1897 / 282 p. 18 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 30 Nov 1897 18:00:01 GMT) scan diff

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König

von Preußen ꝛc. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

I. Schiffsbestand.

Zustimmun Zustimmung

1) Der Schiffsbestand der deutschen Flotte wird, abgesehen von Torpedofahrzeugen, Schulschiffen, Spezialschiffen und Kanonenbooten, festgesetzt auf:

verwendungsbereit: 17 Linienschiffe, 8 Küstenpanzerschiffe, 9 große Kreuzer, 26 kleine Kreuzer; b. als Material⸗Reserve: 2 Linienschiffe, 3 große Kreuzer, 4 kleine Kreuzer. 2 Von den am 1. April 1898 vorhandenen und im Bau befindlichen Schiffen kommen auf diesen Sollbestand in An⸗ rechnung ““ als Linienschiffe 8 Küstenpanzerschiffe große Kreuzer 1e““ 8 3) Die Mittel für die zur Erreichun tandes Fiffer 1) erforderlichen Neubauten sind 2 rechtzeitig in den keichshaushalts⸗Etat aufzunehmen, daß die betreffende Schiffe bis zum Ablauf des Rechnungsjahres 1904 fertig gestellt werden können. 8 9 2

Die Mittel für die regelmäßigen Ersatzbauten sind so rechtzeitig in den Reichshaushalts⸗Stat einzustellen, daß Linienschiffe und Küstenpanzerschiffe nach 25 Jahren, roße Kreuzer nach 20 Jahren, 1 eine Kreuzer nach 15 Jahren ersetzt werden können.

II. Indiensthaltungen.

Die Mittel für die Indiensthaltungen der heimischen Schlachtflotte sind jährlich bis zu solcher Höhe in den Reichs⸗ ö einzustellen, daß im Dienste gehalten werden önnen:

a. zur Bildung von aktiven Formationen:

9 Linienschiffe,

2 große Kreuzer,

v“”“

b. als Stammschiffe von Reserveformationen:

4 Linienschiffe,

4 Küstenpanzerschiffe,

2 große Kreuzer,

5 kleine Kreuzer;

c. zur Aktivierung einer Reserveformation auf die Dauer von 2 Monaten: 1 ]

2 Linienschiffe oder Küstenpanzerschiffe.

Die Bereitstellung der für die Indiensthaltung von Torpedo⸗

fahrzeugen, Schulschiffen, Spezialschiffen und Kanonenbooten erforderlichen Mittel unterliegt der jährlichen Fellezung durch den Reichshaushalts⸗Etat nach Maßgabe des

III. Personalbestand. 1“ § 5.

An Deckoffizieren, Unteroffizieren und Gemeinen der

Matrosendivisionen, Werftdivisionen und Torpedoabtheilungen

ansain⸗ 8 für

eineinhalbfache Besatzungen für die Auslande be⸗ 2) volle saßzungen für die zu aktiven Formationen flotte gehörigen Schiffe, 1 die Hälfte der Torpedofahrzeuge, die Schulschi e, 8 die Spezialschiffe;

3) Besatzungsstämme wei Drittel, übriges Personal die Hälfte der vollen aungen) für die zu Reserveformationen der heimischen Schlacht⸗

flotte gehörigen Schiffe, ddie zweite Hälfte der Torpedofahrzeuge 4) der erforderliche Landbedarf; 5) ein Zuschlag von fünf Prozent vom Gesammtbedarfe.

§ 6.

Die nach Maßgabe dieser Grundsätze erforderlichen Etats⸗ stärken der H.Maßgabse gieser Perfsgigtscrfen ö abtheilungen, sowie die Etatsstärken des sonstigen Personals B der jährlichen Festsetzung durch den Reichshaushalts⸗

esondere Beilage zeiger und Königlich Preußische

Berlin, Dienstag, den 30. November

Begründung. I. Theil.

Allgemeine Begründung.

Das deutsche Volk steht der Thatsache gegenüber, daß die Kriegsmarine zur Zeit in den wichtigsten Schiffsklassen weniger Schiffe besitzt als in früheren Jahren. Es fällt dies um so mehr ins Gewicht, als die meisten anderen Seemächte in den letzten 10 Jahren ihre Marinen erheblich verstärkt haben.

Wenn heute mobil gemacht würde, hätte die Marine statt der früher vorhanden gewesenen 14 nur 7 kriegsbrauchbare Linienschiffe zur Verfügung. Zwei Schiffe bedürfen einer längeren 11 ⁄½ jährigen Reparatur, zwei Schiffe sind als Schlachtschiffe kriegsunbrauchbar und 3 Schiffe sind im Bau begriffen. *) v ist die Marine mit ihrem heutigen Schiffsbestand in der Lage, Deutschlands Interessen im Aus⸗ lande so kraftvoll zu vertreten, als dies zu Anfang der achtziger Jahre möglich war. Die offtzielle Schiffsliste vom Jahre 1882 weist an großen Kreuzern 11 kriegsbrauchbare Kreuzerfregatten auf, außerdem eine im Bau befindliche. Seitdem sind an Stelle der Kreuzerfregatten die Panzerkreuzer

etreten. Die Schiffsliste vom Jahre 1897 weist keinen

Ffeseetsenser auf. Feur Aushilfe können im Nothfalle drei aͤltere, als Linienschiffe nicht mehr brauchbare Panzerschiffe und ein größerer, geschützter Kreuzer verwandt werden. Im Bau befinden sich 6 große Kreuzer. **)

Zur Beseitigung dieses Zustandes sind zwar in den letzten Jahren eine größere Anzahl von Neubauten in Angriff genommen und erhebliche Geldmittel für Schiffsbauten in den Etat ein⸗ gestellt worden, doch können diese Aufwendungen seitens der verbündeten Regierungen noch nicht als ausreichend erachtet werden. Um nun für die weiter aufzuwendenden Mittel eine sichere Grundlage zu gewinnen, ist es zunächst nothwendig, den Sollbestand an Schiffen festzusetzen. Da uͤber die Höhe dieses Soll⸗ bestandes andauernd verschiedene Anschauungen zu Tage ge⸗ treten sind, halten es die verbündeten Regierungen für noth⸗ wendig, den Sollbestand in den Haupt⸗Schiffsklassen gesetzlich festzulegen. Technische Bedenken gegen eine solche Festlegung sind nicht vorhanden. Die Schiffsklassen der Linienschiffe, großen Kreuzer und kleinen Kreuzer hat es seit Jahrhunderten gegeben und wird es auch weiter geben, da keine Erfindun der Neuzeit auf ein Aufhören derselben hindeutet. 12 dieser Schiffsklassen läßt der Entwurf der technischen Ent⸗ wickelung der einzelnen Schiffstypen freien Spielraum.

Es fang indeß nicht, den Sollbestand festzusetzen, sondern

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es bedarf auch der Bestimmung des Zeitraums, in welchem die zur Erreichung des Sollbestandes erforderlichen Neubauten fertigzustellen sind. Die Festsetzung dieses Zeitraums durch eine Denkschrift ist nicht ausreichend, da eine solche keine bindende Kraft besitzt. Gerade letzteres aber ist ein dringendes Bedürfniß, das in den letzten Jahren in gleicher Weise von den verbündeten Regierungen und der Volksvertretung empfunden worden ist. Da der Sollbestand nicht nach künftigen Bedürf⸗ nissen, sondern nach den heutigen Seeinteressen des Reichs zu bemessen ist, müßte derselbe schon jetzt 8. Die Flotte wird daher im Interesse der Sicherheit und der Wohl⸗ ahrt des Reichs so schnell als möglich auf die erforderliche Stärke gebracht werden müssen. Andererseits ist der Zeit⸗ raum, in welchem die für nothwendig erkannten Schiffe be⸗ schafft werden können, abhängig von der Finanzlage des Reichs, einer zweckmäßigen Beanspruchung der heimischen Privat⸗ industrie und der Staatswerften, sowie ferner von der Mög⸗ lichkeit, das nothwendige Personal heranzubilden. Nach diesen drei Gesichtspunkten konnte der erforderliche Zeitraum ohne Gefahr einer Ueberhastung auf 7 Jahre bemessen werden. Um ferner nach Erreichung des Sollbestandes auch die Erhaltung desselben 55 zu stellen, bedarf es einer gesetz⸗ lichen Regelung des atzes kriegsunbrauchbar werdender

Schiffe.

Pannit schließlich im Kriegsfalle die Schlachtflotte leistet, was von ihr erwartet wird, ist ein bestimmtes Maß von Friedensindiensthaltungen und das dazu erforderliche Personal unerläßlich. Wie später näher ausgeführt, hängt von dem Umfange der Indiensthaltungen die zu wählende Organi⸗ sation der Schlachtflotte, und als 8 derselben die Art der im Frieden vorzubereitenden Mobilmachungs⸗ und Operationspläne ab. Da eine Organisation etwas Dauerndes

und Feststehendes sein muß, müssen auch die zur Innehaltung

Anmerkung. ‧*) Kriegsbrauchbar: 4 Brandenburg⸗Klasse, 2 Sachsen⸗ Klasse, Oldenburg. Reparaturbedürftig: 2 Fasfen eaf. 1 Als Linienschiffe kriegsunbrauchbar: Kaiser, Deutsch⸗

land. Im Bau: Kaiser Friedrich III., Kaiser Wilhelm II., Ersatz König Wilhelm.

**) 1882 Kreuzerfregatten: Elisabeth, Hertha, Vineta, Leipzig, Prinz Adalbert, Bismarck, ee. Ne e, Stosch, Gneisenau, Stein. Im : Charlotte. Fertige oße Kreuzer Penreeee. keine.

ugbe fe verwendbar: König Wilhelm,

Kaiser, W s in Augusta.

Im Bau: Fürst Bismarck, Victoria Luise,

Hertha, Freya, Kreuzer M, Kreuzer N.

1897.

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Indiensthaltungen dauernd,

der Organisation erforderlichen d. h. 8 gesichert sein. Die in Folge der gesetzlichen Bestimmungen über Soll⸗ stärke, Bes affüngaheit, Ersatzbau, Bnbienftholtungen und Personal erforder ichen Geldmittel sind verfassungsmäßig für Jahr zu veranschlagen und auf den Reichshaushalts⸗Etat zu bringen.

Zur gesetzlichen Festlegung der Stärke der Marine ist es erforderlich, in eine Prufreng der Bedürfnisse einzutreten. Zu den Aufgaben der vaterländischen Kriegsmarine, welche in dem Flottengründungsplane von 1873 dargelegt sind:

1) Schutz und Vertretung des Seehandels auf allen Meeren,

2) Vertheidigung der vaterländischen Küsten, 3) Entwickelung des eigenen Offensivvermögens ist noch als 4. Aufgabe der Schutz der Kolonien getreten.

Seitdem die erstgenannten 85 im Ichre 1873 die Zustimmung von Bundesrath und Reichstag gefunden haben, sind die Seeinteressen Deutschlands infolge des Aufschwungs von Handel und Industrie, der von Aus⸗ und Einfuhr, der zunehmenden Anlage deutscher Kapitalien im Auslande, der Erwerbung der Kolonien, des kräftigen Auf⸗ blühens der Seefischerei und der stetig zunehmenden Bevölke⸗ rung in damals kaum geahnter Weise gestiegen. Damit ist aber auch die Möglichkeit zu Interessenkonflikten mit anderen Nationen gewachsen. Eine ernstliche Schädigung der Seeinter⸗ essen würde heute für das gesammte deutsche Volk unabseh⸗ bare Folgen nach sich ziehen. Will das deutsche Volk der⸗ artigen Folgen vorbeugen, will es in den kommenden Jahren seine wirthschaftliche Stellung behaupten und auf dieser Bahn weiter for⸗ reiten, so ist eine mäßige Verstärkung der heute. vorhandenen Marine unerläßlich. 1

Es soll nicht verkannt werden, daß die Anschauungen über die Art und Weise, wie obigen Aufgaben gerecht zu werden ist, in den letzten 30 Jahren Schwankungen gezeigt haben. Es ist dies aber nicht in der deutschen Marine allein der Fall gewesen, sondern alle größeren Marinen haben diesen Gährungs⸗ prozeß durchzumachen gehabt. Nachdem indeß in der tech⸗ nischen Entwickelung eine gewisse Ruhe eingetreten ist und jetzt in allen Marinen im wesentlichen dieselben Schiffsklassen und Schiffstypen vorhanden sind, haben sich die Seemächte im letzten Jahrzehnt hauptsächlich der Durcharbeitung der or⸗ ganisatorischen, taktischen und strategischen Marinefragen ge⸗ widmet, und sind heute die Anschauungen hierüber so geklärt, daß keine Bedenken vorliegen, Stärke und Zusammensetzung der Kriegsmarine in der Weise, wie es im Gesetzentwurfe ge⸗ schehen, gesetzlich festzulegen.

Schutz und Vertretung des Seehandels auf allen Meeren und Erweiterung seiner Rechte und Beziehungen fallen vor⸗ wiegend in die Friedenzeit. Dazu rechnet auch der Schutz, der dem deutschen Staatsbürger im Auslande gegen fremde Uevergriffe zu gewähren ist. Das bisherige Verfahren, die⸗ jenigen ausländischen Stationen, auf denen Deutschland größere Interessen son⸗ mit kleinen Kreuzern zu besetzen und daneben einige Schiffe größerer Gefechtsstärke im Dienste zu halten, hat sich bewährt.

Zur Wahrnehmung der heutigen Seeinteressen des Reichs im Auslande werden 8 Fgroße Kreuzer, und zwar

2 in Ost⸗Asien,

1 in Mittel⸗ und Süd⸗Amerika, 10 kleine Kreuzer, und zwar 3 in Ost-⸗Asien, 8 3 in Mittel⸗ und 2 in Ost⸗Afrika, 2 in der Südsee, 4 Kanonenboote, und zwar 2 in Ost-Asien, 2 in West⸗Afrika, 1 Stationsschiff für erforderlich erachtet. Im laufenden Jahre konnten zur Vertretung der deutschen Interessen nur eine Kreuzer,

2 Kanonenboote und öebb“ b 8 verfügbar gemacht werden, und auch r dadurch, da der heimischen Schlachtflotte die 3 besten und brauchbarsten der vorhandenen Aufklärungsschiffe*) entzogen wurden.

Um aber den Auslandsdienst in o vr. Umfange 1* ver⸗ sehen, ist in der Heimath eine Material⸗Reserve 2 rlich, aus der reparaturbedürftige Fösfe ersetzt werden können.

Diese Material⸗Reserve ist so hoch zu bemessen, daß sich aus ihr auch Verstärkungen entnehmen lassen, wenn zur Bei⸗

Süd⸗Amerika,

Anmerkung. *) In Ost⸗Astien: 1 großer, 4 kleine Kreuzer: Kaiser, rene, Prinzeß Wilhelm, Arcona, Cormoran. Im Mittelmeer: 1 großer Kreuzer: Kaiserin Augusta (nur vorübergehend) und 1 Stationsschiff. In I 2 kleine Kreuzer: Condor und See⸗ adler.

In der Südsee: 2 kleine Kreuzer: Bussard und alte 8 8 t⸗Afrika: t und Hhäne. *²) Kaiserin Augusta, Irene, Pri Wi 88

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