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feldt in Ploog in Greifenberg, Max ammin, Rüden in Stettin, Schmittdiel i nd Wulff in Herford.
Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten. Der Provinzial⸗Schulrath Dr. Otto ist dem Schulkollegium in Cassel überwiesen worden.
Ministerium für Landwirthschaft, Domänen und Forsten.
Dem Thierarzt Johann Bludau zu Graudenz ist die interimistische Verwaltung der Kreis⸗Thierarztstelle für den — Adelnau, mit dem Amtswohnsitz in Adelnau, übertragen worden “
Urkunde, etreffend die Errichtung einer fünften Pfarrstelle in der evangelischen Luisen⸗Kirchengemeinde zu Charlottenburg.
8 8 Mit Genehmigung des Herrn Ministers der geistlichen, Unter⸗ richts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten und des Evangelischen Ober⸗ Kirchenraths, sowie nach Anhörung der Betheiligten wird von den unterzeichneten Behörden hierdurch Folgendes festgesetzt: § 1. In der evangelischen Luisen⸗Kirchengemei wird eine fünfte Pfarrstelle errichtet. Diese Urkunde tritt mit dem 28. Dezember 1897 in Kraft. Berlin, den 23. Dezember 1897. Potsdam, den 27. Dezember 1897. Königliche Regierung, Abtheilung für Kirchen⸗ und Schulr Heidfeld.
zu Charlottenburg
Preußen. Berlin, 30. Dezember.
Seine Majestät der Kaiser und König nahmen im Neuen Palais heute Vormittag die Vorträge des Kriegs⸗ Ministers, General⸗Lieutenants von Goßler, des Chefs des Militärkabinets, Generals von Hahnke, des Ministers des Königlichen Hauses von Wedel und des General⸗Intendanten der Königlichen Schauspiele Grafen von Hochberg entgegen.
Diejenigen Personen, welche Ihrer Majestät der
Kaiserin und Königin ihre Glückwünsche zum Neu⸗
jahrstage darzubringen beabsichtigen, werden gebeten,
8
.
beige
ihre Karten im Laufe des 31. Dezember bei Ihrer Excellenz der Frau Ober⸗Hofmeisterin Gräfin von Brockdorff im Einschreibe⸗ zimmer unter Portal IV des Königlichen Schlosses hierselbst, vom Lustgarten aus links, abzugeben.
Gestern Mittag 12 Uhr fand eine Sitzung des Kuratoriums der Reichsbank unter dem Vorsitz des Staatssekretärs des Innern, Staats⸗Ministers Dr. Grafen von Posadowsky in Vertretung des Reichskanzlers statt, an welcher auch der Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Freiherr von Thiel⸗ mann theilnahm.
. Der heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“ ist eine „Besondere Beilage“ (Nr. 3), enthaltend Entschei⸗ bunfen des Reichsgerichts nebst Sachregister für 1897, igefügt.
“ Oesterreich⸗Ungarn.
Die „Wiener Zeitung“ veröffentlicht ein Handschreiben
des Kaisers an den Minister⸗Präsidenten Freiherrn von Gautsch, durch welches die Schließung der Session des Reichs⸗
raths verfügt wird.
Der nieder⸗österreichische Landtag hat in seiner gestrigen Sitzung den von dem Abg. Koliska am Dienstag eingebrachten dringlichen Antrag, daß die deutsche Sprache die ausschließliche Unterrichtssprache in den Volks⸗ und Bürgerschulen Nieder⸗Oesterreichs sein solle, angenommen.
Der Wiener Gemeinderath erledigte in seiner gestrigen, bis nach Mitternacht währenden Sitzung das Budget, wobei es wiederholt zu lebhaften Kontroversen zwischen den deutsch⸗ nationalen und den christlich⸗sozialen Mitgliedern kam. Der
Bürgermeister Dr. Lueger mußte deshalb die Sitzung ein⸗
*
8
mal auf kurze Zeit unterbrechen.
Im ungarischen Unterhause gab gestern der Abg. Graf Apponyi die Erklärung ab, daß er unter einer dauernden Regelung der wirthschaftlichen Beziehungen zu Oesterreich für den Fall, daß bis zum 1. Mai n. J. kein Ausgleich zu stande komme, nur eine solche auf der Grundlage eines gesonderten Zollgebietes verstehe. Mehrere Abgeordnete der äußersten Linken verlangten die Abhaltung einer geheimen Sitzung, in welcher der Minister⸗Präsident erklären möge, ob er dem Stand⸗ punkte des Grafen Apponyi beitrete oder nicht. In der geheimen Sitzung erklärte, dem „W. T. B.“ zufolge, der Minister⸗Präsident Baron Banffy, er habe ohnehin die Absicht gehabt, das Wort zu ergreifen, und er sehe keinen Grund zur Abhaltung einer geheimen Sitzung. Die wurde hierauf wieder für eine öffentliche erklärt. Der Minister⸗Präsident führte sodann aus, daß er, als er letzthin von einem engeren Zusammenschluß Ungarns und Oesterreichs gesprochen habe, dies nicht in staatsrechtlicher Beziehung gemeint habe. Dieser Ausdruck habe den Sinn ge⸗ habt, daß der gegenwärtige Zustand auch künftighin aufrecht erhalten werden, nicht aber, daß ein neues, engeres Ver⸗ hältniß geschaffen werden solle. Während der Rede des Grafen
stuben. — (
Apponyi sei er nicht zugegen gewesen, er bemerke jedoch: er könne die Frage zur Zeit nicht so schroff hinstellen, wie es die äußerste Linke thue, doch hege er keinen Zweifel daran, daß Graf Apponyi nichts Anderes habe sagen können, als was er in seiner letzten Rede gesagt habe. Er (der Minister⸗Präsident) habe sich den damaligen staatsrechtlichen Standpunkt des Grafen Apponyi zu eigen gemacht und hege diese Ansicht auch heute noch. Er habe be⸗ reits im Ausschusse gesagt, daß ein gesondertes Zollgebiet, 85 wenn es unbedingt nothwendig sei, sich wegen der Kürze er Zeit nicht werde durchführen lassen. Es liege daher der Regierung ob, auf Grundlage der Reziprozität die Aufrecht⸗ haltung des bestehenden Zustandes zu beantragen, mit dem daß die Regierung das Zustandekommen des Zoll⸗ ündnisses erstrebe, daß sie aber, wenn sie hierüber bis zum 1. Mai n. J. keine Vorschläge machen könne, Vorlagen zur Herstellung eines selbständigen Zollgebietes machen werde. Dies halte er auch heute aufrecht. Es liege in dem Wunsche Ungarns, bis zum 1. Mai das Zollbündniß zu stande zu bringen. Wenn dies aber nicht gelinge. werde die Regierung, je nachdem es das Interesse des Landes erfordere, einen 111“ und ein gesondertes Zollgebiet zu stande bringen.
öge die gegenwärtige Vorlage angenommen werden oder nicht, dies werde die Regierung nicht hindern, ihren Grund⸗ sätzen getreu und im Bewußtsein ihrer Verantwortlichkeit die Interessen des Landes zu vertreten.
Die Stadtvertretung von Budapest hat in ihrer gestrigen Sitzung folgende Resolution angenommen: „Die Versammlung sieht mit Besorgniß das Verhalten der Minorität des Unterhauses, welche verhindert, daß der im Unterhause zur Verhandlung stehende, von den Interessen des Landes erheischte I in der entsprechenden Frist Gesetzeskraft erlange. Sie sieht mit Schmerz, daß der erste Faktor, welcher die Haupt⸗ garantie der Verfassung des Vaterlandes ist, das Land in einen außergesetzlichen Zustand treibt. Die Stadtvertretung hält es für den Interessen des Landes schädlich und für die Verfassung für gefährlich, wenn das Zustandekommen des Gesetzentwurfs in einer dem Interesse des Landes entsprechenden Frist nicht erfolgt.“ 3
Frankreich.
Die Kaiserin von Oesterreich traf gestern in Marseille ein und wurde daselbst von dem österreichischen Konsul und den Mitgliedern der österreichischen Kolonie empfangen. Nachmittags schiffte sich die Kaiserin auf der Nacht „Miramar“ ein.
Der Präsident Faure hat gestern die zum theil bereits gemeldeten Veränderungen in der Besetzung französischer Botschafter⸗ und Gesandtenposten unterzeichnet. Hiernach wird der bisherige Botschafter in Bern Barrére als Botschafter bei dem Quirinal nach Rom, der Gesandte in Brüssel Graf Montholon als Botschafter nach Bern und der Ge⸗ sandte in Peking Gérard in gleicher Eigenschaft nach Brüssel versetzt; des letzteren Posten in Peking erhält der bisherige Gesandte in Brasilien Pichon, und an seiner Stelle geht Lavaur nach Rio de Janeiro. An die Stelle des auf sein Gesuch zur Disposition gestellten Gesandten in Athen Bourée tritt der bisherige Gesandte in Lissabon Graf d'Ormesson, welcher dort durch den Gesandten in Stock⸗ holm Rouvier ersetzt wird. Zum Gesandten in Stockholm ist der Direktor im Ministerium des Auswärtigen Marcel berufen, an dessen Stelle der bisherige Botschafts⸗Rath in Berlin Soulange⸗Bodin nach Paris geht. b
Italien. 8 Der Papst empfing gestern, wie „W. T. B.“ meldet, den preußischen Gesandten von Bülow sowie den bayerischen Gesandten Freiherrn von Cetto und nahm deren Gluͤck⸗ wünsche zum Jahreswechsel entgegen.
Spanien.
In Madrid eingetroffene Depeschen aus Havanna stellen fest, daß die nunmehr erfolgte Einführung der Reformen auf Cuba auf der ganzen Insel einen tiefen Eindruck gemacht habe. In den ministeriellen Kreisen wird, wie „W. T. B.“ meldet, auf die Festigkeit des liberalen Kabinets gegenüber allen Interventionsversuchen der Vereinigten Staaten hin⸗ gewiesen, sowie auf die Unmöglichkeit, zu der Politik Canovas' gegenüber Cuba zurückzukehren, welche Spanien 200000 Mann und zwei Milliarden gekostet habe, ohne daß ein nennenswerther Erfolg erzielt worden sei.
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Türkei.
Wie das Wiener „Telegr.⸗Korresp.⸗Bureau“ aus Kon⸗ stantinopel meldet, theilte die griechische Gesandtschaft dem Minister des Aeußern Tewfik Pascha mit, daß die erste Rate der Kriegsentschädigung der Ottomanbank werde zugewiesen werden. Die Pforte hatte diese ““ um von der Ottomanbank einen Vorschuß von 800 Pfund zu erhalten. Bisher hatte sie von dieser Summe nur 200 000 Pfund erhalten, da die Mächte die von der Ottoman⸗ bank verlangte Garantie nicht gegeben hatt⸗
Bulgarien. ö1
Die Sobranje ermächtigte die Regierung, wegen der ganzen oder theilweisen Konversion der 6prozentigen Anleihen in 5 oder 4 ½l prozentige mit Bankhäusern in Ver⸗ handlungen zu treten. 1
Wie die „Times“ vom gestrigen Tage aus Kassala meldet, ist dort die Nachricht eingetroffen, daß Osobri, der wichtigste Posten zwischen Kassala und Khartum, nach sechs⸗ tägiger Belagerung von den egyptischen Eing nen⸗Truppen genommen worden sei 88 v11“
Parlamentarische Nachrichten.
Der Ober⸗Bürgermeister von Osnabrück Dr. Möllmann, Mitglied des Herrenhauses, ist, wie „W. T. B.“ meldet, in der vergangenen Nacht gestorben.
Nr. 52 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge⸗ sundheitsamts“ vom 29. Dezember hat folgenden Inhalt: Personal⸗ Nachricht. — Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. — Gesundheitsverhältnisse in Bahia. — Gesetzgebung u. s. w. (Preußen). Diphtberieheilserum. — (Hamburg.) Gast⸗ und Schankwirthschasten. — (Oesterreich. Nieder⸗Oesterreich.) Todtenschau. — (Kärnten.) Bad⸗ talien.) Medizinische Spezialitäten. — (Schweiz⸗) Vieh⸗
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einfuhr. — (Rußland.) Heilmittel⸗Einfuhr. — (Rumänien.) Papi — Gang der Thierseuchen in der Präsidentschaft v 1895/96. — Rinderpest in Britisch⸗Ostindien. — Zeitweilige Maßregeln gegen Thierseuchen. (Deutsches Reich. uß. Reg.⸗ Bezirken Königsberg, Danzig, Stralsund, Bromberg, Schles⸗ wig, Hamburg, Rumänien.) — Verhandlungen von gesetzgebenden Körperschaften. (Sachsen.) Schlachtvieh und Fleischbeschan 8 (Dänemark.) inanzgesetzentwurf. — Vermischtes. (Preußen.) 26. schlesischer Bädertag. — (Arabien.) Quarantäneanstalt El⸗Tor 1897. — (Hongkong.) Geburten und Sterbefälle, 1896. — Geschenk⸗ liste. — Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 40 000 und mehr Einwohnern. — Desgl. in größeren Städten des Auslandes. — Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. — Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. — Witterung.
Statistik und Volkswirthschaft.
Anwesen, Gebäude und Wohnungen in München.
Einem Beschluß der Gemeinde⸗Kollegien zufolge wurde in Mün he gleichzeitig mit den Volkszählungen von 1885, 1890 und 1895 Erhebung über Zahl und Art der Anwesen, Gebäude und Wohnungen vorgenommen, deren Ergebnisse, soweit sie die Zählung vom 2. De⸗ zember 1895 betreffen, in Band XV, Heft 5 der „Mittheilungen des Statistischen Amtes der Stadt München“ in sehr eingehender und übersichtlicher Form dargestellt sind.
Von der ganz außerordentlichen Entwickelung der Bevölkerungs⸗ und Wohnverhältnisse Münchens in den letzten Jahrzehnten im allgemeinen mögen folgende Zahlen eine Vorstellung geben. Es wurden gezählt
Anwesen 1875 7 720 1880 8 747 1885 1 8 1890 11 272 349 024 31,0 1895 . 12 149 407 307 Zum theil sind die Zahlen beeinflußt durch Einverleibungen (nament⸗ lich von Sendling 1880, Neuhausen und Schwabing 1890). Die durchschnittliche Einwohnerzahl ist aber davon unabhängig; sie wird wesentlich bestimmt durch den Ersatz der alten kleinen Häuser durch große. Es wird dies besonders klar durch nachstehende Zahlen. Von je 100 Anwesen hatten nämlich Wohnungen 0 — 5 5 — 10 11 — 20 20 u. mehr
Einwohner 193 024 230 023 261 981
auf 1 Anwesen Bewohner 25.8
26,3 28,7
Einwohner 0 — 20 21 — 50 50 — 100 100 u. mehr 1885 50,2 29,6 17,8 2,4 4181 3879 15 1,3 1890 46,8 29,4 20,1 111“ 2,4 1895 43,8 28,8 22,3 5,1 1I1I1 8,3
Das Hauptergebniß der Erhebung faßt der Bericht, wie folgt, zusammen: „Ein Mangel an Wohnungen besteht nicht, weder an kleinen noch an großen, obschon die Zahl der leeren Wohnungen im Verhältniß zum Gesammtbestande gegen 1890 fast auf die Hälfte zurückging. Das Zusammendrängen eines namhaften Theils der Be⸗ völkerung in starkbesetzten Wohngemeinschaften auf kleine Wohnungen findet zwar nicht mehr so dicht und in so vielen Fällen statt wie früher, immerhin noch in nicht ganz unbedenklicher Weise, sodaß die Aufmerksamkeit der maßgebenden Kreise dieser Frage unbedingt zugewendet bleiben muß. Im allgemeinen ist aber eine, wenn auch nur geringe Besserung in Bezug auf die Wohnverhältnisse der Gesammteinwohner⸗ schaft nicht zu verkennen, zu der ohne allen Zweifel die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse zwischen den inneren und äußeren Stadt⸗ theilen sowie zwischen der Stadt selbst und einer Reihe ihrer Vor⸗ orte, die Ausdehnung des ganzen Baugebiets und manche anderen be⸗ hördlichen Maßnahmen, sicher aber auch das wachsende Verständniß Har den Werth einer guten und gesunden Wohnung viel beigetragen
aben.“
Um ein anschauliches Bild von der Wirklichkeit zu gewinnen, ist es natürlich unerläßlich, auf gewisse Einzelheiten einzugehen, was in Nachstehendem in der gebotenen Kürze geschehen soll. —
Als „Anwesen“ im Sinne dieser Erhebung — das ist zunächst festzustellen — kamen nur solche Grundstücke in Betracht, auf denen „bewohnbare“ Geböude sich befanden, oder doch solche mit „Neu⸗ bauten“, bei denen wenigstens „die Eintheilung in Wohnungen, sowie deren Anlage und Größe schon sicher erkennbar war.⸗ Solcher „Anwesen“ waren, wie gesagt, 12 149 vorhanden. Kirchen, Thore, Museen, Theater ꝛc. sind konsequenter Weise als Anwesen nur ge⸗ rechnet, sofern sich in ihnen Wohnungen befanden. Von diesen 12 149 Anwesen bestanden 6618 nur aus „Hauptgebäuden“, 82 nur aus „Nebengebäuden“, 5449 aus Haupt⸗ und Nebengebäuden. Es waren von ihnen bei der Zählung thatsächlich „nicht bewohnt“ 318, und zwar 34 als Neubauten, 100 als öffentliche Gebäude, 184
Davon Hauptgebäude 1895 1890
aus anderen Gründen. 1 Der „Beruf der Eigenthümer“ sowohl der Anwesen, wie der Gebäude ist in folgender Zusammenstellung ersichtlich gemacht und mit dem Stande von 1890 verglichen. Anwesen Gebäude 1895 1890 1895 1890
1) Kgl. Haus und Hof, 8
Reich, Staat, Kreis 365 318 883 849 341 2) Stadtgemeinde. 281 205 472 417 203 3) Stiftungen und
Anstalten. 6502 373 912 905 403 4) Private . 11001 10376 17661 16906 10273
und zwar:
Bauunternehmer . 654 478 1036 860 458 .Andere selbständige
Gewerbetreibende . 5473 5447 9231 10845 5390 .Gehilfen u. Lohn⸗
ebeeeebbbööbe.“ 417 „Beamte und freie .
Berufsarten. 643 694 995 1337 688 Rentner u. sonstige
Berufslose 1556 1450 2465 28130 1444 Frauen 11448 1282 2200 2424 8 1275 Gemeinsamer Besitz 880 604 1201 925 601
Im allgemeinen ist dabei zu bemerken, daß bei den „Neben⸗
gebäuden“ ein starker Abgang stattgefunden hat, und zwar bei allen Eigenthümerkategorien mit alleiniger Ausnahme des „gemeinsamen Besitzes”. Was die Privatbesitzer, auf die es hier natürlich vor⸗ wiegend ankommt, im besonderen betrifft, so springt zunächst die große und steigende Zahl der im Eigenthum von Bau⸗ unternehmern befindlichen Anwesen und Hauptgebäude in die Augen. Sehr zahlreiche Neubauten werden eben auch in München von Leuten unternommen, die sie nicht dauernd im Besitz be⸗ halten, sondern verkaufen wollen. Stark zugenommen hat ferner die Zahl der Anwesen und Hauptgebäude im Eigenthum der Rentner und sonstigen Berufslosen, zu denen die Kategorie der Frauen wohl zum großen Theil gerechnet werden kann. Auch hier dürfte neben dem dauernden Hausbesitz als Geschäft auch die Absicht des Verkaufs mit Gewinn eine Rolle spielen. Der „gemeinsame Besitz“, der gleichfalls stark zugenommen hat, ist ohne Kenntniß näherer Detalls nicht zu beurtheilen. Eine bescheidene Zunahme weist au das Eigenthum der selbständigen Gewerbetreibenden (ohne die Bauunternehmer). Auf ihren Grundstücken haben die Neben⸗ gebäude am meisten, um 1701, abgenommen, die Hauptgebäude dagegen um 84 zugenommen. Die Anwesen selbst zeigen nur eine Zunahme von 26. Die Gehilfen und Lohnarbeiter haben 74 Anwesen und 73 2 sowie 199 Nebengebäude verloren, was bei dem Verschwinden der kleinen Hausgrundstücke nicht überraschen kann. Ebenso wird wohl auch in der Hauptsache die Abnahme der Anwesen und Gebäude im Eigenthum von Beamten ꝛc. zu erklären
1““
sein. 8 85 haben 51 Anwesen mit 46 Haupt⸗ und 296 Nebengebäuden eingebüßt. 1 3
Es mag im Anschluß hieran auch die Berufsart der Wohnungsinhaber zahlenmäßig nachgewiesen und damit zugleich die Größe der Wohnungen nach der Zahl der heizbaren Zimmer ersichtlich gemacht werden.
Es vertheilten sich 1895 die Wohnungen nach Größenklassen auf die verschiedenen Berufsgruppen, wie folgt:
Wohnungen
[mit 6 und mehr
mit mit 2 U mit 3 4 — 5
Berufsgruppen sohne mit 1
zusammen
heizbaren Zimmern
117 70 773 3 785 14 665 2 255 10 577
Landwirthe.. 6 267 230
Selbständige im Gewerbe.. 61 3 755 4 374 2 479 2 912
Selbständige im Handel ꝛc. 61 8 819 6 908 2 487 18 781 1 633 1 712 1 407 544 5 366
Gehilfen im Gewerbe.. 61 7 005 2 692 613 124 10 518
Gehilfen im
Fander öbe 21 Unständige Lohn⸗ ete 7768 Zivil⸗ und Militär⸗ dienst, auch freie Berufsarten. 40 3 688
Männl. Berufs⸗ 5 815 1 344 1 566 681
Eee1u6“
Weibl. Berufs⸗
“ 14 2 502 2 265] 3 117 2 407 579 Doppelhaushalte 566 265 439 258 41
Zusammen 347] 29 540 25 861 19 983 13 269 4 077 93 077 in Prozenten. 0,3] 31,7 27,8] 21,5 14,3 / 4.4 100,0
Der Bericht faßt die vorstehend aufgeführten Berufsgruppen in 3 Klassen zusammen, indem er die Landwirthe mit den Selbständigen in Gewerbe und Handel (26 015) als „Bürgerstand“, die Ge⸗ hilfen in Gewerbe und Handel mit den unständigen Arbeitern (34 665) als „Arbeiterstand“ und die Beamten⸗, Militärs und Angehörigen der freien Berufsarten mit den Berufslosen zusammen (31 338) als „Beamtenstand bezeichnet, die Doppelhaushalte aber nicht mitrechnet, und gelangt so zu der Annahme, daß der Bürzerstand 28,3 %, der Arbeiterstand 37,7 % und der Beamten⸗ und Rentnerstand — wie man wohl richtiger, wenn auch noch immer in ziemlich weiter “ des Begriffs Rentner, sagen dürfte — 34,0 % der Wohnungsinhaber ausmacht. Die Vertheilung der verschiedenen Stände auf die Größenklassen ist aus der Zahlenübersicht ohne weiteres klar.
Ueber die Veränderungen in der Zahl der den ver⸗ schiedenen Größenklassen angehörenden Wohnungen und in der Dichtigkeit ihrer Belegung seit 1890 giebt folgende Zusammen⸗ stellung Auskunft.
4 419 3 509 1 363 [15 431
5 023
10 884 1 059
Durchschnittszahl der Bewohner auf eine besetzte
Wohnung
Größen⸗ klasse (Zahl der heizbaren Zimmer)
Davon
Wohnungen standen leer
1895 1890 1895 V 1890 1895 1890
368 465 31 73 30 319 27 696 799 1399 26 611 20 758 750 1287 20 789 18 016 806 1097 13 831 12 150 ꝙ562 652
4 261 3 733 184 186 2
iusammen 96 179 82 818 3102 4694 4,1 8
Es ist darauf hinzuweisen, daß die Zählung die Größe der Zimmer nicht in Betracht gezogen hat, und daß hier auch don dem Nachweis der Nebenräume, wie Küche ꝛc., abgesehen werden muß, so daß das Bild immerhin ein unvollständiges bleibt. Nur das möge bemerkt sein, daß die ohnedies wenig zahlreichen Wohnungen ohne heizbares Zimmer in der Regel wohl nicht Wohnungen im eigentlichen Sinne sind, sondern nur Schlafstätten von ledigen Ge⸗ werbegehilfen und dergl. 1
Der übrige Inhalt der Veröffentlichung behandelt in der Haupt⸗ sache noch die Besitzdauer der Anwesen, die Zeit der Erbauung der Ge⸗ bäude, die Miethspreise, das Gesammtmietheerträgniß und den Mieths⸗ werth der Wohnungen, die Dauer der Bewohnung, die überfüllten Wohnungen und die Anstalten zunächst für die ganze Gemeinde, sodann die gleichen Fragen für die einzelnen Bezirke und Stadttheile, und für einige Bezirke noch besonders die Aftervermiethungen. Der wissen⸗ schaftlichen Forschung ist damit ein reiches und werthvolles Material geboten, dessen weitere Verarbeitung auch nicht ohne erheblichen praktischen Gewinn bleiben dürfte.
4—5 6 u. mehr
Zur Arbeiterbewegung.
Aus Berlin berichtet die Berliner „Volks⸗Ztg.“, daß der Aus⸗ and der Schuhmacher bereits für die nächste Woche zu erwarten sei. Neue Arbeiterentlassungen haben bisher nicht stattgefunden, doch wurde die neue Arbeitsordnung in den letzten Tagen in einer Reihe kleinerer Betriebe zum Aushang gebracht. Die Arbeiter wollen noch den Versuch machen, durch Unterhandlungen mit den Fabrikanten die am meisten beanstandeten Bestimmungen der neuen Arbeitsordnung zu beseitigen. In der nächsten Schuhmacher⸗Versammlung, welche Anfang der kommenden Woche stattfindet, soll das Resultat der Verhandlungen den Arbeitern unterbreitet und über den Ausstand beschlossen werden. (Vgl. Nr. 306 d. Bl.) 1 “ In Groß⸗Lichterfelde bei Berlin haben, einer Mittheilung des Vorwärts“ zufolge, die Zimmerleute neue Forderungen über ie Arbeitszeit und die Lohnsätze aufgestellt.
Literatur.
Illustrierte Geschichte der Reformation in Deutschland. Volksthümlich dargestellt von D. Bernhard Rogge, Hofprediger in Potsdam. Mit einem Farbendruck, 30 Kunst⸗ drucktafeln und zahlreichen Text⸗Abbildungen: Originale und Re⸗ produktionen von Bildern alter Meister (Cranach, Dürer ac.) und moderner Künstler (Geiger, Hofmann, Kaulbach, König, Labouchère, Lessing, Lindenschmit, Noack, Schnorr von Carols⸗ feld, Schwertgeburth, Stelzner, Thumann, „Vogel u. A.), enthaltend Porträts, Episoden, Faksimiles, Pläne, Wappen ꝛc. I. Lieferung (4 Bogen Text groß 40 und 5 Kunstdruck⸗ Beilagen). Dresden⸗Blasewitz, Fustav⸗Adg f⸗Verlag. Vollständig in 10 Lieferungen 5 je 75 ₰. — Nach dem vorliegenden Probeheft zu urtheilen, ver⸗ pricht dieses Werk nach Inhalt und Ausstattung ein vortreffliches Hausbuch für evangelische Familien zu werden. In Anbetracht des reichen bildlichen Schmucks ist der Preis ein sehr wohlfeiler zu nennen.
— Das Patentwesen“. Einige Aufklärungen über die Patentgesetze der wichtigsten Staaten von dem Patentanwalt Dagobert Timar. Dritte Auflage. Berlin 1897. — Diese kleine Schrift theilt alles Wissenswerthe über das Patentwesen in übersicht⸗ licher, klarer Form mit. Neben den Patentgesetzen aller patent⸗ ertheilenden Staaten sind auch die deutschen Gesetze über den Schutz von Gebrauchsmustern, über den Schutz der Waaren⸗
bezeichnungen, über das Urheberrecht an Mustern und Modellen, sowie das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, theilweise mit den gesetzlichen Ausführungsbestimmungen, in der Broschüre enthalten. Außerdem bietet dieselbe allgemeine Aufklärungen über Erfindungs⸗ er und ein Verzeichniß der Stellen, an denen im Deutschen Reiche die Patentschriften zur unentgeltlichen Einsichtnahme ausliegen. Inter⸗ essante Daten giebt ferner die beigefügte Statistik. Diese behandelt die angemeldeten, ertheilten und außer Kraft getretenen Patente, die Gebrauchsmuster. Anmeldungen und endlich die angemeldeten, einge⸗ tragenen und gelöschten Waarenzeichen, alle nach Jahren und Klassen geordnet. Das Patentbureau Dagobert Timar, Berlin NW., Luisen⸗ n- 27/28, stellt die Schrift jedem auf Wunsch kostenlos zur Ver⸗ ügung.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten.
(Aus den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“, Nr. 52 vom 29. Dezember.)
“ Verschiedene Krankheiten. Ppocken: Odessa 5, St. Petersburg 4, Warschau 7 Todesfälle; Perss 12, St. Petersburg 43 Rückfallfieber: rankfurt a. M. (Krankenhäuser) 2 Erkrankungen; Genick⸗ New⸗York 2 Todesfälle; Kopenhagen 2 Erkrankungen; Berlin 6, London 17, Moskau 5, Paris 4, 3 Todesfälle; Keuchhusten: London 45 Todes⸗ fälle. — Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Masern (Durchschnitt aller deutschen Berichtsorte 1881/90: 1,30 %): in Bielefeld und Frankfurt a. O. — Erkrankungen kamen vor in Berlin 57, Breslau 140, in den Regierungsbezirken Aurich 232, Düsseldorf 101, Erfurt 125, Königsberg 142, Marien⸗ werder 260, Schleswig 141, Stettin 130, Wiesbaden 213, in München 233, Budapest 68, St. Petersburg 67, Wien 276 — an Scharlach (1881/90: 1,39 %): in Fürth, Gera, Konigshütte — Erkrankungen wurden angezeigt in Berlin 60, Breslau 28, Edinburg 38, Kopenhagen 36, London (Krankenhäuser) 260, Paris 38, St. Petersburg 90, Stockholm 23, Wien 50 — an Diph⸗ therie und Kroup (1881/90: 4,49 %): in Frankfurt a. O., M.⸗Gladbach, Königshütte — Erkrankungen sind gemeldet in Berlin 118, München 37, Hamburg 38, Budapest 26, Kopenhagen 38, London (Krankenhäuser) 166, Paris 53, St. Petersburg 256, Stock⸗ holm 28, Wien 81 — desgl. an Unterleibstyphus in St. Peters⸗ burg 130 — desgl. an kontagiöser Augenentzündung im Reg.⸗Bez. Stade 17.
starre: Influenza: St. Petersbur
Britisch⸗Ostindien. Die Rinderpest ist in den außerhalb der Stadt Karachi ge⸗ legenen Bagdadi lines sowie in dem 20 km von der Stadt ent⸗ fernten Dorfe Sangal, in letzterem in einem von den Hindus er⸗ richteten und unterhaltenen Hospital für kranke und gebrechliche Thiere (Panjrapole), ausgebrochen. Bis zum 16. November d. J. waren in Karachi 36 Thiere erkrankt, wovon 8 gestorben und 23 genesen sind; in Sangal sollen bis dahin 67 Thiere gestorben und 51 genesen sein.
Bombay, 29. Dezember. (W. T. B.) Heute sind hier 54 neue Erkrankungen an der Pest und 37 Todesfälle zur amtlichen Kenntniß gelangt. Die Einwohner beginnen neuerdings die Stadt zu verlassen. Bisher sind in Bombay insgesammt 14 257 Erkrankungen an der Pest vorgekommen, von denen 11 882 tödtlich verliefen.
Verkehrs⸗Anstalten.
Laut Telegramm aus Köln (Rhein) ist die zweite englische Post über Ostende vom 29. Dezember aus⸗ geblieben, weil die Dampferfahrt Dover —Ostende wegen Sturmes ausgefallen ist.
Krefeld, 29. Dezember. (W. T. B.) Die Störung des Rhein⸗Trajekts zwischen Spyk und Welle, Strecke Kleve — Zevenaar, ist seit heute Mittag 1 Uhr beseitigt.
Bremen, 29. Dezember. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Dampfer „Habsburg“, n. Brasilien best., 28. Dez. Nm. St. Vincent passiert. „Saale“, v. New⸗York kommend, und „Trave“, n. New⸗York best., 29. Dez. Vm. Dover peassiert. „Prinz⸗Regent Luitpold“, v. Australien kommend, 29. Dez. Mttgs. a. d. Weser angek. „Bayern“, 29. Dez. Mrgs. Reise v. Port Said n. Neapel fortgesetzt. 1 8
— 30. Dezember. (W. T. B.) Dampfer „Barbarossa“, n. Australien best, 29. Dez. Nm. Neapel angek. „Aachen“ v. d. La Plata kommend, 29. Dez. Vm. Las Palmas passiert. „Darm⸗ stadt“ mit dem Marinetransport 29. Dez. Nm. Port Said an⸗ gekommen.
London, 29. Dezember. (W. T. B.) Union⸗Linie. Dampfer „Moor“ auf der Heimreise gestern von Madeira abgegangen.
Theater und Mufik.
E116“ Berliner Theater.. Der dreiaktige Schwank „Die Wunderg le ix Philippi bat gestern bei der ersten Aufführung einen lebhaften außeren Erfolg erzielt. Man erkennt den ernsten Verfasser der Schauspiele „Dornenweg“ und „Wohlthäter der Menschheit“ in dem Schwank kaum wieder; denn hier hat er mit Eifer und Gelingen nur den Zweck verfolgt, eine fröhliche Abendunterhaltung darzubieten. Das Stück ist weder in seinem Bau, noch in der Charakteristik besonders originell; der Dichter operiert mit landläufigen Be⸗ lustigungsmitteln und hergebrachten Lustspielmotiven, aber sie tragen doch alle ein modernes Gepräge und beziehen sich auf moderne 5 Zahlreiche Scherze haben z. B. den neuesten Sport: das „Radeln“, zur Grundlage, und die Heldin des Schwanks, eines kleinstädtischen Bürgermeisters kühnes Töchterlein Stephanie, betritt zuerst in einem Radlerkostüm die Bühne. Die Handlung löst sich wie gewohnheits⸗ mäßig in Lustspielen und Schwänken in eine anmuthige Liebesgeschichte auf. Im zweiten Aufzuge wird der kecken Radlerin, die jetzt in einem rosigen Ballkleid zu einer behaglichen Tasse Thee im Zimmer des noch jungen Onkels Franzius erscheint, das erz ge⸗ rührt; die weiche Stimmung fließt aus dem zaghaft und innig vorgetragenen Liedchen „Mädchen mit dem rothen Mündchen“ in die Herzen der Hörer über, und der stürmische Erfolg ist gesichert. Im letzten Akt kommt, weil es ihm an scenischer Einheitlichkeit mangelt, die nothwendige Verlobung etwas mühsam zu stande. — Der Titel des Schwanks hat mit dem Verlauf der Handlung nur wenig zu thun; er wird von einer Wunderquelle abgeleitet, die den Kleinstädtern den Glanz und den Reichthum eines Badeortes vermitteln soll, aber gerade in dem Augenblick der festlichen Ein⸗ weihung versiegt; dafür beginnt jedoch, gleich einer anderen Wunder⸗ quelle, plötzlich der Redestrom der Frau Bürgermeisterin zu fließen, welche dreiunddreißig Jahre geduldig und schweigend den lärmenden Wort⸗ schwall des eigenwilligen Gatten ertragen hat. Dieser Bürgermeister wird im ersten Akt sehr glücklich und lustig gezeichnet und geschickt in die Mitte einer großen Zahl derb⸗komisch charakteristerter kleinstädtischer Figuren gestellt. Durch seine satirische Kraft erscheint der erste Akt denn auch als der beste des Stücks, wenngleich der äußere Erfolg des gefühlvollen zweiten fast noch größer war. Die Wirkung des Schwanks wurde durch die treffliche Darstellung wesentlich erhöht. Frau Prasch⸗Grevenberg fand als Stephanie mit erstaunlicher Natürlichkeit den Ausdruck für die Stimmungen fast knabenhaften Uebermuths und rührender Kindlichkeit. Der etwas trockene Humor des Herrn Stahl paßte recht gut zu der Rolle des Onkels und Liebhabers. Herr Formes spielte den fast beständig heiseren Bürgermeister mit derber, polternder Komik, und Fräulein Marie Meyer bot ein lebensvolles Bild der geduldigen haneften dar. Dichter und Darsteller wurden nach allen drei Akten stürmisch gerufen und erschienen dankend auf der Bühne.
Konzert
Am 1. Tage nach dem Weihnachtsfest veranstaltete der Violinist Herr Aldo Antonietti, ein Schüler Emile Sauret's, im Saal der Sing⸗Akademie ein Konzert mit dem Philharmonischen Orchester, in welchem u. A. das A-moll⸗Konzert von Dvokak und das Bruch'sche G-moll-Konzert mit schönem Gelingen zu Gehör ge⸗ bracht wurden. Der Konzertgeber erwies sich als ein technisch durch⸗ gebildeter Künstler von sicherer musikalischer Auffassung, der mit Ge⸗ schmack vorzutragen versteht; der Ton seines Instruments klang immer voll und rein, hätte aber zuweilen wärmer und kraftvoller sein dürfen. Das Philharmonische Orchester, das unter der Leitung seines Lehrers stand, verdient noch besondere Anerkennung.
Am Dienstag fand gleichfalls in der Sing⸗Akademie ein Konzert des bekannten Komponisten Ernst Eduard Taubert statt, in welchem ältere und neue Kompositionen des Konzertgebers zum Vortrag kamen. Das sehr umfangreiche und vielseitige Pro⸗ Pras umfaßte ein Streichquartett, ein Quintett für Klavier und
lasinstrumente, Chorgesänge und Sololieder, aus denen die reiche melodische Erfindungsgabe des Komponisten und seine Kunst farbenreicher Orchestration lebendig hervorleuchtete. Neu war ein Streichquartett in Fis-moll (op. 56), dessen anmuthig durch⸗ geführte Themen und dessen klare Gliederung in dem Vortrag durch das Hollaender'sche Quartett glücklich zur Geltung gebracht wurden. Das schon bekannte Quartett für Klavier und Blasinstrumente wurde von Fräulein Schaeffer und den Herren Prill (Flöte), Schubert (Klarinette), Littmann (Horn) und Lange (Fagott) tadellos vorgetragen. Die Moterte Ave maris stella für vierstimmigen gemischten Chor kam zum ersten Mal zum Vortrage; in der getragenen Melodie spricht sich schwungvolle, edle Empfindung aus, welche der Chor unter der Lei⸗ tung des Herrn Siegfried Ochs in vollem Maße wiedergab. Derselbe Chor brachte auch die friedliche Stimmung des Gesanges „Du Abend⸗ klang“ ergreifend zur Wirkung. Der Königliche Opernsänger Herr Sommer trug mit frischer, klangvoller Stimme und un vielem Beifall den Liedercyelus aus Julius Wolff's „Tannhäuser“ vor, und Frau Adelina Sandow⸗Herms sang einige Lieder, unter denen das bekannte Wiegenlied „Luarin“ besondere Anerkennung fand — An demselben Tage gab die hier bereits vortheilhaft bekannte Pianistin Felicia Kirchdorffer im Saal Bechstein ein Konzert unter gütiger Mitwirkung des Herrn Professors Joachim und des König lichen Kammermusikers Herrn Bruno Hoyer aus München (Wald horn). Das Programm enthielt lediglich Werke von Brahms, und zwa solche, die, größtentheils aus seiner besten Schaffensperiode, den Jahren 1862 bis 87, herrübrend, noch den grübelnden, träumerischen Zug de Komponisten von damals erkennen lassen. Den Anfang machte die G-dur Sonate für Klavier und Violine, auf welche drei Stücke für Klavie allein: das Capriccio in D-moll, ein Intermezzo in Cis-moll und di beliebte Rhapsodie in G-moll folgten. Den Schluß des Abend bildete das selten gespielte Trio für Klavier, Violine und Wald horn, welches, ungeachtet der etwas fremdartigen Betheiligung de Waldhorns, durch die künstlerisch vollendete Wiedergabe einen prächtige Effekt machte. Lebhafter Beifall des leider nicht zahlreich erschienene Publikums folgte jedem Vortrage.
Im Saal der Königlichen Hochschule für Musik hatt der „Verein zur Förderung der Kunst“ gestern seinen zweite Musikabend veranstaltet, in welchem lediglich Kompositionen vo Anton Beer aus München zu Gehör gebracht wurden. Diese Name ist als der eines zu großer Hoffnung berechtigenden Tonsetzers über den engeren Kreis des Vereins hinaus häufig genannt worden. So ganz bestätigte sich aber der ihm voraufgegangene günstige Ruf insofern nicht, als es seiner Musik durchaus an einem individuellen Gepräge fehlt; wer also Offenbarungen eines neuen Genius erwartete, feh sich enttäuscht. Wer dagegen sich damit be⸗ gnügen wollte, gute Musik alten Stils zu hören, wird dem Kom⸗ ponisten seine Anerkennung nicht versagen können. Lieder für Sopran und Alt, vorgetragen von den Damen Betsy Schot und Lulu Heynsen, und ein Quartett in F-dur für Klavier, Violine, Viola und Violoncello, ausgeführt von den Herren Pfitzner, Pro⸗
fessor Holländer, Rampelmann und Hekking, erwiesen
ihre Lebensfähigkeit und dürfen den konzertierenden Künstlern zur Beachtung empfohlen werden. Die geplante Aufführung von Scenen aus einer „Sühne“ betitelten Oper mußte wegen Fehlens eines Sängers verschoben werden. Zwei Chöre daraus, welche der Chor des Stern'’schen Konservatoriums zu Gehör brachte, machten keinen tieferen Eindruck. — Die elfjährige Pianistin Paula Szalit aus Galizien, eine Schülerin von Eugen d'Albert und Josef Hofmann, die schon im vorigen Winter hier konzertierte, gab ebenfalls gestern im Saal Bechstein ein gut besuchtes Konzert. Die Leistungen des Kindes sind höchst beachtenswerth. Nicht nur der schöne, modu⸗ lationsreiche Anschlag, die erstaunliche technische Sicherheit und perlende Klarheit in den schnellsten Passagen, sondern vor allem die Reife der musikalischen Auffassung überraschten die Hörer. In Haydn's Es-dur- Sonate, in zwei Liedern ohne Worte von Mendelssohn, in einigen anmuthigen “ von J. Hofmann, Chopin, Raff und Anderen traten diese Vorzüge immer wieder zu Tage. Auch ein erfreuliches Kompositionstalent bewies sie in zwei eigenen Stücken, von denen die Mazurka (in A-moll) am besten gelungen erschien.
Im Königlichen Opernhause geht morgen, am Sylbvester⸗ abend, Ambroise Thomas' Oper „Mignon“ in Scene. — Nachmittags 4 Uhr findet eine Kinder⸗Vorstellung statt. Zur Aufführung gelangen „Hänsel und Gretel⸗ (Haͤnsel: Fräulein Rothauser; Gretel: Fräulein Dietrich; Knusperhexe: Fräulein Reinl) und das Ballet „Die Puppenfee⸗ mit den Damen dell'Era und Urbanska in den Hauptrollen. — Herr Emil Götze tritt am Montag, den 3. Januar, zum ersten Mal in dieser Spielzeit als Walther Stolzing in Richard Wagner's „Meistersingern von Nürnberg“ auf. Herr Thomaschek, der gelegentlich des Mozart⸗Cyclus den Leporello sang, wird als Beckmesser gastieren.
Im Königlichen Schauspielhause wird morgen „Mutter Thiele“ von Adolf L'Arronge in der bekannten Besetzung gegeben. Die Vorstellung beginnt um 7 Uhr.
Zu Ehren des Komponisten Professor Dr. Max Bruch, welcher am 6. Januar seinen 60. Geburtstag feiert, veranstaltet Herr Konzert⸗ direktor Hermann Wolff am Sonntag, den 2. Januar, Mittags 12 Uhr, im Saal Bechstein ein Festkonzert, für welches die Damen Teresa Carrebo, Amalie Joachim, Berthe Marx⸗Goldschmidt, ferner die Herren Josef Hofmann, Siegfried Ochs (mit 60 Mit⸗ gliedern des Philharmonischen Chors), Pablo de Sarasate und das Streichquartett der Herren Professor Halir und Genossen ihre Mit⸗ wirkung zugesagt haben n Publitum statt.
“ Mannigfaltiges.
In der gestrigen außerordentlichen Sitzung der Stadt⸗ verordneten erstattete zunächst Stadtv. Reichnow namens des Ausschusses Bericht über die Vorlagen, betreffend die speziellen Ent⸗ würfe zum Neubau je einer Gemeinde⸗Doppelschule in der Wilms⸗ straße und in der Glogauerstraße, sowie die Vorentwürfe zum Neubau je einer Gemeinde⸗Doppelschule in der Oderbergerstraße und in der Dunckerstraße. Er empfahl folgende Beschluß⸗ fassung: „Die Versammlung genehmigt die beiden Vor⸗ entwürfe, wie die beiden speziellen Entwürfe mit der Maßgabe, daß in Betreff der Heizungsanlagen einige Aenderungen vorgenommen werden. Die Versammlung ersucht ferner den Magistrat, in Erwägung zu ziehen, ob es nicht möglich ist, schon bei einer oder der anderen der vorstehend beschlossenen vier Schulen Einrichtungen für Kindergärten zu treffen, sowie ferner Maßnahmen zu treffen zur Beseitigung der bisherigen Uebelstände auf den Schulhöfen bei Ein⸗ fuhr von Kohlen und Abfuhr von Müll.“ Sämmtliche Vorschläge wurden ohne Debatte angenommen.
In gemeinschaftlicher Sitzung des Magistrats und der Stadtverordneten unter dem Vorsitz des Ober⸗Bürgermeisters
Zelle wurde sodann die Wahl von 19 Mitgliedern und 8 Stell⸗ vertretern der Einkommensteuer⸗Berufungskommission vorgenommen.