsgesetzbuch zu einem richtig aus⸗ gerüsteten Schiff gehört. Wir haben deshalb im Interesse der deutschen Sceleute einen Antrag gestellt, der für die gehörige Bemannung der Schiffe sorgen will. Bei früherer Ge⸗ legenheit bat der Staatssekretär von Boetticher einmal er⸗ klärt, daß es begreiflich sei, wenn der Auswanderungs⸗ kommissar seine Revisionen vorher anzeige, damit die Mannschaft an ihrem Platze sein könne. Der Kommissar in Hamburg habe eine andere Auffassung davon gehabt und revidiere ohne vorherige Anzeige,

wiederhole auch die Prüfung des Schiffes, wenn es auslaufe.

Damit schließt die Generaldiskussion. Bei § 2 führt . Dr. Hammacher (nl.) aus, daß die in zweiter Lesung Zustimmung des Bundesraths zur Erlaubniß für die Auswanderungsunternehmer eine Verschlechterung enthalte insofern, als der Reichskanzler in eine Zwangslage komme, wenn er die Ge⸗ nehmigung versagen wolle, während der Bundesrath gegentheiliger Meinung sei. Der Reichskanzler, der allein verantwortlich sei, komme dann in die Lage, gegen seinen Willen eine Konzession zu ertheilen. Abg. Graf von Arnim (Rp.): Ich glaube, der Reichskanzler wird sich über solche Dinge mit dem Bundesrath denn sonst müßte ja beim Meinungszwiespalt der Reichskanzler seine Entlassung nehmen. Der Reichskanzler müßte auch zufrieden sein, wenn er die Konzessionsnachsuchenden abweisen und an den Bundesrath überweisen könnte. Die Nachgiebigkeit eines Ab⸗ theilungs⸗Chefs in der Kolonialverwaltung hat gezeigt, zu welchen olgen man kommt; ohne diese Nachgiebigkeit wären die unseligen Verträge mit den englischen Gesellschaften in Südwest⸗Afrika wohl nicht abgeschlossen worden. .““

Nach weiterer Debatte, an welcher sich die Abgg. Dr. Bachem (Zentr.), Dr. Graf zu Stolberg⸗Wernigerode (d. kons., Dr. von Marquardsen (nl.), Dr. Barth Fr Vag.) und Dr. Hammacher (nl.) betheiligten, wurde

2, ebenso die §8 3 bis 24 unverändert angenommen. „‚Darauf wurde über den § 34, wonach ein Unternehmer dafür zu sorgen hat, daß das Schiff seetüchtig, zweckmäßig ein⸗ gerichtet und verproviantiert ist, mit dem vazu ze ellten sozial⸗ demokratischen Antrage, daß das Schiff auch gehörig be⸗ mannt sein solle, berathen. Bis zum Schluß des Blattes betheiligten ch an der Debatte über diesen Gegenstand der Unter⸗Staats⸗

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sekretär im Reichsamt des Innern Rothe, sowie die Abgg.

Dr. Spahn (Zentr.), Jebsen (nl.), Stadthagen (Soz.),

hr. 8 Cuny (nl.), Bebel (Soz.) und Dr. Bachem entr.).

Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen (79.) Sitzung, welcher der Finanz⸗Minister Dr. von Miquel beiwohnte, die zweite Berathung des Etats des Ministe⸗ riums der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗ Angelegenheiten bei den einmaligen Ausgaben fort.

Bei den Ausgaben für den Erweiterungsbau der Augenklinik in Königsberg dankt

Abg. von der Groeben (kons.) der Regierung dafür, daß sie energische Maßregeln gegen die granulöse Augenentzündung ergriffen habe, die in Ostpreußen weit verbreitet sei. Die Ausdehnung der Krankheit lasse sich leider nicht genau feststellen, sie sei aber wohl größer, als man anzunehmen scheine. Die Krankheit sei leicht über⸗ tragbar, man solle deshalb die erkrankten Kinder vom Schulbesuch ausschließen und bei der Aushebung der Wehrpflichtigen ebenfalls auf diese eminente Gefahr achten. Die Hauptsache sei, daß man die kranken Personen sofort isoliere.

Ministerial⸗Direktor Dr. von Bartsch entschuldigt die Ab⸗ wesenheit des Ministers, der noch durch die Einweihung der beiden neuen Garnisonkirchen verhindert sei. Die Medizinalverwaltung habe die Schritte zur energischen Bekämpfung der Granulose in ganz Ost⸗ preußen und Westpreußen eingeleitet. Schon über 7000 Erkrankungs⸗ fälle seien untersucht worden. In der Klinik in Königs⸗ berg sei eine besondere Abtheilung zur Bekämpfung der Krankheit gebildet worden, für die Aerzte werde ein besonderer Kursus über die Bekämpfungsmethode abgehalten. Allerdings stehe noch nicht fest, welche der vorhandenen Methoden die geeignetste sei. Es sei ein ganz bestimmter Feldzugsplan entworfen, und er hoffe zu Gott, daß die Unterdrückung der Krankheit gelingen werde.

Abg. Dr. Schnaubert (kons.) giebt eine ziffermäßige Dar⸗ stellung über die weite Verbreitung der Granulose in den einzelnen Kreisen Ostpreußens. Leider lasse sich die Bevölkerung die Maßregeln der Aerzte nur ungern gefallen, weil sie mit Umständen und Scherereien verbunden seien. Die Krankheit wirke wie ein schleichendes Gift, und es handle sich daher nicht etwa um ostpreußische Lokal⸗ schmerzen; denn es liege die Gefahr vor, daß die Krankheit auch auf die benachbarten Provinzen übertragen werde. Redner bittet die Regierung, nicht mit den Mitteln zu sparen, um die Krankheit wirk⸗ sam bekämpfen zu können; das Haus werde alle zweckmäßig ver⸗ wendeten Mittel gern bewilligen. 8

Bei den Ausgaben zum Neubau des erstenchemischen Instituts in Berlin spricht 1

Abg. vom Rath (nl.) seine Freude über die Einstellung dieser Forderung aus, da die Einrichtungen für Chemie an der größten ÜUniversität unseres Landes bisher noch zurückgeblieben seien. Hoffentlich werde der Minister guch den Forderungen der Lehrer der Chemie in Bezug auf Be erstellung ein willfähriges Ohr leihen. Unsere chemische Industrie sei, dank dem innigen Zu⸗ sammenwirken mit der chemischen Wissenschaft, die erste der Welt geworden. Möge die Regierung dafür sorgen, daß unsere chemische Wissenschaft auf ihrer Höhe erhalten bleibe.

„Von den Ausgaben von 154 000 zur Deckung des Defizits bei der Universitätskasse in Greifswald beantragt die Budgetkommission, 71 800 ℳ, welche zum Ankauf und zur Einrichtung des Marsson'schen Hauses zur Unterbringung des hygienischen Instituts verwandt werden sollen, aüjseben und nur 82 200 zu bewilligen. Das Haus beschließt diesem Antrage gemäß. 8 8

on den Ausgaben von 190 000 zur Beschaffung eines Versuchsfeldes für das Landwirthschaftliche In⸗ stitut in Breslau und zur Herrichtung dieses Feldes bean⸗ tragt die Budgetkommission, 18 000 asusegen und nur 172 000 zu bewilligen. Das Haus beschließt demgemäß.

Bei den Ausgaben für Neubauten bei der Uni⸗ versität Kiel dankt

Abg. Groth (nl.) der Regierung dafür, daß sie in diesem Jahre 245 000 mehr für diese Bauten verwenden wolle als im vorigen. Die Zahl der Studierenden in Kiel habe seit den 70 er Jahren um das Dreifache zugenommen, und es sei daher mit Freude zu be⸗

1” daß die Regierung für die Verbesserung der medizinischen Fn titute Sorge trage. Aber das pathologische Institut sei noch nicht hinreichend dabei bedacht; auch das pharmakologische Institut sei noch völlig unzureichend. Die Räume der Universität selbst seien gleichfalls nicht genügend; bei der Centenarfeier sei die Aula so überfüllt gewesen, daß mehrere Personen ohnmächtig wurden. Es müsse ein neuer Anbau bei der Universität geschaffen werden, wozu der Platz vorhanden sei. Redner bittet die Regierung, in den nächsten Etat Mittel dafür einzustellen.

(Schluß des Blattes.)

Dem Reichstage ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Feststellung eines zweiten Nachtrags zum Reichshaus⸗ halts⸗Etat für das Etatsjahr 1897/98, zugegangen. Dieser Nach⸗ trag beläuft sich auf 171 210 ℳ, und zwar auf 71 210 an fort⸗ dauernden und auf 100 000 an einmaligen Ausgaben des ordent⸗ lichen Etats. Die Mittel zur Bestreitung dieses Mehrbedarfs sollen, soweit sie nicht durch Mehrerträge bei den außer den Matrikular⸗ beiträgen zur Reichskasse fließenden regelmäßigen Einnahmen ihre Deckung finden, durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach Maß⸗ gabe ihrer Bevölkerung aufgebracht werden.

Die fortdauernden Ausgaben in Höhe von 71 210 entfallen auf das Reichsamt des Innern und sollen dazu dienen, das Personal des Reichs⸗Versicherungsamts zu vermehren, das zur Bewältigung der noch in fortgesetzter Zunahme befindlichen Arbeiten nicht mehr aus⸗ reicht. Der Gesetzentwurf sieht daher die Schaffung von Stellen für fünf ständige Mitglieder, neun Bureaubeamte, drei Kanzlei⸗Sekretäre und zwei Kanzleidiener vor.

Die einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats in Höhe von 100 000 sollen in Ergänzung des bereits in den Reichshaushalts⸗ Etat für 1897/98 eingestellten Betrages von 50 000 zur Durch⸗ führung der schwebenden Vorarbeiten für die Betheiligung des Reichs an der Weltausstellung in Paris im Jahre 1900 dienen. Ins⸗ gesammt wird zur Deckung der dadurch erwachsenen Kosten nach den

vorgenommenen Schätzungen ein Betrag von fünf Millionen Mark

erforderlich sein.

Bei der heute vorgenommenen Ersatzwahl zum Hause der Abgeordneten im 4. Lüneburger Wahl⸗ bezirk (Uelzen) wurde nach amtlicher Feststellung der Ober⸗ Regierungs⸗Rath von Tzschoppe (fr. kons.) mit den ab⸗ gegebenen 147 Stimmen wiedergewählt.

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Arbeiterbewegung.

In Düsseldorf befinden sich einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge 30 Tischler der Firma Schöndorf im Ausstande.

In Nordhausen haben sämmtliche Arbeiter der Taback⸗ waarenfabrik von Knies, 29 an Zahl, die Arbeit eingestellt. Der Ausstand ist, wie aus dem „Vorwärts“ zu ersehen, eine Folgeerschei⸗ nung der sozialdemokratischen Maifeier.

In Fors ö. gre s Blatt die Maurer wegen Lohnstreites die Arbeit niedergelegt. .

b re Triest meldet „W. T. B.“: Die Mehrzahl der Werft⸗ arbeiter in San Roco hat die Arbeit nach achtzehntägigem Aus⸗ stande wieder aufgenommen. Die Werftdirektion hat ierauf eine einstündige Herabminderung der Arbeitszeit bewilligt.

In Tannwald in Böhmen traten, wie ferner im „Vorwärtss berichtet wird, 400 Weber der Majer'schen Fabrik am 3. Mai wegen Lohnstreits in den Ausstand.

8 In Trebitsch in Mähren haben 800 Arbeiter der Loh⸗ gerbereien am 4. d. M. die Arbeit wegen Lohnstreits niedergelegt.

Mannigfaltiges.

8 In Gegenwart Ihrer Kaiserlichen und Majestäten wurden heute die beiden neuen Garnisonkirchen in der Hasenhaide feierlich eingeweiht. b 8

Um 9 Uhr schlugen zum ersten Mal die Glocken der evangelischen Garnisonkirche auf dem Kaiser Friedrich⸗Platz an, um die Festgemeinde zusammenzurufen. Kurz nach 9 ½ Uhr erfolgt der Anmarsch der von dem Kaiser Franz Garde⸗Grenadier⸗Regiment gestellten Ehrenkompagnie, welche die Fahnen und Standarten aus dem Schlosse abgeholt hatte. Die Fahnen wurden unter den Klängen des Präsentiermarsches in die Kirche eingebracht, wo di Fahnenträger sich zu beiden Seiten des Altars aufstellten; die Ehren kompagnie nahm mit dem Musikkorps und der Fahne de Regiments gegenüber dem Hauptportal Aufstellung. Inzwischen sich die Festgemeinde. Es erschienen Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Friedrich Leopold die im Garde⸗ Korps dienenden Prinzen aus regierenden deutschen Häusern, der General⸗Feldmarschall Graf von Blumenthal, der Chef des Militär Kabinets General von der Kriegs⸗Minister General⸗Lieute nant von Goßler, der Gouverneur von Berlin Graf von Wedel, di Generale von Rauch und von Mischke und viele andere hohe Offi ziere, der Chef des Zivilkabinets, Wirkliche Geheime Rath Dr. ven Lucanus, der Chef des Marinekabinets, Kontre⸗Admiral Freiherr von Senden⸗Bibran, der Ober⸗Hofmarschall Graf zu Eulenburg der Ober⸗Stallmeister Graf von Wedel und der Ober⸗Hof meister Ihrer Majestät Freiherr von Mirbach. Auch de General⸗Stabsarzt der Armee Dr. von Coler war zugegen Das Ministerium der Fifilicgen ꝛc. Angelegenheiten vertrat de Staats⸗Minister D. Dr. 2 c. persönlich, die Militär⸗Bauverwaltun wurde durch den Geheimen Baurath Voigtel, die Stadt Berlin durch den Ober⸗Bürgermeister Zelle repräsentiert. Auch der Reichstag hatt Vertreter entsandt. Die zehn Truppentheile, für welche die neue Kirch bestimmt ist: das Kaiser Franz Garde⸗Grenadier⸗Regiment, da 3. Garde Regiment z. F., das Garde⸗Kürassier⸗Regiment, di beiden Garde⸗Dragoner⸗Regimenter, das Garde⸗Pionier Bataillon, die drei Eisenbahn⸗Regimenter mit der Luft schiffer⸗Abtheilung und der Garde⸗Train hatten Abordnungen zu der Fei

ommandiert. Ihre Kaiserlichen und Königlichen Maje kstäten begaben Sich vom Schlosse aus in offenem, von eine Eskadron der Garde⸗Kürassiere eskortierten Wagen nach dem Kirch platz. Seine Majestät der Kaiser hatte die Uniform des Kaise Franz Garde⸗Grenadier⸗Regiments angelegt. Seine Majestät schrit zuerst die Front der Ehrenkompagnie ab und kehrte dann nach den Kirchenportal zurück, um die dort versammelten Prinzen zu begrüßen. Nunmehr überreichte Baurath Roßteuscher den Schlüssel der Kirche Seiner Majestät dem Kaiser, Allerhöchstwelcher ihn dem Feldpropst D. Richter weitergab, um das Gotteshaus zu öffnen. In dem Augen⸗ blick, als Ihre Kaiserlichen und Königlichen Majestäten die Kirche betraten, intonierte der aus Sängern der Garnison⸗Kirche und de Kirche am Johannistisch gebildete Chor den 100. salm von Men delssohn. Inzwischen war der Feldpropst an den Altar getreten, um den Akt der Weihe zu vollziehen. Er knüpfte an Ephes. 2, 19 22 „So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sonder Bürger mit den und Gottes Hausgenossen“ a und sprach den ank dafür aus, daß die Gemeind nach langer Zeit, in der sie Gast gewesen, nunmehr ein eigenes Gottes⸗ haus, und zwar ein so schönes, durch die Liebe und Opferwilligkeit so Vieler aus hohem und niedrigem Stande herrlich geschmücktes erhalte habe. Er fügte daran die Mahnung, daß die Gemeinde nun auch selbst sie dadurch zu einem Gotteshaus aufbaue, daß ein Jeder an seinem Theil mit dem rechten Geist sich durchdringe und ein lebendiger Baustei werde. Der Geistliche verwies endlich noch auf das in die von Seine Majestät dem Kaiser geschenkte Altarbibel eingeschriebene Wort au Jerem. 7, 23: „Gehorchet meinem Wort, so will ich euer Got sein und ihr sollt mein Volk sein“, und vollzog alsdan die Zeremonien der Weihe. Der von den Trompetern der Garde Kürassiere begleitete Choral „O heiliger Geist“ leitete zu der vo Divisions⸗Pfarrer Franke abgehaltenen Liturgie über, an deren Schlu die Festgemeinde den ersten Vers des Lutherliedes sang. Hierau folgte die Festpredigt des Divisions⸗Pfarrers Wiehe über das po Seiner Majestät dem Kaiser in die Kanzelbibel eingeschrieben Wort aus Joh. 15, 5: „Ich bin der Weinstock, ihr seid di Reben; wer in mir bleibet, und ich in ihm, der

Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts thun.“

wegten Worten pries der Geistliche Jesum Christum als unser Kraft und als unsere Hoffnung: „als unsere Kraft, wenn wir an ih glauben in jener Heilandsliebe, die der Boden ist, auf dem alle echte Soldatentugenden wachsen können, und die uns die Nächstenlieb lehrt: das einzig richtige Fundament, auf dem das Wohl de Volkes gebaut werden kann, und unsere Hoffnung im Hin blick auf die Ewigkeit“. Mit Segenswünschen und Worte der Mahnung schloß der Geistliche. Die Gemeinde sang danach de vierten Vers. des Lutherliedes: „Das Wort, sie sollen lassen stahn“ Militär⸗Oberpfarrer Wölfing sprach Gebet und Segen; dann beschlo der unter dem Geläut der Glocken und 21 Salutschüssen der Artilleri von Fer Gemeinde stehend gesungene Choral: „Nun danket Alle Gott die Feier.

Während Seine Majestät der Kaiser die Kirche besichtigte, erfolgt die Ueberführung der Fahnen nach der benachbarten neuen katholi schen Garnison⸗Kirche, wo die Fahnenträger vor dem Alta Aufstellung nahmen. Vor dieser Kirche war eine Ehren⸗Eskadron de 2. Garde⸗Dragoner⸗Regiments (zu Fuß) mit dem peter korps und der Standarte aufgestellt. Um 10 ½ Uhr hatten hierzdi Glocken zu läuten begonnen. Der Feldpropft Bischof Aßmann welcher die Kirche am Morgen unter Assistenz mehrerer Geistliche nach katholischem Ritus konsekriert hatte, empfing mit der Geistlich keit Ihre Majestäten und die Ehrengäste, die sich Allerhöchstdenselbe angeschlossen hatten. Den Schlüssel überreichte hier der Bau rath Vetter Seiner Majestäat dem Kaiser, Allerhöchst welcher das Gotteshaus durch den Propst aufschließe ließ. Dann erfolgte der feierliche Einzug in das Gotteshaus Währenddessen spielte die Kapelle des ersten Eis Beethoven'sche Hymne „Die Himmel „rühmen“.

Kaiserlichen Majestäten und die Ehrengäste Platz genommen hatten hielt Feldpropst Aßmann die Weihrede, in der er auf das Friedensfes hinwies, das man hier an der Anbetungsstätte für den Herrn der Heerschaaren feiern könne, nachdem das

des Baues so herrlich gelungen. Er gab der vollen 1 beredten Ausdruck, mahnte aber, immer zu bedenken, daß der Mensch wohl in der Welt, aber nicht für die Welt lebe, und hier finden soll eine Zufluchtsstätte in den Stürmen des Lebens, eine Pflanzstätte den Glauben, für die Vaterlandsliebe und die Treue zum an gestammten Herrscherhause, Kraft für den Kampf gegen Un⸗ glauben, gegen Unzufriedenheit und Auflehnung gegen die Obrigkeit Nachdem er nochmals gemahnt hatte, Gott und dem Herrscher hause Treue und Liebe zu bewahren, schloß er mit dem Wunsche, das das Gotteshaus ein Denkmal christlichen Glaubens sein und bleiben möge. An die Ansprache schloß sich ein Pontifikal⸗Amt, dessen Ge⸗ sänge nach der Missa Gregorii vom Oberpfarrer Vollmer eingerichtet, während das Credo nach alten mailändischen Melodien arrangiert war Der Chor wurde vom Mustkdirektor Pritze geleitet. Mit dem Ambrosiani schen Lobgesang schloß die Feier. Während des sich anschließenden Rund angs spielte der Dirigent des Akademischen e der Hoch chule für die bildenden Künste Holtschneider auf der Orgel eine Pech. gf Fuge. Seine Majestät der Kaiser nahm hierauf vor der Kirche die Parade über die Ehren⸗Kompagnie, die Ehren⸗Eskadron,