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Kaiserlichen Hauses Besuche ab und besichtigte das naturhistorische — nüe 5 Uhr fand Galatafel im Zeremoniensaal der Hofburg und Abends eine Galavorstellung in der Oper statt, welcher der Kaiser, der r. Siam, die Erzherzoge Ludwig Bictor und Eugen sowie die Prinzen von Siam bei⸗ wohnten. . Anläßlich der Wahlen zum serbischen Kirchen⸗ kongreß fand in der Gemeinde Turia bei Alt⸗Beecse (Ungarn) eine Bauernrevolte statt. Gegen 700 Bauern versuchten das Gemeindehaus zu demolieren. Der Vorsitzende der griechisch⸗orientalischen Kirchengemeinde wurde verhaftet. Die eingeleitete Untersuchung ergab, daß die Revolte durch die Agitation serbischer Radikalen verursacht worden ist.
Großbritannien und Irland. 8
Das Oberhaus versammelte sich, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern Mittag, um sich nach dem eücan hamn alof e begeben und der Königin eine Glückwunsch⸗Adresse zu überreichen. Die Sitzungen wurden bis nächsten Dienstag vertagt. Im Unterhause, welches zu dem gleichen Zweck zusammen⸗ getreten war, theilte der Sprecher Gully, welcher seine Amtstracht angelegt hatte, mit! er habe von dem italie⸗ nischen Botschafter ein Schreiben erhalten, worin derselbe berichte, er sei von der italienischen Regierung angewiesen, dem Unterhause einen telegraphischen Auszug aus den Verhand⸗ lungen in der vorgestrigen Sitzung der italienischen Deputirten⸗ kammer mitzutheilen. Das Telegramm lege die Theilnahme des italienischen Pärlaments an den Kundgebungen der großen britischen Nation dar und berichte von der Annahme einer Resolution, welche die Sympathie des italienischen Volkes für den Jubel des britischen Volkes über die lange Herrschaft der Königin Victoria und warm gefühlte Wünsche für deren lange und blühende Fortdauer zum Ausdruck bringe. Der Sprecher be⸗ richtete sodann: auch von dem räsidenten des Senats von Argentinien sei ihm eine Mittheilung zugegangen, wonach der Senat in seiner vorgestrigen Sitzung beschlossen habe, dem britischen Volke und der Königin Victoria die herz⸗ lichsten Glückwünsche zu übermitteln. Der Erste Lord des Schatzamts Balfour bemerkte, er glaube, ein formeller Antrag, daß der Sprecher eine dfa . e Antwort absende, sei unnöthig, da dies ohnehin geschehen werde. Sir W. Harcourt erklärte, jede Partei des Hauses sei befriedigt üͤber die Mittheilung jener Nation, an deren Entwicke⸗ lung zur Freiheit Ge gorannien so großen Antheil genommen habe. Die Mitglieder des Hauses schlossen sich nunmehr zu einer feierlichen Prozession zusammen, ebenso die Mitglieder des Oberhauses, und beide Häuser zogen gemeinsam nach dem Buckingham⸗Palast. Die Mitglieder des Unterhauses folgten größtentheils zu Fuß der Staatskarosse des Sprechers, welche die offiziellen Insignien trug. Nach Ueber⸗ reichung der Adressen kehrten die Mitglieder des Unterhauses in das Parlamentsgebaͤude zurück. Der IFrrcher verlas nunmehr die Antwort der Königin auf die Adresse, in der Allerhöchstdieselbe ihren Dank aussprach. Sie sei tief bewegt von den zahlreichen loyalen und liebevollen Kundgebungen, die ihr bereitet worden, und aufrichtig erfreut über die Wärme, mit der sich das Unterhaus ihnen anschließe.
An den Empfang der beiden Häuser des Parlaments schloß sich der Empfang weiterer Deputationen an, deren letzte gegen 3 ½ Uhr am Eingang zum Buckingham⸗Palast eintraf. Die Deputationen wurden in den großen Saal geführt, wo die Königin, umgeben von dem Prinzen von Wales, dem Prinzen Christian zu Sclehe Hürlhn der Prin⸗ zessin Beatrice, dem Herzog von Sachsen⸗Coburg und Gotha und dem Herzog von Connaught, ihre Glückwünsche ent⸗ gegennahm. Später empfing die Königin, von ihrem Hof⸗ staat umgeben, die Vorsitzenden und Abgeordneten der Graf⸗ schaftsräthe sowie die englischen und schottischen Bürgermeister. Die Königin verließ sodann den Buckingham⸗Palast, um sich zu den in dem Green⸗Park versammelten Schulkindern zu begeben, die von einer großen Menschenmenge, zu⸗ meist den Eltern der Kinder, begleitet waren. Bis zur Ankunft der Königin waren unter die Kinder Kuchen, Süßig⸗ keiten und Milch vertheilt worden. Als die Königin eintraf, wurde Allerhöchstdieselbe mit lebhaften Kundgebungen empfangen, in welchen der Dank der Kinder für das ihnen bereitete Fest zum Ausdruck kam. Die Königin verneigte sich huldvoll nach allen Seiten hin. Der Kardinal Vaughan und die Vertreter der übrigen Kulte überreichten Adressen, worin an den Fortschritt erinnert wird, den die Volkserziehung seit der Thronbesteigung der Königin gemacht habe. Die Kinder sangen sodann unter Begleitung von Militärmusik die National⸗ hymne, in welche die zahlreich Anwesenden einstimmten.
Um 6 Uhr 10 Minuten kehrte die Königin in Be⸗ gleitung der Kaiserin Friedrich, der rinzessin Heinrich von Battenberg und des Herzogs von Connaught nach Windsor zurück. Am Paddington⸗Bahn⸗
ofe bereiteten die dort aufgestellten Kolonialtruppen Ihrer
ajestät begeisterte Huldigungen. Um 6 ½ Uhr traf die Königin in Slough ein; auch dort waren Abordnungen der Kolonialtruppen aufgestellt und hatte sich eine ungeheure Menschenmenge zur Begrüßung der Königin eingefunden. Von Slough aus setie Ihre Majestät die Reise nach Windsor zu Wagen fort; unterwegs wurde das College von Eton besucht, wo die Schüler die Königin mit Begeisterung empfingen.
Die gestrige Gala⸗Oper im Convent⸗Garden⸗Theater nahm einen überaus glänzenden Verlauf. Das Theater war auf das prächtigste mit Blumen geschmückt. 8 vor 9 Uhr erschienen der Prinz und die Prinzessin von Wales sowie die hohen Gäste der Königin in der Königlichen Loge. Unter anderen Fürstlichkeiten wohnten der Vorstellung bei: der Prinz und die Prinzessin Heinrich von Preußen, Prinz Albrecht von Preußen, Prinz Rupprecht von Bayern, der roßherzog und die Großherxogin von Hessen, der Großherzog und die Groß⸗
erzogin von Mecklenburg⸗Strelitz, sowie der Herzog und die Herzogin von Sachsen⸗Coburg und Gotha, der Persherzag ranz Ferdinand von Besterreich⸗Este der Kronprinz und die Kronprinzessin von Italien, der Großfürst und die Großfürstin Sergius, die Prinzessin Ferdinand von Rumänien, Prinz aldemar von Dänemark, Prinz Eugen von Schweden, der Fürst und die Fürstin von Bul⸗ arien, der Herzog und die derzogin von York sowie der Herzog und die Herzogin von Connaught. Ferner waren die außerordentlichen Gesandten von Frankreich, Spanien, den Vereinigten Staaten, der Türkei, von Italien, Holland, China und Baden erschienen. Beim Erscheinen der Höchsten Herr⸗ schaften wurde auf der Bühne von Mitgliedern der Oper und vom Chor die Nationalhymne gesungen.
Die fremden Admirale, welche in England eingetroffen sind, um der Flottenparade beizuwohnen, werden heute Noch⸗
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mittag von der Königin in Windsor empfangen werden und bei dem Empfange von ihrem Stabe ⸗ sein. Der Herzog von York und der Prinz Heinrich von Preußen werden dem Empfange beiwohnen. 3
In den gestrigen Londoner Abendblättern wurde das Gerücht mitgetheilt, daß große Besorgniß über das Schicksal des Schul⸗ schiffs „Sealark“ herrsche, auf dem sich achtzig junge Leute zur Ausbildung befinden und das auf dem Wege nach Portsmouth begriffen, bisher aber noch nicht dort eingetroffen ist. Hierzu macht die Admiralitaͤtamtlich bekannt: der einzige Grundfür solche Besorg⸗ nisse könne darin liegen, daß das Schiff am 16. d. M. nach der Ausfahrt von Quensferry in der Nordsee in einen Sturm gerathen sei. Die Schiffe „Hearty“ und „Niger“ seien inzwischen ausgeschickt worden, um die „Sealark“ zu suchen. Die „Sealark“ ist ein Segelschiff.
Italien.
In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer er⸗ widerte auf eine Anfrage des Deputirten Imbriani, welche Haltung Italien im europäischen Konzert in Anbetracht der von den Türken in Thessalien begangenen Ausschreitungen beobachtet habe, der Unter⸗Staatssekretär im Ministerium des Aeußern Graf Bonin, daß die Regierung, obgleich die aus griechischer Quelle stammenden Meldungen über solche Ausschrei⸗ tungen Uebertreibungen enthalten könnten, doch den italienischen Botschafter in Konstantinopel angewiesen habe, sich seinen Kollegen anzuschließen, wenn bei der Pforte begründete Rekla⸗ mationen gegen die Aufführung der türkischen Truppen er⸗ hoben würden. Auch sei die Gesandtschaft in Athen angewiesen worden, sich zu diesem Zweck mit der Botschaft in Konstantinopel in direkte Verbindung zu setzen. Die italienische Regierung habe stets das Ziel im Auge gehabt, die traurigen Folgen des Kriegszustandes in jenen Ländern zu lindern.
Spanien. Oviedo sind, wie „W. T. B.“ meldet, aus Anlaß
der Octroi⸗Frage Unruhen ausgebrochen, welche das Ein⸗
schreiten von Gendarmen nothwendig machten. Bei dem Hand⸗ gemenge wurden zwei Arbeiter getödtet und fünf verwundet; ebenso erlitten zwei Gendarmen Verwundungen. Weitere Zwischen⸗fälle werden befürchtet.
Schweiz. Der Ständerath begann gestern die Berathung der Vor⸗
lage, betreffend den Rückkauf der Eisenbahnen, nach
den einzelnen Artikeln. Nach Ablehnung mehrerer Zusatzanträge wurde der erste Artikel mit einer von Python⸗Freiburg be⸗ antragten redaktionellen Abänderung in der Kommissionsfassung angenommen. Die Bestimmung, „daß der Bund die Bahnen erwerben werde,“ wurde durch die Bestimmung ersetzt, „daß der Bund das Recht zur Erwerbung der Bahnen habe.“
Belgien.
Der König hat, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Abend an Bord der Yacht „Clementine“ von Ostende aus die Fahrt nach Kiel angetreten.
In der Repräsentantenkammer stellte gestern der ö Deputirte Delbeke (Antwerpen), ein Gegner der ilitär⸗Reform, eine Anfrage bezüglich des Empfangs, welcher der Deputation gelegentlich der Kund⸗ gebung zu Gunsten des persönlichen Militärdienstes seitens des Königs kürzlich gewährt worden war, und über die Antwort, welche der König auf die Ansprache der Deputation gegeben hat (s. Nr. 137 d. Bl.) erörterte Delbeke in längerer Aus⸗ führung die Militärfrage, sprach sich gegen den persönlichen Militärdienst aus und suchte nachzuweisen, daß der König die Verlesung einer Adresse angehört habe, welche sich gegen die Mehrheit des Hauses sowie gegen das Ministerium richte. Am Schluß seiner Rede erklärte Delbeke: die Antwort des Königs habe die konservative Majorität in Verwirrung gebracht; einige erblickten darin einen Staatsstreich. Er bestreite dem Könige das Recht, sich frei über solche politischen Fragen auszusprechen, welche eine Spaltung im Lande hervorriefen; dies würde eine Gefahr für das Königthum sein. Er wünsche, von der Regierung zu wissen, ob die Rede des Königs in ihrem Wort⸗ laut genau wiedergegeben sei, ob die Regierung bei der Feststellung desselben betheiligt gewesen sei und ob sie die in der Rede enthaltenen kategorischen Erklärungen bezüglich der Militärfrage zu den ihrigen mache. Der Minister⸗ Präsident de Smet de Nayer erwiderte: dem König sei keine Adresse überreicht, dagegen sei eine solche bei dem Kastellan des Palais hinterlegt worden; die Generale, welche von dem Könige empfangen worden seien, hätten nicht an der Kundgebung theilgenommen. Der Minister⸗Präsident ging sodann näher auf die Rede des Königs ein, die, wie er ausführte, eine Anspielung auf den persönlichen Militärdienst und auf die internationalen 1 Belgiens enthalten habe; doch sei darin auch die Verwerfung des Systems der Nation in Waffen enthalten. In der Rede sei keineswegs die Vorlegung eines neuen Gesetzentwurfs erwähnt worden, sie schließe dagegen den Wunsch auf Einführung des persönlichen Militärdienstes in sich. Die Regierung sei ebenfalls Anhängerin der Aufhebung der Stellvertretung. Die Rede weise das System des Volkes in Waffen zurück; das sei auch die Ansicht der Regierung. Der König habe schließlich gesagt, die Nation möge ihre Geschicke selbst regeln. Es sei also unpatriotisch, in der Rede des Königs Dinge zu suchen, welche nicht darin enthalten seien. Bahlreich Redner nahmen an der darauf folgenden Debatte theil.
ließlich wurde die einfache Tagesordnung mit den Stimmen der Rechten gegen die der Linken angenommen.
Türkei.
Alle Meldungen über Metzeleien und Plünde⸗ rungen der türkischen Truppen in Thessalien werden, wie „W. T. B.“ aus Konstantinopel berichtet, von amtlicher türkischer Seite für durchaus falsch erklärt. Die „Kölnische Zeitung“ meldet aus Kanea: Die Auf⸗ ständischen haben bei Kissamo die Feindseligkeiten wieder aufgenommen; sie beabsichtigen, nach einer Frist von acht Tagen die türkische Festung anzugreifen. — Da neuer⸗ dings wieder die Landung von Freiwilligen erwartet wird, so kreuzen österreichische Kriegsschiffe an der Westküste.
Griechenland. Aus Athen berichtet die „Agence Havas“: nach einer
aus diplomatischen Kreisen von Konstantinopel eingegangenen
Depesche gelte es dort für sicher, daß der Präliminar⸗ Friedensvertrag in allernächster Zeit, wahrscheinlich in der Sitzung vom nächsten Sonnabend
zeichnet werden. 8
Der Vertrag mit Hawaiti ist, „W. T. B.“ aus Washington ⸗ einem Unterausschuß des Senats überwiesen worden, welcher über vielleicht aus dem Ver⸗ trage entstehenden Verwickelungen berathen soll. Wie es jetzt heiße, habe der Einspruch Japans gegen die Einverleibung von Hawaii fast den Charakter eines Ultimatums gehabt; die Einverleibung werde in dem Einspruche als geeignet bezeichnet, den Handel im nördlichen Stillen Ozean zu stören und Vertragsrechte aufzuheben. Die Antwort der amerikanischen Regierung auf den Einspruch Japans solle fast fertig gestellt sein. Die Antwort laufe auf eine nachdrückliche, gesetzliche Vertheidigung der Stellung der Vereinigten Staaten hinaus und führe zur Unterstützung der Ansprüche der Vereinigten Staaten viele Beispiele aus dem internationalen Rechte an.
Aus Havanna wird berichtet: durch einen Erlaß seien 130 Deportierte begnadigt worden, während ein anderer Erlaß öffentliche Arbeiten anordne, um einige tausend Arbeiter in den Provinzen Havanna, Matanzas, Pinar del Rio und Santa Clara zu beschäftigen. .
Asien.
Nach einer Meldung aus Bombay wurde daselbst in der Nacht zum Mittwoch auf einen indischen Zivilbeamten und Mitglied des Pestausschusses, Namens Rand, als derselbe von einem Fest bei dem Gouverneur in Ganesh⸗Kind zurück⸗ kehrte, geschossen; Rand wurde schwer verwundet. Lieutenant Dyerst von der Verpflegungs⸗Abtheilung wurde erschossen als er von Ganesh⸗Kind nach Hause fiyuhr.
B. „ℳ
“ Afrika. Die „Agence Havas“ meldet aus Alexandrien, daß, dem Vernehmen nach, Befehl ergangen sei, den Vormarsch der Sudan⸗Expedition zu unterbrechen. Die Rekrutierungen und Materialsendungen seien eingestellt worden. Aus Kapstadt erfährt das „Reuter sche Bureau“, daß das Regierungs⸗Jubiläum der Königin Victoria überall mit großer Begeisterung gefeiert worden sei; auch in dem kleinsten holländischen Dorfe seien Festlichkeiten veranstaltet worden. Die Botschaft der Königin sei überall mit Begeisterung begrüßt worden. — Cecil Rhodes habe in Bulawayo ein er⸗ folgreiches Indaba mit den Matabele⸗Häuptlingen ab⸗ gehalten.
— Parlamentarische Nachrichten. 8
Die Berichte über die gestrigen Sen des Reichs⸗ tages, des Herrenhauses und des Hauses der Abge⸗ ordneten befinden sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (236) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und der Minister für Handel und Gewerbe Brefeld beiwohnten, wurde die dritte Berathung des Ge⸗ setzentwurfs, betreffend die Abänderung der Ge⸗ werbeordnung, fortgesetzt, und zwar bei dem von den Sozialdemokraten beantragten neuen Art. 10, welcher lediglich die von der Regierung vorgeschlagenen Vorschriften über die Konfektionsarbeiter in die Vorlage einschaltet.
Es handelt sich darum, daß der Bundesrath das Recht haben soll, für bestimmte Gewerbe (d. h. für die Konfektions⸗ arbeiter) Lohnbücher oder Arbeitszettel einzuführen (§ 1142 der Gewerbeordnung) und die Arbeiterschutzbestimmungen auf die Konfektionsarbeiter, speziell auf die Heimarbeiter (8§ 135, 137a, 138 und 139 der Gewerbeordnung), auszudehnen. Ferner enthält der Antrag die Ausdehnung der Kranken⸗ versicherung auf die Konfektionsarbeiter. 8 1
Präsident Freiherr von Buol drückt seinen Zweifel darüber aus, ob diese letzten Anträge mit der Sache in Verbindung ständen, behält sich aber die Entscheidung vor bis zur Begründung der Anträge seitens der Antragsteller, die einen solchen Zusammenhang vielleicht nachweisen könnten. 8
Zunächst kommt die Frage der Lohnbücher oder Arbeitszettel zur Verhandlung. 1
Abg. Molkenbuhr (Soz.) behauptet, daß die Konfektions⸗ arbeiter Arbeiten übertragen erhielten, ohne daß ihnen der Lohn bekannt gegeben worden wäre, wodurch nachber sehr viele Schwierigkeiten entständen. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag sei bisher nicht zu erlangen gewesen. Es wäre daher nun wünschenswerth, wenn gleich ein allgemeiner Lohntarif einge⸗ führt würde, der nach des Redners Ansicht wohl möglich sei, wenigstens für die meisten Geschäfte. Die Preise der Konfektions⸗ waaren würden ja von vornherein mit einem bestimmten Lohn⸗ satze kalkuliert, der auch dem Arbeiter bekannt gegeben werden solle, damit nicht willkürliche Aenderungen vorgenommen werden könnten. Wo Lohntarife nicht möglich seien, würde der Bundes⸗ rath andere Verfügungen treffen können, denn der Bundesrath solle ja nicht überall solche Vorschriften einführen, sondern nur das Recht dazu haben. Unmögliches würde auch der Bundesrath nicht verlangen.
Abg. Freiherr Dr. von Hertling (Zentr.): Als Vorsitzender der Kommission, welcher der Gesetzentwurf, um den es sich hier handelt, überwiesen worden ist, muß ich mittheilen, daß die Kommission sich an dem Tage konstituiert hat, an welchem der Resche⸗ tag sich vertagte. Vorgestern habe ich die Kommissionsmit⸗ glieder zusammenberufen, und die Mehrheit war der Meinung, daß die Erledigung dieser Vorlage nicht mehr zu erwarten sei, da sie un⸗ verändert kaum angenommen werden würde. Auch der Vorredner hat die Schwierigkeit der Verhandlungen anerkannt, und darauf hat die Kom⸗ mission zu ihrem großen Bedauern mit Rücksicht auf die Geschäfts⸗ lage die Berathung unterlassen. Man könnte ja im Plenum die Vorlage berathen. Meine hätten die Vorlage ohne weiteres angenommen, aber auf den Boden des Antrags können wir uns nicht stellen. Wir müssen denselben daher ablehnen. 1
Abg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim (nl.): Alle Mit⸗ glieder der Kommission waren der Meinung, daß das Gesetz nach der einen oder anderen Seite hin amendiert werden müsse; eine Kommissionsberathung war daher dringend * nothwendig, und es war eine Verschleppung damit nicht beabsichtigt. Wir haben bereits bei der Interpellation 1896 erklärt, daß wir die Materie für spruchreif hielten und sofort eine Vorlage wünschten. Die Vorlage hätte, wenn es nach unseren Wünschen gegangen wäre, schon im vorigen Jahre eingebracht und erledigt werden können. Wir haben erreicht, daß die Arbeiterschut⸗ bestimmungen auf die Konfektionsindustrie ausgedehnt worden sind; aber wir wünschen auch die Ausdehnung auf die
eimarbeiter. Die Anträge der Sozialdemokraten beschränken ich auf die Vorlage, welche die Regierung uns in dieser Frage ge⸗ macht hat; sie halten sich nicht einmal auf der Höhe der eurspälschen Gesetzgebung. Man verlangt allgemein eine ialinspektion, namentlich auch eine weibliche Inspektion für die konfektion. Unsere Anträge gingen über die Anträge der Sczial demokraten weit hinaus, se uns in keiner Weise — Wir wollen nicht die Krankenversicherung allein, sondern
die Invalidenversicherung auf die Konfektionsarbeiter ausdehnen. Die sozialdemokratischen Anträge entsprechen nicht den n
empfehlen, lediglich den Kommissionsantrag anzunehmen, ohne eine
liberalen Anträgen und auch nicht den Wünschen der Arbeiter. Wir können es daher mit unserem Eewissen nicht vereinbaren, diesen Anträgen unsere Zustimmung zu geben. Wir wünschen, daß ein besonderer Abschnitt über die Hausindustrie in die Gewerbeordnung aufgenommen werde, denn die Bestimmungen über die Fabrikarbeiter passen auf diese Industrie nicht, und ich kann es nicht begreifen, wie Männer, die doch über diese Dinge orientiert sein wollen, die nicht passenden Bestimmungen einfach darauf ausdehnen wollen. Wir lehnen es ab, nur der agitatorischen Wirkung wegen so etwas wir sind aber bereit, gründlich in der Kommission zu berathen.
Bis zum Schluß des Blattes betheiligten sich noch die Abgg. Gamp (Rp.), Dr. von Levetzow (. kons.), Singer (Soz.), Richter (fr. Volksp.), Dr. Friedberg (nl.) und Dr. Hitze (Zentr.) an der Debatte.
— Auf der Tagesordnung der heutigen (23.) Sitzung des Herrenhauses, welcher der Minister des Innern Freiherr von der Recke beiwohnte, stand die Berathung und Beschlußfassung über die geschäftliche Behandlung des Gesetzentwurfs zur Ergänzung und Abänderung von Bestimmungen über Versammlungen und Vereine.
Das Wort erhielt zunächst der Staats⸗Minister von H. amer, dessen Rede bei Schluß des Blattes noch fort⸗ auerte. 1
— In der heutigen (99.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten standen lediglich Petitionen zur Berathung.
Eine Petition der Stadtverordneten⸗Versammlung in Gevelsberg im Kreise Schwelm, Regierungsbezirk Arnsberg, beschwert sich über die Verweigerung der Genehmigung ihres Beschlusses auf Erhebung von 216 % der Einkemmensteuer und 183 % der sämmtlichen Realsteuern. Die Genehmigung zu der geplanten Aufbringung des Fehlbetrages hat der Bezirksausschuß zu Arnsberg auf Grund des Kommunalabgabengesetzes versagt, weil die Stadt Gevelsberg es unterlassen habe, Gebühren und Beiträge in irgendwie ins Gewicht fallendem Maße einzuführen, und es auch sonst nicht versucht habe, die im Verhältniß zu den Realsteuern zu hohen Zuschläge zur Ein⸗ kommensteuer herabzumindern, z. B. durch eine Biersteuer oder eine besondere Gewerbesteuer für größere Werke.
Die Gemeindekommission beantragt, über die Petition zur Tages⸗ ordnung überzugehen, den sachlichen Inhalt der Petition aber der Regierung als Material zu überweisen.
Wirklicher Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Nöll: Die von Gevelsberg geplante und nicht genehmigte Etatisierung bezog sich auf das Jahr 1896/97. Für den Etat von 1897/98 hat der Magistrat an seinem Beschlusse nicht festgehalten, sondern die Real⸗ steuern und die Einkommensteuer zu gleichem Betrage herangezogen, was auch bereits genehmigt ist. Unter diesen Umständen möchte ich
prinzipielle Erörterung an die Petition zu knüpfen.
Das Haus beschließt ohne Debatte nach dem Kommissionsantrag.
Ueber die Petition des Fuhrherrn Knettenbrech in Biebrich um Erstattung des ihm durch Wiederaufhebung der ertheilten Konzession zur alleinigen Abfuhr der Abortgruben in Wiesbaden erwachsenen Schadens aus Staatsmitteln geht das Haus zur Tagesordnung über.
Redakteur Horn in Berlin und andere Vorstandsmitglieder des Vereins Berliner Wohnungsmiether petitionieren um Auf hebung des § 16 der Städteordnung vom 30. Mai 1859, nach welchem die Hälfte der von Se “ zu wählenden Stadtverordneten aus Hausbesitzern (Eigenthümern, Nießbrauchern und solchen, die ein erbliches Besitzrecht haben) bestehen muß.
Die Gemeindekommission beantragt, über die Petition zur Tages⸗ ordnung überzugehen, und das Haus beschließt demgemäß.
Bezüglich der Petition von Hotes und Genossen in Krefeld, die sich über den Beschluß der dortigen Gemeindevertreter, 152 % Zu⸗ schlag auf Grund⸗ und Gebäudesteuer als Gemeindeabgaben zu erheben, beschwert, beantragt die Gemeindekommission Uebergang zur Tagesordnung.
Abg. Mies (Zentr.) führt aus, daß seine Partei in der Heran⸗ ziehung der Realsteuern über das Prinzip der Leistung und Gegen⸗ leistung hinaus eine unzulässige Doppelbesteuerung erblicke und sich weitere prinzipielle Ausführungen für die Berathung des Initiativ⸗ antrages Weyerbusch vorbehalte. Er beantrage die Ueberweisung der Petition an die Regierung zur Berücksichtigung.
Geheiner Finanz⸗Rath Dr. Strutz erklärt, daß die Regierung auf eine Beseitigung der Realsteuern aus dem Kommunalsteuersystem und auf grundsätzliche Umgestaltung der Gemeindeabgaben, welche das Ziel der Steuerreform von 1893 in Frage stellen würde, nicht ein⸗ gehen könne. Er empfehle daher die Annahme des Kommissions⸗ antrages.
Abg. von Eynern (nl.) schließt sich dem Antrage Mies an, hält aber die Ueberweisung nur zur Erwägung für besser. Das Prinzip von Leistung und Gegenleistung sei sehr schwer festzuhalten. Es sei bedauerlich, daß der Antrag Weyerbusch noch nicht erledigt sei; Zeit sei dazu gewesen. Warum finde die Berathung nicht statt?
Abg. Dr. Langerhans (fr. Volksp.) beantragt die Absetzung der Petition von der Tagesordnung, damit erst die prinzipielle Er⸗ örterung bei dem Antrag Weyerbusch stattfinden könne.
Diese Petition sowie einige andere Petitionen ähnlichen Inhalts werden von der Tagesordnung abgesetzt.
„Die Stadtverordneten⸗Versammlung von Ronsdorf petitioniert um Abänderung des § 33 des Kommunalabgabengesetzes dahin, daß unter gewissen Umständen von großen Betrieben, welche die Armen⸗ verwaltung u. s. w. besonders belasten, besondere Zuschüsse zu den Gemeindeabgaben erhoben werden können.
Die Gemeindekommission beantragt Uebergang zur Tagesordnung.
Abg. Dr. von Cunyjlnl.) beantragt Ueberweisung als Material, da im vorigen Jahre eine ähnliche Petition einer anderen Gemeinde auch als Material überwiesen worden sei.
Das Haus beschließt nach dem Antrag von Cuny.
Abg. von Eynern konstatiert, daß auf seine Anfrage, warum de Anfkag Weyerbusch nicht zur Berathung komme, keine Antwort erfolgt sei.
Bezüglich der Petition des Gemeindevorstandes von Assel, Kreis Kehdingen, Provinz Hannover, betreffend die Vertheilung der
emeindeabgaben, beantragt die Gemeindekommission Uebergang zur Tagesordnung.
Abg. Dr. Hahn (b. k. P.) führt aus, daß die Bauernschaften in Hannover, namentlich im Kreise Kehdingen, nicht als Sozietäten, sondern als politische Gemeinden anzusehen seien. Deshalb müßten die Lasten nach dem Kommunalabgabengesetz vertheilt werden, aber nicht dürfe der Grundbesitz allein vorweg belaftet werden.
iie Beamten sollten über die Natur dieser alten deutsch⸗ rechtlichen Verhältnisse aufgeklärt werden. Die Leistungen der Bauernschaften lägen im öffentlichen Interesse. Das Haus habe in einer Resolution vom 9. Mai 1893 die Regierung aufgefordert, das Verhältniß der kommunalen Abgaben der in den Be⸗ iirken politischer Gemeinden bestehenden kleineren kommunalen Körperschaften (Bauernschaften, Dorfschaften) zu den Abgaben der diese Körperschaften in sich schließenden Gemeinden gesetzlich zu regeln. Er beantrage, die Petition zur nochmaligen Berathung an die Kommission zurückzuverweisen. Der Ober⸗Präsident von Han⸗ beszentchabe das Bedürfniß nach einer gesetzlichen Regelung leider
en.
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Brandt erklärt, daß eine viche gesetzliche Regelung im Sinne der wegen der
annigfaltigkeit der Sozietätslasten nicht möglich sei. Eine Zurück⸗ verweisung an die Kommission habe keinen Zweck.
Wenn der Uebergang zur Tagesordnung beschlossen würde, so läge gewiffermaßen darin das Anerkenntniß, daß die Resolution vom 9. Mai 1893 nicht aufrechterhalten werden könne. Der Ober⸗Präsident von Hannover habe nicht das Bedürfniß bestritten, sondern nur eine gesetzliche Regelung für unmöglich erilärt.
Abg. Dr. Hahn hält seinen Vorwurf gegen den Ober⸗Präsidenten von Hannover aufrecht und meint, daß die Beamten in Hannover nicht richtig ausgewählt seien, weil sie häufig nicht genügend über die Verhältnisse der Provinz orientiert seien.
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Brandt macht darauf aufmerksam, daß sämmtliche Ober⸗Präsidenten eine gesetzliche Regelung für unmö lich erklärt hätten. Die Beamten in Hannover seien zum großen Theil geborene Hannoveraner. b
Abg. Dr. Hahn erwidert, daß man sich 1893 bei der Resolution bewußt gewesen sei, daß es sich hauptsächlich um Hannover handle.
Das Haus beschließt nach dem Kommissionsantrage den Uebergang zur Tagesordnung. 8
Abg. Schlabitz (Vorsitzender der Kommission für den Antrag Weyerbusch): Der Abg. von Eynern konstatierte vorhin. daß er auf seine Frage wegen der Berathung des Antrags Weverbusch keine Ant⸗ wort erhalten habe. Herr von Eynern scheint eigenthümliche Ge⸗ danken über die Rechte und Pflichten von Kommissions⸗Vorsitzenden zu haben. (Ruf: Ist das alles) vA““
Schluß des Blattes.)
Nr. 25 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge⸗ sundheitsamts“ vom 23. Juni hat folgenden Inhalt: Gesund⸗ heitsstand und Gang der Volkskrankheiten. — Zeitweilige Maßregeln gegen Pest. — Erkrankungen und Todesfälle im italienischen Heere, 1895. — Aus dem 27. Jahresberichte des staatlichen Gesundheits⸗ amtes von Massachusetts. — Gesetzgebung u. s. w. (Deutsches Reich.) Butter, Käse, Schmalz und Ersatzmittel. — (Preußen. Reg.⸗Bez. Gumbinnen.) Schweineseuchen. — (Reg.⸗Bez. Merseburg.) Gehirn⸗ Rückenmarksentzündung der Pferde. — Maul und Klauenseuche. — (Württemberg.) Sublimatpastillen. — (Mecklenburg⸗Schwerin.) Milch. (Italien.) Luxurweine. — (Frankreich.) Butter und Margarine. — (Belgien.) Markierung des Rindviehs. — Kontrolbeamte. — Thier⸗ ärztliche Prüfung. — Tuberkulöses Rindvieh. — Gang der Thierseuchen in Großbritannien, 1895. — Desgl. in den Niederlanden, 1897. I. Vierteljahr. — Maßregeln gegen Thierseuchen. (Deutsches Reich, Preuß. Reg.⸗Bez. Danzig, Oesterreich, Schweiz, Schweden, Egypten, Straits Settlements.) — Vermischtes. (Schweiz.) Jahresbericht des Stadtchemikers von Zürich, 1895. — (Niederlande, Utrecht.) Impfstoffgewinnungs⸗Anstalt, 1895. — Geschenkliste. — Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 40 000 und mehr Ein⸗ wohnern. — Desgl. in größeren Städten des Auslandes. — Er⸗ krankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. — Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. — Witterung. — Grundwasser⸗ stand und Bodenwärme in Berlin und München, Mai. — Beilage: Gerichtliche Entscheidungen auf dem Gebiete der öffentlichen Gesund⸗ heitspflege (Beseitigung von Abfallstoffen). 88 1
Arbeiterbewegung.
Aus Nordschleswig wird dem „Vorw.“ gemeldet, daß sämmt⸗ liche Erdarbeiter an der Grenzbahn Kolding⸗Egtved die Arbeit eingestellt haben, um eine Verkürzung der Arbeitszeit von 11 auf 10 Stunden zu erreichen. Der Unternehmer will die Forderung nicht bewilligen.
Aus Leipzig meldet die „Lpz. Ztg.“, daß sich die Innung ge⸗ prüfter Maurer⸗ und Zimmermeister in Leipzig und Um⸗ gegend in einer am Dienstag abgehaltenen Sitzung mit dem dort herrschenden Ausstande der Maurer (vgl. Nr. 141 d. Bl.) beschäftigte und beschloß, an dem ablehnenden Verhalten gegen die Forde⸗ rungen der Gesellen unbedingt festzuhalten. Ob die Arbeitgeber Arbeiter nach den vor dem Ausstand gezahlten Löhnen und sonstigen Bedingungen wieder einstellen wollen, soll ihnen freigestellt bleiben. Uebrigens wurde darauf hingewiesen, daß, wie mittels Ausgabe von ermittelt worden ist, ein sehr hoher Prozentsatz der vor Beginn des Ausstandes bei den Innungsmeistern beschäftigten ca. 1400 Maurer — über 500 — zu den alten Bedingungen weiter arbeitet und daß bereits viele Gesellen am Montag und Dienstag zu den gleichen Bedingungen um Arbeit nachgefragt haben. — Auch die Zimmerer haben, demselben Blatte zufolge, nunmehr Stellung zum Ausstande genommen. Am Dienstag Abend fand eine von über 600 Personen besuchte Versammlung statt, in welcher die Sachlage besprochen wurde. Es wurde in einer Resolution beschlossen, den Maurern beizustehen, jedoch nicht in den Ausstand einzutreten. Gleich⸗ zeitig wurde der Eintritt der Bauhandarbeiter in den Ausstand scharf verurtheilt.
In Altenburg ist, wie der „Köln. Ztg.“ gemeldet wird, nach achtwöchiger Dauer der Ausstand der dortigen Maurer (vgl. Nr. 106 d. Bl.) für beendet erklärt worden.
In Ungarn ist, wie die „Nat.⸗Ztg.“ mittheilt, der lange drohende Ausstand der Feldarbeiter nunmehr ausgebrochen. Im Allmaser⸗Bezirk stellten sie die Arbeit ein und lösten die Ernte⸗ verträge. Mehrere sozialistische Agitatoren wurden verhaftet. Militär ist zur Aufrechterhaltung der Ordnung nach dem Ausstandsgebiet ab⸗ gegangen. Auch aus anderen Bezirken werden Arbeitseinstellungen ge⸗ . Im Ganzen wird die Zahl der feiernden Arbeiter auf 2000 angegeben.
Literatur.
Der vortreffliche Kom mentar zur Gewerbeordnung für das Deutsche Reich von dem bagyerischen Staats⸗Minister des Innern, für Kirchen⸗ und Schulangelegenheiten Dr. Robert von Landmann (Verlag von C. H. Beck in München) schreitet, unbeirrt durch die dem Reichstage vorgelegten erneuten Abänderungs⸗ vorschläge, in der neuen, dritten Auflage rüstig vorwärts. Bereits liegt der erste Band, der die ersten sechs Titel (bis § 104 0) enthält, vollendet vor, und der zweite Band soll binnen kurzem folgen. Die Neubearbeitung durch den Bezirksamts⸗Assessor Dr. Gustav Rohmer hat die Grundlage des Werkes nicht berührt, sondern sich darauf be⸗ schränkt, den durch Gesetzgebung, Literatur und Rechtsprechung hin⸗ zugetretenen Stoff in der neuen Auflage dem Geist und der Methode des Werkes entsprechend zu verarbeiten. Dies ist dem Verfasser durchaus gelungen. Die neue Auflage steht völlig auf der Höhe der früheren und wird von keinem Juristen, der Zweifelsfragen aus dem Gebiete des Gewerberechts zu entscheiden hat, unbeachtet bleiben können. — Die Befugniß der Jagdberechtigten zur Tödtung fremder Hunde und Katzen in Preußen. Von Dr. J. Schu⸗ macher, Amtsrichter und Professor an der landwirthschaftlichen Akademie Poppelsdorf. Zweite Auflage. Berlin, Verlag von Julius Springer. Preis 1,20 ℳ — Der durch seine Arbeiten auf dem Gebiete des Jagdrechts bekannte Verfasser behandelt in dieser Schrift nach Vorausschickung allgemeiner Grundsätze über die im Titel genannte Materie in systematischer Darstellung zunächst die Be⸗ stimmungen der älteren Jagdgesetze im Gebiete des preußischen Land⸗ rechts und in der Rheinprovinz, dann die Vorschriften des ee. Landrechts, des gemeinen Rechts, das im rheinischen Rechtsgebiete in Ermangelung älterer Jagdgesetze zur Anwendung kommende Recht, die Bestimmungen speziell über die Tödtung von Katzen, die Folgen der unerlaubten Tödtung und zum Schluß noch einige Fragen, die mit dem Tödtungsrecht in engem Zusammenhange stehen. Jäger und Forstkente werden auf diesem vielfach von irrigen Anschauungen be⸗
8 Abg. Dr. Sattler (nl.) wünscht die Zurückverweisung an die vommission oder die Absetzung der Petition von der Tagesordnung.
„„— Amt und Pflichten des Waisenraths, nach den gesetz⸗ lichen Bestimmungen unter Berücksichtigung des Gesetzes 8. 13. März 1878, betreffend die Unterbringung verwahrloster Kinder, und der hierzu ergangenen Ministerial⸗Grlaße ausführlich dargestellt von Kotterba, Pastor in Prittisch, Waisenrath und Synodal⸗ vertreter für innere Mission. 56 Seiten. Verlag von Fr. Richter in Fvnig. — Leitfaden für preußische Waisenräthe von J. Weißweiler, Amtsrichter. Zweite Auflage. 46 Seiten. Verlag von Karl Meyer (Gustav Prior) in Hannover. Preis 80 ₰. — Das eine wie das andere Büchlein enthält eine Zusammenstellung und “ Erläuterung der für die Waisenräthe wichtigen Forschriften. Im Interesse der Bevormundeten, für deren Wohl di Fürsorge des Waisenrathes von größter Bedeutung ist, kann m diesen beiden kleinen Schriften nur die weiteste Verbreitung wünsche
ELand⸗ und Forfstwirthschaft.
Saatenstand in Ungarn.
Nach den bei dem ungarischen Ackerbau⸗Ministerium eingelaufenen Berichten war, wie der ‚Wiener Ztg.“ gemeldet wird, Saatenstand am 15. d. M. folgender: Nach den wochenlang, in einzelnen Gegenden monatelang dauernden Regengüssen hat sich nach dem 10. Juni das Wetter günstiger gestaltet. Es wurde wärmer und trockener. Doch war es, da die Entwickelung der An⸗ pflanzungen großentheils bereits vorüber war, für dieselben schon zu spät, und es haben sich die Rückfälle, welche sich in den ver⸗ flossenen Wochen zeigten, nur zum theil ausgeglichen. denjenigen Gegenden, welche von Gefahr bedroht waren, derjenige Theil, welcher sich als lebenskräftig erwies, ein erträgliches Resultat erhoffen. Die übergroßen Niederschläge haben viel Schaden verursacht, theils weil durch dieselben Rost entstand, theils durch die zu große Nässe. Und so sind die diesjährigen Ernte⸗ Aussichten weder betreffs des Winter⸗, noch des Sommeranbaues so, daß sie den an sie geknüpften Erwartungen entsprechen, namentlich in einem großen Theil des Alföld, wo die Hauptzerealien meist in Wintergetreide bestehen. Die Aehren des Getreides sind an mehreren Stellen kleiner als gewöhnlich. Dies ist überhaupt beim Weizen, theilweise beim Roggen und auch bei der Gerste der Fall. Hafer zeigt sich genügend gut. Das stürmische Wetter und der Regen am 17., 18. und 19. d. M., dazwischen Hagel und Sturm, namentlich in den westlichen Theilen des Landes, haben aber⸗ mals größere Schäden angerichtet. Trotzdem kann vom Hafer gesagt werden, daß er gute mittlere Ernte liefern wird. Der Rost hat die Aebren des Weizens an vielen Stellen vernichtet; die Mutterähren sind aber meistentheils unversehrt, obschon auch diese vom Rost stellen⸗ weise geschädigt sind, überhaupt dort, wo zu viel Niederschläge waren, und dort, wo sich die Saaten gelegt haben. Solche Saaten giebt es vorzüglich im Alföld, wo daher ein bedeutender Theil des Getreides von schwächerer Qualität und geringerem Gewicht sein wird als im vergangenem Jahre. Dasselbe ist auch der Fall mit der Quantität, indem die Aussichten im Alföld kaum mittlere sind. Am besten steht der Weizenanbau noch jenseits der Donau, wo eine Mittel⸗ und Gut⸗ mittel⸗Ernte zu erhoffen ist. Roggen steht etwas günstiger, ob⸗ zwar auch dieser gleich dem Weizen rückfällig wurde. Gerste wurde nur stellenweise vom Rost angegriffen, aber desto größeren Schaden verursachten Regen und Grundwasser. Dasselbe kann auch von Hafer und Mais konstatiert werden, von welch letzterem das angebaute Areal bedeutend geringer ist als im Vor⸗ jahre. Das zur Ernte gelangende Weizenareal wird auf höchstens 5 200 000 Katastraljoch geschätzt. Wenn nun die ungünstigen Zustände bei der Entwickelung, Rost, stellenweise Hagel, große Regen⸗ güsse und Nebel, in Betracht gezogen werden, kann der Durchschnitts⸗ ertrag per Joch auf 6 bis 7 Meterzentner, respektive der zu erhot⸗ fende Gesammtertrag auf 34 Millionen Meterzentner veranschlagt werden. Der vorjährige Ertrag betrug 38 Millionen. Das mit Roggen bebaute Areal kann mit 1 750 000 Katastraljoch, der zu erhoffende Ertrag, 6 bis 7 ½ Meterzentner per Joch, insgesammt mit 12 Millionen Meterzentner veranschlagt wer⸗ den, gegen 13 Millionen Meterzentner im Vorjahre. Die Qualität ist größtentheils besser, doch ist auch gedrückter Kern vorhanden. Winiergerste wird jetzt geerntet. Das Resultat im Alföld ist großen⸗ theils zufriedenstellend, stellenweise gut. Bei der Sommergerste ent⸗ wickelt sich jetzt die Aehre; dieselbe leidet durch Rost, Regen und Grundwasser. Das bebaute Areal kann auf 1 600 000 Katastral⸗ joch geschätzt werden; der zu erhoffende Ertrag, 6 bis 7 ½ Meterzentner per Katastraljoch, wird insgesammt mit
10 bis 11 Millionen Meterzentner 188, gegenüber
12 Millionen Meterzentner im Vorjahre. Hafer steht in einem großen Theile des Landes genügend gut. Das bebaute Areal kann mit 1 520 000 Katastraljoch, der zu erhoffende Ertrag, 6 bis 6 ½ Meter⸗ zentner per Katastraljoch, insgesammt mit 9 bis 10 Millionen Meter⸗ zentner veranschlagt werden, gegen nabe an 11 Millionen Meter zentner im Vorjahre. Die Rapsernte ist im Zuge. Das Resultat ist sehr verschieden; nach vorgenommenen Probedruschen sind stellen⸗ weise 2 bis 4, an anderen Orten 4 bis 6 und an manchen sogar 6 bis 10 Meterzentner erzielt worden.
Saatenstand in dem russischen Gouvernement Samara.
Ueber die diesjährigen Ernteaussichten in dem Gouvernement Samara gehen uns folgende Nachrichten zu:
Die letzten Wochen haben wenig Günstiges für die Saaten gebracht. Winterroggen hat sich infolge des sehr warmen Frühlings rasch entwickelt, sich aber wenig bestaut, und bei dem Regenmangel hat er nur schwache Aehren angesetzt. Die allgemeinen Ansichten gehen dahin, daß nur eine Ernte bedeutend „unter Mittel“ zu er warten ist, und wenn der Regenmangel noch anhält, so kann es leicht eine schlechte Ernte geben. Sommersaaten halten sich soweit noch ganz gut, aber der Regenmangel ist schon sehr empfindlich, nur in den Gegenden, in welchen reichliche Gewitterregen gefallen, stehen sie recht gut; dies ist aber nicht an vielen Orten der Fall gewesen. 1
Gras, welches anfangs ein gutes Wachsthum zeigte, ist recht schlecht geworden, die Hitze hat sehr geschadet, und durch die Dürre ist schon viel verloren gegangen, sodaß man auf eine schlechte Futterernte bereits sicher rechnen kann. In dem südlichen Theil des Gouverne⸗ ments hat die Heuernte bereits begonnen, und wird dieselbe, falls die Dürre anhält, sehr beeilt werden.
8 Saatenstand in Canada.
Provinz Ontario. Die Herbstsaaten in der Westhälfte der Provinz stehen ziemlich gut, wenngleich sie, infolge der ungewöhnlich kalten und nassen Witterung im Monat Mai und anfangs Juni, bisher weniger weit fortgeschritten sind als im letzten Jahre. Das⸗ selbe gilt von den Frühlingssaaten. Man erwartet bei dem nunmehr eingetretenen sonnigen, warmen Wetter eine Ueberdurchschnittsernte in Weizen und Roggen.
Provinz Manitoba und Nordwest⸗Territorien. Die
Saaten sind durch groß Trockenheit und Fröste im Mai und Anfang Juni zurückgehalten. Nach dem neuerlichen Eintritt von Regen erhofft man günstige Ernte⸗Ergebnisse. Die Saaten in Quebec sind um einen Monat zurück und stehen dürftig; auch die Heuernte dieser Provinz und Ontarios dürfte sehr klein ausfallen, während man in Neuschottland und Neubraunschweig eine ziemlich gute Heuernte erwartet.
Getreideernte Kleinasiens.
Ueber die diesjährige Ernte, welche bereits begonnen hat, gehen uns aus Smyrna folgende Nachrichten zu: 8
Die Ernte scheint guten Erfolg zu versprechen und wird auf etwa 25 % reichlicher geschätzt als im Vorjahre.
Der Gesammtertrag der Zerealien, worunter Hafer, Weizen, Roggen, Gerste, Bohnen, Mais, Hirse und Dari (weißer Mais) umfaßt werden, dürfte die Höhe von 300 000 t erreichen, wovon etwa 175 000 t auf Gerste, 87 500 t auf Weizen und 22 000 t auf Bohnen entfallen
errschten Gebiet in dem Büchlein einen praktischen und zuverlässigen Rathgeber finden.
dürften.