Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 22. Mai. Seine Majestät der Kaiser und König verließen
ges in Nachmittag um 3 ½ Uhr nach e Verabschiedung von den Königlich sächsischen Majestäten Sibyllenort. Auf der Weiterfahrt nach Wirschkowitz wurden Seine Majestät von dem Grafen von Hochberg bei Wärterbude 20 erwartet und begaben Sich von dort direkt zur Pürsche nach Tschotschwitz
nd Idahof, während das Gefolge die Fahrt nach Wirschkowitz fortsetzte. Nach der Pürsche fand im Schlosse Abendtafel statt.
8 Ihre Majestät die Kaiserin und Königin empfingen, dem „W. T. B.“ zufolge, gestern den Besuch Ihrer König⸗
ichen . der Prinzessin Heinrich von Preußen, Höchst⸗ welche kurz nach 1 Uhr Nachmittags, von Rußland kommend, auf der Wildparkstation — Gegen 3 Uhr unternahmen Ihre Majestät die Kaiserin und Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Heinrich eine Spazierfahrt nach Glienicke, besuchten dort Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Friedrich Leopold und kehrten dann über Schloß Babelsberg nach dem Neuen Palais zurück. Abends um 6 Uhr begleiteten Ihre Majestät
ie Kaiserin die Prinzessin Heinrich nach der Wildparkstation,
on wo Ihre Königliche Hoheit die Weiterreise nach Kiel
“
ö“
3 Die auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers und Königs in der Geheimen Kriegs Kanzlei bearbeitete „Rang⸗ und Quartier⸗Liste der Königlich preußischen Armee
nd des XIII. (Königlich württembergischen) Armee⸗
Korps für 1897“, mit den Anciennetäts⸗Listen der Generalität
und der Stabsoffiziere und einem Anhange, enthaltend die Liste der
Kaiserlichen Schutztruppen, ist soeben im Verlage der König⸗
lichen Hofbuchhandlung von E. S. Mittler u. Sohn in Berlin
zur gelangt. Der Bearbeitung ist der Stand vom
4. Mai d. J. zu Grunde gelegt.
8 “ 8
In der am 20. d. M. unter dem Vorsitz des Vize⸗ sidenten des Staats⸗Ministeriums, Staatssekretärs des nnern Dr. von Boetticher abgehaltenen Plenarsitzung des Bundesraths wurde dem Entwurf einer Verordnung egen Ausdehnung der §§ 135 bis 139 und des § 139b der Gewerbeordnung auf die Werkstätten der Kleider⸗ und Wäschekonfektion, ferner dem SSen Oldenburgs, betreffend den Dockbetrieb im Freibezirk Brake, sowie dem Ausschuß⸗ ntrage, betreffend die Verwendung von Altheeblättern und Wegebreitblättern bei der Herstellung von Zigarren, ie Zustimmung ertheilt. Den zuständigen Ausschüssen wurden berwiesen der Antrag Preußens wegen Aufhebung des § 80 a er Ausführungs⸗Instruktion zum Viehseuchengesetz, sowie die Vorlagen, betreffend die Beschlüsse des Landesausschusses zu den Entwürfen von Gesetzen für Elsaß⸗Lothringen über das Stempelwesen und die Gebühren in Verwaltungsan⸗ gelegenheiten und über den Geschäftsbetrieb der öffent⸗ lichen Vorschußkassen. Verschiedene vom Reichstage zu Petitionen angenommene Resolutionen wurden dem Reichs⸗ 1 kanzier überwiesen. Außerdem wurde über die Allgemeine Rechnung, betreffend den Landeshaushalt von Elsaß⸗Lothringen für 1892/93, und über die Uebersicht der Ausgaben und Ein⸗ ahmen der Landesverwaltung von Elsaß⸗Lothringen für 895/96, sowie über mehrere Eingaben Beschluß gefaßt.
3 eute hielten die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Handel und Verkehr eine Sitzung 1
In der Ersten und Zweiten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“ wird die vom Reichs⸗ Eisenbahnamt aufgestellte tabellarische Uebersicht der Be⸗
ee eee; deutscher Eisenbahnen für den Monat April d. J. veröffentlicht, auf welche am Donnerstag an dieser Stelle auszüglich hingewiesen worden ist.
Kiel, 22. Mai. Ihre Königliche Hoheit die Prin⸗ zessin Heinrich ist in der vergangenen Nacht hier wieder eingetroffen.
Der Zweiten Kammer der Stände ist ein Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Kündigung und Umwandlung vierprozentiger Staats⸗Anleihen, zugegangen. Es sind ies der Rest der Staats⸗Schuldverschreibungen der Oberhessischen Eisenbahnschuld vom 1. Juni 1876, sowie die Schuld⸗ verschreibungen der Staats⸗Anleihe vom 1. Juli 1882. Die Umwandlung der Schuldverschreibungen in 3 ½ pro⸗ entige soll den Inhabern freistehen, und es sollen der⸗ artige umzuwandelnde Schuldverschreibungen noch bis ein⸗ schließlich 31. Dezember 1897 mit 4 Proz. verzinst werden, dieselben auch vor dem 1. Januar 1906 zur baaren Rückzahlung nicht gekündigt werden dürfen. k“
Oesterreich⸗Ungarn. 2
Der österreichische Minister⸗Präsident Graf Badeni und der ungarische Minister⸗Präsident Baron Banffy verhandelten gestern in Budapest über die Ausgleichs⸗ und Quotenfrage,
hne endgültige Vereinbarungen zu treffen. Mittags wurden beide
Minister⸗Präsidenten von dem Kaiser in Audienz empfangen.
b “ kehrte Graf Badeni von Budapest nach Wien urück.
Der Adreß⸗Ausschuß des österreichischen Ab⸗ geordnetenhauses beschloß gestern mit 25 gegen 14 Stimmen,
n die Spezialdebatte über die von der Majorität beantragte Adresse treten.
“ “ Großbritannien und Irland.
In der gestrigen Sitzung des Unterhauses bemerkte der Chef⸗Sekretär für Irland Gerald Balfour, daß den von der Regierung beabsichtigten Vorschlägen zur Erleichterung der Abgaben der Landwirthschaft in Irland sehr große Schwierig⸗ keiten entgegenständen. Es könne nichts Ordentliches geschehen, bevor die Lokal⸗Verwaltungsfrage für Irland geregelt sei. Die Regierung hoffe, in der nächsten Session ein Lokal⸗Ver⸗ waltungs⸗Projekt vorlegen zu können; sie beabsichtige, die Armenpflege⸗Verwaltung und die Grafschafts⸗Verwaltung in Irland auf eine breite populäre Grundlage zu stellen. Die Grundbesitzer zahlten jetzt die Hälfte der Armensteuer, diese solle künftig von der Reichskasse bestritten werden. Die Pächter zahlten gegenwärtig die andere Hälfte der Armensteuer und die
ammte Grafschaftssteuer. Die Hälfte der letzteren solle eben⸗ fals aus der Reichskasse gedeckt werden. iese Vorschläge wurden nach kurzer Berathung von allen Rednern gebilligt.
Der parlamentarische Ausschuß zur Untersuchung des Einfalles Jameson's in Transvaal hielt gestern eine Sitzung ab, in welcher das Verhör Harris' fortgesetzt wurde. Labouchdère begann an ihn eine Reihe von Fragen zu richten, in welchen er offen die Annahme aussprach, daß Harris mit einem Baissiers⸗Syndikat zum Verkauf von Aktien der Chartered Company in Verbindung gestanden habe. Hierauf wandte sich Harris an die Gesammtheit des Ausschusses und verlas Auszüge aus einer Rede Labouchére’s im Unterhause vom 8. Mai vorigen Jahres und aus einem in der „Truth“ vom 7. August vorigen Jahres erschienenen Artikel, in welchem Laboucheére sich anheischig gemacht hatte, zu beweisen, daß Harris und Beit mit einem derartigen Syndikat in Zusammenhang ständen. Harris erklärte dies in heftiger Weise als eine bös⸗ willige Unwahrheit und forderte Labouchére auf, seine Beweise vorzubringen. Labouch re erwiderte, er werde dem Ausschuß eine Anzahl Fondsmakler bezeichnen. Hierauf wandte sich Harris zu dem Präsidenten Jackson und sagte, daß Labouchére, obgleich er einer seiner Richter sei, erst in der vorigen Woche im „Gaulois“ einen mit seinem Namen gezeichneten Artikel veröffentlicht habe, worin gesagt sei, die Untersuchung habe den Beweis ge⸗ liefert, daß die hauptsächlichsten Förderer des Jameson’schen Einfalles Personen gewesen seien, welche bereits das Anlage suchende Publikum durch die Gründung schlecht finanzierter Gesellschaften hintergangen hätten. Labouchere erklärte, er sei bereit, dies zu beweisen. Hierauf wurde die Oeffent⸗ lichkeit der Verhandlung ausgeschlossen, während der Ausschuß die Sachlage berieth. Bei der Wiederaufnahme der öffentlichen Verhandlung erklärte der Präsident: der Ausschuß mißbillige es, daß Labouchéère, solange die Untersuchung im Gange sei, Erörterungen über die Zeugen veröffentlicht habe. Der Ausschuß nehme von der Ab⸗ leugnung Harris' Akt, und es sei Labouchêre’'s Aufgabe, dem Widerspruch desselben zu begegnen. Als hierauf Labouchere die Befragung Harris' fortzusetzen versuchte, verweigerte letzterer die Beantwortung der Fragen La⸗ bouchére’s. Schließlich sagte der Vorsitzende zu Harris: in den Augen des Ausschusses sei seine Situation völlig befriedigend, und es sei besser, die Fragen zu beantworten. Auf diese Be⸗ merkung hin gab Harris noch auf einige von Laboucheére gestellte Fragen Antworten. Ehe die Sitzung geschlossen wurde, stellte Laboucheère noch den Antrag, daß eine Anzahl be⸗ stimmter Kabeldepeschen von Cecil Rhodes zur Verlesung ge⸗ 282 würde, und daß Miß Flora Shaw als Zeugin geladen werde.
Dem „Daily Cronicle“ zufolge wird der Staatssekretär der Südafrikanischen Republik Dr. Leyds nach Prätoria zurückkehren, um die Vorschläge des Staatssekretärs für die Kolonien Chamberlain wegen Beilegung der bestehenden 8 zu überbringen; es seien jetzt sehr gute Aussichten auf eine freundschaftliche Lösung der Schwierigkeiten v handen. 8 ““
Frankreich.
In dem gestern abgehaltenen Ministerrath machte der Minister des Aeußern Hanotaux Mittheilung darüber, in welchem Sinne er heute seine Antwort auf die Anfrage des Deputirten Gauthier über die Orientfrage zu halten gedenke. — Der Präsident Faure unterzeichnete ein Dekret, durch welches 170 Personen, die sich bei dem Brande des Wohlthätigkeits⸗ Bazars als Retter bethätigt haben, Belohnungen zuerkannt werden.
Ittalien. .“
Die Deputirtenkammer setzte gestern, wie „W. T. B.“ meldet, die Berathung der Tagesordnungen fort, welche zu der Erklärung der Regierung über ihre künftige Politik in Afrika eingebracht worden waren. Der Deputirte Sonnino be⸗ gründete eine Tagesordnung, worin beantragt wird, die Be⸗ rathung dieser Angelegenheiten aufzuschieben. Er wolle keine Uneinigkeit zwischen den Männern der Ordnung, welche in der Kammer säßen, hervorrufen und halte es für inopportun, in dieser Sache einen Entschluß zu fassen, bevor alle schwebenden Fragen mit dem Negus geregelt seien. Sonnino begründete sodann sein Verhalten als früherer Schatz⸗Minister und erklärte nachdrücklich, er sei stets gegen jede Politik der Ausdehnung
ewesen, aber er habe nie, weder dem General Baratieri, noch em Kriegs⸗Minister oder dem Generalstab, irgend eine Summe verweigert; er habe stets nach Maßgabe der Ereignisse und über das Geforderte hinaus Mittel gesandt. Redner belegte dies durch Beispiele. Gegen eine Wiederabtretung Kassalas sei er nicht; dies könne geschehen, ohne die Vertheidigungsfähigkeit zu verringern; außerdem würden dadurch die Ausgaben herabgemindert. Er halte die Angaben des Kriegs⸗Ministers in Betreff der zur Behauptung der S hech gen Ausgaben für nicht genügend bewiesen. edner bekämpfte das afrikanische Pro⸗ ramm der Regierung, hielt es aber nicht für unmöglich, einen
inigungspunkt mit der Regierung zu finden; denn wenn, wie Fachleute behaupteten, zwei starke Forts auf der Hoch⸗ ebene genügten, um das Prestige und den Einfluß Italiens aufrecht zu erhalten, so könne man doch nicht glauben, daß dies für Italien unmöglich sei. Mit der Politik, die der Kammer vorgeschlagen sei, würde Italien auf jede Kolonialpolitik verzichten und sich hauptsächlich England gegenüber dis⸗ kreditieren. Im Namen des Prestige der Monarchie, der Moral der Armee und der höchsten Interessen des Vaterlandes bitte er, die Angelegenheit ernst zu erwägen. Ein Land könne ohne Ideale nicht bestehen. Nach weiterer Begründung der Tages⸗ ordnungen, namentlich derjenigen des früheren Ministers Colombo, welche darauf hinausläuft, das afrikanische Pro⸗ gramm der Regierung als Anbahnung zur vollständigen Auf⸗ abe von Erythräag anzusehen, wurde die Weiterberathung auf eute vertagt.
In der gestrigen Sitzung des Senats entwickelte sich wie „W. T. B.“ berichtet, als der Minister des Aeußern erzog von Tetuan dem Senator Comas auf eine Anfr in Betreff des Beschlusses des Senats der Vereinigten Staaten von Amerika, durch welchen beide Parteien auf Cuba als kriegführende anerkannt wurden, antwortete, ein heftiger Wortkampf. Beim Verlassen des Saales wurde die Ner gelegenheit zwischen dem Minister und einem liberalen Senator wieder aufgenommen. Der Minister ohrfeigte den Senator, und es entstand ein großer Lärm. Die Sitzung wurde zeit⸗ weise aufgehoben. Die liberale Minorität des Senats deschioß⸗ den Sitzungen nicht weiter beizuwohnen, bis ihr und dem Senator Comas Genugthuung gegeben sei. 8
In der Deputirtenkammer erklärte gestern der Minister⸗Präsident Canovas del Castillo in Beantwortung einer Anfrage des Deputirten Moret: er hoffe, der Präsident der Vereinigten Staaten werde der Ansicht sein, daß die Erklärung des Kriegszustandes einer befreundeten Nation gegen⸗ ügen nicht dem Senat, sondern der ausführenden Gewalt zustehe.
Infolge des oben erwähnten Zwischenfalles hat, weiteren Nachrichten zufolge, der Minister des Aeußern Herzog von Tetuan seine Entlassung gegeben. Der Minister⸗Präsident
Canovas del Castillo hat vorläufig das Portefeuille des
Aeußern übernommen. 8
Türkei.
Die Pforte hat den Botschaftern amtlich mitgetheilt, daß auf beiden Kriegsschauplätzen auf der ganzen Linie Waffen⸗ ruhe herrsche. Den Aufstellungen beider Armeen entlang sind, wie aus Lamia berichtet wird, weiße Flaggen gehißt. Die Feststellung der neutralen Zone durch eine Kommission von höheren Offizieren soll heute erfolgen. 1
Aus Kanea vom gestrigen Tage meldet die „Agenzia Stefani“, daß die letzten griechischen Truppen, unter Zurücklassung einiger . welche, der Erklärung des
riechischen Kommandeurs zufolge, den Insurgenten gehörten, eta gestern verlassen hätten.
Nach einer Meldung der „Agence Havas“ aus Kanea seien vorgestern Nachmittag von Baschibozuks auf den Admiral und dessen Generalstabs Chef, während dieselben vor
uda spazieren gingen, fünf Schüsse abgegeben worden. Eine Stunde früher sei der britische Admiral Gegenstand eines ähnlichen Anschlages gewesen. Das französische Marine⸗ Ministerium theilte dagegen den Pariser Blättern mit, daß der Admiral Pottier, als er 9 mit einem Offizier in der Um⸗ gebung von Suda befunden habe, Schüsse habe fallen hören, deren Ausgangspunkt er aber nicht habe feststellen können, da sie aus sehr großer Entfernung abgefeuert worden seien. Man könne daher weder sagen, daß die Schüsse von Baschibozuks abgegeben worden, noch daß sie gegen den Admiral gericht 9e. seien. 8
Griechenland.
Der Minister des Innern Theotokis und der Minister des Unterrichts Eutaxias sind nach Athen zurückgekehrt.
Die Deputirtenkammer wird, sobald die Friedens⸗
bedingungen aufgestellt sind, einberufen werden.
Montenegro.
Wie „W. T. B.“ aus Cetinje berichtet, gab der Fürst Nikolaus in einem Toast auf den Kaiser von Oesterreich, welchen er bei dem Diner ausbrachte, das aus Anlaß der Ver⸗ mählung der Prinzessin Anna mit dem Prinzen Franz Joseph von Battenberg stattfand, den Gefühlen der Freude und des Dankes für die Güte und das Wohlwollen Ausdruck, die ihm der Kaiser jederzeit bewiesen habe, welche Gefühle durch den Antheil des Kaisers an der in seinem Hause herrschenden Freude nur noch erhöht worden seien. “
“ 1“
Dänemark. v“
Der Finanz⸗Minister wird am nächsten Montag im Folkething eine Vorlage, betreffend die Verlängerung des jetzigen interimistischen Finanzgesetzes um weitere zwei Monate,
Amerika.
Aus Montevideo vom 20. d. M. sind der „Times“
Nachrichten zugegangen, die sämmtlich darauf hindeuten, daß
der Aufstand infolge des Sieges des Generals Villar über
Lamas als erloschen zu betrachten sei.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ iagen und des Herrenhauses befinden sich in der Zweiten eilage.
— In der heutigen (227.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und der Minister für Handel und Gewerbe Brefeld beiwohnten, wurde die zweite Be⸗ rathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung der Gew L“ (Handwerkervorlage), fort Füihe Nach § 100 a sollen die Betheiligten zur Abstimmung über die Bildung einer Zwangs⸗Innung durch ortsübliche Bekanntmachung oder besondere Mittheilung eingeladen werden.
Zu diesem Paragraphen liegt ein Antrag des Abg. Dr. Schneider (fr. Volksp.) vor, wonach behufs Erklärung über die Zustimmung zur Bildung der Zwangs⸗Innung eine be⸗ sondere Mittheilung an die Betheiligten erforderlich sein und die ortsübliche Bekanntmachung nicht genügen solle.
Abg. Kopsch (fr. Volksp.) will nur die besondere Mittheilung zugelassen wissen, weil die ortsüblichen Bekanntmachungen durch Aus⸗ schellen ꝛc. oder durch die Kreisblätter keine Sicherheit böten, daß alle Betheiligten benachrichtigt würden.
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath im Reichsamt des Innern Dr. Wilhelmi hält die Benachrichtigung jedes einzelnen Gewerbe⸗ treibenden für zu zeitraubend und zu viel Schreibwerk erfordernd.
Abg. Dr. Osann (nl.): Wie man für die Auflösung einer Innung sehr strenge Vorschriften gegeben hat, so sollte man auch für die wichtige Frage der Errichtung einer Zwan Innung die Formalitäten strenge handhaben und sämmt⸗ liche Gewerbetreibenden benachrichtigen, zumal sie nachher in den Kosten sämmtlich beizutragen haben. In der zusammen⸗ berufenen Versammlung entscheidet nur die Mehrheit der Anwesenden. Es kann also nicht vorkommen, daß die Mehrheit der Bet
gegen die Zwangs⸗Innung ist und dennoch eine solche gebildet
—
Abg. Richter (fr. Volksp.): Da der Handels⸗Minister selbst
it hat, 2 eine Zwangs⸗Innung nicht gedeihlich arbeiten kann,
wenn die Mehrheit der Angehörenden derselben widerstrebt, so müßte
auch hier dafür gesorgt werden, daß eine Zwangs⸗Innung nur gebildet
werden kann, wenn die Mehrheit der Betheiligten, nicht bloß der zufällig
Anwesenden dafür ist. Mindestens müßte jeder besonders aufge⸗
fordert werden, zumal Zweifel entstehen können, ob jemand zur
Innung für ein bestimmtes Gewerbe oder für ein verwandtes Gewerbe
gebört, oder ob er als Fabrikant ausscheidet. Die Kosten, die daraus entstehen können, dürfen dabei nicht ins Gewicht fallen.
Minister für Handel und Gewerbe Brefeld: Die Befürchtung, daß gegen den Willen der Mehrheit der Betheiligten eine Zwangs⸗ Innung gebildet werden kännte, halte ich nicht für zutreffend, sonst würde ich der Aenderung des 100 a zustimmen. Es wird eine Liste sämmtlicher Betheiligten aufgestellt und be⸗ kannt gemacht oder zur Einsicht ausgelegt werden. Wer Einsicht nimmt, aber nachher sich an der Versammlung nicht betheiligt, -. natürlich als zustimmend angesehen werden. Die Regierung wi keine W gegen den Willen der Mehrheit der Betheiligten entstehen lassen.
steütn Richter: Der Minister mag den besten Willen haben, aber den Unterbehörden wird doch sehr viel Spielraum gelassen. Es besteht keine Sicherheit, daß die Betheiligten auch wirklich Kenntniß von den Vorgängen erhalten. Je größer ein Ort ist, desto geringer ist z. B. die Zahl derjenigen, welche in die Wählerlisten Einsicht nehmen. Das wird dabei nicht anders sein.
Abg. Dr. Hitze (Zentr.) führt aus, daß der Antrag richtiger folgende Fassung erhalten müßte: Durch besondere Mittheilung und ortsübliche Bekanntmachung; denn letztere sei doch unbedingt nöthig.
Abg. Richter (fr. Volksp.) schließt sich dieser Auffassung an und modifiziert den Antrag in entsprechender Weise.
Nachdem Abg. Dr. Osann nochmals für den Antrag in dieser Form eingetreten war, schloß die Debatte. Die Ab⸗ stimmung ergab die Beschlußunfähigkeit des Hauses. Der Präsident ordnete daher eine neue Sitzung auf 1 Uhr 50 Minuten an. Auch bei der Abstimmung in dieser Sitzung war das Haus nicht beschlußfähig.
Bei Schluß des Blattes beraumte der Präsident die nächste Sitzung für eine halbe Stunde später an mit der Tagesordnung: Servistarif.
— In der heutigen (15.) Sitzung des Herrenhauses, welcher der Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammerstein und der Minister des Innern Freiherr von der Recke beiwohnten, erfolgte zunächst die Vereidigung des neu in das Haus eingetretenen erblichen Mitgliedes Christian Ernst Fürsten zu Stolberg⸗Wernigerode in der vor⸗ geschriebenen Weise.
Namens der Etats⸗ und Finanzkommission berichtet sodann eerr von Gerlach über die Allgemeine Rechnung über den taatshaushalt des Jahres 1893/94. Die Entlastung der
Staatsregierung wird ohne Debatte ausgesprochen.
In Bezug auf die Uebersicht von den Staatseinnahmen und ⸗Ausgaben für 1895/96 wird in Uebereinstimmung mit den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses für die vorgekommenen Etatsüberschreitungen und außeretatsmäßigen Ausgaben die vorläufige Genehmigung ertheilt.
Die Denkschrift über die Ausführung des Ansiedelungs⸗ gesetzes von 1886 für Westpreußen und Posen wird nach dem Antrage derselben Kommission (Referent Herr von Graß) durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt.
Der Beüleentwuef wegen Abänderung der §§ 8 und 12 des Gesetzes, betreffend die Fuͤrsorge für die Wittwen und Waisen der unmittelbaren Staatsbeamten, vom 20. Mai 1882 (Er⸗ höhung der Wittwenpensionen) wird nach dem Antrag der Etats⸗ und Finanzkommission (Referent Ober⸗Bürgermeister Zweigert) unverändert angenommen.
(Schluß des Blattes.)
— Im Hause der Abgeordneten gelangte in der heutigen (89.) Sitzung, welcher der Finanz⸗Minister Dr. von Miquel und der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen beiwohnten, zunächst der Gesetzentwurf, betreffend die Tagegelder und Reisekosten der Staatsbeamten, zur dritten Berathung.
Abg. Mies (Zentr.) beantragt die Erhöhung der Kilometergelder für einige mittlere Beamtenklassen von 7 auf 9 ₰.
Ein Regierungskommissar und die Abgg. von Pappen⸗ heim (kons.) und Möller (nl.) bitten, keine Aenderung mehr vor⸗ zunehmen, nachdem in der Budgetkommission eine Einigung erzielt worden sei.
Der Antrag wird abgelehnt.
Abg. Hofmann (nl.) wünscht, daß die Diäten für die Justiz⸗ beamten bei sogenannten Parteigeschäften nicht so hoch bemessen werden sollen, daß die hohen Kosten die ärmere Bepölkerung, namentlich auf dem platten Lande, von der Inanspruchnahme der freiwilligen Gerichtsbarkeit abschrecken.
Darauf wird die Vorlage unverändert angenommen.
In dritter Berathung werden ferner die Gesetzent⸗ würfe, betreffend Aenderungen des Reglements für die Königlich preußische Offizierwittwenkasse, be⸗ treffend die Forstschutzbeamten der Gemeinden und öffentlichen Anstalten im Regierungsbezirk Wies⸗ baden und betreffend die Verpflichtungen der bürger⸗ lichen Gemeinden bezüglich der Bauten und Repa⸗ raturen von Kirchen⸗, Pfarr⸗ und Küstergebäuden (Antrag Langerhans), ohne Debatte angenommen.
Es folgt die erste Berathung des Gesetzentwurfs, be⸗ Erffend den Erwerb von Theilen des Aachen⸗Mastrichter Eisenbahnunternehmens durch den preußischen
Staat.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen bittet um die Erlaubniß, bei dieser Gelegenheit dem hohen Hause Mittheilung über das Unglück des Militärzugs auf der Eifelbahn machen zu dürfen, und wiederholt dieselbe Erklärung, die er gestern im Herrenhause in dieser Angelegenheit abgegeben hat, und die wir im Bericht über die gestrige Sitzung des Herrenhauses im Wortlaut mitgetheilt haben. Der Minister schließt mit den Worten: Jedenfalls ist der Unfall der schwerste, der die Eisenbahnverwaltung seit Dezennien betroffen
t, und er ist so recht geeignet, zu mahnen gegenüber der latenten Gefahr, die bei den Eifenbahnen stets vorhanden ist, und auch zur
kahnung zu dienen, nicht zu versäumen, was irgendwie dazu beitragen kann, diese latente Gefahr zu vermindern. Es wird alles Mögliche in dieser Beziehung geschehen, mit der äußersten Vorsicht, aber auch mit Strenge diejenigen Wege einzuschlagen, die hierin zum Ziele führen können. Der Minister be⸗ gründet sodann des näheren den vorliegenden Gesetzentwurf. Der Zustand, daß der Staat nur ein Miteigenthum an Theilen der Aachen⸗ Mastrichter Eisenbahn hatte, habe sich nicht länger aufrecht erhalten assen. Da nun die belgische Strecke dieser Bahn verstaatlicht werde, müsse auch die preußische Strecke verstaatlicht werden.
Vize⸗Präsident Dr. Krause: Ich glaube, im Sinne des Hauses zu handeln, wenn ich unser großes Bedauern über diesen Eisenbahn⸗ unfall ausdrücke und das tiefste Mitleid und Mitgefühl mit den
ferunglückten und ihren Familien ausspreche. (Zustimmung auf allen Seiten des Hauses.) ““ 1 Die Vorlage wird der Budgetkommission überwiesen.
anderen Städten sind noch nicht bekannt gegeben.
Es folgt die erste Berathung des Nachtrags⸗Etats für 1897/98.
2 Dr. von Miguel bemerkt, daß er kein Freund von Nachtrags⸗Etats sei, diesmal aber einen solchen nicht habe ver⸗ meiden können. Der Etat beziehe sich hauptsächlich auf die Umbauten der Bahnhöfe Aachen, Dortmund und Bochum, die dringend erforderlich seien. Er bitte deshalb um Annahme der Vorlage. 28
Abg. Dr. Sattler (nl.): Unsere Bahnhofseinrichtungen müssen so getroffen werden, daß Unglücksfälle nach Möglichkeit vermieden werden. In diesem Sinne sind auch diese Bahnhofsumbauten dringend erforderlich, und wir freuen uns über die Vorlegung des Nachtrags⸗Etats und begrüßen es mit Dank, daß die Bahnhofszustände in Aachen, Dortmund und Bochum verbessert werden sollen. Erfreulich ist es daß die Kosten dafür aus anderen Ersparnissen gedeckt werden
nnen.
Fea Dr. von Miquel erwidert, daß es sich bei den Ersparnissen allerdings nur um vorübergehende Ersparnisse handelt.
Abg. Broemel (frs. B98.) beantragt die Ueberweisung des Nachtrags⸗Etats an die Budgetkommission, spricht seine Freude über die Vornahme von Bahnhofsbauten aus, bemängelt aber, daß von den für solche Zwecke bereits bewilligten Summen bisher so wenig verwendet worden sei. In manchen Fällen sei in sechs bis neun Jahren von den bewilligten Summen nur † verwendet worden; die Ausführung der Bauten gehe also viel zu langsam vor sich, und das gelte feltht für Bauten, die bei der Be⸗ willigung von der Eisenbahnverwaltung als dringend nothwendig be⸗ zeichnet worden seien. Die Budgetkommission müsse bei Gelegenheit deragorlege auch mit dieser Frage der Bauausführungen sich einmal eschäftigen. 1
Nach längerer Debatte wird auch diese Vorlage der bbvbvät.—“;
(Schluß des Blattes.)
— Bei der am 20. d. M. in dem Wahlbezirk Bergheim⸗ Euskirchen vorgenommenen Ersatzwahl zum Reichstage wurde, wie die „Kölnische Volkszeitung“ aus Euskirchen meldet, der Kandidat des Zentrums, Gutsbesitzer Breuer (Groß⸗Mönchhof), mit großer Mehrheit gewählt.
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Arbeiterbewegung. 8
In Wiesbaden, wo die Maurer in eine Lohnbewegung ein⸗ getreten sind, haben, einer Mittheilung der „Frkf. Ztg.“ zufolge, die Meister beschlossen, den von den Gehilfen aufgestellten Lohntarif ab⸗ zulehnen, sich dagegen mit der Einführung der Stundenarbeit einver⸗ standen zu erklären. Sie setzten den Stundenlohn für die Tagelöhner auf 25, für die Maurer auf 36 ₰ fest.
In Bernau haben, wie der „Vorwärts“ berichtet, die Drechsler der Schreiber'schen Werkstatt wegen Lohnstreites die Arbeit eingestellt.
Aus Rostock wird der Berliner „Volks⸗Ztg.“ zur Lohnbewegung der dortigen Tischler geschrieben: Nach einem in einer Tischlerver⸗ sammlung erstatteten Bericht haben 18 Arbeitgeber, bei denen 32 Ge⸗ sellen beschäftigt sind, die Forderungen bewilligt, 88 Gesellen jedoch haben die Arbeit niederlegen müssen. Von diesen sind 57 verheirathet. In wei⸗ teren 26 Werkstätten, in denen 60 Gesellen arbeiten, wird zunächst noch gearbeitet, weil die Kündigungsfrist, welche innegehalten werden soll, noch nicht abgelaufen ist, oder weil die bei Beginn der Bewegung angefangenen Arbeiten noch nicht vollendet sind.
Kunst und Wissenschaft.
Aus München vom 19. d. M. wird das Ableben des be⸗ kannten Genremalers Heinrich Lossow, der zugleich Konservator der Sees ane Galerie war, gemeldet. Er war am 10. März 1840 ebendaselbst als der jüngste der Söhne des Bildhauers Arnold Lossow geboren, machte seine Studien an der Münchener Kunst⸗Akademie und ging früh auf Reisen. Seine zahlreichen Genrebilder sind vorzugs⸗ e der Rococozeit entnommen, die er in gefällig komponierten, charakteristischen Scenen, oft stark realistisch vorführt. Am bekanntesten sind wohl seine Gemälde „Sphinx und Dichter“, „Musikalische Unter⸗ haltung“, „Flitterwochen“, „Die Putzmacherin“, Die überraschte Schäferin“, „Vor der Matinée“, „Im Park“ und „Uebermuth“. öö“ zu Shakespeare's „Lustigen Weibern“ hatte er gezeichnet.
— Ueber einen bedeutenden Silberfund, der vor einigen Wochen auf der Feldmark von Paatzig im Kreise Kammin gemacht wurde, wird der „Neuen Stettiner Ztg.“ berichtet: Der dem neunten bis zehnten nachchristlichen Jahrhundert angehörende Fund ist einer der größten Funde, die in Pommern gemacht worden sind; nur der Fund von Lupow läßt sich an Umfang und Größe annähernd mit demjenigen von Paatzig vergleichen. Der Paatziger Fund besteht theils aus Silbermünzen, theils aus silbernen Schmuckgegenständen; die einen wie die anderen sind arabischer Herkunft und zur Slavenzeit, ungefähr im neunten bis zehnten Jahrhundert, durch arabische Händler ins Land gebracht worden. Durch genaue Bestim⸗ mung der Münzen (meist sind es sogenannte Dirhems), deren Zahl mehrere Tausend beträgt, wird sich die Zeit des Fundes noch näher umgrenzen lassen. Die meisten Münzen sind zerschnitten, entweder in zwei Hälften oder in vier Viertel, oder auch in ganz unregelmäßige Stücke: eine Erscheinung, die auch bei anderen aus derselben Zeit erhaltenen Funden beobachtet worden ist. Offenbar hat man durch Zerschneiden der Dirhems, die etwa die Größe eines Einmarkstücks haben, dem Mangel an kleinerer Münze abzuhelfen gesucht. Die Schmuckgegenstände sind höchst mannig⸗ faltiger Art; es finden sich darunter Halsringe, Spangen, Diademe, Ohrgehänge, Armringe, Broschen, Knöpfe und zahl⸗ lose kleinere Gegenstände, die nur als Fragmente und zu sogenanntem Hacksilber zerkleinert erhalten sind. Diese Gegenstände sind entweder in Silberfiligran gearbeitet oder bestehen aus getriebenem Silber⸗ blech. Unter den Gegenständen der letzteren Art ist die Darstellung von Pferdeköpfen, in Reihen, als hauptsächlichstes Ornament ver⸗ wendet. Unter den Stücken von Filligranarbeit ist besonders eine ziemlich vollständig erhaltene Brosche bemerkenswerth, welche in der Art ihrer Ausführung an nordische Arbeiten er⸗ innert, aber doch wohl auch arabischen Ursprungs ist. Die Halsringe sind aus geflochtenem Silberdraht hergestellt. Der gesammte Fund, welcher ein Gewicht von einigen zwanzig Pfund hat, befindet sich jetzt im Museum der Gesellschaft 1 pommersche Geschichte und Alterthums⸗ kunde zu Stettin. Ein Theil ist von der Gesellschaft angekauft worden, der andere Theil von der Besitzerin des Gutes Paatzig, Frau Gräfin Flemming, dem Museum überwiesen worden.
Das Comité für den XII. Internationalen medizinischen Kongreß in Moskau (19. bis 26. August 1897) versendet folgende Mittheilungen über die Bedingungen für die Betheiligung ꝛec.: 1) Um Mitglied des Kongresses zu werden, wolle man den Beitrag (20 ℳ) unter Beifügung einer Visitenkarte spätestens bis zum 20. Juli an den Schatzmeister des Comités, Herrn Sanitäts⸗Rath Dr. Bartels, Berlin W., Karlsbad 12/13, einsenden. 2) Die Quittung des Schatzmeisters dient als vorläufige Legitimation, speziell bei Besorgung des Passes. 3) Jeder nach Rußland Reisende muß einen Paß haben, der von der Orts⸗Polizeibehörde ausgestellt und vom zuständigen russischen Konsul visiert ist. Für Kongreßmitglieder werden die Pässe, ohne Unterschied der Konfession, auf unbestimmte Dauer visiert. Ehepaare können sich eines gemeinsamen Passes bedienen. 4) In Betreff der Reisever⸗ günstigungen ist zunächst im Prinzip festgestellt, daß in Rußland freie Fahrt I. Klasse von der Grenze nach Moskau und zurück (auch nach einer anderen Grenzstation) gewährt wird. Nähere Bestimmungen hierüber, sowie über Exkursionen im Innern von Rußland, über Empfänge in 5) Ueber zweck⸗
1“ “ 8
mäßige Reisepläne, Wohnungsverhältnisse u. dgl. m. werden dem⸗ nächst ausführlichere Mittheilungen ergehen. 6) Für die Damen der Mitglieder wird ein besonderes Damen⸗Comité in Moskau gebildet; es wird — Namen und Vornamen der theilnehmenden Damen mitzutheilen. Eine Lösung besonderer Damenkarten ist nicht erforderlich. 7) Ein allgemeines Programm des Kongresses ist noch nicht publiziert seitens der meisten Sektionen sind vorläufige Tagesordnungen fest⸗ gestellt und durch den Ersten Schriftführer, Professor Dr. Posner Berlin SW., Anhaltstr. 7), zu erhalten; derselbe übermittelt auch die nmeldung von Vorträgen an die Vorsitzenden der Sektionen.
Ausgewählte Selbstbiographien aus dem 15. bis 18. Jabrhundert, herausgegeben von Christian Meyer. Mit vier Porträttafeln. Verlag von J. J. Weber in Leipzig.
reis geh. 5 ℳ — Eine Fülle werthvollen kulturhistorischen Stoffs 8 die uns in den Archiven erhaltenen alten Hauschroniken, Reisetagebücher, Briefe und Selbstbiographien; aus ihnen erhält man erst eine Anschauung von dem Privatleben unserer Vorfahren. In diese noch deutliche und farbenfrische, so wenig bekannte und doch so anziehende Welt der Vergangenheit gewährt das vorliegende Buch fesselnde Einblicke. Alle Berufsstände und alle deutschen Stämme kommen zum Wort; die schlicht treuherzige Erzählung, die kraftvolle kernige Sprache entbehren nicht schalkhaften “ Der bis nach Kreta und Rhodus gekommene Augsburger Chronist und Kaufmann Zink erzählt von seinen Fahrten; Meister Albrecht Dürer gedenkt liebevoll der Eltern; der Walliser Thomas Platter schildert seine köstlichen Abenteuer als fahrender Schüler; sein Sohn Felix Platter macht den Leser mit seiner Jugend⸗ liebe bekannt; der Stralsunder Bürgermeister Sastrow schildert seine Erlebnisse zur Zeit des Schmalkaldischen Krieges im Gefolge Karl's V., der Tiroler Geizkofler die Schrecken der Pariser Bluthochzeit, deren Augenzeuge er war. Elias Holl, einer der größten deutschen Bau⸗ meister, berichtet ferner von der durch ihn in Augsburg zur Herrschaft ge⸗ langten Renaissance⸗Architektur. Den Beschluß machen die Erinne⸗ rungen des Historikers He der als Feldprediger der Ansbachischen Truppen die ersten Jahre des spanischen Flg genieh. mitmachte. Die Sammlung wird jedem geschichtsfreundlichen Leser Anregung und Vergnügen bereiten.
— Katechismus des Radfahrsports. Von Dr. Karl Biesendahl. Mir 104 in den Text gedruckten Abbildungen. Verlag von J. J. Weber in Leipzig. In Original⸗Leinenband Pr. 3 ℳ% — Der Verfasser des vorliegenden Bändchens, Herausgeber der Sport⸗ zeitung „Der deutsche Radfahrer“, giebt zunächst einen historischen Ueberblick über die Entwickelung des Fahrrades von den ersten un⸗ gelenken Versuchen an, behandelt hierauf eingehend das moderne Niederrad in allen seinen Bestandtheilen, ertheilt praktische Rathschläge bei Ankauf des Rades und giebt die erste An⸗ leitung zur Erlernung des Radfahrens. In klarer und anregender Darstellung geht der Autor alsdann näher ein auf Hygiene und Training des Radfahrers, Renn⸗ und Tourenfahren, Militär⸗Rad⸗ fahren und bespricht schließlich die Vorschriften der Behörden. Der Betheiligung der Damenwelt an dem Radfahrsport ist ein beson⸗ deres Kapitel gewidmet, ebenso der passendsten Kleidung des Rad⸗ fahrers wie der Toilette der Radfahrerin. Werthvolle Abschnitte sind schließlich auch diejenigen über Topographie und Kartographie der Radtouristik, über radsportliche Literatur und Presse.
Theater und Musik. Berliner Theater.
Die alte Weirauch'sche Posse „Die Maschinenbauer von
Berlin“ fand bei ihrer gestrigen ersten Aufführung ein beifalls⸗ freudiges Publikum, ja, man kann von einem vollen und unbestrittenen Erfolg reden; denn das volksthümliche, von gesunder Empfindung und Stimmung getragene Stück wirkte wie eine Novität. Behagliche Laune und harmloser Frohsinn, die den neuesten Produkten dieser Art zumeist fehlen, führen hier die Herrschaft und finden lebhaften Wider⸗ hall in den Herzen der Hörer und Zuschauer. In diesen alten Possen liegt eben ein größeres Maß literarischen und sittlichen Werthes, als gewöhnlich angenommen wird; nur so ist das immer neue Interesse zu begreifen, das den alten, guten Possen entgegengebracht wird. Auch gestern lauschten die Zuschauer zufrieden und frohgemuth dem Lob, das der tüchtigen Arbeit gespendet wurde, und nahmen bei⸗ fällig den endlichen Sieg der Tugend auf. Großes Verdienst um den Erfolg hatte übrigens auch die treffliche Darstellung. Die Schauspieler nahmen sich nicht nur der großen, sondern auch der kleinen Rollen mit so viel Wärme und erkennbarer Freude an, daß ihr lebendiges und kräftiges, fast stürmisches Vorgehen zündend auf die Zuschauer wirkte. Herr Formes als Monteur Heinzius und Herr Hecht als Schlosser Knobbe hoben den Humor ihrer Rollen derb heraus. Herr Bassermann spielte den reichen jungen Engländer, den Sonderling, mit dem grundguten Herzen mit großem Taßt, und eine Ing⸗ Dame, Frau Wander⸗Arasep, trug als Lehrjunge Joseph eine musikalische Variation über das Lied „Kommt ein Vogel geflogen“ sehr wirkungsvoll vor. Auch die zahlreichen Kuplets schlugen erfolgreich durch und fanden fast ebenso viel Beifall, wie der impro⸗ visierte „Hofball“ des vierten Bildes, der durch die lebhafte Tanzlust, die dabei entfesselt wurde, stürmische Heiterkeit erweckte.
Im Königlichen Opernhause wird morgen „Haschisch“ von Oscar von Chelius gegeben. Die Partie der Hama singt Fräulein “ Hierauf folgt Verdi's Oper „La TPraviata“ mit Signorina Franceschina Prevosti in der Titelrolle. Den Alfred Germont singt Ferr Naval, den Georg Germont Herr Hoffmann, die Flora
ervois Frl. Cortese. Die Vorstellung beginnt um 7 Uhr. — Am Montag findet das einmalige Auftreten des Herrn Francesco Tamagno in Meyerbeer's Oper „Der Prophet’ statt. Preise der Plätze: Fremdenloge 20 ℳ, Orchesterloge 18 ℳ, I. Rang und Parquet 15 ℳ, II. Rang 8 ℳ, III. Rang 6 ℳ, IV. Rang 3 ℳ, Stehplatz 2 ℳ —
Im Neuen Königlichen Opern⸗Theater wird morgen zu ermäßigten Preisen Raimund's Zaubermärchen „Der Verschwender“
egeben. Den Valentin spielt Herr „Pollmer, die Rosa Fräulein ausner.
Im Königlichen Schauspielhause wird morgen Shake⸗ speare's Drama „Coriolan“ gegeben. — Am Montag geht Schiller's „Don Carlos“ mit Herrn Matkowsky in der Titelrolle in Scene. Im übrigen lautet die Besetzung: Marquis Posa: Herr Ludwig; Alba: Herr Keßler; Königin: Frau von Hochen⸗ burger; Prinzessin Eboli: Fräulein Poppe; Domingo: Herr Kahle; König Philipp: Herr Grube. b
Das Deutsche Theater bringt morgen Abend eine Wieder⸗ holung der drei einaktigen Stücke „Am Ende“, „Die Schulreiterin“ und „Guten Morgen, Herr Fischer!“ In der am Montag statt⸗ findenden Aufführung des „Don Carlos“ wird Herr Hermann Leffler als zweite Gastrolle den Marquis Posa darstellen; die Titelrolle spielt Josef Kainz. Am Dienstag und Freitag kommt „Die versunkene Glocke“ zur Aufführung, am Mittwoch „Einsame Menschen“; am Donnerstag und nächsten Sonntag Abend werden „Die Räuber“ mit Josef Kainz als Franz Moor und am Sonnabend „Hamlet“ mit Josef Kainz in der Titelrolle gegeben. Als Nachmittags⸗Vorstellungen sind für morgen „Hannele's Himmelfahrt“ in Verbindung mit „Blau“, für nächfefolgenden Sonntag „Einsame Menschen“ angesetzt.
Im Berliner Theater wird Weirauch's Posse „Die Maschinen⸗ bauer“ in den nächsten Wochen allabendlich zur “ gelangen. Als Nachmittagsvorstellung werden morgen „Kabale und Liebe“, am nächsten Sonntag „Kinder der Bühne“ gegeben. 8
Das i.s en bringt auch in der nächsten Woche ausschließlich Aufführungen der Operette „Die Geisha“.
Im Schiller⸗Theater sollen auf den französischen Schwank „Madame Bonivard“ am Dienstag deutsche Schwänke aus vier Zeit⸗ altern folgen. Jakobus Ayrer, der Zeitgenosse von Hans Sachs, soll