1897 / 116 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 18 May 1897 18:00:01 GMT) scan diff

Herzogs Johann Albrecht zu Mecklenburg entgegen⸗ eenommen, durch welches Höchstdemselben das Ableben einer Königlichen Hoheit des ozroßherzogs Friedrich

Franp III. von Mecklenburg, sowie die Uebernahme er Regentschaft des Großherzogthums durch Seine Hoheit

den Herzog Johann Albrecht 8 die Dauer der Minderjährig⸗

keit Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs Friedri

Franz IV. notifiziert wird.

Schwarzburg⸗Sondershausen.

Der Landtag wird, wie „Der Deutsche“ meldet, am 24. d. M. in Sondershausen zusammentreten.

DSDesterreich⸗Ungarn. 8

In dem Adreßausschuß des österreichischen Ab⸗ geordnetenhauses hat gestern die Adreß debatte begonnen. Die deutsche Fortschrittspartei und die deutsche Volkspartei legten je einen eigenen Adreßentwurf vor. Der Abg. Freiherr von Ludwigstorff lehnte den Adreßentwurf der Mehrheit im Namen des ver⸗ ee Großgrundbesitzes ab, insbesondere mit

ücksicht auf die Stelle über die Erweiterung der Autonomie der Länder und die Unterstellung der Volksschule unter die Landesverwaltungen. Der Abg. Dr. Kramar er⸗ klärte, die Jungezechen hielten an dem Ziele einer Lösung des ““ Programms fest und seien mit der aus⸗ wärtigen Politik, nach der zwischen Wien und St. Petersburg erfolgten Verständigung, durch welche eine neue Friedensgewähr gewonnen sei, einverstanden. Der Abg. Dr. Baernreither be⸗ tonte, die Adresse negiere durch die Verlegung des Schwerpunktes in staatsrechtliche Forderungen die auf dem Boden der Ver⸗ fassung stehende Thronrede. Der Abg. Freiherr von Dipauli hob hervor, daß die Schul⸗Novelle für seine Partei mit den Staatsgrundgesetzen vereinbar sei. Der Abg. Graf Stuergkh erachtete eine Revision der Sprachen⸗ verordnung unter Zuziehung beider Parteien für geboten. Seine Partei halte an dem Zentralismus der Verwaltung und an dem Reichs⸗Volksschulgesetz fest. Der Abg. Dr. Schuecker bekämpfte die Erweiterung des Wirkungskreises der Landtage und die Unterstellung der Volksschule unter die Landes⸗ regierungen. In der Adresse vermißte der Redner den Ausdruck des Dankes, den das Reich dem Kaiser für den Schutz des Friedens schulde. Der Abg. von Campi kündigte an, daß die Italiener gegen den Adreßentwurf stimmen würden. Der Redner vermißte auch in dem Entwurfe die Erwähnung der . Eisenbahnverbindung mit Triest. Der Abg. Dr. von

adeyski erklärte, er halte eine Dezentralisierung ohne eine Aenderung der Verfassung für möglich, eine Zurückstellung der Parteigrundsätze bei der heutigen Lage aber für unmöglich. Der Abg. Dr. Scheicher kündigte einen eigenen Adreßentwurf der Christlich⸗Sozialen an. Der Abg. Prinz von Schwarzenberg brachte die Zustimmung des konservativen Großgrundbesitzes zu der Adresse zum Ausdruck. Der Abg. Dr. Kopp äußerte, man möge das Verhältniß zu Böhmen so gestalten wie dasjenige zu Ungarn. Der Abg. Dr. Schuecker verlas zum Schluß der Sitzung den Adreß⸗ entwurf der deutschen Fortschrittspartei. Derselbe spricht sich für die Bewahrung des Volksschulgesetzes vor weiteren Schädigungen aus, tritt den Bestrebungen, welche die Volks⸗ schule dem Schutze der Gesetzgebung noch mehr entrücken wollen, entgegen und spricht mit Befriedigung aus, daß die Re⸗ gierung das Einvernehmen mit den Bundesgenossen ge⸗ pflegt und enge Fühlung mit den befreundeten Mächten genommen habe, um den durch die Ereignisse im Orient Eätsege Frieden zu sichern. Die Adresse drückt die Hoffnung aus, es werde den Bemühungen des Kaisers ge⸗ lingen, dieses kostbare Gut zu erhalten, und führt weiter aus, daß durch die Sprachenverordnungen, denen die Partei die An⸗ erkennung der Gesetzlichkeit versagen müsse, die Regierung ein neues, schier unüberwindliches Hinderniß für die Versöhnung der Nationalitäten geschaffen habe. Ohne Beseitigung dieses Hindernisses müßten die Arbeiten des Hauses eine schwere Schädigung erfahren. Die Deutschen Oesterreichs vertrauten außer auf ihre eigene Kraft und Entschlossenheit nur auf die Weisheit des Kaisers, der den Weg finden werde, um das Reich aus den Wirren zu retten.

Frankreich. In der Kirche Ste. Madeleine zu Paris fand gestern die Trauerfeier für den Herzog von Aumale statt. Zwei Bataillone Infanterie sowie Abtheilungen von Kavallerie und Artillerie erwiesen vor der Kirche die militärischen Ehren. Der in der Mitte der Kirche errichtete Katafalk war mit den Farben der Republik geschmückt. Zunächst dem Sarge hatten der Herzog von Chartres als Vertreter des Herzogs von Orléans, der Graf von Flandern als Vertreter des Konigs der Belgier, der Herzog von Aosta als Vertreter des Königs von Italien, der Fürst von Bulgarien, der Graf von Eu, der Infant von panien Don Antonio als Vertreter der Königin⸗Regentin von Spanien, der Prinz Waldemar von Dänemark und der Prinz Fhghaes von Bayern Platz genommen. Auf der anderen Seite befanden sich die Ferzogin von Orléans, die Prinzessin Cle⸗ mentine von Sachsen⸗Coburg und Gotha, die Fuͤrstin von Bulgarien, die Prinzessin Alphons von Bayern und die erzogin Elisabeth in Bayern. Der Präsident Faure ließ ich bei der Feier vertreten. Unter den Anwesenden befanden sich die Minister Hanotaux, Admiral Besnard und General Billot, zahlreiche Generale, die Mitglieder des Institut de France sowie die Mitglieder des diplomatischen Korps. Nach Beendigung der Messe wurde der Sarg auf den Platz vor der Kirche getragen, wo die Truppen an demselben vorbeidefilierten, während die Musik einen Trauermarsch spielte. Später wurde der Sarg in die Kapelle zurückgebracht, von wo aus er heute nach Dreux überführt werden soll. Die Herzogin von Orléans empfing, wie „W. T. B.“ meldet, im Laufe des gestrigen Nachmittags zahlreiche royali⸗ stische Abordnungen der verschiedensten Volksklassen.

Rußland. Der Herzog Paul Friedrich zu Mecklenburg stattete gestern, wie „W. T. B.“ meldet, der Kaiserin⸗ Wittwe in Gatschina einen Besuch ab. Ch Der hen kerenriscce Fecondie Min⸗Jun⸗ uan ist gestern mi em Gesandtschaftspersonal in St. Peebars vgeeher f ehe Der „Regierungsbote“ veröffentlicht ein Kaiserliches Restript, durch welches Graf Woronzow⸗Daschkow seines Amtes als Haus⸗Minister auf sein Ansuchen enthoben und

[seiner Verdienste um den Thron und das Vaterland zum Mitglied des ie ernannt wird.

Baron Fredericks ist zum Leiter des Ministeriums des Kaiserlichen Hofes ernannt worden.

In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer brachte der Deputirte Cavalotti eine Interpellation ein über den Tod des Arbeiters Frezzi, welcher infolge von im Polizeigefängniß erlittenen Mißhandlungen gestorben sein solle. Der Justiz⸗Minister Costa führte aus, daß er nach den ersten bene n geglaubt habe, es handle sich wirklich um einen Selbstmord. In der Folge habe er jedoch den Eindruck empfangen, daß man auf Grund der Möglichkeit eines Delikts eine Untersuchung ein⸗ leiten müsse. Er habe hiervon die Behörde verständigt, welche sofort die Verhaftung mehrerer Polizisten angeordnet habe, die in dem Augenblick den Dienst versehen hätten, als Frefhi gestorben sei. Die Justiz verfolge die Untersuchung unabhängig von jedem Einfluß. Der Minister⸗Präsident di Rudini erklärte, er habe schon seit 1SSg. Zeit die Nothwendigkeit einer Reform des öffentlichen Sicher⸗ heitsdienstes erkannt; er klage weder jemand an, noch rechtfertige er jemanden in dem Falle Frezzi. Er er⸗ warte den Beschluß der Behörde. Der Minister⸗Präsident sagte schließlich, man möge jehen Mißbrauch zur Kenntniß bringen, doch möge man sich enthalten, den öffentlichen Sicherheitsdienst, welcher Ehre und Leben der Bürger beschütze, zu diskreditieren. Die sozialistischen Deputirten Costa und Ravagli interpellierten gleichfalls über den Tod Frezzi's. Costa beantragte dann eine Resolution, betreffend die Schadloshaltung der Familie Frezzi’'s. Der Minister⸗Präsident di Rudini erwiderte, daß er einen Tag bestimmen werde, an welchem er sich über den Beschlußantrag zu erklären bereit sei.

Schweiz. Der König von Siam ist gestern Abend, wie „W. T. B.“ meldet, mittels Sonderzuges in Genf eingetroffen. Im Empfangssalon des Bahnhofes hatten sich zu seiner Be⸗ grüßung die Behörden der Stadt und des Kantons Genf, sowie die siamesischen Gesandten in Paris und Berlin eingefunden. Nach dem offiziellen Empfang und der sich daran anschließenden Vorstellung der Vertreter der Behörden fuhr der König mit seinem Gefolge und den zum Empfang Erschienenen nach seinem Absteigequartier, wo später ein Galadiner stattfand. Der sich gegen den 25. d. M. nach Bern begeben, um dem Bundesrath einen offiziellen Besuch abzustatten.

Türkei.

Gestern Nachmittag hat, wie „W. T. B.“ aus Kon⸗ stantinopel meldet, eine Konferenz der Botschafter stattgefunden. Das Wiener E1 berichtet: das gesammte diplomatische Korps bezeichne die verlangte Kriegs⸗ eat gAb gun⸗ als zu hoch und unerfüllbar. Die geforderte Gebietsabtretung, ausgenommen eine militärisch nothwendige Grenzberichtigung, sei mit der Erhaltung des status quo un⸗ vereinbar. en hen sei eine türkische Occupation Thessaliens bis zur Zahlung der Kriegsentschädigung oder bis zur Leistung einer anderen Garantie zu erwarten.

Seitens der se wird, wie das letztgenannte Bureau

unter Anerkennun

weiter meldet, der Fortgang der Operationen in Thessalien strengstens geheimgehalten. Es wird zugegeben, daß die beiden Offensiv⸗Operationen der Griechen in Epirus an einigen Punkten erfolgreich gewesen seien, jedoch betont, daß seit vorgestern türkische Verstärkungen im Vorrücken begriffen seien. Die Ursachen der Miß⸗ erfolge erblickt man in der Schwäche und der schlechten Dis⸗ lokation der türkischen Truppen, 5 in dem Mangel eines einheitlichen Kommandos. Die Verstärkung der türkischen Operationsarmee wird damit begründet, daß erhöhte Streit⸗ kräfte einerseits in Epirus zur Vertreibung der Griechen und zur Aufnahme der Offensive, andererseits in Thessalien zur Occupation West⸗Thessaliens und zur Herstellung einer Verbin⸗ dung mit dem Heerestheil in Epirus nöthig seien.

Aus Lamia meldet die „Agence Havas“, daß gestern der Kampf auf der ganzen Linie bei Domoko entbrannt sei. Nach den bis Mitternacht in Athen eingegangenen Depeschen begannen die Türken in einer Gesammtstärke von 35 000 Mann Infanterie, Kavallerie und Artillerie gegen Mittag in der Umgebung von Domoko den Angriff auf die griechischen Stellungen, namentlich gegen den linken Flügel und das Zentrum. Die Türken, welche den Durchbruch nach Süden erzwingen wollten, um Domoko zu blockieren, gingen auf der Straße von Pharsalaenach Domoko bis zum Dorfe Tsonflian (2) vor. Die Artillerie eröffnete hierauf auf 7000 m Entfernung das Feuer, wodurch die Türken gezwungen wurden, in der Richtung auf Pharsala ö Auf dem rechten Flügel bei Almyro hatten die

ürken den Obersten Smolenski mit dreifach überlegenen Streit⸗

kräften angegriffen. Gegen 9 Uhr Abends waren die Griechen

dort um 6 km auf das Zentrum ihrer Stellung zurück⸗ gedrängt worden. Der Kampf dauerte bis nach Sonnenunter⸗ gang. Da aber die Türken sich in Kitiki, nördlich der Linie Domoko —Almyro, festgesetzt hatten, gingen die Griechen auf die 1.-ve ee an der alten Grenze im Othrys⸗Gebirge zurück.

Eiine amtliche, in Athen eingetroffene Mittheilung über die Schlacht bei Domoko meldet: „Seit 5 Uhr früh waren 50 Türken im Anmarsch. Um Mittag fiel der erste Kanonenschuß. Der Feind, welcher zuerst den linken Flügel angriff, wurde zurückgeschlagen und zog dann seine gesammten Streitkräfte gegen den rechten Flügel zusammen, welcher gegenüber den vierfach überlegenen Streitkräften in der Richtung auf Kitiki, . und Karatzoli zurückgehen mußte, wo die Truppen zusammengezogen wurden. Die Verluste des Feindes sind groß, die unsrigen ebenfalls empfindlich. Die griechischen Truppen kämpften tapfer gegen 82 eehe Feind, welcher über eine stärkere Artillerie verfügte.“

Aus Lamia von heute früh 2 Uhr meldet die „Agence avas“, daß sich die Division Mastrapa bis auf eine tunde Entfernung von Domoko habe zurückziehen müssen. In

Anbetracht der beträchtlichen Streitkräfte der Türken sei es unmöglich, den Vormarsch derselben zu Die tür⸗ kische Artillerie sei in Stärke von wöͤlf atterien in breiter Nont vorgerückt. Auch auf dem linken Flügel seien die Türken, durch einen Hügel gedeckt, weit vorgerückt und be⸗ drohten die griechische Stellung, welche Verstärkungen nöthig habe. Der Vormarsch der Türken dauere noch fort.

Nach einer in Athen eingetroffenen Privatdepesche wäre

Almyro aufgegeben und von 1500 Türken besetzt worden; der Oberst Smolenski solle sich nach Kephalosi zurückgezogen

haben, doch werde in amt lichen Kreisen diese Na wahrscheinlich Fe⸗ Die Regierung habe d die Entscheidun erlassen, ob sie in Domoko bleiben oder sich auf das Othrys⸗Gebirge zurückzichen wollten.

Nach einer weiteren Meldung der „Agence Havas“ wär Domoko von den Griechen geräumt worden.

1 Griechenland.

Eiinner Meldung der „Agence Havas“ aus Athen zufolge hat sich der Minister⸗Präsident Ralli gestern bei den Vertretern der Mächte über den Angriff der Türken auf Domokg während Griechenland auf das Verlangen der Mäͤchte sowohl in Epirus wie in Thessalien eine streng defensive Haltun beobachte, beklagt. Beschwerde At.

Amerika.

Der Prã ident Mac Kinley hat, dem „W. T. B.“ zufale

gestern eine Botschaft an den Kongreß gesandt, worin er die Bewilligung von mindestens 50 000 Dollars verlangt, um die hilfsbeduͤrftigen amerikanischen Bürger auf Cuba zu unter⸗ stützen und denselben, wenn sie es wünschten, die Rückkehr na den Vereinigten Staaten zu ermöglichen. Der Senat hat eine der Botschaft des Präsidenten entsprechende Resolution angenommen; eine gleiche Resolution wurde hingegen im Repräsentantenhause abgelehnt. Die Botschaft erwähnt Spaniens in keiner Weise.

Aus Rio de Janeiro meldet „W. T. B.“, daß der General Machado Bitencourt an Stelle von Vasques, welcher seine genommen habe, zum Kriegs⸗Minister ernannt worden sei. er Chef des Generalstabs, General Argolo habe ebenfalls seine Entlassung genommen.

Afrika.

Alus Lourenço Marques wird dem „W. T. B.“ be⸗ richtet, daß das britische Ges chwad er gestern den dortigen

Hafen wieder verlassen habe.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (223.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher beiwohnte, stand die erste und eventuell zweite Berathung des von den Abgg. Rickert (fr. Vgg., Ehni (fr. Volksp.), Dr. von Jazdzewski (Pole), Dr. Lieber (Zentr.), Richter (fr. Volksp.), Singer (Soz.) und Werner beantragten Gesetzentwurfs, betreffend das

ereinswesen, auf der Tagesordnung. Derselbe lautet:

„Inländische Vereine jeder Art dürfen mit einander in Ver⸗ bindung treten. Entgegenstehende landesgesetzliche Bestimmungen sind aufgehoben.“

Den Ausführungen des Abg. Rickert, welcher den Arn⸗ trag zunächst in längerer Rede zu begründen suchte, trat der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher entgegen.

Bis zum Schluß des Blattes nahmen darauf noch die Abgg. Dr. Lieber (Zentr.) und von Kardorff (Rp.) das Wort.

Der Schlußbericht über die gestrige Seung des der Abgeordneten befindet sich in der Ersten eilage.

In der heutigen (87.) Sitzung, welcher der Minister des Innern Freiherr von der Recke beiwohnte, fette das Haus der Abgeordneten die erste Berathung des Gesetz⸗ entwurfs zur . und Abänderung von Bestimmungen über Versammlungen und Vereine

fort.

Abg. Stöcker: Es wird Ihnen befremdlich sein, wenn ich in dieser Frage mit der Linken gegen die Rechte zusammengehe. thue es auf Grund meiner langjährigen Erfahrung bezüglich der Be⸗ kämpfung der Sozialdemokratie. Die größten Hindernisse in diesem Kampfe sind mir seitens der dittelparteien begegnet; namentlich sind diese Hinder⸗ nisse in der letzten Zeit so massiv geworden, daß ich das Gefühl habe, daß die Christlich⸗Sozialen viel heftiger ange⸗ griffen werden als die Sozialdemokraten selbst. Wir haben in unserem Kampfe große Erfolge gehabt. Der religiöse Umsturz ist in Berlin besiegt. Wir haben dafür wenig Dank erfahren, aber das zwingt mich doch zum Nachdenken, daß die christlich⸗soziale Bewegung der sozialdemokratischen großen Abbruch gethan hat. Wir sind zwar häufig mit der Sozialdemokratie zusammen ge⸗ nannt worden, man hat sogar gesagt, wir seien verbrüdert. Von maßgebender Stelle ist gegen unsere Bewegung Verbitterung ge⸗ äußert, und ich habe den Eindruck, daß dem vorliegenden Gesetz die Christlich⸗Sozialen zum Opfer fallen müßten. Wenn wir mit diesem Gesetz die Sozialdemokratie wirksam bekämpfen könnten, würde ich mich trotzdem gern unter dieses Gesetz stellen. Aber das Gesetz ist nicht nur nicht nützlich, sondern in diesem Moment sogar schädlich; es stärkt die Staatsautorität nicht, aber es stärkt die Sozialdemokratie. Das Gesetz wird ähnlich wirken, wie das Umsturzgesetz im Reichstage. Es sind einige Minister darüber gestürzt, aber der Sozialdemokratie schadete es nicht. Nicht etwa die Aufregung der Presse setzt mich in Furcht. Die Presse ist nicht der Ausdruck der öffentlichen Mei⸗ nung, wie wir auch beim von Zedlitz'schen Schulgesetz gesehen haben. Auch die Sozialdemokratie veranlaßt mich nicht zu meiner sondern vielmehr der Zeitpunkt, in welchem man diese Vorlage macht. Etwas Anderes wäre ein solches Gesetz zu der Zeit gewesen, wo die Soözialdemokratie hervor⸗ kam, die Regierung aber geradezu die Hände in den Schoß legte; damals hätte ich für ein solches Gesetz sein können. In der Rede des Ministers des Innern habe ich Thatsachen vermißt. Das Gesetz ist eigentlich überraschend gekommen. Im Volke sagt man: es giebt Tendenzen, die nach oben scharf, nach unten stumpf machen wollen. Diesen Tendenzen giebt der Entwurf Ausdruck. Es herrscht der Groß⸗ kapitalismus, und zwar der eines einzigen gewaltigen Großlapitalisten. Die Sozialdemokratie ist zwar nicht swaͤcher geworden, aber es giebt in ihr Einflüsse, die zum Guten wirken können. Das ist einmal der agrarische Standpunkt, der dem kleinen Manne sein Besitzthum er⸗ halten will. Die Sozialdemokratie wird daher in ländliche Kreise nicht eindringen und daher niemals so gefährlich werden. Das Zweite ist die nationale Bewegung innerhalb der Sozialdemokratie. Es treten jetzt Leute auf, die mit dem internationalen Schwindel nichts zu thun haben wollen. Jedenfalls ist dies doch ein Symptom. Allerdings wird die Sozialdemokratie sich nicht des⸗ wegen spalten oder geringer werden, wir müssen vielmehr auf die Sozialdemokratie im Ganzen zu wirken suchen. Wir in Berlin haben ja manche Theile von der Sozialdemokratie abzusplittern gewußt und ins kirchliche Leben zurückgeführt. Solche kleinen Spaltungen in der Sozialdemokratie würden nur verhindert werden durch dieses Geset. Aehnliche Gesetze bestehen allerdings in anderen Staaten, 2 es ist ein großer Unterschied, ein bestehendes Gesetz fo zuhalten oder ein bestehendes Gesetz zu verändern. soll hier den unteren Klassen ein Recht geschmälert vmc und das muß Kampf hervorrufen. Hamburg ist ein nen Ort gegen das große Preußen. Die Mithilfe der Polizei, so und nothwendig diese ist, kann in diesem Kampfe nur schaden.

Die Vertreter der Mächte nahmen von der

Ich stehe 20 Jahre in diesem Kampfe.

z9 rliche, erfolgreiche Bekämpfung des Umsturzes recht, aber lalene Helünwfang der Sozialdemokratie allein, die alle übrigen Verderbnisse unseres Lebens unberührt läßt. Das Vereinsrecht müßte

Ganzen revidiert werden. In einer Stadt von 200 000 Einwohnern beeben 200 Vereine, welche die Versammlungs⸗ und Vereinsfreiheit benutzen, um die ganze Gemeinde in kirchliche Wirrnisse zu bringen. wei Tage vor der Einbringung der Vorlage sagte hier der Reichs⸗ fanzler, er sei im Zweifel, ob das Gesetz eingebracht werde, und nach wei Tagen war es da. Solche Dinge dürfen nicht vorkommen bei zmer Regierung. Ich sage nicht, daß die Minister das Vertrauen des Volkes hätten käuschen wollen; aber solche Dinge wirken so, daß sie das Mißtrauen aus dem Volke nicht leicht herausbringen. as

bot der Versammlungen für Minorenne ist ja etwas Ein⸗ schmeichelndes, aber wir können doch beispielsweise nicht Studenten unter 21 Jahren von allen politischen Ver⸗ sammlungen fernhalten. Dort lernen sie es gerade, richtig zu agitieren und die politischen Dinge am rechten Ende anzu⸗ sa en. In der Werkstätte kann unter den Arbeitern jede Stunde

erden, wo soll aber die gutgesinnte Jugend politisch erzogen Zudem liegt hier eine Verfassungsänderung vor, und damit soll man sehr vorsichtig sein. Es wäre besser gewesen, wenn gleich den Motiven die Ansicht der Regierung mitgetheilt wäre, ob eine Verfassungsänderung vorliegt. Die anarchistischen Versamm⸗ voffenbaren nur die Thorheit des Anarchismus, wenn es auch unsinnig ist, in einem monarchischen Staate anarchistische Ver⸗ sammlungen öffentlich an den Säulen angezeigt zu finden. Sozial⸗ demokratische Vereine zu verbieten, hilft uns nichts, solange im Reichs⸗ iage 48 Sozialdemokraten sitzen, die alles ögliche zur Sprache gen und für ihre Partei ausnutzen, und solange die sozialdemokra⸗ ische Presse besteht; durch das Verbot der Vereine wird auf unserer Seite nichts gewonnen, und der Sozialdemokratie wird ein furchtbares Aaitationsmittel in die Hand gegeben. Man sagt, der Staat könne sich solche Bestrebungen nicht gefallen lassen; gewiß nicht, aber es kommt darauf an, wie wir dagegen kämpfen sollen: die Kartellpolitik, welche die stärksten konservativen Elemente umbringen sollte, hat am meisten geschadet. Es ist der größte Fehler, daß man uns ächtet und mit den Sozialdemokraten zusammenwirft. Daß die Kartellpolitik die Rettung des Staates sein könne, verstehe ich nicht. Die Grenze zwischen rechts und links, zwischen konservativ und liberal verwischen zu wollen, ist geistlos und charakterlos und ruiniert die Nation in kirchlicher und sozialer Hinsicht. Konservativ und liberal ist ein absoluter Gegensatz. Man soll prinzipielle Gegner achten, aber sie aufs äußerste bekämpfen. Man weiß nicht mehr, was der Unterschied zwischen liberal und konservativ ist. Die Linke ist keine Ordnungs⸗ vartei, nein, in kirchlicher Hinsicht nicht. Mag die Regierung stramm konservativ oder auch einmal stramm liberal sein, das muß man sich gefallen lassen, aber dieses Gemisch von Ansichten ist geradezu tödtend. Unter einer starken energischen Leitun wird die Sozialdemokratie in unserem Lande ihr Zie nicht erreichen, aber die Spaltung der Ansichten nützt ihr. Wien hat uns ein gutes Beispiel gegeben, da hat die christlich⸗soziale Partei die Sozialdemokraten überwunden. Das ist der Weg, der allein zum Fiele führt. Führen Sie die inneren Kräfte zum Kampfe. Eine nreue Vaterlandsliebe und Königstreue ist doch eine stärkere Macht als die Sozialdemokratie, und diese Fahne muß unserem Volk voran⸗ getragen werden. Ein solches Gesetz aber kommt mir vor, als wollten Sie einem akut Kranken durch Ausziehen eines Zahns die Gesundheit wiedergeben.

Aig. Dr. Klasing (kons.): Die konservative Partei hat sich nicht verändert, und die geänderte Auffassung des Herrn Stöcker liegt in dessen Fortentwickelung. Wir befinden uns im fundamentalen Gegen⸗ satz zu Stöcker in Bezug auf die Sozialdemokratie und in Bezug auf die Stellung des Staats zur Sozial⸗ demokratie. err Stöcker steht auf der rechten Seite ganz allein. Sn Stöcker hat den Optimismus, daß die Sozial⸗ demokratie sich zu einer brauchbaren gleichberechtigten Partei fortent⸗ wickeln könnte, und meint, daß sie durch jede Einwirkung von außen nicht geschwächt, sondern gestärkt würde. Wir meinen, daß die Gefäͤhr⸗ lichket der Sozialdemokratie in demselben Verhältnisse steigt, in dem sie ihre Macht entwickeln kann. Daß sogar nationale Rich⸗ dungen in der Sozialdemokratie vorhanden seien, ist absolut fajch; und wenn selbst religiöse Richtungen in der Sozial⸗ zenokratie sich bemerkbar machen sollten, so könnten wir sie darum doch nie als staatserhaltende Partei ansehen. Der Bauernstand ist das beste Mittel gegen die Sozialdemokratie; diese selbst sagt: schafft den Bauernstand beiseite, und die Welt liegt zu unseren Füßen. Wir haben von nationalen oder religiösen Anwandlungen oder Erhaltung des Bauernstandes bei der Sozialdemokratie nichts gemerkt. Wenn Herr Stöcker früher für ein solches 5g serweies wäre, warum nicht auch jetzt? Hat sich die Fre heit und Zügel⸗ losickeit der Sozialdemokratie nicht sogar noch vermehrt? Herr Stöcker will nur mit geistigen Waffen kämpfen; wenn man der Sczialdemokratie aber in Versammlungen Geist entgegensetzt, wird man mit brutaler Gewalt niedergeschrieen. Alle Versuche, die Sozial⸗ demokratie zu überzeugen, sind gescheitert. Selbst die große Bered⸗ samkeit und opferfreudige politische Thätigkeit des Herrn Stöcker hat nicht verhindern können, daß Herr Singer der Herr in

erlin ist. Die sozialdemokratische Frage ist eine Machtfrage,

als welche sie auch von der Sozialdemokratie selbst gestellt wird; sie sagt: Macht den Platz frei, damit ich mich dahin setze! Wir müssen die Massen aus den Händen der sozialdemokratischen Führer erlösen. Wir stehen alle auf dem Standpunkt, daß die soziale Reform auf dem Boden des Christenthums weiter entwickelt werden muß; aber um dafür die Bahn freizu⸗ machen, muß erst Ordnung in unserem Staate geschaffen werden. ber dazu wollen wir keinen Mischmasch in unserem politischen Leben

konstruieren. Wir Konservative kennen die Unterschiede von liberal und konservativ ganz genau; diese Bemerkungen des Herrn Stöcker bezogen sich wohl nicht auf unsere Partei, sondern auf die Regierung. Herr Stöcker erwartet von dem Gesetz keinen Erfolg und eremplifiziert auf das Umsturzgesetz im Reichstage, das nur nister gestürzt habe. Dieses Gesetz ist doch nicht in Kraft getreten, und daraus kann Herr Stöcker also nicht einen Mißerfolg folgern. Wenn auch durch diese Gesetzvorlage gewisse paltungen in der Sozialdemokratie hintenan gehalten werden, so ändert das m Ganzen an der Sozialdemokratie doch nichts. Das Fesc stärke die Sozialdemokratie, meint Herr Stöcker; ich glaube, sie ist einer weiteren Stärkung garnicht mehr fähig. Was hat das usammenstehen aller Parteien im Kampfe mit der Sozialdemokratie

mit der Vorlage selbst zu thun? Ein solcher Appell ist zwar ein schöner Schluß einer Rede, aber es muß doch erst Ordnung im Lande geschaffen wer⸗ den, damit wir zufammenstehen können. Herr Abg. Krause verwies uns gestern auf die Geschichte, zum Beweis, daß Polizeimaßregeln große Be⸗ wegungen nicht verhindern. Poli eimaßregeln! Ich nenne es An⸗ wendung der Machtmittel des Staats. Es giebt auch eine andere beschichliche Auffassung, die dahin geht, daß die zielbewußte, rücksichts⸗ ofe Ausnutzung der Machtmittel des Staates zur rechten ein wesentlicher Faktor zur Bekämpfung der Revolution

. Herr Krause sagt selbst, er wolle keine Vereine

und Versammlungen, in denen die Sicherheit des Staats bedroht ist. un, da ist also ein Boden der Verständigung mit uns vorhanden.

5 enn der Staat sich nicht gegen staatsfeindliche Bestrebungen schützt, Bist das der Bankerott des Staats. Den Vergleich mit den anderen inundesstaaten kann man doch nicht einfach ablehnen. Wenn selbst nichen liberalen Baden Gesetze bestehen, an die unsere Phantasie 1 einmal heranreicht, so können Sie in Preußen nicht sagen, daß

fonffosches Gesetz eine Knebelung der bürgerlichen Freiheit bedeute; könnten Ihre liberalen Freunde in Baden einen solchen Zustand

Nati garnicht verantworten. Es ist auch nicht die Ansicht der 8 vonalliberalen, daß das Gesetz selbst eine solche Knebelung be⸗ dencn, sondern sie stimmen nur aus Besorgniß eines Miß⸗ lühacch des e nicht für die Vorlage. Die national⸗ schen Partei hat also nicht das Vertrauen zur preußi⸗ tr Regserung, daß diese keinen Mißbrauch mit dem Gesetz as ist bedeutend für die politische Situation. Das eröffnet

mir aber eine Aussicht auf Verständigung mit den Nationalliberalen, wenn wir den 18 ausschließen können; wenn Sie uns z. B. in der Kommission ähnliche Bestimmungen vorschlagen, wie sie in Baden bestehen, daß die Bezirksregierungen die die Staatssicherheit bedrohen⸗ den Vereine und Versammlungen verbieten können, so können wir uns vielleicht verständigen. Dann können Sie auch nicht die Gefahr anführen, welche in der Anwendung des Gesetzes durch untergeordnete olizeiorgane liegen könnte. habe auch Kenntniß von der trömung in nationalliberalen Kreisen; es besteht auch unter ihren Freunden, namentlich den Fabrikanten, der lebhafte Wunsch, die immerwährende Verhetzung zwischen den Arbeitern und Arbeitgebern zu verhindern. Die ganze Verantwortung an dem Scheitern des Ge⸗ setzes würde den Nationalliberalen vor dem ganzen Lande zuge⸗ schoben werden. Wenn wir nicht zum Ziele kommen, wenn es beim Alten bleibt, daß die Arbeiter durch die tägliche Auf⸗ hetzung seitens gewissenloser sozialdemokratischer Agitatoren aus ihrer Zufriedenheit herausgerissen werden, der Gegensatz zwischen Arbeitnehmern und ist überhaupt ein künstlicher —, so werden sich die Nationalliberalen mit den Arbeitgebern auseinander zu setzen haben, daß sie die Hand zur Abhilfe nicht geboten haben. Die ganze Verantwortlichkeit schiebe ich den Nationalliberalen zu. Ich gebe die Hoffnung auf Verständigung nicht auf und beantrage daher die Ueberweisung an eine Kommission von 21 Mitgliedern.

(Schluß des Blattes.)

Arbeiterbewegung.

Aus Essen berichtet die „Rhein.⸗Westf. Ztg.“”: Am Sonnabend fand eine Versammlung der Angestellten der elektrischen Straßenbahn statt, in der folgende Fordermnfen aufgestellt wurden: zehnstündige Arbeitszeit, Freigabe jedes sechsten Sonntags und 50 Lohn für jede Ueberstunde. Man beschloß ferner, am Sonntag den Dienst nicht eher aufzunehmen, bis die For⸗ derungen von der Direktion bewilligt seien. Der Betrieb war denn auch bis nach 8 Uhr eingestellt, wo dem Personal folgende Zu⸗ geständnisse von der Verwaltung gemacht wurden: zehnstündige Arbeits⸗ zeit, Freigabe jedes siebenten Sonntags und 2 Vergütung für den sieberdienss, gleichviel ob er eine oder mehrere Stunden anhält. Das Personal nahm hiernach den Dienst wieder auf. Wie dem „Vor⸗ wärts“ aus Essen gemeldet wird, legten gestern dort 150 Zimmer⸗ leute wegen Lohnstreites die Arbeit nieder.

In Hannover haben nach demselben Blatt die Steinsetzer am 15. Mai wegen Lohnstreits die Arbeit eingestellt.

In Halle a. S. wurde gestern ein Kongreß der sozial⸗ demokratischen Gewerkschaften, welche in „lokalen“ Organi⸗ sationen vereinigt sind, eröffnet. Es waren 38 Vertreter anwesend. Nach längerer Debatte gelangte eine Resolution zur Annahme, in welcher die Nothwendigkeit des Zusammengehens der gewerkschaftlichen Bewegung mit der sozialdemokratischen Parteibewegung betont wird.

Kunst und Wissenschaft.

L. K. Der unvergleichlichen Spannkraft eines deutschen Kunstforschers und der Opferwilligkeit eines Pariser L“ ist ein Werk zu danken, das sich den monumentalen Publikationen von Dürer's Zeichnungen und Lionardo da Vinci's Schriften ebenbürtig anreiht und dessen Erscheinen auf dem internationalen Büchermarkt berechtigtes Aufsehen erregen dürfte: die auf acht starke Foliobände berechnete Veröffentlichung sämmtlicher bisher bekannt gewordenen Bilder Rembrandt's, deren erster Theil mit Text von Wilhelm Bode, dem Direktor der Berliner Gemälde⸗Galerie, soeben von Charles Sedelmeyer⸗Paris herausgegeben worden ist. Zahl⸗ reichen Schwierigkeiten begegnete, wie der Verfasser des Textes in seinem Vorwort bemerkt, das Vorhaben, das Riesenmaterial aus öffentlichen und privaten Bildersammlungen zusammenzutragen, gleichmäßig gute Nachbildungen herzustellen und vor allem auch einen Fenh neten Verleger für das so groß angelegte Unternehmen zu finden. ilhelm Bode, der die Beschäftigung mit dem größten holländischen Meister seit Beginn seiner Studien als Lieblingsaufgabe, ja schließlich als Lebensaufgabe betrachtete, war wohl wie kein zweiter Kunstgelehrter berufen, dieses Ehrendenkmal für Rembrandt zu errichten. Seine umfassende Bilder⸗ kenntniß, sein Feinblick 8 Qualitäten, seine vor keiner Schwierigkeit zurückschreckende Unternehmungslust bürgen für eine glänzende Durchfüh⸗ zung der glücklich begonnenen Arbeit. Charles Sedelmeyer, der in seiner ge⸗ schäftlichen Praxis als Kunsthändler besonders zahlreiche Werke Rem⸗ branduz's in Händen gehabt und eine lebhafte Bewunderung für den Meister hegt, brachte der Wissenschaft und dem stetig wachsenden Kreise von Lieb⸗ habern willig das nicht unerhebliche Opfer dieses keineswegs besonders einträglichen Verlagsunternehmens. Denn, wenn auch gleichzeitig mit der deutschen eine französische und englische Ausgabe des Werks er⸗ scheint, beschränkt der im Verhältniß zu dem Gebotenen mäßige von 1250 Francs für die geplanten acht Bände immerhin den

reis der Käufer. Der erschienene erste Band umfaßt die Thätigkeit Rembrandt's bis etwa zum Jahre 1632, also bis zu seinem fünfundzwanzigsten Lebensjahre, in 71 Bildern. Das früheste Datum, das sich auf einem Bilde des Meisters findet, ist 1627; damit wäre also für die fünf Jahre seiner jugendlichen Thätigkeit eine erstaunliche Fruchtbarkeit erwiesen. Freilich dürfen wir eine große Zahl seiner Jugendwerke lediglich als Studien auffassen, die seinen Feuereifer be⸗ kunden, den Ausdruck seelischer Regungen im Mienenspiel des Menschen aufzufangen und festzuhalten. Fast alle Porträts der ersten Zeit sind solche Stimmungsstudien, für die ihm bald seine Angehörigen, bald sein eignes Antlitz als Versuchsobjekt dienten. Ueberhaupt benutzte er mit Vorliebe seine Verwandten als Modell; so erkennt man in einigen mythologischen Bildern die Züge seiner Schwester Lysbeth, in dem Bilde des Philosophen Philon den Greisenkopf seines Vaters, des ehrsamen Windmüllers zu Leiden, wieder. Andere Einzelfiguren meist Männer in dem Zwielicht eines halbdunkeln Innenraums zeigen uns die unermüdlichen Versuche des jugendlichen Malers, den Problemen der Lichtführung und des Helldunkels neue Lösungen abzu⸗ gewinnen. Die Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament

nd ebenfalls zunächst ols freilich oft meisterhaft gelungene aerfache und Studien zu bezeichnen. Bei keinem anderen Maler gewinnen wir durch die Betrachtung seiner Jugendwerke einen so tiefen Einblick in das Ringen nach neuen Zielen, wie bei Rembrandt, bei keinem treffen wir eine solche nervöse, fieberhafte Unrast, wie bei ihm. Den ersten größeren Auftrag erhielt Rembrandt nach seiner Uebersiedelung aus der Vaterstadt nach Amsterdam von dem Anatomen Tulp, den er im Kreise seiner Schüler und Genossen am Seziertisch schildert (Mauritshuis im Haag). Auch hier stellt der Maler sich weniger die Aufgabe, ein Gruppen! ildniß zu schaffen, als vielmehr die a gc in 8. Köpfen und der Haltung der Betheiligten überzeugend wiederzugeben.

heth 82 Schöpfungen des Jahres 1632 schließt der erste Band des Werkes ab; er bildet gewissermaßen die spannende Exposition des gewaltigen Dramas, das Rembrandt's Wirken darstellt. Der Text iebt eine zusammenfassende Schilderung der verschiedenen Werke, die n bt, gnfrhcsen öb dem Bande beigefügt sind. Jede einzelne Nachbildung ist überdies von einer genauen katalogmaͤßigen Beschreibung begleitet, die Maße, Herkunft, Literatur und ältere Nachbildungen des Originals verzeichnet; für Aufgabe hat Bode in dem Direktor des Amsterdamer Kupferstichkabinets Cornelis Hofstedt de Groot einen trefflichen gewissenhaften Mitarbeiter gefunden. Der bio⸗ raphische Theil der Arbeit, begleitet von urkundlichen Nachweisen, Registern und einem Verzeichniß der verschollenen Werke des Meisters, soll den Schlußband der ganzen Publikation bilden, die in viertel⸗ jährlichen Abständen im Laufe zweier Jahre abgeschlossen werden wird.

ichen Museum für Naturkunde sind im 8.edge g9 g 88 8 reuß in Victoria und eine von Se in Johann Albrechtshöhe Scngg bes Kamerun) zusammengebrachte Sammlung zoologis cher kte zugegangen.

Die erste enthielt folgende Gegenstände: 18 Säugethiere in Alkohol, 15 Säugethiere in Bälgen, zum theil mit Schädeln, 5 nohe 5 Reptilien, 1 Odonate, 10 Orthopteren, 2 Hemipteren, 60 Lepi⸗ dopteren, 3 imerus, 20 Koleopteren und eine Flasche mit Larven eines Bockkäfers, 3 Krebse, 1 Glas mit Regenwürmern, 1 Glas mit Spulwürmern. Die Konservierung der meisten Objekte war gut. Die Säugethierbälge waren leider theilweise durch Speckkäfer etwas zerfressen, haben aber wissenschaftlich bedeutenden Werth, da sich mehrere seltene Arten darunter befinden; auch unter den Reptilien waren seltene Spezies. Die Insekten gehören haupt⸗ sächlich zu den Schmetterlingen, Käfern und Orthopteren. Sie sind gut erhalten und bereichern das Museum durch eine größere Anzahl wichtiger Arten. Unter den Krebsen befanden sich zwei für das Museum neue Arten. Die Würmer sind dem Museum sehr will⸗ kommen. Die zweite Sammlung enthielt: 12 Säuge⸗ thiere in Alkohol, 2 Säugethierfelle und 1 Balg it Schädel, 20 Reptilien und Amphibien, 18 Fische, etwa 4200 Koleopteren, etwa 150 Spinnen, 8 Myriapoden in Spiritus, 16 Krebse, 3 Regenwürmer, 14 Land⸗ und Süßwassermollusken. Die Konservierung war mit Ausnahme der Säugethiere gut. Während die Säugethiere, Reptilien und Fische alle von dort schon bekannte Arten enthalten, befindet sich unter den Käfern eine sehr große An zahl im Museum noch nicht vorhandener und für die Wissenschaft neuer Arten. Auch von den etwa 150 Spinnen, die über 100 Arten angehören dürften, sind viele im Museum noch nicht vorhanden. Unter den Myriapoden in Spiritus sind ebenfalls viele neu. Die Krebse enthalten gleichfalls für die Sammlung neue Arten, und auch die Regenwürmer waren ihres wissenschaftlichen Werthes wegen sehr willkommen. Die Land⸗ und Süßwassermollusken enthalten schon be⸗- ves- Arten, können aber zu anatomischen Untersuchungen verwerthet werden.

Land⸗ und Forstwirthschaft. Saatenstand in Rußland.

AMeber den Stand der Saaten gehen uns aus Rostow am Don folgende Nachrichten zu:

Die Wintersaaten auf der westlichen Seite des Don sind meistens verloren gegangen, und die Felder haben aufs neue mit Sommerfrucht bestellt werden müssen. Dagegen stehen die Wintersaaten im nörd⸗ lichen Kaukasus und nach der Kalmückensteppe zu im allgemeinen ganz gut, doch ist infolge der Trockenheit während des vergangenen Herbstes nur wenig Land mit Wintergetreide bestellt worden.

1“ sind gut aufgegangen, doch ist Regen dringend erwünscht.

Aus Hamburg wird berichtet: Nachdem am 9. Mai die Früh⸗ jahrs⸗Ausstellung, der erste Abschnitt der Allgemeinen Gartenbau Ausstellung, geschlossen worden ist, wendet man jetzt die Aufmerksam⸗ keit den noch bevorstehenden Ausstellungen zu. Die für die

ärtnerische Dauer⸗Ausstellung bestimmten Wandelhallen sind ereits ihrem eigentlichen Zweck übergeben. In ihnen soll jeder Gärtner und jeder Liebhaber zu jeder Zeit ausstellen können, was unter seiner Pflege zu ausstellungswürdiger Entfaltung gebracht worden ist. Irgend gs Pegtne oder sonstige Abgabe wird hierfür wie überhaupt für sämmtliche Ausstellungen von Pflanzen, Obst und Gemüsen nicht er⸗ hoben. Am Ende jeder Woche tritt ein besonderes Preisrichter⸗Kollegium zusammen, um die während der Woche eingelieferten Ausstellungsobjekte zu prämiieren. Medaillen und Geldpreise stehen den Preisrichtern in großer Anzahl zur Verfügung. Neben dieser Dauer⸗Ausstellung werden noch fünf Sonder⸗Ausstellungen stattfinden, die be⸗ deutende Spezial⸗Ausstellungen auf den Gebieten der für sie aus⸗ geschriebenen Wettbewerbe zu werden versprechen. Die erste dieser Sonder⸗Ausstellungen wird schon in den Tagen vom 28. Mai bis zum 1. Juni stattfinden. Eine bedeutende Rolle wird darin die Bindekunst spielen, die von der Ausstellungsleitung, um ihr zu voller Geltung zu verhelfen, von der Frühjahrs⸗Aus⸗ stellung abgesondert und in diese Spezial⸗Ausstellung verwiesen worden ist. Außerdem werden Wettbewerbe in Pelargonien, Pelargonium peltatum, getriebenem Topfobst und

rühgemüsen stattfinden. Die alsdann folgende zweite Sonder⸗

usstellung, die vom 2. bis 6. Juni dauert, wird die eigentliche Rosen⸗Ausstellung sein. Um diese Zeit werden die Preisrichter über die zahllosen im park ausgepflanzten Rosen zu entscheiden haben, und eeseitg wird auch im Innern der Hallen eine reich⸗ e- usstellung von Rosen und Rosen⸗Arrangements stattfinden. Auch für Gloxinien sind in dieser Ausstellung besondere Wettbewerbe ausgeschrieben. Die dritte Sonder⸗Ausstellung, vom 30. Juli bis 3. August, umfaßt vor allem zonale Pelargonien, Knollen⸗ und Blüthen⸗ Begonien, Nelken, Gladiolen und 8b ttene Stauden. Alsdann folgt in der Zeit vom 27. August bis 5. September die große Herbst⸗Aus⸗ 88 stellung. Sie wird Konkurrenzen in Dekorationsgruppen, Palmen, Farnen, Platt. und blühenden Pflanzen, Orchideen und Insektivoren und Topfobst aufzuweisen haben, auch der Bindekunst nochmals Gelegenheit geben, ihre peoFen vorzuführen. Die große Obst⸗ Ausstellung vom 17. bis 30. September macht alsdann den Be⸗ 8 schluß. Die für diese Sonder⸗Ausstellungen ausgeschriebenen Wett⸗ bewerbe sind bereits in dem seiner Zeit an die Interessenten ver⸗ sandten Programm der Ausstellung enthalten. In dem Programm konnte das Comité auch erfreulicher Weise schon von einer stattlichen Zahl von Ehrenpreisen, die von Freunden der Gartenbau⸗Ausstellung gestiftet waren, berichten. Inzwischen ist die Zahl derselben aber derartig angewachsen, insbesondere sind so viele Preise deutscher Fürsten und Regierungen hinzugekommen, daß das Comité die veranlaßt sieht, diese Chrenpreise, nach ihrer Bestimmung geordnet, nochmals in einem Verzeichniß zu veröffentlichen, welches soeben er⸗ schienen ist. Dadurch, daß der Hamburgische Staat dem Comité eine Summe von 50 000 für Ehrenpreise zur Verfügung stellte, ist es dem Comité ermöglicht worden, die Preise für die Wettbewerbe der sämmtlichen bevorstehenden Sonderausstellungen ganz bedeutend zu er⸗ höhen bezw. Lücken auszufüllen. Die Gesammthöhe der ausgesetzten Preise übersteigt jetzt den Geldwerth von 200 000 ℳ. An der Spitze der Ehrenpreise deutscher Fürsten und Regierungen steht derjenige Seiner Majestät des Kaisers: eine große Vase aus der Königlich preußischen Porzellan⸗Manufaktur, im Werthe von 4000 ℳ, für die beste Leistung auf der Ausstellung.

Verdingungen im Auslande.

Italien. 8 Schiffsbau⸗Direktion des I. Marine⸗ Departements in Spezia: Lieferung von Buchenholz in Stämmen, Brettern und zugeschnittenen Stücken für 1897/98. Voranschlag 89 094 Lire. Bedingungen einzusehen beim Marine⸗Ministerium, den Schiffsbau⸗Direktionen in Neapel, Spezia, Venedig und Taranto, den marinetechnischen Aemtern in Genua und Livorno. Kosten ca. 1700 Lire.

25. Mai, 12,30 Uhr.

Verkehrs⸗Anstalten.

Bremen, 18. Mai. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. „Friedrich der Große“ hat 17. Mai Nm. Reise v. Southampton n. New⸗York fortges. „H. H. Meyer“, v. New⸗York kommend, hat 17. Mai Vm. Dover passiert. „Barbarossa“, v. Ausftralien kommend, ist 17. Mai Nm. in Antwerpen angekommen.

London, 17. Mai. (W. . Se. 8 „Spartan“

uf der Heimreise heute in Southampton angekommen.

88 ee Freese, „Hawarden Castle“ auf der Heimreise am Sonntag in London angekommen. „Roslin Castle“ auf der Ausreise am Sonnabend von Southampton abgegangen. „Arundel Castle“ hat auf der Heimreise am Sonntag die Canarischen Inseln K’ „Warwick Castle“ auf der Ausreise am Soens . in Mauritius angekommen.

Rotterdam, 17. Mai. (W. T. B.) Holland⸗Amerika⸗ Linie. „P. Caland“, von Rew⸗York nach Amsterdam, hat heute Vormittag Lizard passiert.