Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Großherzoglich mecklenburg⸗schwerinsche Ministerial⸗Rath Dr. Langfeld ist nach Schwerin abgereist. I1116“
In der Zweiten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“ werden die im Kaiserlichen Statistischen Amt zusammengestellten Nachrichten über den Stand der Herbstsaaten im Deutschen Reiche um die Mitte des Monats November sowie über die dies⸗ jährige Ernte von Hafer, Kartoffeln, Klee (auch
uzerne) und Wiesen veröffentlicht. L8 “
Görlitz, 23. November. Der diesjährige Kommunal⸗ Landtag des preußischen Markgrafthums Ober⸗ Lausitz wurde heute von dem Landeshauptmann, Kammer⸗ herrn Dr. von Seydewitz durch den Vortrag des Jahres⸗ berichts eröffnet. Der Bericht wurde durch den Hinweis auf die verheerenden Wasserfluthen eingeleitet, welche auch die Ober⸗ Lausitz betroffen und den Wohlstand einer beträchtlichen Anzahl von Ortschaften in Frage gestellt hätten. Sei auch die Noth groß gewesen, so habe doch die Hilfsthätigkeit derselben entsprochen. Zu wiederholten Malen habe der Ober⸗ Präsident die Ober⸗Lausitz besucht, und an vielen Orten ent⸗ standene Hülfecomitas hätten Gaben Seine Majestät der Kaiser und König habe zu Deich⸗, Wege⸗ und Brücken⸗ bauten Truppen zur Verfügung gestellt, und Seinem Befehle sei es zu danken, wenn dem Landtage der Monarchie eine Nothstandsvorlage gemacht werde. Ihre Majestät die Kaiserin und Königin babe bei einem Besuche des Ueberschwemmungsgebiets im Queisthale am 20. September d. J. unmittelbar reiche Gaben an die Bedrängten gespendet, große Summen an die betroffenen Kreise ü erwiesen und eine Anzahl von Personen zu Sich befohlen, um näheren Bericht über die vom Unglück Heimgesuchten und über das zur Linderung der Noth Geschehene entgegenzunehmen. Zu diesen Personen habe auch der Landeshauptmann gehört. übrigen hätten auch die Landstände der preußischen Ober⸗ Lausitz durch Bewilligung reicher Mittel auf Grund der Be⸗ schlüsse der dazu berufenen Organe an der Noth regen Antheil “ und dadurch zur Beseitigung derselben nach Kräften eigetragen. Der betrübenden allgemeinen Lage eines großen Theils der preußischen Ober⸗Lausitz gegenüber kann der Jahres⸗ bericht Günstiges über die Fortentwickelung aller ständischen Institute berichten. Eine ausführliche Darlegung giebt Aus⸗ kunft über alle näheren Verhältnisse der ständischen Verwaltung und stellt dem Landtage verschiedene größere Vorlagen in Aussicht, welche wesentlich zur Verbesserung der Lage des land⸗ und forstwirthschaftlichen Betriebes führen sollen.
Nach dem Vortrage des Jahresberichts erfolgte die Kon⸗ Uütutenumg des Landtages durch Mittheilungen über den
ersonalbestand und Einführung der neu erschienenen Mit⸗ glieder, sowie die Vertheilung der Mitglieder in die einzelnen, mit der Vorberathung des größten Theils der Landtagsvorlagen beaustragten Ausschüsse. Hieran schloß sich die sofortige Be⸗ rathung und Beschlußfassung über mehrere im Jahresbericht berührte Geschäftsangelegenheiten nach den Anträgen des Landes⸗ hauptmanns, ebenso die Beschlußfassung über die in den vor⸗ etragenen Jahresberichten berührten Verwaltungsangelegen⸗ eiten des Ober⸗Lausitzer Waisenhauses, der Ober-⸗Lausitzer Hilfs⸗ kasse, des geistlichen Unterstutzungsfonds, der Ober⸗Lausitzer Provinzial⸗Sparkasse, soweit dieselben Beschlüsse erforderlich machten. enb wurden aus der Ober⸗Lausitzer Hilfskasse, dem ständischen Fonds zu milden Zwecken und der Gräflich Löben'schen Nebenstiftung eine Anzahl von Beihilfen zu 1u und wohlthätigen Zwecken bewilligt. Die
agesordnung für die heutige Plenarsitzung war damit erschöpft; der Landeshauptmann beraumte die nächste auf Donnerstag, den 25. d. M., an. Morgen arbeiten die Aus⸗ schüsse über die Berathung der ihnen zugewiesenen Vorlagen.
Heute Abend um 5 Uhr findet noch eine Sitzung der Ver⸗ treter der ehemals rauchsteuerpflichtigen Landstädte und Land⸗ gemeinden und um 6 ½ Uhr eine Sitzung der stiftsberechtigten Stände in Angelegenheiten des Stifts Joachimstein statt.
Infolge des Ablaufs ihrer Wahlperiode hatten der Landes⸗ hauptmann Dr. von Seydewitz und der Landesbestallte der preußischen Ober⸗Lausitz, Rittmeister von Wiedebach⸗Nost iz ihre Aemter in die Hände der Herren Landstände zurückgelegt. Hierauf ist die einstimmige Wiederwahl dieser Herren für die genannten Aemter auf eine fernere zweijährige Periode erfolat, und haben dieselben die Wahl angenommen.
Bald nach Beendigung der heutigen Plenarsitzung des Kommunal-⸗Landtages tagte im Saale des Ständehauses 2 Konvent des adligen Fräuleinstifts der preußischen Ober⸗Lausitz unter dem Vorsitze seines Stiftshauptmanns, des Ober⸗Präsidenten a. D., Wirklichen Geheimen Raths Dr. von Seydewitz. Der Konvent nahm mit Befriedigung den Bericht über den günstigen Vermögensstand des Stifts entgegen und faßte darauf Beschlüsse über die die Verwaltung berührenden Anträge.
Bayern. 8 Der Erzbischof von München⸗Freising Dr. Antonius von Thoma ist heute Vormittag gestorben. 8
Baden.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗ Minister von Bülow traf gestern Vormittag in Begleitung des preußischen Gesandten am Großherzoglich badischen Hofe von Eisendecher in Baden⸗Baden ein und stieg im Groß⸗ herzoglichen Schlosse ab. Nachmittags wurde der Staats⸗ sekretär von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog in Audienz empfangen. Am Abend traf auch der badische Minister des 1“ Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten von Brauer von Karlsruhe in Baden⸗ Baden ein.
Der Landtag ist gestern im Auftrage Seiner Königlichen des Großherzogs durch den Staats⸗Minister
r. Nokk eröffnet worden, welcher nach der „Köln. Ztg.“ dabei folgende Ansprache hielt:
Durchlauchtigste, hochgeebrteste en! Die Lage des Staats⸗ haushalts hat sich in den letzten Jahren merklich gebessert. In den günstigen Abschlüssen, insbesondere in den starken Mehrerträgnissen aus Steuern und Eisenbahnbetriebsgefällen mitt eine erfreuliche Hebung der Wohlstandeverbältnisse zu Tage. Das Budget schlheht im ordentlichen Etat erstmals wieder mit einem allerdings nicht sehr erheblichen Neberschuß ab; die Abführung eigentlicher Matrikular⸗ beiträge an das Reich ist hierbei nicht vorgesehen, vielmehr voraus⸗ gesetzt, daß in den beiden nächsten Jahren Matrikularbeiträge
Ueberweisungen sich decken werden. Die Schwierigkeiten der
Staatshaushalts⸗Feststellung g. sür die Periode 1898/99 in den Anforderungen des außerordentlichen Etats. Diese letztern erreichen die ungewöhnliche Höhe von 13 320 444 ℳ und nach Abzug der Ein⸗ nahmen des außerordentlichen Etats von 2 410 756 ℳ immer noch eine Höhe von 10 909 688 ℳ Für diese Forderungen findet sich in den Betriebs⸗ üͤberschüssen früherer Jahre keine Deckung. Eine Heranziehung des in der Amortisationskasse angesammelten Staatsvermögens zur Bestreitung eines Theils der außerordentlichen Ausgaben wird daber nicht zu ver⸗ meiden sein. Se werden Ihnen zugehen über die Be⸗ steuerung des Wandergewerbebetriebs und der Wanderlager sowie über die Vornahme einer Revision der Klasseneintheilung der Grundstücke für eine neue Grundsteuer⸗Veranlagung. Eine die Grundzüge der geplanten Sieuerreform darstellende Denkschrift wird Ihnen alsbald zugänglich gemacht werden. Die andauernde Steigerung des Eisenbahnverkehrs erfordert größere Aufwendungen für Ergänzung der Betriebsmittel und für die Erweiterung unzulänglich gewordener Bauanlagen. Ueber die
ortsetzung der Bodenseebahn von Ueberlingen nach Friedrichshafen, der
lzthalbahn von Waldkirch nach Elzach und den Bau einer Verbin⸗ dungsbahn von Eppingen nach Steinsfurth werden Ihnen Vorlagen unterbreitet werden. Das bevorstehende Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich macht eine Reihe landesgesetzlicher Ausführungsbestimmungen nothwendig. Ein Theil der Entwürfe ist fertiggestellt und wird Ihnen unverweilt zugehen. Die anderen befinden sich noch in Vorberathung und sind theilweise von dem Zustandekommen eines Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts⸗ barkeit abhängig. Die Regierung giebt sich der Hoffnung hin, daß es gelingen werde, auch sie rechtzeitig zur Vorlage zu bringen. Im Zu⸗ sammenhange mit der Einsührung des Bürgerlichen Gesetzbuchs steht ein Gesetzentwurf über die geschlossenen Hofgüter, worin auch das An⸗ erbenrecht, soweit ein solches im Interesse der Landwirthschaft noth⸗ wendig erscheint, seine Regelung finden soll. Ferner werden Ihnen Entwürfe zugehen über die Durchsicht unseres W und des Enteignungsgesetzes sowie über die Neuordnung der Liegenschafts⸗,
Schenkungs⸗ und Erbschaftsaccise.
Mecklenburg⸗Schwerin.
Der Landtag hat, wie die „Meckl. Nachr.“ melden, den Verordnungs⸗Entwurf, betreffend die Vermehrung des mittleren und kleinen Grundbesitzes, mit dem Zugeständniß der meist freien Verschuldbarkeit genehmigt. 8
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Seine Königliche Hoheit der Großherzog ist am ege Abend von Baden⸗Baden wieder in Weimar ein⸗ getroffen.
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Oesterreich⸗Ungarn.
Der Budgetausschuß der österreichischen Dele⸗ gation berieth gestern den Etat des Ministeriums des Auswärtigen. Ueber den Verlauf der Debatte liegt der nachstehende Bericht des „W. T. B.“ vor:
Der Delegirte Dr. Stransky zollte dem Exposé des Grafen Goluchowski große Anerkennung und hob hervor, seine Partei sei von dem freundschaftlichen Verhältnisse zu Rußland sehr befriedigt; das⸗ selbe habe bei den Wirren im Orient die erste Kraftprobe bestanden. Er und seine Partei würden für den Etat des Ministeriums des Aus⸗ wärtigen stimmen. Der Delegirte Groß hielt es für un⸗ zulässig, daß die Delegation 1. über die Repartierung der gemeinsamen Lasten vor der verfa mgemecägh Festsetzung der Quoten fasse, und wandte sich sodann zu den Vorgängen auf Kreta. Der Redner gab seinem Bedauern Ausdruck, daß die Metzeleien auf der Insel unter den Augen der österreichisch⸗ ungarischen Truppen hätten fortdauern können, und fragte, wozu denn die österreichisch⸗ ungarischen Kriegsschiffe und Truppen dort verblieben, wenn sie den Greuelthaten nicht wehrten. Zur Besprechung des Dreibundes übergehend, betonte der Redner, daß derselbe für die Deutschen und Italiener Oesterreichs eine Herzenssache sei und daß er durch die neuerliche An⸗ näherung Oesterreich⸗Ungarns an Rußland nichts an seiner Wirksam⸗ keit verliere. Indessen sei eine Rückwirkung der inneren Politik Oesterreichs auf den Dreibund zu besorgen. In dieser Hinsicht richtete der Redner die Anfrage an die Regierung, ob seitens derselben eine Intervention in Berlin erfolgt sei, um das Sprechen österreichischer Abgeordneten in einer Versammlung des „Alldeutschen Verbandes“ zu ver⸗ hindern. Des weiteren 8ese. er sich über den zwar sehr wünschenswerthen, aber wegen der Interessengegensätze der europäischen Staaten schwer zu verwirklichenden kontinenkalen Zusammenschluß zur Abwehr der überseeischen Konkurrenz. Der Delegirte Scheicher bemängelte, daß sich das diplomatische Korps aus dem Adel rekruttere; die Konsular⸗ Vertretungen seien jüdisch angehaucht. Er bestreite, daß sich das europälsche Konzert bewährt habe. Der Delegirte Kaiser protestierte gegen die Auftheilung der gemeinsamen Beitragsleistung nach dem bis⸗ berigen Schlüssel; er lege das größte Gewicht auf den Dreibund und das innige “ zu dem Deutschen Reiche und sehe in der Annäherung an Rußland eine ersprießliche Sicherung des Friedens. Der Redner richtete sodann eine Anfrage an die Regierung wegen der Zurückziehung der österreichischen Truppen von Kreta. Die Sicherheit der auswärtigen Politik erachtete er als durch die innere Politik Oesterreichs gefährdet und bedauerte den Umstand, daß Ungarn sich den billigen nsprüchen bezüglich der Ordnung der gemeinsamen Angelegenheiten hartnäckig verschließe und sich in innere österreichische Verhältnisse einzu⸗ mengen suche. Seine Partei halte eine zoll⸗ und handelspolitische Einigung mit dem Deutschen Reiche und sodann eine weitere Aus⸗ gestaltung zu einem mittel⸗ oder gesammteuropäischen Wirthschafts⸗ bunde sar wünschenswerth, wobei insbesondere die landwirth⸗ schaftlichen Interessen zu berücksichtigen seien. Mit den Darlegungen des Grafen Goluchowski erklärte sich der Redner einverstanden. Der Delegirte Kupul hob die wohlthätige Wirkung des Dreibundes, sowie der Verständigung mit Rußland bei den jüngsten Orientereig⸗ nissen hervor und betonte die vertrauensvollen Beziehungen zu Rumänien. Er schloß sich dem angeregten Vertrauensvotum für den Minister des Aeußern an. Der Delegirte Dr. Kramarz führte aus: Die Czechen acceptierten den Dreibund als Element des euro⸗ päischen Gleichgewichts, zumal die loyale Aussprache mit Rußland auch die wegen des Balkans gehegten Besorgnisse verscheucht habe. Be⸗ sonders sympathisch berühre die Partei des Redners, daß die neue Polilik offen und ohne Hinterhalt der ganzen Welt klargelegt werde. Einer der Gründe des früheren Widerstandes der Czechen gegen den Dreibund sei auch die Besorgniß gewesen, der präponderierende Einfluß Deutschlands könnte auch auf die innere Gestaltung der österreichisch⸗ ungarischen Politik sich geltend machen. Er müsse aber konstatieren, dej gerade in der jüngsten Vergangenheit die deutsche Regierung einen vollständig korrekten und loyvalen Standpunkt eingenommen und eingehalten habe. Redner schloß: Der mit den Deutschen geführte Kampf habe nur ein Endziel: endlich zum Frieden zu kommen. Die Chzechen hielten an der Hoffnung fest, dies zu erreichen. Eine Slavisierung wollten sie nicht. Hierauf wurde die Vormittagssitzung geschlossen.
In der Nachmittagssitzung ergriff zuerst der Minister des Aeußern Graf Goluchowski das Wort. Derselbe verwahrte sich gegen eine Deutung seiner Ausführungen in einigen Punkten, die weder seinen Absichten, noch seiner Auffassung entspreche. Er habe sich ganz klar dahin ausgesprochen, daß der Dreibund der Grundpfeiler der Politik Oesterreich⸗Ungarns und ein eminentes Friedensbollwerk sei, daß aber sein Zweck nur unvollständig erreicht worden wäre, wenn die Regierung nicht auch danach getrachtet hätte, mit den außerhalb des Bündnisses stehenden Mächten vertrauensvolle Beziehungen zu pflegen. Der Dreibund sei ein seine einzige Aufgabe bestehe darin, den Frieden zu erhalten. Die Garantien für die Erhaltung des Friedens könnten aber durch die Anbahnung freundschaftlicher Beziehungen zu anderen Mächten nur erhöht werden. Einer der Delegirten habe die freund⸗ sbaftli Gestaltung des Verhältnisses Oesterreich⸗Ungarns zu Ru so dargestellt, als ob Oesterreich⸗Ungarn sich bisher mit “ 1 ü8
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Rußland in offenem Widerspruch befunden habe. Dies sei eine irrige Auffassung. Es hätten wohl Mißverständnisse über die Ber handlung einzelner Fragen bestehen können, aber es se stets, das Bestreben der österreichisch⸗ ungarischen Regierung gewesen, solche Mißverständnisse zu beseitigen, und dat gleiche Bestreben habe auch auf der anderen Seite bestanden Es müsse jedoch immerhin als ein friedlicher Umstand bezeichnet werden, daß man beiderseits zu der Ueberzeugung gelangt sei, daß keine solchen Differenzen beständen, die nichi
irrig sei die Auffassung, als ob Oesterreich⸗Ungarn in den Balkan⸗ staaten überhaupt auf jeden Einfluß verzichtet habe. Einen natürlichen Einfluß werde die Monarchie vermöge ihrer wirthschaftlichen Be⸗ ziebungen und ihrer geographischen Lage stets ausüben, aber sie wolle sich nicht in die inneren politischen Verhältnisse mischen; das⸗ selbe gelte von Rußland. Das Bestreben, die Großmächte für Partei⸗ interessen zu gewinnen und zum eigenen Vortheil gegen einander auz⸗ zuspielen, bestehe viel eher in den Balkanländern selbst, als eine Ge⸗ neigtheit bei den Großmächten, darauf einzugehen. In Beant⸗ wortung der Anfrage, wann die österreichischen Schiffe und Truppen von Kreta würden zurückgezogen werden, bemerkte der Minister, daß dies geschehen werde, sobald die Verhältnisse sich genügend beruhigt haben würden. Im Augenblick seien die Mächte im Bexgriffe, für die Ordnung der Verhältnisse auf Kreta eine feste Basiz zu gewinnen. Die Verhandlungen hätten erst begonnen weil es nicht erwünscht sein könne, diese Frage mit den Friedens⸗ Negotiationen zu verknüpfen. Die Botschafter in Konstantinorel hätten das Mandat erhalten, auf Grund der von den Mächten an⸗ genommenen Prinzipien ein organisches Statut für Kreta aus⸗ zuarbeiten. Bevor auf dieser Basis die Verhältnisse der Insel ge⸗ regelt seien, könne von einer Zurückziehung der Schiffe und Truppenkontingente nicht die Rede sein. Der Bemerkung eines Delegirten gegenüber, daß eine Macht sie bereits zurückgezogen habe, wies der Minister darauf hin, daß das veuls e Kriegsschiff „Kaiserin Augusta“ mit den deutschen Truppen allerdings die kretischen Gewässer verlassen habe, weil das Schiff auswärts benöthigt werde, daß aber die Kaiserlich deutsche Regierung den anderen Mächten erklärt habe, sie werde demnächst ein anderes Schiff schicken. Die Anfrage des Delegirten Groß, betreffend das Verbot der Abhaltung einer Versammlung des „Alldeutschen Ver⸗ bandes“ in Berlin, an der auch österreichische Abgeordnete hätten theilnehmen wollen, wies der Minister mit der Bemerkung zurück, daß die Nothwendigkeit, in dieser Richtung bei der Kaisserlich deutschen Regierung zu intervenieren, nicht vorgelegen habe. Die deutsche Regierung sei in dieser Frage durchaus korrekt und loyal vorgegangen; sie habe das Prinzip gewahrt, an dem auch Oesterreich⸗Ungarn festhalte, daß sich nämlich kein Staat in die S. eines anderen Staates einmischen dürfe. Der Errichtung fremder Konsulate in Prag könnten keinerlei Hinder⸗ nisse in den Weg gelegt werden, doch müsse die Bedingung gestellt werden, daß die Betreffenden wirkliche Beamte seien und der Nationalität des sie entsendenden Staates angehören. Der Reichs⸗ Finanz⸗Minister von Kallay bemerkte, daß die Fest⸗ Fellungen, nach welchen die gemeinsamen Ausgaben auf die beiden Reichshälften repartiert würden, nicht Sache der Delegationen, sondern der Parlamente der beiden Reichshälften seien. Der Delegirte Freiherr von Dipauli führte aus, sowohl Amerika wie England nehme eine wirthschaftliche Stellung ein, welche die Konzentrierung der wirthschaftlichen Kräfte Europas unbedingt noth⸗ wendig mache. Den inneren Frieden in Oesterreich hielt Redner trotz der gegenwärtigen Kämpfe für nicht schwer erreichbar; gewiß halte auch der Minister des Aeußern den inneren Frieden für die Vorbedingung einer glücklichen äußeren Politik. Der Delegirte Graf Dzieduszyeki äußerte sich ebenfalls in einem der äußeren Politik der Regierung zustimmenden Sinne und hob nament⸗ lich die Stelle des Cxpofés, betreffend den Zusammenschluß Europas gegen die überseeische Konkurrenz, hervor; dadurch werde einem der öffentlichen Meinung schon lange vorschwebenden Gedanken zum ersten Mal von autoritativer Stelle Ausdruck gegeben. Hierauf wurde eine von dem Berichterstatter, Delegirten Dum ba, beantragte Resolution ein⸗ stimmig angenommen, welche besagt: „Der Budgetausschuß beglück⸗ wünscht den Minister des Aeußern Grafen Goluchowski zu seiner er⸗ folgreichen und stets auf die Erhaltung und Befestigung des Friedeus abzielenden Leitung der autwärtigen Angelegenheiten und bringt dem⸗ selben das vollste Vertrauen entgegen.“ Der gesammte Voranschlag des Ministeriums des Aeußern wurde ohne weitere Debatte unver⸗ ändert angenommen, ebenso der Voranschlag des gemeinsamen Finanz⸗ Ministeriums, der Zollgefälle und des Obersten Rechnungshofes. Die Sitzung wurde sodann geschlossen.
In der gestrigen Sitzung des Heeresausschusses der ungarischen Delegation erklärte der Kriegs⸗Minister
von Krieghammer auf eine Anfrage des Abgeordneten
Bolgar bezüglich der Militär⸗Strafprozeßordnung: diese sei ein Gesetz von etwa 500 Paragraphen und liege dem Kriegs⸗ Ministerium bereits fertig vor. Dasselbe werde nach der Prüfung durch eine Enquéte den Ressort⸗Ministern zugesandt werden. Sodann wurde der Nachtragskredit in vertraulicher Sitzung genehmigt; ebenso wurden die Minder⸗ und Mehr⸗ erfordernisse gegen das Budget des Vorjahres und das Ordinarium angenommen.
Frankreich.
Der kommandierende General des X. 2 m 3 General de Jessé und der Senator Bardoux sind gestorben.
Italien.
Der König hat, wie „W. T. B.“ meldet, die Ernennung des Generals Morra zum Botschafter in St. Petersburg und die Ernennung Antonelli's zum Gesandten in Rio de Janeire vollzogen.
Spanien.
Der Ministerrath hat, wie „W. T. B.“ aus Madrid berichtet, den Ankauf von neuen Artillerie⸗Batterien beschlossen und einstimmig und in vollem Umfang den Gesetzentwurf, be⸗ treffend die Autonomie Cubas einschließlich der Zo reform, an⸗ genommen. Den catalonischen Delegirten hatte der Minister⸗ Präsident Sagasta erklärt, daß die Regierung ihr Prograngr bezüglich der Zollautonomie Cubas nicht abändern könne. t glaube jedoch, daß die cubanische Nationalversammlung den wechselseitigen Interessen in den Handelsbeziehungen Rechnung tragen werde.
Der General Weyler traf gestern in Barcelona ein. Die zu Ehren des Generals veranstaltete Kundgebung verlief unter geringer Theilnahme; die Bevölkerung von Barcelona verhielt sich ruhig, beinahe gleichgültig. General Weyler hatte im Laufe des Tages eine Unterredung mit dem General⸗Kapitän von Catalonien und empfing viele Besuche seiner An⸗ hänger, denen gegenüber er, dem „W. T. B.“ zufolge, erklärte, daß seine Freunde seine Rückberufung aus Cuba bedauerten; sodann tadelte er die den Aufständischen günstig gesinnten Madrider Blätter; die Soldaten sähen auf dieselben, gleichwie auf die Feenene mit Verachtung herab. Die von ihm durchgeführte Zusammenziehung der cubanischen Landbewohner in den Städten rechtfertigte er damit, daß fie sonst den Aufständischen als Spione gedient haben würden Die Autonomie werde für die spanische Industrie verhängniß⸗ voll werden. In seiner Erwiderung auf die Glückwünsche Industriellen erklärte General Weyler, er sei Schutzzöllner.
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chen werden könnten. Ebenso
gestern
Der frühere serbische Gesandte, jetzige Minister⸗Präsident Georgewitsch überreichte gestern dem Sultan in feierlicher Audienz sein Abberufungsschreiben als Gesandter. Zu Ehren desselben fand später ein Diner im veaes statt.
Gestern fand abermals eine Konferenz der Bot⸗ chafter statt, in welcher über die kretische Frage ver⸗ handelt wurde. In derselben Angelegenheit werden die Bot⸗ schafter, wie „W. T. B.“ berichtet, auch heute wieder zu⸗ sammentreten.
Wie das Wiener „Telegr. Korresp.⸗Bureau“ meldet, wurden gestern die Verhandlungen über Artikel 11 des Friedens⸗ vertrages fortgesetzt. Als Entschädigung für Privatverluste wurde die Summe von 100 000 Pfd. festgesetzt.
Das österreichisch⸗ungarische Mitglied der Grenzregulierungs⸗ Kommission, Oberst⸗Lieutenant Hiesl, und das deutsche Mitglied derselben, Hauptmann Morgen, sind nach Konstantinopel zurückgekehrt. Die übrigen europäischen Mitglieder werden ebenfalls über Domokos zurückkehren. Die Grenze ist bis Gunitza reguliert, die Fortsetzung der Arbeiten wird im Frühjahr erfolgen. S
Eine Kommission von mehreren Mitgliedern, unter denen sich ein Korvetten⸗Kapitän und ein albanesischer Beamter des Yildiz⸗Palais befinden, ist nach Ipek abgegangen, um die albanesischen Stämme zu deruhigen und die Rückkehr der Lokalbehörden zu vermitteln.
Das Parlament ist zum 27. d. M. zu einer ordentlichen Session einberufen worden.
Griechenland.
Die Deputirtenkammer konnte gestern keine Sitzung abhalten, da die zur Beschlußfassung erforderliche Anzahl von Deputirten nicht anwesend war.
Schweden und Norwegen. 8 Das norwegische Ministerium berieth gestern, wie „W. T. B.“ aus Christiania berichtet, über die Lage nach den Storthingswahlen. Dem „Norsk⸗Telegrambureau“ zufolge wären sämmtliche Minister darüber einig, zur Zeit nicht zu demissionieren.
Amerika.
Aus Havanna vom heutigen Tage wird gemeldet, daß die Aufständischen Santa Maria in der Nähe der Haupt⸗ stadt angegriffen hätten. Demnächst würden in der Ostprovinz große Operationen begonnen werden.
Aus Montevideo meldet das „Reuter'sche Bureau“, daß die Partei Herrera's ein Manifest erlassen habe, in welchem Gomensoro, der bereits im Jahre 1872 Präsident war, als Kandidat sür die Präsidentschaft auf⸗ gestellt werde. Cuestas werde von seinen Anhängern gedrängt, die Diktatur zu proklamieren; sie versicherten, das Volk werde ein derartiges Vorgehen billigen.
Wie der „Times“ aus Santiago de Chile vom 22. d. M. gemeldet wird, ist durch den Rücktritt des Arbeits⸗ Ministers Baiza eine Kabinetskrisis herbeigeführt worden. Wahrscheinlich werde ein Koalitions⸗Ministerium zu stande kommen. 8.
. Asien.
Der „Times“ wird aus Bagh (Belutschistan) gemeldet,
daß bei den Operationen der Brigade Westmacott am
Montag ein britischer Offizier getödtet und ein anderer ver⸗ wundet worden sei.
Afrika. Der General Kitchener Pascha und der von Suakin, Oberst Parsons, haben sich gestern von Kairo nach Suakin begeben. 1 Das „Reuter'sche Bureau“ berichtet, die jüngste Meuterei sudanesischer Truppen (s. Nr. 274 d. Bl.) in Britisch⸗Ost⸗ afrika werde in unterrichteten Kreisen Londons als sehr ernst angesehen. Viele Punkte der Meldung über den Vorfall blieben dunkel, da es schwer sei, zu erkennen, was den Major Macdonald nach Usoga geführt habe und was mehrere Offiziere, die nach der Meldung von den Sudanesen ermordet worden sein sollen, die aber nicht zu der Expedition gehörten, in Usoga zu thun gehabt hätten. Man nehme indessen an, daß diese Offiziere dem Major Macdonald hätten rasch zu Hilfe eilen wollen, als sie von der Meuterei der Sudanesen ge⸗ hört hätten, und daß sie auf halbem Wege zu Macdonald von den Meuterern aufgefangen und ermordet worden seien. Man sei der Meinung, daß die persönliche Feindschaft der Sudanesen gegen den Major Macdonald, der vor Jahren als Administrator von Uganda einen Aufstand der Sudanesen mit Härte nieder⸗ geworfen habe, einen ausreichenden Grund für die c en⸗ wärtige Revolte abgebe. Indessen gingen die Ansichten darüber auseinander, ob die sudanesischen Truppen in Uganda und die mohamedanischen Wagandas sich dem Aufstande an⸗ schließen würden; sollte dies geschehen, so würde die Lage sehr ernst werden. Aus Braß erfährt dasselbe Bureau, daß die von dem Major Arnold befehligte Truppenabtheilung der Royal Niger Company am 17. d. M. nach lebhaftem Kampfe im Sturm⸗ angriff die Festung Kiffi, in welcher sich Prinz Arku, der aufständische Sohn des Königs von Jagara, festgesetzt hatte, genommen habe. Die Niederlage des Feindes sei eine voll⸗ ommene gewesen; der Prinz Arku sei entflohen. Auf britischer Seite seien 2 Mann getödtet und 12 verwundet worden.
Arbeiterbewegung.
Aus Bielefeld wird der „Rhein.⸗Westf. Ztg.“ berichtet: In der Schuhwaarenfabrik von Steinrück und Kröger ist ein Aus⸗ stand ausgebrochen, an dem etwa 40 Arbeiter betheiligt sind.
Aus Stralau bei Berlin berichtet die Berliner „Volks⸗Ztg.“, daß der drohende Ausstand sämmtlicher Glasarbeiter von Stralau und Umgegend (vgl. Nr. 274 d. Bl.) nicht eintreten werde. Die Glakarbeiter hatten zu Montag Abend eine Versammlung ein⸗ berufen, in der die Direktoren der Glaswerke anwesend waren. Der General⸗Direktor erklärte, daß ihm daran liege, mit seinen Arbeitern auf friedlichem Wege zu verhandeln. Bisher habe die Glas⸗ fabrik Stralau infolge der hohen Löhne mit Unterbilanz gearbeitet; man sei daher genöthigt, den Betrieb zu verbilligen, einzustellen oder einzuschränken. Die Direktion habe sich für das letztere entschieden; man werde einen Glasofen außer Betrieb setzen. Allerdings würden damit etwa 80 Arbeiter ihre Beschäftigung verlieren. Die Redner der Glasarbeiter machten den Vorschlag, die Entlassung der Arbeiter vorläufig nicht vorzunehmen. Die Arbeiter würden sich verpflichten, auf eine allgemeine Verkürzung der Arbeitszeit einzugehen und den
ouverneur
Verdienstausfall zu gleichen Theilen zu tragen. Im Namen der Direktion erklärte sich der General⸗Direktor Kaufmann damit einver⸗ standen; es sollen statt zwei künftig drei Schichten eingerichtet und alle Arbeiter weiter beschäftigt werden. Die Massenkündigung wurde durch die Erklärung der betheiligten Arbeiter aufgehoben.
Statistik und Volkswirthschaft.
Die preußischen Sparkassen am Schlusse des Rechnungs⸗ jahres 1896 bezw. 1896/97. .
(Stat. Korr.) Auch das verflossene Rechnungsjahr hat bei den preußischen Sparkassen sehr günstige Ergebnisse geliefert. Die vor⸗ jährige Statistik schloß mit einem Einlagebestande von 4340,15 Mill. Mark; bei den vorliegenden vorläufigen Ergebnissen für das Jahr 1896 bezw. 1896/97 waren infolge nachträglicher Richtigstellungen 4345,79 Mill. vorzutragen. Durch Zuschreibung von Zinsen kamen 121,38, durch Neueinlagen 1185,65 Mill. Mark hinzu, während 997,74 Mill. zurückgezogen wurden, sodaß sich ein Zuwachs um 309,29 Mill. und ein Bestand von 4655,08 Mill. ergab. Der Zuwachs ist nur durch denjenigen des Vorjahres mit 345,91 Mill. Mark (nach den berichtigten Ziffern) übertroffen worden, läßt jedoch denjenigen aller früheren Jahre weit hinter sich zurück. Bemerkens⸗ werth ist noch, daß sowohl die Neueinlagen wie namentlich die Rück⸗ zahlungen größer sind als im Vorjahre, wo sie sich auf 1137,94 bezw. 904,89 Mill. Mark belaufen hatten. Die Spareinlagen zeigten also einen geringeren Grad von Beständigkeit als im Jahre vorher.
Die Anzahl der am Jahresschlusse umlaufenden Sparkassen⸗ bücher betrug 7 260 919 Stück, 384 255 mehr als am Schlusse des Vorjahres. Dieses hatte nur eine entsprechende Steigerung um 349 327 Bücher aufzuweisen gehabt, obgleich die Zunahme seiner Einlagebestände eine größere gewesen war. Es haben sich also im Durchschnitt die großen Einlagen weniger stark als im Vorjahre ver⸗ mehrt; immerhin ist ihre Zunahme noch größer als diejenige der kleinen. Es liefen nämlich von 7 218 640 Büchern mit bekannter Einlage um: 1 6
Bücher mit Einlagen
is 60 ℳ Ferhonpbit 2826067 849 in Hunderttheilen der Gesammt⸗ Loe. 28,65 gegen das Vorjahr mehr (in Hunderttheilen)). 300 bis 600 ℳ 1 106 950
15,32
60 bis 150 ℳ 1 138 171
150 bis 300 ℳ 1 010 044
4,79 600 bis 3000 ℳ 1 620 995
22,46
4,80 3000 bis 10 000 ℳ 10 000 ℳ überhaupt “ 245 858 29 673 in Hunderttheilen der Gesammtzahl.. gegen das Vorjahr mehr (in Hundert⸗ E““ 5,60 6,60 IbIöö“
Das Bild, welches die preußische Sparkassenstatistik gewährt, ist in den letzten Jahren außerordentlich günstig. Es ist zwar möglich und sogar wahrscheinlich, daß sich unter den größeren Einlagen, die eine besonders starke Vermehrung aufweisen, viele finden, die keine neuen, sondern ältere, nur den Anlageplatz wechselnde Ersaarnag darstellen. Aber es wäre verfehlt, jene stärkere Vermehrung auss ließlich auf Rechnung solcher Zuflüsse zu setzen; denn auch ohne diese müssen bei fortschreitender Sparthätigkeit naturgemäß die größeren Einlagen schneller zunehmen als die kleinen, da sie fortwährend Zuwachs von unten her erhalten, während bei den kleinen Einlagen die Zunahme sich in dem Grade verlangsamen muß, wie mit der entwickelten Sparthätigkeit der Spielraum für die Gewinnung neuer Sparer sich verengert. Wenn trotzdem auch die kleinen Konten sich alljährlich um 4 bis 5 v. H., also ungleich stärker als die Bevölkerung, vermehren, so ist das zweifellos ein ungemein günstiges Ergebniß. Im übrigen ergiebt die große Zahl der Bücher — je eines auf vier bis fünf Ein⸗ wohner — nicht nur die weite Verbreitung des Sparkassenbuches in den Massen, sondern sie macht es auch wahrscheinlich, daß sich häufig eine Person im Besitze mehrerer Sparkassenbücher befindet, obgleich dies Sparkassen dies in der Regel zu verhindern oder doch zu erschweren uchen. 8
Hundertjähriger Gang der Temperatur in Berlin und Breslau.
(Stat. Korr.) Unter den von Professor Dr. Viktor Kremser ltefenen meteorologischen Beiträgen zu dem großen Werk über den
derstrom, sein Stromgebiet und seine wichtigsten Nebenflüsse ¹) ver⸗ gleicht einer (VII a) die mittlere Jahrestemperatur von Berlin mit derjenigen von Breslau im Verlauf der hundert Jahre 1791—1890 und zieht Durchschnitte für jedes Lustrum, wobei sich herausstellt, daß sie an den beiden Stationen nicht immer denselben Verlauf nehmen. Daß die Beobachtungen eine Zunahme der Wärme ergeben, wird auf die großstädtische Entwickelung zurückgeführt, theilweise auch auf die nachträglich nicht mehr zu berichtigende Ungenauigkeit der älteren Beobachtungen und Recknungen. Das allgemeine Mittel betrug in Breslau 8,1 und in Berlin 8,8 Grad des hunderttheiligen Thermo⸗ meters und war während der an den Stationen wärmstes Jahr in kältestes Jahr in Zeiträume Breslau Berlin Breslau Berlin Breslau Berlin 1791 — 1815 7,7 94 17779,88 9,9 1799 5,7 6,9 1816 — 1840 7,9 8,8 1834 9,8 10,6 1829 5,3 5,9 1841 — 1865 8,2 8,8 1863 9,9 10,2 1855 6,8 7,3 1866 — 1890 8,3 9,? 1868 10,0 10,8 1871 6,4 7,6 wobei für den dritten Zeitraum das Jahr 1864 mit 1855 gleichstand. Setzt man an Stelle des hundertjährigen Mittels das jeweils viertelhundertjährige, so ergeben sich gegen dieses eine Mehrzahl ein⸗ ander folgender Jahre hindurch zu warm: in Breslau 1800—02, 1809 — 11, 1817 — 19, 1821 — 28, 1833 — 36, 1861 — 63, 1872 — 74 und 1884 — 86, in Berlin 1789 — 98, 1801 — 03, 1824 — 28, 1833 — 36, 1839 — 41, 1861 — 63, 1872 — 74, 1876 — 78 und 1882 — 84. Zu kalt waren dagegen in Breslau 1791— 96, 1803 — 05, 1814 — 16, 1829 — 32, 1853 — 56 und 1887 — 89, in Berlin 1808 — 10, 1812 — 17, 1847 — 50 und 1885 — 90.
Außer den oben verzeichneten Jahren zeichneten sich durch eine hohe Temperatur aus: in Breslau 1872 mit 9,8 0, 1822 mit 9,6°, 1806, 07, 46 und 52 mit 9,5 0, 1811 und 66 mit 9,4°, 1801, 24 und 59 mit 9,2 °, 1878 und 82 mit 9,1°, in Berlin 1872 mit 10,60, 1878 mit 10,2 °, 1822 und 59 mit 10,1 0, 1873 und 74 mit 10,0, 1794 und 1857 mit 9,9 °0, 1824, 52, 66 und 80 mit 9,8 °. Be⸗ sonders niedrig war die mittlere Jahrestemperatur in Breslau 1805 und 38 mit 6,5 0, 1792 mit 6,6 0, 1803 und 70 mit 6,8 °, 1795, 1812, 14 und 40 mit 6,9 °, 1793 und 1832 mit 7,0 0, 1804, 58 und 75 mit 7,1 °, in Berlin 1812 mit 6,6 °, 1814 mit 6,9 °, 1805 und 16 mit 7,0 ° 1808 und 38 mit 7,4 °, 1804 mit 7,6 , 1815 mit 7,7⁰, 1810, 20, 45 und 53 mit 7,9 °, sowie 1823 mit 8,0 °.
Aus Berlin liegen noch ältere Beobachtungen über die Jahre 1730 — 49 und 1756— 90 vor, deren Fehge allerdings einem erhöhten Zweifel ausgesetzt ist. Sie liefern für die zwanzig ersten Jahre als Mitteltemperatur 8,3 °, für die zehn Jahre 1756—65 da⸗ gegen 10,3 0 bezw. 1756— 80 noch 9,80 und für das Vierteljahrhundert 1766 — 90 immerhin 9,1 °,. Innerhalb dieser drei Zeiträume lag die Jahrestemperatur mehrere Jahre hinter einander über dem jeweiligen Mittel 1734 — 38, 1743 — 49 und 1759 — 64, darunter 1739 — 42 und 1784 — 89. Verzeichnet sind 11,5 °für 1756, 10,8 ° für 1761, 10,70 für 1757, 10,6 0° für 1779, 10,40 für 1766 und 73, 10,3 ° für 1772 und 75, 10,2 ° für 1759, 60 und 63, 10,1 ° für 1764 sowie 10,0 ° für 1781 und 83, aber nur 5,4 ° für 1740, 7,00 für 1785, 7,1 ° für 1784, 7,3 ° für 1742, 7,4 ° für 1786, 7,7° für 1731, endlich 7,8 °für 1732, 39 und 88.
1) Berlin (Dietrich Reimer, Geographische Verlagshandlung) 1896.
Der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen zu Düsseldorf hat Herrn Professor Gustav Eilers hierselbst mit der Herstellung eines großen Kupferstiches nach dem in der Königlichen Galerie zu Dresden befindli Gemã 4 „Die heilige Nacht“, betraut.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten un Maßregeln.
Der Gesundheitsstand in Berlin blieb in der Woche vo 7. bis 13. November ein der Vorwoche ähnlich günstiger, und die Sterblichkeit war nur wenig größer als in der Vorwoche (von je 1000 Einwohnern starben, aufs Jahr berechnet, 15,4 gegen 14,4 der Vorwoche). Unter den Todesursachen kamen akute Entzündungen der Athmungsorgane zahlreicher zum Vorschein und führten auch in gesteigerter Zahl zum Tode; auch Erkrankungen an In⸗ fluenza wurden vielfach beobachtet, jedoch nur 1 Todesfall infolge von Influenza (gegen 5 der Vorwoche) mitgetheilt. Dagegen traten akute Darmkrankheiten wieder seltener zu Tage, und auch die Zahl der durch sie bedingten Todesfälle ging auf 32 (von 50 der Vorwoche) herab. Die Theilnahme des Säuglings⸗ alters an der Sterblichkeit war nur wenig gegen die Vorwoche verändert; von je 10 000 Einwohnern starben in Berlin, aufs Jahr berechnet, 44 Säuglinge. — Unter den Infektionskrank⸗ heiten blieben typhöse Fieber vereinzelt. Die Erkrankungen an Scharlach haben abgenommen; Erkrankungen an Masern kamen in fast gleicher, an Diphtherie in gesteigerter Zahl zur Anzeige, und zwar wurden Erkrankungen an Masern aus der Tempelhofer Vorstadt und dem westlichen Theil der jenseitigen Luisenstadt, Erkrankungen an Diphtherie aus der Tempelhofer Vorstadt, der jenseitigen Luisenstadt, dem Stralauer Viertel, dem nördlichen Theil der Rosenthaler Vor⸗ stadt und aus der Oranienburger Vorstadt in nennenswerther Zahl zur Meldung gebracht. Erkrankungen an Kindbettfieber wurden 3 be⸗ kannt. Rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut blieben in beschränkter Zahl. Erkrankungen an Keuchhusten, die in 7 Fällen tödtlich endeten, wurden wieder häufiger beobachtet. Rheumatische Beschwerden aller Art, namentlich akute Gelenkrheumatismen, zeigten im allgemeinen im Vergleich zur Vorwoche keinen wesentlichen Unter⸗ schied in ihrem Vorkommen.
Verkehrs⸗Anstalten.
Laut Telegramm aus Goch ist die zweite englische Post über Vlissingen vom 22. November ausgeblieben. Grund: Nebel im Kanal.
Bremen, 24. November. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. P. D. „Königin Luise“ 22. Nov. Nm. Reise v. Sout⸗ hampton n. Genua fortges. „Lahn“, v. New⸗York kommend, 23. Nov Nm. Scilly pass. „Prinz Heinrich“, 23. Nov. Vm. Reise v. Suez n. Aden fortgesetzt. „Lahn“ 24. Nov. Mrgs. Reise v. Southampton n. Bremen fortges. „Coblenz“, n. Brasilien best., 23. Nov. Las Palmas pass. „Kaiser Wilhelm der Große“ 23. Nov. Nm. Heimreise v. New⸗YVork n. Bremen angetreten.
London, 23. November. (W. T. B.) Union⸗Linie. Dampfer „Goth“ ist auf der Ausreise gestern in Kapstadt an⸗ ekommen. D. „Athenian“ ist auf der Heimreise heute von Kap⸗ stadt abgegangen.
Castle⸗Linie. Dampfer Dunvegan Castle“ hat auf der Heimreise gestern Madeira passiert.
Rotterdam, 23. November. (W. T. B.) Holland⸗Amerika⸗ Linie. Dampfer „Edam“, von New⸗York nach Amsterdam, hat gestern Nachmittag Lizard passiert. D. „Obdam“ von Rotter⸗ dam gestern Nachmittag in New⸗York angekommen. D. „Amsterdam“ von New⸗Vork gestern Vormittag nach Rotterdam abgegangen. D. „Rotterdam von New⸗Pork heute Nachmittag in Rotterdam angekommen. D. „Werkendam“ von Amsterdam heute Nachmittag nach New⸗York abgegangen.
“ Deutsches Theater. einrich von Kleist's historisches Ritterschauspiel „Das Käthchen von Heilbronn“ ging gestern nach neuer Einstudierung mit schönem Erfolge in Scene. Einige Aenderungen, welche die Auf⸗ führung durch das Zurückgreifen auf den ursprünglichen Text erfahren hat, fielen wenig ins Gewicht; bemerkenswerther war die veränderte Besetzung der Rollen. Ob z. B. die böse Kunigunde von Thurneck nicht nur in ihrer seelischen, sondern auch in der körperlichen Mißgestalt, wie es gestern geschah, auf der Bühne erscheint, ist für die Gesammtwirkung des köstlichen Ritterschau⸗ spiels völlig belanglos. Von größerer Bedeutung war gerade in dieser Beziehung der Umstand, daß die Darstellerin der poetischen, holden Gestalt des Käthchen dieselbe war, welche früher schon in dieser Rolle Triumphe gefeiert hat. Frau Sorma verklärte jede Scene, in der sie als Vertreterin der Titelrolle auf der Bühne erschien. Ob sie in scheuer Zärtlichkeit. vor dem Auge des stolzen Grafen vom Strahl erschauerte, oder sich in kindlicher Zuneigung schlicht und herzlich an des Vaters Brust schmiegte, immer blieb der Charakter der Dichtung, die blühende, duftreiche Romantik gewahrt. Ihr gegenüber erschien der glänzende Graf vom Strahl, wie ihn Herr Leffler verkörperte, fast zu nüchtern; weniger Zurückhaltung und mehr Schwung in Wort und Geberde ständen dem ritterlichen Helden, der von einem Cherubim dem Käthchen im Traum zugeführt wird, besser an. Herr Müller war als der Knecht Gottschalk, der rauhe Beschützer Käthchens, von natürlicher Derbheit, und Herr Reicher suchte der herzlichen Eigen⸗ art des alten Waffenschmieds Friedeborn durch pathetischen Ausdruck der Rede gerecht zu werden. Die Darstellung ging im übrigen schnell und sicher von statten; auch der häufige Scenenwechsel machte keine Schwierigkeiten. Im Ganzen wurde das „Käthchen von Heilbronn“ auch in der etwas veränderten Form sehr freundlich aufgenommen.
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Im Königlichen Opernhause wird morgen Richard Wagner's Oper „Tannhäuser“ (Pariser Einrichtung) in folgender Be⸗ setzung gegeben: Landgraf: Herr Stammer; Elisabeth: Fräulein Hiedler; Tannhäuser: Herr Sylva; Wolfram von Eschenbach: Herr Hoff⸗ mann; Venus: Frau Sucher. Kapellmeister Dr. Muck dirigiert. — Vom 4. bis 11. Dezember d. J. findet ein Mozart⸗Cyclus statt. Nachstehende Werke gelangen zur Aufführung: 4. Dezember: „Idomeneus“; 5. Dezember (Mozart'e Todestag): „Maurische Trauer⸗ musik“; Symphonie G- moll; „Requiem“ für Soli, Chor und Orchester; 6. Dezember: „Die Entführung aus dem Serail“; 7. Dezember: „Figaro's Hochzeit“; 8. Dezember: „Don Gio⸗ vanni“; 9. Dezember: „Cosl fan tutte“; 10. Dezember: „Titus’; 11. Dezember: „Die Zauberflöte’. Mitwirkende sind die Damen Dietrich, Egli, Götze, Herzog, Hiedler, Krainz, Kopka, Lili Lehmann, Pohl, Reinisch, Reinl, Rothauser, Weitz; die Herren Francesco d'AÄndrade, Alma, Bachmann, Hoff⸗ mann, Krasa, Lieban, Mödlinger, Philipp, Sommer, Stammer und Sylva. — Für alle acht Abende eröffnet die General⸗Intendantur ein besonderes Abonnement, und zwar sind die n e eines Platzes für sämmt⸗ liche Abende folgendermaßen festgesetzt: Parquet und I. Rang 36 ℳ; II. Rang 24 ℳ; III. Rang 16 % Die Abonnementskarten gelangen in der Königlichen Theater⸗Hauptkasse (Schauspielhaus, Eingang Jäger⸗ fnegc⸗ vom Freitag, den 26. d. M., bis einschließlich 2. Dezember,
ormittags zwischen 10 und 2 Uhr, gegen Erlegung des Preises zur Logen des I., II. und III. Ranges werden nur im
Verausgabung. Das laufende Jahres⸗Abonnement bleibt be⸗
Ganzen abgegeben. stehen.