1897 / 264 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Nov 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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- Waaldeck und Pyrmont. 1 . . Der Landtag der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont wurde am 27. Oktober d. J., Mittags 12 Uhr,

bei Anwesenheit sämmtlicher Abgeordneten durch den Landes⸗

Direktor von Saldern eröffnet. An Vorlagen gingen dem Landtage u. a. zu:

ein Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung einiger Bestim⸗ mungen des Klassensteuergesetzes vom 7. Januar 1865 in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. März 1893; nach demselben sollen zwischen die bestehenden Steuerstufen (bis zu einem Einkommen von 3000 ℳ) Zwischenstufen eingeschaltet und eine dritte Beschwerde⸗ instanz geschaffen werden,

ein Gese entwurf, betreffend die Ergänzung des Baugesetzes vom 19. Mai 1862, wonach durch Gemeindestatut bestimmt werden kann, daß bei der Anlegung neuer, zur Bebauung bestimmter Straßen sowie beim Anbau an schon vorhandene, bisher unbebaute Straßen von dem Unternehmer die Freilegung, erste Einrichtung, Entwaͤsserung und Beleuchtungsvorrichtung der Straße beschafft, sowie die zeilweise,

höchstens jedoch fünfjährige Unterhaltung der Straße bezw. ein Beitrag

der der Ersatz der zu allen diesen Maßnahmen erforderlichen Kosten geleistet werde, E1I1“ die Staatskassen⸗Rechnung vom Jahre 1895, die Uebersichten über das Domanial⸗Stammpermögen, ein Rechtsgutachten, betreffkend die dem Domanium aus der taatskasse zu verzinsenden Ablösungskapitalien zu 829 670 à 4 % nd 83 959 à 5 %, die Gebührenordnung für das Reinigen der Schornsteine. An die Eröffnungssitzung schloß sich die erste Plenarsitzung, in welcher sich der Landtag konstituierte. Zum Präsidenten wurde der Gerichts⸗Rath Dr. Waldeck⸗Korbach, zum Vize⸗ öe der Gerichts⸗Rath Dr. Mommsen⸗Pyrmont gewählt. Nachdem in der Zwischenzeit unter Theilnahme sämmt⸗ licher Abgeordneten zahlreiche Ausschußberathungen stattgefunden hatten, wurde am 5. d. M. die zweite und letzte Plenarsitzung ab⸗ gehalten, in welcher die oben erwähnten beiden Gesetzentwürfe die Staatskassen⸗Rechnung geprüft und von den Uebersichten über das Domanial⸗Stammvermögen, von der Gebührenordnung für das Reinigen der Schornsteine und von der Verwendung der aus Domanialmitteln jährlich herzugebenden 12 000 zur Hebung der Pyrmonter Kur⸗ und Badeanstalten pro 1896 Kenntniß genommen wurde. Ferner wurde be⸗ schlossen, den Landes⸗Direktor zu ersuchen, wegen Herabsetzung des Zinsfußes für die dem Domanium aus der SHanskife zu verzinsenden Ablösungskapitalien mit der Fürstlichen Domänen⸗ kammer in Unterhandlung zu treten. Ein Antrag des Abg. Dr. Schücking, den Landes⸗Direktor zu ersuchen, bei der König⸗ lich preußischen Regierung dahin vorstellig zu werden, daß die Gehälter der waldeckischen Staatsbeamten im nächsten Etat auf gleiche Höhe mit den betreffenden preußischen Beamten⸗ gehältern gebracht würden, wie sie seit dem 1. April 1897 gewährt werden, wurde angenommen, desgleichen ein Antrag, die waldeckischen Volksschullehrer und die Corbacher Gymnasial⸗ lehrer durch den nächsten Etat mit den preußischen Lehrern gleichzustellen, und endlich ein Antrag des Abg. Klapp auf Ein⸗ führung des preußischen Gesetzes, betreffend den Erlaß polizei⸗ licher Strafverfügungen wegen Uebertretungen, vom 23. April 1883 in die Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont. Des weiteren wurden noch einige Wahlen vollzogen und über mehrere Petitionen Beschluß gefaßt. Ein Antrag des Abg. Dr. Waldeck auf Bestehenlassen des vom Königlichen Pro⸗ vinzial⸗Schulkollegium in aufgehobenen erdldesans des Gymnasiums in Korbach wurde dem Landes⸗ Direktor mit dem Ersuchen überwiesen, die Angelegenheit zu prüfen und event. in weitere Verhandlungen mit den zu⸗ ständigen Behörden einzutreten. Der Landes⸗Direktor von Saldern erklärte sodann nach einigen an die Abgeordneten gerichteten Worten des Dankes und dex Anerkennung, im Namen und Auftrage Seiner Majestät des Königs von Preußen den Landtag der Fürstenthümer für geschlossen, worauf der Vize⸗ Präsident Dr. Mommsen auf Seine Majestät den König von Preußen und Seine Durchlaucht den Fürsten zu Waldeck und Pyrmont ein dreifaches Hoch ausbrachte, in welches die Versammlung lebhaft einstimmte.

Reuß ä. L.

Seine Durchlaucht der Fürst ist am 6. d. M. von Schlo Burgk nach Greiz zurückgekehrt

Oesterreich⸗Ungarn.

8 Bei der Eröffnung der gestrigen Sitzung des öster⸗ reichischen Abgeordnetenhauses kam der Vize⸗Präsident von Abrahamovicz auf die Vorkommnisse in der letzten Sitzung zurück und rügte die in derselben gefallenen Aus⸗ drücke, welche den Parlamentarismus schädigten und die schärfste Mißbilligung erheischten. Der EEö sprach den Wunsch aus, daß endlich eine Gesundung des Tones eintreten möge. Es folgten darauf formelle Anträge und sodann eine namentliche Abstimmung. Im weiteren Verlauf der Sitzung gaben die Abgg. Dr. Hofmann von Wellenhof im Namen der Deutschen Volkspartei, Groß im Namen der Deutschen Fortschrittspartei und Zeller im Namen der Sozialdemokraten Erklärungen gegen die letzten Aus⸗ führungen des Finanz⸗Ministers im Budgetausschuß ab. Die Redner bezeichneten ein eventuelles Aufdrängen des Ausgleichs⸗ rovisoriums mit Ungarn auf Grund des § 14 als ver⸗ ssungswidrig. Dieselben Redner sowie der Abg. Kaiser deutsche Volkspartei) protestierten gegen das Vorgehen des räsidiums und der Majorität in den letzten beiden Sitzungen und erklärten dasselbe für einen Bruch der Ge⸗ schäftsordnung. Nach Verlesung mehrerer Interpellationen nahm das Haus um 1 Uhr 40 Minuten die am 4. d. M. unter⸗ brochene geheime Sitzung wieder auf. Dieselbe wurde um 2 ¼ Uhr geschlossen und die öffentliche Sitzung wieder auf⸗ genommen. Das Haus ging nun zu dem Gegenstande der Tagesordnung, dem Antrage auf Versetzung der Minister in Anklagezustand wegen des Erlasses der Sprachen⸗ verordnungen für Böhmen und Mähren über. Der Antrag⸗ steller, Abg. Dr. Funke, begründete die Anklage in einer längeren Rede, in welcher er ausführte, daß dieselbe eine ernste und letzte Mahnung und Warnung der Regierung dar⸗ stelle. Das deutsche Volk in Oesterreich werde in dem ihm aufgezwungenen schweren Kampfe nicht zurückweichen. Auch in en Alpenländern mache sich das deutsche Nationalgefühl eltend. Bei einer Erörterung der Grenzen der Verordnungs⸗ ewalt der Regierung gelangte der Redner zu dem Schlusse, die Sprachenfrage und die Nationalitätenfrage nur auf dem Wege der Gesetzgebung geregelt werden könnten. Durch Verordnungen auf diesem Gebiet würden die Staats⸗ 1“ 86

rundgesete verletzt. Die Deutschen würden sich die Vor⸗ errschaft der deutschen Sprache in ihrem geschlossenen

Sprachgebiete nicht rauben lassen, sondern würden so lange kämpfen, bis die Sprachenverordnungen beseitigt seien. Hierauf gab der Redner eine kritische Darstellung des Ganges der Politik der Czechen seit 1848 und schloß mit den Worten: „Die Deutschen kämpfen nicht blcß gegen die Sprachen⸗ verordnung, sondern für die Freiheit und den Fortschritt des Staates, die Verfassung und die Einheit des Reiches. Wir können also sagen: „in unserem Lager ist Oester⸗ reich.“ (Lebhafter, andauernder Beifall links.) Nach der Rede des Abg. Funke, welche 6 Stunden dauerte, schritt der Vize⸗ Präsident Dr. Kramarz zur Schließung der Sitzung und beraumte die nächste für Mittwoch an. Der Abg. Pergelt beantragte, als ersten Gegenstand auf die Tages⸗ ordnung der nächsten Sitzung die Wahl des Präsidenten zu setzen. Der Vize⸗Präsident erklärte, er werde diese

ahl auf die Tagesordnung der zweitnächsten Sitzung stellen, da die Parteien bis jetzt durch die Umstände verhindert gewesen seien, dazu Stellung zu nehmen. Das Haus beschloß im Sinne des Vize⸗Präsidenten, worauf um 8 ¾ Uhr die Sitzung geschlossen wurde. Unter den eingegangenen Interpellationen befindet sich eine solche des Abg. Kaiser, betreffend die Bestrebungen zur 1“ des österreichisch⸗ ungarischen Antheils vom Breslauer Fürstbisthum sowie die Ernennung eines General⸗Vikars in Deschen, bei der die nationalen Rücksichten zur Geltung gelangen sollen.

Die für gestern Abend anberaumte Sitzung des Budget⸗ ausschusses des Abgeordnetenhauses ist auf heute Nach⸗ mittag verschoben worden.

Bei der gestern im Feechetirted esfre Krems vor⸗

Ersatzwahl zum Reichsrath wurde an Stelle es bisherigen Abgeordneten Vergani der Christlich⸗soziale Daschl mit 4068 von 6968 Stimmen gewählt. „Die gestern erschienene „Budapester Korrespondenz“ ver⸗ öffentlicht folgendes Communiqué: Iyn der Rede, welche der Finanz⸗Minister Dr. von Bilinski im Budgetausschusse des österreichischen Abgeordnetenhauses gehalten hat, finden wir einige Aeußerungen, welche unbedingt rektifiziert werden müssen. Der Minister behauptet, daß, solange die im Jahre 1892 abgeschlossenen Handelsverträge nicht abgelaufen seien, das ist also bis Ende des Jahres 1903, das gemeinsame Zollgebiet zwischen Ungarn und Oesterreich mit Rücksicht auf die kontrahierenden auswärtigen Staaten unbedingt aufrecht erhalten werden müsse. Diese Behauptung ist vollkommen irrig und steht in diametralem Gegensatz zu jenen Gesetzen, auf welchen die selbständige Staatlichkeit Ungarns beruht. Die Sache verhält sich so, daß Ungarn alle Pflichten, welche es als der eine Staat der Monarchie in den Handelsver⸗ trägen auf sich genommen hat, den fremden Staaten gegenüber pünktlich einzubalten verpflichtet ist, solange diese Verträͤge nicht abgelaufen sind. Doch können diese Verträge keinen Einfluß darauf haben, daß die Zollgemeinschaft zwischen Oesterreich und Ungarn aufrecht erhalten werde. Das Zollwesen ist eine gemein⸗ same Angelegenheit, und es kann darüber in dem Falle, wenn kein billiger Ausgleich mit Oesterreich zu stande kommt, Ungarn im Sinne des Ausgleichs von 1867 selbständig verfügen. In diesem seinem Rechte ist es durch die mit den auswärtigen Staaten ab⸗ geschlossenen Handelsverträge nur insofern beschränkt, als es die den fremden Staaten vertragsmäßig zugesicherten Rechte nach jeder Richtung hin zu achten gehalten ist. Jenen Männern, welche im Jahre 1892 die mit den auswärtigen Staaten abgeschlossenen Verträge ins ungarische Gesetzbuch auf⸗ genommen haben, ist es gewiß nicht eingefallen, daß je die Ansicht entstehen könne, daß Ungarn sich durch diese Verträge die Hände be⸗ züglich seines auch in den Gesetzen von 1867 vorbebaltenen Selbst⸗ bestimmungsrechtes auch nur im entferntesten gebunden hätte. Es ist daher überhaupt nicht korrekt, durch die Verkündung solcher Lehren die öffentliche Meinung irre zu führen. Wir müssen aber auch von der Warnung sprechen, welche der Minister von Bilinski an seine österreichischen Abgeordneten⸗Kollegen gerichtet hat, die er ermahnte, die Regierung nicht zu zwingen, das Provisorium mit Hilfe des § 14 der österreichischen Verfassung ins Leben treten zu lassen. Wir müssen nämlich voraussetzen, der Minister habe Kenntniß davon, daß die Erklärung, welche bezüglich dieser Frage der ungarische Minister⸗Präsident im ungarischen Abgeordnetenbause abgegeben hat, keine einseitige, sondern der Ausfluß einer gemeinsamen Vereinbarung war, und können daher nur unsere Verwunderung darüber ausdrücken, daß der österreichische Finanz⸗Minister das Inslebentreten der Provi⸗ soriums⸗Vorlage auf Grund des § 14 noch immer als im Bereiche der Möglichkeit liegend darzustellen sucht.

Das ungarische Unterhaus hielt gestern eine kurze Sitzung ab, in welcher die Verordnung, betreffend die Ein⸗ berufung der Delegationen, verlesen und beschlossen wurde, die Delegationswahlen heute vorzunehmen.

Frankreich.

Die Deputirtenkammer nahm gestern die Vorlage, be⸗ treffend die Theilung des VI. Armee⸗Korps, ohne Debatte an und trat, nach der Genehmigung eines Ab⸗ kommens, den Seepostdienst mit Algier und Tunis, in die Berathung des Budgets ein. Da keiner der Redner, welche sich für die Generaldebatte zum Wort gemeldet hatten, anwesend war, beschloß die Kammer, die Einzelberathung bei dem Etat des Innern zu beginnen. Die Sitzung wurde jedoch unterbrochen, weil der Minister des Innern nicht zugegen war. Nach Wiederaufnahme der Sitzung wurde auf Antrag des Präsidenten Brisson ent⸗ schieden, den Beschluß, wonach zur Berathung der einzelnen Artikel des Budgets übergegangen werden sollte, rückgängig zu machen; hierauf erösfncete der Deputirte Lacombe die Generalberathung. Derselbe vertheidigte die gegenwärtige Finanzpolitik. Nach der Rede Lacombe’s wurde die General⸗ berathung geschlossen, und es gelangte sodann eine Reihe von Kapiteln des Budgets des Innern zur Annahme.

Der am Sonnabend zur Vertheilung gebrachte Bericht der Budgetkommission über das Marinebudget stellt, wie die „Köln. Ztg.“ berichtet, unter Berücksichtigung des Gesetzes vom 9. August d. J. über die Flottenbauten, das Marinebudget für 1898 mit einer Gesammtausgabe von 285 ½ Millionen Franken, 20 Millionen mehr als im laufenden Jahre, auf. Der durch das genannte Gesetz genehmigte Flotten⸗ plan umfaßt Neubauten, die in den Jahren 1898 bis 1905 ausgeführt werden und 721 Mill. erfordern, sodaß auf jedes der acht Jahre durchschnittlich 90 Mill. kommen, mit der stärksten Mehrausgabe, 120 Mill., im Jahre 1901. Für Umbauten sollen während der nächsten drei Jahre je 20 Mill. ausgegeben werden. Die Hafenbauten in Biserta sollen 1 Mill. kosten. Im Jahre 1898 sollen für Neubauten 102 Mill., für Unterhalt und Ausbesserung 30 ½ Mill. aus⸗ gegeben werden. Der Bericht beleuchtet sodann die Fe. wärtige Lage der Marine mit einer Reihe kritischer Bemer⸗ kungen. Frankreich besitze nicht die nothwendi EEE und gewisse Schiffe hätten an Leistungszähig eit eingebüßt. Die Verschiedenheit der Typen sei so groß, daß kaum zwei Schiffe von einem Typus wären. Auch habe der Bau 20 bis

25 Proz. mehr gekostet als in England. Ohne den Wert verschiedenen Schiftatkassen zu erörtern, könne man es Frankreich an Kreuzern fehle. England habe deren 195 verfügbar und 42 im Bau, Frankreich 46 im Dienst und 16 im Bau; daher sei es nothwendig, neue Kreuzer noch in Auf⸗ trag zu geben und zu vollenden.

üa 8— 82 ö im Monat

ober weist einen Mehrwerth von 19 000 000 Fr. Oktober 1896 auf. . Italien.

Der österreichisch- ungarische Minister des Auswärtigen Graf Goluchowski ist, nach huldvollster Verabschiedung von Seiten des Königs und der Königin, gestern Abend 10 Uhr 45 Minuten in Begleitung des Minister⸗ Präsidenten di Rudini, des Ministers os Auswärtigen Visconti Venosta, des italienischen Botschafters in Wien Grafen Nigra und des Palast⸗Präfekten Grafen Gianotti von Monza in Mailand eingetroffen und hat um 11 Uhr 25 Minuten mit dem österreichischen Sektions⸗Rath Merey von Kaposmsre die Reise nach Wien fortgesetzt.

Vor dem Kassationshofe in Rom wurde gestern uͤber den Rekurs verhandelt, den Crispi gegen den Beschluß der Anklagekammer am Appelhofe von Bologna, durch welchen ein ordentliches Gerichtsverfahren gegen Crispi für zulässig erklärt worden war, eingelegt hatte. Der Beschluß der Anklage⸗ kammer wurde vom Kassationshofe aufgehoben.

Türkei. Die deutsche Kolonie in Pera gab, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Abend in den Räumen der „Teutonia“ dem

bisherigen deutschen Botschafter Freiherrn von Saurma⸗ Jeltsch ein Abschiedsfest. Freih 3

Griechenland.

Die „Agence Havas“ meldet aus Athen, daß das Pro⸗ tokoll, betreffkend die Rückkehr der Thessalier, 1*+ unterzeichnet worden sei. Außer den bereits bekannten Be⸗ sei festgesetzt, daß eine b von 60 Para auf e

j Hammel erhoben werde, erner sei den ent⸗ lassenen Reservisten die Rückkehr verboten. Diese Be⸗ dingungen habe der Vertreter Griechenlands nur unter Vor⸗ behalt unterzeichnet, und die griechische Regierung werde sich wegen derselben an die Mächte wenden. Mehr als 16 000 geflüchtete Thessalier seien bereits zurückgekehrt.

„Die Königin hat sich mit Unterstützungsmitteln für die geflüchteten Thessalier nach Euböa begeben.

Amerika. 8 1 Die „Times“ meldet aus Rio de Janeiro von gestern,

daß dort am Sonntag die Redaktionen dreier oppositio⸗ nellen Blätter von einer Volksmenge zerstört worden seien. Man glaube nämlich, daß das Verbrechen vom vergangenen Freitag infolge heftiger Angriffe dieser Blätter auf die Regierung gewesen sei. Der „Agence Havas“ zufolge wäre die Regierung fest entschlossen, gegen die Ruhestörer mit Energie einzu⸗ schreiten. Fünf oppositionelle Deputirte hätten sich der Re⸗ gierung angeschlossen. Diese habe, da der Kongreß nicht versammelt sei, als Vorsichtsmaßnahme eine Botschaft erlassen, durch welche der Bundesbezirk Nictheroy in Be⸗ lagerungszustand erklärt werde.

Die „Agenzia Stefani“ erfährt aus Victoria, im Staate Espirito Santo, daß eine Bande von etwa 40 In⸗ dividuen aus dem Staate Minas Geraes in den Staat Espirito Santo eingedrungen sei und das Innere des Landes durchzogen habe; eine von Italienern bewohnte An⸗ siedelung sei von ihnen angegriffen worden. Dabei seien 6 Italiener getödtet und 4 verwundet worden. Da am Thatorte eine genügende Polizeimacht zur Festnahme der Schuldigen fehlte, habe der italienische Konsul energische Schritte bei der Regierung von Espirito Santo gethan, um schleunige Ent⸗ sendung von Truppen herbeizusühren. Die italienische Ge⸗ sandtschaft in Rio de Janeiro habe die Thatsachen an die Regierung in Rom gemeldet und sofortige entsprechende Maß⸗ nahmen seitens derselben erbeten.

Asien.

Ein Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“ aus Sadda im Kurram⸗Thale meldet, es habe sich nach einem Auf⸗ klärungsmarsch, den die dortige Garnison am Sonntag unter⸗ nommen, herausgestellt, daß 36 Sikhs nicht zurückgekehrt seien; man nehme an, dieselben seien von der Haupttruppe ab⸗ geschnitten und sämmtlich getödtet worden.

Afrika.

Aus Tanger erfährt das „Reuter'sche Bureau“, daß der bereits gemeldeke Tod eines von den Riffpiraten gefangen ge⸗ nommenen Franzosen (s. Nr. 257 d. Bl.) Verdacht erweckt habe. Das französische Kriegsschiff „Cosmao“ sei mit dem Kanzler des General⸗Residenten an Bord nach Alhucemas abgegangen, um die Angelegenheit zu untersuchen.

Die Verhandlungen gegen die Häuptlinge aus dem Betschuana⸗Lande, welche des Aufruhrs angeklagt waren, sind, wie aus Kapstadt gemeldet wird, gestern beendet worden. Die Angeklagten bekannten sich schuldig und wurden zu zwei⸗ bis sechsjähriger Gefängnißhaft und Zwangsarbeit verurtheilt.

Arbeiterbewegung.

In München⸗Pasing sind, einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge, in der Kehlleistenfabrik von Gersdorf und Brandenburg die Arbeiter wegen Lohnkürzung in den Au stand getreten.

Aus Paris wird der „Rhein.⸗Westf. Ztg.“ zum Ausstande der Schlächter (pgl. Nr. 261 d. Bl.) berichtet: Die ausständigen Arbeiter in dem städtischen Schlachthof schicken sich an, die Arbeit wieder aufzunehmen, nachdem die Meister ihren Wünschen entgegen⸗ gekommen sind, indessen hat bereits eine Anzahl von Fleischern sich Gehilfen aus der Provinz und selbst aus dem Ausland kommen lassen.

Statistik und Volkswirthschaft.

Die landwirthschaftlichen Versicherungs“⸗, Kredit⸗ und 8 Steuerverhältnisse ꝛc. in Bayern.

Im Anschluß an die Besprechung der landwirthschaftlichen Kultur⸗ unternehmungen, des landwirthschaftlichen Betriebs und der Ver⸗ werthung der landwirthschaftlichen Erzeugnisse im Königreich Bayern in Nr. 261 d. Bl. seien noch die weiteren Abschnitte der „Denkschrift über die Maßnahmen auf dem Gebiete der landwirthschaftlichen Verwaltung in Bayern 1890 1897“ kurz erwähnt. 89

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dwirthschaftliche Versicherung. In der Gebäude⸗

Londden sicherung der staatlichen Immobiliar⸗Brand⸗ versicher ungs⸗Anstalt hat die Versicherung „auf dem Lande“, b. im Unterschied von den Gebäuden in den sog. unmittelbaren Städten rechts des Rheins und den 11 größeren Städten der Pfalz, in den letzten 6 Jahren um 232 000 000 zugenommen. Sie betrug 1895/96: 2 791 000 000 An Entschädigung für abgebrannte Ge⸗ bäude auf dem Lande wurden im gleichen Zeitraum 24 531 083 ge⸗ zablt. Die Mobiliar⸗Feuerversicherung wird z. Z. in Bayern von 26 zugelassenen Privatversicherungsgesellschaften wahrgenommen, unter denen sich 3 bayerische und 3 außerdeutsche befinden; 4 sind Gegen⸗ seitigkeitsgesellschaften. Es waren 1895 61,9 % der Haushaltungen mit 4 958 468 680 versichert, wovon 508 024 mit 2 818 836 403 auf das Land kamen. Für letztere, die ländlichen Versicherungen wurden durchschnittlich 1,78 %0 an Prä mie gezablt und dafür in 4624 Brandfällen zusammen 4 437 850 = 92 % der gesammten

zmieneinnahme an Schäden vergütet. Ueber die Hagel⸗ 8 icherung in Bayern ist erst kürzlich im „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeiger“ berichtet worden. Für die Viehversicherung scheint die mit dem 1. November 1896 ins Leben getretene „Bayerische Landes⸗Viehversicherungs⸗Anstalt“ eine große Bedeutung zu erlangen. Sie hat die Aufgabe, den in ihrer Vereinzelung nicht leistungsfähigen, aber in ihrer örtlichen Fürsorge schwer zu ersetzenden G rungsvereinen durch entsprechende Zusammenfassung eine sichere Grundlage zu geben, indem sie die Hälfte der Schadendeckung über⸗ nimmt und die andere, vom Ortsverein aufzubringende Hälfte bis zum Ende des Versicherungsjahres vorschießt. Auf Grund des vor⸗ geschriebenen Normalstatuts waren bis Ende September bereits 810 Ortsvereine gegründet worden. Bis jetzt umfaßt das Ver cherungs⸗ kapital 36 424 780 Unter Einrechnung des Staatszus usses von 40000 zur Deckung der Schäden ist anzunehmen, daß im Durch⸗ schnitt 1 % genügen wird. Verkehr. An vorzugsweise im Interesse der Landwirthschaft angelegten Lokalbahnen sind im Staatsbetrieb seit 1890 eröffnet worden 616,0 km mit einem Bauaufwand von 37 100 000 und im Privatbetrieb 114,7 km mit 7 900 000 Genebmigt sind weiter 448,4 km Staats⸗Lokalbahnen mit 25 600 000 Bau⸗ aufwand und 47 km Privat⸗Lokalbahnen mit 3 900 000 8 Kredit⸗ und Genossenschaftswesen. Auf dem Gebiete des Realkredits ist die am 1. April 1897 erfolgte Eröffnung der Bayerischen Landwirthschaftsbank, eingetragenen Genossen⸗ schaft mit beschränkter Haftpflicht, zu erwähnen. Sie ist vom Staate subventioniert durch 1 000 000 unverzinsliches, aber später zurück⸗ zuerstattendes Betriebskapital, ferner durch nach Bedarf zu gewährende weitere 1 000 000 gegen 3 % Zinsen und einen Verwaltungskosten⸗ zuschuß für die XXIII. Finanzperiode von 60 000 Bis Ende August 1897 waren von der Bank ausbezahlt 401 Darlehen mit 3 365 000 und 14 Kommunaldarlehen mit 260 900 Die Darlehen sind unkündbar und mit ½¼ % zu amortisieren. Ueber das Personalkredit⸗ und Genossenschaftswesen in Bayern ist in den letzten Fahren im „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeiger“ wiederholt berichtet worden, und es kann daher von einem näheren Eingehen auf die aus⸗ führlichen Mittheilungen der Denkschrift darüber abgesehen werden. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Aufnahmen der Hypothekarverschuldung und der Vergantungsstatistik. 8 Oeffentliche Lasten. Die Grundstener war für 1896/97 auf 11 494 000 veranschlagt, d. i. auf 36 % des gesammten Steueraufkommens. Sie beträgt z. Z. 3.4 % der gesammten Staatseinnahmen. Vom Jahre 1819 bis 1896 haben sich die Grund⸗ steuern, wie die Denkschrift bemerkt, nur um 5 %, die übrigen Steuern um 282 % vermehrt. Ueber zu große Belastung des landwirthschaft⸗ lichen Grundbesitzes mit der Grundsteuer an sich und insbesondere über eine unverhältnißmäßige Steigerung derselben könnten somit be⸗ gründete Klagen nicht erhoben werden. Erheblich fühlbarer sei die Be⸗ lastung durch Umlagen, vor allem durch die Gemeindeumlagen. Diese betrugen, auf 1 Einwohner berechnet, durchschnittlich in allen

Gemeinden (Stadt und Land) 1886 1890 1891 1892 1893

Rechts des Rheins 2,39 2,67 2.79 288 282

öeeeö— 6,94 7,31 7,39

Fniorelch .. . 2,92 3,33 3,46 3,58 3,56 Die Distriktsumlage ist im ganzen Königreich von 1,04

pro Kopf im Jahre 1890 auf 1,14 und die Kreisumlage in

ähnlichem Verhältniß gestiegen. Durch die Armengesetznovelle

vom 8. Februar 1888, durch die Heimath⸗ und Armengesetznovelle

vom 17. Juni 1896 und andere Maßnahmen der letzten Jahre ist auf eine Frleichterung der Gemeinde⸗ und sonstigen Umlagen, zum theil durch Zuweisung beträchtlicher Mittel aus Staatsfonds, Bedacht genommen worden. . Dienstboten⸗ und Arbeiterverhältnisse. „Die Klagen über den Mangel guter, zuverlässiger landwirtbschaftlicher Dienst⸗ oten und Lohnarbeiter- sagt die Denkschrift sind Ugemein. Sie sind ja allerdings nicht neu, allein der Schärfe, mit elcher sie jetzt auftreten, scheinen sie früher entbehrt zu haben“. (Eine Abhilfe gegen diese Mißstände sei heißt es weiter schwierig. Der z. B. in Preußen beschrittene Weg, dem Mangel ländlicher Arbeiter durch Erleichterung der Seßhaftmachung solcher entgegen zu wirken, komme für Bayern im Hinblick auf die Vertheilung der land⸗ wirthschaftlichen Besitzverhältnisse nicht in Betracht. Außerdem liege hier er Schwerpunkt des Mißverhältnisses noch in der Dienstbotenfrage. eber die nach eingehenden Erhebungen über die Arbeits⸗ und Dienst⸗ ermittelung in Angriff genommene Organisation des Arbeitsnach⸗ eises ist bereits im „Reichs⸗ u. Staats⸗Anzeiger“ ausführlich be⸗ chtet worden. Für den landwirthschaftlichen Unterricht sorgen außer er „landwirthschaftlichen Abtheilung der Technischen Hochschule“ in 1 der „Akademie für Landwirthschaft und Brauerei mmt Gartenbauschule“ zu Weihenstephan, der „Kreislandwirth⸗ chaftsschule“ in Lichtenhof und den Kreisackerbanschulen“ zu Landsberg, Schönbrunn, Bayreuth und Triesdorf die land⸗ wirthschaftlichen Winterschulen in Verbindung mit landwirthschaftlichem Wanderunterricht. Seit 1890 sind wesentliche Veränderungen bezüglich iesee Anstalten nicht zu registrieren gewesen. Die erst neuerdings ngeleitete Neuorganisation des Winterschul⸗ und Wanderunterrichts nter Aufwendung größerer Mittel aus Staatsfonds wird erst in ächster Zeit wirksam werden. Die ländlichen Haushaltungs⸗ chulen haben si auf 8 vermehrt, die Zahl der land⸗ irthschaftlichen Fortbildungsschulen ist dagegen zurück⸗

gegangen. Sie bezifferte sich 1895/96 auf 443 mit 7617 Schülern.

Als landmirthschaftliche Spezialschulen nennt die Denk⸗ schrift a. die Thierärztliche Hochschule in München; b. die Hufbeschlagschulen in München, Würzburg, Zweibrücken, Regensburg und Augsburg; c.. die Schulen zur Förderung der landwirthschaftlichen Hausindustrie, und zwar erstens für Weberei (Münchberg, Passau, Lambrecht), zweitens für Korbflechterei (Lichtenfels, Pfaffendorf), drittens für Holzschnitzindustrie (Parten⸗ krchen, Berchtesgaden, Oberammergau, Bischofsheim, Neuhaus, Kupferberg, Kötzing und die Geigenbauschule in Mittenwald). Zu

Fobeaheen ist dann noch die Obst⸗ und Weinbauschule in Kirchheim⸗

bolanden. Landwirthschaftliche Versuchsstationen. Hier sind zu nennen die landwirthschaftliche Zentralversuchsstation in München, deren Fnanspruchnahme von 621 Fällen 1890/91 auf 1205 Fälle im Jahre 1895/96 gestiegen ist; ferner die landwirthschaftliche Kreis⸗ versuchsstation in Speyer; die Versuchs⸗, und Samenkontrolstation in Triesdorf; die Kreis⸗ und Weinbauversuchsstation zu Würzburg; das landwirthschaftliche Laboratorium in Augsburg. Dazu kommen das mit der Königlichen Technischen Hochschule in München verbundene landwirthschaftliche Versuchsfeld nebst Laboratorium und die Feld⸗ versuchsstation in Kaiserslautern, 1

Das vEb Vereinswesen. Eine be⸗ merkenswerthe Etappe in der Entwickelung des Vereinswesens bildete die 1895 vorgenommene Reorganisation des „Landwirthschaft⸗

Orts⸗Viehversiche⸗,

lichen Vereins“, der, unter dem Ehren⸗Präsidium Seiner König⸗ lichen Hoheit des Prinzen Ludwig stehend, als Gesammtverein das aanze Königreich umfaßt und sich in Kreis⸗ und Bezirksvereine gliedert. wie Spitze bildet der Landwirthschaftsrath. Die Zahl der Bezirks⸗ vereine hat sich seit 1894 von 227 auf 232 im Jahre 1896 vermehrt, die Zahl der Vereinsmitglieder ist von 66 040 auf 71 113 gestiegen, und fast alle Gemeinden haben von dem ihnen neu übertragenen Recht, einen Vertrauensmann in den betreffenden Bezirksverein zu wählen, Gebrauch gemacht. Außer den landwirthschaftlichen Vereinen bestehen noch 4841 Spezialvereine und Genossenschaften für landwirth⸗ schaftliche Zwecke. 1 Der Aufwand für landwirthschaftliche Zwecke aus Staatsmitteln ist von bis 1896/97 von 1 847 229 auf 2 939 830 gestiegen. Daneben sind für die gleichen Zwecke von 1890 bis 1896 aufgewendet worden von den -1“]; 6 200 746 I.. 2 233 778 landwirthschaftlichen Kreisvereinen. 915 584 landwirthschaftlichen Bezirksvereinen 1 210 270 Zusammen

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Kunst und Wissenschaft.

Bekanntlich hatte der Parthenon in Athen jüngst wieder durch Erdbeben gelitten. Seine Wiederherstellung und Sicherung war in Angriff genommen, es wurden aber me rfach Stimmen laut, daß die Durchführung in Zweifel stehe. Es er⸗ scheint jedoch gesichert, daß die Restaurationsarbeiten noch in diesem Winter wieder aufgenommen werden. Die vor kurzem veranstaltete Lotterie der athenischen archäologischen Gesellschaft hat dazu hinreichende Mittel eingebracht. Es hat eine Sitzung der für die Arbeiten eingesetzten Kommission stattgefunden und es ist beschlossen worden, sofort wieder ans Werk zu gehen. Für den Erfolg ist es von großem Werth, daß sich inzwischen eine englische Gesellschaft zur Ausbeutung der pentelischen Marmorbrüche gebildet hat, welche im stande sein wird, die nöthigen großen Marmorblöcke zu liefern, deren Gewinnung bisher unübersteiglich scheinende Hindernisse im Wege standen.

Die Sitzung der „Berliner Gesellschaft für Erdkunde“ am vergangenen Sonnabend gewann durch den angekündigten Vortrag des bekannten Forschungsreisenden Dr. Sven Hedin aus Stockholm über die Ergebnisse seiner 3 jährigen, unter den größten Mühsalen und Entbehrungen ausgeführten Reise durch Zentral⸗Asien und Tibet ein besonderes Interesse. Wie der Vortragende, der „Nat.⸗ Ztg.“ zufolge, der zahlreichen Versammlung, in der sich auch der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten D. Dr. Bosse befand, darlegte, ging er in der bestimmten Absicht hinaus, das „Problem des Lop⸗Noor“ zu lösen, weiches identisch ist mit der Ergründung der Verhältnisse jener wunderbaren, tiefen Boden⸗ einsenkung Inner⸗Asiens, die, eingerahmt durch die höchsten Ge⸗ birge der Welt, in geologischer Vorzeit wahrscheinlich das Bett eines Binnenmeeres von kaum geringeren Abmessungen als das Mittelländische Meer darstellte. Gegenwärtig ist sie eine un⸗ geheure Wüste salzigen Sandes. Düne reiht sich an Tüne, der Anblick erinnert an den eines bewegten Meeres. Vegetation findet sich nur an den Flußläufen, Fortsetzungen der früher von den umringenden Hochgebirgen dem Meere zueilenden Gewäösser, welche im Kampf mit der Wüste ihre Wildheit verloren haben, ihre Wasser nur im Sommer zur Zeit der Schneeschmelze träge fortführen, während sie sich im Winter bestenfalls zu einer Reihe stagnierender Tümpel auflösen, bäufig auch ganz vertrocknen. Wo die immerhin beträchtlichen Wassermengen des größten dieser Stromsysteme, des der Donau an Ausdehnung nichts nachgebenden Tarim bleiben, diese Frage ist als das „Lop⸗Noor⸗Problem“ in der wissenschaftlichen Welt bekannt. Lop⸗Noor ist der Name eines fabelhaften, großen Salzsees, den bisher allein die chinesischen Karten, als den Tarim⸗Strom aufnehmend, auf etwa 40 ° n. Br. und 900 östl. L. von Greenwich verzeichneten und der nach Ansicht der Chinesen unterirdischen Zusammenhang mit den 1000 km südöstlich davon entfernten Quellen des Hoang⸗ho haben sollte. Diesen fabelhaften See hatten 1884/85 die Forschungen des russischen Reisenden Przewalski anscheinend von der Land⸗ karte gestrichen, indem er den Tarim erheblich westlicher von dem Punkte, an dem die chinesischen Karten den Lop⸗Noor verzeichneten, in den Süßwassersee Kara⸗Kurtschin mündend fand, der keinen Ausfluß besitzt und besitzen kann, weil ihm nach Süden die Gebirgskette des Altyn⸗tag vorgelagert ist. Die Ergcebnisse der Przewalski'schen Forschungen leß die geographische Forschung indessen nicht als die Lösung des Lop⸗Noor⸗Problems gelten, und vor allem war es Professor Freiherr von Richthofen. Berlin, welcher diese Ansicht vertrat, theils auf Grund der sonst festgestellten Zuverlässigkeit der chinesischen Karten, theils indem er nachwies, daß sich in den Kara⸗ Kurtschin⸗See nach Przewalski's Messungen erheblich geringere Wasser⸗ mengen ergießen, als der Tarim mitführt, theils weil bestimmt anzu⸗ nehmen ist, daß ein See obhne Akfluß sich in einen Salzsee verwandeln muß. Freiherr von Richthofen schloß aus allem, daß sich vom Tarim, der westöstlich strömt, ein oder mehrere Arme nach Osten abzweigen müssen, die Przewalski nicht entdeckt hatte, und daß sie wahrscheinlich dem Lop⸗Noor zacgichen, Es ist das Verdienst Sven Hedin's, diese Voraussicht der Wissenschaft als wohlbegründet erwiesen und den Lop⸗Noor fast genau an der von den chinesischen Karten angegebenen Stelle, wenn auch in wesentlich veränderter Form, gefunden und somit das Problem gelöst zu haben.

Zur Erreichung dieses Zieles hatte der Forscher, wie er in seinem durch zahlreiche Lichtbilder erläuterten Vortrage ausführte, sich während der ersten Jahre seines Aufenthalts in Zentral⸗Asien erst in gewissem Sinne für das Reisen in der Wüne trainiert und dafür Er⸗ fahrungen gesammelt. Zu diesem Zweck machte er im Früh⸗ jahr 1894 von Kaschgar aus mit einer kleinen Karawane einen Vorstoß in die Wüste, der beinahe zur Vernichtung der ganzen Expedition geführt hätte. Als der Vortragende endlich, nur noch von einem Diener begleitet, dem Verdursten nahe, den Uferwald des dem Tarim zufließenden Kbotan erreicht hatte, fand er den Fluß zu seinem Schrecken wasserleer, bis eine aus dem Schilf auffliegende Ente ihn einen Wassertümpel entdecken 1. aus dem er sich er⸗ quickte, um alsdann in seine Stiefel Wasser einzuschöpfen und barfuß, auf den eigenen Spuren zurückkehrend, den erschöpft liegen ge⸗ bliebenen Begleiter zu laben. Zum Antritt seiner großen Wüstenreise verließ Hedin, nachdem er inzwischen einen Ausflug nach dem Hindu⸗ kusch⸗Gebirge gemacht, Kaschgar erst am 14. Dezember 1895 auf demselben Wege, den 620 Jahre vor ihm Marco Polo in der gleichen Richtung gemacht hatte. Am 14. Januar 1896 war er mit einer kleinen Karawane von 4 Mann, 3 Kameelen und 2 Eseln in Khotan, wo die eigentliche Wüstenwanderung ihren Anfang nahm. Einund⸗ vierzig Tage dauerte diese Wüstendurchquerung, bis der Tarim erreicht war. Hatte Hedin früher von ungeheurer Hitze gelitten, so lernte er jetzt die Schrecken des Winters in der Wüste kennen. Die Kälte erreichte zuweilen bis —22 Grad. Auf dem Wege zum Tarim begegnete er den Ruinen zweier alten mongolischen Städte, die, früher wahrscheinlich auf Oasen oder an Flüssen gelegen, jetzt unter dem Wüstensand begraben waren. Am Fluß wurde eine spär⸗ liche Hirtenbevölkerung fraglicher Rasse vorgefunden, die von der Außen⸗ welt keine Ahnung zu haben schien. Den n des Tarim in östlicher Richtung verfolgend, beschritt Hedin, dem oben mitgetheilten Plan zur Auffindung des Lop⸗Noor entsprechend, stets den östlichsten der vielen Arme, in welche der träge zwischen Uferwäldern und Dünen⸗ dämmen dahinfließende Strom sich theilt, bis man am 4. April, nachdem der Strom südliche Richtung eingeschlagen, annähernd an der dem Lop⸗Noor von den chinesischen Karten angewiesenen Stelle, eine see⸗ artige Erweiterung des Flusses fand, welcher sich im weiteren Lauf noch drei solcher Seen anschlossen, zusammen in nordsüdlicher Richtung etwa

50 km lang. Diese Seengruppe, von den Eingeborenen Avullu⸗Köll,

Kara⸗Köll, Tajek⸗Köll und Arka⸗Köll genannt, während der Name Lop⸗Noor nirgends bekonnt war, ist unzweifelhaft der gesuchte See, dessen nach den chinesischen Aufnahmen vom Anfang des 18. Jahr⸗ hunderts von West nach Ost gerichtete Axe jetzt allerdings nord⸗ füdliche Richtung hat, was sich zwanglos aus der Richtung des durch⸗ fließenden Tarims erklärt. Von der früheren abweichenden Gestalt des Sees legt auch die Umgebung desselben Zeugniß ab, die östlich einen Sumpfgürtel bildet, auf den junger Wald und erst in größerer Entfernung hober Wald folat. Das Wasser der Seen ist süß, weil der Tarim nicht darein mündet, sondern sie durchströmt, um erst weiterhin, sich in dünne Wasserfäden auflösend, von der Wüste ganz bewältigt zu werden. Südlich wandernd, kehrte Hedin am Gebirgs. rande der Wüste entlang nach Khotan zurück, das er am 28. Mat erreichte. 1 3 ereits am 6. August brach er aufs neue auf, um über das Tibetanische Hochplateau das östliche China zu erreichen. Auch diese beschwerliche und höchst gefährliche Wanderung war von großen geographischen Erfolgen begleitet. Auf der Höhe des Plateaus wurden allein 23 Bitterseen bestimmt und kartographisch festgelegt. Die Oede und Unwirthlichkeit dieser Gegenden spottet jeder Be⸗ schreibung, die Unbilden der Witterung, Sturm, Schnee und Hagel, grenzten an das Unerträgliche. Zwei Monate lang sah man keinen Menschen, nur zweimal bege nete man ihren Spuren.⸗ Am 30. September traf man auf die ersten Spuren von Mongolen und bald auch auf mongolische Ansiedelungen. Hier wird das Land wirthlicher, man findet ein reiches Thierleben, ganze Herden wilder Yaks (tibetanisches Rind) und Kulans (Wildesel), auch zahlreiche ären. Am 20. November stieß Hedin auf Tempelbauten im tibeta⸗ nischen Stil, am 23. November wurde eine stark befestigte Stadt erreicht. Nach einem Abenteuer mit räuberischen Tunguten konnten die Weihnachtstage friedlich in einer englischen Mission verlebt und mit Europa Telegramme ausgetauscht werden. Ueber den gefrorenen Hoang⸗ho und nach viermaliger Kreuzung der chinesischen Mauer wurde im Januar endlich Pekiag erreicht, wo der Reisende bei der russischen Gesandtschaft und dem diplomatischen Korps sowie von seiten Li⸗Hung⸗ Tschang's die freundlichste Aufnahme fand. b Allgemeiner Beifall dankte dem Vortragenden für seine inter⸗ essanten Mittheilungen, und der Vorsitzende Freiherr von Richthofen überreichte dem Forscher hierauf als Ehrung der „Gesellschaft für Erdkunde“ die Carl Ritter⸗Medaille. Dr. Hedin will im nächsten Jahre in Gemeinschaft mit Dr. Holderer⸗Karlsruhe nochmals den zentralastatischen Problemen an Ort und Stelle nachgehen. 8 8

Verdingungen im Auslande.

1 Belgien. 20. November. Börse in Brüssel: Konstruktionsarbeiten für den Südbahnhof in Antwerpen. Voranschlag 1 631 279,59 Fr. Kaution 80 000 Fr. Lastenheft im Zentralbureau für Lieferung ausschreibungen im Ministerium der Eisenbahnen, Posten und Telegraphen in Brüssel, Rue des Augustins 17, zum Preise von 3,50 Fr.

24. November, 11 Uhr. Comité permanent du matériel, 38 Rue d'Italie, Ixelles⸗Brüssel: Lieferung von Papier und Briefumschlägen für die Ministerien während des Jahres 1898. 20 Loose. Eingeschriebene Angebote sind bis zum 20. November ein⸗ zusenden. .

1. Dezember, 11 Uhr. Börse zu Brüssel: Lieferung von Blechen, Profileisen und Stahl für die Kriegsmarine während des Jahres 1898. Kaution 800 Fr.

Rumänien.

18. November. Kriegs⸗Ministerium, Bukarest: 7837 Stück wasserdichte Brotbeutel für das Arsenal des Heeres. ca. 2000 Tafeln Eisenblech verschiedener Größe und 120 000 Stück eiserne Nieten.

1 Verkehrs⸗Anstalten.

Bremen, 8. November. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd 89 „Wartburg“, v. Brasilien kommend, 7. Nov. Vm. in issabon avpgek. „Königin Luise“, v. New⸗York kommend, 8. Nov. Nm. a. d. Weser angek. „Aachen“ 8. Nov. Vm. Reise v. Vigo n. d. La Plata fortges. „Crefeld“, v. Bremen kommend, 6. Nov. in Galveston angek. „Darmstadt“, v. Australien kommend, 6. Nov. in Aden angek. „Sachsen“, v. Ost⸗Asien kommend, 7. Nov. in Hongkong angek. „Aller“ 6. Nov. Vm v. New⸗York n. Bremen abgegangen.

9. November. (W. T. B.) PD. „Bremen“ 8. Nov. Reise v. Suez n. Australien fortges. „Fulda“ 8. Nov. Nm. Reise v. Gibraltar n. Neapel fortge-. „Ems“ 8. Nov. Nm. Reise v Gibraltar n. New⸗YVork fortges. „Preußen“, von Ost⸗Asie kommend, 8. Nov. Reise v. Neapel n. Bremen fortges. „Kaiser Wilhelm II.“ 8. Nov. Abds. v. Genua in New⸗York angek. „Halle“, von La Plata kommend, 8. Nov. Gravesend passiert. „Prinz Heinrich“ 8. Nov. Reise v. Antwerpen n. Ost⸗Asien fortgesetzt. 8

London, 8. November. (W. T. B.) Castle⸗Linie. Dampfer „Avondale Castle“ ist auf der Ausreise am Sonnabend von Southampton abgegangen. 1

Rotrerdam, 8. November. (W. T. B.) Holland⸗Amerika⸗ Linie. Dampfer „Spaarndam“ von New⸗York d Vormittag nach Rotterdam abgegangen.

Theater und Musik.

Konzerte. 86 Das dritte Philharmonische Konzert, welches gestern unter der Leitung des Kapellmeisters Arthur Nikisch stattfand, war, gleich den früheren, ungemein zahlreich besucht und wurde mit Beethoven’'s Ouvertüre zu „Corielan“ (op. 62) wirkungsvoll eröffnet. Die schnell bekannt gewordene Sängerin Camilla Landi sang hierauf Recitativ und Arie „Ombra mai fůu“ aus der Händel'schen Oper „Perxes“ und die Arie „Divinités du Styx“ aus „Alceste“ von Gluck. Im Vortrag beider Arien kamen ihre klare, in allen Lagen leicht an⸗ sprechende Stimme und ihre verständige Auffassung vortrefflich zur Geltung. Auch die Ausführung zweier Lieder von G. Fauré, „Lamento“ und „Roses d'Ispahan“, wurde mit so leb⸗ haftem Beifall aufgenommen, daß die Sängerin eine Zugabe be⸗ willigte. Als Novität erschien eine Serenade für Streichorchester von dem bekannten Mitgliede des böhmischen Streichquartetts Herrn Joseph Suk. Dem vier Sätze umfassenden Werke ist eine glänzende Instrumentierung nachzurühmen, leider aber steht der Gedanken⸗ inhalt zu der schönen Form in keinem gleichen Verhältniß. Nur der erste und letzte Satz vermochten vorübergehend Interesse zu erwecken, während die beiden mittleren ihren Eindruck verfehlten. Der musi⸗ kalische Werth des Ganzen ist daher nur gering. Das höchste Lob muß jedoch der Ausführung von seiten des Orchesters gespendet werden, welches auch Schumann’'s herrliche Symphonie Nr. 2 in C-dur (op. 61) in mustergültiger Weise zu Gehör brachte und damit dem Konzert einen würdigen Abschluß gab.

Frau Carresio spielte am Sonnabend vergangener Woche im stattlich gefüllten Saal der Sing⸗Akademie drei Klavierkompost tionen mit Orchesterbegleitung, welche letztere von Mitgliedern des E“ Orchesters unter Herrn Kapellmeister

ebicoͤk's Leitung ausgeführt wurde. Beethoven’s Es-dur⸗Konzert gelang der Künstlerin vorzüglich; schon die ersten, wie freie Phantasi angelegten Eingangstakte wurden wuchtig mit gllänzende Technik gespielt. Man weiß nicht, ob man bei Fra Carreno mehr die nie zur Härte ausartende Kraft oder weichen Anschlag in der Kantilene bewundern soll, hohen Diskant des Flügels Töne entlockt, die den Flageolettönen de Geigen an Schönheit nichts nachgeben. Um so mehr mußte es aber befremden, suß die harfenähnlichen Accorde des Mendelssohn schen „Capriccio“ nicht zarter genommen wurden und zu rauhe Accente das Träumerische, Sinnende dieses Vorspiels beeinträchtigten. Im ersten Satz des noch wenig bekannten Konzerts von Mac Dowell, das an das Klavier bedeutende Anforderungen stellt, interessierte das Spie

der Pianistin mehr als die Komposition. Die schroffen Harmonien un