1897 / 152 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 01 Jul 1897 18:00:01 GMT) scan diff

Im Neuen Königlichen Opern⸗Theater wird morgen lchard Wagner’8 Oper „Lohengrin“ mit Herrn Ernst Kraus in der itelrolle unter Kapellmeister Wolfram's Leitung gegeben. Als Elsa

Fräulein Wiborg vom Hoftheater in Stuttgart. Im arten findet von Nachmittags 6 Uhr an großes Militär⸗Konzert, aus⸗

A hrt vom Musik⸗Korps des 2. Garde⸗Regiments z. F. unter

Leitung des Königlichen Musik⸗Dirigenten Herrn Graf, statt.

Die französische Schauspielerin Ada Réjane wird mit einer eigenen Gesellschaft in der ersten Hälfte des Monats Oktober im Lessing⸗Theater ein Gastspiel geben. Unter Anderem wird die —— die Titelrolle von Henrik Ibsen’s Schauspiel „Nora“

elen.

Im Theater des Westens geht morgen zum ersten Mal in Scene: „A basso porto“ („Am unteren Hafen“), lyrisches Drama in drei Akten, nach neapolitanischen Volks⸗ scenen von Goffredo Cognetti, Text von Eugen Checchi, deutsch von Ludwig Hartmann, Musik von Niccola Spinelli. Die Hauptpartien werden von den Damen Fanny Moran⸗Olden (als Gast) und Anna Triebel, sowie den Herren Oscar von Lauppert und Emil Buchwald gesungen. Der Komponist wird der Aufführung persönlich bei⸗ wohnen. Am Sonnabend wird die Oper wiederholt. Am Sonntag verabschiedet sich Herr Heinrich Bötel als Lyonel in Flotow's „Martha“.

Aus München meldet „W. T. B.“, daß Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent dem Intendanten der bayerischen Hof⸗ theater, Hofschauspieler Ernst Possart, den Verdienst⸗Orden der Pperischen Krone, mit dem der persönliche Adel verbunden ist,

ehen hat.

Mannigfaltiges.

Das Königliche Polizei⸗Präsidium macht Folgendes bekannt: Mit dem 1. Juli tritt die Verordnung in Kraft, wonach die bisher nur für Fabriken geltenden Bestimmungen der Gewerbeordnung über die Beschäftigung von Kindern, jugendlichen Personen und Arbeiterinnen auch auf die Werkstätten der Kleider⸗ und Wäsch ekonfektion Anwendung finden. Als solche Werk⸗ stätten gelten diejenigen, in welchen die Anfertigung oder Bearbeitung von Männer⸗ und Knabenkleidern (Röcken, Hosen, Westen, Mänteln und dergl.), von Frauen⸗ und Kinderkleidung (Mänteln, Kleidern, Um⸗ hängen u. dergl.), sowie von weißer und bunter Wäsche im Großen erfolgt. Ausgenommen sind solche Werkstätten, in welchen der Arbeitgeber ausschließlich zu seiner Familie gehörige Personen beschäftigt, sowie solche Werkstätten, in denen die Herstellung der Bearbeitung von Waaren der Kleider⸗ und Wäschekonfektion nur gelegentlich erfolgt. Der Arbeitgeber aus der Konfektionsbranche, der künftig erwachsene Arbeiterinnen oder jugendliche Personen (männliche oder weibliche von 14 bis 16 Jahren) in einer derartigen Werkstätte beschäftigen will, muß davon der Polizei schriftliche Anzeige machen. In den Werkstatträumen müssen an einer in die Augen fallenden Stelle ein Verzeichniß der jugend⸗ lichen Arbeiter nebst Angabe der ihnen zustehenden Arbeitspausen und eine Tafel aushängen, an der in vorgeschriebenem Wortlaut eine ze⸗ sammenstellung der für den betreffenden Betrieb geltenden gesetzlichen Vorschriften enthalten ist. Schulkinder dürfen in derartigen Werk⸗ stätten garnicht beschäftigt werden, nicht mehr schulpflichtige Kinder unter 14 Jahren nur 6 Stunden täglich, junge Leute zwischen 14 und 16 Jahren höchstens 10 Stunden täglich. Die Arbeitszeit der jugendlichen Arbeiter darf nicht vor 5 Uhr Morgens be⸗ ginnen und nicht über 8 ½ Uhr Abends hinaus dauern. Zwischen den Arbeitsstunden müssen an jedem Tage regelmäßige Pausen eingehalten werden, während deren nicht nur jede Arbeit im Werk⸗ stattbetriebe, sondern auch der bloße Aufenthalt in den Arbeitsräumen verboten ist, sofern nicht im Gesetz genau vorgesehene Aus⸗ nahmen von diesem Verbot eintreten. Arbeiterinnen dürfen in der Nachtzeit von 8 ½ Uhr Abends bis 5 ½ Uhr Morgens und an Sonnabenden und Vorabenden der Festtage nicht nach 5 ½ Uhr Nachmittags beschäftigt werden; die Dauer ihrer Beschäftigung darf 11 Stunden täglich, und an Vorabenden von Sonn⸗ und Festtagen 10 Stunden täglich nicht überschreiten, abgerechnet eine ihnen regelmäßig zu gewährende Mittagspause von min⸗ destens einstündiger Dauer. Mit Rücksicht auf die bei der Kleider⸗ und b regelmäßig vorkommende besondere Häufung der Arbeit hat die Verordnung aber reichliche Rücksicht auf die Erforder⸗ nisse dieser sogenannten Saisonarbeit genommen, namentlich dürfen an 60 Tagen im Jahre Arbeiterinnen auch über die sonst für sie geltende Arbeitszeit hinaus beschäftigt werden, allerdings nicht länger 8 8. Stunden an einem Tage und nicht über 10 Uhr Abends inaus.

Die von dem verstorbenen Geheimen Kommerzien⸗Rath Gerson

von Bleichröder testamentarisch angeordnete, mit einem Kapital von einer Million Mark dotierte milde Stiftung, welche zu Ehren seines Vaters den Namen „Samuel Bleichröder⸗Stiftung“ führen soll, wird nunmehr ins Werk gesetzt werden. In diesen Tagen ist den Testamentsvollstreckern der Allerhöchste Erlaß zugestellt worden, wonach der Stiftung die Genehmigung ertheilt und ihr die Rechte einer juristischen Person verliehen werden. Zweck der Stiftung ist: bedürftigen, lungenkranken Personen, die nicht als un⸗ heilbar zu erachten sind, ärztlich⸗ Behandlung und Pflege in einem eigenen Krankenhause unentgeltlich zu gewähren. Die Zulassung geeigneter Kranker ist weder durch Alter, Geschlecht noch religiöses Bekenntniß beschränkt. Das Stiftungskapital beträgt eine Million Mark, wozu die seit dem Tode des Erblassers, dem 19. Februar 1893, laufenden und bis zu

Beginn der Stiftungsthätigkeit anzusammelnden Zinsen treten. Das Krankenhaus soll allen Anforderungen der Wissenschaft und Erfah⸗ rung entsprechend eingerichtet und mustergültig erhalten werden. Es wird zunächst für 20 Betten bestimmt. Die ärztliche Be⸗ handlung soll den Fortschritten der Wissenschaft folgen. Die Kranken können nur eine beschränkte Zeit im Krankenhause verbleiben. Die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung und Verwaltung der Stiftung führt ein Kuratorium, das aus den Testamentsvollstreckern des Stifters, den künftigen Nach⸗ folgern der Testamentsvollstrecker und drei Vorstandsmitgliedern des Berlin⸗Brandenburger Heilstätten⸗Vereins für Lungenkranke besteht. Der Vorsitz im Kuratorium liegt einem der Testa⸗ mentsvollstrecer ob. Zur Durchführung der Stiftungszwecke haben die Testamentsvollstrecker bereits im Mai 1896 mit dem „Berlin⸗Brandenburger Heilstätten⸗Verein für Lungenkranke“ über die Erbauung und Versorgung des Kranken⸗ hauses eine Vereinbarung getroffen. Das Krankenhaus soll danach mit Einrichtungen des Vereins räumlich und innerlich derart verbunden sein, daß der Verein die vollständige Verwaltung des Hauses über⸗ nehmen kann. Er hat die ärztliche Behandlung und Ver⸗ pflegung der Kranken zu versehen, alle Bedürfnisse der letzteren zu erfüllen und das Personal von Aerzten, Hilfsbeamten, Dienern ꝛc. zu stellen und zu kontrolieren. Die Behandlung der Kranken soll nach zuverlässigen Erfahrungen der Wissenschaft geschehen und das Krankenhaus von dem Verein als ein Musterinstitut erhalten bleiben. Als Vergütung zahlt das Kuratorium an den Verein: einen jährlichen Beitrag zu den Generalunkosten von 12 000 und für jeden Kranken und jeden Verpflegungstag 3 und höchstens 18000 ℳ, wofür bis zu 6600 Leelerse aag. zu ge⸗ währen sind. Der Heilstätten⸗Verein hat unter Zustimmung der Testamentsvollstrecker ein großes, schön und gesund gelegenes Wald⸗ areal bei der Stadt Belzig erworben, von welchem der Bleichröder⸗ Stiftung ein erheblicher Antheil eigenthümlich überlassen ist. Dort baut das Kuratorium der Samuel Bleichröder⸗Stiftung das Kranken⸗ haus selbständig und auf eigene Kosten, und es soll sich die Errichtung der dem Verein nothwendigen Baulichkeiten daran anschließen.

Ein gewaltiger Brand zerstörte gestern Nachmittag die Gebäude des großen Lagerhofes auf dem Grundstück Chausseestraße 80, 81, 82. Der Lagerhof hat nach der Chausseestraße zu eine Front von etwa 100 m und erstreckt sich bis an die Häuser der Boyenstraße; die Rückfront stößt an das Garnison⸗Lazareth in der Scharnhorststraße an. Diesem gegenüber befindet sich ein vierstöckiges Wohngebäude, welches die Pächter bewohnen. Vor diesem Fogse erhob sich ein aus Fachwerk errichteter Schuppen, in welchem sich Pferdestallungen, eine Lackiererei und mehrere Fuhrgeschäftebefanden; diesen schloß sich eine Häckselschneiderei an. Die hierzu gehörigen Stroh⸗ und Heuvorräthe lagerten in dem Bodengeschoß eines sich dem Gebäudekomplex rechtwinkelig anschließenden, etwa 100 m langen und 10 m hohen Fachwerkbaues, in welchem sich außerdem die Lagerei eines Lumpen⸗Engrosgeschäfts und eine Engros⸗ handlung für Papierabfälle befanden. Wie die „Nat.⸗Ztg.“ berichtet, bemerkten Arbeiter gegen 2 Uhr Mittags, daß in der Häckselschneiderei ein Brand entstanden war; sie machten sofort Alarm, jedoch ehe die auf dem Platze beschäftigten Personen sich aus der ersten Bestürzung emporraffen konnten, standen bereits der ganze linke Flügel und der Mittelbau in Flammen. Mit rasender Geschwindigkeit ver⸗ breitete sich das Feuer über den ganzen Lagerhof, er⸗ griff das Wohnhaus, die im Freien stehenden Wagen und bedrohte das Etablissement „Eiskeller“, die Wohnhäuser Chausseestraße 83 und 84, die Holz⸗ und Kohlenhandlung Boyenstr. 43 sowie das Garnison⸗ Lazareth in der Scharnhorststraße, dessen Eiskeller ebenfalls in Mit⸗ leidenschaft gezogen wurde. Die Bewohner des Grundstücks Chaussee⸗ straße 80/81 konnten nur ihr Leben retten. Die Arbeiter versuchten, die Wagen und mehr als 200 Pferde, die sich in den Stallungen be⸗ fanden, ins Freie zu bringen, aber zum theil vergeblich: mehr als 40 Pferde fanden in den Flammen den Tod, und über 80 Wagen ver⸗ brannten. Bei der Ankunft der Löschzüge der Feuerwehr, welche in⸗ folge Meldung „Großfeuer“ in voller Stärke zur Stelle waren, standen nicht nur die gesammten Baulichkeiten des Lagerhofes in sondern das Feuer hatte auch bereits den Eiskeller des arnison⸗Lazareths sowie das Haus Chausseestraße 83 ergriffen. Unterstützt von inzwischen abkommandierten Mannschaften aus den Kasernen des Garde⸗Füsilier⸗Regiments (in der Chaussee⸗ straße) und des Feld⸗Artillerie⸗Regiments (in der Scharnhorststraße), trat die Feuerwehr dem Element von der Scharnhorst., Boyen⸗ und Chausseestraße sowie von den umliegenden Häusern aus, insgesammt mit 16 Rohren, von denen vier durch Dampfspritzen gespeist wurden, ent⸗ gegen. Mit donnerartigem Getöse stürzten alsbald die Dächer und Seitenmauern zusammen, aus denen gewaltige Feuergarben empor⸗ loderten. Erst gegen 4 Uhr Nachmittags war die größte Gewalt des Brandes unterdrückt. Die Rauchentwickelung war eine enorme, und der gewaltige, von allen Stadtgegenden aus sichtbare Qualm zwang die Löschmannschaften, wiederholt ihre Plätze zu verlassen und Reserve⸗ kräfte herbeizuholen. Zwei Personen, darunter eine Frau, welche sich in dem brennenden Wohngebäude befand, werden vermißt, und neun Feuerwehrleute als verletzt gemeldet.

Bei der heutigen Binnen⸗Regatta gewann, in der Klasse Va die Yacht Karen Johanne“ (Christensen⸗Kopenhagen) den ersten Preis,⸗ „Marina (Schulz⸗Berlin) den zweiten, „Swanhild“ (Bichel⸗Hamburg) den dritten Preis; in der Klasse Vb „Emma“ (Schellhaas⸗Wannsee) den ersten Preis und den Dohna⸗Pokal, „Tümmler“ (von Hassel⸗Kiel)

Kiel, 30. Juni. wie „W. T. B.“ meldet,

8

Bar. auf 0Gr.

d. Meeressp red. in Millim. siu

50 C. = 40R.

Inseln

Temperatur in °Cel⸗

Winde

I 2 bedeckt N 1 bedeckt Christiansund 76 2 Regen Kopenhagen. Z halb bed. Stockholm . 2 wolkenlos

—O +

erwarten sein.

Uebersicht der Witterung.

Eine Depression, die gestern an der norwegischen Küste lag, ist mit zunehmender Tiefe ostwärts nach dem Bottnischen Busen fortgeschritten, während ein Hochdruckgebiet westlich von den Britischen in herannabt. nördlichen Zentral⸗Europa nördliche bis westliche 1 vorherrschend Einfluß die Temperatur herabgegangen ist. In Deutschland dauert die warme, heitere Witterung Le fort, stellenweise Unter dem Einfluß des Maximums im Westen dürfte für ganz

Zauber⸗Oper 1 Text nach Fouqué's Erzählung Tanz von Emil

Montag: 31. in 4 Akten von

Vorstellung.

Dementsprechend sind im

des Prosper Mérimée. Anfang 7 ½ Uhr.

ssing -Theater.

Ferenczv⸗Ensembles.

japanische 3 Akten von Owen Hall

geworden, unter deren

haben Gewitter stattgefunden. Deutschland Abkühlung zu

Deutsche Seewarte. Anfang 7 ½ Uhr.

E 00 Obo 0⸗

] 8 still bedeckt t. Petersbg.

Beve; 2 1 heiter Cork, Queens⸗ town..

NNW

wolkig wolkig bedeckt bedeckt heite

alb bed. wolkenlos wolkig Regen heiter Regen wolkenlos wolkig bedeckt wolkenlos halb bed.

halb bed. wolkig halb bed.

EEI11“ burg.. winemünde Neufahrwasser Memel.. Fen be .

Wiesbaden

tische Oper in In Scene

᷑. 0 œ☛ Od 00 D.

Sonnabend:

Sοcnto bbwebceeheh

—½

Breslau. d'Aix

.::

11“

Aönigliche Schanspiele. Freitag:

Opern⸗Theater. 28. Vorstellung. Lohengrin. Roman⸗

gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dekorative Einrichtung vom Ober⸗Inspektor Brandt. Dirigent: Kapellmeister Wolfram. Ernst Kraus, Elsa: Fräulein Wiborg, vom Hof⸗ Theater in Stuttgart, als Gäste.) Anfang 7 Uhr. 29. Vorstellung. (Pariser Künstlerleben 1830.) Scenen aus Henry Murger's „Vie de Bohème“ in 4 Bildern von G. Giacosa und L. Illica. Deutsch von Ludwig Hartmann. Musik von Giacomo Puccini. Die Rose von Schiras. zählenden Dichtung von H. Ploch von Emil Graeb. 25 Musik von Richard Eilenberg. Anfang 7 Uhr.

27 onntag: 30. Vorstellung. Undine. Romantische

vie eelane. e Geisha. Theater. 7 Sonntag:

Die Geisha.

Neues

3 Akten von Richard Wagner. Direktion: mund Lautenburg. bedeutend ermäßigten Preisen. Stellvertreter. Lohengrin: Herr und G. Duval.

Sonnabend und

Die Boheème. vertreter.

Ballet⸗Idylle nach einer er⸗ von Fanny Moran⸗Olden.

8

den zweiten Preis; in der Klasse VI „Visurgis“ (Schlodtmann Hamburg) den ersten, „Bussard“ (Hansen⸗Hamburg) den zweiten, „Irrlicht“ (Müller⸗Neu⸗Ruppin) den dritten Preis. Das Rennen der VII. Klasse wurde für ungültig erklärt und wird morgen noch einmal gesegell.. Eb111—“

Niebüll (Holstein), 30. Juni. In der heutigen Jahres⸗ versammlung des schleswigeholsteinischen Gustav⸗Adolf⸗ Vereins wurde, dem „W. T. B.“ zufolge, beschlossen, die Refor⸗ mations⸗Kollekte zur Begründung einer evangelischen Schule in Inns⸗ 1,1891 zu Die Festpredigt hielt General⸗Superintendent

.Dryander.

Stuttgart, 1. Juli. In der letzten Nacht wüthete ein furchtbares Unwetter in den Oberämtern Neckarsulm, Weinsberg, Oehringen, Künzelsau, Gerabrunn und Hall. Zahllose Fenster wurden zertrümmert, Dächer abgehoben und Fabrikschornsteine umgeworfen. Tausende von Obstbäumen sind theils entwurzelt, theils umgebrochen. Felder und Weinberge sind auf weite Strecken von hühnereigroßen Hagelkörnern völlig vernichtet. Der Schaden ist sehr beträchtlich und beläuft sich jedenfalls auf mehrere Millionen Mark. Der Minister des Innern von Pischek wird sich, dem „W. T. B.“ zufolge, heute Nachmittag in die betroffenen Bezirke begeben. 8—

Hamburg, 30. Juni. Zu dem Brande des Gebäudes der hiesigen Elektrizitätswerke berichtet „W. T. B.“ weiter: Bei dem Brande wurden 5 Feuerwehrleute leicht verletzt. Der Schaden beträgt etwa 250 000 Das Feuer ist durch das Durchbrennen einer Maschine entstanden. Die verschiedenen, durch den Brend erfolgten Stockungen im Motorenbetrieb und im Lichtkonsum werden in aller⸗ nächster Zeit beseitigt sein. Der elektrische Betrieb der Straßenbahn ist nur unerheblich gestört, jedoch müssen auf einige Tage die Anhänge⸗ wagen infolge nicht genügend starken Stromes fortgelassen werden.

Paris, 1. Juli. Ueber den Badeort Mont⸗Dore (Dep. Puy de Döme) ist, wie „W. T. B.“ berichtet, ein furchtbares Hagel⸗ wetter niedergegangen. Die Hagelstücke, die von seltener Größe waren, richteten arge Verheerungen an.

Konstantinopel, 30. Juni. „W. T. B.“ meldet: Im hiesigen Hafen stieß heute Nachmittag das deutsche Rettungsschiff „Berthilde“ mit dem deutschen Kauffahrteischiff „Rein⸗ beck“ zusammen. Der ‚Reinbeck⸗ ging alsbald unter; die Mannschaft, mit Ausnahme des Kapitäns, ertrank. Bei den Rettungsarbeiten ertran en auch zwei Matrosen eines d ei Stationsschiff. 8

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Kiel, 1. Juli. (W. T. B.) Bei dem gestrigen Diner im Jachtklub trank Seine Majestät der Kaiser auf das Wohl Seiner Majestät des Königs der Belgier und theilte mit, daß er Allerhöchstdenselben zum Ehrenmitglied des Kaiser⸗ lichen Jachtklubs ernannt habe. Der König Leopold dankte für die Auszeichnung und betonte, daß er bereits früher, vor zwanzig Jahren, Kiel besucht habe, das damals klein gewesen sei und in dessen Hafen sich nur wenige Kriegsschiffe befunden hätten. Jetzt sei Kiel ein Kriegshafen, und die Flotte habe einen gewaltigen Aufschwung genommen, worüber er sich von Herzen freue. Dieser Aufschwung sei das Verdienst des großen Kaisers Wilhelm I., aber nicht minder das der rastlosen Bemühungen Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm II. Der König schloß mit einem Hoch auf

Seine Majestät den Kaiser.

Wien, 1. Juli. (W. T. B.) Der Kaiser ist heute früh nach Ischl abgereist; am 8. d. M. wird Allerhöchst⸗ derselbe zur Begrüßung der aus Schwalbach zurückkehrenden Kaiserin Elisabeth zu dreitägigem Aufenthalt wieder hier eintrefkfen und dann nach Ischl zurückkehren. Ende August wird der Kaiser sich zu den großen Herbstmanövern nach Mähren begeben.

Bern, 1. Juli. (W. T. B.) Der Ständerath setzte heute die Berathung der Vorlage, betreffend den Rückkauf der Eisenbahnen, fort. Nach längerer H wurde im dritten Wahlgange mit 25 Stimmen Bern zum Sitz der General⸗Direktion gewählt. Zürich erhielt 19 Stimmen.

E1“

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

in 4 Akten von Albert Lortzing.

raeb. Anfang 7 ½ Uhr. Carmen. Georges Bizet. Text von Henry

Meilhac und Ludovie Halévy, nach einer Tanz von Emil Graeb.

Freitag:

Die Geisha, Theehaus⸗Geschichte. . Musik von Sidney Jones. Deutsch von C. M. Roehr und Julius Freund.

Gastspiel des Ferenczy⸗Ensembles. Gastspiel des Ferenczy⸗Ensembles.

Neues Theater. Schiffbauerdamm 4 a. /5.

Neu einstudiert: Der Schwank in 3 Akten von Busnach Deutsch von Max Schönau. Regie: Herrmann Werner. Anfang 7 ½ Uhr folgende Tage:

Theater des Westens. (Kantstr. 12. Bahn⸗ pef oologischer Garten.) Opern⸗Vorstellung unter 8 irektion von Heinrich Morwitz. Freitag: Gastspiel 1 Zum ersten Male: A Basso Porto. (Am Unteren Hafen.) Anfang

Sonnabend, Nachmittags 4 Uhr: Kinder⸗Vor⸗ stellung. Der Rattenfänger von Hameln. Abends 7 ½ Uhr: A Basso Porto. (Am Unteren Oper fen.) 1 Letztes Gastspiel des Herrn Heinrich -—5 Martha, oder: Der Markt zu Rich⸗ mond.

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Melanie von Schlicht mit Hrn. Afsistenzarzt 1. Kl. d. R. Max Jokisch (Rengers⸗ dorf O.⸗L.). Frl. Mimi Callenberg mit Hrn. Sec.⸗Lieut. Otto (Cassel).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Geh. Ob.⸗Finanz⸗ Rath Dr. von Glasenapp (Berlin). Hrn. Hilfs⸗Pred. Hischer (Breslau). Eine Tochter:

n. Ernst von Treuenfels (Möllenbeck). Hrn. Porft.Affef. Dunkelberg (Barsinghausen a. D.). Hrn. Prem.⸗Lieut. Petiscus (Torgau).

Gestorben: Fr. Forstmeister von Jonquidres, geb.

Bei von Hinüber (Frankfurt a. O.). Hr. Sec.⸗Lieut.

Erich von der Sode (Frauenmark). Hr. Lehrer

Ernst Zachen (Schöneberg).

frei bearbeitet.

Novelle

Gastspiel des oder: Eine Operette in

Freitag:

8 Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth

in Berlin.

Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32

Sieben Beilagen

(einschließlich Börsen⸗Beilage), und das Post⸗Blatt Nr. 3.

No 152.

zum Deut

Er st e Beila ge

eiger und Königlich Preußischen Sta

Berlin, Donnerstag, den 1. Juli

Berichte von deutschen Fruchtmärkten.

Qualität

Autßeroem wurden am

Durch⸗

gering

mittel

gut

Am vorigen

Markttage Markttage

(Spalte 1) nach über⸗

Ber⸗ schnitts⸗

Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner

kaufte preis Menge für 1 Doppel⸗

Schätzung verkauft

nie, höch. nie. böch⸗ drigster ster drigster ster

nie-.

drigster I

I

Doppel⸗ zentner (Preis

unbekannt)

höch⸗ Doppel⸗ zentner

Durchschnitts⸗ 8 preis

ster zentner

Insterburg Stargard bbb-. Bromberg. Limburg

fen. 52* Dinkelsbühl Schweinfurt Braunschweig. Breslau Neuß.

Insterburg. rankfurt a. O targard 11“ Bromberg. Limburg Neuß .. Dinkelsbühl Schweinfurt Braunschweig Breslau Neuß .

Limburg Breslau

Insterburg tbing . .. Frankfurt a. O. Stargard. Limburg Dinkelsbühl Schweinfurt Braunschweig Breslau

Neuß

"„ s uaaasa a2 2 2

1u““ 30. Juni Stolp, Paderborn:

1u““ Die verkaufte Menge wird auf volle Doppel sch nittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet. Ein liegender Strich r. in den Spalten für

p

Punkt (.) in den letzten sechs alten,

e 15,30

18,29 15,80 17,80 15,75 13,00 14,70 15,80

11,20 11,30 10,30

12,78 11,00 14,70 12,80 11,20 10,70 11,00

11,40

12,00 14,40 12,80 12,80 14,04

15,80 14,00 12,90

Keine Zufuhr.

Weizen.

15,20 15,00

15,60 18,42 15,80 17,90 15,95 13,40 15,10 15,80

Roggen.

11,00 11,40 11,40 10,40 10,90 13,19 11,00 15,00 13,00

10,90 11,00 Ger

1070 Haf

13,20 14,80

13,00 V

13,20 V

12,90

11,80 16,00 14,40 13,70 13,30

11,80

zentner und der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet mitgetheilt.

15,20 15,20

15,60 18,57 16,30 18,00 15,95 13,40 15,60 16,30

90 88.

0 o, bo S8gs. 995 9

11,00 11,40 11,60 10,40 10,90 13,33 11,50 15,20 13,00

11,10 11,50

st e.

12,60

e r.

13,20 13,20 14,80 13,40 12,90

11,80 16,30 14,40 13,70 13,40 12,80

80 * d0 o SS. 8885 999999 88

0 b0 b0

S8

Der Durch⸗

Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist; ein

daß entsprechender Bericht fehlt.

Herrenhau

8.

26. Sitzung vom 30. Juni 1897.

Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.

Auf der Tagesordnung steht die Berathung des Gesetz⸗ und Abänderung von

lungen und Vereine.

entwurfs zur Ergänzung

Bestimmungen über Versamm

Minister des Innern Freiherr von der Recke:

Meine Herren!

staatlichen Machtbefugnisse auf dem Gebiete des und sammlungswesens zu stärken, ist bei der ersten Berathung in diesem

Die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit, die Vereins⸗ und Ver⸗

hohen Hause mit solcher Einmüthigkeit zum Ausdruck gekommen,

heute davon absehen kann, das Bedürfniß dieser V Es wird meines Erachtens im wesentlichen se und auf welchem Wege Vollmachten zu geben sein nicht, daß nach ihrer Auf⸗ fassung es an sich am geeignetsten und richtigsten gewesen wäre, zu diesem Zwecke die Reichsgesetzgebung in Anspruch diesen Weg nicht eingeschlagen hat, so ist das in der w Seiten für zutreffend anzuerkennenden Erwägung ges unter den jetzigen Umständen zu einem befriedigenden Ergebniß nicht Die Königliche Staatsregierung ist also eigentlich gegen ihren Willen auf den Weg der Landesgesetzgebung gedrängt

näher zu erörtern.

nur noch darauf ankommen, in welcher Wei

der Staatsregierung diese gesetzlichen werden. Die Staatsregierung verhehlt

geführt haben würde.

worden.

Meine Herren, die Königliche Staatsregierung hält nach wie vor an der Auffassung fest, daß der von ihr betretene Weg des gemeinen Rechts auch in Betreff der Formulierung der Art. I und III

ihres Entwurfs den Vorzug verdient vor derjenigen Gestaltung, in der Kommission

in dieser Ansicht, die übrigens auch, wie ich annehme, von zahlreichen Mitgliedern dieses hohen Hauses grundsätzlich als richtig anerkannt wird, durch die bis⸗ herigen Ses en nicht erschüttert worden.

ung, der bereits bei Aufstellung der im Jahre 1894 dem Reichstage unterbreiteten Vorlage verlassen worden ist, gern ver⸗ meiden wollen, zumal es sich um ein Landesgesetz handelt. Königliche Staatsregierung kann auch nicht zugeben, daß die von ihr vorgeschlagene Formulierung zu Bedenken in der Richtung Ver⸗ daß dadurch Bestrebungen nicht gerichtet ist. in anderen Bundesstaaten,

welche die Vorlage durch die dieses hohen Hauses erhalten hat.

der Sondergesetzge

anlassung gebe, könnten, gegen welche die Vorlage mache darauf aufmerksam, daß auch

Berathung Sie ist

getroffen

orlage jetzt noch

zu nehmen. Wenn sie ohl von allen chehen, daß dieser Weg

Sie hat den Weg

daß ich

Die

werden

Ich

namentlich erst vor wenigen Jahren in der Freien Stadt Hamburg ähnliche Gesetze ergangen sind, welche sich auf dem Boden des gemeinen Rechts balten, obwohl sie in materieller Beziehung theil⸗ weise ungleich schärfere Bestimmungen aufstellen als die Vorlage.

Bei der dringenden Nothwendigkeit indessen, die Macht⸗ und Abwehr⸗ mittel des Staates zu verstärken, und da der Vorschlag der Kommission in seiner auf gewisse Bestrebungen beschränkten Fassung das trifft und kennzeichnet, was auch nach der Tendenz der Regierungsvorlage im wesentlichen getroffen werden sollte, hält die Königliche Staats⸗ regierung sich verpflichtet, die oben bezeichneten Bedenken zurücktreten zu lassen. (Bravo!) Sie hofft, auf diese Weise eher eine Einigung der beiden Häuser des Landtages zur Auf⸗ richtung festerer Bollwerke für die Sicherheit des Staates und der gesellschaftlichen Ordnung gegen die Umsturzbestrebungen herbeiführen zu können. Diese sind es, welche getroffen werden sollen, während es keineswegs in der Absicht liegt, den berechtigten Be⸗ strebungen der Arbeiter zur Besserung ihrer sozialen Lage entgegen⸗ zutreten. Wenn daher das hohe Haus dem Vorschlage seiner Kom⸗ mission beitritt, so ist die Königliche Staatsregierung bereit, die also gestaltete Vorlage im anderen Hause zur Annahme zu empfehlen. (Lebhaftes Bravo.)

Graf von Hohenthal: Unsere E—,— sich so eingelebt bis in die ungebildeten Klassen hinein, daß niemand daran denkt, daß ein Verfassungsbruch beabsichtigt ist. Es schien eine Zeit lang so in dem Anfang der sechziger Jahre, aber nach Beilegung der Differenzen über das Militärbudget ist jede Gefahr beseitigt worden; man ist wieder in die alten Bahnen eingelenkt. Eine Ver⸗ fassungsänderung wird als nothwendig bezeichnet. Das Bereaeasgeseh schließt Schüler und Frauen aus von den Versammlungen. Aber i glaube nicht, daß die Verfassung minderjährigen Personen das

Vereins⸗ und Versammlungsrecht geben wollte. Das hätte expressis verbis darin stehen müssen. Wenigstens interpretierte Fürst Bismarck

die Verfassung immer in diesem Sinne.

Justiz⸗Minister Sch önstedt:

Meine Herren! Die von dem Herrn Vorredner Grafen von Hohenthal aufgeworfene Frage, ob das vorliegende Gesetz eine Aende⸗ rung der preußischen Verfassung enthalte, ist nach Ansicht der König⸗ lichen Regierung zweifellos zu beiahen; sie war zu bejahen nach der Fassung der Regierungsvorlage, sie ist in noch höherem Maße zu bejahen in der Fassung, die der Entwurf in der Kommission dieses hohen Hauses bekommen hat. Es kommen zwei Artikel der preußischen Verfassungs⸗ urkunde in Frage, die Artikel 29 und 30. Der Artikel 29 gewährt allen Preußen das Recht, sich ohne vorgängige obrigkeit⸗ liche Erlaubniß friedlich und ohne Waffen in eeschlosse⸗

nen Räumen zu versammeln. Der zweite Absatz macht

eine Ausnahme für Versammlungen unter freiem Himmel. Der Artikel 30 giebt allen Preußen das Recht, sich zu solchen Zwecken, welche den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, in Gesellschaften zu vereinigen. Dieser Artikel 30 bestimmt dann weiter: Das Gesetz regelt, insbesondere zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherhert, die Ausübung des in diesem und in dem vorstehenden Artikel (29) gewährleisteten Rechts.

Politische Vereine können Beschränkungen und vorüber⸗ gehenden Verboten im Wege der Gesetzgebung unterworfen werden.

Meine Herren, diese Ausnahmebestimmung im 3. Absatz des

Art. 30 ist diejenige, auf der die Zulässigkeit der Bestimmung des Vereinsgesetzes von 1850 beruhte, welche Frauenspersonen, Schüler und Lehrlinge ausschloß von Versammlungen, aber nicht von Ver⸗ sammlungen allgemein, sondern von Versammlungen politischer Ver⸗ eine. Also innerhalb dieses Rahmens der Beschränkungen auf Ver⸗ sammlungen politischer Vereine bewegt sich die Bestimmung des Vereinsgesetzes von 1850. Das gegenwärtige Gesetz geht aber erheblich weiter; es will ausschließen Minderjährige von allen politischen Versammlungen, nicht nur von Ver⸗ sammlungen, die von politischen Vereinen veranstaltet werden, und insoweit geht es über die Bestimmung der Verfassung hinaus. Man kann allerdings sagen, daß bei Erlaß der Verfassung nicht daran ge⸗ dacht worden wäre, unmündige Kinder zu öffentlichen Versammlungen zuzulassen. (Widerspruch.) Ja, meine Herren, gewisse Beschränkungen ergeben sich ja aus der Natur der Dinge von selbst; man wird nicht Säuglinge in öffentliche Versammlungen bringen und Schulkinder; wenn sie aber dennoch hineingebracht würden von der Mutter, so würde das einen Grund zur Auflösung einer solchen Versammlung nicht abgeben, so lange damitenicht eine öffentliche Störung verbun⸗ den wäre. (Heiterkeit.) Aber, meine Herren, wir müssen rechnen mit denjenigen Altersklassen, die schon eine gewisse Selbständigkeit im praktischen Leben erlangt haben, ohne daß ihnen auf dem Gebiete des Privatrechts die vollen Dispositionsrechte eingerͤaumt sind. Wir können nicht ohne weiteres die Bestimmungen, die auf dem privat⸗ rechtlichen Gebiet gelten, auf das Gebiet des öffentlichen Rechts aus⸗ dehnen, und wir können nicht sagen, daß unter allen Preußen, von denen die Artikel der Verfassung sprechen, nur diejenigen Preußen zu verstehen sind, die schon auf privatrechtlichem Gebiete durch Er⸗ reichung der Großjährigkeit ihre volle Verfügungsfähigkeit erlangt hätten. Daraus erhellt nach Auffassung der Königlichen Staats⸗ regierung, der ja bis dahin im hohen Hause kaum wider⸗ sprochen ist, allerdings, daß schon die Regierungsvorlage, indem sie die Minderjährigen von allen politischen Versammlungen ausschließen will, eine Abänderung der Verfassung enthält; daß aber die weiter⸗ gehenden Vorschriften, die jetzt nach den Beschlüssen der Kommission in das Gesetz hineingebracht werden sollen, eine Beschränkung der ver⸗ fassungsrechtlichen Befugnisse der preußischen Staatsbürger enthalten, darüber wird ein Zweifel nicht bestehen.

Die Streitfrage, die im übrigen im Laufe der Diskussion sowohl im anderen Hause wie hier angeregt worden ist, richtet sich wesentlich auf einen anderen Punkt, nämlich darauf, in welchen Formen die Verfassungsänderung zum gesetzlichen Ausdruck zu bringen sei: ob es einer vorhergehenden Aenderung der Verfassung bedürfe; ob, wenn diese Frage zu verneinen, es wenigstens im Gesetz auszusprechen sei, welche Artikel der Verfassung und wie weit sie durch das Gesetz geändert werden sollen; oder ob stillschweigend eine Aenderung der Verfassungsbestimmungen dadurch herbeigeführt werden könne, daß für dies Gesetz die für die Verfassungsänderungen vorgeschriebenen Vorschriften beobachtet würden. Ich habe schon bei einer früheren Veranlassung Gelegenheit gehabt, zu erklären oder es ist mein Kollege, der Herr Minister des Innern gewesen —, daß die Staatsregierung den letzten Weg für gangbar erachtet hat. Ich kann diese Erklärung heute nur wieder⸗ holen, darf aber wohl die Gelegenheit benutzen, auf die Frage etwas näher einzugehen. Es ist dem hohen Hause ebenso wie mir wohl bekannt, daß die Meinungen unserer Staatsrechtslehrer darüber, in welchen Formen sich Verfassungsänderungen zu vollziehen haben, auseinandergehen. Es giebt eine strenge Richtung, die dahin geht, es könne überhaupt kein Sondergesetz erlassen werden im Widerspruch mit der Verfassung, ohne daß eine Aenderung der Verfassung voraus⸗ gehe. Meine Herren, ich kann, glaube ich, behaupten, daß diese strenge Ansicht doch nur einen kleinen Kreis von Anhängern hat, und daß sie in der maßgebenden Praxis der gesetzgebenden Körperschaften sowohl Preußens wie des Deutschen Reichs eine Unterstützung nicht findet. Es ist eine ganze Reihe von Gesetzen erlassen worden ich darf mich zunächst auf Preußen beschränken —, in denen eine solche Nothwendig⸗ keit nicht anerkannt ist, in denen vielmehr nur gesagt worden ist: die Bestimmungen der Verfassungsurkunde, soweit sie dem neuen Gesetz entgegenstehen, werden aufgehoben oder treten außer Kraft. Eine solche Anerkennung durch die gesetzgebenden Faktoren hat eine ausschlaggebende Bedeutung für sich in Anspruch zu nehmen, und ihr gegenüber müssen die theoretischen Ansichten der Staatsrechtslehrer verstummen. Meine Herren, man ist aber in unserer Gesetzgebung weiter gegangen; man hat es in vielen Fällen nicht für nothwendig erachtet, einen solchen ausdrücklichen Hinweis aufzunehmen, daß das Gesetz eine Verfassungs⸗ änderung enthalte, und daß die entgegenstehenden Bestimmungen der Verfassung dementsprechend aufgehoben oder verändert werden sollen. Ich habe im Abgeordnetenhause auf die Einführung der norddeutschen Bundesverfassung aufmerkfam gemacht. Meine Herren, das war die größte Verfassungsänderung, die Preußen erlebt hat; es wurden die bedeutungsvollsten Rechte der preußischen Staatshoheit, der preußischen Krone und der Landesvertretungen preisgegeben an die neugebildeten gesetzgebenden Faktoren des Deutschen Reichs. Damals, meine Herren, ist es nicht für nothwendig erachtet worden, ausdrücklich zu bestimmen, welche Vorschriften der preußischen Verfassung nunmehr als durch die norddeutsche Bundesverfassung aufgehoben anzusehen wären. Der Vertreter dieser Auffassung, der die beiden Häuser des Landtages damals sich angeschlossen hatten, war der Abg. Twesten, von dem

gewiß niemand behaupten wird, daß er auf einem vorgeschrittenen