1898 / 11 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 14 Jan 1898 18:00:01 GMT) scan diff

3) die Jahresrechnung und die Bilanz festzustellen und dem Vorstande Entlastung zu ertheilen,

4) der ordentlichen Generalversammlung der Landschaft alljährlich über die Geschäftsergebnisse Bericht zu erstatten,

5) über Beschwerden gegen die Entscheidungen der Direktion der

Landschaft endgültig zu befinden.

17. 1 Die staatliche Aufsicht über die landschaftliche Bank führt der Königliche Kommissarius der Landschaft mit allen ihm dieser gegen⸗ über zustehenden Befugnissen.

Das mit den Syndikatsgeschäften betraute Mitglied der Direktion der Landschaft und im Falle seiner zeitweiligen Behinderung das nach der Geschäftsinstruktion zu dessen Stellvertretung berufene, zum Richteramte befähigte ordentliche Mitglied der Direktion der Land⸗ schaft sind zugleich die Syndiken der landschaftlichen Bank und haben die Iehagnis⸗ in den sie betreffenden und 4* ihrem Geschäftsverkehre gehörigen Angelegenheiten sämmtliche Verträge, Verhandlungen und sonstige Urkunden mit der Wirkung

notarieller Beglaubigung aufzunehmen.

19.

Die öffentlichen Bekanntmachungen der landschaftlichen Bank erfolgen 8 den für die Bekanntmachungen der Landschaft be⸗ stimmten Blättern und sonst nach dem Ermessen des Vorstandes.

§ 20.

Der Ausschuß der Landschaft ist ermächtigt, Abänderungen dieses Statuts und die Aufhebung der landschaftlichen Bank mit Genehmi⸗ ung einer der Landschaft zu beschließen. Solcher vee cece, Ler seer eeschluß muß von mindestens drei Viertheilen der anwesenden oder vertretenen Mitglieder gefaßt sein und bedarf der landesherrlichen Genehmigung.

Den Zeitpunkt der Eröffnung des Geschäftsbetriebes der land⸗ schaftlichen Bank bestimmt der Ausschuß der Landschaft.

§ 22.

Erfolgt die Aufhebung der landschaftlichen Bank, so fällt deren Vermögen nach vollständiger Erfüllung der gesammten Verbindlich⸗ keiten derselben an die Landschaft zu deren eigenthümlichen Fonds. Die Direktion der Landschaft übernimmt die Abwickelung der Ge⸗

schäfte.

I“ etreffend die Verzinsung und Rück⸗ zahlung des Gru für die landschaftliche Bank sowie die g. der von ihr erzielten

üsse. 1

81. Von dem nach § 3 des Statuts der landschaftlichen Bank der Provinz Sachsen dieser seitens der Landschaft der Provinz Sachsen ewährten Grundkapital von zwei Millionen Mark wird zunächst nur ie Summe von einer Million Mark flüssig gemacht. Zu diesem Behufe überweist ihr die Landschaft der Provinz Sachsen die Bestände ihres eigenthümlichen Fonds vorerst bis zur Höhe von 500 000

§ 2.

Weitere 500 000 des Grundkapitals werden von der Landschaft in folgender Weise beschafft:

I. Die Landschaft giebt auf den Namen lautende, mit 3 ½ Prozent für das Jahr verzinsliche, seitens der Gläubiger unkündbare Schuld⸗ verschreibungen in Abschnitten zu 5000 nach anliegendem Muster A an Mitglieder der Landschaft und Personen aus, welche nach § 12 des revidierten Statuts der Landschaft der Provinz Sachsen zur Ver⸗ tretung solcher Mitglieder in der Generalversammlung berufen sind.

8 II. Den Schuldverschreibungen werden zur Erhebung der halb⸗ jährlich am 2. Januar und 1. Juli zahlbaren Zinsen nach anliegendem

B Zinsscheine auf zehn Jahre und Zinsscheinanweisungen bei⸗ gegeben.

1 Die Ausreichung der neuen Zinsscheinreihe erfolgt, wenn die dazu bestimmte Zinsscheinanweisung nicht eingereicht werden kann, an den Vorzeiger der betreffenden Sculvverscheribu g.

III. Der von der landschaftlichen Bank erzielte Reingewinn ist, soweit er nicht zu einer 3 ½ prozentigen Verzinsung des Grundkapitals und demnächst in Höhe von 10 Prozent des Restes zur Bildung des Reservefonds der landschaftlichen Bank verwendet oder auf das fol⸗ gende Betriebsjahr übertragen wird, den Inhabern der Schuld⸗ verschreibungen und dem eigenthümlichen Fonds der Landschaft bis zum Höchstbetrage weiterer 1 ½ anderthalb Prozent des Grund⸗ kapitals antheilig zu überweisen. Der etwa verbleibende Rest des Reingewinnes fließt in den Verwaltungsfonds der Landschaft. Die auf die Schuldverschreibungen entfallenden Beträge werden gegen be⸗ sondere Quittung an denjenigen ausgezahlt, welcher den naͤchstfälligen Juli⸗Zinsschein einlöst.

IV. Nach Ablauf des sechsten Betriebsjahres der landschaftlichen Bank kann der Ausschuß der Landschaft alljährlich zum Julitermine von den Schuldverschreibungen bis 10 zehn Prozent des aus⸗ egebenen Betrages zur Rückzahlung des Nennwerthes in baarem Gelde den Inhabern mit sechsmonatlicher Frist durch die Direktion der Landschaft aufkündigen lassen, jedoch unbeschadet der sich aus der Bestimmung des Absatzes III ergebenden Rechte. Die Einlösung der Schuldverschreibungen erfolgt aus den Beständen des eigenthümlichen Fohne 815 8. durch diese Einlösung in die Rechte der bisherigen

nhaber tritt.

Die aufzurufenden Stücke werden durch das Loos bestimmt, welches der Vorsitzende der Direktion oder dessen Stellvertreter zieht.

Die Nummern der ausgeloosten Schuldverschreibungen werden durch zweimalige Einrückung in die für die Veröffentlichungen der bestimmten Blätter in Monat Dezember bekannt gemacht.

Die Verzinsung der ausgeloosten Schuldverschreibungen hört mit dem Kündigungstermin auf.

Die den Inhabern zur Rückzahlung gekündigten Schuld⸗ verschreibungen müssen zur Verfallzeit nebst den noch nicht fälligen hen Fehaen und den Zinsscheinanweisungen in umlaufsfähigem Zu⸗ tande eingeliefert werden.

Der Betrag der fehlenden Zinsscheine wird dem Einliefernden von der Einlösungesumme in Abzug gebracht.

Die Einlösungssumme der innerhalb sechs Monate nach der Ver⸗ fallzeit nicht eingelieferten Schuldverschreibungen ist abzüglich des Gegenwerthes der noch nicht fälligen Zinsscheine auf Gefahr und Koften des Inhabers bei der zuständigen Hinterlegungestelle baar ein⸗ zuzahlen.

Die Kraftloserklärung der nicht eingegangenen Schuldver⸗ erfolgt nach Ablauf der zu denselben verabreichten Zins⸗ cheinreihe auf Antrag der Direktion der Landschaft durch das König⸗ liche Amtsgericht zu Halle (Saale). Die Kosten des Aufgebots⸗ verfahrens sind aus der hinterlegten Masse zu entnehmen. 8

V. Die Rechte aus den Schuldverschreibungen können nur auf andere Mitglieder der Landschaft und berufene Vertreter solcher 12 des revidierten Statuts der Landschaft der Provinz Sachsen), sowie auf die Landschaft selbst übertragen werden. Im ersteren Falle ist der Direktion der Landschaft von der erfolgten Uebertragung sofort Mit⸗ theilung zu machen. e“

VI. Die Landschaft ist berechtigt, ohne Prüfung der Legitimation an den Vorzeiger der Zinsscheine, sowie der ausgeloosten Schuld⸗ verschreibungen mit befreiender S Zahlung zu leisten.

§ 3.

Die zweite Million des der landschaftlichen Bank seitens der Landschaft der Provinz Sachsen gewährten Grundkapitals wird nach Maßgabe des eintretenden Bedarfs entweder durch weitere Ueber⸗ weisungen aus den Beständen des eigenthümlichen Fonds der Land⸗ schaft oder durch Ausgabe weiterer Schuldverschreibungen flüssig ge⸗ macht. Die Beschlußfassung hierüber steht dem Ausschusse der Land⸗

schaft zu. Die Ausgabe der Schuldverschreibungen regelt

den Vorschriften des § 2 dieses jedoch bleibt nich Aach schusse der Landschaft vorbehalten, d

bedingungen anderweitig festzustellen.

(Seite 1..) Schuldverschreibung

der 8 Landschaft der Provinz Sachsen 5000 Mark.

Auf die Anleihe, welche die Landschast der Probinz Sachsen in Gemäßheit des Reglements zu § 3 des Statuts der landscha tlichen Bank der Provinz Sachsen aufgenommen bat, sind von .... 3

Fünf Tausend (5000) Mark an die Kasse der Landschaft der Provinz Sachsen eingezahlt worden, worüber gegenwärtige Schuldverschreibung urkundlich ausgefertigt wird.

Dem Inhaber dieser Schuldverschreibung steht ein Kündigungs⸗

recht nicht zu.

Verzinsung und Tilgung der Anleihe erfolgen nach Maß⸗ gabe des umstehend abgedruckten Reglements, betreffend „die Auf⸗ bringung, Verzinsung und Rückzahlung des Grundkapitals für die Ss liche Bank sowie die Verwendung der von ihr erzielten Ueberschüsse“. 8

F*“ 8— eer Vorsitzende des Ausschusses der Landschaft der

b Provinz Sachsen.

Muster A.

Die Direktion (Trocknes Siegel.) der Landschaft der 1 Provinz Sachsen.

1

Iement, 8 betreffend 8

die Aufbringung, Verzinsungund Rückzahlungdes Grund⸗ 18 kapitals für die landschaftliche Bank sowie die Ver⸗ 8

wendung der von ihr erzielten Ueberschüsse. (Folgt Wortlaut.) 8

Zinsschein Nr... ..

zur Schuldverschreibung der Landschaft de über 8.g Mark.

Inhaber dieses empfängt um. die halbjährlichen Zinsen der oben bezeichneten Schuldverschreibung mit 8 87 Mark 50 Pfg. Halle (Waale) 1 Die Direktion der Landschaft der Provinz Sachsen. . (Trocknes Siegel)) ..(Faksimile.) Dieser Zinsschein verjährt am 31. Dezember 19...

Zinsscheinanweisung

Provinz Sachsen

8

zur Schuldverschreibung der Landschaft der Provinz Sachsen über 5000 Mark.

Vorzeiger dieser Anweisung empfängt ohne weitere Prüfung seiner Legitimation die für die vorstehend bezeichnete Schuld⸗ verschreibung neu Zinsscheine für 10 Jahre

Halle (Saal) am... 1“

8 Die Direktion

der Landschaft der Provinz Sachsen. (Trocknes Siegell) . (Faksimile.)

Berichte von deutschen Fruchtmärkten.

Qualität

gering

mittel gut Verkaufte

Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner

Menge

niedrigster

höchster

Doppelzentner

niedrigster höchster niedrigster

4ℳ6

Am vorigen

Durchschnitts⸗ Markttage

preis

für D urch⸗ 1 Doppel⸗ schnitts⸗ zentner preis

es

am Markttage (Spalte 1) nach überschläglicher 1 Schätzung verkauft dem Doppelzentnern (Preis unbekannt)

Crone a. B. Wongrowitz Fescberg 8 attimk. Duderstadt. Göttingen. Geldern. . Aachen.. Döbeln .. Langenau i. W. Rastatt. . Colmar i. E.. Chateau⸗Salins Breslau.. öö11“;

Landsberg a. W. Fetthbus. .. Crone a. B. Wongrowitz. Hirschberg Ratibor. Duderstadt Göttingen Koblenz. Geldern... St. Wendel Aachen e11“; e“ Colmar i. E.. Chateau⸗Salins Breslau.. 1-565

Z““

Landsberg a. W.. Crone a. B.. Wongrowitz Hirf berg atibor. Duderstadt. Göttingen Geldern. EEE11q161öö61 Langenau i. W. EETö1““ Colmar i. E.. Chateau⸗Salins Breslau

EEEEEEb

Weizen.

17,50 17,90 19,10 18,60 17,20 18,40 19,70 19,50 17,90 20,60 20,75 21,58

17,60 19,20

ogge 13,00 13,82 13,40 13,30 15,10 14,95 13,20 14,50

14,60 14,80 14,50

16,25 16,67

14,70 13,50

er ste. 14,00 13,70 13,20 15,30 16,25 15,00 17,60 12,30

19,20 17,50

14,60

17,40 16,86 18,30 17,00 17,00

19,73 19,94

20,60 20,68 20,50 20,50 20,97 20,83

19,30 19,50

16,80 17,27 18,50

14,11

12,80 13,84 14,95 13,00

15,22 15,00

13,82

12,90 13,71 14,95 13,00

15,12 14,85

e Verzinsungs⸗ und Rückzahlungs⸗

Außerdem wurden

Qualität

gering

mittel

Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner

Verkaufte Menge

niedrigster

niedrigster höchster niedrigster

Dovppelzentner

Verkaufs⸗

Außerdem wurden am Markttage (Spalte 1) 8 nach überschläglicher Schätzung verkauft Doppelzentner

Am vorigen

D itts⸗ uecklse Markttage

Durch⸗ schnitts⸗ preis

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Landsberg a. W Rve““] Crone a. B.. Wongrowitz. Hirschberg.. Ratibor .. Duderstadt. Göttingen. Geldern ... St. Wendel Aachen... Sigmaringen Döbeln . Langenau i. W. ITEI Chateau⸗Salins Breglan. 111“*“

Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet mitgetheilt. (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende 8 ie detan tgetbe

Ein liegender Stri

Hafer. 14,00 15,20 14,00 13,50 13,90

14,00

14,20 15,00 13,50

13,50 14,00 14,00 14,60

14,50 12,50 13,60

13,60 15,00 13,60 13,00 13,80 13,40 14,00

14,20 14,75

13,70 12,60

8 Bemerkungen.

reis nicht vorgekommen ist; ein Punkt (.

15,10

12,40 13,78 13,20 13,69

13,90 13,67

13,60

14,10 15,00

15,10

650 13,00 70 023 13,73 1 320 13,20 96 13,71

1 860 13,29 185 14,20

26 13,00

1 823 14,24 145 14,50

82 8

213 13,31

13,40

Der Durchschnittspreis wird aus den e . berechnet.

) in den letzten sechs Spalten, daß entsprechender Bericht fehlt.

Deutscher Reichstag.

16. Sitzung vom 13. Januar 1898, 2 Uhr. Auf der Tagesordnung steht die erste Berathung des

Antrags der Abgg. Prinz von Arenberg (Zentr.) und Ge⸗ nossen, betreffend

enderungen und Ergänzungen des

Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Als 1878 nach den Attentaten der Hödel und Nobiling Ausnahmegesetze gegen den Umsturz geschaffen werden sollten, wurde auch die Nothwendigkeit betont, dem religiösen und sittlichen Verfall energisch entgegenzutreten. Man wollte svpäter namentlich gegen das Zuhälterwesen energisch vorgehen. Wir haben es mit Sympathie begrüßt, daß das Reich sich seiner Aufgabe des Schutzes der Sittlichkeit bewußt ist. Solche Vor⸗ schriften sind ebenso nothwendig wie die, welche wir zum Schutze des Handels gegen den unlauteren Wettbewerb erlassen haben. Ueber den sittlichen Verfall führt die Statistik eine sehr deutliche Sprache; seit 6 Jahren hat sich die Zahl der geschiedenen Ehen verdoppelt. Auf 00 000 kommen in Deutschland 96 geschiedene Ehen, in England nur 70. Wir haben nicht nur die meisten Ehescheidungen, die meisten Ehescheidungen sind auf Grund böswilliger Verla ung und Ehebruchs rfolgt. Auffallend ist die Zunahme der unehelichen Geburten namentlich in Mecklenburg und Bayern. Während alle anderen Verbrechen ab⸗ nehmen, nehmen die Verbrechen gegen die Sittlichkeit in bedauerlicher Weise zu. Redner kommt auf die große Zahl der Verurtheilungen wegen Nothzucht, Verführung ꝛc. zu sprechen. Die Zahl der sistierten und kontrolierten Dirnen in Berlin beträgt 24 000. Man hat ge⸗ meint, das wäre eine Ausnahme, aber in anderen großen Städten, wie 1.g. ꝛc. ist diese Zahl keineswegs geringer. Auch die Zunahme der eelbstmorde beweist einen Verfall der Sittlichkeit. Ebenso wie wir einen Schutz der Jugend durch die soziale Gese gebung, durch Ver⸗ besserung der Löhne ꝛc. erstrebt haben, so müssen wir auch alles thun, um der Verführung der Jugend auf sittlichem Gebiet entgegen⸗ zutreten. Daß man auf anderen Gebieten mit solchen Schutzmaß⸗ regeln mit Erfolg vorgegangen ist, beweist z. B. das Gesetz gegen Nahrungsmittelfälschung. Was korrumpiert, ist nicht der Fehltritt an sich, sondern die Straflosigkeit. In Bezug auf die unzüchtigen Schriften und Bilder geht uns unser Antrag eigentlich nicht weit genug, aber wir wollen wenigstens den Gesetzentwurf wieder vorlegen, den unsere Kommission früher über diese Materie beschlossen hat. Die Kommission hat sich damals mit Rücksicht auf die Kunst beschränkt. Um wirksam gegen die Unsittlichkeit zu kämpfen, haben wir das Straf⸗ minimum erhöht, da die Richter jetzt nur auf verschwindend geringe Strafen erkennen. Redner geht nunmehr auf die einzelnen Bestimmungen des Gesetzentwurfs ein und fährt dann fort: Wir wollen den § 181 a dem Strafgesetzbuch neu hinzufügen, wonach das Zuhälterwesen unter Strafe gestellt wird und wonach besonders scharf Zuhälter bestraft werden, wenn sie Ehemänner der betreffenden Weibepersonen sind, weil die uhälter mit diesen Ehen schließen, um deren Gewerbe zu decken. Im 182 haben wir das Schutzalter unbescholtener Mädchen auf das 18. Lebensjahr erhöht. Hinzugefügt haben wir auch den § 182 a, welcher Arbeitgeber oder Dienstherren bestraft, wenn sie unter Miß⸗ brauch des Arbeits⸗ oder Dienstverhältnisses ihre Arbeiterinnen zur Duldung oder Verübung unzüchtiger Handlungen bestimmen. Das Reichsgericht hat unter Strafe wegen Kuppelei diejenigen ge⸗ ellt, welche den 8 Unzucht treibenden Weibspersonen ohnungen vermiethen; das ist ein Fehler, denn den weiblichen Per⸗ sonen, die unter Aufsicht stehen, ist gewissermaßen die 1“ Unzucht gestattet. Wir wollen deshalb in einem Zusatz zu § 180 solche Wohnungsvermiethungen nur dann als Vorschubleistung der Unzucht ansehen, sofern damit eine Ausbeutung des unsittlichen Er⸗ werbes der Mietherin verbunden ist. In § 184 erweitern wir die Strafen wegen unzüchtiger Schriften, Abbildungen und Darstellungen dahin, daß auch, wer solche Schriften 21. feilhält, zur Verbreitung herstellt oder zum Zweck der Verbreitung vorräthig hält, ankündigt oder anpreist, bestraft wird. Wir wollen damit keineswegs etwa der Kunst entgegentreten, sondern nur den direkt unsittlichen Handel unter Strafe stellen. Wir wollen, daß die Unsittlichkeit nicht in Kunst, Literatur und Gewerbe eindringt. Im § 184a wollen wir bestrafen, wer an öffentlichen Straßen oder Plätzen Schriften, Abbildungen oder Darstellungen ausstellt oder anschlägt, welche, auch ohne unzüchtig zu sein, durch grobe Unanständigkeit geeignet sind, das Scham⸗ oder Sittlichkeitsgefühl erheblich zu verletzen. § 184b soll die Theater⸗ aufführungen und sonstigen Vorführungen unter Strafe stellen, wenn sie durch gröbliche Verletzung des Scham⸗ oder Sittlichkeitsgefühls Aergerniß zu erregen geeignet sind. Auch damit treffen wir nicht die Kunst an sich. Nicht der Inhalt eines Theaterstücks selbst, sondern die Aufführung kann unsittlich wirken. Es ist deprimierend, daß wir geradezu unempfindlich gegen solche Schäden geworden sind. Savigny hat ein⸗ mal gesagt: „Unsere Kunst hat wahrhaft Großes nur geleistet, wo sie 8 religiösem Boden stand.“ Gerade weil wir die sittlichen Faktoren in unserem Volke erhalten vnd schützen wollen, rufen wir immer nach der Freigabe aller kirchlichen Regungen. Aber wir vrn uns auch bewußt, daß die Gesetzgebung vach dieser Richtung eine Auf⸗ Sas mitzuerfüllen hat, daß auch sie berufen ist, hier einzugreifen. Es

Strafgesetzbuchs.

st gestern im Abgeordnetenhause gesagt worden, daß nur die Staaten

stark und gesund sind, die starke und gesunde Finanzen haben. Aber noch wichtiger für die Stärke und Gesundheit eines Volkes als die Sa ist die Sittlichkeit der Iugtnd. bg. Schall (d. kons.): Wir Alle haben den Wunsch, daß aus

dieser Vorlage endlich etwas werden möge. Wir bedauern, 8. sich der Bundesrath in dieser Frage so sehr dilatorisch verhalten hat, sehr zum Bedauern der Hristlichen Kreise. Wenn wir Konser⸗ vative nicht einen gleichlautenden Antrag eingebracht haben, so liegt das nicht an dem mangelnden Interesse. Wir haben uns mit dieser rage beschäftigt, aber ein Theil der konservativen Partei war der einung, daß es bei der wahrscheinlich kurzen Session an Zeit

fehlen würde, die Sache gründlich zu berathen. Wir wollten auch abwarten, wie weit die Verhandlungen im Schoße des Bundesraths und der preußischen Regierung gediehen sind. Die vorgeschlagene Fassung des Antrags lehnt sich an den ursprünglichen Gesetzentwurf und die damaligen Kommissionsbeschlüsse an und entspricht den Wünschen der Vereine zur Hebung der Sittlichkeit. Die Gesetze allein können jr nicht alles machen, aber das gesetz⸗ geberische Beispiel muß auf das Volk wirken, damit es wieder von dem deutschen Volke heißen kann: plus valent ibi boni mores quam bonae leges. Gegenüber den statistischen Ergebnissen muß auch der nüchternste Laie dazu kommen, daß hier geholfen werden muß. Leider stehen Tausende unserer Volksgenossen, namentlich unter den Gebildeten, nicht mehr auf dem Standpunkt des Christenthums, sondern auf dem Standpunkt des nackten Materialismus. Mit dem Sozialismus, dem die Prostitution höchstens als ein Uebel, aber nicht mehr als eine Sünde erscheint, können wir uns über diese Frage nicht verständigen. Den naturalistisch⸗materialistischen Anschauungen, welche sich in den gebildeten Klassen und auch unter der studierenden Jugend breit machen, muß entgegengetreten werden. Bei früherer Gelegenheit hat Herr Bebel behauptet, die Unsittlichkeit sei auf dem Lande größer als in den Städten. Ich habe das darüber erschienene Buch nach⸗ gelesen und gefunden, daß die Unsittlichkeit auf dem Lande meist aus de Städten eingeschleppt werde. Herr Bebel selbst hat auch früher schon ausgesprochen, daß die Prostitution da am stärksten ist, wo die Klassen⸗ gegensätze am stärksten sind. Das Anwachsen der großen Städte, das Anwachsen der Fabrikbevölkerung, namentlich der weiblichen, trägt zur Schwächung der Sittlichkeit bei. Die Besserung der sittlichen Zustände erhoffen wir nicht allein von der Strafgesetzgebung, sondern auch von der Durchdringung der Volksseele mit christlichen Gedanken. Bebel führt die Prostitution allein auf die wirthschaft⸗ lichen Verhältnisse zurück. Materielle Ursachen wirken allerdings zur Ausdehnung der Prostitution mit: das Schlafstellenwesen, die niedrigen Löhne u. s. w.; aber diese äußeren Dinge bilden keine Entschuldigung für die Sünde. Gerade unter den ärmsten und elendesten Mädchen giebt es viele, die streng an den Geboten des Christenthums festhalten, während gerade die hoch⸗ Frssen in Sünde und Schande wandeln. Eine Aenderung des § 180 des Strafgesetzbuchs, wie sie hier vorgeschlagen ist, wünschen wir auch. Wir freuen uns, daß der bedenkliche Vorschlag des Bundes⸗ raths, daß die Vermiethung von Wohnungen an Prostituierte straf⸗ frei bleiben soll, wenn sie unter den zu erlassenden Bedingungen erfolgt, hier nicht aufgenommen ist. Diese Bestimmungen, welche als Bordellparagraphen bezeichnet wurden, mußten un⸗ bedingt wegfallen. Daß durch die Erhöhung des Schutzalters der Mädchen der Erpressung seitens der Mädchen und seitens ihrer An⸗ gehörigen Thür und Thor geöffnet wird, verkennen wir nicht; aber wir sind der Meinung, wer sich streng an die Sätze der Moral hält, wird vor einem Erpressungsversuch geschützt sein. Wenn es gelingen sollte, diesen Gesetzentwurf zu stande zu bringen, so können wir mit der Beruhigung nach Hause gehen, daß wir etwas Gutes für das Volk geschaffen 4288 wofür Tausende uns dankbar sein werden. Durch die Vorwürfe, die gegen uns ergehen werden, sollten wir ung dabei nicht stören lassen; denn es handelt sich nicht um eine Partei⸗ frage, sondern um den Schutz unserer Söhne und Töchter, und um den Fchut der Ehe. Dem gegenüber müssen alle juristischen Bedenken zurückstehen.

Abg. Dr. Pieschel (nl.): Als in der Presse bekannt wurde, daß

diese Sache von neuem zur eascieh kommen würde, bin ich ger 81 o wissen assen Staatsanwalt trotz z. B. der § 175, betreffend die widernatürliche Unzucht. Polizei ruft, wenn eine Person den § 175 verletzt, nicht den Staats⸗ anwalt zu Hilfe, sondern schreibt den Namen 8 Person zu den anderen Namen hinzu. werden sollten, so müßte der Staat sofort zwei neue Gefängnisse bauen. Würden diese Dinge alle im Prozeßwege festgestellt, so gäbe es einen Skandal. Wir haben eine Petition aus gelehrten Kreisen, von Juristen, Schriftstellern, Aerzten ꝛc. bekommen, welche die Be⸗ seitigung des § 175 des öö“ verlangen. Mit dem § 180

wiederholt der Bemerkung begegnet, aus dieser sogenannten lex Heinze werde doch nichts werden. Die Zweifler würden nicht Unrecht haben, wenn wir die Sache taktisch nicht richtig behandelten. Ich habe schon früher hervorgehoben, daß es sich hier nicht um ein organisches Ganzes handelt. Wenn wir denselben Fehler wiederholen, den wir früher gemacht haben, so wird aus dem Gesetz freilich wieder nichts. Einzelne Bestimmungen würden zweifellos nicht nur die Zustimmung des ganzen Reichstages, sondern auch der verbündeten Regierungen finden, während andere diese Zustimmung nicht finden würden, wenigstens nicht in der vorgelegten Form, und dann würde das Ganze ins Wasser fallen. Dieser Antrag ist nur Flickwerk an dem bestehenden Strafgesetzbuch. Er enthaͤlt vier ganz verschiedene Materien, und werde mir an die Antragsteller die Bitte erlauben, zu gestatten oder selbst im Interesse der Sache herbei⸗ zuführen, daß über die einzelnen Materien bei der definitiven Ab⸗ stimmung gesondert abgestimmt wird. Dann würde auf jeden Fall etwas zu stande kommen. Die Gesetzesvorlage ist s. Z. durch den Fall Heinze hervorgerufen. Dieser Prozeß warf ei enthümliche Schlaglichter auf die sittlichen Zustände, und es stellte sich die Noth⸗ wendigkeit heraus, gesetzgeberisch vorzugehen. Zugleich stellte der da⸗ malige Fall klar, daß in den Bestimmungen über die Kuppelei eine Antinomie in der Gesetzgebung vorhanden ist. Durch Erkenntniß des Reichsgerichts wird schon das Wohnungsvermiethen an Prostituterte unter Steafe gestellt. Ich mache dem Reichsgericht keinen Vorwurf daraus: es kann nach Lage der Gesetzgebung nicht anders erkennen. Aber dieser Zustand ist auf die Dauer nicht aufrecht zu erhalten. Nicht ohne Grund wurde gegen die damalige v das Bedenken geäußert, daß sie die Gefahr der Kasernierung der Prostitution bringe, und es wurde deshalb der Ausweg gefunden, daß der Vermiether in einen gewissen inneren organischen Zusammenhang mit dem Unzucht⸗ gewerbe gebracht werden sollte, d. h. daß er bestraft werden solle, wenn er dieses Gewerbe zu seinem eigenen Gewinn ausbeute. Ich würde dieser Bestimmung zustimmen, weil sie gerade das be⸗ straft, was wirklich strafbar ist. Das Zuhälterwesen hat sich außer⸗ ordentlich ausgewachsen, sowohl der Zahl, wie der Sache nach. Ich konstatiere, daß darüber Alle ohne Ausnahme in der Kommission einig waren, daß dem Zuhälterwesen zu Leibe gegangen werden müsse. Das war jedoch sehr schwer, weil der Kuppeleipara⸗ raph in congreto größtentheils auf diese Leute nicht paßte, und es bileb nichts Anderes übrig, als aus dem Zuhälterwesen ein crimen

Wessen Schamgefühl wird verletzt? Ein als ein anderer Sterblicher. giftung mit unzüchtiger Literatur ꝛc. behüten, aber des Keut armter edet. baucha bürenh; reffend die öffentlichen Schaustellungen, bin ich einver tanden; aber ich habe auch hier dieselben Bedenken Paragraphen. Auch hier muß man fragen: wird verletzt? Es giebt Schaustellungen, in die Alle aus diesem Hause ruhig hingehen können, ohne da Etwas Anderes ist es, wenn junge Leute daß etwas aus dieser Vorlage wird, und zu diesem beantrage ich die Ueberweisung des Antrags an die schon bestehende juristische Kommission.

steht es liche Häuser vorhanden sind, zur Unzucht Kiel, Die Polizei duldet die Kuppelei, obgleich die In allerverworfensten Menschenklasse angehören. oft nebeneinander und ganze Straßen dienen der Unsittlichkeit. Das muß einen unsittlichen Einfluß auf die Bevölkerung und namentlich auf die Jugend haben. schlimm gewesen sei wie jeft. gelnde Christenthum und d bictig 8b Mittelalter, wo die Religion in höchster Blüthe stand, müßte eine historiker anderer Meinung in Kreisen findet, wo heimlich am meisten gesündigt wird, war damals nicht vorhanden. Die Zunahme der Ehescheidungen folgt 58 198 aus moralischen Gründen, sondern ist allgemein verbreitet und in wird ja gebote mit Ausnahme der Ie ngen lcher Anzei sämmtlich als olcher Anzeigen, sämm 8— dne hne icht, um seine Freibeit nich

man heirathet garnicht, um seine Freiheit nicht zu opfern, oder weil das Einkommen die scanunm ese h 2 8

stattet. Nicht die Arbeiterklassen, sondern die wohlhabenderen Klassen weisen die meisten Ehescheidungen auf müssen die Prostituierten gesuchte Artikel werden.

sui generis zu machen, also eine besondere Strafbestimmung dafür zu konstruiteren. So ist der § 181a zu stande gekommen; er er⸗ reicht vollständig das, was er erreichen soll, und ich halte ihn für durchaus zweckentsprechend. Nur habe ich Bedenken gegen die Fest⸗ setzung eines Strafminimums; denn das zwingt den Richter, auch bei den mildesten Fällen wenigstens auf das Strafminimum zu erkennen, was mitunter für ihn sehr unbequem ist. Ich werde be⸗ antragen, dieses Bedenken zu beseitigen. Aber dieser Paragraph ist sonst so werthvoll, daß ich es bedauern würde, wenn er wegen der anderen der Vorlage fallen würde; ich würde bitten, weazgstnne iese eine Seite der Vorlage anzunehmen. Gegen die Erhöhung der Schutzaltersgrenze hat ein Reichstagsmitglied medizinische Bedenken geltend gemacht. Der § 182 a ist für die Rechtsprechung geradezu ein Monstrum. Der Mißbrauch des Arbeits⸗ und Dienstverhältnisses gegen Arbeiterinnen zur Duldung oder Verübung unzüchtiger Handlungen ist an sich durchaus ver⸗ werflich. Wie soll sich aber ein Richter in den Nebenbestimmungen (Androhung oder Verhängung von Arbeitsentlassung oder Gewährung von Arbeit) zurecht finden? „Die Wirkung dieser Vorschriften würde eine Unmenge von Denunziationen und Erpressungen sein. Wir müssen hier einen konkreten Thatbestand feststellen, indem wir vorschreiben, daß Arbeitgeber oder Dienstherren bestraft werden, die unter Mißbrauch des Dienstverhältnisses Arbeiterinnen zur Duldung oder Verübung unzüchtiger Handlungen bestimmen. Mit dem Paragraphen, wie er jetzt besteht, legen Sie dem Dienst⸗ herrn eine Schlinge um den Hals. Er würde in vielen Fällen das Personal auf ewig behalten müssen, um nicht denunziert zu werden. Die Vorschriften gegen die Verbreitung unzüchtiger Schriften, Abbildungen und Gegenstände sind nicht 8.8 so verfänglich wie in dem früheren Antrage, weil nur das Vorräthighalten solcher Sachen zum Zweck der Verbreitung bestraft werden soll. Der Tendenz der Anträge stimme ich durchaus bei, nicht aber der assung. „Auch § 184 a über das Ausstellen von unanständigen Pla⸗ aaten ꝛc. ist bedenklich. Den christlichen Maßstab kann man in vieler Beziehung an diese Dinge nicht anlegen; er ist zu einseitig. Man braucht nicht alles zu verwerfen, was die Natur und der Herrgott selber geschaffen hat. Die Verletzung des Scham⸗ und Sittlichkeits⸗

gefühls ist ein ganz vager Begriff; jemand kann sich an einer Sache erfreuen, durch die ein anderer verletzt wird.

ü . In den verschiedenen Gegenden und Ständen herrschen darüber Eenh verschiedene Auffassungen. Fin Gendarm denkt darüber anders

uch ich will die a vor der Ver⸗

c will nicht, daß

Auch mit der Tendenz des § 184 b, be⸗ wie gegenüber dem vorigen essen Schamgefühl

sie großen Schaden leiden. ingehen. Ich wünsche also,

Abg. Bebel. (Soz.): Ich und meine Freunde sind auch

bereit, einen Theil der vorgeschlagenen Bestimmungen anzunehmen aber bei weitem nicht alle. andere Bestimmungen des Strafgese

Es müßte geprüft werden, ob nicht au 8* es einer Aenderung bedürfen. giebt Bestimmungen des trafgesetzbuches, die von ge⸗ systematisch verletzt werden, ohne daß der erhaltener Kenntniß dagegen einse reitet,

Die hiesige

Wenn diese Personen in Berlin alle bestraft

in Widerspruch, daß in einzelnen Städten öffent⸗ n denen Mädchen zu Tausenden angehalten werden; ich erinnere an Hamburg, Elsaß, Magdeburg, Safsen, Nürnberg ꝛc.

aber der Häuser der äuser liegen

ülhausen i.

Solche

Es wird auch behauptet, daß es niemals so Herr Schall meinte, daß daran das man⸗ e Sszialdemokratie schuld seien. Das ist nicht

während Kultur⸗

der Sittlichkeit sein, die man heute

wahre Oase sind. Die Prüderie,

ökonomischen Ursachen begründet. Die Cheschließung allgemein jetzt als Geschäft behandelt. Die An⸗ Eheschließungen finden in allen Zeitungen sozialdemokratischen. In zwei Berliner einem Sonntag nicht weniger aus materiellen Gründen. eren Gesellschaftskreisen heirathet man erst sehr spät, oder

solcher fanden sich an rhaltung einer Familie nicht ge⸗

Unter solchen Umständen Die Prostituierten