1898 / 11 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 14 Jan 1898 18:00:01 GMT) scan diff

Thatsachen, welche der Beantwortung der Interpellation durch den Statthalter zu Grunde lägen. Diese Kommission solle

binnen acht Tagen Bericht erstatten. 1

Großbritannien und Irland. Bei der gestern in York vorgenommenen Wahl eines Mitgliedes des Unterhauses wurde der Admiral Lord Charles Beresford (kons.) mit 5659 Stimmen gewählt. Der Gegenkandidat Sir Christopher Furneg (radikal) erhielt 5648 Stimmen. Da der bisherige Deputirte Lockwood den Liberalen angehörte, hat die Regierungspartei damit einen Sitz gewonnen. Frankreich.

In dem gestern abgehaltenen Ministerrath theilte der Minister⸗Präsident Méline mit, daß der Deputirte de Pont⸗ briand die Regierung über die Maßregeln zu interpellieren gedenke, welche sie zu ergreifen beabsichtige, um der Agitation zu Gunsten des Hauptmanns Dreyfus ein Ende zu machen. Die Minister vertagten ihre Entscheidung über diese Angelegen⸗ heit und über anders angekündigte, ähnliche Anfragen bis zu dem am nächsten Sonnabend unter dem Vorsitz des Präsidenten Faure stattfindenden Ministerrathe.

Der Senat wählte gestern mit 213 Stimmen Loubet zum Präsidenten. Zu Vize⸗Präsidenten wurden Magnin, Peytral und Franck Chauveau wiedergewählt; dagegen wurde Scheurer⸗Kestner nicht gewählt. Derselbe erhielt bei der ersten Abstimmung 80 von 239 abgegebenen Stimmen. Der zweite Wahlgang wurde auf heute vertagt. 1 In der Deputirtenkammer hielt gestern der Präsident Brisson eine Ansprache, in welcher er, dem „W. T. B.“ zu⸗ folge, sagte, daß die republikanischen Deputirten bei den nächsten Wahlen mit einem unzweideutig reformatorischen Programm erscheinen und die Waͤhler in die nächste Kammer eine durch ihre Disziplin und durch ihre Aktion mächtige republikanische Majorität entsenden würden. Der Deputirte Graf de Mun erklärte, daß er die Regierung über den offenen Brief Zola's an den Prä⸗ identen 1 in welchem derselbe wegen des in dem rozesse Esterhazy ergangenen Urtheils die Generale Mercier, illot, Gonse und Boisdeffre der Pflichtvergessenheit beschuldige, interpellieren wolle. Die Kammer unterbrach darauf die Sitzung, um das Erscheinen des Kriegs⸗ Ministers abzuwarten. Nach Wiederaufnahme der Sitzung nahm der 1“ Méline das Wort. Der⸗

selbe erklärte, er begreife die Bewegung der Kammer angesichts des Angriffs auf die Spitzen des Heeres. Die Regierung habe,

ihrer Pflicht sorgsam eingedenk, beschlossen, Zola vor Gericht zu bringen, obgleich sie sich nicht verhehle, daß man die strafrechtlichen Verfolgungen wünsche, um die Agitation verlängern zu können. Der Minister⸗Präsident sprach sebans die Hoffnung aus, die Kammer werde zu der Thatkraft und der Weisheit der Regierung Vertrauen haben. Der Deputirte

Graf de Mun führte aus, daß die Regierung und die

Kammer der Armee eine Bezeugung ihres Vertrauens

schuldig seien; es sei unmöglich, die angekündigte Hoch⸗ fluth der Beleidigungen und der Angriffe weiter dauern zu

lassen. Der Kriegs⸗Minister, General Billot erwiderte: es Fei jetzt das vierte Mal seit einem Jahre, daß er die Aufgabe habe, ein rechtskräftiges kriegsgerichtliches Uͤhrtheil zu vertheidigen. Die

Armee weise die Angriffe mit Verachtung zurück; es sei jedoch

schmerzlich, sie in dieser Weise vor dem Ausland angegriffen

zu sehen. Die wieder gekräftigte Armee arbeite und verfolge ihre Aufgabe, und an dem Tage, wo man ihrer bedürfen sollte, werde sie ihre Pflicht zu erfüllen wissen. Der Deputirte Jaurès tadelte den Ausschluß der Oeffentlichkeit im Prozeß Esterhazy, was in der Nation einen Zweifel bestehen lasse, und forderte

im weiteren Verlaufe seiner Rede die Mehrheit auf, den Grundsatz der Unterordnung der militärischen Gewalt unter die Zivilgewalt nicht zu verleugnen. Der Kriegs⸗Minister, General Billot entgegnete: die Armee gehorche ihrem Chef, dem treuen Hüter der republikanischen Einrichtungen, und sie verfolge ihre heilige Aufgabe. Der Deputirte Cavaignac wandte sich gegen Jaurés, der ungerechtfertigte Angriffe gegen das Heer erhoben habe, und sprach sich dahin aus, daß der Kriegs⸗Minister nicht durch ein Wort die wegen der Angelegenheit Dreyfus ent⸗ standene Kampagne beenden könne. Redner forderte die Mit⸗ theilung des geheimen Aktenstücks, welches die Verurtheilung des Kapitäns Dreyfus herbeigeführt habe. Der Minister⸗Präsident Méline erklärte hierauf, es sei unmöglich, vor der Kammer einen durch Urtheilsspruch des Kriegsgerichts erledigten Prozeß aufs neue zu beginnen. Hierauf wurde die Debatte geschlossen. Eine von dem Deputirten Cavaignac eingebrachte Tages⸗ ordnung, welche das zögernde Verhalten der Regierung bedauert, wurde mit 317 gegen 192 Stimmen abgelehnt. Darauf nahm die Kammer mit 313 gegen 141 Stimmen eine von dem Deputirten Harty beantragte und vom Minister⸗ Präsidenten Méline genehmigte Tagesordnung an, welche das Vertrauen in die Erklärungen der Regierung ausspricht. Der De⸗ putirte Graf de Mun beantragte, der Tagesordnung die Worte hinzuzusetzen: „Die Kammer rechnet darauf, daß die Regierung die nöthigen Maßnahmen werde zu ergreifen wissen, um der Agitation gegen das Heer ein Ziel zu setzen“. Dieser Zusatz wurde mit 254 gegen 120 Stimmen genehmigt und sodann die gesammte Tagesordnung mit 312 gegen 122 Stimmen angenommen. Die Sitzung wurde darauf ge⸗ schlossen.

8 Rußland. 8 8 Der Kaiser, die Kaiserin und die Kaiserin⸗Wittwe sind gestern von Gatschina in St. Petersburg eingetroffen.

Vormittags fand, wie „W. T. B.“ berichtet, im Winter⸗Palais ein feieslicher Gottesdienst statt, an welchen sich die Gratulations⸗ cour schloß. Um 12 Uhr nahmen die Majestäten die Glück⸗ wünsche des diplomatischen Korps anläßlich des Jahreswechsels entgegen.

Italien.

In Palermo fand gestern im Theater Garibaldi ein Festmahl zu Ehren Crispi's statt, an welchem etwa 300 Per⸗ sonen theilnahmen, darunter der Bürgermeister, 9 Senatoren und 13 Deputirte. Crispi hielt eine Rede, in welcher er, wie „W. T. B.“ meldet, einen Rückblick auf die Ereignisse von 1848 und 1860 warf und ausführte, daß die Einigkeit Italiens nothwendig sei und die Rückkehr Siziliens zur Selbständigkeit schädlich sein würde. „Von Militär⸗ mächten umgeben, mit dem benachbarten Afrika in der Hand einer auswärtigen Macht, die dasselbe wirksam befestigt, ge⸗ nügen die Alpen und das Meer zu unserer Vertheidigung nicht; dieselbe bedarf vielmehr starker Bataillone. Die mate⸗ rielle Einheit hat uns bisher nicht die Früchte gebracht, auf

die wir noch immer hoffen. Wir stehen noch im Beginn des Werks der intellektuellen und moralischen Einigung des Landes. Indessen ist die Erinnerung an unsere Triumphe nützlich.“ Crispi forderte schließlich die Sizilianer auf, sich von dem 58 der Brüderlichkeit gegenüber dem Lande erfüllen zu lassen, das ihnen die intellektuelle Einigkeit sichern werde, welche die Grundlage für die Macht und die Größe der Nation bilde. der König!“ „Es lebe das geeinigte, untheilbare Italien!“

Spanien.

Dem Ministerrath ging, nach einer Meldung des „W. T. B.“, während seiner gestrigen, im Schlosse u Madrid abgehaltenen Sitzung eine Depesche des Marschalls Blanco zu, welche meldet, daß in Havanna Volksunruhen seien. Man nimmt an, daß es sich um die aus New⸗York gemeldeten Aufläufe vor den Zeitungsredaktionen in Havanna (s. unter „Amerika“) handele.

Der General Augusti wird zum General⸗Gouverneur von Portorico ernannt werden.

Der Präsident des Senats Marquis Pazo de la Merced und fünf frühere Minister, welche dem Kabinet Canovas angehörten, haben die Erklärung veröffentlicht, daß sie Gegner einer neuen Zusammensetzung des Kabinets mit Silvela seien.

Wie es heißt, ist die Untersuchung in der Angelegenheit des Generals Weyler suspendiert worden.

Jovan Gjaja, Mitglied des früheren radikalen Kabinets, ist, dem „W. T. B.“ zufolge, zum Sektions⸗Chef im Ministerium des Auswärtigen ernannt worden. Der bisherige Sektions⸗ Chef Zukitsch wurde zum Sekretär des Staatsraths ernannt.

Amerika.

2ꝙ Nach einer in New⸗York eingetroffenen Depesche aus Havanna haben, wie das „Reuter'sche Bureau“ berichtet, vorgestern früh etwa 100 aktive Offiziere, welche durch Zeitungsangriffe gegen die spanische Armee auf Cuba aufgereizt waren, in den Redaktionen der Zeitungen „La Discussion“ und „El Reconcentrado“ die Fenster ein⸗ geworfen, die Druckpressen zerstört und die An⸗ gestellten insultiert. Ein etwa 1000 Personen zählender Volkshaufe begleitete die Offiziere unter dem Rufe: „Es lebe Spanien!“ Der Pöbel zerstreute sich sodann. Andere Volksmassen aber sammelten sich und schlugen die Thüren des „Diario de la Marina“ ein, wurden jedoch von der Gen⸗ darmerie auseinandergetrieben. Dem Madrider „Heraldo“ zufolge hätte auch vor dem Palast des General⸗Kapitäns eine Kundgebung stattgefunden, bei welcher die Rufe: „Es lebe Spanien!“ „Es lebe der General Weyler!“ ausgestoßen worden seien. Kavallerie habe die Manifestanten zerstreut. Drei Offiziere seien verhaftet worden. Die Theater und Cafés seien geschlossen. Das Amtsblatt von Havanna habe ein Dekret veröffentlicht, welches die Strafen fuͤr Preßvergehen erhöhe.

AUAulfien.

Eine britische Vermessungs⸗Abtheilung unter der Führung des Hauptmanns Burn, welche aus mehr als 200 Trägern und Signalisten bestand, ist, wie das „Reuter'sche Bureau“ aus Kalkutta meldet, im Mekran⸗Distrikte (Belutschistan) von ausständischen Bergstämmen angegriffen worden. Einige der eingeborenen Soldaten, welche die Abtheilung begleiteten, wurden getödtet und viele ver⸗ wundet. Dem Hauptmann Burn gelang es, auf einem Kameel zu entkommen und nach einem Ritt von 130 Meilen Ormara zu erreichen. Der Ausstand der Stämme richtet sich gegen den Khan von Khelat; Ormara ist bedroht. Die Truppen des Khan halten das Fort Nasirabad besetzt.

Nach einer Meldung aus Bombay sind in Boriavi bei Nariad im Distrikt Gujarat ernste Unruhen ausgebrochen. 88 Sepoys wurden getödtet, auch verlautet, daß ein britischer

eamter 1e verwundet worden sei. Von Ahmadabad sind 300 Mann Soldaten an Ort und Stelle gesandt worden.

Auf Verlangen der britischen Behörden wird die indische Regierung binnen kurzem 400 Punjab⸗Mohamedaner nach Uganda senden.

Die britischen Torpedoboot⸗Zerstörer„Hart“ und „Handy“ sollen, wie aus Hongkong berichtet wird, mit dem Depeschen⸗ boot „Alacrity“ nach dem Norden abgehen. Dem Kreuzer „Edgar“, welcher Anweisung erhalten hatte, nach Groß⸗ britannien zurückzugehen, ist Gegenordre ertheilt worden. Der Kreuzer „Powerful“ erwartet zur Zeit in den nördlichen Gewässern Chinas weitere Befehle.

Afrika. 11““

In Brüssel ist aus Boma (Congostaat) ein Telegramm eingegangen, nach welchem dort ein vom 18. November datiertes Schreiben aus Uvira am eee ika⸗See eingetroffen ist mit der Meldung, daß ein Haufe uftandischer eine Abtheilung Soldaten des Congostaats nördlich vom Tanganjika⸗See angegriffen und geschlagen habe; der Faücres der Abtheilung sei gefallen. Baron Dhanis, der sein Hauptquartier in Lokandu im Bezirke Manyema hatte, habe persönlich die Leitung der Operationen gegen die Aufständischen über⸗ ee11X“

Parlamentarische Nachrichten.

Der Bericht über die gefttrige Sitzung des Reichs⸗ tages befindet sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (17.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Reichs Justizamis Dr. Nieberding beiwohnte, genehmagte das Haus zunächst den Antrag des Abg. von Kardorff (Reichsp.) wegen Einstellung des gegen den Abg. Freiherrn von Stumm (Reichsp.) schwebenden Ver⸗ fahrens und setzte dann die erste Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend Aenderungen der Zivil⸗ prozeßordnung und eines zugehörigen Einführungs⸗ gesetzes fort.

Das Wort nahm zuerst der Abg. Beckh (fr. Volksp.), dessen Rede bei Schluß des Blattes noch fortdauerte. 6

8*

Die Rede schloß mit den Rufen: „Es lebe

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Statistik und Volkswirthschaft.

Die Betriebsergebnisse der preußischen Staatseisen⸗ bahnen im Jahre 1896/97. 11*). 8

Die Gesammteinnahmen aus dem Betriebe der preußischen Staatseisenbahnen haben im Rechnunasjahre 1896/97 1 099 449 944 gegen 1 039 420 046 im Vorjahre betragen, sind somit um 60 029 898 oder 5,78 % gestiegen.

Auf 1 km duvrchschnittlicher Betriebslänge zurückgeführt, ergaben die Einnahmen im Berichtsjahre 39 876 ℳ, im Vorjahre 38 468 ℳ, im ersteren mithin eine Steigerung um 1408 oder 3,66 %. Die Einnahmen des Jahres 1896/97 würden sich noch um 22 525 271 höher gestellt haben, wenn die Reichs⸗Postverwaltung die Leistungen der Eisenbahnperwaltung voll vergütet hätte. Den im Etat für 1896,97 vorgesehenen Gesammteinnahmen von 1 020 592 400 gegen⸗ über stellt sich die Wirklichkeit von 1 099 449 944 um 78 857 544 oder 7,73 % höher.

Die Gesammtausgaben haben 595 549 984 im Berichts⸗ jahre gegen 569 951 357 im Vorjahre betragen; dieselben sind somit um 25 598 627 oder 4,49 % gestiegen. Den im Etat für 1896/97 vorgesehenen Gesammtausgaben von 580 453 700 gegen⸗ über stellt sich die Wirklichkeit von 595 549 984 um 15 096 284 oder 2,60 % höher.

Der Ueberschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben betrug 503 899 960 im Berichtsjahre gegen 469 468 689 im Vorjahre. Derselbe ist somit im Jahre 1896/97 um 34 431 271 oder 7,33 % höher gewesen als im Jahre 1895/96. Auf 1 km durchschnittlicher Betriebslänge stellte sich der Ueberschuß auf 18 276 ℳ, im Vorjahre dagegen auf 17 374 ℳ; er ist demnach um 902 oder 5,19 % gestiegen. Dem im Etat für 1896/97 vorgesehenen Ueber⸗ schusse von 440 138 700 steht ein wirklicher Ueberschuß von 503 899 960 gegenüber. Es sind somit 63 761 2650 oder 14,49 % mehr erzielt worden

Die Einnahmen aus dem Personen⸗ und Gepäck⸗ verkehr beliefen sich auf 290 698 041 im Berichtsjabre gegen 273 901 836 im Vorjahre; sie sind mithin um 16 796 205 oder 6,13 % gestiegen, während die durehschnittliche Betriebelänge für den Personenverkehr von 26 400,77 km im Jahre 1895/96 auf 26 914,47 km im Jahre 1896/97, also um 513,70 km oder nur 1,95 % zugenommen hat. An den Gesam nteinnahmen ist die Einnahme aus dem Personen⸗ und Gepäckverkehr mit 25,44 % gegen 26,35 % im Vorjahre betheiligt. Der erheblichste Theil derselben entfällt in Höhe von 248 434 753 oder 85,46 % auf den inneren Verkehr des Staatsbahnnetzes, während der Verkehr mit den fremden Bahnen, einschließlich des Durchgangsverkehrs, mit 42 263 288 oder 14,54 % betbeiligt ist. Die Einnahmen der Berliner Stadtbahn (Strecke Schlesischer Bahnhof— Westend, ohne Vorort⸗ und Fernverkehr) haben betragen: im Jahre 1889/90: 2 808 961 ℳ, 1890/91: 3 165 158 ℳ, 1891/92: 3548 603 ℳ, 1892/93: 3 854 423 ℳ, 1893 94: 4 132 453 ℳ, 1894/95:4 513 376 1895/96: 5 013 281 und 1896/97 6 598 300

Von den Gesammteinnahmen aus dem Personen⸗ und Geväck⸗ verkehr entfallen 281 072 775 oder 96,69 % auf die Personen⸗ beförderung, 7 372 557 oder 2,54 % auf die Beförderung von Gepäck und Hunden und 2 252,709 oder 0,77 % anf Nebenerträge. Die Einnahme aus der Personenbeförderung allein hat gegen das Vorjahr 15 878 000 oder 5,99 % mehr betragen. Auß die ein⸗ zelnen Wagenklassen vertheilen sich diese Einnahmen in folgender Weise: Es wurden für die I. Wagenklasse 11 730 075 oder 4,18 %, für die II. 67 269 544 oder 23,93 %, für die III. 113 137 593 oder 40,25 %, für die IV. Wagenklasse 80 752 418 oder 28,73 % und für die Militärbeförderung 8 183 145 oder 2,91 % vereimnahmt. Die Einnahmesteigerung seit dem Vorjahre betrug bei der I. Wagenklasse 438 864 oder 3,89 %. bei der II. 3 113 370 oder 4,85 %, bei der III. 6 112 212 oder 5,71 %, bei der IV. Wagenklasse 6 189 597 oder 8,30 % und bei der Militärbeförderung 23 957 oder 0,29 %. Zu der Vermehrung der Einnahmen hat sowohl hinsichtlich der Gesammtsteigerung als auch der Steigerung in den einzelnen Wagenklassen am erheblichsten die IV. Wageaklasse beigetragen (im Vorjahre die III. Wagenklasse), was in der Einführung der 1V. Wagenklasse auf den Strecken der ehemaligen Werra⸗, Weimar⸗Geraer und Saalbahn, in der er⸗ weiterten Ausgabe von Arbeiterkarten, der Einrichtung einer größeren Anzahl von Frauenabtheilungen und in der weiteren Ausrüstung der Personenwagen mit Sitzplätzen seinen Grund findet; infolge der letzteren Maßnahmen ist die IV. Wagenklasse besonders für weitere Fahrten mehr als früher in Anspruch genommen worden. 8

Die Gesammtzahl der beförderten ö“ (d. i. der auf je eine ausgegebene Karte zuröckgelegten Fahrten) betrug 436 717 857 im Berichtsjahre gegen 397 759 674 im Vorjahre, ist somit um 38 958 183 oder 9,79 % gestiegen. Von der Gesammtzahl der Reisen⸗ den (Fahrten) entfielen auf die I. Wagenklasse 1 436 470 oder 0,33 % (gegen das Vorjahr mehr: 101 071 oder 7,57 %), auf die II. 45 988 724 oder 10,53 % (+ 4 956 736 oder 12,08 %), auf die III. 227 586 973 oder 52,11 % (+ 22 698 924 oder 11,08 %), auf die IV. Wagen⸗ klasse 155 389 202 oder 35,58 % (+ 11 030 024 oder 7,64 %) und auf die Mitllitärbeförderung 6 316 488 oder 1,45 % (+ 171 428 oder 2,79 %). An der Vermehrung der Anzahl der beförderten Personen (Fahrten) ist hinsichtlich der Gesammt⸗ steigerung die III. Wagenklasse, Fafs tg der Steigerung in den einzelnen Wagenklassen aber die II. Wagenklasse am erheblichsten be⸗ theiligt gewesen. Beides sind Folgen der vielen Sonderfahrten, die im Berichtsjahre aus Anlaß besonderer Veranstaltungen stattfanden und für welche diese beiden Wagenklassen allein in Frage kamen. In den vorstehenden Zahlen sind mit enthalten die Ergebnisse:

8 8 im Jahre 1896/97 im Jahre 1895/96 mit Einnahme mit Einnahme

% ℳ6 %

94 348 034 33,57 86 423 589 32,59

.. 18 426 559 6,56 17 651 341 6,66 EEIWE1111““M 699 987 0,26 Erlöses aus dem Verkauf der

Platzkarten 2 420 131 0,86 2 217 582 0,84

Der Güterverkehr, der im Vorjahre bereits einen erfreulichen Aufschwung genommen hatte, ist auch im Berichtsjahre nach Umfang und Einnahme im Steigen geblieben, während der Vieh⸗ verkehr, bei dem schon im Vorjahre ein Rückgang festgestellt wurde, in seinen Beförderungsmengen und Erträgni en gegen das Vorjahr noch weiter zurückgegangen ist. Die Gesammtzahl der frachtpflichtig beförderten Tonnen ist um 14 224 659 t oder 9,29 % und die Anzahl der frachtpflichtig gefahrenen tkm um 979 886 078 oder 5,48 % gestiegen; die dafür erzielten Ein⸗ nahmen sind um 36 937 342 oder 5,30 % höher gewesen als im Vorjahre. Dabei ist der Viehverkehr um 58 917 t oder 3,48 %, um 16 564 823 thm oder 5,58 % und um 1 329 511 oder 5,78 % zurückgegangen. Die im Berichtsjahre gegenüber dem Vorjahre ein⸗ getretene Steigerung des Güterverkehrs, welche um so bemerkens⸗ werther ist, als im Berichtsjahre die Einnahmen eines Schalttages fehlten und die Schiffahrt durch die ihr vortheilhaften öö und Wasserverhältnisse im allgemeinen begünstigt wurde, ist im wesentlichen eine Folge der andauernd guten Geschäftslage. Die bestehenden Großbetriebe waren unausgesetzt in Thätigkeit und verursachten ganz bedeutende Kohlen⸗ und auch Eisen⸗ transporte. ie Ernte war eine fast durchweg gute, nur die Obst⸗ und Kartoffeltransporte blieben infolge nicht günstiger Ernte zurück. Die Bauthätigkeit war eine rege und deshalb die Befzrderung von Baumaterialien eine erhöhte. Von besonderem Einfluß waren auch umfangreiche Rübentransporte, sowie eine wesentliche Steigerung der Kohlenausfuhr nach Oesterreich⸗Ungarn und eneene Daneben haben die hinzugetretenen neuen ahnstrecken, stärkere Militär

Rückfahrverkehrs. Verkehrs auf zusammenstell⸗

bare Fahrsche nhefte .. Schlafwagenverkehrs ...

*) S. die gestrige Nummer d. Bl.

halt dieser

Portugiesen.

transporte und ein gesteigerter Verkehr in frachtpflichtigem Dienst⸗ gute Mehreinnahmen hervorgerufen. Trotz der stärkeren Rüben⸗ transporte sind die Zuckertransporte gegen das Vorjahr zurückgeblieben, was seinen Grund darin findet, daß infolge der länger anhal⸗ tenden Kampagnen die Beförderungszeit für Zucker noch auf die Monate April und Mai 1897 verschoben worden ist. Der Rückgang im Viehverkehr ist eine Folge der vielfach aufgetretenen Maul⸗, Klauen⸗ und Lungenseuchen, welche andauernde Grenzsperren und den Ausfall vieler Viehmärkte nach sich zogen. Die Gesammt⸗Trans⸗ portmengen (eingerechnet die frachtfrei beförderten Güter) sind seit dem Vorjahre von 163 751 295 t auf 178 645 193 t, also um 14 893 898 t oder 9,10 %, und die gegen Frachtberechnung beförderten Gütermengen von 153 148 107 t auf 167 372 766 t, mit⸗ hin um 14 224 659 t oder 9,29 % gestiegen. Die hiernach auf 1 t der gegen Frachtberechnung beförderten Mengen entfallene Einnahme betrug 4,39 im Berichtsjahre gegen 4,55 im Vorjahre. Auch im engeren norddeutschen Verkehrsbezirke ist bei der über⸗ wiegenden Mehrzahl der Frachtgegenstände der Industrie und Landwirthschaft eine Verkehrszunahme und nur bei Kartoffeln (um 101 534 t), Spiritus (um 12 281 t), Stärke (um 1910 t), rohem Zucker (um 108 788 t), raffiniertem Zucker (um 6811 t), Hopfen (um 1130 t), Soda (um 1714 t), Flachs (um 5235 t), Jute (um 2252 t), Wolle (um 14 437 t) und Reis (um 4759 t) eine Verkehrsabnahme gegen das Vorjahr eingetreten.

Die Einnahmen aus dem gesammten Güterverkehr betrugen 734 143 370 im Berichtsjabre gegen 697 206 028 im Vor⸗ jahre, im ersteren somit 36 937 342 oder 5,30 % mehr. Der Antheil des Güterverkehrs an den Gesammteinnahmen berechnet sich auf 66,77 % im Berichtsjahre gegen 67,08 % im Jahre 1895/96. Auf den Gruppen⸗ und Gruppenwechselverkehr des gesammten Staats⸗ bahnnetzes entfielen von den Einnahmen aus dem Güterverkehr 507 789 405 oder 69,17 % im Berichtsjahre gegen 482 040 783 oder 69,14 % im Vorjahre und auf den direkten und Durchgangs⸗ verkehr 226 353 965 oder 30,83 % im Berichtsjahre gegen 215 165 245 oder 30,86 % im Jahre 1895/96.

Die Gesammtzahl der bei der Staatseisenbahnverwaltung in sämmtlichen Dienstzweigen (auch beim Neubau). beschäftigten Beamten (und Gehilfen im mittleren Dienste) betrug im Durch⸗ schnitt des Jahres 1896/97: 109 204, 1895/96: 107 734. Es sind mithin im Durchschnitt des Berichtsjahres 1470 Beamte (und Ge⸗ hilften im mittleren Dienst) oder 1,36 % mehr beschäftigt gewesen. Die Gesammtzahl der beim Staateeisenbahn⸗ betriebe (mit Einschluß der Bahnunterhaltung und des Werkstätten⸗ betriebes) beschäftigten Arbeiter (und Hilfskräfte im unteren Dienst) belief sich im Durchschnitt des Jahres 1896/97 auf 188 262, 1895/96 auf 179 428 und ist demnach um 8834 oder 4,92 % gestiegen. Außer⸗ dem waren beim Bau neuer Bahnstrecken und bei den extraordinär vorgesehenen Ergänzungs⸗ und Erweiterungsbauten auf den im Be⸗ triebe befindlichen Strecken im Jahre 1896/97 3821 Arbeiter und im Jahre 1895/96 3946 Arbeiter beschäftigt.

Zur Arbeiterbewegung.

In Groß⸗Börnecke bei Staßfurt ist, einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge, unter der Belegschaft der Jakobgrube ein Aus⸗ stand ausgebrochen. Die Ausständigen fordern angeblich Verkürzung der Arbeitszeit.

Hier in Berlin hat sich, wie die Berliner „Volks⸗Ztg.“ mit⸗ theilt, unter dem Namen „Verein Berliner Buchdrucker“ eine neue sozialdemokratische Organisation gebildet im Gegensatz zu dem roßen Verbande deutscher Buchdrucker. Die Fabrik⸗Schuhmacher

aben, wie der „Vorwärts“ mittheilt, gestern beschlossen, die von den Arbeitgebern aufgestellte neue Fabrikordnung abzulehnen.

In Luxemburg ist nach demselben Blatt ein Ausstand der Setzer ausgebrochen, welche neunstündige Arbeitszeit und 5 Fr. Tage⸗ lohn verlangen.

Literatur.

Jahrbuch der Internationalen; Vereinigung für vergleichende Rechtswissenschaft und Volkswirthschafts⸗ lehre zu Berlin, im Auftrage der Vereinigung herausgegeben von Professor Dr. Bernhöft in Rostock und Landgerichts Rath Dr. Meyer in Berlin. III Jahrgang (1897), 1. Abtheilung. 271 S. Verlag von K. Hoffmann in Berlin Den In⸗ Abtheilung bilden fünf in der Vereinigung ge⸗

haltene Vorträge und eine Reihe sonstiger Originalarbeiten von erheblichem Werth. Gegenstand des ersten der zum Abdruck gelangten Vorträge ist die holländische Notenbank⸗Politik im Ver⸗ gleich zur englischen und deutschen. Der Verfasser, Professor Dr. van der Borght⸗Aachen, giebt in demselben zugleich eine inter⸗ essante Darstellung der geschichtlichen Entwickelung der Niederländischen Bank. Das holländische Bankwesen hat trotz seiner 300 jährigen Geschichte später als das preußische, englische und französssche die Grundsätze moderner Kredirbavken angenommen. Eist im Jahre 1814 ist als Notenbank in Form einer jeitlich privilegierten Aktiengesellschaft im Mutterlande die Nieederländische „Bank, 1827 für Niederländisch⸗Ostindien die Java⸗Bank zu Batavia und 1864 für Niederländisch⸗Guayana die Surinam⸗Bank ins Leben ge⸗ treten. Die Niederländische Bank basaß ursprünglich allein das Recht zur Notenausgabe in Holland. Im Jahre 1863 wurde indessen dieses Monopol aufgehoben und die Errichtung anderer Notenbanken für zulässig erklärt. Thatsächlich ist aber die Niederländische Bank die einzige Notenbank e. und somit die Zentralisation des Noten⸗ banlwesens in den Niederlanden ebenso durchgeführt, wie in Frankreich, Spanien, Belgien, Skandinavten, Rußland und Oesterreich⸗Ungarn, währerd in England, Deutschland und Italien eine Mehrheit von Notenbanken geschichtlich überkommen ist. Seit 1863 ist für die Niederländische Bank und seit 1875 für die Java⸗Bank auch keine Höchstgrenze des Notenumlaufs mehr gezogen; nur müssen die Noten und andere stets fällige Verbindlichkeiten zu 40 % baar gedeckt sein. Für metallisch ungedeckte Noten wird, wie in Deutschland, bankmäßige eckung durch Wechsel, Effekten⸗ und Waarenlombard verlangt, während die an deren Stelle in England, Frankreich und Nord⸗Amerika vorgesehene Sicherstellung durch Staatspapiere in den Niederlanden nur für ein Fünftel des Reservefonds und des 20 Millionen Gulden betragenden Aktienkapitals neben anderen Anlagen in Betracht kommt. Dem Vorrecht der Befreiung der Noten von der Stempelsteuer steht, wie in Deutschland, wenn auch in geringerem Maße, der Anspruch des Staats auf einen Gewinnantheil gegenüber. Den wichtigsten Geschäftszweig der Niederländischen Bank bildet das vom Verfasser ausführlich erörterte Diskontogeschäft, durch welches sie solide Kredit⸗ bedürfnisse zu möglichst stabilen und mäßigen Distontsätzen zu be⸗ friedigen, unsoliden Spekulationen aber entgegenzuarbeiten bemüht gewesen ist. Selbst in den schlimmsten Zeiten hat sie 7 % nicht überschritten und auch in kritischen Jahren vielfach diesen Satz nicht erreicht. Der Verfasser schließt hieraus, daß die Grundlage der Niederländischen Bank eine durchaus gesunde sei. Professor Dr. Konrad Bornhak, Amtsrichter in Berlin, erörtert die Rechts⸗ formen kolonialer Ausbreitung der europäischen Stgaten. Er unterscheidet drei Perioden, in denen die über⸗ quellende Lebens kraft der europäischen Völker in wirthschaftlicher und nationaler Beziehung die Grenzen der mittelalterlichen Kultur über⸗ schritt und 829 überschreitet. Die erste dieser Perioden ist die der spanisch⸗portugiesischen Conquista im 15. und 16. Jahrhundert, die der alten Welt Kunde brachte von einer „neuen“; die zweite Periode ist die der niederländisch⸗ englisch⸗französischen Kolonisation des 17. und 18. Jahrhunderts, und die dritte diejenige, in der wir uns jetzt befinden. Die Rechtsformen 8n Periode basierten auf den Anschauungen des ausgehenden alters, das im Zeichen des Kampfes zwischen Kaiserthum und Papfttham stand. Der Machtspruch des Papstes theilte die neu utdeckte und die neu zu entdeckende Welt zwischen Spaniern und Aber als die Stürme der Reformation das mittel⸗ 1 alterliche Völkerrecht des christlichen Gottesstaates“ vernichteten, brach das aufstrebende Handelsvolk der Niederländer mit den auf päpstliche Bullen gestützten Rechtstiteln der spanisch⸗portugiesischen

Conquistadoren. In blutigem Kampfe mit dem der spanischen Krone

unterthänigen Portugal wurde ein niederländisches Indien gewonnen, das den Grund zur Weltberrschaft des kleinen Volkes 5 Von dieser Zeit an war Entdeckung der völkerrechtliche Rechtstitel kolonialer Besitzergreifung; doch war die Völkerrechtsgemeinschaft beschränkt auf alle christlichen Völker im nunmehr erweiterten Sinne. Auf das ältere Völkerrecht berief sich noch in der Gegenwart Portugal der Association internationale für seine Ansprüche auf das Congobecken, jedoch ohne Erfolg. Die dritte große Kolonisationsperiode (in der wir uns jetzt befinden) dehnte die Völkerrechtsgemeinschaft auch auf nichtchristliche Staats⸗ wesen aus, soweit solche in diplomatische oder völkerrechtliche Beziehungen zu europäischen Staaten traten. Auf Grund dieser Rechtsanschauung scheidet sich das der europäischen Kolonisation offen⸗ stehende Gebiet in ein völkerrechtlich herrenloses und ein unter einer anerkannten staatlichen Souveränetät stehendes. Im ersteren Falle t nur der originäre Erwerbsakt der Occupation möglich der Ent⸗ deckung spricht das heutige Völkerrecht den Charakter eines Erwerbs⸗ titels unbedingt ab, auch das entdeckte Land bleibt völkerrechtlich herrenlos, wenn es nicht in Besitz genommen ist —; im zweiten Fall werden die derivativen Formen des Protektorats, der Zession und der Er⸗ oberung angewandt. Diese heutigen Rechtsformen kolonialer Ausbreitung werden dann vom Verfasser im zweiten Theil seiner Arbeit einer ein⸗ gehenden b11““ unterzogen, wobei auch die Frage be⸗ rührt wird, wie weit sich der Machtbereich des occupierenden Staats erstreckt. Zur Entscheidung dieser wichtigen Frage sind im Laufe der Zeit verschiedene Theorien aufgestellt worden. So haben die Ver⸗ emigten Staaten von Amerika im Oregonstreite mit Großbritannien und im Grenzstreite mit Spanien um Louisiana, Portugal im Streite mit der Association internationale um das Congobecken die Doktrin geltend gemacht, die Occupation der Flußmündung erstrecke sich auf das hanze Flußgebiet. Der Kontinuitaͤtstheorie, d. h. der Lehre von dem Anspruch des Occupanten auf das angrenzende Gebiet, welche w vor dem nordamerikanischen EEEbö“ einst von Ozean zu geltend machte und noch in jüngster Zeit betonte, ist in unseren Tagen die Theorie vom Hinterlande gefolgt. Die Dehnbarkeit aller dieser Theorien hat man beschränkt durch die Schaffung der „Interessensphäre“. Geheimer Justiz⸗Rath Dr. Rudolf Leonhard, o. ö. Professor der Rechtswissenschaft zu Breslau, behandelt den Vertragsschluß nach dem neuen Bürger⸗ lichen Gesetzbuche mit Bezugnahme auf das Recht des Auslandes. Er weist zunächst darauf hin, daß der § 77 des Ent⸗ wurfs erster Lesung, welcher besagte: „Zur Schließung eines Vertrages wird erfordert, daß die Vertragschließenden ihren über⸗ einstimmenden Willen sich gegenseitig erklären“, gestrichen worden sei und die zweite Lesung sowie das Gesetzbuch darüber schweige, was zum Thatbestande des Vertragsschlusses ge⸗ höre Unerläßlich sei jedenfalls ein aus den beiden Erklärungen er⸗ kennbarer, also in ihnen enthaltener übereinstimmender Wille; zweifel⸗ haft aber sei, ob hinter ihm auch noch eine zweite, innere Willens⸗ übereinstimmung stehen müsse. Auf induktivem Wege sei die Er⸗ gänzung dieser Lücke nicht möglich; den Mangel werde daher der Richter ergänzen müssen. Was das zur Zeit geltende Recht anbelange, so hätten die preußische, österreichische, französische, englische, nieder⸗ ländische, italienische und spanische Gesetzgebung für den Vertrags⸗ schluß ähnliche Ausdrücke wie das römische Recht, die sich ohne Zweifel in Anlehnung an das Wort consensus gebildet hätten. Das römische Recht aber fuße auf der Erklärungs⸗ theorie, welche das Hauptgewicht auf den äußeren Thatbestand, nicht auf den inneren Willen lege, und das Wort consensus dürfe nicht als inneres Einverständniß, sondern nur als Einwilligungsakt Ver⸗ trag verstanden werden. Nach dieser allgemeinen Betrachtung über den Vertraagsschluß wendet sich der Verfasser den im B. G.⸗B. unter der Ueberschrift „Vertrag“ enthaltenen Einzelbestimmungen 145 ff.) zu, die bekanntlich im Großen und Ganzen auf dem Boden der Anschauungen des preußischen Landrechts stehen, wie sie im deutschen Handelsgesetzbuche weiter ausgebildet sind. Der frühere Kaiserliche Gouverneur, Major à la suite der Armee Dr. von Wissmann schildert die wirthschaftlichen Verhältnisse in Deutsch⸗Ostafrika. Er erblickt den fühlbarsten Mangel dieser afrikonischen Kolonie in der so außerordentlich dünnen, wenig intelli⸗ genten Bevölkerung und in der großen Bedürfnißlosigkeit derselben. Um die Zahl der Bewohner zu vermehren, solle man fremde Stämme ansiedeln, z. B. ackerbautreibende Inder. Die indische Ein⸗ wanderung in Ost⸗Afrika sei zwar heute schon beträchtlich, aber die hierbei in Betracht kommenden Personen seien ausnahmslos Händler, und zwar solche, die, den Negern und auch den Arabern weit überlegen, verhältnißmäßig viel Geld verdienten, ihren Erwerb aber zum größten Theil an Verwandte in Indien und auch für reli⸗ giöse Zwecke in ihre alte Heimath zu senden pflegten, sodaß alljährlich Hunderttausende von Rupien aus Deutsch⸗Ostafrika nach Indien gingen. Die Intelligenz der schwarzen Eingeborenen könne nur durch einen gewissen Zwang zur Arbeit, der nicht den Menschenrechten zu⸗ widerlaufe, und durch eine Erziehung zu höheren Bedürfnissen gehoben werden. Nach den günstigen Erfahrungen, die man in den britischen und einigen portugiesischen Kolonien gemacht habe, sei das beste Mittel, den Neger zu einem arbeitsamen Kulturmenschen langsam zu erziehen, die Einführung einer für die verschiedenen Klassen der Bepölkerung verschieden bemessenen Kopfsteuer, welche da, wo Geld kursiere, also an der Küste, in Geld, weiter im Innern in Naturalien, Vieh u. s. w., entrichtet werden oder aber in Arbeits⸗ eistungen, sei es in der Truppe, sei es bei Privatpflanzungen oder bei Wegebauten und anderen Kulturarbeiten der Regierung, be⸗ stehen könne. Sehe der Eingeborene, daß er mit Kaffee, Kakao, Erd⸗ nüssen, überhaupt ergiebigeren Tropenerzeugnissen leichter, bequemer und schneller im stande sei, sich seiner Verpflichtungen zu entledigen, so werde er hierzu greifen und nicht mehr, wie bisher, die ihm von der Regierung zum Anpflanzen gegebenen Erdnüsse verzehren oder ver⸗ derben lassen. In den tropischen Theilen Ost⸗Asiens, wo die Spanier, Holländer, Engländer und Franzosen bei der Gründung ihrer Kolonien gleichfalls entweder nur eine sehr geringe oder eine zur Arbeit un⸗ geeignete Bevölkerung vorfanden, hat der europäische Unternehmer sein Augenmerk auf die Chinesen gerichtet, die dort auch heute noch in den modernen Betrieben sfämmtliche eine besondere Fertigkeit und Ausdauer, aber keine höhere Einsicht in das Wesen der Sache er⸗ fordernden Arbeiten verrichten. Der Fürsorge für diese wegen ihrer Geschicklichkeit und Genügsamkeit bekannten chinesischen Plantagen⸗ und Bergbau⸗Arbeiter von dem Zeitpunkt an, wo sie den Dampfer betreten, welcher sie aus der Heimath nach dem Lande ihrer Arbeit führt, bis zu dem Augenblick, wo sie nach vollendeter, ursprünglicher oder verlängerter Kontraktszeit das Schiff verlassen, das sie in die Heimath zurückgebracht hat, ist eine interessante Darstellung der rechtlichen und wirthschaftlichen Lage der Arbeiter (Kulis) auf den tropischen Plantagen nach Maßgabe der in Niederländisch⸗Indien bestehenden Einrichtungen von dem kürzlich verstorbenen deutschen General⸗ Konsul in Batavia Dr. Hermann Gabriel gewidmet. Nach seiner Ueberzeugung verdanken anila, Saigon, Bangkok, Singapore, Batavia, Samarang, Surabaya und die anderen großen Städte in Niederländisch⸗Indien das, was sie heute sind, weit mehr den chine⸗ sischen Einwanderern, die auch vielfach dauernd im Lande bleiben und ihr verdientes Vermögen dort nutzbar verwenden, als den herrschenden europäischen Klassen. Von den übrigen Beiträgen verdienen noch Beachtung die anregende Abhandlung von Georges Bry, Professor an der Universität Aix⸗Marseille, über „Die gemischten Berufsvereine der Arbeitgeber und Arbeiter 1 in Frank⸗ reich seit dem Gesetz vom 21. März 1884“, aus dem Französischen übersetzt von Dr. Johannes Feig in Berlin, die Aufsätze über „Die einheitliche Gestaltung des shweiee Rechts“ von Dr. Alfred Martin le Fort, ordentlichem Professor der Rechte in Genf, und über den „russischen Entwurf eines Börsengesetzes“ von Pergament in Odessa, sowie der im vorliegenden Band veröffent⸗ lichte erste Theil einer Arbeit über „Die Geisteskranken als Ver⸗ brecher“ von Raoul de la Grasserie, Richter in Rennes, übersetzt von dem Gerichts⸗Assessor Ernst Waltjen in Berlin. Für die

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des Rechtes südslavischer Völker bieten eine „Uebersicht des serbischen Erbrechts im auf eine Reform desselben“ von dem ver⸗ storbenen Appellationsgerichts⸗Rath in Belgrad Jovan Aétmovie und eine Abhandlung über „Die Hauskommunion der Südflaven“ von Dr. Ernest Miler, Staatsanwaltssubstitut in Agram, Material dar, während sich ein Aufsatz von Dr. Vladimir Pappafava, Advokat in Zara, unter der Ueberschrift „Die rechtliche Stellung der Fremden in Brasilien“ mit südamerikanischen Rechts⸗ zuständen befaßt. Den Schluß bildet das bekannte Urtheil des gemischten Appellhofes zu Alexandrien vom 2. Dezember 1896 in Sachen des französischen und des russischen Mitgliedes der Direktion der egyptischen Staatsschulden⸗Verwaltung und eines Konsortiums von Inhabern egyptischer Schuldtitel, Herbault und Genossen, 9* die egyptische Regierung und die übrigen vier Direktoren der ulden⸗ kasse (in welchem ausgesprochen wurde, daß die aus dem Reservefonds der Staatsschulden⸗Verwaltung zur Bestreitung der Kosten des Dongola⸗ Feldzuges entnommene Summe von 500 000 Pfund nebst Zinsen von der egyptischen Regierung in den Reservefonds zurückzuzahlen sei), dessen eingehende Begründung der Rath am gemischten Appellhof zu Alexandrien C. Gescher hier im Wortlaut mitgetheilt hat.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Bombay, 13. Januar. (W. T. B.) In der vergangenen Woche sind in Bombay 450 Personen an der Pest gestorben; die Gesammtsterblichkeit betrug in der letzten Woche 1307.

8 Verkehrs⸗Anstalten Bremen, 12. Januar. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Dampfer „Habsburg“, v. Bremen kommend, 11. Jan. Rio de Janeiro angek. „Bremen 11. Jan. Reise v. Albany n. Bremen fortges. „Trave“ 11. Jan. Vm. v. New⸗York n. Bremen abgeg. „Friedrich der Große“, v. Australien kommend, 11. Jan. Genua angekommen.

13. Januar. (W. T. B.) Dampfer „Sachsen“, n. Ost⸗ Asien best., 12. Jan. Nm. in Neapel angekommen.

14. Januar. (W. T. B.) Dampfer „Kaiser Wilbhelm II.“, v. New⸗York kommend, 13. Jan. Nm. in Genua angek. „Bayern“, v. Ost⸗Asien kommend, 13. Jan. Nm. Vlissingen passiert. „Ems“ 13. Jan. Vm. v. Genua n. New⸗York abgeg. „Pfalz“, v. d. La Plata kommend, 12. Jan. Abds. Vigs angek. und 13. Jan. Mttgs. Reise n. Southampton fortgesetzt.

Hamburg, 14. Januar. (W. T. B.) Hamburg⸗Amerika⸗ Linie. Dampfer „Fürst Bismarck“ von Southampton nach Cherbourg abgegangen. D. „Hungaria“, von St. Thomas kommend, Seilly passiert. „Palatia:, v. New⸗York kommend, ist gestern Nacht in Cuxhaven eingetroffen.

London, 13. Januar. (W. T. B.) Castle⸗Linie. Dampfer „Roslin Castle“ ist heute auf der Ausreise in Kapstadt an⸗ gekommen.

Reotterdam, 13. Januar. (W. T. B.) Holland⸗Amerika Linie. Dampfer „Rotterdam“ gestern Nach n Rotterd nach New⸗York abgegangen 6 Theater und Musik. 1 Schiller⸗Theater.

Die Reihe der verschiedenen Vorstellungen, welche das Schiller⸗ Theater seit seiner Eröffnung den Abonnenten dargeboten hat, hat mit der gestrigen Erstaufführung des fünfaktigen Dramas

Der König“ von Richard Voß die Zahl Hundert erreicht. Werke von Richard Voß sind schon auf mehreren großen Bühnen Berlins zur Aufführung gelangt, keines aber ver⸗ mochte das Interesse des Publikums dauernd zu fesseln. Das liegt an der eigenthümlichen Vorliebe des Dichters für das Abstrakt⸗Symbolische und für Seelenstimmungen, in welche der Zu⸗ schauer sich nur schwer zu versetzen vermag und welche die äußeren Vorgänge zuweilen fast verworren erscheinen lassen. Diese Eigen⸗ thümlichkeiten sind in dem Drama „Der König“ ganz besonders stark ausgeprägt. Die ndlung spielt um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, nach ertreibung der Mauren aus Spanien, angeblich in Asturien, in Wahrheit aber in „Nirgendheim“, dem Reiche des jungen Königs Raimon, welcher, soeben mündig geworden, die Leitung der Geschicke seines Volkes übernimmt. m wesentlichen spitzt sich der Konflikt auf einen moralischen Kampf zwischen ihm und dem Verweser des Reichs während seiner Minderjährigkeit, dem weisen Herzog Berengar von Huesca, zu, dessen Macht der König, den ihm durchaus nicht heilsamen Einflüsterungen der Mauren folgend, brechen will, um allein zu herrschen. Aus diesem Kampfe geht schließlich Berengar, der nur des Volkes Wohl im Auge hat, als Sieger hervor, während der König, wahnsinnig geworden, sich von hohem Felsen in die Tiefe stürzt, nachdem er zuvor, seine Fehler erkennend, das Land und das Volk, das trotz allem bis zuletzt treu an ihm hing, gesegnet. Die ganze Symbolik, welche zum theil recht unverständlich ist, läuft wohl darauf hinaus, in der freien Form des Märchens die Vorzüge der durch Berengar ver⸗ körperten verfassungsmäßigen Monarchie gegenüber dem durch Raimon vertretenen Absolutismus darzulegen. Sprunghaft und ohne Zu⸗ sammenhang erscheinen aber die einzelnen Vorgänge wie die einzelnen Phasen einer lebhaften Fieberphantasie, bunt und nebelhaft umrissen sind die einzelnen Gestalten wie die eines Traumbildes, welche, wenn man sie erfaßt zu haben vermeint, schließlich in nichts zerfließen. Die Dar⸗ steller traten mit Eifer für ihre Aufgabe ein. Insbesondere sind Herr Bach als Raimon und Herr Pategg, der auch die schwierige Einstudierung mit großem Geschick geleitet hatte, als Huekca zu loben. Auch Herr Froboese verdiente als feuriger Maure uneinge⸗ schränkte Anerkennung. Eine Maurin, die des Königs Herz gewinnt und seinem Volke entfremdet, gab Fräulein Wagner mit redlichem Wollen, ohne jedoch der heiklen Rolle ganz gewachsen zu sein. Hier wäre Fräulein Pauly besser am Platze gewesen. In der kleinen Rolle der Königin⸗Mutter fiel Fräulein Barth durch die Hoheit ihrer Erscheinung und ihre verständige Auffassung auf. Die Ausstattung war glanzvoll. Der Beifall des Publikums galt mehr den Darstellern

als dem Werke. Thalia⸗Theater.

Herr Bötel sang gestern Abend als zweite Gastrolle den „Fra Diavolo“ in Auber's gleichnamiger komischer Oper; auch diesmal nahm das gut gefüllte Haus seine gesangliche Leistung mit lebhaftem Beifall auf. Die Unzulänglichkeit seines Spiels tritt in der kleinen französischen Oper, welche ganz auf heitere Grazie ge⸗ stimmt ist, mehr hervor als im „Troubadour“. In dem Steiner'schen Berliner Opern⸗Ensemble blieb er trotzdem in jeder Hinsicht der Held dez Abends. Von den mitwirkenden Damen machte sich Fräulein Nolly durch ihren diskreten Vortrag angenehm bemerklich. Fräulein Schäfer sang mit gefälliger Stimme die Partie der Zerline. Die bekannten Banditenspäße schienen dem Publikum auch bei der gestrigen derben Vortragsweise sehr zu behagen.

Im Königlichen Opernhause gelangt morgen Ambroise Thomas' Oper „Mignon“ mit räulein Rothauser in 88 Titelrolle 12 F Pne . 8 gn Wilhelm Meister

serr Philipp, den Lothario Herr Hoffmann, den Friedri Lieban, den Weardes Herr Schmidt. .

Im Königlichen Schauspielhause geht morgen, an Grill⸗ parzer’s Geburtstage, „Sappho“ mit Fräulein Poppe in der Titel⸗ rolle in Scene. Den Phaon spielt Herr Matkowsky, die Melitta Fräͤu⸗ lein von Mayburg, den Rhamnes Herr Kahle, die Eucharis Frau Stollberg. Am Montag gelangt zum ersten Male „Die Aufgeregten’, politisches Drama von Johann Wolfgang von Goethe, in der ergänzenden Bearbeitung von Felix Freiherrn von Stenglin zur See Die Besetzung lautet: Die Gräfin: Frau Clara Meyer, Ehrenmitglied des Königlichen Schauspiels; Friederike:

ihre Tochter: Fräulein Hausner; der Baron: Herr Purschian; der