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Seine Majestät der König übergab hierauf die Fahnen
mit folgender Ansprache:
„Indem Ich heute den neuen Regimentern Fahnen verliehen
habe, rechne Ich mit dem heutigen Tage darauf, daß die Truppen die Be⸗
deutung dieser Fahnen richtig auffassen. Die Fahne ist nicht nur ein leerer Schmuck, sie ist nicht bloß ein Erkennungszeichen der Truppen,
sie ist ein Zeichen, daß bei allen Bataillonen ihr König und Kriegs⸗
herr im Geiste immer bei ihnen ist; sie ist ein Kleinod, welches die Ehre der Truppe in sich schließt, dessen selbstverschuldeter Verlust unvergängliche Schmach ihr zufügen wird. Ich rechne darauf, daß die Truppen, welche heute ihre neuen Fahnen bekommen haben,
e in Noth und Gefahr vertheidigen werden. Ich habe zur
eebergabe den heutigen Tag gewählt, als den Tag von Villiers, wo die alten Regimenter, und namentlich das Schützen⸗Regiment, gegen⸗ über großer Uebermacht und tapferen Gegnern, unvergänglichen Ruhm sich erworben haben. Ich rechne also darauf und hoffe, daß die neuen Regimenter dem Beispiel der alten Regimenter nacheifern und daß diese Fahnen dazu dienen werden, König und Vaterland tapfer und unerschrocken zu vertheidigen. Das walte Gott!“
Hiernach befahl Seine Majestät das Präsentieren als erstes Honneur für die Fahnen.
Nach Beendigung dieser Ehrenerweisung wandte Seine Königliche Hoheit der kommandierende General Prinz Georg sich mit nachstehenden Worten an Seine Majestät den König:
„Ich danke Eurer Majestät im Namen der hochbeglückten neuen Regimenter, die ihren tiefgefühltesten und ehrerbietigsten Dank dar⸗ bringen für alle die Gnade, die ihnen am heutigen Tage zu theil ge⸗ worden ist; zunächst für die Fahnen selbst, welche sie am heutigen Tage bekommen haben, und dann auch für die gnädigen und erhebenden Worte, die Eure Majestät in so huldvoller Weise gesprochen haben. Wir danken Eurer Majestät, daß Eure Majestät diesen Tag, einen Ruhmestag, zu dieser Feier ausgewählt haben. Es sind heute gerade 27 Jahre, daß sich wenige sächsische Bataillone einem übermächtigen Feinde todesmuthig ent⸗ gegenwarfen, und nahe daran, vollständig zu verbluten, gelang es ihnen trotzdem, den Widerstand zu brechen und den Siegeslauf des Feindes zu hemmen, mit einem Worte, den Sieg zu erringen. Es werden die Regimenter, so oft sie die Fahnen wehen sehen, an den Tag denken, an dem sie dieselben zu ihrer höchsten Freude bekommen haben. Und in den künftigen Kriegen, wenn es ihnen gegönnt sein wird, diese Fahnen zum Sturme zu entfalten, werden sie wie die alten Regi⸗ menter heldenmüthig und freudig ihr Blut und ihr Leben opfern. In diesem Sinne rufe ich aus: Seine Majestät, unser Allergnädigster König und Kriegsherr Hurrah!“
Die Lieutenants salutierten hierauf mit den Fahnen, die Kompagnie präsentierte, und die Musik stimmte die National⸗ hymne an. Ein Parademarsch der Kompagnie, die Fahnen in zwei Gliedern vor der vordersten Sektion, beendete die feierliche Zeremonie.
Heute früh haben sich Seine Majestät der König und Seine Königliche Hoheit der Prinz Georg nach Berlin be⸗ geben, um auf Einladung Seiner Majestät des Kaisers an den Jagden in Königs⸗Wusterhausen theilzunehmen.
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Oesterreich⸗Ungarn.
Bei dem Kaiser fand gestern das erste Diner für die Mitglieder der Delegationen statt. An demselben nahmen die Präsidien beider Delegationen, 28 Mitglieder der öster⸗ reichischen Delegation, 26 Mitglieder der ungarischen Delegation, die gemeinsamen Minister Graf Goluchowski, Baron Kallay, von Krieghammer, Admiral Freiherr von Sterneck und die Minister⸗Präsidenten Dr. Freiherr von Gautsch und Baron Banffy theil.
In der gestrigen Plenarsitzung der österreichischen Delegation beantragte bei der Berathung des Budgets des Ministeriums des Aeußern der Referent, Delegirter Dumba, dem Grafen Goluchowski das vollste Vertrauen auszu⸗ sprechen. Der Delegirte Groß (deutsch⸗fortschrittlich) begrüßte die Annäherung Oesterreichs an Rußland, meinte aber, daß diese Annäherung etwas beschränkt werden müsse, und zwar wegen des Bündnisses zwischen Rußland und Frankreich. Redner besprach die Ereignisse der letzen Tage im Parlament und in
öhmen und erklärte, die Deutschen würden, falls das bis⸗ herige System in der inneren Politik fortdauern sollte, den Kampf weiterführen. Der Delegirte Hezelb (Jungczeche) verwahrte sich dagegen, daß die Czechen immer eine besondere Vorliebe für Rußland gehabt hätten. Redner verwies darauf, daß die große Majorität der Bevölkerung Oesterreichs nicht deutsch sei, besprach die Vorgänge in Prag und bemerkte, daß, nachdem in Saaz Häuser der Czechen ge⸗ stürmt worden seien, man auf andere Excesse habe gefaßt sein müssen. Der Delegirte Oppenheimer gedachte dankbar des Dreibundes, begrüßte die Annäherung an Rußland und sagte, es sei hohe Zeit, daß Frieden im Innern eintrete, damit die Kräfte des Reichs voll zur Entfaltung ge⸗ langen könnten. Der Redner wies indessen die Be⸗ hauptung zurück, daß der Werth der österreichischen Monarchie als Bundesgenosse durch die innere Krise eine Schmälerung erfahren habe. Der Delegirte Graf Dzie duszycki erklärte, die Polen verträten seit langer Zeit keine andere Politik als die österreichiscche. Da die Monarchie im Dreibunde als voll⸗ ständig gleichberechtigter, ebenbürtiger und unabhängiger Faktor gelten müsse, sei es mißlich, ihre Betheili⸗ ung am Dreibunde von nationalen Rücksichten ab⸗ Für zu machen. Die Polen verfolgten auch in der inneren Politik nur ein Ziel: das Wohl und die Machtstellung Oester⸗ reichs, und ließen sich weder von Sympathie noch Antipathie gegen ein Volk leiten. Redner appellierte schließlich an die Deutschen, Treuga Dei zu gewähren, damit das Ausgleichs⸗ Provisorium verfassungsmäßig zu stande komme. Niemand wolle die Deutschen Oesterreichs unterdrücken. Der Delegirte Fürst appellierte an alle Parteien, von ihrer Erregung abzulassen und sich in Frieden dem Ausgleich zuzuwenden. Der Delegirte Guiewosz lenkte die Aufmerksamkeit des Ministers auf die interparlamentarische Konferenz. Der Delegirte Dobernig erklärte, der Kampf der Deutschen sei nicht bloß ein Ringen des Volkes um seine Existenz, sondern auch ein Ringen um die Großmachtstellung der Monarchie, deren unerschütterliche Grundlage das deutsche Volk bilde. Die Deutschen seien zum Ab⸗ schluß des langersehnten Friedens bereit. Der Delegirte Dr. Kramarz sagte, seine Partei wolle kein slavisches Oesterreich, aber sie dürfe nicht zugeben, daß im Interesse der äußeren Politik proklamiert werde, Oesterreich sei ein deutscher Staat. Oesterreich könne kein deutscher Staat sein, weil seine Grund⸗ bedingungen dem nicht entsprächen. Bezüglich der inneren Päliti sei von allen Seiten gefehlt worden, jetzt sei die höchste
eit zur Einsicht. Die Jungczechen seien steis zum Frieden bereit gewesen. Doch sei derselbe nur auf der Grundlage der Gleichberechtigung möglich. Der Delegirte Groß erklärte, daß die Deutschen zu einem billigen, gerechten Frieden mit Freuden bereit seien. Nach dem Schlutworte des Referenten
Dumba wurde das Budget des Ministeriums des Aeußern,
ebenso wie der Ausdruck des vollen Vertrauens für den Minister Grafen Goluchowski einstimmig angenommen.
Die Mitglieder der ungarischen Delegation be⸗ gaben sich gestern auf die Einladung des Kriegs⸗Ministers nach dem Schießplatz von Steinfeld, wo der General⸗Artillerie⸗ Inspektor Kropatschek die Neuerungen zeigte, welche an den Feldgeschützen vorgenommen sind, um dieselben zu Schnellfeuer⸗ geschützen umzugestalten. Die Schießversuche ergaben, daß zehn Schüsse mit dem nicht adaptierten Geschütz in 3 Minuten 33 Sekunden, mit dem adaptierten in kaum 2 Minuten ab⸗ gegeben wurden.
Ein Communiqué der gestrigen „Wiener Abendpost“ weist auf die Prager Ereignisse hin, welche in grellem Licht die solgen der bis zur Siedehitze gesteigerten nationalen Leiden⸗ schaften zeigten. Wohl nie habe eine Regierung unter schwierigeren Verhältnissen die Aufgabe übernommen, für die Aufrechterhaltung der Autorität der Staatsgewalt, für das gesetzmäßige Funktio⸗ nieren des Staatsorganismus und für den Schutz der Sicherheit aller Bevölkerungskreise, sowie für die Wahrung der gemein⸗ samen Interessen der Monarchie zu sorgen. Die getroffenen Maßnahmen zeigten, daß die Regierung entschlossen sei, ohne Schwanken nachdrücklich, nach Maßgabe des Erfordernisses und unter Absehen von jedem politischen Parteistand⸗ punkte, nach Recht und Gesetz vorzugehen. Es sei dringend ncnschenamnerth, daß diese Aufgaben der durch Kaiserliche Machtvollkommenheit berufenen Regierung klar erkannt würden und daß die Regierung in diesem Augenblicke von kaum absehbarer Tragweite die Unterstützung der Ge⸗ sammtheit bei der Erfüllung ihrer Aufgabe finde, welche unter allen Umständen und mit allen Mitteln durchzuführen sein werde und allen zur Mitwirkung Berufenen eine große Ver⸗ antwortung auferlege.
Der Statthalter von Böhmen Graf von Couden⸗ hove hat gestern in Prag folgende Bekanntmachung erlassen:
„Der Minister des Innern hat im Einvernehmen mit dem K. K. Justiz⸗Ministerium auf Grund des § 430 der Strafprozeßordnung die Verhängung des Standrechts über Prag sowie die Gerichtsbezirke Karolinenthal, Königliche Weinberge, Ziskow und Smichow bezüglich des im § 85 des Stra'gesetzes bezeichneten Verbrechens der öffentlichen Gewaltthätigkeit durch boshafte Beschädigung fremden Eigenthums ver⸗ fügt. Dies wird mit dem Befehl Kerdeaeht. daß sich Jedermann von allen Beschädigungen fremden Eigenthums, allen Aufreizungen und aller Theilnahme daran zu enthalten und sich den zur Unterdrückung jedes
widrigenfalls jeder, der sich nach der Kundmachung jenes Verbrechens schuldig macht, standrechtlich gerichtet und mit dem Tode keftraft vecen⸗
Diese Bekanntmachung wurde in allen Straßen Prags und den bezüglichen Vororten ausgerufen.
Eine Versammlung von Stadtverordneten und von Mitgliedern böhmisch⸗nationaler Studentenverbin⸗ dungen und Arbeitervereine in Prag wählte gestern einen Sicherheitsausschuß und sandte eine Deputation an den Statt⸗ halter, um ihm den Vorschlag zu unterbreiten, daß der Sicherheits⸗ ausschuß für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Sicherheit der Bewohnerschaft sorgen solle und der Statthalter das Militär zurückziehe. Der Statthalter Graf von Coudenhove er⸗ klärte, er könne auf den Antrag nicht eingehen, weil er selbst für die Sicherheit der Bewohner verantwortlich sei, bitte jedoch, auf die Bevölkerung einzuwirken, damit keine Ruhe⸗ störungen mehr vorkämen.
In Smichow lehnte sich ein Theil der Bevölkerung gegen das Standrecht auf. Als die Verhängung des Stand⸗ rechts verkündet wurde, brachen einzelne Personen in Hohnrufe aus. Einige derselben wurden verhaftet und werden standrechtlich behandelt werden. Zwei Stunden nach der Proklamierung des Standrechts versuchten einige Excedenten, die Synagoge zu demolieren, und schleuderten Steine gegen die Militärpatrouille, welche herbeigeecilt war. Das Militär feuerte, verwundete jedoch niemand. Die Excedenten ergriffen indessen die Flucht. Im Laufe des gestrigen Tages wurden insgesammt 18 Personen verwundet, darunter zwei Soldaten. Um 11 Uhr Nachts herrschte in Prag und den Vororten vollständige Ruhe, sodaß das Militär größtentheils zurückgezogen werden konnte. Auch die Nacht ist vollkommen ruhig verlaufen.
Gestern fanden in Pllßen und Beraun antideutsche Demonstrationen statt, bei denen das Militär einschreiten mußte. In Bodenbach wurde gestern der Versuch gemacht, die böhmische Schule zu demolieren. Die dortigen Behörden haben infolge dessen Militär und Gendarmerie zur Unter⸗ stützung erbeten. 2
Das ungarische Unterhaus trat gestern zu einer formellen Sitzung zusammen. Der Abg. Kossuth richtete an die Regierung eine dringende Interpellation mit der Frage: Wann gedenkt die Regierung mit Rücksicht auf die Verhält⸗ nisse in Oesterreich von ihrem Recht Gebrauch zu machen und einen auf dem Prinzip der Selbstbestimmung basierenden Gesetz⸗ entwurf vorzulegen? In seiner Motivierung verwies der Abg. Kossuth auf die Vorgänge im österreichischen Parlament und führte aus:
In Oesterreich bestehen seit langem Ausnahmezustände. Die Minorität benutzt die Pultdeckel als Argumente. Die Majorität ge⸗ berdet sich als Tyrann, begeht mit der lex Falkenhayn einen offenen Verfassungsbruch und läßt die Abgeordneten durch Polizeiorgane aus der Stätte der Gesetzgebung hinauswerfen. Auf die Frage. ob in Oesterreich der parlamentarische Konstitutionalismus errscht, wird die gesammte gebildete Welt mit „nein“ antworten. Die gewaltthätige Durchsetzung des Ausgleichs⸗Provisoriums, die Art und Weise, wie die ungarische Regierung dieselbe fordert, ist geeignet, in dem österreichischen Volke den Glauben zu erwecken, als ob daraus für Ungarn übermäßige Vortheile erwüchsen, während doch, wie Alle wissen, sie uns nur übermäßige Opfer auferlegt. Mit Rück⸗ sicht darauf, daß der österreichische Reichsrath vertagt ist und uns nur noch eine kurze Zeit vom 1. Januar trennt, ist es nothw dg, daß sich die ungarische Regierung über ihre Absichten äußert.“ .
Frankreich.
Der Senator Milliard ist zum Justiz⸗Minister er⸗ nannt worden.
Die Deputirtenkammer hat gestern ohne Debatte den deutsch⸗französischen Vertrag, betreffend die Abgrenzung von Togo, angenommen.
Italien.
Der Chef des Stabes der römischen Division, Major Graf Nasali⸗Rocca ist an Stelle des Obersten di Majo zum Militär⸗Attaché in St. Petersburg ernannt worden.
Die Deputirtenkammer berieth gestern über das in der Angelegenheit des Deputirten Crispi einzuhaltende Ver⸗ fahren. Im Laufe der Berathung wurde, wie 68. meldet, vorwiegend der Gedanke, eine besondere Kommission zur Vorberathung der Sache einzusetzen, zum Ausdruck gebracht
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Der Justiz⸗Minister Gianturco erklärte, er sei auf Verlangen der Kammer bereit, die Akten des Prozesses einem Ausschuß, unter den nöthigen Bürgschaften für Wahrung des Geheimnisses der Untersuchungsakten und der Rechte der uͤbrigen in dem ozeß angeklagt gewesenen Personen, vorzulegen. Die Kommission könne und solle dann die ihr angezeigt erscheinenden Nachforschungen an⸗ stellen. Er glaube, daß Crispi selbst der Erste sei, der eine solche Untersuchung wünsche. Deputirte Crispi das Wort und erklärte, daß er eine ausgiebige und vollständige Erörterung der Angelegenheit wünsche. Er scheue das Licht nicht: die Prüfung der Thatsachen werde er⸗ geben, daß nichts gegen ihn vorliege. Er sei ein Opfer der Verleumdung; wenn die Angelegenheit nicht vor die Kammer gebracht worden wäre, würde er die Verleumdungsklage an⸗ gestrengt haben. Er erinnere an das, was er als Minister zur Unterdrückung des Aufstandes in Sizilien und der Luni⸗ giana sowie zur Ordnung der Landesfinanzen gethan habe.
abe er Irrthümer begangen, so fordere er doch von den Siegern von heute ein freundliches Urtheil. Er verlange auch seinerseits die Einsetzung eines Ausschusses, welcher nothwendig ein Untersuchungs⸗Ausschuß sein muͤsse. Wenn er zur Aussage aufgefordert werde, werde er nichts unterlassen, damit die Wahrheit voll ans Licht komme. Dies sei indessen für ihn im Alter von 78 Jahren schmerzlich, nachdem er 53 Jahre seines Lebens dem Dienste des Vaterlandes ge⸗ widmet habe. (Hier wurde der Redner seitens der Sozialisten Prampolini und Pescetti heftig unterbrochen; der Präsident rief beide zur Ordnung.) Crispi fuhr fort und sagte, er werde auch gegenüber den Invektiven seiner Gegner die Ruhe nicht verlieren. Er möge Fehler begangen haben, aber mit lauterer Seele und reinem Gewissen; er werde mit dem Namen Italiens auf den Lippen sterben. Er wünsche nur, die letzten Jahre seines Lebens in Ruhe zu ver⸗ bringen. Wenn Italien seiner bedürfen sollte, so werde er stets bereit sein, dem Lande zu dienen, aber er strebe nicht nach der Macht, wie er auch nie danach gestrebt habe. Schließlich nahm das Haus durch Erheben von den Sitzen mit sehr großer Mehrheit eine von dem Deputirten Nocito beantragte Tagesordnung an, durch welche der Präsident be⸗ auftragt wird, eine Kommission von fünf Mitgliedern zu er⸗ nennen, die ohne Verzug der Kammer die ihr angezeigt er⸗ scheinenden Vorschläge machen soll. Die Sitzung wurde
1 sodann geschlossen. Verbrechens ergehenden Anordnungen der Obrigkeit zu fügen habe,
Türkei. Das Wiener „Telegr.⸗Korresp.⸗Bureau“ berichtet aus
Konstantinopel, daß, nach übereinstimmenden Konsular⸗
meldungen aus Djakova, die Ordnung daselbst wieder⸗ hergestellt sei. Der Bazar sei wieder geöffnet. Dagegen würden in Ipek Unruhen befürchtet. Die Gefangennahme Riza Bey's sei noch nicht bestätigt.
Amerika.
Nach einer Meldung aus Havanna haben sich die Auf⸗ ständischen des kleinen Ortes Parte in der Provinz Santiago bemächtigt; die Spanier bereiteten sich vor, denselben wieder zu nehmen. — In den Bergen von Pinar del Rio wurden die Aufständischen von den Spaniern geschlagen; der Feind zog sich zurück und nahm die Todten und Verwundeten mit sich fort. Die Spanier hatten 3 Todte und 20 Ver⸗ wundete. — Die cubanischen Reformisten werden sich nicht mit den Autonomisten verschmelzen.
Wie der „Times“ aus Montevideo gemeldet wird, ist Dr. Salterain zum Minister des Auswärtigen ernannt worden an Stelle Ferreira's, welcher zurückgetreten ist.
Asien.
Aus Simla berichtet das „Reuter'sche Bureau“, daß eine britische Streitmacht am Mittwoch in das Chamkanni⸗Gebiet vorgerückt sei und 30 Dörfer niedergebrannt habe. Der Feind habe in dem Thale eine starke Stellung innegehabt und von den steilen Felsabhängen das Feuer eröffnet. Auch als die britischen Truppen sich schon auf dem Rückmarsch in das Lager befunden hätten, seien sie noch fortwährend vom Feinde in Unruhe erhalten worden. Auf britischer Seite seien ein Offizier und zwei Soldaten getödtet, zwei Offiziere und vierzehn Soldaten verwundet worden.
Parlamentarische Nachrichten.
In der heutigen (3.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. Nieberding bei⸗ wohnte, wurde zunächst ein Schreiben des Abg. Dr. Paasche (nl.), in welchem derselbe anfragt, ob durch seine Ernennung zum ordent⸗ lichen Professor am Polytechnikum in Charlottenburg sein hee erloschen sei, der Geschäftsordnungs⸗Kommission über⸗ wiesen.
Auf der Tagesordnung stand zunächst die erste Berathun des Abkommens zur gemeinsamen Regelung einiger Fragen des internationalen Privatrechts, welches auf Vorschlag der Abgg. Dr. Spahn (Zentr.) und Dr. von Cuny (inl sofort auch in zweiter Lesung ohne Debatte genehmigt wurde.
Es folgte die erste Berathung des Gesetzentwurfes
über die Angelegenheiten der freiwilligen Ge⸗
richtsbarkeit.
Abg. Dr. Spahn (Zentr.) beantragt, die Vorlage einer Kommission von 21 Mitgliedern zu überweisen, damit alle Theile des deutschen Vaterlandes in derselben vertreten sein könnten. Es könnte aus der Fassung der Vorschriften über die Anwendung fremder Sprachen der Anschein entstehen, als ob eine schärfere Handhabung in sprachlicher Beziehung heabsichtigt sei. Einer solchen Aenderung der bestehenden Gesetzgebung könnten seine politischen Freunde nicht zustimmen. Die systematische Anordnung der Vorlage entspreche nicht ganz der systematischen Anordnung des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Wenn auch die einzelnen Staaten sich in Bezug auf die systematische Anordnung ihrer Ausführungsgesetze freie Hand gäben, so würde der Wirrwarr ein großer werden. Die einzelnen deutschen Staaten sollten sich an ein einheitliches System halten, namentlich an das Bürgerliche
Se e. . Abg. Kauffmann (fr. Volksp.) erklärt, er schließe sich dem Antrage auf Kommissionsberathung an, der auch die einzelnen Punkte am besten überlassen würden. Im allgemeinen aber sei zuerkennen, daß die Vorlage einen bedeutenden Schritt vo wärts auf dem Gebiete der Rechtseinheit bedeute. Während bei anderen Ausführungsgesetzen meistens die preußische Gesetz⸗ gebung als Vorbild gedient habe, habe es hier an einem solchen Vorbild gefehlt. In mehreren Beziehungen habe die neuere elsaß⸗lothringische Gesetzgebung als Muster gedient, und das sei mit Freuden zu begrüßen. Ein Fortschritt sei es zum Beispiel, daß die Beschwerde gegen die Handelsrichter an die Kammer für Handels⸗ s he. Redner bespricht schließlich eingehend das Verfahren i
Nach dem Minister ergriff der
(Soz.) das Wort.
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Vormundschaftssachen und führt aus, daß der Entwurf in dieser Be⸗ zehung bedenklich kasuistisch sei. b
Abg. Dr. von Cuny (nl.) erklärt ebenfalls, er schließe sich dem Antrage auf Kommissionsberathung namens seiner reunde an. Die Vorlage sei dringend nothwendig, da 88 mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch zusammen in Kraft treten müsse. Der Reichstag werde die Vorlage unbedingt zu stande bringen müssen, und die Aeußerungen der Vor⸗ redner ließen hoffen, daß diese Ansicht überall getheilt werde. Einzelne Ausstellungen an der Vorlage schienen lediglich auf Miß⸗ verständniß zu Der Wunsch könne allerdings entstehen, daß eine Ausdehnung des Gesetzes herbeigeführt würde, aber man sollte dabei nicht in den Forderungen zu weit gehen. Auf die Besonder⸗ heiten der Einzelstaaten könne man Rücksicht nehmen, soweit dabei nicht lediglich finanzielle Gesichtspunkte maßgebend seien. Wünschenswerth sei ferner, daß bei der Anordnung der Materien auch die süc, an den Gedankengang des Bürgerlichen Gesetz⸗ buches anschließen möchten. 1 8 Abg. Dr von Buchka (d. kons.) meint, daß die Verhandlungen ruhig verlaufen würden, da es überhaupt nicht möglich sein werde, etwas Bedeutendes über die Vorloge zu sagen. Redner erklärt sich mit der von der Vorlage beliebten Regelung der Zuständigkeit und auch damit einverstanden, daß die einzelstaatliche Gesetzgebung sich der Systematik des Bürgerlichen Gesetzbuches an⸗ schließen sole. Mit dem Antrage auf Kommissionsberathung sei er ebenfalls einverstanden.
Bei Schluß des Blattes nahm der Abg. Stadthagen
In der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“ werden die dem Reichstage vorgelegten Entwürfe ewkfestuͤngegesege zur Militärstraf⸗ gerichtsordnung und eines Gesetzes, betreffend die Dienst⸗ vergehen der richterlichen Militär⸗Justizbeamten und die unfreiwillige Versetzung derselben in eine
andere Stelle oder in den Ruhestand, veröffentlicht.
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Dem Reichstage ist eine Denkschrift über die Aus⸗ führung der seit dem Jahre 1875 erlassenen Anleihe⸗ gesetze übermittelt worden.
— Die Abgg. Auer und Genossen haben nack stehende schleunigen Anträge eingebracht: Der Reichstag wolle beschließen, den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, zu veranlassen, daßs 8
1) das gegen den Abg. Brühne bei dem Landgericht in Frank⸗
furt a. M. wegen Beleidigung eines Gendarmen,
2) das gegen den Abg. Möller (Waldenburg) bei dem Amtsgericht 8 zu Bochum wegen Uebertretung des preußischen Vereinsgesetzes
webende Strafverfahreu, . sa 3) die gegen den Abg. Schmidt (Frankfurt) bei dem Landgericht zu Fee 8 webenden Strafverfahren, 8 4) die gegen den Abg. Stadthagen schwebenden Strafrerfahren, 5) das gegen den Abg. Vogrherr bei dem Landgericht zu Magde⸗ burg wegen Majestätsbeleidigung, Beleidigung des Reichs⸗ kanzlers und des preußischen Staats⸗Ministeriums schwebende Strafrerfahren — sämmtlich während der Dauer der gegenwärtigen Session eingestellt werden.
— Der Abg. Graf von Oriola hat mit Unterstützung der nationalliberalen Fraktion den Antrag eingehracht; den Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstag baldthunlichst einen Gesetzentwurf vorzu⸗ legen, durch welchen unter Berücksichtigung der steigenden Kosten der Lebenshaltung den berechtigten Wünschen der Militär⸗ Invaliden, insbesondere auch in Bezug auf die Versorgung der Wittwen und Waisen, die Entschädigung für Nichtbenutzung des Zivilversorgungsscheins und die Belassung der Militärpension reben dem Zivildiensteinkommen respektive der Zivilpension, Rechnung ge⸗ tragen wird.
— Die nationalliberalen Abgg. Dr. Paasche, Basser⸗ mann und Dr. Clemm (Ludwigshafen) haben den Erlaß eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des EE1“ in folgender Form beantragt: Den Vorschriften des § 7 des Zoll⸗ tarifgesetzes vom 15. Juli 1879, ergänzt durch das Gesetz vom 14. April 1894, werden folgende Bestimmungen hinzugefügt: 5) Be⸗ triebsstätten oder Theile von Betriebsstätten, welche unter ständiger
Aussicht der Zollbehörden ausschließlich für den Absatz ins Ausland
arbeiten, gelten in Bezug auf die von ihnen bezogenen und ausge⸗ führten Rohstoffe, Halb⸗ und Ganzfabrikate als Zollausland. Ueber die nothwendigen Kontrolmaßregeln trifft der Bundesrath Bestimmung.
— Die Fraktion des Zentrums des Reichstages hat den Antrag auf Aufhebung des Gesetzes über den Orden der Ge⸗ sellschaft Jesu vom 4. Juli 1872 wieder eingebracht.
Arbeiterbewegung.
‚2us Hanau wird der „Fikf. Zto.“ berichtet, daß die dortigen
Diamantschleifer in einer Versommlung am Mittwoch be⸗ schlossen haben, den Ausstand bedingungslos zu beenden.
Steatistik und Volkswirthschaftt.
Die Gesammtleistungen der deutschen Reichs⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung im Jahre 1896.
Das deutsche Reichs⸗Post⸗ und Telegraphengebiet umfaßt 445 115,24 qkm s(ohne die Meerestheile: Haffe, Bodden und dergl.) mit 44 380 206 Einwohnern nach der Zählung vom 2. De⸗ zember 1895. Es entfallen hiernach durchschnittlich 100 Einwohner auf 1 qkm. Nach den tabellarischen Uebersichten der soeben erschienenen „Statistik der deutschen Reichs⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung für das Kalenderjahr 1896“ waren in diesem Gebiete im vergangenen Jahre vorhanden: FHee ren 30 019 (gegen 28 726 im Jahre 1895),
eichs⸗Telegraphenanstalten 14 237 (im Vorjahre 13 739), Verkaufsstellen für Postwerthzeichen 20 022 (im Vorjahre 19 272), ennue. 89 640 (im Vorjahre 86 569), reichseigene Post⸗ und
elegraphengrundstücke 452 (im Vorjahre 442), Beamte, Unter⸗ beamte u. s. w. 161 000 (im Vorjahre 154 293). Die Gesammtzahl der durchdie Postbeförderten Sendungen betrug 3 587 475 002 (gegen 3 428 866 041 im Jahre 1895), die der beförderten Telegramme 34 856 455 (im Vorjahre 34 602 830), die Zahl der von den Stadte⸗Fernsprech ⸗Vermittelungs⸗ anstalten ausgeführten Verbindungen 562 255 778 (im Vorjahre 498 360 991). Der Gesammtwerth der durch die Post ver⸗ mittelten Geld⸗ u. s. w. Sendungen belief sich auf
21 426 452 271 ℳ, d. i. 586 678 968 ℳ weniger als im Jahre 1895,
das Gesammtgewicht der durch die Post beförderten Päckereien ackete mit und solche ohne Werthangabe, sowie Briefe mit eerthangabe) auf 579 359 910 kg (im Vorjahre auf 548 687 960 kg). Die Gesammteinnahmen betrugen 299 739 240 ℳ (gegen 287 049 616 ℳ im Jahre 1895), die Gesammtausgaben 273 010 211 ℳ (im Vorjahre 261 781 081 ℳ), der Ueberschuß hiernach 26 729 029 ℳ (im Vorjahre 25 268 535 ℳ).
Von den durch die Poft beförderten 3 587 475 002 Sendungen waren Briefsendungen (Briefe, Postkarten, Drucksachen, Waarenproben, Postanweisungen und Postauftragsbriefe) 3 435 501 976 (im Jahre 1 3 285 303 561 äckerei⸗ und Geldsend (Packet d
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solche mit Werthangabe, Briefe und Kästchen mit Werthangabe) 151 973 026 (gegen 143 562 480 im Vorjahre). Die Zahl der be⸗ förderten Briefe einschließlich der Zustellungsurkunden stieg von 1 225 928 510 im Jahre 1895 auf 1 273 216 390 im Jahre 1896, die der Postkarten von 443 794 860 auf 476 021 820, die Zahl der Drucksachen (ohne die Zeitungsnummern) und Geschäftspapiere von 492 262 270 auf 524 053 780, die der Waarenproben von 35 446 170 auf 37 956 040, die der Postanweisungen von 95 349 264 auf 100 363 921, während die Zahl der Postauftragsbriefe von 6020 145 auf 5 679 728 zurückgegangen ist. Die Gesammtzahl der durch die Post bezogenen Zeitungsnummern erhöhte sich von 910 221 741 auf 926 128 761 und die der außergewöhnlichen Zeitungs⸗ beilagen von 76 280 601 auf 92 081 536. Packete ohne Werth⸗ angabe beförderte die Post 140 220 082 (gegen 132 153 353 im Jahre 1895), Packete mit Werthangabe 2 871 063 (gegen 2 820 251), Briefe und Kästchen mit Werthangabe 8881 881 (gegen 8 588 876). — Die oben erwähnte Abnahme des Gesammt⸗ werthes der durch die Post im Berichtsjahre vermittelten Geld⸗ u. s. w. Sendungen um 586 678 968 ℳ gegenüber dem Jahre 1895 ist auf den Rückgang des Werthbetrags der beförderten Packete mit Werthangabe von 5 305 436 580 ℳ auf 4 595 880 520 ℳ, der Briefe und Kästchen mit Werthangabe von 10 437 498 100 ℳ auf 10 217 084 780 ℳ und der Post⸗ aufträge von 568 052 500 ℳ auf 558 320 100 ℳ zurück⸗ zuführen, während der Werthbetrag der Postanweisungen von 5 495 606 659 ℳ auf 5 804 484 471 ℳ und derjenige der Postnach⸗ nahmen von 206 537 400 ℳ auf 250 682 400 ℳ gestiegen ist. — Mit Posten wurden noch 1 703 015 Personen (gegen 1 767 800 im Vorjahre) befördert, von denen eine jede durchschnittlich 88 ₰ (im Jahre 1895: 90 ₰) an Personengeld, Ueberfrachtporto u. s. w. ent⸗ richtet hat. — Die Zahl der an das Publikum abgesetzten oder von den Postanstalten zur Verrechnung des baar erlegten Frankos ver⸗ wendeten Postwerthzeichen betrug 2 009 585 746 (gegen 1 904 470 766 im Jahre 1895), der Gesammtwerth 207 251 276 ℳ (im Vorjahre 196 191 337 ℳ); einen Rückgang weisen hier nur die Zahl der abgesetzten gestempelten Weltpostkarten zu 10 ₰ (von 5 768 104 auf 5 711 122) und die der verkauften gestempelten Rohrpost⸗ Briefumschläge (von 189 619 auf 187 483) auf.
Die Länge der Telegraphenlinien ist seit 1895 von 113 173 auf 116 296 km, also um 3123 km, die Länge der Telegraphen⸗
leitungen von 433 234 auf 455 634 km, also um 22 399 km ge⸗
stiegen. Telegramme wurden im Berichtsjahre insgesammt 34 856 455, d. h. 253 625 mehr als im Jahre 1895 befördert, und zwar innerhalb des Reichs⸗Telegraphengebiets 22 876 798 (gegen 22 062 811 im Vorjahre), aus anderen Ländern 5 776 783 (gegen 6 256 259), nach anderen Ländern 4 832 880 (gegen 4 916 398) und im Durchgang durch das Reichs⸗Telegraphengebiet 1 369 994 (gegen 1 367 362 im Jahre 1895). An Telegraphengebühren sind im vergangenen Jahre insgesammt 45 483 860 ℳ entrichtet worden, das sind 2 494 637 ℳ mehr als 1895. Die durchschnittliche Einnahme für ein aufgegebenes gebührenpflichtiges Telegramm betrug im inneren Reichs⸗Tele⸗ graphenverkehr 65 ₰ (im Vorjahre 67 ₰), im Verkehr mit Bayern 77 (70) ₰, im Verkehr mit Württemberg 72 (73) ₰ Hund im Verkehr mit dem Ausland 2,32 (2,35) ℳ — In Berlin (und den Vororten Charlottenburg, Schöneberg, Rix⸗ dorf) wurden mittels Rohrpost 4 404 599 Telegramme (gegen 4 217 465 im Vorjahre) und 1 172 938 Briefe und Karten (1895: 1 117 658), insgesammt also 5 577 537 Gegenstände befördert, das sind 242 414 mehr als im Vorjahre. Die Länge des belief sich auf 107,81 km (gegen 104,37 km im Jahre 1895) und die Zahl der Rohrpostämter auf 51 (wie im Vorjahre). — Stadt⸗Fernsprecheinrichtungen hatten 488 Orte, 40 mehr als im Jahre 1895. Die Zahl der Sprechstellen betrug 130 276, d. i. 16 219 mehr als im Vorjahre, die Zabl der Theilnehmer an der Benutzung der allgemeinen Stadt Fernsprecheinrichtungen 107 668, d. i. 12 923 mehr als 1895. Insgesammt wurden durch Vermittelung der Stadt⸗Fernsprecheinrichtungen 562 255 778 Gespräche (gegen 498 360 991 im Vorjahre) geführt, und zwar zwischen Sprechstellen innerhalb der einzelnen Orte 463 966 187 (1895: 411 767 644), nach außerhalb (wischen Sprechstellen verschiedener Stadt⸗Fernsprech⸗ einrichtungen) 98 289 591 Gespräche (1895: 86 593 347).
Wir schließen diese Mittheilungen aus der amtlichen Statistik mit einer vergleichenden Uebersicht über die Gesammt⸗CEir⸗ nahmen, ⸗Ausga en und Ueberschüsse der deutschen Reichs⸗Post⸗ und Telegraphen⸗Verwaltung in den Etatsjahren 1892/93 bis 1896/97 sowie 1886/87 und 1876/,77. Es betrug:
die Gesammt⸗ die Gesammt⸗ Ausgabe Einnahme einschl. der ein⸗
der im Etatsjahr Ueberschuß maligen
8
299 739 240 273 010 211 26 729 029 287 049 616 261 781 081 25 268 535 269 778 0020 249 360 700 20 417 252
239 776 366 16 690 383
1 256 466 749 28 8 246 586 4422 228 026 70 17 559 702 1 179 853 864 156 308 120 23 545 844 6 146 818 776 140 145 75 6673 01
1 E1“ ““ I aa1 3 S““ EC1“ 8 1““ 1 8 8 189 his 8 bzs⸗ 11“*“ Wohlfabrtsbestrebungen iimu— Das moderne Leben entzieht den weiblichen Nachwuchs besonders der kleinbürgerlichen und ländlichen Bevölkerung, der in außerhäus⸗ licher Beschäftigung sein Fortkommen sucht, immer mehr dem häus⸗ lichen Berufe, in welchem sich bisher die jungen Mädchen diejenigen Haushaltungskenntnisse erwerben konnten, welche zur Gründung eines eigenen Hausstandes nöthig sind. Es macht sich desbalb in den Kreisen, welche die Wichtigkeit des Haushaltungsunterrichts für das Wohl und Wehe der Familie nicht verkennen, schon seit geraumer eit die Anschauung geltend, daß hier nur die Haushaltungsschule bhilfe schaffen kann. Diesen wichtigen Bestrebungen die Bahn zu ebnen, unternimmt das im Verlage von Theodor Hofmann in Gera soeben erschienene Werk: „Der Haushaltungsunterricht für Schulmädchen und schulentwachsene Mädchen“, ein Lehr⸗ und Handbuch für Einrichtung von Haushaltungsschulen sowie zur Ertheilung des Haus haltungsunterrichts, bearbeitet von Dr. Wilhelm Springer, Kböniglichem Kreis⸗Schulinspektor; zwei Abtheilungen: I. Abtheilung „Methodik des Haushaltungsunterrichts, Reinigungsarbeiten⸗ (Preis geheftet 2,20 ℳ); II. Abtheilung Die Pflege der Wäsche“, „Das Kochen“ (Preis geheftet 2,20 ℳ; beide Abtheilungen zusammen in einem Band, gebunden 5 ℳ). Der Verfasser, der im Auftrage des Provinzialverbandes der vaterländischen Frauenvereine Schlesiens zahlreich besuchte Lehrkurse zur Ausbildung von Haushaltungelehrerinnen abhält, legt in diesem Werke das Ergebniß seiner mehrjährigen Erfahrung nieder. Der Hauptwerth des Buches liegt einerseits darin, daß es denjenigen, die derartige Schulen gründen wollen, eine sichere und erprodte Anleitung zu deren Einrichtung giebt — die meisten den Haushaltungsunterricht behandelnden Bücher setzen Lehrstätte und Lehrerin voraus —, andererseits ist die Methode des Haushaltungsunterrichts so ausgebaut, daß auch in ihm wie in jedem andern Lehrfach der Schule eine Lehrerin allein eine ganze, voll⸗ besetzte Klasse gleichzeitig unterrichten kann, wodurch es erst er⸗ möglicht wird, nicht nur einem beschränkten Kreise der heran⸗ wachsenden weiblichen Jugend, söondern deren Allgemeinheit eine gründliche hauswirthschaftliche Ausbildung zu theil werden zu lassen. Es beschränkt sich nicht nur auf den Kochunterricht, sondern nimmt, von der Voraussetzung ausgehend, daß sich ein geordnetes Familienleben ebensosehr auf Reinlichkeits. und Ordnungepflege, wie auf rationelle Ernährung stützen müsse, neben dem Kochen auch alle der Reinlichkeit, Ordnung, Gesundheit in Haus und Hausratb, Wäsche und Kleidung dienenden Arbeiten mit in den Arbeitsvlan der Haushaltungsschule
auf. Ihre Königliche Hoheit die Erbprinzessin von Sachsen⸗ a. ingen, eine eifrige Förderin der Haushaltungsschulen, hat die
Widmung des hübsch ausgestatteten und mit einer Anzahl von instruktiven Abbildungen versehenen Buches angenommen. Dasselbe dürfte insbesondere in dem großen Kreise aller derjenigen, die sich in den Dienst der Wohlfahrtsbestrebungen stellen, mit lebhaftem Interesse aufgenommen werden. “
In der Gesammtsitzung der Königlichen Akademie der Wissenschaften vom 25. November las Herr Hirschfeld über die Haeduer und Arverner unter römischer Herrschaft“. In der Abhand⸗ lung wird die Politik, die Augustus bei der Einrichtung Galliens be⸗ folgte, an dem Beispiel der zwei bedeutendsten gallischen Stämme dargelegt und das Bundesverhältniß der Haeduer zu den Römern durch Vergleichung mit der germanischen Blutsbrüderschaft zu erklären versucht. Den Schluß bildet eine Betrachtung der Schick⸗ sale beider Stämme in den ersten drei Jahrhunderten der römischen Kaiserzeit. — Herr Erman überreichte eine Mittheilung des Herrn Dr. Ludwig Borchardt, betitelt: „Ein neuer Königsname der ersten Dynastie.“ In einem der sogenannten vorgeschichtlichen Königsgräber, das de Morgan im vergangenen Jahre bei Neggadeh in Ober⸗Egypten geöffnet hat, hat sich ein Elfenbeintäfelchen gefunden, das neben dem nicht zu identifizierenden offiziellen Namen des Königs noch einen zweiten Namen desselben trägt. Da dieser Name Mn lautet und da diese Königsgräber, wie Sethe nachgewiesen hat, der ersten Dynastie angehören, so scheint dieser König kein anderer zu sein, als der erste Herrscher derselben, der König Menes. Man vürde also demnach das Grab des ältesten Königs kennen, von dem die Evypter selbst noch eine Kunde hatten. — Mitgetheilt wurde daß die Herren C. A. von Cornelius, Königlich bayerischer Geheimer Rath und Professor in München, und B. Erdmannsdörffer, Groß⸗ herzoglich badischer Geheimer Hofrath und Professor in Heidelberg, von der Akademie zu korrespondierenden Mitgliedern ihrer philo⸗ sophisch⸗historischen Klasse gewählt worden sind. — Das korrespondierende Mitglied Herr Ferdinand Cohn in Breslau beging am 13. November d. J. sein fünfzigjähriges Doktor⸗Jubiläum. Die Akademie begrüßte den Jubilar aus diesem Anlaß mit einer Adresse. — Die Gesammt⸗ Akademie hat Herrn Professor G. Schweinfurth in Berlin zur Heraus-⸗ gabe einer ersten Abtheilung der von ihm in der arabischen Wüste von Egypten aufgenommenen Karten 3000 ⸗ℳ bewilligt. 8 111X“ 8 “
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11 13. März. Stadtverwaltung von Novorossisk: Konzession für den Bau und Betrieb einer elektrischen Straßenbahn, sowie für die elektrische Beleuchtung in Novorossisk. Kaution je 5000 Rubel. Niederlande. 1 15. Dezember. Ministerium für Wasserwesen, Handel und In⸗ dustrie im Haag: Bau von Kanälen in den Gemeinden von Besoijen, Vrijhoere Capelle und Waspik. Voranschlag 102 500 Gulden. 15. Dezember. Gesellschaft Billiton im Haag: Verkauf von 14 000 Pikuls Billiton⸗Zinn, in Batavia lagernd. Rumänien. “ 13. Dezember. Ministerium der öffentlichen Arbeiten in Bukarest: Bau von Brücken auf der Eisenbahnlinie von Berlad
Verkehrs⸗Anstalten.
Laut Telegramm aus Köln (Rhein) ist die englische Post über Ostende vom 2. Dezember ausge⸗
blieben. Grund: Fahrt Dover —Ostende wegen Beschädigung eines Dampfers ausgefallen. *
Bremen, 2. Dezember. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Dampfer „Trave“ 1. Dezbr. Abds. v. Bremen 8 burg angek., Reise n. New⸗York fortges. „Sachsen“, v. Ost⸗Asien kommend, 1. Dezbr. in Suez angek. „Karlsruhe“ 1. Dezbr. v. New⸗York n. Bremen abgeg. „Fulda“ 1. Dezbr. Mrgs. v. Genua in New⸗York angekommen. „Kaiser Wilhelm II.“* 2. Dezbr. Vm. v. Genua n. New⸗York abgeg. „Habsburg“, v. Brasilien kommend, 2. Dezbr. Vm. a. d. Weser angek. „Halle“, n. d. La Plata best., 2. Dezbr. Vm. Eastburne passiert.
Hamburg, 2. Dezember. (W. T. B.) Hamburg⸗Amerika⸗ Linie. Dampfer Palatia“, von New⸗York kommend, ist heute Vm. in Cuxhaven eingetroffen. 3
London, 2. Dezember. (W. T. B.) Castle⸗Linie. Dampfer „Lismore Castle“ hat auf der Ausreise gesternz die Canarischen Inseln passiert. 8 1.“
Union⸗Linie. Dampfer „Tatar' ist auf der Heimreise gester von Kapstadt abgegangen. 1“
19en Theater und Musik.
Der dreiaktige Schwank „Berlin über Alles“ von Benno Jacobson erzielte gestern Abend einen freundlichen Erfolg. Auf dem Theaterzettel wird bemerkt, daß der Schwank mit Benutzung eines Stücks von Ordonneau geschrieben ist; auf diesen französischen Mitarbeiter ist wohl die bunte Handlung zurückzuführen, die trotz ihrer Kompliziertheit doch durch ihre Situationskomik unterhält. Namen werden ausgetauscht und Personen in bedenklicher Fülle ver⸗ wechselt, damit ein junger Provinzbewohner, Stanislaus Bunel, Berlin kennen lerne, bevor er sich zur Ehe entschließt. Die eingestreuten Witze und Wortspiele tragen deutlicher die Spuren Jacobson'scher Arbeit und fanden inmitten der lustigen Handlung vielen Beifall. Unter den Darstellern stand Herr H. Junkermann in der Rolle des nach Berliner Erlebnissen begierigen jungen Herrn aus der Provinz im Vordergrund; sein Losungswort „Berlin über Alles“ rief er mit erschütternder Komik in die Welt hinaus. Alle anderen Darsteller halfen ihm getreulich, den Schwank frisch und lebendig zur Wirkung zu bringen. — Alsdann gelangte noch eine einaktige Burleske mit Gesang, die von demselben Verfasser herrührt und „Bitte, recht freundlichl“ betitelt ist, zur Aufführung. Hier giebt die Sehnsucht eines armen verliebten Photographen, der seinen reichen Onkel aus Schwiebus von seiner vornehmen Kundschaft überzeugen will, den Anlaß zur Ver⸗ kleidung aller seiner Freunde und Zimmernachbarn. Fräulein Theren parodiert in fast knabenhafter Verkleidung einen der jüngsten Dichter Deutschlands und singt ihr Liedlein dazu; Frau Dora erscheint als Madame Sans⸗Esne und trägt anmuthig ein bekanntes Lied der Judic vor; diese beiden Leistungen waren jedenfalls die besten und interessantesten des Abends. Die Zuschauer wurden durch die Burleske wie durch den Schwank belustigt, und das ist der Haupt⸗ zweck der beiden Stücke.
Im Königlichen Opernhause beginnt morgen der „Mozart⸗ Cyvelus“ mit „Idomeneus“, große heroische Oper in 3 Akten, Text nach Vareska von C. Niese, Tanz von Emil Graeb. Das Werk ist vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff in Scene gesetzt, die mustkalische Leitung liegt in den Händen des Kapellmeisters Dr. Muck. Die Besetzung lautet: Idomeneus: Herr Sylva; Idamantes, sein Sohn: Fräulein Egli; Elektra: Fräulein Reinl; Ilia; Frau
rzog; Arbaces: Herr Schmidt; Oberpriester des Poseidon: derr Bachmann; Kretenserinnen: die Damen Reinisch und ainz; Trojaner: die Herren Philipp und Krasa. Der Ort der Handlung ist in und bei Kyvdonia, kurz nach Beendigung des trojanischen Krieges. — In der öffentlichen Haupt⸗ probe am Sonntag Mittag um 12 Uhr wird dasselbe Veneent wie in der Abends stattfindenden Konzertauffübrung zu ehör gebracht, und zwar, wie schon mitgetheilt, die „Maurerische Trauermusik“, die Symphonie in G-moll und das „Requiem“ für Soli, Chor und Orchester
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Verdingungen im Auslande.