1897 / 137 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 14 Jun 1897 18:00:01 GMT) scan diff

entbehrlich sind.

missarische Präparanden⸗Lehrer Fehniger zu als Seminar⸗Hilfslehrer angestellt worden. 1

B. Zu den Grunderwerbskosten für die unter I Litt. 2 1, 18 und 19 benannten Eisenbahnen soll für den Fall, daß der erforderliche Grund und Boden von den Beiheiligten in natura hergegeben wird, staatsseitig ein Zuschuß gewährt werden und zwar: a. bei Nr. 1 (Stallupönen Goldap) von 375 000 b. 18 (Kirchberg Hermeskeil) von 525 000 c. 19 (Primsweiler— Dillingen) von 235 000 C. Die Mitbenutzung der Chausseen und öffentlichen Wege ist, soweit dies die Aufsichtsbehörde für zulässig erachtet, eitens der daran betheiligten Interessenten unentgeltlich und hne besondere Entschädigung für die Dauer des Bestehens und Betriebes der Eisenbahnen zu gestatten. 1 D. Für die unter I Litt. a Nr. 10 und 11 benannten, urchweg in außerpreußischem Staatsgebiet belegenen Eisen⸗ bahnen und die unter Nr. 12 benannte, zum theil in außer⸗ reußischem Staatsgebiet belegene Eisenbdahn muß außerdem on den Betheiligten für letztere jedoch nur für die außer⸗ halb Preußens belegene Theilstrecke zu den Baukosten ein unverzinslicher, nicht rückzahlbarer Zuschuß geleistet werden, nd zwar zum Betrage: a. bei Nr. 10 (Niederfüllbach —Rossach) von 260 000 b. bei Nr. 11 (Ebersdorf bei Sonnefeld öö 1166“ .bei Nr. 12 (Schandelah Oebisfelde) von 176 000 ie Staatsregierung wird ermächtigt, 1) zur döe der zu den im § 1 unter Nr. I vor⸗ esehenen Bauausführungen und Beschaffungen er⸗ Mittel von 559 416 ℳ, die nach §1 D von den Betheiligten u leistenden Zuschüsse zu den Bau⸗ kosten der Eisenbahnen unter I. Litt. a 10 bis 12 im Betrage von 14“”“

Nach dem 30. Juni d. J. findet die erchn aus⸗ schließlich bei der Kontrole der Staatspapiere in Berlin, Oranienstraße 92,94, statt. 8 W

Berlin, den 7. Juni 1897. 8 1

Hanuptverwaltun der Staatsschulden. 8 von

1

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 24 der „Gesetz⸗Sammlung“ enthält unter

Nr. 9913 das Gesetz, betreffend die Erweiterung des Staats⸗Eisenbahnnetzes und die Betheiligung des Staats an dem Bau von Kleinbahnen sowie an der Errichtung von landwirthschaftlichen Getreidelagerhäusern, vom 8. Juni 1897. Berlin W., den 14. Juni 1897.

Königliches Gesetz⸗Sammlungs⸗Amt. Weberstedt.

ͤ“ ““ Seine Excellenz der Staats⸗Minister und Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen, nach Dortmund; Seine Excellenz der Staats⸗Minister und Minister für Landwirthschaft Domänen und Forsten Freiherr von Hammer⸗ stein, nach der Provinz Hannover;

der Unter⸗Staatssekretär im Ministerium für Handel und Gewerbe Lohmann, nach dem Oberhar 8 Angekommen:

Seine Excellenz der Staats⸗ Schönstedt, aus der Provinz Posen.

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und Justiz⸗Minister

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zu verwenden; 2) zur Deckung des alsdann noch ver: bleibenden Restbetrages von höchstens 58 740 000 ℳ, sowie zur Deckung der für die im § 1 unter Nr. II und III vorgesehene Förderung des Baues von Kleinbahnen und Er⸗ richtung von landwirthschaftlichen Getreide⸗Lagerhäusern er⸗ farberiichen Mittel im Betrage von 10 000 000 Staats⸗ chuldverschreibungen auszugeben. Wird von den Betheiligten von der ihnen im § 1 unter A Abs. 3 eingeräumten Befugniß Gebrauch gemacht, so erhöht sich die von der Staatsregierung nach 1 Nr. Ia für den Bau der betreffenden Eisenbahn zu verwendende Summe, sowie die Gesammtsumme des § 1 um die im § 1 unter A Abs. 3 bei den einzelnen Linien angegebenen Beträge, wogegen die von den Betheiligten hiernach zu zahlenden Pauschsummen den vorstehenden hinzutreten.

Wann, durch welche Stelle und in welchen Beträgen, zu welchem Zinsfuße, zu welchen Bedingungen der Kündigung und zu welchen See die Schuldverschreibungen verausgabt werden sollen 2), bestimmt der Finanz⸗Minister.

Im übrigen kommen wegen Verwaltung und Tilgung der Anleihe und wegen Verjährung der Zinsen die Vorschriften des Gesetzes vom 19. Dezember 1869, betreffend die Konsoli⸗ dation Preußischer Staats⸗Anleihen (Gesetz⸗Samml. S. 1197), beziehungsweise des Gesetzes vom 8. März 1897, betreffend die Tilgung von Staatsschulden (Gesetz⸗Samml. S. 43), zur Anwendung. 8

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Jede Verfügung der Staatsregierung über die im § 1 unter Nr. I bezeichneten Eisenbahnen beziehungsweise Eisenbahn⸗ theile durch Veräußerung bedarf zu ihrer Rechtsgültigkeit der Zustimmung beider Häuser des Landtages.

Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf die beweglichen Bestandtheile und Zubehörungen dieser Eisenbahnen beziehungs⸗ weise Eisenbahntheile und auf die unbeweglichen insoweit nicht, als dieselben nach der Erklärung des Ministers der öffent⸗ lichen Arbeiten für den Betrieb der betreffenden Eisenbahn

0. Dieses Gesetz tritt am z8g seiner Verkündigung in Kraft. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändi und beigedrucktem Eehnbeserer Hoßstehg baehts eh Gegeben Neues Palais, den 8. Juni 1897. 6 b (L. S.) Wilhelm. Fürst zu Hohenlohe. von Boetticher Zugleich für den Finanz⸗Minister: 1 Thielen. Freiherr von Hammerstein. Schönstedt.

Brefeld. von Goßler.

Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und 8 Medizinal⸗Angelegenheiten. 18 Am Schullehrer⸗Seminar zu Münsterberg

ist der kom⸗ Schmiedeberg

Ministerium für Landwirthschaft, Domänen und Forsten.

Im Ministerium für Landwirthschaft, Domänen und ist der bisherige General⸗ Kommissions⸗Sekretär iepelt aus Bromberg zum Geheimen Registrator, und der bisherige Bureau⸗Diätar Grünewald von hier zum Geheimen expedierenden Sekretär und Kalkulator ernannt worden. Der bisherige Landmesser, Vermessungs⸗Revisor Woer⸗ mann zu Cassel ist zum Koͤniglichen Ober⸗Landmesser ernannt worden. 8 11“ 8

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8 Hauptv erwaltung der Staatsschulden 8 Bekanntmachung. Die Abstempelung der Schuldverschreibungen der Preußischen konsolidierten 4prozentigen Stacle⸗ Anleihe und der dazu gehörigen Zinesscheine und Zinsschein⸗ anweisungen findet bei den Abstempelungsstellen außerhalb Berlins nur noch bis zum 30. Juni d. J. statt. 8 Die Inhaber solcher Effekten werden daher hierdurch auf⸗ gefordert, dieselben ungesäumt an die ihnen zunächst gelegene von den in unserer Bekanntmachung vom 3. Februar d. J.

bezeichneten Abstempelungsstellen zum Zwecke der Abstempelung einzureichen. ö1111XAAA“X“X“

Nichtamtliches.

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 14. Juni.

Seine Majestät der Kaiser und König besichtigten, wie „W T. B.“ meldet, am Sonnabend Morgen auf dem Tempelhofer Felde das Garde⸗Kürassier⸗Regiment und das 2. Garde⸗Ulanen⸗Regiment. Nachmittags um 6 Uhr empfingen Seine Majestät im hiesigen Schlosse den neuernannten amerikanischen Botschafter Mr. Andrew D. White in Antritts⸗ und um 6 ⅛8 Uhr den italienischen Botschafter Grafen

anza.

Heute früg von 6 Uhr ab besichtigten Seine Majestät der Kaiser auf dem Tempelhofer Felde die beiden Garde⸗ Dragoner⸗Regimenter und leiteten darauf Allerhöchstselbst ein Exerzieren der Garde⸗Kavallerie⸗Division.

Ihre Majestät die Kaiserin und Königin statteten am Sonnabend Nachmittag nach der Ankunft in Berlin dem erzog von Sagan, bei welchem Ihre Maäjestät von der Fürstin E. zu empfangen wurden, einen Besuch ab. Sodann besuchten Ihre Majestät einige Kaufgeschäfte und be⸗ gaben Sich nach der Gnadenkirche im Invalidenpark. Hierauf fuhren Ihre Majestät bei dem Inpalidenhause vor und ließen Sich nach dem Befinden des Generals der Infanterie von Grolman erkundigen. In das Schloß zurückgekehrt, ertheilten Ihre Majestät die Kaiserin dem neu ernannten amerikanischen Botschafter Mr. Andrew D. White die erbetene Antritts⸗Audienz und empfingen dessen Gemahlin Mrs. Andrew D. White. Ihre Majestät ertheilten hierauf noch einige Audienzen und kehrten um 7 Uhr nach dem Neuen Palais zurück.

Gestern empfingen Ihre Majestät im Neuen Palais den Besuch Ihrer Königlichen Hoheit der Kronprinzessin von Schweden und Norwegen.

Heute früh wohnten Ihre Majestät die Kaiserin und Königin der Kavallerie⸗Uebung auf dem Tempel hofer Felde zu Pferde bei. Zur Frühstückstafel bei Ihrer Majestät im Königlichen Schlosse waren Ihre Königliche Hoheit die Kron⸗ prinzessin von Schweden und Norwegen nebst Prinzen Söhnen und Umgebung sowie die Fürstin zu Fürstenberg geladen.

Der Königliche Gesandte in Hamburg Graf von Wallwitz ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der hiesige Königlich schwedisch⸗norwegische G. sandte von Lagerheim ist vom Urlaub nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der Wirkliche Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath im Reichs⸗ Eisenbahnamt Kraefft hat sich nach Neuhausen begeben.

Der Regierungs⸗Assessor Volz in Breslau ist der König⸗ lichen Regierung in Breslau, der Regierungs⸗Assessor von Stockhausen zu Franzburg der Königlichen Regierung zu Erfurt und der Regierungs⸗Assessor Dr. de Noüe in Bielefeld der Königlichen Regierung zu Aurich zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen worden.

Der Regierungs⸗Assessor Krause in Frankenberg, Re⸗ gierungsbezirk Cassel, ist dem Landrath des Kreises Franzburg im Regierungsbezirk Stralsund, der Regierungs⸗Assessor von Lucke in Breslau dem Landrath des Kreises Trebnitz im Regierungsbezirk Breslau, und der Regierungs⸗Assessor Jordan zu Bielenzig dem Landrath des Kreises Altena, Re⸗ gierungsbezirk Arnsberg, zur Hilfeleistung überwiesen worden.

Potsdam, 13 Juni. Der General der Kavallerie von Albedyll, General⸗Adjutant weiland Seiner Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm I. und früherer Chef des Militär⸗ kabinets, ist heute früh hier gestorben.

Kiel, 12. Juni. Eine große Zahl hervorragender Per⸗ Schleswig⸗Holsteins hat nachstehenden Aufruf erlassen: Schleswig⸗Holsteiner! Wir sahen in letzter Zeit in unserer h als Zeichen und Ausdruck nationaler Dankbarkeit mehrere enkmale erstehen, welche uns an die selbst erlebte, an großen Entscheidungen so reiche Geschichte unserer Tage er⸗ innern sollen. In Kiel erhebt sich das Standbild unseres Heldenkalsers Wilhelm I., eine stolze Mahnung an die Zeit, da

unter Sturm und Streit das Deutsche Reich auch für uns wieder⸗ erstand. Den tapferen Männern, die in unserem älteren Kampfe wider Dänemark ohne Rücksicht auf die eigene Person muthig die Führung übernahmen, wurde in Schleswig ein Denkmal errichtet. Andere Denkmäler erhoben und erhebven sich daneben; eines aber fehlt noch darunter, welches nicht fehlen darf: ein Denkmal, dem Sohne des Schleswig⸗Holsteinischen Fürsten⸗ geschlechts geweiht, der, als die Stunde der Entscheidung über Schleswig⸗Holsteins deutsche Zukunft anbrach, entschlossen für das Recht seines Hauses eintrat, das er als die Deckung der Landes⸗ rechte zu betrachten und in dessen er seine

ürstliche Pflicht zu erkennen gelernt hatte. 8 Schleswig⸗

Istein dem Eingreifen Friedrich's in jenen schweren und

ugen Tagen zu danken hat, das liegt nicht auf dem Boden von Erfolgen, die er für sich selbst gewonnen hätte, aber es bildet ein nothwendiges Glied in der Kette der geschichtlichen Entwickelung. Wie dürfen wir dessen jemals vergessen?

In Gedanken der Versöhnung und des Friedens ist der edle Fürst entschlafen. Was seinen irdischen Augen erfüllt zu sehen nicht mehr beschieden war, das ist unser Stolz und uns Se. so oft wir seine Erlauchte Tochter an der Seite Ihres ö emahls in unserer Mitte sehen. Soll in solchen Stunden unsere allgeliebte Kaiserin und Königin noch länger der Freude entbehren, hier in Ihrer heimischen Provinz im künstlerischen Bilde die Züge des Vaters zu erblicken, an dem Ihr Herz in unver⸗ siegbarer Liebe und Treue hängt?

Gö1“ Vereinigen wir uns in solchen Gedanken, dem Herzog Friedrich ein Denkmal zu errichten. Mit diesem Tribut patriotischer Dankbarkeit werden wir unserer theuern Kaiserin einen, das wissen wir bestimmt, tief empfundenen Herzenswunsch erfü

Baden. 1

Ihre Königliche Hoheit die Kronprinzessin von Schweden und Norwegen hat vorgestern von Schloß Baden die Rückreise nach Schweden angetreten. Ihre König⸗ liche Fehen die Großherzogin begleitete die Kronprinzessin bis Frankfurt, wo die drei Prinzen Söhne von Kreuznach eintrafen, um mit Höchstihrer Mutter die Reise fortzusetzen. Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin und Ihre Königliche Hoheit die Kronprinzessin begaben sich von Frankfurt zum Besuch Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich nach Schloß Friedrichshof und kehrten Abends nach Frankfurt zurück. Von dort 85 dann Ihre Königliche Hoheit die Kronprinzessin ihre Reise fort, während Ihre König⸗ liche Hoheit die Großherzogin sich von Frankfurt aus zum Besu Ihrer Königlichen Hoheiten des Erbgroßherzogs und der Erbgroßherzogin nach Koblenz begab und von dort aus auch Ihre Durchlaucht die Fürstin⸗Mutter zu Wied in Segenhaus zu besuchen gedachte. Die Rückkehr Ihrer König⸗ lichen 2** der Großherzogin erfolgt voraussichtlich am Dienstag Abend.

Hessen.

Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin hat Bukarest am Sonnabend verlassen und trifft heute wieder in Darm⸗

stadt ein. Sachsen⸗Coburg⸗Gotha.

„Der gemeinschaftliche Landtag der Herzog⸗ thümer Coburg und Gotha hat am Sonnabend die Be⸗

Schwarzburg⸗Sondershausen. 1.“

die Vorlage, betreffend die Besteuerung der Versiche⸗ rungs⸗Anstalten, einstimmig angenommen.

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Oesterreich⸗Ungarn. 8

Der ungarische Minister⸗Präsident Baron Banffy und der ungarische Finanz⸗Minister von Lukacs haben sich am Sonnabend von Budapest nach Wien begeben, wo gestern unter dem Vorsitz des Kaisers ein v Ministerrath he der Vorlagen für die nächsten Delegationen stattfand.

In der vorgestrigen Sitzung des ungarischen Unter⸗ hauses brachte der Abg. Makfalva y über die sozialistischen Unruhen im Alfoeld eine Interpellation und die Arbeitbein⸗ stellung der Feldarbeiter ein. Der Minister des Innern Perczel erklärte in Beantwortung dieser Interpellation: er habe Kenntniß davon, daß gewissenlose Hetzer in Gegenden, die zumeist von Feldarbeitern bewohnt würden, diese Bevölkerung überredeten, ungerechtfertigte Forderungen zu stellen und, falls diese nicht erfüllt würden, im letzten Augenblick, wo es schon zu spät sei, für andere Arbeiter zu sorgen oder Ernte⸗ maschinen anzuschaffen, den Dienst zu verweigern und so die Grundbesitzer in die Zwangslage zu versetzen, entweder die Frucht auf dem Halme zu Grunde gehen zu lassen oder die übertriebenen Forderungen zuzugestehen. Die Regierung wende jedes Mittel an, die Arbeiter darüber aufzuklären, welchen Gefahren sie sich dadurch aussetzten. Selbstverständlich könne der Staat diesen 1 . nicht mit verschränkten Armen zusehen. Er, der Minister, biete alles auf, um die Gegensätze der Interessen zwischen den Arbeitern und den Arbeitgebern auszugleichen und dort, wo die Feldarbeiter nicht arbeiten wollten, Arbeiter aus anderen Gegenden zur Verfügung zu stellen; er glaube auch versprechen zu können, daß im äußersten Nothfalle die Heeresverwaltung die erforderliche Militär⸗ mannschaft aushilfsweise für die Feldarbeiten zur Verfügung

stellen werde. Frankreich. ““ Als der Präsident Faure sich gestern Nachmittag zu dem Rennen um den „Grand Prix de Paris“ nach Longchamps begab, erfolgte, wie „W. T. B.“ meldet, in dem Augenblick, wo der Wagen des Präsidenten an der Kaskade im Bois de Boulogne vorüberfuhr, um nach dem Rennplatz einzubiegen, eine Explosion, durch welche indessen niemand verletzt wurde. Der Urheber der Explosion war zweifellos im Gebüsch versteckt, und zwei Polizisten begaben sich sofort auf die Suche. Die Menge war über den Anschlag äußerst aufgebracht, und als sie bemerkte, wie ein Polizei⸗Agent eine eiserne Röhre, die er soeben znsesaten hatte, in den Händen trug, hielt sie ihn für den Schuldigen und schlug ihn mit Stöcken und Schirmen, sodaß er blutüberströmt durch andere Polizei⸗Agenten be⸗ freit werden mußte. Der Urheber des Attentats wurde nicht entdeckt. Der Präsident wurde bei der Weiterfahrt von der Menge lebhaft begruͤßt. Auch als der Präsident von Lorg⸗ champs um 6 95 in den Elysée⸗Palast zurückkehrte, bereitete ihm die Menge sehr warme Kundgebungen. Ddie Vorrichtung, welche bei der Vorüberfahrt des Prä⸗ sidenten explodierte, war, wie die Untersuchung ergab, eine Röhre von 15 cm Länge, 6 cm Durchmesser und 2 cm Stärke. Der Inhalt bestand aus Pulver und Reh⸗

posten. Außerdem wurden an dem Ort der That eine

Bistole und ein Dolch gefunde n. v.

rathung des Etats beendet und sich sodann vertagt. G

Der Landtag hat in seiner Sitzung vom 11. d. M.

1 Jnech ünhetchel salede Jachaft ar Pistole war mit einem Grabstichel folg schri 2 „Felix Faure ist verurtheilt. Elsaß⸗Lothringen. Köln.“ Ein Individuum, welches bei der Menge im Verdacht stand, der Urheber des Attentats zu sein, und fest⸗ genommen wurde, heißt Gallet. Bei seinem Verhör durch den Polizei⸗Präfekten gab Gallet die Erklärung ab, er sei ohne Beruf und wohne Rue Zida in Levallois. Dort wurde sofort eine Haussuchung vorgenommen. Man hält Gallet nicht für den Urheber des Attentats, glaubt vielmehr, daß er ein Geisteskranker sei, der bei dem Vorüberkommen des Präsidenten durch Ausstoßen von Rufen die Aufmerksamkeit der Menge auf sich zog. Außer Gallet wurden noch ein ebenfalls in Levallois lebender Bruder desselben und ein in Gentilly wohnender Getre idehändler Lauvin unter dem Ver⸗ dacht verhaftet, an dem Anschlage auf den Präsidenten Faure betheiligt zu sein. Alle drei Personen wurden jedoch, nach⸗ dem die in ihren Wohnungen vorgenommenen Haussuchungen und das von dem Untersuchungsrichter Athalin mit ihnen an⸗ gestellte Verhör Beweise für ihre Schuld nicht erbracht hatten, um Mitternacht wieder in Freiheit gesetzt. .

Die meisten der heute in Paris erschienenen Blätter bezeichnen den Anschlag als das Werk eines Geisteskranken oder als einen Gassenbubenstre ich. Der Polizeipräfekt Lépine erklärte einem Berichterstatter: es scheine sich um eine Mysti⸗ fikation zu handeln. Die Explosion habe absolut keinen Schaden anrichten können. Die Pistole und der Dolch seien g2 einer gewissen theatralischen Absichtlichkeit hingelegt worden.

Die Deputirtenkammer setzte am Sonnabend die Be⸗ rathung der Interpellation, betreffend die Entlassung zahl⸗ reicher Arbeiter in den Minen von Grandcombe, welche in⸗ folge des Verhaltens des Sozialisten Gérault⸗Richard abgebrochen worden war, fort. Der Minister der öffentlichen Arbeiten Turrel beendete seine in der Sitzung vom 5. d. M. begonnene Rede, indem er die Haltung der Gesellschaft rechtfertigte und den Arbeitern den Vorwurf machte, daß sie in einen Strike eingetreten seien, der einzig und allein für sie von Nachtheil sei. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde die von der Regierung verlangte einfache Tagesordnung mit 306 gegen 195 Stimmen angenommen. Der Deputirte Basly brachte einen Antrag ein, wonach die zu Lande eingeführten Kohlen einen Zoll von 3 Francs und die zu Wasser eingeführten einen solchen von 3,50 Francs zahlen sollen. .

Die Marinekommission genehmigte den Bericht des Deputirten de Mahy, welcher, entsprechend den Anträgen Lockroy’s, die Aufnahme eines außerordentlichen Kredits von 260 Millionen Francs befürwortet, von denen 20 Millionen Francs für die Aufbesserung der Flotte, 40 Millionen für die v von Zufluchtshäfen und 200 Millionen für den Bau von Kreuzern mit Ausschluß von Panzerkreuzer 2 wandt werden sollen. —1

Italien. 8 In Neapel fand gestern vegxi⸗ feierliche Enthül⸗ lung der Reiter⸗Statue König Victor Emanuel'’s statt. Der König und die Königin, der Kronprinz und die Kron⸗ prinzessin, der Minister⸗Präsident di Rudini, der Finanz⸗ Minister Branca, der Unterr ichts⸗Minister Gianturco, der deutsche Botschafter von Bülow, die Präsidenten des Parla⸗ ments, Senatoren, Deputirte, die Spitzen der Behörden sowie eine große Volksmenge wohnten, wie „W. T. B.“ meldet, der Feier bei. Begeisterte Hurrahrufe, stürmischer Jubel sowie die Artilleriesalven des im Hafen vor Anker liegenden Geschwaders begrüßten die Enthüllung des Standbildes. Der Bürgermeister hielt eine patriotische Rede. Die Majestäten sowie das Kronprinzliche Paar bildeten den Gegenstand außer⸗ ordentlicher, begeisterter Kundgebungen.

Belgien.

Gestern fand, wie „W. T. B.“ berichtet, in Brüssel eine große, von pensionierten Generalen und Offizieren ver⸗ anstaltete Kundgebung für die Abschaffung der Stell⸗ vertretung und für die Reorganisation der Armee statt. Der ausgedehnte Zug setzte sich aus Vereinigungen ehe⸗ maliger Miäitärpersonen und pensionierter Offiziere sowie mehreren Deputirten und Mitgliedern des Gemeinderaths und des Provinzialraths zusammen und sich in voll⸗ kommenster Ordnung durch die Hauptstraßen. Eine aus pensionierten Generalen bestehende Abordnung der Theil⸗ nehmer an dem Zuge begab sich in das Königliche Palais, Wum dem König eine in ihrem Sinne abgefaßte Petition zu überreichen. Bei dem Empfang der Abordnung hielt der General Brialmont eine Ansprache, auf welche der König mit folgender Rede antwortete: Sie kennen die ganz besondere Hochachtung, welche ich den jetzigen und den früheren Führern des Heeres entgegenbringe, die ihre Begabung und ihr ganzes Sein dem Dienste des Landes gewidmet haben, und ich bestätige gern die herzlichen Bande, welche uns ver⸗ einigen. Was die Frage betrifft, von welcher Sie soeben zu mir gesprochen haben, so predigen Sie einem Bekehrten. Mir liegt die Sicherheit und die etwaige Vertheidigung meines Landes zu sehr am Herzen, als daß ich nicht wünschte, daß der Grundsatz des persönlichen Heeresdienstes die Grundlage seiner militärischen Einrichtungen sei. So wenig es einer Nation möglich ist, sich von der übrigen Welt abzuschließen, kann sie sich dessen entschlagen, ihre Vertheidigung in gediegener Weise vorzu⸗ bereiten, wenn sie nicht dem .5 der Exceignisse preisgegeben sein will. Was uns insbesondere betrifft, die wir sowohl nationale als internationale Verpflichtungen haben und die wir uns in un⸗ mittelbarer Nachbarschaft von Regierungsmittelpunkten befinden, welche den vorherrschenden Einfluß auf die Geschicke Europas ausüben, so müssen unsere militärischen Einrichtungen, unter Beachtung des richtigen Verhältnisses, denjenigen der uns umgebenden Nationen nach⸗ gebildet sein. Unsere taktischen Einheiten müssen in analoger Weise susammengeseßt, bewaffnet und eingeübt sein, wie diejenigen unserer

achbarn. Wenn namentlich im Augenblick der Gefahr eine belgische Division aus weniger durchgebildeten Mannschaften bestehen würde, als diejenigen der anderen Länder, so würde sie nur mit der Aussicht in den Kampf eintreten, sich nutzlos aufzuopfern. Jede Selbst⸗ täuschung über diesen Punkt würde verhängnißvoll sein. Andererseits müssen wir, da wir wesentlich geringer an Zahl sind, umsomehr darauf zählen, unsere Vertheiesigung durch die Hilfe militärischer Kunst⸗ bauten zu sichern. Die Nation beftimmt über ihre Geschicke im vollen Umfange ihrer Freiheit. Ich habe niemals meine Pflicht versäumt, zu warnen. Ich bin bei der vordersten Linie der Patficten geblieben; aber es ist die Nation selbst, die über ihre Zukunft entscheidet.“

Die Theilnehmer am Zuge vereinigten sich, nachdem ihre Abordnung aus dem Palais zuruͤckgekehrt war, und der Zug sich weiter durch die Stadt bewegt hatte, zu einer Versamm⸗ lung, in welcher eine Tagesordnung zur Annahme gelangte, die besagt: „Die Versammlung serigt den unsch aus, daß die öffentlichen Gewalten so bald als Fadc die durch die Lage des Landes gebotenen Reformen verwirklichen,

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und nimmt ihrerseits die Verpflichtung auf sich, mit allen gesetzlichen Mitteln die Agitation fuͤr dieses nationale Werk zu hetreiben.“ Die Annahme der Tagcsordnung erfolgte unter anhaltendem Beifall.

Türkei.

„Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Konstan⸗ tinopel ist daselbst am Freitag ein außerordentlicher Ministerrath abgehalten worden.

Vorgestern fand die vierte Sitzung zur Fortsetzung der riedensverhandlungen statt. Später traten die Bot⸗

schafter zu einer Konferenz zusammen. Heute werden die Verhandlungen über die Friedensbedingungen fortgesetzt.

In Athen vorliegenden Meldungen zufolge hat, wie die „Agence Fe. berichtet, der Gouverneur von Volo nach⸗ stehende Proklamation veröffentlicht:

Auf Befehl der ottomanischen Regierung wird das bewegliche und unbewegliche Eigenthum derjenigen Personen, welche Thessalien ver⸗ lassen haben und flüchtig geworden sind, soweit sie nicht binnen 14 Tagen von heute ab in die Heimath zurückkehren, zu Gunsten des türkischen Staates konfisziert.

Die von den Admiralen beschlossenen Märsche in die Umgegend von Kanea werden morgen beginnen. Die Auf⸗ ständischen sind von dem friedlichen Charakter dieser Märsche in Kenntniß geseßt worden; alle Maßnahmen zur Vermeidung etwaiger Ueberraschungen werden getroffen werden.

Griechenland.

Der „Agence Havas“ wird aus Athen berichtet: da die Fra te der Einfahrt in den Golf von Ambrakia trotz des Abschlusses des Waffenstillstandes noch schwebend geblieben sei, habe die Regierung einen Protest an die Mächte gerichtet und den Kronprinzen beauftragt, auch bei dem türkischen Ober⸗Befehlshaber in dieser Angelegenbeit zu protestieren. In⸗ folge dessen sei gestern die Einfahrt in den Golf während des Tages für Handelsschiffe freigegeben worden.

Seifullah Pascha hat an den Kronprinzen ein Schreiben gerichtet, worin er ankündigte, daß das III. Korps das Lager wechseln werde; er bitte den Kronprinzen um Ab⸗ sendung eines Offiziers zur Aufklärung einiger Einzelheiten des Waffenstillstands. 1

Der Kriegs⸗Minister, Oberst Psamados ist von der In⸗ spektion der Truppen nach Athen zurückgekehrt.

Heute werden in Lamia die Verhandlungen wegen des Austausches der Gefangenen beginnen. Die Türken haben 230 Gefangene, unter ihnen mehrere Irreguläre, die Griechen haben 200 Gefangene gemacht, unter ihnen zwei Offiziere und einen Arzt.

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Amerika. Wie das „Reuter’'sche Bureau“ aus Buenos Aires

berichtet, hat die argentinische Regierung in einer Botschaft an den Kongreß vorgeschlagen, den Betrieb der Staatseisenbahnen

zu verpachten.

Afrika.

In Aden sind, wie die „Agenzia Stefani“ meldet, Nach⸗ richten aus Adis⸗Abeba vom 23. v. M. eingetroffen, wonach der am 5. Mai von Harrar abmarschierte Major Neraz⸗ zini am 19. v. M. in Adis⸗Abeba angekommen und mit großen Ehrenbezeugungen empfangen worden war. Die offiziellen Verhandlungen hätten bereits ihren Anfang genommen. In Betreff der Expedition Bottego habe Major Nerazzini in Adis⸗Abeba nur die Bestätigung der Meldung erhalten, die aus Bure im Wallega⸗ Lande gekommen sei. Der Negus Menelik habe bereits Befehl ertheilt, daß zwei Mann der Expedition Bottego, die in dem Treffen gefangen genommen waren, nach Adis⸗Abeba gesandt würden.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Rittergutsbesitzer von Elbe⸗Carnitz, Mitglied des Ene⸗ der Abgeordneten für den 6. Stettiner

ahlbezirk (Greifenberg, Kammin), ist ar . M. gestorben.. 1u““

Arbeiterbewegung.

In Wiesbaden steht, wie der „Köln. Ztg.“ berichtet wird, das Ende des Maurerausstandes (vgl. Nr. 125 d. Bl.) bevor, da die Unternehmer erklären, 500 italienische Arbeiter kommen lassen zu wollen, falls die Arbeiter bis zu einem festgesetzten Termin nicht die Bedingungen der Arbeitgeber annehmen. 1

In Erfurt ist, der „Geraer Ztg.“ zufolge, der Ausstand der Zimmerer (vgl. Nr. 121 d. Bl.) nach 54 tägiger Dauer beendet worden. Die Zimmermeister haben den Ausständigen 18prozentige Lohnerhöhung und zehnstündige Arbeitszeit zugesichert, womit die Aus⸗ ständigen sich einverstanden erklärten. .

In Stettin ist, wie die „Volks⸗Ztg.“ erfährt, am Freitag ver⸗ gangener Woche ein Ausstand der Maurer ausgebrochen.

In Remscheid reichten, dem „Vorwärts“ zufolge, im Februar die Dachdecker folgende Forderungen ein: Zehnstundentag, 45 Stundenlohn, Abschaffung der Accord⸗ und Lampenarbeit, Vermeidung der Ueberstunden. Sie erbaten innerhalb 4 Wochen Antwort, er⸗ hielten aber keine und wurden nun am 8. Junt abermals vorstellig. Wegen Abweisung ihrer Forderungen haben jetzt von den über 40 organisierten Dachdeckern 25, die bei 6 Meistern beschäftigt waren, die Arbeit eingestellt. 1 8 8

In Magdeburg steben, wie dasselbe Blatt erfährt, 10 Tischler der Kindling'schen Billardfabrik wegen der Entlassung von! zwei Arbeitern im Ausstand. G

In Leipzig hielten die Textilarbeiterinnen am Mittwoch roriger Woche, der „Lpz. Ztg.“ zufolge, eine Versammlung ab, in welcher zu den Lohnstreitigkeiten und dem theilweisen Ausstand der Zwirnerinnen in der Kammgarnspinnerei von Stöhr u. Co. in Leipzig⸗Plagwitz Stellung genommen wurde. Es hatten nämlich von den dort beschäftigten 250 Zwirnerinnen 150 die Arbeit eingestellt, weil angeblich von der Fabrikleitung die Ent⸗ lohnung nicht nach dem Tarife erfolgt war, mußten aber schließlich nach kurzer Zeit die Arbeit wieder aufnehmen, ohne irgend welchen nennenswerthen Erfolg erzielt zu haben. Ebenso ist es den übrigen 100 im Lohne arbeitenden Zwirnerinnen ergangen, die dann eben⸗ falls ausständig wurden und die Forderung eines Mindeststundenlohnes von 20 aufstellten. Sie mußten am vorigen Mittwoch ohne jeden Erfolg die Arbeit wieder aufnehmen. In der Versammlung wurde beschlossen, die ganze Angelegenheit auf die Zeit einer günstigeren Ge⸗ schäftskonjunktur zu vertagen. enermhinsh.

Kunst und Wissenschaft.

Das aus Kalkutta vom Sonnabend Nachmittag (s. unter „Mannigfaltiges“) gemeldete Erdbeben ist auch an den

Apparaten des Magnetischen Observatoriums zu Potsdam wahrgenommen worden, und zwar wurde außer den zu den Messungen des Erdmagnetismus dienenden, photo⸗ graphisch registrierenden Instrumenten ein vorübergehend auf⸗ gestelltes Horizontalpendel (Seismograph) besonders stark be⸗ einflußt. ie ersten Stöße sind aufgezeichnet am 12. Juni, 10 Minuten nach Potsdamer Mittagszeit, die stärkste Be⸗ wegung trat um 12 Uhr 39 Minuten ein.

Die vorgestrige Schlußsitzung des Kongresses für innere Medizin wurde noch durch eine Reihe von Vorträgen und Versu ausgefüllt; es sprachen u. A. die Herren Ritter, Bäßler, Hochhaus, Friedländer, Rosenfeld. Die Verhandlungen boten indessen nur ein rein fachwissenschaftliches Interesse. Mit Dankes⸗ worten für die rege Betheiligung schloß der Vorsitzende sodann den dies⸗ jährigen Kongreß. In den Ausschuß für den nächsten Kongreß, der in Wiesbaden tagen wird, sind die Herren Naunyn⸗Straßburg, von Mering⸗Halle, Strümpell⸗Erlangen, Fiedler⸗Dresden, Ott⸗Prag gewählt worden.

8 b Land⸗ und Forstwirthschaft.

Aus einer großen Anzahl von Kreisen mit überwiegend polnischer Bevölkerung wird berichtet, daß in diesem Jahre die Sachsen⸗ gineeees besonders lebhaft, stärker als in früheren Jahren, gewesen ei. Ersatz für die fehlenden Arbeitskräfte hat aus Rußland und auch aus Galizien herangezogen werden müssen. G

1 Ernteergebniß Egyptens.

Nachrichten aus Alexandrien zufolge ist die Ernte in Unter⸗ Egypten größtentheils beendigt und mit dem Dreschen bereits begonnen worden. Das Ergebniß dürfte im allgemeinen den im „Reichs⸗An⸗ zeiger“ Nr. 109 vom 10. v. M. dargelegten Erwartungen entsprechen.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Zum Zweck einer Sammelforschung über die Wirksam⸗ keit des Diphtherieheilserums hatte, wie die „Veröffent⸗ lichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ mittheilen, der belgische Minister für Ackerbau ꝛc. zu Beginn des Jahres 1895 ein Comité berufen. Seitens der Vorsitzenden der ärztlichen Provinzial⸗ kommissionen wurde den Aerzten Serum aus dem Institut Pasteur zu Paris, seitens der bakteriologischen Institute in Löwen und Brüssel dortselbst bereitetes Serum auf Verlangen zu bestimmtem Preise abgegeben. Den Sendungen waren Zählkartenformulare beigefügt, welche die Aerzte mit Krankheitsbericht für das Comité zurüͤckzusenden hatten. In den Instituten zu Löwen und Brüssel, sowie an den Universitäten in Gent und Lüttich wurde die bakterio⸗ logische Diagnose an hierzu eingesandtem Untersuchungsmaterial in jedem Krankheitsfalle unentgeltlich herbeigeführt. Die Provinzial⸗ verwaltung zu Lüttich lieferte auch das Serum kostenfrei.

Nach dem nunmehr von dem Comité erstatteten Bericht (Enquòte sur l'efficacité du sérum antidiphthérique, Bruxelles 4897 liegen 734 Zählkarten über Erkrankungsfälle an echter, bakteriologis festgestellter Diphtherie vor, welche mit Serum behandelt worden sind; in Wirklichkeit sind jedoch während des Berichtzeitraums weit mehr Fälle echter Diphtherie vorgekommen. 300 jener Karten wurden allein in der Provinz Lüttich gesammelt. Von den 734 Kranken litten 343 an reiner Rachendiphtherie (31 Todesfälle = 9 %), 276 an Rachen⸗ und Kehlkopfdiphtherie (54 = 19 %), 115 an reinem Kehlkopferoup (37 = 33 %). Insgesammt starben 122 Kranke = 16 %, von 669 Kranken, welche die ersten 24 Stunden nach der Anwendung des Serums überlebten, starben 57 = 8,5 %. 8 Kranke starben im 1. Lebens⸗ jahre (4 Todesfälle = 50 %), 44 im 2. (18 = 40 %), 75 im 3. (26 = 34 %), 164 im 4. und 5. (30 = 18 %), 213 im 6. bis 10. (35 = 16 %), 55 im 11. bis 15. (3 = 5 %), 44 in höheren Lebens⸗ jahren (3 = 5 %); für 9 ist das Alter nicht angegeben (3.) Von 43 Fällen, in welchen wegen Erstickungsgefahr operiert werden mußte, endeten 16 tödtlich. 71 mal, d. i. in 10 % der Fälle wurden Aus⸗ schläge, Gelenkschmerzen u. dergl. nach Anwendung des Serums be⸗ obachtet. Eine ernstere Folgekrankheit kam nicht vor.

Das Comité befürwortet auf Grund der günstigen Erfahrungen mit dem Heilserum dessen Aufnahme in die belgische Pharmakopöe.

Türkei.

Zufolge Beschlusses des internationalen Gesundheitsraths in Konstantinopel ist wegen des Ausbruchs der Pest in Djeddah gegen zurückkehrende Pilger und Herkünfte der Küstenstrecke eine 14 tägige Quarantäne in Camaran angeordnet worden.

Theater und Musik.

Neues Königliches Opern⸗Theater. Bizet's Oper „Carmen“ wurde am Sonnabend mit zwei Gästen aufgeführt. Herr Götze sang, wie schon oft zuvor, den José mit der Neigung, den schlichten Sergeanten zu einem Helden zu stempeln, während die Rolle entschieden in das Charakterfach gehört; es fehlte dem beliebten Künstler dennoch nicht an begeistertem Beifall. Der zweite Gast des Abends war als Escamillo Herr de Souza, ein portugiesischer Sänger von sehr unvortheilhafter Erscheinung, aber phänomenalen Stimmmitteln, welcher im bereits als Tonio in Leoncavallo's „Bajazzi“ mit einigem Glück debutiert hatte. Er überraschte das Publikum zunächst schon dur seine eigenthümliche Kostümierung, welche, da er in seiner Heimat Stierkämpfer war, zweifellos auf Aechtheit Anspruch machen kann, wenn sie auch nicht gerade sehr kleidsam ist; der hellgefärbte, fast tenorartig klingende Bariton des Sängers nahm aber das Publikum schon nach dem Auftrittsliede derartig für ihn ein, daß er dasselbe, dem Hausgesetz und einer vernehmlichen Opposition zum Trotz, wieder⸗ holen mußte. Die interessanteste Leistung des Abends war aber zweifellos die Carmen des Fräulein Cortese. Gesanglich stand sie zwar hinter Fräulein Rothauser, welche sonst die Partie inne hat, weit zurück, darstellerisch wirkte sie jedoch durch ihre scharfe Charakteristik ungemein fesselnd. Ueber die übrige Besetzung ist nichts Neues zu sagen. Die nahm unter Musikdirekt Stei mann's Leitung einen guten Verlauf.

Residenz⸗Theater. 8 Als viertes Stück des Abschieds ⸗Cyclus wurde am Sonnabend Léon Gandillot's Schwank „Der Unterpräfekt“ in der wohl⸗ elungenen deutschen Uebertragung von Max Schoenau wieder zur ufführung gebracht. Den sich für einen Unterpräfekten ausgebenden Kammerdiener spielte Herr Alexander mit sieghaftem Humor. Die Herren Georg, Pansa und Gaspart sowie Fräulein Güstinger sorgten ebenso wie die in kleineren Aufgaben beschäftigten Künstler für ein flottes Zusammenspiel, das die heitersten Wirkungen erzielte.

Um Fräulein Rosa Bertens Gelegenheit zu bieten, sich an der Stätte ihres langjährigen Wirkens in einer Glanzrolle zu ver⸗ abschieden, wird von Mittwoch an im Residenz⸗Theater dem Schwank „Der Unterpräfekt“ das einaktige Schauspiel „Musotte“ mit der genannten Künstlerin in der Titelrolle vorausgehen.

Herr Direktor Morwitz theilt mit, daß es sich bei den bis⸗ herigen Opern⸗Vorstellungen im Theater des Westens heraus⸗ gestellt hat, daß beim Beginn um 8 Uhr die Vorstellung sich über die in Berlin übliche Zeit ausdehnt. Deshalb ist auf eefh vieler auswärtiger Besucher und der näheren Umgegend der Beginn sämmt⸗ licher b“ sowohl an Sonn⸗, als auch an Wochentagen, von heute an auf ½8 Uhr festgesetzt. 1

Frau Margarete Frankenberg, Fräulein Vera Goldberg und Herr Robert Schwiesselmann werden bei dem Orgelvortrag in der Marien⸗Kirche am Mittwoch, den 16. Juni, Mittags 12 Uh mitwirken. Der Eintritt ist frei.