auch jett durch die Kleinbahnen noch beene ausgedehnt nind, —
es richtig ist zu fordern, daß neue Wasserstraßen nicht à fonds perdu vom Staate gebaut werden, sondern daß sie die Betriebs⸗ und Unter⸗ haltungskosten decken und eine mäßige Verzinsung in Aussicht stellen (bravo!), und ich stehe noch heute auf diesem Standpunkt. Nach diesem Gesichtspunkt muß man auch tarifieren; man muß die Tarife so hoch stellen, daß eine solche mäßige Verzinsung herauskommt. Aber⸗ meine Herren, man kann die Tarife nicht willkürlich stellen; wenn man sie so hoch stellt, daß gar keine Schiffe oder nur sehr wenige fahren, bekommt man weder die Unterhaltungs⸗ noch die Betriebskosten und auch keine Verzinsung. (Zuruf.) Ja, dann ist das Unternehmen vielleicht nicht richtig gewesen; davon spreche ich garnicht mehr. Aber das Unternehmen ist vollendet, ist vorhanden. Nun, meine Herren, erklärten bei der Frage der Tarifierung, wo das Finanz⸗ Ministerium eine höhere Summe gefordert hatte, die Interessenten, daß sie nicht geneigt wären, bei so hohen Tarifen das Risiko des Baues von neuen Schiffen für den Kanal zu laufen; die Stadt Dortmund erklärte: Dann werden wir keinen Hafen bauen, denn wir haben dann keine begründete Aussicht, daß die Schiffahrt auf dem Kanal irgend eine Bedeutung gewinnt. Um also überhaupt diese Kanalschiffahrt in Gang zu bringen, wofür doch der Kanal bestimmt wurde, müssen wir die Tarife ermäßigen, meine Herren; aber das haben wir uns gleich gesagt, daß solche Tarife, die man zusichert, um solche großen Kanalanlagen und die Benutzung des Kanals überhaupt zu ermöglichen, zwar eine gewisse Dauer haben müssen, damit nicht die Interessenten das Risiko laufen: daß heute der Tarif so normiert wird, daß eine Rente erwartet werden kann, daß er morgen wieder geändert wird, — daß das aber nicht zu lange dauern darf, daß man revidieren muß, nach Maß⸗ gabe der Entwicklung des Verkehrs auf dem Kanal und der Er⸗ fahrungen, die man dabei sammelt. Ich würde der Erste dazu sein, wenn ein großer Verkehr auf dem Kanal zustande käme (Zuruf: kommt nicht!) — „käme“ habe ich gesagt, wenn man sieht, die Schiffahrt kann höhere Tarife vertragen, sie wird doch noch für die betreffende Gegend die Rheinkonkurrenz aushalten können, so bin ich der Erste der, wie bei den märkischen Wasserstraßen, sagt: die Tarife müssen er⸗ höht werden! Aber man wird nicht so weit gehen, die Schiffahrt von vornherein durch die Tarife todt zu schlagen. In dieser Be⸗ ziehung muß man, möchte ich sagen, die Hand an den Pulsschlag des Verkehrs halten. Im Prinzip theile ich aber die Ansicht: Wenn wir Eisenbahnen bauen und sie uns eine Rente bringen, wenn wir Kanäle bauen, die die gefährlichsten Konkurrenten gegen die Eisenbahnen sind, dann kann man es nicht aus volkswirthschaftlichen und finanziellen Gesichtspunkten verantworten — es sei denn, daß es sich um eine unbedingt nothwendige Kanalanlage zur Melioration des Landes handelte — den Kanal à fonds perdu herzustellen. Den Gesichtspunkt der möglichen und wahrscheinlichen Rentabilitüt muß man nach meiner Meinung unbedingt festhalten. Aber wie gesagt, alles dies kommt bei diesem Kanal nicht in Frage, ich lehne immer ab, daß Sie alle die schönen Grundsätze hier ad consequentias ziehen wollen.
Nun, meine Herren, hat Herr Ober⸗Bürgermeister Schmieding gesagt: wir haben doch nun alles gethan; in den beiden Provinzen Rheinland und Westfalen hat man alles, was der Staat gefordert hat, bewilligt. Mit nichten, meine Herren. Die Herren haben bewilligt unter der Voraussetzung, daß gleichzeitig die Lippe kanalisiert und der Kanal Dortmund —-Ruhrort gebaut wird. Ich weiß noch nicht, wie sich die Staatsregierung zu dieser Be⸗ dingung stellt, jedenfalls ist es eine bedenkliche Bedingung, und ich fürchte, daß eine solche bedingte Zusicherung schließlich doch schwerlich wird Annahme finden können. Die übrigen Provinzen haben noch gar nichts erklärt. Wir wissen weder, wie Hannover, noch wie die Provinz Sachsen sich stellt, obwohl ich nicht genug betonen kann — was natürlich die Provinzen nicht glauben werden —, daß wir ihnen sehr billige Bedingungen gestellt haben. Ich habe mich gefreut, daß Herr Schmieding ausdrücklich anerkannt hat, es sei durchaus richtig, die Provinzen, die die Kanäle durchzögen, mit einem Präzipuum vorab zu den Kosten heranzuziehen, und das sei um so leichter, als nach dem neuen Kommunalabgabengesetz eine Vertheilung auf die noch näher Betheiligten leicht stattfinden könne. Das acceptiere ich durchaus, und ich möchte die Herren von den Provinzen, die sich über die Höhe desjenigen beschweren, was wir von ihnen als Präzipualbeitrag ge⸗ fordert haben, einmal bitten, zu vergleichen, wie in Frankreich in dieser Beziehung verfahren wird; da muß ganz anderes von den näher Betheiligten geleistet werden, wie in Oesterreich verfahren wird; da fordert man ganz andere Summen von den Ländern, Provinzen und Handelskammern. In Frankreich bezahlen in vielen Fällen die Handelskammern, die ein selbständiges Besteuerungsrecht haben, zur Förderung wirthschaftlicher und dem Handel vorzugsweise zu gute kommender Unternehmen über ein Drittel bis die Hälfte. Also wir sind in dieser Beziehung mäßig gewesen, und die Provinzen mögen sich keine Hoffnung machen, daß wir weiter zurückgehen, es ist auch voll⸗ kommen zutreffend, daß beim ersten Bau dieses Kanals Dortmund — Ems die Interessenten nur in geringem Maße herangezogen worden sind. Aber das ist ja selbstverständlich, nachdem der Kanal da ist, daß man da nicht von den Interessenten hinterher Geschenke fordern kann, die sie nicht zu geben verpflichtet sind.
Also, meine Herren, ich möchte bitten, sich durch diese großen wirthschaftlichen Gesichtspunkte, durch die allgemeinen Grundsätze für die Herstellung von Kanälen, durch die Frage, ob die Eisenbahn schließlich nicht dasselbe leisten könne als wie neue Kanäle, bei dieser Gelegenheit nicht beirren zu lassen, sondern dies als abgeschlossene Sache zu betrachten, wo wir lediglich die nicht abweisbaren Konse⸗ quenzen ziehen.
Freiherr von Wendt ist wie früher, au Kanalanlage. Die Bendte tewiezfrüh sei 5 .8s Aufschwung begriffen und sollte nicht künstlich durch derartige außer⸗ ordentliche Zuwendungen noch mehr übertrieben werden. Nachdem aber der Kanal gebaut sei, habe es keinen Sinn, die Nachforderung abzulehnen, zumal die Interessenten sich auf nichts mehr einlassen würden. Zu diesen Interessenten gehörten keineswegs bloß die H. Pftriellg. Der Import auf dem Kanal werde in der Hauptsache
en, Holz und Getreide umfassen. Das schwedische Eisen aber werde dem des Lahn⸗ und Sieggebiets Konkurrenz machen. Das für den Bedarf erforderliche Grubenholz könne in Westfalen von der heimischen Forstwirthschaft produziert werden, und das russische Ge⸗ treide werde sicher preisdrückend wirken. Einen Zweck würde die gesfltte Hbne 8 e. zu erfüllen haben. Komme das 25 is nach Dortmund, dann sei der westfälische
Herr von Bemberg⸗Flamersheim hält die Kanalfrage,
—
schaftlichen Interessen, da sonst die rheinische Landwirthschaft die bis⸗
her strikt festgehaltene Anse⸗ ng ihrer Solidarität mit der Industrie
nicht mehr würde aufrecht erhalten können.
Darauf wird ein Schlußantrag angenommen. In der
Spezialdiskussion zu § 1 bemerkt
von Manteuffel, daß der Finanz⸗Minister auf den Appell der Rechten unbefriedigend geantwortet habe. Es sei ihm und seinen Freunden daher nicht möglich, in diesem Jahre für die Nachforderung zu stimmen. Die Ueberschreitung betrage 30 %. Seien die Minister dafür verantwortlich, so sei er allerdings bereit, von ihrer Tasche jeden Schaden abzuhalten.
Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Herr Freiherr von Manteuffel hat mich sehr erheblich miß⸗ verstanden. Ich habe nicht gesagt, man solle die Tarife ohne Rück⸗ sicht auf die Landwirthschaft stellen, sondern ich habe gesagt: hat man einen Kanal gebaut, so hat man ihn gebaut, damit er befahren wird, und man muß namentlich im Anfang, wo die Sache erst in der Entwickelung begriffen ist, die Tarife nicht so hoch stellen, daß der Kanal überhaupt nicht benutzt werden kann. Man muß der Ent⸗ wickelung auf dem Kanal genau folgen und danach die Tarife definitiv gestalten. Wir haben immer die ersten Tarife als provisorische hingestellt. Ich theile vollkommen die Meinung, daß wir nicht die geringste Veranlassung haben, den Import des Getreides durch diesen Kanal besonders zu begünstigen. Sollte dies später dennoch zu Lasten der Landwirthschaft eintreten, so werden Sie uns wieder auf Ihrer Seite finden, um nicht in dieser Beziehung den Kanal besser zu stellen, als den Rhein.
Sodann ist es doch nicht zutreffend, daß hier 58 Millionen allein bewilligt sind. Der Grundgedanke der Bewilligung war ein Kanalunternehmen von der und der Beschaffenheit; das war geschätzt auf 58 Millionen Mark. Nun ist diese Summe überschritten, wie das oft geschieht, und zwar nicht bloß bei Kanal⸗ unternehmungen, sondern auch bei anderen Unternehmungen. Stehen bleibt aber immer die gesetzliche Ermächtigung der Königlichen Staats⸗ regierung, den Kanal auszubauen, und sogar ihre Verpflichtung dazu. So liegt die Sache. (Sehr richtig!) Ich kann mir sehr wohl denken, daß jemand heute sagt: Hätte ich gewußt, daß diese 58 Millionen um 17 Millionen überschritten werden würden, so hätte ich nicht für das Unternehmen gestimmt. Das alteriert aber diese gesetzliche Lage der Sache nicht. Thatsächlich beruht das Unternehmen selbst auf einer gesetzlichen Bewilligung.
Was würde nun das Resultat schließlich sein, wenn die Forderung der Regierung abgelehnt würde? Diejenigen Summen, die bereits verausgabt sind, werden wir nicht wieder bekommen. Diejenigen Verpflichtungen, die bereits mit den Unternehmern abgeschlossen worden sind, werden erfüllt werden müssen. Der Staat würde sonst durch Klagen und richterliche Urtheile gezwungen werden, seinen rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Nun bleibt vielleicht noch ein Rest übrig — ich weiß nicht, wie hoch derselbe ist, das wird auch der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten nicht genau wissen, sehr erheblich wird er nicht sein. Er soll dienen zur Vollendung eines fast ganz vollendeten Kanals. Entscheidend ist also die Frage: Wollen Sie die Vollendung des Kanals, für den vielleicht zu 99 % die Kosten ausgegeben sind, jetzt verhindern und den Kanal brach liegen lassen? Das ist die Frage, um die es sich hier handelt, und ich glaube nicht, daß das hohe Haus diese Verantwortlichkeit übernehmen will. Meine Herren, ich selbst muß sagen: Ich glaube an eine große Entwicke⸗ lung auf diesem Kanal, namentlich wenn er vereinzelt bleiben sollte, überhaupt nicht, aber ich mäöchte mir doch nicht beilegen zu erklären, was aus diesem Kanal schließlich werden kann, welcher Verkehr sich darauf bewegen wird, ob das wesentlich ein Lokalverkehr sein oder ob es ein internationaler Verkehr werden wird, auf welche Artikel, in welcher Höhe er sich erstrecken wird, — alles das kann heute niemand, glaube ich, von uns voll übersehen. Daß aber für die Bevölkerung des Landes selbst, durch das er geht, und derjenigen Landestheile, welche zu den Kosten des Kanals beigetragen haben, die wir selbst zu den Kosten herangezogen haben, ein solcher Kanal doch erheblichen Werth hat, einen lokalen Werth, das kann, glaube ich, nicht bestritten werden. (Sehr richtig!) Und wie die Provinzen dazu stehen, ergiebt sich daraus, daß ja Westfalen und die Rheinprovinz bereit sind, für weitere Kanäle erhebliche Lasten zu über⸗ nehmen. Es wäre also doch gewissermaßen auch eine Art, ich will nicht sagen Vertrauensbruch, aber doch ein bedenkliches Ding gegen⸗ über den Interessenten und den Provinzen, die wir zu den Kosten dieses Kanals herangezogen haben, wenn wir jetzt, wo es sich noch um eine verhältnißmäßig kleine weitere Ausgabe handelt, das Ganze fallen lassen wollten. Das wäre nach meiner Meinung nicht zu verantworten.
Es ist gefragt worden — ich glaube von Herrn Grafen Klinckow⸗ ström —, wieviel denn nun eigentlich diese Provinzen für die neuen Strecken zahlen sollen. Nach unseren Vorschlägen sollen die Pro⸗ vinzen den ganzen Betriebs⸗ und Unterhaltungsbetrag voll und weiter eine Rente von 3 % von einem Drittel des ganzen Anlagekapitals und bei den Anschlußkanälen der Hälfte des Anlagekapitals garantieren. Das ist allerdings doch schon erheblich, nur ist es insofern eine sehr erhebliche Erleichterung der Provinzen gegen früher, als sie kein Kapital selbst auszugeben brauchen; der Staat giebt das ganze Kapital, sie garantieren nur die 3 Prozent Verzinsung.
Ich habe schon vorher angedeutet, daß in anderen Ländern stärkere
Forderungen gestellt werden, aber diese Forderung ist auch nicht un⸗ bedeutend, und man kann sie wohl als eine den Verhältnissen ent⸗ sprechende bezeichnen. Die Garantie, die Königsberg für den Kanal Pillau⸗Königsberg übernommen hat, ist geringer, und ist der Vor⸗ anschlag für den Kanal noch stärker überschritten als hier. Außerdem kommt noch in Betracht, daß dabei nicht sowohl allgemeine Landes⸗ interessen in Frage kommen als das besondere Handels⸗ und Schiff⸗ fahrtsinteresse einer einzigen Stadt. Ich bitte nochmals, meine Herren, bei Lage der Sache, unter bewandten Umständen, und da es sich hier nicht um ein Prinzip handelt, sondern um die Anerkennung einer vollendeten Thatsache, die Regierungsvorlage anzunehmen.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Ich bitte, den Ausführungen des Herrn Finanz⸗Ministers noch einige kurze Bemerkungen hinzufügen zu dürfen.
Meine Herren, kurz nachdem ich mein Amt angetreten habe, nahm ich Veranlassung, in die Verhältnisse des Dortmund⸗Ems⸗Kanals näher einzutreten. Die Folge davon ist eine Denkschrift gewesen, die
1 aber fur die Zukunft mützens Berückfichtigung der landwirth⸗
wie dem Abgeordnetenhause überreicht worden schift ist es zunächst als zweifelhaft bingestellt warden ob unter den gegebenen Verhältnissen, namentlich mit Rücksicht auf die lange Zeit zwischen der Veranschlagung des Kanals und der Ausführung desselben: eine Zeit, wo sich die Verhältnisse in einem Theil des Kanalgebiets vollständig verändert hatten, wo die Preise des Grund und Bodens gewaltig gestiegen, wo durch die gleich⸗ zeitige Ausführung einer großen Reihe von bedeutenden Kanal⸗ und Flußbauten im Inland und Ausland die Unternehmer schon sehr in Anspruch genommen waren, — ob es in Anbetracht aller dieser Ver⸗ hältnisse möglich sein würde, den Kanal zu den ursprünglich ver⸗ anschlagten Kosten herzustellen. Das ist in der Denkschrift vom Jahre 1892 ausdrücklich gesagt worden. Dann ist in dieser Denk⸗ schrift ferner darauf hbingewiesen worden, daß man genöthigt sei, um den Kanal so herzustellen, wie es der Verkehrszweck erfordere, an eine Vertiefung und Verbreiterung des Kanalprofils heranzutreten, daß für verschiedene nothwendige Einrichtungen der Schiffszüge, für die Wasser⸗ versorgung wahrscheinlich Mehrkosten entstehen würden. Diese Kosten sind in der Denkschrift schon auf den Betrag von 4 770 000 ℳ angegeben. Diese 4 770 000 ℳ befinden sich unter den 14 750 000, die in der Vorlage enthalten sind. Meine Herren, es war absolut nothwendig, daß in einer Reihe von Verhandlungen die demnächstige Gestaltung des Betriebs auf dem Kanal sowie die Betheiligung der betreffenden Industrie und der Städte an der Herstellung von Umschlagsplätzen und Häfell verabredet werden mußte. Wenn die Kanalvorlage, die nachträgliche Forderung von 14 750 000 ℳ für die Vollendung des Kanals, von dem hohen Hause abgelehnt werden würde, so würde damit ein Stillstand in der Ausführung nothwendigerweise eintreten; es würden damit die berechtigten Erwartungen getäuscht werden, nicht nur in der Industrie, sondern auch in der ganzen betreffenden, von dem Kanal durchzogenen Gegend. Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, obwohl das hier im Hause auch schon ausgesprochen ist, daß bei dem Kanal nicht nur die Industrie, sondern auch die Landwirthschaft der betreffenden Gegend, und zwar die letztere in nicht unerheblichem Maße, dadurch interessiert ist, daß die Ent⸗ wässerungs⸗ und Bewässerungsverhältnisse durch den Kanal neu regu⸗ liert werden. Es sind große Flächen, die durch den Kanal in eine erheblich bessere Lage bezüglich ihrer Kultur kommen, als es bisher der Fall gewesen ist. Meine Herren, ich kann nicht anders annehmen, als daß das hohe Haus sich trotz aller Bedenken, deren Berechtigung in mancher Beziehung ich an und für sich nicht ver⸗ kenne, wie ich denn auch von ganzem Herzen bedauere, daß wir mit einer so hohen Nachforderung an den Landtag haben herantreten müssen — unter Berücksichtigung aller dieser Umstände damit ein⸗ verstanden sein wird, die Vorlagen der Staatsregierung anzunehmen.
Ein Schlußantrag wird abgelehnt.
„Graf von der Schulenburg⸗Beetzendorf kann die Ver⸗ pflichtung nicht anerkennen, die Nachforderung unter allen Umständen zu bewilligen. Deshalb und wegen der Konsequenzen bezüglich des Baues weiterer Kanäle werde er die Vorlage verwerfen.
Nachdem noch Ober⸗Bürgermeister Zweigert⸗Essen für die Nachforderung gesprochen, föhlleßt die nengfädt. Ef G
In namentlicher Abstimmung wird § 1 mit 49 gegen 26 Stimmen angenommen. Der Rest der Vorlage und das Gefetz in Ggnhen gelangen mit derselben Mehrheit zur Annahme. Die Resolution wird gleichfalls angenommen.
Im Anschluß an den Bericht der Staatsschuldenkommission über die Verwaltung des Staatsschuldenwesens pro 1895/96 wird die beantragte Decharge ertheilt.
Die Nachweisungen der Staatsbeihilfen zur Förderung des Baues von Kleinbahnen werden auf Antrag der Eisen⸗ bahnkommission durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt. Schluß 4 ¾ Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 12 Uhr. (Staatshaushalts⸗Etat.) .
Haus der Abgeordneten. 3 X“ “ den Beginn der Debatte ist bereits gestern berichtet
worden. Den ersten Gegenstand der Tagesordnung bildet die dritte
Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Erweiterung des Staats⸗Eisenbahnnetzes und die Betheiligung des
Staats an dem Bau von Kleinbahnen sowie an der Errichtung von landwirthschaftlichen Getreide⸗ lagerhäusern.
Abg. Möller (nl.) Grund und Boden der
„daß der Grund un oden Regierung i in b derselbe nach den 1a.en, eeerrggiee, de de Enteignung unterworfen und bei der landespoltzeilichen Abnahme für nothwendig erklärt ist, unentgeltlich und lastenfrei zu überweisen ist“, die Worte „und bei — erklärt“, welche in der zweiten Lesung auf Antrag des Abg. Gamp hinzugefügt worden sind, wieder zu streichen, da der Minister erklärt habe, daß der Antrag die Regierung unannehmbar sei.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! daß das hohe Haus dem Antrage Möller zustimmen möge, indem ich nochmals bemerke, — allerdings nur für meine Person, da eine Be⸗ schlußfassung des Staats⸗Ministeriums über den Gegenstand bis jetzt nicht stattgefunden hat, — daß ich den Antrag Gamp meinerseits für die Staatseisenbahnverwaltung für unannehmbar halte. Dagegen bin ich sehr gern bereit, die von dem Herrn Abg. Gamp ausgesprochene Hoffnung zu erfüllen, daß seitens des Arbeits⸗Ministeriums bestimmte Weisung ertheilt wird bezüglich der Nachforderung an Grund und Boden, und zwar in dem Sinne, wie es auch der Abg. Gamp in seinen heutigen Ausführungen ausgesprochen hat; denn ich nehme gar keinen Anstand zu erklären, daß auch ich es für unvereinbar mit den Voraussetzungen der Kreistagsbeschlüsse halte, wenn lange Zeit nach der Betriebseröffnung sich etwa das Bedürfniß herausstellt, noch dieses und jenes Grundstück zu erwerben, daß das auch zu Lasten der be⸗ treffenden Kreise geschieht. Es ist auch, soviel mir bekannt, in den letzten Jahren in dieser Beziehung nur ganz ausnahmsweise vielleicht einmal eine derartige Anforderung gestellt worden; aber ich muß wiederholen, daß es für die Staatseisenbahnverwaltung unthunlich ist, schon bei der Betriebseröffnung genau festzustellen, ob die Grenze des⸗ jenigen Grunderwerbs erreicht ist, der nothwendig ist, um die Zwecke der Bahn auch schon in dem Moment der Betriebseröffnung zu er⸗
beantragt, in der Bestimmung
1u.“
füllen
soweit der Dortmund⸗Ems⸗Kanal in Betracht kommt, für erledigt,
im Jahre 1892 im Landtage der Monarchie, dem Herrenhause sowohl
ft. In dieser Denk.
I
Ich möchte die dringende Bitte b
Abg. 8 gsheseepeeiisbaneen der Seeverkehr gegangen sei, und empfiehlt, im Interesse des gesammten Handels an
Reichs⸗Anzeiger n
8 3w ei te B ei lag e nd Königlich Preußische
Berlin, Dienstag, den 25. Mai
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Schon der Herr Abg. Gamp hat Beispiele angeführt, in denen durch vorher nicht übersehbare Verhältnisse eine Nachforderung von Grund und Boden erforderlich wird. Ich würde in der Lage sein, eine ganze Reihe von ähnlichen Beispielen noch hinzuzufügen, be⸗ fürchte aber, Sie mit diesem Material zu ermäden. Ich bin sehr gern bereit, nochmals den Eisenbahn⸗Direktionen eine klare und be⸗ stimmte Weisung dahin zu ertheilen, daß sie mit der Anforderung von Grund und Boden nach der Eröffnung der Bahn sich auf das aller⸗ nothwendigste beschränken und zugleich hinzuzufügen, daß eine Nachforderung nach dem Abschluß des ersten Betriebsjahres meine spezielle Genehmigung erfordern würde. Eine dahin gehende Verfügung zu erlassen, bin ich sehr gern bereit, bitte Sie aber dringend — und zwar bin ich dem Herrn Gamp sehr dankbar, daß er sich eventuell auch damit befriedigt erklärt —, den Antrag Möller anzunehmen.
Was nun den zweiten Theil der Ausführungen des Herrn Abg. Gamp anbetrifft, so bin ich augenblicklich nicht in der Lage, die An⸗ gaben ziffernmäßig zu widerlegen, daß ein Theil der in Betracht kommenden Holzfirmen, mit denen neuerdings der Vertrag auf eine Million Schwellen abgeschlossen worden ist, auch schon in früheren Jahren inländisches Material geliefert haben. Indessen ist durch die Vertragsfestsetzung den Firmen die Verpflichtung auferlegt worden, mindestens 10 % aus inländischem Material zu liefern, und zweitens wurde ihnen ein pekuniärer Anreiz, einen größeren Prozentsatz inländisches Material zu liefern, dadurch gegeben, daß für das gesammte gelieferte inländische Material 10 % am Preise hinzugesetzt worden sind.
Was den zweiten Punkt anbetrifft, die Kieslieferungen, so sind wir sehr gern bereit, dieselben auch von kleineren Lieferanten zu ent⸗ nehmen. Es steht dem nichts entgegen, es hat nur den Haken, daß der Kies meist nur nesterweise gefunden wird und daß der Kies meistentheils in natura nicht zu gebrauchen ist, sondern nur dann, wenn er durchgesiebt wird. Die kleinen Besitzer oder Pächter aber haben nicht diese Vorrichtungen, und es muß deshalb zu unserem Bedauern meistens der Lieferant dazwischentreten. Es steht aber garnichts entgegen, daß die kleinen Besitzer mit den Lieferanten in Verbindung treten oder daß sie zusammentreten und sich Siebe u. s. w. anschaffen.
Wenn der Herr Abg. Gamp meint: was dem einen recht ist, ist dem andern billig, so theile ich diesen Grundsatz vollständig. Der Herr Abg. Gamp weiß, daß wir bei den Kohlenlieferungen, die wir abgeschlossen haben, diesen Verhältnissen Rechnung getragen haben. Wir zahlen in den von England konkurrenzierten Küstengebieten weniger für Kohlen als in den übrigen, und würden heute auch die Kohlen nicht billiger von England beziehen können.
Was die Schienen anbetrifft, so bitte ich nicht zu vergessen, daß das Schienenmaterial ein Material ist, was nicht von jedem genommen werden kann, daß wir Bedingungen über die Herstellung und über die Haltbarkeit der Schienen haben müssen, die vom Ausland zu erlangen nur sehr schwer möglich ist. Ich gebe zu, daß zur Zeit aus Amerika wohl billigere Schienen bezogen werden können, wie es heute bei uns der Fall ist. Ebenso wie unsere Werke nach draußen billiger Schienen liefern, ist es auch in Amerika und England der Fall. Wir müßten, auch abgesehen von allen wirthschaftlichen Gründen, doch aus technischen Rücksichten Be⸗ denken tragen, ohne zwingende Noth ausländisches Schienenmaterial zu verwenden. Dafür ist uns das Moment der Sicherheit des Be⸗ triebes ein viel zu hohes. Wir wissen genau, was wir von unseren inländischen Werken wirklich bekommen, die unter fortwährender Kontrole Schienenmaterial herstellen; wir wissen aber nicht, was wir vom Auslande bekommen, namentlich, wenn die dortigen Werke zu billigen, nicht lohnenden Preisen Material liefern.
Ich bitte daher zum Schluß nochmals dringend, den Antrag Möller anzunehmen, und bitte den Abg. Gamp, darauf zu vertrauen, daß meinerseits alles geschehen wird, was überhaupt in meinen Kräften steht, um das inländische Material auch bei der Eisenbahnverwaltung zu seinem vollen Rechte kommen zu lassen. (Bravo!)
Abg. Dr. Arendt (fr. kons.) bedauert, daß dem Bau von Klein⸗ bahnen an manchen Orten von der Verwaltung entgegengewirkt werde. Wenn der Staat nicht selbst Nebenbahnen bauen wolle, folle er wenigstens den Interessenten die Genehmigung zum Bau von normal⸗ spurigen Kleinbahnen nicht versagen.
Ministerial⸗Direktor Dr. Micke: Es handelt sich nur um die Befriedigung eines örtlichen Verkehrs, und wenn solche Linien normal⸗ spurig ausgebaut werden, würden sie aus dem Rahmen des Kleinbahn⸗ gesetzes herausfallen und den Staatslinien Konkurrenz machen.
Dr. Hahn (b. k. F.) beklagt, daß durch mangelhafte von Geestemünde zurück⸗
der Unterweser eine direkte Verbindung von Geestemünde nach Magde⸗ burg herzustellen durch eine Bahn Rotenburg —Stubbe. Redner befürwortet ferner Tarifermäßigungen für den Holzhandel, damit der 8Gb in Geestemünde mit demjenigen in Bremen konkurrieren zune.
Auf eine Anfrage des Abg. von Detten (Zentr.) er⸗ widert der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Ich bedaure lebhaft, daß für das westfälische Sauerland in der diesjährigen Sekundärbahnvorlage sich kein Platz gefunden hat; aber das Ministerium ist daran nicht schuld. Die Linie Finnentrop —Wennemen war so weit vorbereitet technisch und auch in den sonstigen Ermittelungen, daß auch sie hätte in das Sekundär⸗ bahnnetz aufgenommen werden können. Leider hat der Kreis Meschede im letzten Augenblick eine andere Auffassung gehabt, als die übrigen Behörden, insbesondere auch das Ministerium, und infolgedessen, da eine Betheiligung des Kreises Meschede an den Grunderwerbskosten nicht zu erlangen war, ist die Bahn Finnentrop — Wennemen von der Tagesordnung abgesetzt — zu meinem lebhaftesten Bedauern.
Was inzwischen von den betheiligten Kreisen mir zugegangen ist, durch die Presse und durch direkte Eingaben, hat mich nicht davon überzeugen können, daß das ursprüngliche Projekt Finnentrop — Wennemen nicht auch heutigen Tages noch das richtige ist. Ehe nicht überzeugende Gründe für das Gegentheil beigebracht werden, würde ich
immer noch auf dem Standpunkt stehen, daß zur Verbindung der Lenne und der Ruhr diese Linie vor allen anderen den Vorzug verdient.
In neuerer Zeit — und ich glaube, daß die anderen betheiligten Kreise außer dem Kreis Meschede mit mir in der Beziehung überein⸗ stimmen — hatte der Kreis Meschede zunächst das Bedenken gegen die Linie Finnentrop — Wennemen, daß die Mündung der Linie nicht in der Kreisstadt Meschede erfolgt. Diese Bedenken habe ich meiner⸗ seits zu zerstreuen gesucht, indem ich den Herren gesagt habe: wenn auch die Bahn in der Station Wennemen endigt als selbständige Bahn, so endigt doch der Betrieb nicht auf der Station Wennemen, sondern die Staatseisenbahnverwaltung würde die Personenzüge, um die es sich hier allein handelt, bis nach Meschede durchgehen lassen, sodaß der Betriebsendpunkt doch in Meschede sein würde. Das hat aber die Mescheder nicht überzeugt; sie sind auf ihrem Widerspruch stehen geblieben, und die Sache ist damit für dieses Jahr unmöglich geworden.
Man bemüht sich nun, eine andere Linie ausfindig zu machen, und ist neuerdings die Verbindung nach Fredeburg ins Auge gefaßt. Ich bin heute nicht in der Lage, ein definitives Urtheil darüber ab⸗ geben zu können, möchte indessen schon jetzt bemerken, daß diese Linie doch ihre sehr erheblichen Bedenken hat. Fredeburg —Altenhundem — die Strecke würde dabei benutzt werden müssen — liegt zum theil auf der Chaussee und hat Krümmungen von 180 m Radius.
Unter den obwaltenden Umständen bin ich, wie gesagt, zu meinem lebhaftesten Bedauern — denn ich erkenne mit dem Herrn Abg. von Detten vollständig an, daß das westfälische Sauerland gerade⸗ nach dieser Richtung dringend einer besseren Verbindung bedarf — nicht im stande gewesen, den Wünschen nachzukommen.
Abg. Möller (nl.) tritt den Ausführungen des Abg. Hahn ent⸗ gegen. Herr Hahn wolle sonst jede ausländische Konkurrenz möglichst gasfchliehen, hier wolle er aber den ausländischen Holzhandel in Geeste⸗ münde begünstigt wissen. Für Geestemünde habe die Regierung schon durch den Bau des Fischereihafens sehr viel gethan. Daß aber die Regierung aus Konkurrenzrücksichten normalspurige Kleinbahnen nicht konzessionieren wolle, dürfe gleichfalls nicht unwidersprochen bleiben. Namentlich für den landwirthschaftlichen Massenverkehr seien die Um⸗ ladungskosten bei schmalspurigen Kleinbahnen zu hoch; dieser Verkehr müsse von der Kleinbahn ohne Umladung auf die anderen Linien über⸗ gehen können.
Ministerial⸗Direktor Dr. Micke will nicht gesagt haben, daß schlechthin aus Konkurrenzrücksichten die Genehmigung von normal⸗ spurigen Kleinbahnen versagt werde. Nur in bestimmten Fällen werde die schmalspurige Anlage verlangt, damit die Bahn nicht aus dem Rahmen der Kleinbahaen herausfalle. Der vom Abg. Arendt an⸗ geführte Fall solle aber noch einmal geprüft werden.
Abg. Dr. Arendt dankt für diese Zusage und meint, daß der Staat in diesem Falle keine Konkurrenzbesorgnisse zu hegen brauche. Die von elementaren Ereignissen schwer heimgesuchte Stadt Eisleben
bedürfe der Fürsorge; eine schmalspurige Eisenbahn könne ihr nichts
nutzen. 8 Abg. Dr. Hahn: Ich habe den Holzimport an sich nicht be⸗ günstigt wissen wollen; der Holzimport geht über Bremen oder Geestemünde; ob er erwünscht ist oder nicht, davon habe ich nicht ge⸗ sprochen. Ich habe nur die Tarifmaßregeln im einzelnen, welche Geestemünde benachtheiligen, getadelt. Der Antrag Möller auf Streichung der Worte „und bei — erklärt“ wird angenommen. Im übrigen wird die Vorlage in ihren einzelnen Theilen und im Ganzen angenommen.
Abg. Gamp (fr. kons.) beantragt folgende Resolution: der Regierung gegenüber die Erwartung auszusprechen, daß bei dem Bau der in diesem Gesetze näher bezeichneten Eisen⸗ bahnen, soweit es angängig ist, nur inländisches Material zur Verwendung gelangen wird.
Die Resolution wird in einer vom Abg. Möller be⸗ antragten Fassung angenommen, wonach es heißt: „— Eisen⸗ bahnen dahin gewirkt wird, daß thunlichst inländisches Material verwendet wird.“
Mehrere zu der Vorlage eingegangene Petitionen werden durch die Beschlußfassung über die Vorlage für erledigt erklärt.
Petitionen aus Hoyerswerda, Spremberg und anderen Orten um den Bau einer Eisenbahn zwischen Königs⸗ wartha, Wittichenau, Hoyerswerda, Spremberg, Kottbus werden nach kurzer Debatte zwischen dem Abg. von Werdeck (kons.), der die Petitionen der Regierung empfiehlt, und dem Ministerial⸗ Direktor Dr. Micke der Regierung als Material überwiesen.
Es folgt die Berathung des Antrags des Abg. Euler (Zentr.): die Regierung aufzufordern, Maßnahmen zu treffen und vom nächsten Etatsjahre ab Mittel bereit zu stellen, wo⸗ durch auch das Fachschulwesen der Innungen mehr ge⸗ fördert, insbesondere solche Anstalten errichtet und unterhalten werden, in welchen praktisch vorgebildete Handwerker als Fach⸗ lehrer sich ausbilden.
Abg. Euler führt zur Begründung aus, daß im Fachschulwesen der Innungen noch arge Mißstände beständen, weil nicht alle Innungen in der Lage seien, solche Anstalten zu unterhalten, wie sie im Inter⸗ esse des Handwerks und der Allgemeinheit zu wünschen wären. So⸗ wohl der Abendunterricht wie der Sonntagsunterricht habe große Nachtheile, der Unterricht müsse am Tage in der Woche stattfinden und obligatorisch gemacht werden. Wenn von dem Handwerk bisher nicht 85 für das Fachschulwesen gethan sei, so liege das an dem Indifferentismus, zum großen Theil aber auch an dem Niedergang des Handwerks, und deshalb müsse der Staat mit seinen Mitteln eintreten. Außer den Fachschulen müßten auch solche Anstalten er⸗ richtet werden, in denen praktisch vorgebildete Handwerker sich neben⸗ bei als Fachlehrer ausbilden können, und zwar in jeder Provinzial⸗ hauptstadt eine solche Anstalt. Praktische Handwerker müßten zu Lehrern ausgebildet werden; es stärke das Autoritätsgefühl, über dessen Mangel man in der jetzigen 8 zu klagen habe, wenn der Lehrling in der Schule denselben Lehrmeister habe wie in der Werkstatt. Mit der fakultativen Zwangs⸗Innung der Reichstagsvorlage sei nichts geholfen, man hätte, wenn man dem Handwerk wirklich helfen wollte, nach der preußischen Vorlage dem Handwerk eine obligatorische Orga“ nisation geben müssen; dann wären wahrscheinlich auch keine Staats⸗ mittel oder wenigstens viel geringere nöthig, um das Fachschulwesen der Innungen auf die erwünschte Höhe zu bringen. Es gebe Schul⸗ zwang, Militärzwang, Steuerzwang — warum also nicht auch einen Innungszwang? Das einzige Gute der Vorlage seien die ndwerker⸗ kammern. Redner will auch noch auf den Befähigungsnachweis näher eingehen, wird aber vom Vize⸗Präsidenten Dr. Krause zur Sache verwiesen und kommt dann auf die Fachschulen zurück, indem er es
bemängelt, daß munche dieser Schulen in Wirthshäusern errichtet werden müßten, weil in den vorhandenen Schulen die Bänke zu eng und klein für erwachsene Leute seien.
Geheimer Regierungs⸗Rath Simon: Der Tendenz des Antrags steht die Regierung sehr wohlwollend gegenüber, aber viele der Innungsschulen erweisen sich nicht als lebensfähig, weil die Schüler⸗ zahl zu gering ist. In solchen Fällen muß geprüft werden, ob die Lehrlinge nicht besser in die Fortbildungsschulen geschickt werden, wo sa besondere Fachklassen eingerichtet werden könnten. Dagegen müssen die größeren Schulen ausgebaut werden, der Lehrplan umfaßt nur wenige Stunden in der Woche. Eine weitere finanzielle Unter⸗ stützung der Fachschulen durch einen Etatsfonds im nächsten Jahre kann in Erwägung gezogen werden.
Abg. Felisch (kons.) erklärt, daß seine mit dem Antrage einverstanden seien. Die Werkstattlehre müsse durch die Lehre in der Fachschule ergänzt werden. Hätten wir noch den Befähigungsnach⸗ weis, so wäre es um das Handwerk besser bestellt, und das Fachschul⸗ wesen hätte sich auch besser entwickelt, aber die Gewerbeordnung von 1869 habe die goldene Dreiheit im Handwerk: Meister, Geselle, Lehr⸗ ling, beseitigt. Hoffentlich streiche der Reichstag nicht auch die Be⸗ stimmung aus der Vorlage, daß nur der Meister lehren dürfe, sonst könne die Vorlage dem Handwerk überhaupt nichts nützen. Die Autorität des Meisters sei leider im deutschen Handwerk verloren gegangen. Mit dem Tagesunterricht sei er im Prinzip einverstanden,
zweifele aber, ob er durchzuführen sei, wenigstens noch in der nächsten Zeit; ein Theil des Unterrichts werde am Sonntag stattfinden müssen. Der Errichtung von Vorbereitungsschulen für die Fachlehrer stimme er zu. Da es sich um Geldbewilligungen handele, beantrage er die Ueberweisung des Antrages an die Budgetkommission.
Abg. von Schenckendorff (nl.) unterstützt ebenfalls den An⸗ trag, ohne sich dem Wortlaut desselben unbedingt anzuschließen. Obligatorisch sei bisher noch keine einzige Fachschule in Preußen. Der erste Theil des Antrags sei ihm sehr sympathisch, aber die Regierung müsse nicht nur den Innungsschulen, sondern dem ge⸗ sammten Fachschulwesen die weitestgehende Fürsorge zu theil werden lassen. Auch mit dem zweiten Tbeil des Antrages stimme er überein; über vieles könne der Meister den Lehrling besser unterrichten, als irgend ein anderer Lehrer. Den Tagesunterricht halte er auch für das Beste. 8
Abg. Broemel (fr. Vag.) meint, daß auch die Gegner der Handwerksorganisation diesem Antrage zustimmen könnten; aber bei den Erfahrungen mit den geringen Schülerzahlen könne dem Innungs⸗ schulwesen nicht eine solche Ausdehnung gegeben werden, daß an jedem Orte Innungsschulen bestehen. Neben den Innungsschulen müsse das Fachschulwesen überhaupt gefördert werden; die Provinn Pommern habe noch gar keine Fachschule; er bitte, in Stettin eine solche Schule zu errichten. Erfreulich sei der Antrag, insofern er die Leistungs⸗ fähigkeit des Handwerks hebe. Das liege nicht nur im Interesse des Handwerks, sondern auch der Allgemeinheit, und daher könnten auch Staatsmittel dafür verwendet werden.
Geheimer Regierungs⸗Rath Simon theilt mit, daß bereits “ über die Errichtung einer Baugewerkschule in Stettin schweben.
Abg. Latacz (Zentr.) legt großen Werth darauf, daß der Unter⸗ richt in den Fachschulen auf die jungen Lehrlinge erziehlich wirke, und daß die Lehrer mit Rücksicht auf dieses Ziel vorbereitet würden. Eine obligatorische Fachschule sei zur Zeit noch nicht zu verlangen.
Abg. Dr. Glattfelter (Zentr.) befürwortet gleichfalls den Antrag im Interesse der Hebung des Handwerks und der Erhaltung seiner Konkurrenzfähigkeit dem Auslande 8
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons.) erklärt, daß seine Freunde in den Fachschulen ein Mittel zur Hebamng des Handwerks sehen und damit einverstanden sind, daß mehr staatliche Mittel dafür verwendet werden. “ 8
Der Antrag Euler wird der Budgetkommission überwiesen.
Es folgt die erste Berathung des von dem Abg. von Gustedt⸗Lablacken (kons.) eingebrachten Gesetzentwurfs, be⸗ treffend die Erhaltung des Elchwildes, wonach das Elch⸗ wild bis zum Jahre 1900 mit der Jagd zu verschonen sein soll.
Abg. von Pappenheim (kons.) begründet an Stelle des ver⸗ hinderten Antragstellers den Antrag damit, daß der Bestand an Elch⸗ wild durch Milzbrand und Jagd mehr und mehr schwinde. Der Eich komme allein noch in Ostpreußen vor, und dort sei man sehr stolz auf diesen letzten Vertreter des Urwildes. Er bitte um eine sorg⸗ fältige v der Gefahr des Aussterbens dieses Wildes und be⸗ antrage die Ueberweisung des Antrags an die Agrarkommission.
Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ tein:
Meine Herren! Ich kann mich dem Antrage des Herrn Vor⸗ redners anschließen. Auch ich wünsche, daß die Frage, ob und eventuell welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um die Erhaltung des Elch⸗ wildes zu sichern, sorgsam geprüft und erwogen wird. Ich bin aller⸗ dings der Meinung, daß die vorliegenden Vorschläge für die Staats⸗ regierung zum theil nicht annehmbar sind. — Ich werde darauf späterhin noch eingehen.
Meine Herren, es ist richtig, wenn der Herr Vorredner sagt, daß lediglich in den Regierungsbezirken Königsberg und Gumbinnen sich noch Elchwild, als letzter Ueberrest dieses antediluvialen Wildes erhalten hat. Im vorigen Jahrhundert war das Elchwild im Osten Deutschlands noch weit verbreitet. — Ich erinnere beispielsweise daran, daß Trakehnen, wo jetzt die Pferdezucht betrieben wird, noch zur Zeit des Königs Friedrich Wilhelm I. ein ausgedehntes, stark be⸗ setztes Elchrevier war. Ich erkenne auch an, daß man nicht allein des historischen Interesses wegen dieses aus uralter Zeit stammende Wild erhalten soll, sondern daß auch ein rein jagdliches Interesse vorliegt; um so mehr, als das Elchwild in seinen gegenwärtigen Standorten einen wesentlichen Schaden nicht verursacht. Im rein jagdlichen Interesse lege ich daher auch großen Werth auf Erhaltung eines angemessenen Elchwildbestandes im Osten der Monarchie. Ich kann aber nicht anerkennen, daß die Gefahr des Unterganges des Elchwildes so nahe ist, wie das der Herr Antragsteller darzulegen versucht. Ich glaube im Gegentheil nachweisen zu können, daß dank der schonenden Fürsorge, welche die Staatsforstverwaltung seit Jahren dem Elchwilde zuwendet, letzteres sich erheblich vermehrt hat. In dieser Richtung theile ich folgende Zahlen mit, welche sich zum größeren Theil auf Ermittelungen der neuesten Zeit stützen, die vollständig allerdings noch nicht vorliegen:
Nachdem im Jahre 1848 der Elchwildstand sich auf wenige Stücke vermindert hatte, hob sich derselbe allmählich wieder, ging nach 1866 wieder abwärts, hat sich dann wieder vermehrt und beträgt jetzt im Regierungsbezirk Königsberg im Staatswald und auf dem Kurischen Haff nach Züählung vom Monat Mai d. J. 95 Stück, in Privat⸗ forsten des Regierungsbezirks Königsberg etwa 30 Stück.