Empfindung eine poetische den wilden Tybalt,
Leidenschaft, die aus der Julia Teresina Geßner's sprach, konnte sich der Romeo des Herrn Schmelzer schwer behaupten. Vor allen Dingen hinderte ihn daran sein trocknes, nüchternes Organ, dessen Mängel durch die Klangfülle seiner Partnerin verschärft hervortraten. Einem solchen Organ wird wegen seiner Farblosigkeit der Ausdruck feuriger Leiden⸗ schaft im großen Stil an sich fast unmöglich, sodaß der Mangel an Temperament, der diesem Romeo anhaftete, nicht einer unzureichenden ursprünglichen Anlage für die Darstellungskunst im allgemeinen zuzu⸗ schreiben ist. Der Darsteller versuchte redlich, jedem Wechsel der im Ausdruck gerecht zu werden; das Ergebniß Bemühungen war aber mehr eine verständige, als Leistung. Herr Stahl hielt sich als Mercutio recht gut; Herr Bassermann verkörperte geschmeidig und ungestüm und Herr Hellmuth, Bräm sprach seine Lorenzo⸗Rolle mit schlichter Einfalt. Herr Pittschau machte sich durch
die natürliche Derbheit bemerklich, mit der er den alten Capulet
In der Rolle der Amme plauderte Frau Wenck mit
Thalia⸗Theater. 1 Herr Heinrich Bötel beendete gestern sein Gastspiel als
Chapeleu⸗St. Phar in Adam's komischer Oper „Der Postillon
vSe
on Lonjumeau“ mit dem stürmischen Erfolge, den er in dieser Rolle stets zu erringen pflegt. Die wirkungsvolle Postillonsarie sowie das ingelegte Lied „Gute Nacht, Du mein herziges Kind“ mußte er, wie blich, auf Verlangen wiederholen. Die übrigen Mitwirkenden von enen Fräulein Lili Schäfer (Magdalena) und Herr Selzburg (Bijou) enannk seien, sowie das Orchester unter Leitung des Dirigenten Otto ppits hielten sich wacker. 2 vi war ausverkauft. onzerte. Der gestrige dritte und letzte populäre Kammermusik⸗ Abend 88 Bartb, Wirth und Hausmann erhielt durch
die gefällige Mitwirkung des Professors Joachim eine ganz besondere An⸗
ziehungskraft. Saal und Logen der geräumigen Philharmonie waren dicht besetzt. Die Reihe der Vorträge wurde mit dem G-moll-Quartett von Brahms für Klavier, Violine, Bratsche und Violoncello eröffnet. An dieses gedankentiefe und eigenartige Werk reihten sich noch zwei bekannte Kompositionen an: Schumann’s „Märchenerzählungen“ für Klavier, Klarinette und Bratsche und Beethoven's Septett in Es-dur (op. 20) für Violine, Bratsche, Violoncello, Klarinectte, Horn, Fgbft und Kontrabaß. Die Ausführung, an welcher sich au die Kammervirtuosen Schubert (Klarinette), Lange (Fagott), Littmann (Horn) und Clam (Kontrabaß) betheiligten, bet in jeder Beziehung einen ungetrübten Genuß. — Ein englischer Sänger, Mr. . Ffrangcon⸗Davies aus London, konzertierte gestern zum ersten Male in Berlin, im Saal der Sing⸗Akademie, welcher, dank dem lebhaften Futerefse der hiesigen englischen Kolonie für ihren Landsmann, ansehnlich gefüllt war. Das Mißtrauen, das fast allem, was an Mosikalischem von jenseits des Kanals zu uns herüberkommt, entgegengebracht wird, erwies sich diesmal als unbegründet. Der Sänger ist im Besitze eines Baritons, 198 weicher Klang vermöge richtiger Tonbildung sympathisch berührt. Leicht und ungezwungen, spricht die Stimme, besonders in den oberen Registern an. Daß der Ausländer hier als Wagner⸗Sänger auftrat und den Monolog des Hans Sachs aus den „Meistersingern“ sowie Wotan'’s Abschied aus der „Walküre“ sang, erschien als ein inter⸗ essantes Wagniß, das der Konzertgeber aber gut bestand. Die nicht allzu große Stimme reichte für diese Aufgabe bei der günstigen Akustik des Saales vollkommen aus, der Vortrag war durchdacht und temperament⸗ voll. Daß die englische Sprache sich nicht sonderlich zum Gesang eignet, daß die nichtreinen Vokale zuweilen die Schörheit des Klanges be⸗ einträchtigen, fiel besonders in der Arie „Honour and Arms“ aus Händel’s „Samson“ auf. Die Auscsprache des deutschen Textes war nicht überall deutlich; einige scharf accentuierten Stellen zeigten aber, daß es dem Sänger nicht unmöglich wäre, die deutsche Sprache klarer zu sprechen. Zwischen seinen Vorträgen, die alle beifällig aufgenommen wurden, spielte das Philharmonische Orchester, das die
mit dem Andante aus Tschaikowsky's Streichquartett (op. 11) und mit dem Scherzo aus dem „Sommernachtstraum“ von Mendelssohn lebhaften Beifall. Das Vorspiel zu den „Meistersingern“ klang da⸗ gegen für den kleinen Saal zu laut.
Im Königlichen Opernhause geht morgen Richard Wagner's Oper „Rienzi, der Letzte der Tribunen“, in Scene. — Am Montag findet eine Aufführung von Otto Nicolai's komischer Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“ statt. Den Falstaff singt Herr Stammer, die Frau Fluth Frau Herzog.
Im Neuen König lichen Opern⸗Theater gelangt morgen zu ermäßigten Preisen „Mutter Thiele“ von Adolf L'Arronge in der be⸗ kannten Besetzung zur Aufführung.
Königlichen Schauspielhause gelangt morgen Heinrich von Kleist's Drama „Die Hermannsschlacht“ in folgender Besetzung zur Aufführung: Hermann: Herr Matkowsky; Thusnelda: Fräulein Poppe; Marbod: Herr Molenar; Ventidius: Herr Arndt, Teuthold: Herr Kahle; Alraune: Frau Stollberg. Das Publikum wird ersucht, im Gesellschafts⸗Anzuge zu erscheinen. — Am Montag gebt zum ersten Mal das politische Drama „Die Aufgeregten“ von Johann Wolfgang von Goethe in der ergänzenden Bearbeitung von Felix Freiberrn von Stenglin und in der bereits mitgetheilten Besetzung
in Scene.
Der Vorstand des Zweigvereins Berlin des ländischen Frauenvereins erläßt folgenden Aufruf:
„Der Zweigverein Berlin des Vaterländischen Frauenvereins hat es übernommen, in unmittelbarer Nähe Berlins ein Krankenhaus nebst Mutterhaus für Krankenpflegerinnen zu errichten. Um dieser Aufgabe schon im nächsten Jahr gerecht werden zu können, bedarf es noch einer Verstärkung des schon vorhandenen Baufonds. Diesem sollen alle Mittel zufließen, welche das am 2. und 3. Februar 1898, Abends von 6 Uhr ab, im Neuen Königlichen Opern⸗Theater (Krell's Etablissement) stattfindende Fest „Eine Rheinfahrt“ einträgt. Eine Rheinfahrt mit allen den Reizen und Freuden, die unser deutscher Strom uns bietet, eine Rheinfahrt von den Hängen des Hochgebirges bis hinab in die nieder⸗ deutsche Ebene wird den Besuchern vor Augen gezaubert werden. Wer einmal auf dem prächtigen neu erbauten Rheindampfer „Loreley“ an den rebengrünen Ufern entlang gleiten will, wer sich an dem rheinischen volksthümlichen Leben erfreuen, und wer des Rheinstroms Märchen und Sagen vor seinen Augen lebendig erstehen sehen will, der komme zum feblichen Feste. Ein gutes, edles Werk unterstützt er mit seinem Kommen, aber er wird auch die Ueberzeugung mitnehmen, glückliche, schöne Stunden erlebt zu haben, wie nur der Rhein sie kennt.“
Berlin, den 8. Januar 1898.
(Folgen die Unterschriften.)
Eintrittskarten sind zu haben: in der Bellevue⸗Apotheke am Pots⸗ damer Platz; im Hotel Kaiserhof, im Hotel Monopol, bei Knöffler im Hotel Kaiserhof; bei Gerold, Unter den Linden 24; bei von Hövell, Unter den Linden 12; bei Gerson, Kaiserbazar, am Werderschen Markt; bei Kayser, Ecke der Leipziger⸗ und Wilhelmstraße; bei Raddatz, Leipzigerstr. 123; bei Perzberg, Thiergartenstr. 12; bei Hampe Nach⸗ folger, Markgrafenstr. 50; bei Jordan, Markgrafenstr. 107; bei Loeser u. Wolf im Equitable⸗Palast im Central⸗Hotel, Leipzigerstr. 103, Polsdamerstr. 1 a., Behrenstr. 26 und Unter den Linden 76; endlich am 2. und 3. Februar, Abends, an der Kasse des Neuen Königlichen Opern⸗Theaters.
Im Deutschen Theater wird der Spielplan der ganzen nächsten Woche bis einschließlich künftigen Sonntag Abend von Suder⸗ mann’s Tragödie „Johannes“ ausgefüllt. Ausgenommen ist nur der Mittwoch, an welchem „Die versunkene Glocke“ zur Aufführung kommt. Als Nachmittagsvorstellungen sind für morgen „Das Käthchen von Heilbronn“ und für den nächsten Sonntag „Mutter Erde“
angesetzt. Im Berliner Theater wird Max Drevyer's Lustspiel „In morgen, am Donnerstag und rächsten
Behandlung“ Sonntag in Scene gehen. „Romeo und Julia“ wird am Mittwoch
Vater⸗
unh Sonnabend, „Der Pfarrer von Kirchfeld“ am Montag und
Mein Leopold“ am Dienstag und Sonntag, den 23. Januar, Nachmittags Am Freitag gelangt als 19. Abonnements⸗ Vorstellung „Der Veilchenfresser“ zur Aufführung. Morgen Nach⸗ mittag wird „Faust“, I. Theil, gegeben.
Im Goethe⸗Theater gelangt „Krieg im Frieden“ morgen, am Montag (als 19. Abonnements⸗Vorstellung) und Freitag (als 20. Abonnemente⸗Vorstellung) zur Aufführung. „Ein Sommexnachts⸗ traum“ ist für Sonnabend angesetzt. „Die Journalisten“ werden am Dienstag, „Minna von Barnhelm' am Mittwoch Nachmittag und am Donnerstag, „Des Meeres und der Liebe Wellen“ am Mittwoch, „König Krause’ am nächsten Sonntag wiederholt. Am nächsten Sonntag Nachmittag geht als Klassiker⸗Vorstellung „Othello“, morgen Nachmittag das Luftspiel „Die Journalisten“ in Scene.
Im Schiller⸗Theater wird morgen Nachmittag Blumen⸗ thal's Schauspiel „Ein Tropfen Gift“, Abends Fulda's Luftspiel „Die wilde Jagd“ gegeben. Am Montag und Mittwoch geht das reue Schauspiel „Der König“ von Veoß in Scene. Am Dienstag und Sonnabend kommt Fulda's Luftspiel „Die wilde Jagd' zur Aufführung. Am Donnerstag und Freitag finden die zwei letzten Wiederholungen des Lustspiels „Der Registrator auf Reisen“ statt. Die erste Vor⸗ stellung im zweiten Schiller⸗Cyelus, „Die Räuber“ ist für Sonntag, den 23. Januar, Nachmittags, angesetzt. — Im Bürgersaale des Rathhauses findet morgen ein „Carl Löwe⸗Abend“ statt.
„Im Lessing⸗Theater beherrscht das Lustspiel „Im weißen Rößl“ von Oscar Blumenthal und Gustav Kadelburg auch in der kommenden Woche den Spielplan. Die Novität wird morgen, am Dienstag, Mittwoch, Donnerttag, Sonnabend und am rächsten Sonntag gegeben, während Philipp Langmann's Drama „Bartel Turaser; am Montag und „Hans Huckebein“ am Freitag sowie am nächsten Sonntag Nachmittag zur Aufführung gelangt. Als Nachmittagsvorstellung für den morgigen Sonntag wird Max Halbe’s Schauspiel „Jugend“ gegeben.
Der Wochen⸗Spielplan des Belle⸗Alliance⸗Theaters kündigt für Mittwoch, den 19. Januar, die Erstaufführung des von Eugen Zabel nach dem Russischen bearbeiteten Schauspiels „Im Dienst“ an. Das Stück wird am Freitag und am Sonntag, den 23. Januar, wiederholt. „Kean“ geht am Montag und Sonnabend in Scene. „Romeo und Julia“ wird morgen, „Die relegierten Studenten“ am Dienstag und „Der Bräutigam auf Probe“ am Donnerstag gegeben. Als Nach⸗ mittags⸗Vorstellungen sind „Die Grille“ für morgen und „Das Glas Wasser“ für nächsten Sonntag angesetzt.
„Im Residenz⸗Theater wird morgen der Schwank „Sein Trick“ zum fünfasgiveegster Male gegeben; Rachmittags wird Sardou’s Schauspiel „Odette“ aufgeführt.
Im Theater Unter den Linden wird von morgen bis ein⸗ schließlich Mittwoch „Der Bettelstudent gegeben. Am Donnerstag fiadet die erste Aufführung der Operette „Die Göttin der Vernunft’ von Johann Strauß statt. Morgen Nachmittag geht „Orpheus in der Unterwelt“ in Scene.
Im Thalia⸗Theater geht am Sonnabend nächster Woche ein neuer Schwank, „Ninetten's Hochzeit“ betitelt, in Scene. Bis dahin bleibt „Das Opferlamm“ auf dem Spielplan.
Im Central⸗Theater findet morgen die letzte Sonntags⸗ Aufführung der Ausstattungsposse „Berliner Fahrten“ statt. Die Novität „Die Tugendfalle“ kommt im Laufe der nächsten Woche zur Aufführung.
Wie die „Neue freie Presse“ meldet, ist der Berliner Schrift⸗ steller Dr. Paul Schlenther provisorisch für vier Monate, also bis zum Schluß der Saison, zum Direktor des Hofburg⸗Theaters in Wien ernannt worden. Dr. Schlenther tritt mit dem 1. Februar sein neues Amt an.
Der Musik⸗Schriftsteller Ogkar Eichberg, langjähriger Musik⸗ kritiker des „Berliner Börsen⸗Couriers“, ist am Donnerstag Abend nach längerem Leiden im Alter von 53 Jahren gestorben. 8
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)
Begleitung übernommen hatte, mehrere Stücke, und errang besonders 8— CCCCͤͤͤͤͤͤͤͤZͤZͤZͤZͤZZͤͤͤͤͤͤͤͤͤͤͤ1414144141
icht vom 15. Januar, r Morgens.
Wetterbe
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schlacht. von Kleist.
Wetter.
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Stationen.
12 eeressp. red. in Millim./ S in 0 Celsius 5 °%. = 40R.
Temperatur
Belmullet.. bedeckt
Schauspielhaus. 16. Vorstellung. Die Hermanns⸗ Ein Drama in 5 Aufzügen von Heinrich (Mit Benutzung der Bearbeitung von Rudolf Genée.) In Regisseur Max Grube. vom Ober⸗Inspektor Brandt. N ues Opern⸗Theater. Charak erbild in 3 Akten von Adolph L'Arronge. Anfang 7 ½ Uhr. Montag: Opernhaus. lustigen Weiber von Windsor.
Schiller - Thenter.
Sonntag,
cene gesetzt vom Ober⸗ Dekorative Einrichtung Anfang 7 ½ Uhr. Mutter Thiele. Ein 8 (volksthümliche Preise):
16. Vorstellung. Te er, Im zwelsen Fuße.
Komisch⸗
(Wallner ⸗Theater.)
Nachmittags 3 Uhr: Ein Tropsen Gift. — Abends 8 Uhr: Die wilde Jagd. Montag: Der König. Anfang 8 Uhr. Dienstag: Die wilde Jagd. Anfang 8 Uhr.
Lessing⸗Theater. Sonntag, Nachmittags 3 Uhr Jugend.
In Scene gesetzt vom Direktor W. Hasemann. Anfang 7 ½ Uhr. Montag: Dieselbe Vorstellung.
Central-Theater. Alte Jakobstr. 30. Dircktion: Rich. Schultz. Sonntag: Letzte Sonntags⸗Auf⸗ führung. Emil Thomas, a. G. Berliner Fahrten. Burleske Ausstattungsposse in 6 Bildern von Jul. Freund und Wilh. Mannstädt. Musik von Kapellmeister Jul. Einödsboser. Anfang 7 ½ Uhr. Montag: Berliner Fahrten.
Abends
2 halb bed. 4 Regen Dunst bedeckt halb bed.
bens
Aberdeen.. Christiansund Kopenhagen. Stockholm. Haparanda. Cork, Queens⸗
town.. Cherbourg. 1— bedeckt EE11““ bedeckt
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burg. Nebel winemünde WSW 3 Dunst Neufahrwasser WSW I bedeckt Memel d bedeckt
Pers 1. Sb V NNO 2 Nebel ruhe
769 776
778 NO Nebel Wiesbaden. 778 SW bedeckt München. 777 O Nebel Chemnitz 1780 Nebel Berlin 778 bedeckt Wien.. 779 wolkenlos Breslau .. 779 wolkenlos Ile dAix. V 771 halb bed. 76775 1 bedeckt Triest 779 2 wolkenlos
Uebersicht der Witterung.
Das Hochdruckgebiet, dessen Kern heute über Ungarn liegt, hat sich nordwestwärts nach den Britlschen Inseln ausgebreitet. Eine Depression von mäßiger Tiefe liegt über Lappland, sodaß im Nord⸗ und Ostseegebiet Winde aus westlichen Richtungen vor⸗ herrschend sind. In Deutschland ist das Wetter ruhig, trübe und neblig ohne meßbare Niederschläge; in den nördlichen Gebietstheilen liegt die Morgen⸗ temperatur über, in den südlichen, wo leichter Frost berrscht, unter dem Mittelwerth. Abkühlung für das nördliche Deutschland demnächst wahrscheinlich. Deutsche Seewarte.
MEsaqüösaxsesveeTRCrEssaxwües.rnanefedaengaagRveSrenerea’ vInfveFewavereen
Königliche Schauspiele. Sonntag: Opern⸗ haus. 15. Vorstellung. Rienzi, der Letzte der Tribunen. Große tragische Oper in 5 Akten von Richard Wagner. Ballet von Emil Graeb. In Scene Elett vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Deko⸗ rative Einrichtung vom Ober⸗Inspektor Brandt. Dirigent: Kapellmeister Sucher. (Irene: Frau
.— Oboeddmdoeoeee,beeeoe oe E oendo 0
phantastische Oper in 3 Akten von Otto Nicolai. Text von Mosenthal, nach William Shakespeare's gleichnamigem Lustspiel. Tanz von Emil Graeb. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Musikdirektor Steinmann. Anfang 7 ½ Uhr.
Schauspielhaus. 17. Vorstellung. Sonder⸗ Abonnement A. 3. Vorstellung. Zum ersten Male: Die Aufgeregten. Von Johann Wolfgang von Goethe. Ergänzende Bearbeitung von Felix von Stenglin. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. (Die Gräfin: Frau Clara Meyer, Ehrenmitglied des Königlichen Schauspiels.) Anfang
7 ½⅔ Uhr.
Opernhaus. Dienstag: Bajazzi. Cavallerin rusticana. Mittwoch: Martha. (Lyonel: Herr Emil Götze, Königlicher Kammersänger, als Gast.) Phantasien im Bremer Rathskeller. Donners⸗ tag: Tannhäuser. Anfang 7 Uhr. Freitag: 6. Symphonie⸗Abend der Königlichen Kapelle. Sonnabend: Der Prophet. Anfang 7 Uhr. Sonntag: Undine.
Schauspielbaus. Dienstag: Mutter Thiele. Mittwoch: Egmont. Anfang 7 Uhr. Donnerstag: Das neue Weib. Freitag: Die Aufgeregten. Sonnabend: Lesfsing's Geburtstag. Minna von Baruhelm. Sonntag: Mutter Thiele.
Neues Opern⸗Theater. Sonntag: Die Geierwally.
Deutsches Theater. Sonntag, Nachmittags 2 ½ Uhr: Das Käthchen von Heilbronu. — bends 7 ½ Uhr: Johannes. Montag: Johaunes. Dienstag: Johaunes.
Berliner Theater. 2 ½ Uhr: Faust, I. Theil. — In Behandlung.
Montag: Der Pfarrer von Kirchfeld.
Dienstag: Mein Leopold.
Sonntag, Nachmittags Abends 7 ½ Uhr:
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Goethe⸗Theater. Bbf. Zoologischer Garten.
Kantstr. 12. Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Die
Journalisten. — Abends 7 ½ Uhr: Zum ersten Male: Krieg im Frieden. a
eg
[von Maurice Desvalliéres und Antony Mars. IUebersetzt und für die deutsche Bühne bearbeitet von Benno Jacobson. 1“
[Nachmittags 3 Uhr: Bei halben Preisen: Orpheus in der Unterwelt. —
Montag: Bartel Turafer. Dienstag: Im weißen Rößl. Mittwoch: Im weißen Rößl.
8 *
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Neues Theater. Schiffbauerdamm 4 a./5. Direktion: Sigmund Lautenburg. Sonntag: Die Logenbrüder. Schwank in 3 Akten von C. Laufs und C. Kraatz. Regie: Hermann Werner. Anfang 7 ½ Uhr. — Nachmittags 3 Uhr: Zu volksthümlichen Preisen: Trilby.
Montag: Die Logenbrüder. Dienstag: Zum ersten Male: Familie. Lust⸗ spiel in 3 Akten von Auguste Germain. Deutsch von Max Schönau. Vorher: Der Herr Kan⸗ didat. Schwank in 1 Akt von Ernst Berger.
Belle⸗Alliance-Theater. Belle⸗Alliancestr.7/8. Sonntag: Romeo und Julia. — Nachmittags: Die Grille.
Montag: Keau.
Dienstag: Die relegierten Studenten.
Mittwoch: Zum ersten Male: Im Dienst. 8
Residenz-Theater. Direktion: Theodor Brandt. Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Zu halben Kassen⸗ preisen: Odette. Pariser Sittenbild in 4 Aufzügen von Victorien Sardou. Deutsch von Schelcher. — Abends 7 ½ Uhr: Zum 25. Male: Sein Trick. (Le Truc de Séraphin.) Schwank in 3 Akten
Montag und folgende Tage: Sein Trick.
288
Theater Unter den Linden. Sonntag, Abends 7 ½ Uhr: Der Bettelstudent. Operette in 3 Akten von F. Zell und Richard Gené6e. Musik von Carl Millöcker. Montag: Der Bettelstudent. 3 Donnerstag: Zum ersten Male: Die Göttin der Vernunft von Johann Strauß.
Adolph Ernst⸗
Montag (19. Abonnements⸗Vorstellung): im Frieden. 1
Marie Bossenburger, vom Hof⸗Theater in Dresden, als Gast.) Anfang 6 ½ Uhr. 8
8
Dienstag: Die Jourualisten. Theater.) Sonntag: Das Opferlamm. Schwank ö1A“ 8
Thalia-Theater. (Vormals:
In Vorbereitung: Die Tugendfalle.
Konzerte.
Saal des Küniglichen Schauspielhauses. Sonntag, Mittags 12 Ubr: III. Kammermufik⸗ Matinée von Halir, Exner, Müller, Dechert.
Sing-Akademie. Sonntag. Anfang 8 Uhr: Lieder⸗Abend von Selma Nicklaß⸗Kempnuer.
Philharmonie. Montag, Anfang 7 ½ Uhr: II. Konzert des Philharmonischen Chors. Dirigent: Siegfried Ochs.
Saal Bechstein. Senntag, Anfaag 7 ¼ Uhr: II. Konzert von Emilie und Gabriele Christ⸗ mann (Gesang). Mitwirkung: Herr Albert Schilling (Cello).
Montag, Anfang 7 ½ Uhr: IV. Schüler⸗Auf⸗ führung des Stern’schen Konservatoriums.
Familien⸗Nachrichten.
Verlobt: Frl. Gabriele Trützschler von Falkenstein mit Hrn. Sec.-Lieut. Arthur Krause (Lissa i. P. — Rawitsch)h. — Frl. Margarete Giesler mit Hru Prem.⸗Licut. Franz de Dumas de l’'Espinol (Schloß Falkenlust b. Brühl- Ehrenbreitstein). — Comtesse Irma Bethusy⸗Huc mit Hrn. Regierungs. 8 Referendar und Sec.⸗Lieut. d. R. Dr. jur. Fritz Hegenscheidt (Deschowitz O.⸗S. — Düsseldorf).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Prem.⸗Lieut. Swidom (Charlottenburg). 1
Gestorben: Hr. Oekonomie⸗Rath Julius Wenzel (Schedlau).
Verantwortlicher Redakteur: 1
Direktor Siemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.
Sechs Beilagen
in 3 Akten von Oscar Walther und Leo Stein.
(einschließlich Bötsen⸗Beilage).
8
Erste Beilage
en Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger
Berlin, Sonnabend, den 15. Januar
Deutsch Nachw
der Einnahme an Wechselstempelsteuer im Deutschen Reich für die
es Reich.
ei sung Zeit von
Schluß des Monats Dezember 1897.
2.
3.
Einnahme im Monat Dezember 1897
6
Hierzu Einnahme in den Vormonaten
Im Etatsjahre 1897/98 + mehr — weniger
₰
Einnahme in dem⸗ selben Zeitraum des Vorjahres (Spalte 4)
I. Im Reichs⸗Postgebiet. ** 20 9 Gumbinnen. . 40 3) Danzig.. 111“ 95 90 E1111114“*“ 20 k*“ . 40 W1D5Z5́5I1“ 80 1666464*“ es JEeö““ 8 40 9 Pelen vA1X“ ““ 22 70 111AAA264*“ 1“ 80 89 Ressn 11“ W1.“ —
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104 925 80 40 605 80 92 412 50
924 643 80 38 886 60 62 727 80 78 377 70 20 192 60 48 056 40 51 664 90 153 413 93 542 40 88 389 10 142 548 90 80 791 30 108 612 — 80 002 60 106 634 40 34 290 60 65 503 10 162 340 60 71 913 90 277 988 20 153 879 50 60 297 40 44 616 90
440 160 — 20 605 20
174 156 80
437 384 10
204 679 60 67 158 60
118 769 40 26 890 10 34 887 30 56 00u4 — 175 387 90 896 668 — 165 230 70 25 741 —
10 80 60 90 70 20 60 20 90 10 20 50 70 40 40 40 40 70 80 90 50 20 40 90 50 80 20 30 10 10 10 20 10
20 60 30 90 80
43 403 86 863
35 890 58 363 73 194 19 497 46 091 47 534
84 829 94 590
71 829 99 896 82 535 98 657 32 696 62 448
79 640
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58 671
19 535
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1898.
750 514 68 517 25 643
Summe 88 III. Württemberg
5 762 331 555 261 200 636
6 030 971 30 572 053 40 208 558 80
6 512 846 20. 623 778 50 226 280 40
+ 481 874 90 + 51 725 10 + 17 721 60
Ueberhaupt Berlin, im Januar 1898.
844 675 70
6 518 229
7 362 905 10 + 551 321 60
Haupt⸗Buchhalterei des Reichs⸗Schatzamts.
Biester.
—
Deutscher Reichstag. 1 17. Sitzung vom 14. Januar 1898, 1 Uhr.
Auf der Tagesordnung steht als erster Gegenstand die Fortsetzung der ersten Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend Aenderungen der Zivilprozeßordnung und eines dazu gehörigen Einführungsgesetzes.
„ Abg. Beckh (fr. Volksp.) spricht zunächst seine Befriedigung über die Vorlage aus und bestreitet, daß in derselben irgend welche Animosität gegen den Stand der Rechtsanwalte enthalten sei. Die deutsche Zivilprozeßordnung, die so vielfach getadelt sei, während die alte preußische Gerichtsordnung gelobt wurde, habe sich durchaus bewährt, wie Redner, der auch unter der alten baye⸗ rischen Prozeßordnung als Anwalt gearbeitet habe, aus eigener Erfah⸗ rung bestätigen könne. Abg. Beckh wendet sich sodann polemisterend gegen die Redner, welche an dem früheren Verhandlungstage gesprochen haben, namentlich gegen den Abg. Gamp, der bewiesen habe, daß er von der Sache nichts verstehe, dadurch, daß er meinte, der Vortermin könne auch auf die Urkundenprozesse angewendet werden, während doch selbst für einen Rechtsanwalt die Er⸗ langung eines Urtheils im Urkundenprozesse schwierig sei. Ueber⸗ haupt sei die „‚Durchführung des J durchaus nicht möglich; es müßten dann in den Landgerichten dreimal so viel Richter sitzen als jetzt, wenn die Prozesse so schnell erledigt werden sollten wie jetzt unter dem Anwaltszwang. Mit der Einschiebung des § 49a erklärt sich der Redner einverstanden; es sei nur zu bedauern, 58 bloß die passive Rechtsfähigkeit der Vereine eingeführt werden solle, nicht auch die aktive Rechtsfähigkeit, die Berechtigung zur Klage⸗ erhebung. Bezüglich der Rechtskonsulenten stehe er auf dem Stand⸗ punkte, daß dieselben bei den e zugelassen werden sollen, olange nicht unsaubere Manipulationen derselben zu Tage treten. Immerhin sei die Schaffung gewissermaßen einer zweiten Kategorie von Anwalten bedenklich, deshalb müsse die Sache etwas
8 8
annders geregelt werden als in der Vorlage. Der Vortermin sei das
allerzweifelhafteste an der ganzen Vorlage, wenngleich dadurch viel⸗ leicht etwas an den Kosten gespart werden könne. Der Vortermin würde häufig nur eine Verschleppung mit sich bringen, weil dem Vortermin doch in den meisten Fällen ein späterer Termin nachfolgen müsse. Was man durch den Vortermin erreichen wolle, sei durch die Vorschriften über den Vergleich schon jetzt im Gesetz vorhanden. Der wichtigste Punkt der Vorlage sei die Erhöhung der Revisionssumme.
kerbei müsse in erster Linie das Interesse der Rechtsuchenden ent⸗ cheiden. Die Rücksicht auf das Reichsgericht könne dabei nicht maßgebend ein. Wenn schon sechs Senate bei demselben bestehen, dann komme es uf zwei oder drei mehr wirklich nicht an. Die Belastung des Reichs⸗ gerichts sei allerdings gestiegen, aber das werde immer der Fall sein mit der Zunahme der Bevölkerung. Wenn vorgeschlagen worden sei, die Gesetze, welche durch das Bürgerliche Gesetzbuch abgeschafft werden, nicht mehr für revisibel zu erklären, so würde das vollständig falsch sein. Verträge, die auf den alten Gesetzen beruhten, würden noch jahrelang nach dem 1. Januar 1900 gelten, und man könne sie nicht schlechter im Recht stellen als bisher. Schließlich erklärt Redner,
er glaube, daß die Kommission die Sache in einer Weise behandeln werde, daß man zu einer Einigung komme; die Anstände, die gemacht worden, seien nicht so groß, daß man sich nicht darüber verständigen könnte, denn in den Hauptpunkten sei man einig.
Damit schließt die Debatte.
Die Vorlage wird der schon bestehenden juristischen Kom⸗ mission überwiesen.
Es folgt die erste Berathung des Antrages der Abgg. von Salisch (d. kons.) u. Gen., betreffend die Einführung des Nacheides.
Abg. von Salisch erinnert an die früheren Verhandlungen über die Novelle zur Strafprozeßordnung, bei denen man von allen Seiten darauf hingewiesen habe, daß durch die Vereidigungen der Zeugen vor ihrer Aussage die Gefahr der Vermehrung der Mein⸗ eide herbeigeführt würde. Der Richter sei sogar gezwungen, Eide abzunehmen in dem Falle, wo die Aussagen der Zeugen durchaus keine Bedeutung hätten. Es müsse dafür gesorgt werden, daß die Ableistung des Eides mit größerer Feierlichkeit erfolgen könne. Die falsche Aussage müsse unter Strafe gestellt werden.
Abg. Lenzmann (fr. Volksp.): Meine Freunde sind mit dem Inhalt des vorliegenden Antrags vollständig einverstanden. Es würde sich vielleicht empfehlen, die Debatte über diesen Antrag mit der Debatte über die Anträge Rintelen und Lenzmann wegen Wiedereinführung der Berufung ꝛc. zu vereinigen. Der Eid in seiner jetzigen Form ist weniger geeignet, die Wahrheit zu garantieren, als das frühere Verfahren in Preußen, welches den Nacheid hatte. Daß dieser besser ist als der Voreid, darüber besteht unter den Juristen wohl kein Zweifel; es ist unerträglich, daß der Richter sich zum Theilnehmer eines Meineids machen muß, wenn er einen Zeugen vereidigt, dessen Aussage ihm unwahr erscheint. Der Eid sollte überhaupt möglichst da abgeschafft werden, wo die Aussage des Zeugen glaubhaft erscheint. Darüber haben in erster Linie die Parteien zu entscheiden, im Zivilprozeß die Parteien, im Strafprozeß der Staatsanwalt. Diese Parteien sollen nicht gezwungen werden können, auf den Eid zu verzichten, wenn sie die Beeidigung einer Aussage für nothwendig in ihrem Interesse halten. Da wir Fwihfe Richter haben, welche den Sozialdemokraten den Respekt vor dem Eide absprechen, so darf es nicht in der Hand des Richters allein liegen, ob er die Beeidigung unterlassen will. Dann würden die nach Millionen zählenden Sozialdemokraten nicht mit dem Schimpf belastet werden, daß sie nicht zum Eide zugelassen werden. Hier muß nicht die höhere Weisheit des Richters entscheiden, sondern der Wille der Parteien. Darin unterscheiden wir uns von dem Antrage des Herrn von Salisch. Ich hoffe aber, daß wir uns über diese Frage verständigen können. Wird der Antrag von Salisch angenommen, so wird auf großen Gebieten der Nacheid eingeführt. Die Annahme des Antrages wird die Regierung dementieren, welche bei der freiwilligen Gerichts⸗ barkeit den Nacheid abgelehnt hat, weil man nicht auf einem einzelnen Gebiete damit vorgehen könne. Und dabei steht der Nacheid schon in dem Entwurf der Militär⸗Strafprozeßordnung, die allerdings in diesem Punkt der Ziviljustiz voraus ist. J114“
Abg. Dr. Rintelen (Zentr.): Die Tendenz des Antrages, den Nacheid einzuführen und eine Reihe von Eiden überhaupt zu ver⸗ meiden, ist auch von mir schon bei früheren Berathungen durchaus ge⸗ billigt worden. Ich bin auch damit einverstanden, daß der Antrag an die bestehende juristische Kommission überwiesen wird. Soweit sich der Antrag auf die Strafprozeßordnung bezieht, kann er in die Anträge Lenzmann und Rintelen hineingearbeitet werden; der Rest kann als besonderes Gesetz erlassen werden.
Abg. Dr. Pieschel (nl.): Auch bei dieser Materie liegt die Ge⸗ fahr vor, daß das, worauf es uns besonders ankommt, nicht zu stande kommt, wenn es mit anderen Gegenständen verknüpft wird; ich komme darauf noch bei der Berathung der nächsten Gegenstände zurück. Was den vorliegenden Gegenstand betrifft, so ist der Nacheid das Wesentlichste an der ganzen Sache; der Nacheid ist jedenfalls viel mehr geeignet, die Wahrheit zu erfahren als der Voreid. Man kann die Zeugen auf Grund der Akten hinweisen auf die Aussagen, die sie früher unter ihrem Eide gemacht haben, und sie davor warnen, einen fahrlässigen Falscheid zu leisten. Es faͤllt dem Richter sehr leicht, bei dem Voreide einen Meineid zu substantiieren. Er weiß aus den Akten, daß das, was der Mann jetzt fagt, falsch ist; andere Zeugen haben das Entgegengesetzte ausgesagt. Da kann man dann leicht die Akten zumachen und sagen: „Wir sind fertig, Sie haben einen Meineid geschworen.“ Wenn aber der Eid hinterher⸗ kommt, dann kann er dem Mann sagen: „ Ueberlegen Sie sich noch mal die Sache!“ Wenn er trotz seine Wissenschaft der entgegengesetzten Thatsachen den Meineid ab nimmt, ohne den Mann auf die früheren Aussagen hinzuweisen dann macht er sich in hohem Grade verantwortlich, vielleicht soga strafbar. Das sind die Gründe, aus denen ich entschieden de Nacheid den Vorzug gebe. Nach § 52 Abs. 1 des geltenden Gesetze sind Geistliche, Rechtzanwalte und Aerzte berechtigt, das Zeugniß über Dinge zu verweigern, die ihnen in Ausübung ihres Berufs als Geheimnisse anvertraut sind. Der dazu beantragte Zusatz besagt „Die Vernehmung dieser Hersopen ist, auch wenn das Zeugniß nicht verweigert wird, auf Thatsachen nicht zu richten, in Ansehung welcher erhellt, daß ohne Verletzung der Verpflichtung zu Verschwiegenheit ein Zeugniß nicht abgelegt werden kann.“ Dieser Antrag erscheint etwas unmotiviert, hat aber seinen historischen Entwickelungsgang. In der Kommission über die Strafprozeßnovelle wurde s. Z. bemerkt, daß, wenn z. B. ein Geistlicher die Aussage über ein Beichtgeheimniß verweigere, in dem Richter der Verdach entstehe, daß der Geistliche etwas wisse, was dem Angeklagten zur Last zu legen sei. Dem ist eine gewisse Berechtigung nicht ab⸗ zusprechen. Der Abg. Schmidt⸗Warburg wollte dieses Dilemma durch den Antrag aus der Welt schaffen, daß unter dem Beicht⸗ geheimniß mitgetheilte Dinge niemals Gegenstand einer Ver⸗ nehmung sein dürften, sodaß der Geistliche mit gutem Gewissen den Eid leisten könnte, nichts verschwiegen zu haben, auch wenn er etwas wissen sollte. Aber einen gewissenhaften Mann würde diese Lösung doch immer ia ein Dilemma versetzen. Den wenn er etwas weiß und sagen soll: Ich weiß nichts!“ so ist das immerhin eine thatsächliche Unwahrheit. Dieser Ausweg hat also seine großen moralischen Gefahren, und ich glaube, da auch kein katholischer Staat darauf eingehen könnte. Der Vorschlag de Antrages Salisch ist allerdings besser, aber immerhin noch eine zu weitgehende Konzession an eine von uns nicht zu Recht anerkannte Fiktion. Wenn ich auch anerkenne, daß für den Vorschlag etwa spricht, kann er doch so, wie er hier steht, nicht bleiben; vielleich kann man dem Richter zur Pflicht machen, bei der Vernehmung eines Geistlichen zu Wenn ich über Sachen fragen sollte, 82 Sie nur unter Verletzung des Beichtgeheimnisses mittheilen können, mache ich Sie auf den Absatz I des § 52 aufmerksam. Es würde dann dem Geistlichen überlassen werden, wie er dieser Auf⸗ forderung gerecht wird. Wir wünschen, daß der Antrag Salisch Gesetz wird, und deshalb wollen wir seine besondere Behandlung und nicht in Verbindung mit den 58 Anträgen zur Strasprozeß⸗ ordnung. In der gestrigen Sitzung bin ich nach den Zeitungsberichten mißverstanden worden; ich soll gesagt haben: In gewisse Schau⸗ stellungen könne alle Mitglieder des Reichstages hingehen, ohne daß ihr Scham⸗ und Sittlichkeitsgefühl verletzt würde. Das wäre eine schwere Beleidigung des Reichstages. Ich habe vielmehr gemeint: ohne Schaden an ihrer Seele zu nehmen. dolus einer Beleidigung des Reichstages gefehlt.
Abg. Stadthagen (Soz.): Ich bezweifle, daß der Antrag dazu dienen werde, die Meineide zu vermindern, wenn er auch vielleicht geeignet ist, die Zeugen zu schützen vor den Richtern, die sich ihrer Verantwortlichkeit nicht voll bewußt sind. Nach unserer Anschauung folgt die Verpflichtung, die Wahrheit zu sagen, aus den Pflichten des Einzelnen gegenüber der Allgemeinheit. Es wird auf die starke Ver⸗ mehrung der Zahl der Meineide hingewiesen. Die Meineide sind am stärksten in Ostpreußen und Westpreußen und nehmen ab, je mehr in einem Bezirk die Zahl der Sozialdemokraten zunimmt. Redner weist auf einen Vorfall aus der Praxis eines der Mitantragsteller des Antrages von Salisch (des Abg. Himburg) hin, in welchem ein Arbeiter wegen Meineides verurtheilt worden sei, und fährt dann fort: der Richter, der nicht alle Maßregeln trifft, daß der Zeuge keinen Meineid leistet, steht nicht anders da als ein Anstifter zum Meineid. In einem Falle wurde die Aussage eines Zeugen als nicht maz⸗ gebend erachtet, weil er Sozialdemokrat sei, und weil die Sozial⸗ demokratie unter Umständen den Meineid entschuldigte. Dem gegen⸗ über genügt es nicht, gesittet „Pfui“ zu rufen; dieser Gesinnungs⸗ rohheit gegenüber müssen Strafbestimmungen erlassen werden, um die Freiheit der politischen Gesinnung zu sichern. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kropatscheck.) Herrn Kropatscheck möchte ich be⸗ merken, wie die „Kreuzzeitung“ über den Eid geurtheilt hatte. Der Rundschauer schrieb damals, daß der Eid auf die Verfassung nicht gelten könne, weil ein Eid, der gegen Gottes Willen sich richte, nicht bindend sei; die Könige ständen aber in Gottes Hand, und des⸗ halb könnten sie durch die Bee nicht gebunden werden. Die mehrfachen Vorfälle, in denen Sozialdemokraten vom Richter oder Staatsanwalt wegen ihrer Gesinnung schlecht behandelt sind,
Jedenfalls hat mir jeder
bringen uns dahin, daß wir nicht dafür stimmen können, daß die
Zeugen allein nach dem Willen des Richters vom Eide ausgeschlossen werden können. Denn es Feet nicht nur schlechte, sondern sogar bös⸗ willig schlechte Richter in Deutschland. Der Angeklagte hat 8 Recht darauf, nach dieser Richtung hin Anträge zu stellen. Ebenso wenig können wir dem zustimmen, daß im Vorverfahren die Beeidigung vor⸗ genommen wird, wo die Garantie der Oeffentlichkeit nicht vorhanden ist. Eine Quelle des Meineids ist auch die Bestimmung, daß Be⸗ amte ihre Aussagen einschränken können, sobald das Wohl des Staats dabei in Betracht kommt. Die Beziehungen der Polizei zu den Agenten und Spitzeln sind ebenfalls ein Mittel, die Wahrheit zu verschleiern und Meineide zu provozieren. Wenn man ehrlich die Verminderung der Meineide herbeiführen will, dann müßten die Fälle beseitigt werden, in denen verlangt wird, namentli der Zeugnißzwang gegen die Presse. Auf dem Lande besteh die Meinung, daß die Gendarmen gern als Zeugen aufträten, weil sie dafür Gebühren erhalten. Ein Cchuß gegen Belastungszeugen und die Unterstellung der Gendarmen unter die ordentlichen Gerichte ist dringend nothwendig. Die Zeugen müssen auch efeschäst sein gegen Beschimpfungen und Schmähdungen seitens der Staatsanwalte, deren schon mehrere vom Reichsgericht deswegen verurtheilt sind. Die besondere Bestrafung der unbeeidigten, wissent⸗