Der Erlös aus dem Verkaufe des jetzt für den Botanischen Garten in Berlin benutzten Grundstücks ist mittels Anrechnung auf die der Staatsregierung bewilligten offen stehenden Kredite ur Tilgung von Staatsschulden uͤber das anderweit plan⸗ mäßig oder durch bestehende 824 bestimmte Maß hinaus zu erwenden und ist dem Landtage darüber Bericht zu tatten. Die Staatsregierung wird ermächtigt:
1) für den Ankauf der in dem 8 1 zu 2 bezeichneten Grundstücke 315 000 ℳ und 245 000 ℳ,
2) zum Neubau des Hauptgebäudes des Instituts für Infektionskrankheiten 475 000 ℳ,
3) zum Neubau eines Kochküchengebäudes, sowie eines Maschinen⸗ und Werkstättengebäudes der Charité einschließlich der Einrichtung mit Kesseln und Ma⸗
sscchinen 659 000 ℳ,
4) für die Herstellung eines Sammlungsgebäudes des pathologischen Instituts den Restbetrag von 292 000 ℳ
5) für den Neubau nachbenannter Gebäude der Charité, und zwar: einer Kapelle 68 000 ℳ, eines Pförtner⸗ und Stallgebäudes 14 500 ℳ einer Baracke der Augenklinik 70 000 ℳ und einer Baracke der geburtshilflich⸗gynäkologischen “ Klinik 69 700 ℳ, 6) zur Regulierung des Terrains und Herstellung der gaärtnerischen Anlagen für den auf der Domäne Dahlem anzulegenden Botanischen Garten 915 800 ℳ, zur Errichtung eines Wirthschaftsgebäudes für den Botanischen Garten (Nr. 6) 54 000 ℳ, 8) zur Herstellung von Ersatzbauten, welche für die Domäne Dahlem durch die dortige Einrichtung eines Botanischen Gartens erforderlich werden, 31 996 ℳ zu verwenden.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel.
Gegeben an Bord M. Y. „Hohenzollern“, Kaiser Wilhelm⸗ Kanal, den 26. Juni 1897 8
(L. S.) Wilhelm. Fürst zu Hohenlohe. von Boetticher. von Miquel. Tvhielen. Bosse. Freiherr von Hammerstein. Freiherr von der Recke. Brefeld. von Goßler.
Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten.
Die bisherigen Hilfs⸗Bibliothekare an der Königlichen Bibliothek zu Berlin Dr. Wilhelm Hutecker, Dr. Erich Below und Dr. Richard Fick sind zu Bibliothekaren an derselben Bibliothek,
der bisherige EETETT1. an der Königlichen Universitäts⸗Bibliothek zu Berlin Dr. Friedrich Milkau ist zum Bibliothekar an derselben Bibliothek, dder bisherige Hilfs⸗Bibliothekar an der Königlichen Bibliothek zu Berlin Dr. Walter Meyer zum Bibliothekar en her ö“ und Universitäts⸗Bibliothek zu Königsberg .Pr., un
der visherige Hilfs⸗Bibliothekar Dr. Walther Wisch⸗ maonn zu Breslau zum Bibliothekar an der Königlichen Universitäts⸗Bibliothek zu Kiel ernannt worden. 3
“
Justiz⸗Ministerium.
Die Gerichts⸗Assessoren Johann Niesen in Köln und Peter Lanser in Bonn sind zu Notaren für den Bezirk des Ober⸗Landesgerichts zu Köln, mit Anweisung ihres Wohnsitzes in Bitburg bezw. Niederbreisig, ernannt worden.
Hauptverwaltung der Staatsschulden
Bekanntmachung.
Bei der heute öffentlich in Gegenwart eines Notars be⸗ wirkten Verloosung der Prioritäts⸗Obligationen III. Serie, 8 III. Serie Litt. B und III. Serie Litt. C 1. und 2. Emission der Bergisch⸗Märkischen Eisenbahngesellschaft sind die in der Anlage verzeichneten Nummern gezogen worden.
Dieselben werden den Besitzern zum 1. Januar 1898 mit der Aufforderung gekündigt, die in den ausgeloosten Nummern verschriebenen Kapitalbeträge
vom 3. Januar 1898 ab egen Quittung und Rückgabe der Obligationen bei der Staats⸗ schulden⸗Tilgungskasse in Berlin, Taubenstraße Nr. 29, zu er⸗ heben. Dabei sind: a. mit den Obligationen III. Serie die Zins⸗ scheine Reihe V Nr. 3 bis 20, mit den Obligationen III. Serie Litt. B. ddie Zinsscheine Reihe IV Nr. 12 bis 20, ec. mit den Obligationen III. Serie Litt. C. 1. und 2. Emission die Zinsscheine Reihe III Nr. 15 bis 20 nebst Anweisungen für die nächsten Reihen gbG mit abzuliefern. ie Zahlung erfolgt von 9 Uhr Vormittags bis 1 Uhr Nachmittags, mit Ausschluß der Sonn⸗ und Festtage und der letzten drei Fscafta e jeden Monats.
Die Einlösung geschieht auch bei den Regierungs⸗Hauptkassen und in Frankfurt a. M. bei der Kreiskasse. Zu diesem Zwecke können die Effekten einer dieser Kassen schon vom 1. Dezember 1897 ab eingereicht werden, welche sie der Staatsschulden⸗ Tilgungskasse zur Prüfung vorzulegen hat und nach erfolgter Feststellung die Auszahlung vom 3. Januar 1898 ab bewirkt.
Der Betrag der etwa fehlenden Zinsscheine wird vom Kapital zurückbehalten.
Mit dem 31. Dezember d. J. hört die Verzinsung der verloosten Obligationen auf.
Zugleich werden die bereits früher ausgeloosten, auf der Anlage verzeichneten, noch rückständigen Obligationen wieder⸗ holt und mit dem Bemerken aufgerufen, daß die Verzinsung derselben mit dem 31. Dezember des Jahres ihrer Verloosung aufgehört hat, und daß jeder Anspruch aus ihnen erlischt, wenn sie zehn Jahre lang alljährlich einmal öffentlich auf⸗ gerufen und dessen ungeachtet nicht spätestens binnen Jahres⸗ frist nach dem letzten öffentlichen Aufruf zur Einlösung vor⸗ gelegt sein werden. v“ “
Die Staatsschulden⸗Tilgungskasse kann sich Schriftwechsel mit den Inhabern der Obligationen über die Zahlungsleistung nicht einlassen.
Formulare oben gedachten Kassen unentgeltlich verabfolgt. I“
Berlin, den 1. Juli 1897. .
Hauptverwaltung der Staatsschulden. von Hoffmann.
Bekanntmachung.
Der Simon Schropp'schen sos varbeeseec 2. Neumann hier, Jägerstraße 61, sind von den Abhandlungen zur geologischen Spezialkarte von Preußen und den thüringischen Staaten Neue Folge Heft 21: Die floristische Gliederung des deutschen 15 und Perm, von Dr. Potonié, zum Preise von Neue Folge Heft 22: Das schlesisch⸗sudetische Erdbeben vom 11. Juni 1895, vom Landes⸗Geologen Dr. Dathe, zum Preise von 8,00 ℳ, Neue Folge Heft 23: Ueber die seiner Zeit von Unger be⸗ sscchriebenen strukturbietenden Pflanzenreste des Unterculm von Saalfeld in Thüringen, mit 5 Tafeln, von Herrn Grafen zu Solms⸗Laubach, zum Preise von 6,00 ℳ, und die Geologische Uebersichtskarte des Thüringer Waldes im Maßstabe von 1::100 000, zusammengestellt vom Landes⸗Geologen, Professor Dr. Beyschlag, zum Preise von 16 ℳ, zum Vertriebe übergeben worden.
Berlin, den 30. Juni 1897. Die Direktion G“ der Königlichen Geologischen Landes⸗Anstalt und Berg⸗Akademie. Hauchecorne.
“ 1u““ Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer der „Gesetz⸗Sammlung“ enthält unter Nr. 9920 das Gesetz, betreffend die Tagegelder und Reise⸗ kosten der Staatsbeamten, vom 21. Juni 1897; unter Nr. 9921 das Gesetz, betreffend die Fischerei der Ufer⸗ eigenthümer und die Koppelfischerei in der Prodinz Hannover, vom 26. Juni 1897; und unter Nr. 9922 das Gesetz, betreffend das Charitékrankenhaus und den Botanischen Garten in Berlin, vom 26. Juni 1897. Berlin W., den 9. Juli 1897. Königliches Gesetz⸗Sammlungs⸗Amt. . Weberstedt.
Bekanntmachung. 4
L
Nach Vorschrift des Gesetzes vom 10. April 1872 (Gesetz⸗Samml. S. 357) sind bekannt gemacht: 1) der Allerhöchste Erlaß vom 13. Januar 1897, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Firma Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer u. Comp. zu Elberfeld zur Entziehung und zur dauernden Beschränkung des zum Bau und Betrieb einer Klein⸗ bahn von Mülheim am Rhein nach Leverkusen in Anspruch zu nehmenden Grundeigenthums, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Düsseldorf Nr. 24 S. 217, ausgegeben am 19. Juni 1897;
2) der Allerhöchste Erlaß vom 14. April 1897, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an den Rittergutsbesitzer Freise zu Magdeburg zur Entziehung und zur dauernden Beschränkung des zur Verlängerung seiner Kleinbahn vom Bahnhof Goldbeck der Eisenbahn Stendal — Wittenberge nach Giesenslage bis zur Elbe bei Werben in Anspruch zu nehmenden Grundeigenthums. durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Magdeburg Nr. 22 S. 195, ausgegeben am 29. Mai 1897. 8
Abgereist:
Seine Excellenz der Staats⸗Minister und Ministe öffentlichen Arbeiten Thielen, nach Elberfeld. 1
Nichtamtliches. Deutsches Reich.
1 Preußen. Berlin, 9. Juli.
Der Ausschuß des Bundesraths für Handel und Ver⸗ kehr hielt gestern eine Sitzung. .
Laut Mittheilung der Pforte sind die beiden Leucht⸗ feuer von Kap St. John (Kreta), welche aus Anlaß des griechisch⸗tüͤrkischen Krieges gelöscht worden waren, mit dem 24. v. M. wieder in Thätigkeit getreten. “
Der hiesige Königlich bayerische Gesandte Graf von Lerchenfeld⸗Köfering hat Berlin mit längerem Urlaub verlassen. Während seiner Abwesenheit fungiert der Legations⸗ Rath Freiherr von und zu Guttenberg als Geschäftsträger.
Dem Regierungs⸗Assessor von Alvensleben zu Minden ist die kommissarische Verwaltung des Landrathsamtes im Kreise Gardelegen übertragen worden.
Der Regierungs⸗Assessor C. Behrend zu Landsberg a. W. ist der Königlichen Regierung in Gumbinnen und der Regierungs⸗Assessor Dietz zu Königsberg i. Pr. der König⸗ lichen Regierung zu Lüneburg zur weiteren dienstlichen Ver⸗ wendung überwiesen worden.
Der Regierungs⸗Assessor von Bülow in Berlin ist dem Landrath des Kreises Gerdauen, der Regierungs⸗Assessor Roß⸗ mann, zur Zeit in Jüterbog, von Anfang August d. J. ab dem Landrath des Kreises Lyck, der Regierungs⸗Assessor von Putt⸗ kamer zu Mühlhausen i. Th. dem Landrath des Kreises Landsberg a. W. und der Regierungs⸗Assessor Süs zu Berlin dem Landrath des Kreises Weißenfels zur Hlsfeleistung zu⸗ getheilt worden. 1 1—
in einen
zu den Quittungen werden von aa d.
Kiel, 8. Juli. Für die diesjährigen Haupt⸗ und Schlußmanöver der Flotte ist, nach der „Nord⸗Ostsee⸗ Zeitung“, folgender Plan entworfen: Die Formierung der Herbst⸗Uebungsflotte wird Mitte August in Neufahrwasser erfolgen. Der kommandierende Admiral, Admiral von Knorr schifft sich und seinen Stab auf dem Schulschiff „Blücher“ ein. Die Geschäfte des Chefs des Flottenstabes übernimmt Kontre⸗Admiral Barandon. Der Flottenstab wird aus zum Stabe des Oberkommandos der Marine kommandierten Seeoffizieren gebildet. Zur Dis⸗ position des Flotten⸗Chefs werden folgende Kriegs⸗ fahrzeuge gehalten, die außerdem in den Aufklärungs⸗ gruppen Verwendung finden: 1) die beiden Stamm⸗ schiffe der Reserve⸗Division der Ostsee, die Panzerschiffe der IV. Klasse „Hagen“ und „Aegir“; 2) der Kreuzer III. Klasse „Gefion“; 3) die Avisos „Blitz“, „Jagd“, „Greif“ und voraussichtlich die Fregatten „Stein“ und „Charlotte“. In der I. Division des I. Geschwaders werden sich befinden: die Panzerschiffe I. Klasse „Kurfürst Friedrich Wilhelm“ (als Flaggschiff), „Brandenburg“, „Weißen⸗ burg“ und „Wörth“. n der II. Divison werden sich be⸗ finden: der Kreuzer I. Klasse „König Wilhelm“ als Flagg⸗ schiff, die Panzerschiffe III. Klasse „Sachsen“ und „Württem⸗ berg.’ — Das II. Geschwader wird sich aus der Reserve⸗ Division „Danzig“ zusammensetzen. Die Res erve⸗Division der Nordsee wird einem Kontre⸗Admiral als Divisions⸗Chef unterstellt. In der Division werden sich befinden: die Panzerschiffe IV. Klasse „Hildebrand“ als Flaggschiff, „Frithjof“, „Siegfried“ und „Beowulf“. In der Reserve⸗ Division „Danzig“ werden sich befinden: die Panzer⸗ kanonenboote „Mücke“, „Natter“, „Scorpion“ und „Crocodill“. Diesen Verbänden werden außerdem zwei Torpedo⸗ boots⸗Flottillen zugetheilt werden, von denen die erstere bereits am 12. April formiert worden ist, während die zweite aus im Dienst befindlichen Reserve⸗Divisionen formiert werden wird. Jede der Flottillen wird sich aus einem D⸗Boot als Flottillenfahrzeug, aus zwei ferneren D⸗Booten als Divi⸗ sionsbooten und aus je zwölf Torpedo⸗S⸗Booten zusammen⸗ setzen, sodaß sich in den beiden Flottillen 6 D⸗Boote mit 24 S-Booten befinden werden.
Baden. 1
Die am 7. d. M. erschienene Nummer 13 des „Gesetzes⸗ und Verordnungsblattes“ enthält eine Verordnung des Ministeriums des Großherzoglichen Feuseh und der aus⸗ wärtigen Angelegenheiten vom 1. d. M. über die Organi⸗ sation der Großherzoglichen Hofverwaltung. Nach dieser Verordnung wird die Verwaltung des Hof⸗Forst⸗ und Jagdwesens der Zivilliste aus dem Geschäftskreis der General⸗Intendanz der Großherzoglichen Zivilliste aus⸗ geschieden und einer Ober⸗Hofstelle mit der Be⸗ nennung „Großherzogliches Hof⸗Ober⸗Forst⸗ und Jagdamt“ übertragen. Dieses besorgt in unmittelbarer Erledigung die bisherigen dienstlichen Aufgaben des Groß⸗ herzoglichen Hof⸗Forst⸗ und Jagdamts in Karlsruhe. Ferner wird für die Fuͤhrung der Allerhöchsten Handkasse und die Verwaltungen des Privatvermögens der Großherzoglichen Familie eine besondere Hofstelle unter dem Namen „Groß⸗ herzogliches 11““ errichtet, welche dem Präsidenten der General⸗Intendanz der Großherzoglichen Zivil⸗ liste unmittelbar untergeben ist.
“ Mecklenburg⸗Schwerin.
Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Sachsen hat, den „Meckl. Nachr.“ zufolge, heute Schwerin verlassen und sich zunächst nach Pillnitz begeben, um Seiner Majestät dem König von Sachsen einen Besuch abzustatten.
Oesterreich⸗Ungarn.
Der Fürst⸗Erzbischof von Görz Dr. Zorn, ist gestern in Wien am Herzschlag gestorben.
Die Stadtvertretung von Elbogen und die Ge⸗ meinde⸗Vorsteher in dem Gerichtsbezirk Bensen haben die Einstellung der Arbeiten in dem ihnen von der Regierung übertragenen Wirkungskreise beschlossen.
Das „Fremdenblatt“ vom heutigen Tage schreibt: „Wir sind auf Grund der uns zugehenden Informationen in die Lage versetzt, mittheilen zu müssen, daß Ausgleichskonferenzen wenigstens für die nächste Zeit nicht in Aussicht stehen. Es ist richtig, daß verschiedene Anknüpfungsversuche unternommen wurden, um die Parteien zu einer Auseinandersetzung zu bestimmen. In den letzten Tagen wurde dieser Versuch in einer anderen unter Zustimmung des Minister⸗Präsidenten Grafen Badeni unternommen, indem man außerparlamen⸗ tarische Persönlichkeiten aus Konferenz gewinnen wollte, und es haben thatsächlich in deutschen Kreisen, an die man sich zunächst wandte, einige hervortretende Persönlichkeiten ihre Bereitwilligkeit, an der⸗ artigen Besprechungen theilzunehmen, erklärt, jedoch die ge stimmung der Parteileitung als Vorbedingung gestellt. In allen den bezeichneten Fällen scheiterten diese Verständigungs⸗ versuche an der entschieden ablehnenden Haltung der deutschen Parteileitung.“
Im ungarischen Unterhause beantwortete gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, der Minister des Innern Perczel eine Interpellation des Abgeordneten Eötvös wegen der gelegentlich des Gastspiels der deutschen Schauspieler in Buda⸗ pest vorgekommenen Ruhestörungen. Der Minister erklärte⸗ die Polizei habe in Erfahrung gebracht, daß anläßlich des Fentschen Gastspiel⸗Cyclus gewisse Kreise den Vorsaß gefaßt hätten, dieses Gastspiel zu verhindern, und da sie ihren Vorsatz am ersten Abend nicht hätten erreichen können, hätten sie für den zweiten Abend noch größere Skandale ge⸗ plant. Der Polizei⸗Chef habe daraufhin die Verfügung getroffen, etwaigen Skandalen vorzubeugen. Daß Polizei in ungewöhrn⸗ lichem Maße aufgeboten worden sei, daß ferner die Polizei das Publikum mit roher Gewalt verhindert habe, Beifall oder Mißfallen zu äußern, davon habe der Minister keine Kenntniß, wohl aber davon, daß nur ein ganz kleiner Theil des Publikums mit festen Vorsatz ins Theater gekommen sei, die Vorstellung zu vereiteln. Die Polizei habe gegen die Lärmmacher keine Gewalt angewandt, wohl aber habe das Publikum selbst in seinem Unmuth gegen die Lärmmacher gewandt. Die letzteren hätten im Theaterraum Kapseln umhergeworfen, welche einen üblen Geruch verbreitet hätten, und auf die Schiene
beiden Lagern für eine
Neltrischen Bahn Explosionsstoffe gelegt, wodurch zwei Per⸗ —— verwundet worden seien. Endlich habe jemand an die Feuerwehr eine falsche Feuermeldung telephoniert, sodaß die euerwehr ausgerückt sei. Man werde unter solchen Um⸗ händen der Polizei sicherlich Recht geben und jenes unreife, unqualifizierbare orgehen verurtheilen. Die Polizei habe die Lärmmacher zur Ruhe ermahnt und, als diese Ermahnungen nichts genutzt hätten, dieselben hinausgeführt und in Ge⸗ wahrsam genommen. Es seien 23 Personen festgenommen worden, von denen 21 verurtheilt worden seien. Er (der Minister) habe sich überzeugt, daß keine Un⸗ gerechtigkeit vorgekommen sei, sondern daß einfach ein von 90 Prozent der Budapester Bevölkerung verurtheilter Skandal gesetzlich geahndet worden sei, und daß die Polizei nur ihre Pflicht erfüllt habe. Er erblicke keine Nothwendigkeit für ein weiteres Vorgehen. Der Ahg. Eötvös erklärte: er könne die Antwort des Ministers nicht zur Kenntniß nehmen. Die Polizei habe die Schauspieler nur darum in Schutz genommen, weil sie Deutsche gewesen seien. Wenn die Polizei wirklich nur die Ordnung habe aufrecht erhalten wollen, warum habe sie dann niemand von denen verhaftet, welche für die Schauspieler demonstriert hätten? Den Feuerlärm, die unan⸗ genehmen Gerüche und die Explosionsstoffe habe die Polizei erst später entdeckt; in der Nacht der Demonstration habe die Polizei nichts davon gewußt, woraus hervorgehe, daß die Polizei nicht wegen dieser Vorfälle eingeschritten sei. Der Minister des Innern Perczel erwiderte: der Abgeordnete Eötvös scheine das Polizeigesetz nicht zu kennen oder dasselbe vergessen zu haben. Die Zeit sei vorüber, in der man seinen Patriotismus mit der Verfolgung der deutschen Sprache bethätigen müsse. Jede Nation gestatte gern fremden Künstlern Eintritt in ihr Land, und gerade die ungarischen Künstler seien in der ganzen Welt verbreitet und würden überall gern gesehen. Niemandem im Auslande falle es ein, dagegen Einwendungen zu erheben. Er bitte das Haus, seine Antwort zur Kenntniß zu nehmen. Die Antwort des Ministers wurde darauf mit überwiegender Mehrheit zur Kenntniß genommen.
Großbritannien und Irland.
Die Prinzessin Heinrich von Preußen hat gestern die Rückreise von London nach Deutschland angetreten.
In der gestrigen Sitzung des Untgrhauses erklärte der Parlaments⸗Sekretär des Auswärtigen Curzon: ein Ab⸗ kommen zwischen dem König Menelik von Abessynien und der britischen Regierung sei am 14. Mai unterzeichnet worden; von einer Absicht Menelik's, eine Mission nach England zu senden, habe er jedoch nichts gehört. Der Staatssekretär für die Kolonien Chamberlain theilte mit: es sei beschlossen worden, daß die Unterredungen mit den Premier⸗Ministern der Kolonien vertraulich sein sollten; er könne daher noch nicht sagen, welche Fragen besprochen worden seien. Der Erste Lord des Schatz⸗ amts Balfour sprach die Hoffnung aus, daß der Posten „Auswärtiges Amt“ am 19. Juli werde zur Berathung kommen können. Das Haus genehmigte sodann die dritte Lesung der Bill, durch welche die Anwendung des metrischen Systems für Maße und Gewichte gestattet wird. “
Frankreich.
In der Deputirtenkammer richtete gestern der Deputirte Boyer eine Anfrage an die Regierung über die Ereignisse im Orient. Der Minister des Auswärtigen
anotaux schlug vor, zunächst das Erscheinen des Gelbbuches ber die Vorgänge auf Kreta und die Verhandlungen bezüg⸗ lich des griechisch⸗türkischen Krieges abzuwarten. Das Gelb⸗ uch werde am nächsten Montag oder Dienstag in der ammer zur Vertheilung gelangen. Der Deputirte Boyer eantragte, die Diskussion für Sonnabend auf die Tages⸗ rdnung zu setzen. Auf Wunsch des Minister⸗Präsidenten Méline und des Ministers des Auswärtigen Hanotaux beschloß jedoch die Kammer mit 314 gegen 205 Stimmen, en Tag für die Diskussion erst nach dem Erscheinen des Gelbbuches festzusetzen. 8
Rußland. 8 Gestern feierte, wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg be⸗
richtet, das Wiborgsche Infanterie⸗Regiment, dessen
Chef Seine Majestät der Deutsche Kaiser ist, sein Regiments⸗ Stiftungsfest. Dem Festgottesdienst wohnten der deutsche Botschafter Fürst von Radolin sowie der Militär⸗ Attache, Major Lauenstein bei. Die Parade fand in der Reitbahn der Garde⸗Artillerie statt; in dem prachtvoll dekorierten Raum hatte neben der Büste des Kaisers Nikolaus auch die dem Wiborgschen Regiment von dem preußischen Ulanen⸗Regiment Kaiser Alexander III. (Westpreußisches Nr. 1) zum Geschenk gemachte Bronzebüste Kaiser Wilhelm's II. Auffellung gefunden. Bei dem darauf folgenden Frühstück brachte der General Rehbinder ein Hoch auf Ihre Majestäten den Kaiser Nikolaus und den Kaiser Wilhelm aus, worauf Fürst von Radolin die Grüße und Glückwünsche des Hohen Regiments⸗Chefs übermittelte und ein Hoch auf das Regiment ausbrachte. 1
Der Kronprinz von Siam ist gestern in Moskau eingetroffen und am Bahnhof von dem König von Siam,
dem Großfürsten Sergius sowie den Spitzen der Behörden
empfangen worden. Italien.
Der Fürst Ferdinand von Bulgarien ist, begleitet von dem Minister⸗Präsidenten Stoilow, heute Vormittag in Rom eingetroffen.
Der Senat berieth gestern das Budget des Kultus⸗ Ministeriums. Der Kultus⸗Minister Costa führte, dem „W. T. B.“ zufolge, in Erwiderung auf emerkungen mehrerer Redner, welche die Feeeenengen Italiens zum Vatikan erörtert hatten, aus: er könne nicht sagen, daß die Regierung sich jemals einer Täuschung hingegeben habe, sei es in Bezug auf Versuche zu einer Verständigung, sei es hinsichtlich der Ergreifung von Revpressalien. Das Bestreben der Regierung gehe dahin, nach und nach eine Lage zu schaffen, welche gestatte, die betreffenden Fragen zu exörtern und ein unantastbares Bewußtsein der Rechte des Staates herbeizuführen. Die Regierung wisse, daß es in ihrem Interesse liege, gesetzlich und unparteiisch vorzugehen. „Wir find die Sieger“, sagte der Minister, „die Anderen die Besiegten; uns ziemt es daher nicht in die Fehler der Tyrannei 8 ver⸗ fallen, sondern Mäßigung ist unsere strengste Pflicht. Es handelt sich um Fragen, die sich nur mit der Zeit lösen lassen und die nur sehr langsam zur Entwickelung gelangen; deshalb ist es heute nicht am Platze, dem Parlament ein Gesetz über das kirchliche Eigenth um vorzulegen.“ Indem
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man, fuhr der Minister fort, dies abwarte, müsse man an⸗ erkennen, daß die gegenwärtige Regierung viel gethan habe, um auf diesen Zustand hinzuarbeiten, und es sei schon etwas, 8 die Beziehungen ihren regelmäßigen Gang nähmen, ohne daß irgend welche Klagen erhoben würden.
Der „Osservatore Romano“ veröffentlicht ein Schreiben des apostolischen Delegaten in Konstantinopel Bonnetti an den Papst, worin er dem Papste für sein Mitgefühl für die Christen im Orient, sowohl die Katholiken wie die Nicht⸗ katholiken, dankt und erklärt, er werde fortfahren, sich diesen Gefühlen anzuschließen.
Türkei. erfährt die „Agence Havas“, daß die Admirale infolge des Zwischenfalles bei Platania am 6. d. M. 8 Nr. 156 und 1 d. Bl.) beschlossen hätten, ihr Verhalten zu ändern. Sie hätten die Annahme der Entschuldigungen der Aufständischen mit der Begründung verweigert, daß eine Verwechselung der italienischen, österreichischen und Parlamentärflagge mit der türkischen Flagge nicht möglich sei. Von jetzt an würden sie auch stärkere Abtheilungen mit d-; abschicken, ohne die Aufständischen vorher davon zu benachrichtigen; jedem Angriff der Auf⸗ ständischen werde sofort auf das entschiedenste entgegengetreten und die Schuldigen würden festgenommen und bestraft werden.
Die „Times“ meldet aus Kanea: Die Mohamedaner in Kandia hätten am vorigen Mittwoch das Dorf Piscope ge⸗ plündert. Dabei seien vier Mohamedaner getödtet und sechs verwundet worden.
Aus Kanea
Rumänien.
Der Prinz Ferdinand von Rumänien, dessen Zustand jetzt vollkommen zufriedenstellend ist, hat sich, dem „W. T. B.“ zufolge, gestern zum Sommeraufenthalt nach Sinaia begeben.
Amerika.
Das Repräsentantenhaus hat, wie das ‚„Reuter'sche Bureau“ aus Washington meldet, formell seine abweichende Ansicht über die Amendements des Senats zur Tarifbill aus⸗ gesprochen und sodann die Delegierten zur Berathung mit den⸗ jenigen des Senats ernannt.
Wie, demselben Bureau zufolge, jetzt in New⸗York ver⸗ lautet, werde der Präsident Mac Kinley in den nächsten Tagen eine Botschaft über die Währungsfrage nicht erlassen. Es sei sogar zweifelhaft, ob eine solche Botschaft überhaupt werde erlassen werden.
Afrika.
Aus Tanger erfährt das „Reuter'sche Bureau“, daß das amerikanische Flaggschiff „San Francisco“ bereits dort angekommen sei, um die Forderungen des Vertreters der Ver⸗ einigten Staaten gegen Marokko wegen eines Angriffs auf einen amerikanischen Bürger zu unterstützen. Das Kriegs⸗ schiff „Raleigh“ werde heute daselbst erwartet.
Demselben Bureau wird aus Louren çCo Marques vom gestrigen Tage gemeldet, daß sich der Gouverneur von Mozambique Albuquerque mit seinem Stabe in das Gasa⸗ land begeben habe, um die Operationen gegen die auf⸗ ständischen Eingeborenen persönlich zu leiten.
Aus Lagos von gestern berichtet das „Reuter'sche Bureau“, daß eine Abtheilung der Polizeitruppe der Niger⸗ Company unter Befehl der Lieutenants Carroll und Fitzgerald den geflüchteten König von Benin mit einem Trupp von 500 mit Ge⸗ wehren bewaffneten Eingeborenen südlich von Kabba entdeckt habe. Die Abtheilung habe den König und seine Leute mehrere Male an⸗
egriffen, dieselben wiederholt geschlagen und ihnen schwere Vüluste beigebracht. Trotzdem sei es dem König gelungen, zu entkommen. Von der Polizeitruppe seien zwer Mann ge⸗ fallen, und Lieutenant Fitzgerald sei nachträglich seinen im Kampf erhaltenen schweren Wunden erlegen.
Nr. 25 des „Eisenbahn⸗Verordnungsblatts“, heraus⸗ egeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 7. Juli, 8 folgenden Inhalt: Gesetz vom 1. Juni 1897 wegen Abänderung der §§ 8 und 12 des Gesetzes, betreffend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der unmittelbaren Staatsbeamten, vom 20. Mai 1882. — Erlasse des Ministers der öffentlichen Arbeiten: vom 25. Juni 1897, betr. Zuständigkeit der Eisenbahnbehörden im Sinne der Ge⸗ werbeordnung; vom 28. Juni 1897, betreffend Dienstreisen für Rech⸗ nung Dritter. — Nachrichten. 1
Arbeiterbewegung.
In Hannover soll, einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge, der Ausstand der dortigen Steinsetzer im Sinne der Arbeiter beendet worden sein. .
In Dessau hat, der „Madb. Ztg.“ zufolge, ein Theil der Maurergesellen wegen Lohnstreits die Arbeit eingestellt.
Aus Budapest wird der „Wiener Ztg.“ über die Ausstands⸗ bewegung der landwirthschaftlichen Arbeiter in Ungarn unter dem 7. d. M. berichtet: Nach den beim Ackerbau⸗Ministerium ein⸗ gelaufenen Berichten nimmt die Ernte in den Komitaten Bekes, Arad, Bihar und Jasz⸗Nagy⸗Kun⸗Szolnok, abgesehen von unbedeuten⸗ den Zwischenfällen, einen ungestörten Verlauf. Im Csongräder Komitat verweigerten 196, im Csanäder Komitat 40 Paare die Arbeit. Nach den neuesten Meldungen erfordert die Lage im oberen Solter Bezirke des Pester Komitats die größte Aufmerksamkeit. Die fanatisierten Arbeiter, welche von Agitatoren aufgereizt wurden, ziehen in Gruppen von 200 bis 300 Köpfen von Dorf zu Dorf, von Meierhof zu Meier⸗ hof und schrecken die friedlich Arbeitenden durch Drohungen. Im Tolnaer Komitat haben auch mehrere Arbeiter die Arbeit verweigert. Der Ackerbau⸗Minister überließ der Dombovarer Herrschaft 200 Arbeiter. Im Torontaler Komitat ist die Lage an⸗ dauernd zufriedenstellend. Im Baͤcs⸗Bodrogher Komitat ist die Lage, von einigen wenigen Arbeitsverweigerungen abgesehen, gleichfalls be⸗ friedigend. Im Fehérer Komitat werden an Stelle der Ausständigen fremde Arbeiter verwendet. In Nagy⸗Kata (Pester Komitat) stehen die Arbeiter aus; es wurden dahin aus Mezö⸗Hegyes Arbeiter entsendet.
Aus London berichtet die „A. K.“ zum Ausstande der englischen Maschinenbauer: Der Vollzugs⸗Ausschuß des Ge⸗ werkvereins der Maschinenbauer tagte vorgestern den ganzen Tag. Der Gewerkverein pocht auf seine Kasse von 350 000 f. Der Verein zählt aber mehr als 150 000 Mitglieder, so daß die scheinbar große Summe nicht lange reichen wird. Auf die Unterstützung anderer Gewerkvereine ist kein Verlaß. Eine sehr unangenehme Nachricht für die Ausständigen ist die, da der Dampfmaschinenmacherverein, der von den im Ausstandsausschu vertretenen Gewerkvereinen der größte nach dem Verein der Maschinenbauer ist, beschlossen hat, die übrigen 75 % seiner Leute nicht die Arbeit einstellen zu lassen, wenn die Maschinenfabrikanten gegen 25 % die Arbeitssperre erklären. Der Gewerkverein der Maschinenarbeiter und der
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verein der Maschinenbauer
von Manchester wollen über diese Frage namentlich abstimmen lassen. Die Mehrzahl der Mitglieder des Gewerkvereins der Maschinenbauer wird ohne Zweifel am nächsten Dienstag die Werkstätten verlassen. Die Anzahl der feiernden Arbeiter könnte dann 120 000 betragen. Eine Anzahl Londoner Fabrikanten hat die Forderungen der Arbeiter bewilligt. 1*
Aus Manchester meldet „W. T. B.“: Der Konflikt in den Maschinenfabriken hat einen ernsten Charakter angenommen. Dreißig Firmen, einschließlich fast aller bedeutenden Maschinenfirmen von Manchester, haben die Aussperrung von Arbeitern angekündigt. Aus Brüssel wird der „Köln. Ztg.“ zum Ausstande der Kohlenarbeiter des Borinage geschrieben: In den Gruben sind bereits vielfach Erdrutsche vorgekommen, da die kleinen Gruppen von Steigern, die zurückgeblieben sind, den Abbau nicht überall gehörig zu stützen vermögen. Auch sind in anderen Betrieben wegen Kohlenmangels bereits Arbeiter entlassen worden. Der Versand hat ganz aufgehört, und die Lagervorräthe sind erschöpft. Einige Arbeiter, die noch ange⸗ fahren waren, wurden auf der Landstraße bei Cuesmes angegriffen; die Gendarmerie war bald zu ihrem Schutz zur Stelle und trieb die Arbeitsstörer auseinander.
Aus Bilbao meldet „W. T. B.“ zum Ausstand der Berg⸗ arbeiter (vergl. Nr. 154 d. Bl.): Die durch Differenzen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geschaffene Lage giebt zu Befürch⸗ tungen Anlaß; militärische Verstärkungen sind von Vitoria hier abgeangen.. ö1X1A1A“*“
Statistik und Volkswirthschaft.
Aus den Jahresberichten der Großherzoglich hessischen Fabrik⸗Inspektoren für das Jahr 1896.
Auch im Großherzogthum Hessen hat im Berichtsjahr nach den Wahrnehmungen der Gewerbe⸗Aufsichtsbeamten im allgemeinen eine rege, gegen das Vorjahr gesteigerte industrielle Thätigkeit stattgefunden. In einzelnen Industriezweigen war der Aufschwung so erheblich, daß Mangel an Arbeitskräften eintrat. Allerdings sind in einigen Branchen auch Rückschritte zu beobachten gewesen, so z. B. nach dem Bericht für den ersten Aufsichtsbezirk (Provinz Starken⸗ burg) in der Lederfabrikation, in der Schuhwaarenfabrikation, auch in der Zigarrenbranche. In Rheinhessen und Oberhessen, zusammen den zweiten Aufsichtsbezirk bildend, ist in der statistischen Gruppe 8 und Leder⸗Industrie“ gleichfalls ein Rückgang in der Zahl der beschäftigten Arbeiter zu verzeichnen gewesen, die vom Bericht⸗ erstatter auf die auffallend starke Vermehrung im Vorjahre (um 25 %) zurückgeführt wird. In Oberhessen hat im Gegensatz zu Starkenburg die Zigarrenfabrikation eine besonders rege Thätigkeit entwickelt. Eine auffallende Erscheinung zeigt sich in der Ent⸗ wickelung des oberhessischen Bergbaues seit 1890. Nach⸗ stehende Zahlen geben ein Bild derselben: —
Jahr Betriebe Arbeiter ö“““ 1892 1327 1894 1276 1218 8 1199 8
Der Berichterstatter hält es für wahrscheinlich, daß die mangelnde Leistungsfähigkeit der Kleinbetriebe, das Fehlen des Bahnanschlusses ꝛc. Ursachen dieses Entwicklungsprozesses seien.
Von den im ersten Aufsichtsbezirk in Fabriken ꝛc. be⸗ schäftigten Arbeitern waren im Berichtsjahre 25 824 (darunter 2967 jugendliche) männlichen und 7943 (darunter 1199 jugendliche) weiblichen Geschlechts gegen 24 395 (2915) und 7813 (1055) im Vorjahre. Im zweiten Aufsichtsbezirk sind 1896 für Rheinhessen 17 498 und für Oberhessen 7122 männliche erwachsene Arbeiter ge⸗ zählt worden, im Ganzen also 24 620, d. i. 4457 mehr als im Vor⸗ jahre. Die Zahl der erwachsenen Arbeiterinnen betrug 5479, d. i. 615 mehr als 1895; jugendliche Arbeiter wurden zu Ausgang des Berichtsjahres 2698 (1712 männliche und 986 weibliche) gezählt gegen 2184 (1335 männliche und 514 weibliche) im Vorjahre.
Was die Durchführung der Arbeiterschutzbestim⸗ mungen anbelangt, so läßt zwar auf dem Lande die überwachende Thätigkeit durch die Orts⸗Polizeibehörden noch manches zu wünschen übrig, was auf das Anwachsen der Zahl der Vorschriften und die Schwierigkeit eines Ueberblicks und Erkennens des inneren Zusammen⸗ hangs derselben zurückgeführt wird, während in den Städten im allgemeinen größere Sorgfalt von seiten der Ortsbehörden in dieser Beziehung aufgewendet wird. Die Gewerbeaufsichtsbeamten sind in der Lage gewesen, in erfolgreicher Weise erziehlich auf die Orts⸗ Polizei einzuwirken. 1
Ueber die Lohnhöhe hat der Berichterstatter für den ersten Aufsichtsbezirk von 50 Arbeitern Angaben zusammengestellt, aus denen wir folgende Wochenlohnsätze mittheilen: Es erhielt ein 14 ½ jähriger Hilfswalzer in einer Staniolkapselfabrik 7,20 ℳ; eine 15 ¼ jährige Arbeiterin in einer Schuhfabrik? ℳ; ein 16 jähriger Stempler ineiner Staniolkapsel⸗ fabrik 9 ℳ; ein 18jähriger Schlossergeselle (Werkstatt) 10,30 ℳ; ein gleichaltriger Schleiferlehrling (Metallwaarenfabrik) 7,50 ℳ; ein gleich⸗ alteriger Presser (ebenda) 12 und ein 18 3jähriger 14,50 ℳ; ein 20jähriger Tagelöhner (Drahtstiftfabrik) 12 ℳ; ein 21jähriger Leder⸗ färber (Lederfabrik) 20 ℳ; ein 22 jähriger Schleifer (Metallwaaren⸗ fabrik) 14 ℳ; ein 24 jähriger verheiratheter (1 Kind) Former (Eisen⸗
ießerei) 24 bis 25 ℳ; ein 26 jähriger verheiratheter (3 Kinder) Tagelöhner (Asphaltgeschäft) 18 ℳ; ein 26 jähriger verheiratheter 6 (2 Kinder) Zuschneider (Schäftefabrik) 24 ℳ; ein 28 jähriger ver⸗ heiratheter (1 Kind) Küfer (Faßfabrik) 30 bis 34 ℳ; ein 32jähriger verheiratheter (3 Kinder) Heizer (Pappenfabrik) 15 ℳ; ein 371ähriger verheiratheter (4 Kinder) Hobler (Maschinenfabrik) 16 ℳ; ein 40jähriger verheiratheter (5 Kinder) Abräumer (Steinbruch) 20 ℳ; ein 42jähriger verheiratheter (4 Kinder) Presser (Portefeuillewaarenfabrik) 24 ℳ; ein Fötäbrge verheiratheter (2 Kinder) Heizer (Sägewerk) 21 ℳ Wochenlohn. ls Stundenlöhne sind angegeben: von einem 19 jährigen ledigen Maurer 36 ₰, von einem gleichaltrigen Schlossergesellen 30 ₰, von einem 20 jährigen Monteur 27 ₰, von einem 27 jährigen verheiratheten Modellschreiner mit 1 Kinde 30 ₰, von einem B2jagrigen verheiratheten Zimmermann mit 5 Kindern 32 ₰, von einem 36 jährigen verheiratheten Maurer mit 4 Kindern 36 ₰, von einem 45 jährigen verheiratheten Maschinen⸗ arbeiter mit 5 Kindern 32 ₰. 1
Von dem Berichterstatter des zweiten Aufsichtsbezirks werden be⸗ sondere Mittheilungen über die Erhebungen senne hf welche im Berichtsjahr bezüglich der Konfektionsindustrie in Mainz, Worms und Gießen veranstaltet worden sind. Abgesehen von den Betrieben mit 3 und weniger Arbeitern und den⸗ jenigen, die im Hause nur Zuschneider beschäftigen (die Zahl der Heimarbeiter wird für diese auf etwa 2000 geschätzt), sind 14 Betriebe der Herrenkonfektion mit 87 erwachsenen und 3 jugendlichen männlichen Arbeitern ermittelt worden. Die Arbeit wird ausschließlich als Stückarbeit vergeben, die Arbeitszeit infolge dessen nicht gerade streng eingehalten, doch im allgemeinen mit 12 bis 14 Stunden, einschließlich 1 Stunde Mittagpause, anzunehmen sein. Die Raum⸗, Licht⸗ und Luftverhältnisse waren nicht ungünstig. In der Damenkonfektion sind 32 Betriebe untersucht worden, in denen zusammen 42 Arbeiterinnen über 21 Jahre, 168 16 bis 21 und 94 bis 16 Jahre alt waren. Hier herrscht der Zeitlohn durchaus vor. Viele der in diesen Werkstätten arbeitenden Mädchen unter 21 Jahren wollen nur das Schneidern lernen, um dann entweder auf eigene Rechnung zu arbeiten oder die erworbene Fertigkeit im eigenen Haushalt zu verwerthen. Die Arbeitszeit ist in der Regel 12 stündig mit 1 bis 1 ½stündiger Mittagspause. Die räum⸗ lichen Verhältnisse waren wesentlich schlechter als in der 5 konfektion, das Aussehen der Mädchen aber im allgemeinen ein besseres als das der männlichen Konfektionsarbeiter. Es liegt dies wohl an der besseren Ernährung dieser meist aus leidlich situierten Familien stam⸗
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menden Arbeiterinnen. Ueber die Lohnverhältnisse sind leider keine .“ “ “ 8 “ “ 1