1898 / 37 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 11 Feb 1898 18:00:01 GMT) scan diff

tritt, und die Möglichkeit der Versenchung, welche nach den Erfah⸗

rungen mit anderen für Pflanzen schädlichen Schildläusen leicht ignoriert oder für gleichgültig angefehen wird, wird bald in er⸗ schreckender Weise erwiesen. Die Wichtigkeit des Insekts, vom wirth⸗ schaftlichen Standpunkt aus, ist durch die Leichtigkeit, mit welcher es durch den Vertrieb von Obstbäumen und durch den Fruchthandel über weite Gegenden verbreitet wird, außerordentlich gesteigert, und die Schwierigkeit, es zu vernichten, wo es einmal eingeschleppt ist, ist unendlich viel größer als bei irgend einer anderen Schildlausart. Seine Bedeutung war zeitig von Professor Comst ock erkannt, der bei seiner ersten Beschreibung im Jahre 1880 ihm den bezeichnenden Namen perniciosus gab, indem er sagte, es sei das schaͤdlichste in Amerika bekannte Insekt. Die Gartenbaukommission von Los Angelos berichtete 1890, daß, wenn diese Seuche nicht rasch unterdrückt würde, sie den gesammten Obstbau der pacisfischen Küste von Grund aus rui⸗ nieren würde. Die Schädlichkeit der San José⸗Schildlaus ist seit ihrem Auftreten im Osten noch mehr hervorgetreten und, wenn möglich, ist sie für die Pfirsich⸗ und Birnengärten von Maryland, New⸗Jersey und anderen öͤstlichen und südlichen Staaten noch verderblicher geworden als in Kalifornien und dem Westen.

Wir sind daher im Recht, wenn wir behaupten, daß keine ernstlichere Gefährdung des Obstbaues der Bereinigten Staaten bisher bekannt geworden ist. Es ist nicht unsere Absicht, hier unnöthig Alarm zu schlagen, sondern wir wollen nur mit Nachdruck die Wichtigkeit der Ergreifung der äußersten Vorsichtsmaßregeln zur Verhütung der Einschleppung des Insekts in noch unberührte Ge⸗ genden betonen und die absolute Nothwendigkeit der ernstesten Anstrengungen klarstellen, es auszurotten, wo es schon festen Fuß gefaßt hat.“

In einem Zirkular des Virginischen Ackerbauamts über die Winterbekämpfung der San José⸗Schildlaus vom 5. Dezember 1896 heißt es: „Unverzügliche und energische Anstrengungen sind erforderlich, um dieser Seuche entgeg enzutreten, oder die Obstindustrie ist auf dem besten Wege, ruiniert zu werden.“

Derartige Mittheilungen finden sich fast in sämmtlichen der zahlreichen Veröffentlichungen über den Schädlins. Ich will daher

ur noch eine besonders charakteristische und mir erst heute früh zugegangene öffentliche Warnung eines Dr. Groff vom Ackerbauamt Pennsylvaniens anführen, der in der „The Galveston Daily News“ vom 19. Dezember 1897 schreibt:

„Seit 1892 beobachtete ich die Wirkungen der San José⸗ Schildlaus auf fruchttragende und Zierpflauzen der Atlantischen Küste und kann alle Liebhaber von Obstbäumen und Sträuchern gar nicht eindringlich genug warnen, ihr Bestes zu thun, um die Seuche von ihrem Grund und Boden fernzuhalten.“

Err vergleicht alsdann den Schädling mit dem Coloradokäfer, hebt die ungleich größere Gefährlichkeit des ersteren hervor, die schon aus seiner mikroskopischen Kleinheit und der anßerordentlichen Kost⸗ spieligkeit seiner Bekämpfungsmittel sich ergebe. „Um die San José. Schildlaus zu vernichten, sind kostspielige Apparate die amerika⸗ nischen Bulletins enthalten Abbildungen der Bauten und Kessel⸗ anlagen zur Erzeugung des zur Vernichtung meist verwendeten, für Menschen absolut tödtlichen Blausäuregases erforderlich, die nur von Sachverständigen gehandhabt werden können. Nebenbei müssen diese Operationen bei der geradezu fabelhaften Vermehrungsfähigkeit des Insekts von Juni bis November fortgesetzt werden. Ich habe wiederholentlich im Juli reich mit Früchten behangene Johannisbeersträucher gesebhen, die durch die Ver⸗ wüstungen des Insekts im September abgestorben waren. . „Das Insekt ist so klein, seine Angriffe so hartnäckig und bei der Unmöglichkeit, es auszurotten, wo es sich einmal ein⸗ genistet hat, liegt die Gefahr vor, daß der Obstbau auf der Farm unmöglich wird und in die Hände von Spezialisten übergeht. Ich glaube, daß, wenn nicht natürliche Feinde des Schädlings auftreten, die Obstgärten und vereinzelten Obstbäume des Durch⸗ schnitts⸗Farmers der Zerstörung durch die San José⸗

Scchildlaus verfallen sind.“

Um das Vorgehen der Regierung zu diskreditieren, ist behauptet

worden, daß wir diese Form der Schildlaus bereits in Deutschland

hätten oder daß sie mit der bei uns leider weitverbreiteten Blutlaus identisch sei. Es ist bedauerlich, daß sogar der Vorsitzende eines

entomologischen Vereins zu einer derartigen Irreleitung der öffent⸗

lichen Meinung beigetragen hat. Denn alle Autoritaten auf diesem Gebiet deutsche wie namentlich auch die amerikanischen sind

darüber einig, daß bisher noch in keinem einzigen Falle in Deutschland

oder selbst in Europa die San José⸗Schildlaus festgestellt sei. Hoffen wir, daß diese Annahme auch noch im gegenwärtigen Zeitpunkt zu⸗

trifft; jedenfalls ist es nicht zu spat, Abwehrmaßregeln gegen ihre

Einschleppung zu ergreifen. Auch die hier und da geäußerie Ansicht, daß die Gefahr der Ansiedelung des Insekts durch die klimati⸗ schen Verhältnisse Deutschlands gering sei, ist haltlos. Vielmehr heben alle amerikanischen Berichte hervor, daß es kaum ein zweites Insekt von gleich großer Anpassungsfähigkeit an die verschiedensten Klimate gäbe. So schreibt Professor Lugger in St. Anthony Park Minnesota), State Entomologist, unter dem 27. November v. J.: „Die San José⸗Schildlaus kann leider auch in kalten Regionen existieren, und ich habe sie sogar hier in Minnesota gefunden.“ Mr. Alwood, der staatliche Sachverständige für Virginia, be⸗ merkt auf einem Baumschulen⸗Kongreß zu St. Louis unterin 10. Juni 1897:

„Das Insekt existiert in Virginia bei 1000 Fuß Höhe im Ge⸗ birge und bei 2000 Fuß züchte ich es. Obgleich gesagt wurde, es könne dort nicht existieren, ist dies doch der Fall, und es vermehrt sich reißend. Ich muß sagen: wenn dies Insekt früher nicht an diese verschiedenen klimatischen Bedingungen sich anpaßte, so ist es jetzt stark auf dem Wege, sich denselben anzupassen, so daß niemand zu vertrauensselig sein sollte.“

Die Aufregung, die unser Vorgehen in Amerika veranlaßt hat, ist angesichts des Umstandes, daß in den Vereinigten Staaten selbst zum theil außerordentlich scharfe Maßregeln zwischen den einzelnen Staaten ergriffen sind, schwer begreiflich. So äußert sich der Bericht des Ackerbau⸗Departements des Staates New⸗Jersey vom 13. Januar

₰ι

1897 auf Seite 18 bezüglich der gesetzgeberischen Maßregeln folgender⸗

maßen:

. In fast allen Bundesstaaten, wo das Inselt aufgetreten ist, sind Gesetze ergangen, entweder allgemein gegen schädliche Insekten oder speziell gegen die San Jose⸗Schildlaus. Kalifornien war der

11“

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erste Staat, der auf diesem Gebiet vorging, und hat sicher das strengste und gründlichste Aufsichts⸗ und Kontrolsystem von allen Unionsstaaten. In jeder Grafschaft sind von derselben bezahlte Gartenbau⸗Kommissare vorhanden. Jeder Kommissar ernennt Inspektoren, welche ebenso wie erstere das unbeschränkte Recht haͤben, alle Bodenflächen, auf welchen Obst wächst, zu betreten. Sie besichtigen Bäume, Sträucher ꝛc. und ent⸗ scheiden, ob dieselben mit einem Insekt behaftet sind, gegen welches anzukämpfen ist. Sie besichtigen Märkte, Laͤden und alle Plätze, an denen Obst zum Verkauf feilgehalten wird, und sind in der Befugniß zu Beschlagnahmen unbeschränkt. Sie untersuchen jede in das Land eingehende Pflanzensendung, und es darf keine Pflanze vor der Ertheilung einer Bescheinigung des Kommissars seitens des Transportunternehmers herausgegeben werden. Findet der Kommissar die Pflanzen infiziert, so kann er sie wiederholt desinfizieren, äußersten Fahs vernichten. In San Francisco ist ein Quarantänebeamter, welcher das Schiff betritt und die Pflanzen aller Art in Bezug auf die Schildlaus und andere schädliche Insekten untersucht. Wenn sie verseucht sind, werden die Pflanzen vernichtet oder desinsiziert. Kalifornien begünstigt die Einfuhr von Zuchtpflanzen aus anderen Staaten nicht; es kann sie nicht verbieten, jedoch können die Kommissare die eingehenden Pflanzen untersuchen und desinfizieren. Sie üben ihr Umt gewöhnlich in der Weise aus, daß, wenn die Pflanze gehörig des⸗ infiziert (troated) ist, es wenig Zweck mehr hat, dieselbe einzupflanzen; so liegt praktisch für einen kalifor⸗ nischen Gärtner wenig Anreiz vor, Pflanzen von außerhalb des eigenen Staates zu beziehen. In keinem Theile Kaliforniens würde es möglich sein, solche Früchte, wie wir sie viel in Obstständen auf öftlichen Märkten finden, zum Verkauf auszubieten. Mit der San Jofé⸗Schildlaus behaftete Birnen würden sofort von dem Inspektor beschlagnahmt und vernichtet, und der Händler würde bestraft werden; die Pflanzungen der Person, von der die Früchte auf⸗ gezogen, würden gänzlich untersucht und desinfiziert werden.“

Aehnliche Gesetze bestehen in Ohio und Oregon, wie die Ver⸗ öffentlichung im „Reichs⸗Anzeiger“ ergiebt. In einer Reihe anderer Staaten sind entsprechende Gesetzentwürfe eingebracht worden, jedoch bisher an dem Widerstande der Handelsinteressen gescheitert. Eine bei dem vorjährigen Bundeskongresse eingebrachte derartige Bill ist niedergeschlagen. Dem zur Zeit tagenden Kongresse ist von der American Association of Nurseryman ein ähnlicher Gesetzentwurf ernent vorgelegt. Das Schicksal desselben steht noch dahin.

Schon diese kurze Darstellung zeigt, daß wir nur das thun wollen, was die Amerikanuer in ihrem innerstaatlichen Verkehr zum theil schon seit Jahren eingeführt haben. 3

Was die Art der Verbreitung des Insekts angeht, das gegen⸗ wärtig in 23 Unionsstaaten und in Britisch⸗Columbien festgestellt ist, so wird sie in den meisten Fällen auf Verpflanzung infizierter Bäume und Sträucher zurückgeführt. Zweifellos liegt hier die unmittel⸗ barste und wesentliche Gefahr vor. Es ist daher durchaus folgerichtig und entspricht den in Amerika gemachten Erfahrungen, wenn die Ver⸗ ordnung vom 5. Februar das vollständige Verbot der Einfuhr lebender Pflanzen aus Amerika vorsieht wobei Ausnahmen durch den Reichskanzler zugelassen werden können.

Aber es unterliegt nach Ansicht der amerikanischen wie unserer Sachverständigen gar keinem Zweifel, daß das Insekt auch durch den Obsthandel verbreitet werden kann. So sagt Mr. Alwood, der staatliche Sachverständige für Virginien:

„Wir finden das Insekt beständig auf Obst aus Kalifornien und aus einigen östlichen Distrikten ꝛc. Jeder Entomologe ist über⸗ zeugt, daß dieser Handel (mit Obst) gefährlich ist.“

Noch bestimmter sprechen sich in der schon erwähnten Schrift des Ackerbau⸗Ministeriums in Washington Howard und Marlatt auf Seite 49 aus, wenn sie sagen:

„Die San José⸗Schildlaus ist auch häufig durch Obst über⸗ tragen worden, da das junge Thier gewöhnlich auf die Frucht kriecht, namentlich bei der Birne, und ist dann nach entfernten Punkten mit versandt (is thus shipped to remote points). Sie wird häufig mit der Schale fortgeworfen sein, und die junge Larve gewinnt auf diesem Wege den Zutritt zu den Bäumen. Eine der⸗ artige Art der Uebertragung wurde schlagend nachgewiesen bei einem 1894 in Brooklyn abgehaltenen Eatomologen⸗Kongreß, als Professor Smith califomische Birnen zeigte, die er in der naͤchsten Obsthandlung gekauft hatte und die mit der Schildlaus, und zwar mit voll aus⸗ gewachsenen weiblichen Thieren und in einigen Fällen auch mit herumkriechenden Larven, schlimm befallen waren. Solches Obst wird an allen Zügen und in allen großen Staͤdten verkauft. Die Gesahr der Verseuchung durch Schalen und fortgeworfene Früchte versteht sich hiernach leicht.“

In der That braucht man sich nur zu vergegenwärtigen, wie leicht Obstschalen oder faules Obst, die auf den Kompost⸗ oder Düngerhaufen geworfen sind, von da aus unmittelbar ihren Weg in die Obstgärten finden und, wenn insiziert, das Insekt verpflanzen können. Wie lebensfähig das Insekt auch nach einem langen Trans⸗ port in den Kühlräumen der Schiffe ist, beweist die Thatsache, daß im Leibe eines Weibchen der San José⸗Schildlaus, das in Hamburg aufgefunden wurde, sich einige 30, schon weit entwickelte und lebens⸗ kräftige Junge befanden.

Was die Gefahr der Verschleppung des Insekte durch getrock⸗ netes Obst betrifft, so sind unsere Sachverständigen darüber cinig, daß auf Obst, das bei 100 Grad Celsius gedörrt ist, die Schildlaus sicher vernichtet ist, während die Frage der Lebensfähigkeit des In⸗ sekts auf in der Sonne getrocknetem Obst noch zweifelhaft ist und daher zur Zeit eingehend geprüft wird.

Wir haben bei dem Erlaß der Verordnung vom 5. Februar d. J. das zum Schutz unseres Obstbaues nach den bisherigen Erfahrungen unbedingt gebotene Maß eingehalten. Die weitere wissenschaftliche Erforschung der Frage, ob die ergriffenen Maßregeln einen ausreichenden Schutz unseres Obstbaues gewährleisten, wird fortgesetzt.

Wir haben mit dem Erlaß der Verordnung nur das ganz selbst⸗ verständliche Recht jedes Staates ausgeübt, sich vor Einschleppung von Seuchen seien es nun Seuchen an Menschen, Thieren oder Pflanzen zu schützen, und wir glauben, daß wir hierfür die Zustim⸗ mung aller Parteien des Reichstages finden werden.

Nach der im Reichs⸗Eisenbahnamt aufgestellten Nach.

weisung der auf deutschen Eisenbahnen aus ließli Bayerns im Monat Dezember v. . ö. Betriebsunfälle waren zu verzeichnen: Entgleisungen auf freier Bahn in Stationen. Zusammenstöße auf freier Bahn in Stationen .. sonstige Betriebsunfälle. 202

zusammen 258

ie Betriebslänge betrug 40 052 km, an ugkilometern wurden geleistet 30 354 099, sodaß je ein Unfall auf 155 km Betriebslänge oder auf 117 652 Zugkilometer entfällt. 1 Bei den Unfällen wurden: tchtet legt Reisende ö1116AX“ 5 Bahnbeamte und Bahnarbeiter im 1bE12 Post⸗, Steuer⸗, Telegraphen⸗, Polizei⸗Beamte ꝛc. v1114AAA4*“ fremde Nerfanen, einschließlich der nicht im Dienst befindlichen Beamten und Arbeiter, aber ausschließlich der Selbstmörder 2

zusammen.

Der Königliche Gesandte in Darmstadt Graf von der

Goltz ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub auf

seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandt⸗

schaft wieder übernommen.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich württem⸗

bergische Ober⸗Kriegsrath von Landbeck ist von Berlin ab⸗ gereist. n Hers

Hannover, 10. Februar. Der Provinzial⸗Landtag trat gestern in die Berathung des Antrages des Ausschusses, betreffend die Betheiligung des Provinzial⸗Verban⸗ des an den Kosten der Erbauung des Rhein⸗Weser⸗ Elbe⸗Kanals, ein. Nach längerer Debatte, an welcher sich auch der Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ stein betheiligte, wurde der (in Nr. 35 d. Bl. mitgetheilte) Antrag der Vertrauensmänner mit dem Zusatz: die Ilseder Hütte, die einen Theil der Verpflichtungen der Stadt Peine übernommen habe, von einer weiteren Inanspruchnahme zu befreien mit allen gegen acht Stimmen angenommen.

Hessen. 8 8

In der vorgestrigen Sitzung der Zweiten Kammer sprach sich bei der Berathung des Etats der Ministerial⸗Rath von Krug über die Grundsätze der geplanten Steuerr eform, der „Darmst. Ztg.“ zufolge, dahin aus: die Regierung beab⸗ sichtige, eine Vermögenssteuer einzuführen, sodaß man künftig nur eine solche sowie eine Einkommensteuer und eine Steuer für das Gewerbe im Umherziehen haben

werde. Anhalt.

Oesterreich⸗Ungarn.

Der niederösterreichische Landtag hat gestern den dringlichen Antrag der Abgg. Dr. Lueger und Genossen, betreffend die Wahl eines Ausschusses zur Abfassung einer Huldigungsadresse anläßlich des Regierungsjubiläums des Kaisers, ohne Debatte angenommen.

Im böhmischen Landtage beantragten die Abgg. Lippert und Genossen, daß behufs Ausfuͤhrung der Ver⸗ einbarungen von 1890 ungesäumt Vorarbeiten zur Umge⸗ staltung der Bezirks⸗ und Kreisgerichte derart fertiazustellen seien, daß sie nach Möglichkeit nur Gemeinden einer Nationalität umfaßten. Ein weiterer Antrag derselben Abgeordneten spricht die Ueberzeugung aus, daß die Vorbedingung des nationalen Friedens im Lande nur die sein könne, daß die gesammte öffentliche Verwaltung und Rechtspflege nur Gemeinden einer Nationalität umfasse. Der Abg. Nitsche begründete einen Antrag auf Anstellung eines beeldeten Dolmetschers im Land⸗ tage und beantragte die Ueberweisung desselben an eine besondere Kommission von 12 Mitgliedern. Redner fügte hinzu, diejenigen, welche eine Verständigung herbeiführen wollten, möchten dies durch die Annahme dieses Antrags beweisen. Der Abg. Herold erklärte, er und seine Gesinnungsgenessen würden gegen den Antrag stimmen, und wies darauf hin, daß in der letzten Zeit alle von den Jungczechen ausgehenden Anträge, selbst solche wirthschaftlicher Naͤtur, von den Deutschen a limine abgewiefen worden seien. Doch es gebe auch sach⸗ liche Gründe, welche greeignet seien, die Jun czechen gegen diesen Antrag einzunehmen. Der Abg. rinz Fer⸗ dinand Lobkowitz erklärte, obgleich die Deutschen in der letzten Zeit konsequent alle Anträge a limine ab⸗ gewiesen hätten, wolle er dennoch anders vorgehen; er beantrage die Ueberweisung des Antrags Nitsche an die Kommission, welche mit der Aenderung der Geschäftsordnung befaßt sei. Der Abg. Nitsche bestand auf Einsetzung einer eigenen Kommission von zwölf Mitgliedern. Da die Abgcord⸗ neten des Großgrundbesitzes bis auf wenige den Saal verlassen hatten, fand der Antrag des Prinzen Lobkowitz keine genügende Unterstützung. Der Antrag Nitsche wurde mit geringer Mehrheit abgelehnt. Der Landtag nahm sodann einstimmig den Antrag auf ö des Mahlverkehrs sowie auf Ersetzung des Stufentarifs für den inländischen Transport von Getreide und Mehl durch einen Kilometertarif an. Die Kommission des Landtages für die Bezirks⸗ und Gemeindeangelegenheiten verhandelte über den Antrag des Abg. Weremsky, betreffend die Prager . Straßentafeln. Der Antragsteller befürwortete die Anwendung beider Sprachen. Die Kommission beschloß, zur nächsten Sitzung die Vertreter der Regierung einzuladen.

In der gestrigen Abendsitzung des mährischen Land⸗ Inter⸗

eine 2. Februar; cine Gruppe

tages beantwortete der Regierungsvertreter pellation über die Vorfälle in Znaim am er erklärte, die Ruhestörungen seien durch von Czechen hervorgerufen worden, welche „Nazdar“ gerufen hätten. Dem Eingreifen der Polizei sei es gelungen, die Menge zu Konflikte zu verhindern; eine Person sei leicht ver⸗ wundet worden. Es sei die strengste Untersuchung eingeleitet.

Weiter erklärte der Regierungsvertreter, es sei unzutreffend,

daß die czechische Bevölkerung in große

demonstratiu

zerstreuen und größere

Farct rsetzt

worden sei, da nach der Demonstration die Mitglieder der

czechischen Vereine, „Nazdar“ rufend, in der Stadt umher⸗

ezogen seien und der Sokolverein am 6. Februar ohne Elörung ein Fest abgehalten habe, bei welchem die Mitglieder Sokoltracht getragen hätten. Seitens der Be⸗ örden seien alle Vorsichtsmaßregeln getroffen, um eine d der bedauerlichen Konflikte zu verhindern. Es ei nur wünschenswerth, daß die gegenseitige Verhetzung, zu 9 zumeist die S der Tagesblätter beitrage, unter⸗ bliebe und den Behörden ihre unter diesen Verhältnissen nicht leichte Aufgabe nicht wesentlich erschwert werde. 1 Der steyerische Landtag verhandelte gestern über den Gesetzentwurf, betreffend die Einführung des direkten und ge⸗ heimen Wahlrechts. Im Laufe der Verhandlungen verließen die Katholisch⸗Konservativen und die Slovenen den Saal. Der Landtag von Istrien hat gestern den Antrag des Abg. Bartolis angenommen, in welchem die italienische Sprache zur Verhandlungssprache des Landtags erklärt wird. Das Krakauer Landesgericht für Strafsachen fordert mittels öffentlicher Vorladung den Abgeordneten zum Reichs⸗ rath Daszynski auf, binnen Monatsfrist vor ihm zu erscheinen, um sich wegen Aufwiegelung und Störung der öffentlichen Ruhe zu verantworten; widrigenfalls werde gegen ihn als Ungehorsamen nach dem Gesetze verfahren und ihm die Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte untersagt werden. Im ungarischen Unterhause wurde gestern die Be⸗ rathung des Budgets des Ministeriums fuͤr Ackerbau vrtheseht. Der Abg. Bessinger lliberal) befürwortete eine fortas ge Pflege des Obsthaues sowie der Kolonisation im Termeser Komitat und sprach sich gegen jede Einschränkung der Preßfreiheit aus. Der Abg. Graf Eugen Zichy (Nationalpartei) erklärte sich ebenfalls gegen die Einschräͤnkung der Preßfreiheit, weil er eine derartige Maßregel für un⸗

geeignet zur Eindämmung der sozialistischen Bewegung halte.

.

Großbritannien und Irland.

In der gestrigen Sitzung des Unterhauses theilte der Süatserretr für die Kolonien Chamberlain mit, daß die Schriftstücke über die beabsichtigten Veränderungen in der Verwaltung der Suͤdafrika⸗Kompagnie deponiert worden seien. Der Parlaments⸗Sekretär des Aeußern Curzon erklärte, das Gebiet von Harrar werde von der britischen Regierung und, wie er glaube, auch von den anderen Mächten als ein Theil des Herrschaftsgebiets des Negus Menelik anerkannt. Des weiteren bemerkte Curzon, die Regierung wolle den An⸗ spruch der marokkanischen Regierung auf die Souveränetät über Sus, die auch von anderen Mächten anerkannt sei, nicht bestreiten, werde aber nach wie vor der marokkanischen Regierung empfehlen, die jener Gegend zu eröffnen. Im weiteren Verlauf der Adreßdebatte wurde ein Amendement Vincent, in welchem die Regierung aufgefordert werden sollte, ihre Aufmerksamkeit dem kuͤnstlichen Ansporn zu schenken, den die fremde Konkurrenz gegenüber britischen Handelsartikeln durch Tarife, Prämien und son tige Maßregeln erhalte, ohne besondere Abstimmung abgelehnt.

Der Vertrag zwischen Großbritannien und Abessynien ist gestern veröffentlicht worden. Nach demselben besteht zwischen beiden Nationen freier Handelsverkehr. Groß⸗ britannien erhält der Zollsätze alle Vortheile, die anderen Nationen bewilligt werden. Alles Material für den Dienst des äthiopischen Staates, welches über den Hafen von 8e eingeführt wird, ist von Zöllen befreit. Der Transport von Feuerwaffen und Munition den Negus Menelik durch britisches Territorium ist ge⸗

attet. Menelik ist verpflichtet, dem Durchgang von Waffen

und Munition für die Mahdisten, welche er als Feinde seines Reichs erklärt, jedes mögliche Hinderniß in den Weg zu legen. Die Grenzen werden in Erklärungen, welche zwischen dem britischen Abgesandten Rodd und Ras Makonnen ausgetauscht werden sollen, genau festgesetzt werden.

Außer dem britischen Schlachtschiff „Barfleur“, welches nunmehr in Port Said angekommen ist, geht das Schlacht⸗ schiff „Victorious“ heute von Malta nach China ab. Der Panzerkreuzer erster Klasse Gibraltar“ wird ebenfalls

sofort nach China in See gehen.

Frankreich.

Die Zeugenvernehmungen in dem Prozeß Zola wurden gestern fortgesebt. er frühere Justiz⸗Minister Trarieux erklärte, er habe, während er Minister gewesen, keine Gelegenheit gehabt, sich mit der Dreyfus⸗Affäre zu beschäftigen. Der Präsident erhob ungeachtet des Protestes Labori's, des Vertheidigers Bolas, Einspruch dagegen, daß man von der Affaire Dreyfus preche. Trarieux re Ferngie darauf das Vorgehen Scheurer⸗ Kestner’s und des Matthieu Dreyfus. Der General Pellieux sagte aus, daß Matthieu Dreyfus ihm zur Unterstützun seiner Anklagen gegen Esterhazy keinerlei Beweis habe geben können. Dasselbe se mit Scheurer⸗Kestner der Fall gewesen. Er gestege, daß er nicht erstaunt gewesen sei, als dos Kriegs⸗ ericht Esterhazy freigesprochen habe. Der General setzte sönn⸗ Er sei stolz darauf, zu der Freisprechung Esterhazy’s bewiesen zu haben, daß es in der französischen Armee keine zwei Verräther, daß es nur einen gegeben habe. Der fruühere Minister Thevenet Proch als seine Ansicht aus, daß Zola in der vorliegenden ache bona fide gehandelt habe, denn volles Licht sei noch Er bedauere, daß die Regierung nicht rüher gesprochen habe, um die Ruhbe im Lande wieder herzu⸗ tellen. Ein Antrag des Vertheidigers Clémenceau, den dvokaten Salles darüber zu vernehmen, ob er von einem Mitgliede des Kriegsgerichts, welches Dreyfus verurtheilte, erfahren habe, daß ein geheimes Schriftstück im Zimmer des Kriegsgerichts vorgelegt worden sei, wurde abgelehnt.

Rußland.

eigetragen und

nicht geschafft worden.

Bei dem großbritannischen Botschafter Sir R. O'Connor

fand gestern Abend, wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg meldet, ein Galadiner statt, an welchem der Kaiser, die Kaiserin, die Großfürstinnen Maria Paulowna, Lenia Alexandrowna, die Prinzessin Viktoria zu Schleswig⸗Holstein, die Großfürsten Wladimir Alexandrowitsch, Alexei Alexandro⸗ witsch, Nicolai Nicolajewitsch und andere Mitglieder des Kaiser⸗ auses, der Finanz⸗Minister, die Verweser der Ministerien des 818 Hofes und des Krieges, der Gehilfe des Ministeriums des Aeußern Graf Lambsdorff und andere hochgestellte Per⸗ sonen theilnahmen. Nach dem Diner fand ein Ball stait.

Italien. Der Senat stimmte gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, dem Gesetzentwurf auf Herabsetzung der Getreidezölle in der

Königs in der Hauptstadt Ungarns

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der Deputirtenkammer angenommenen Fa ung zu. In

der Dep utirtenkamm er vertheidigte der Schatz⸗Minister

Luzzatti in längerer Rede die Vorlage über die Garantien und die Sanierung des Notenumlaufs der Emissionsbanken.

Spanien.

Der Präsident der Vereinigten Staaten Me Kinley hat, wie „W. T. B.“ aus Madrid meldet, die Erklärung dorthin gelangen lassen, daß das Schreiben des spanischen Gesandten Dupuy de Lôme keineswegs einen Konflikt mit Spanien verursachen werde, denn dasselbe sei ein Privatdokument. Man werde aber eine Abschrift des Schreibens dem Minister des Aeußern Gullon zustellen, damit dieser eine Prüfung der Angelegenheit veranlasse.

Der Ministerrath hat die Demission des Gesandten in Washington Dupuy de Lôme angenommen. Derselbe telegraphierte, das Schreiben an Canalejas sei von ihm ab⸗ gefaßt, und seine Situation sei unhaltbar. Der Brief sei, be⸗ vor er Canalejas zugestellt, in einem Hotel in Havanna ge⸗ stohlen worden.

Türkei.

Der russische Botschafter in Konstantinopel Sinowjew hat, dem „W. T. B.“ zufolge, verlangt, daß die Pforte auf die diesjährige Rate für die Verpflegungskosten der Kriegs⸗ efangenen, die Restentschädigung für die Kaufleute sowie die

ückstände, zusammen 11 ½ Millionen, von der Kriegsentschä⸗ digung Griechenlands eine Million anweise. Rumänien.

In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer erwiderte, dem „W. T. B.“ zufolge, der Minister⸗Präsident Sturdza auf eine Interpellation des Deputirten Gra⸗ disteano: er habe den König bei dem letzten Besuch in Budapest nicht begleitet, weil er wegen Erledigung von Regierungs⸗ geschäften in Bukarest habe zurückbleiben müssen. Er würde glücklich gewesen sein, hätte er dem Fcenhentes Empfange des

eiwohnen können.

Schweden und Norwegen. Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Christiania

berief der König gestern den Präsidenten des Stort

zu einer Berathung über die politische Lage. Amerika. 1

Der „New York Herald“ meldet aus Guatemala, der Präsident Barrios sei am Dienstag um 7 Uhr Abends in der Nähe des Palastes ermordet worden.

Aus Montevideo wird gemeldet, daß sich daselbst eine aus 88 politischen Persönlichkeiten bestehende Junta gebildet habe. Provisorischer Gouverneur sei Cuestas, Vize⸗Gouver⸗ neur Maceachen. Die Bevölkerung sei ruhig.

Afrika.

Wie das „Reuter'sche Bureau“ aus Kairo berichtet, ist 1eheh gestern die Nationalversammlung von dem Khedive eröffnet worden. In seiner Ansprache führte der Khedive aus, daß die egyptische Regierung den Mächten einen Plan zur weiteren Herabsetzung der Steuern vorgelegt habe, der, wie er hoffe, die Zustimmung der Mächte finden werde.

7 Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reichstages und des Hauses der Abgeordneten be⸗ finden sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (38.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗ Minister von Bülow beiwohnte, nahm das Haus zunächst den schleunigen Antrag der Polen, betreffend die Einstellung des gegen den Abg. Saß⸗Jaworski wegen Uebertretung des Vereins⸗ gesetzes schwebenden Strafverfahrens, an und setzte dann die zweite Berathung des Reichshaushalts⸗Etats für 1898, und zwar des Etats des Auswärtigen Amts bei den Ausgaben für Gesandtschaften und Konsulate fort.

Bei den Ausgaben für die Gesandtschaft in Athen tritt

Abg. Schmidt⸗Warburg (Zentr.) für die Interessen der deutschen Gläubiger Griechenlands ein und spricht die Hoffnung aus, daß der Staatssekretär die Frage mit gutem Erfolge im Auge behalten möge.

Bei den Ausgaben für die Gesandtschaft in Lissabon empfiehlt

Abg. Dr. Hasse (nl.), die Interessen der deutschen G äubiger Portusals zu vertreten. Er habe das bereits in der Kommission gethan, aber dabei auch betont, daß die gemeinsamen Interessen ““ und Portugals dabei nicht außer Acht gelassen werden möchten.

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten setzte in der heu⸗ tigen (19.) Sitzung, welcher der Vize⸗Praͤsident des Staats⸗ Fenisteriums, Snen ⸗löhifter Dr. von Miquel und der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen beiwohnten, die zweite Berathung des Staatshaushalts⸗Etats für 1898/99 beim Etat der Bauverwaltung, und zwar bei den Ausgaben se die Unterhaltung der Binnenhäfen und Binnengewässer fort.

Abg. Gamp (fr. kons.) fragt an, warum auf dem Main noch keine Kanolabgaben erhoben würden, während man auf den schlesischen und märkischen Wasserstraßen die Gebühren noch vor zwei Jahren erhöht habe. Am Main lasse man dagegen die reichste Stadt Preußens von diesen Abgaben frei. In der Stadt Posen habe man zwar anfangs dem Regierungsprojekt zugestimmt, aber nachber, als es sich um die Kostenfrage handelte, habe man ein billigeres Projekt gewünscht.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Die Regierung will möglichst bald Abgaben auf dem Main einführen; die Ver⸗ handlungen mit den Interessenten schweben noch. Es bestehen jedoch noch Schwierigkeiten darin, daß Frankfurte Umschlagshafen mit anderen Umschlagshäfen, in Mannheim ꝛc., konkurriert, worauf bei der Tarifierung Rücksicht zu nehmen ist. Indessen hoffen wir, mit Ende dieses Jahres die Abgaben auf dem Main einführen zu können. Die Landwirthe haben einer hohen Tarifierung für Getreide wider⸗

rochen.

8 Len, Zaeder (frs. Volksp): Nachdem über das Projekt in Posen neun Jahre lang diskutiert worden ist, setzt sich die Regierung darüber hinweg und will ganz zurücktreten. Die Posener Domschleuse, ein Bauwerk, wesches die Schiffahrt behindert und belästigt, will man nicht einmal beseitigen. Man will nichts ausgeben, um die Pro⸗ vinzialstart mit der Hauptstadt zu verbinden. Die Eindeichung der Stadt Posen ist noch immer nicht erfolgt. Wenn es gilt, die Lage der zu schildern, kann Herr Gamp sprechen, hier aber nicht.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen; Ich muß auf das Entschiedenste diese Vorwürfe zurückweisen. Daß die Eindeichung der Stadt Posen noch nicht ausgeführt ist, ist auch nicht die Schuld der Regierung, sondern leviglich die der Stadt Posen selbst. Die Regierung hat in entgegenkommender Weise, nachdem das eiste

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Projekt sich als nicht ausführbar erwiesen hat, ein neues aufgestellt. Die Schiffahrt ist übrigens sehr gering. 4 1 1 Abg. Dr. Sattler (nl.): Ich bitte die Regierung auch, den Waͤnschen der Stadt Posen mözlichst entgegenzukommen. Die Stadt ofen hat schließlich selbst die Absicht gehabt, 2 Milionen für diese wecke zu verwenden. Der Zeitzaum von 9 Jahren ist dech lan genug, daß man zu einer Einigung hätte kommen können. J bestreite nicht die Angabe des Ministers, 8 an der Stadt Posen selbst liegt, aber ich möchte doch mit Rücksicht auf die Kräste der Stadt Posen ihn bitten, ihr sein möglichstes Wohlwollen zu zeigen. Die Provinz und die Stadt Posen sind von geringer Finanzkraft, und es ist von großer nationaler Bedeutung, den posenschen Städten in wirthschaftlicher Beziehung möglichst zu Hilfe jzu kommen. Denn nur wenn das wirthschaftliche Leben der Städte sich hebt, werden sich die Deutschen dort wohl fühlen. Deshalb ist die Hebung der wirthschaftlichen Lage des Landes und der Städte wichtig auch in nationaler Beziehung. Daß auch die Stadt Posen mit einem großen Ansturm der polnischen Nationalität zu kämpfen hat, dafür ein Beispiel: Es giebt an dem Gewerbegericht weder einen Vertreter der Arbeitgeber, noch einen der Arbeitnehmer, der noch deutscher Nationalität ist; das ganze Gewerbegericht der rovinzial⸗Hauptstadt besteht, abgesehen vom Vorsitzenden, rein aus olen. Wir müssen also für die Stärkung des deutschen Elements in Posen sorgen, und das geschieht am besten, wenn man das wirth⸗ schaftliche Gedeihen möglichst fördert, denn damit hebt sich auch das deutsche Element, weil dann verhindert wird, daß die Deutschen derart abwandern, wie sie es thun. Aus diesem allgemeinen Grunde bitte ich die Regierung, auch fernerhin die Interessen der Stadt Posen mit großem Wohlwollen zu verfolgen und sich durch die eigenthümliche Art des Herrn Jaeckel nicht abschrecken zu lassen, sondern nur noch mehr Wohlwollen zu entwickeln. Die Schiffahrt auf der Warthe ist allerdings gering, aber gerade bei den Verhältnissen der Stadt Posen muß man auch Maßnahmen wie die Wartheregulierung ergreifen, nicht um den bestehenden Verkehr zu heben, sondern um den Verkehr erst zu wecken und neue Induftrien heranzuziehen. Deshalb bitte ich den Minister, die Frage der Warthe⸗ regulierung wohlwollend im Auge zu behalten. Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Ich kann mich mit diesen Grundsätzen nur einverstanden erklären, und wer meine gestrigen Erklärungen im S nachliest, wird den Eindruck erhalten, daß ich mich durch die Eigenart des Herrn Jaeckel, die mir auch seit Jahren bekannt ist, nicht davon abhalten lassen werde, der Stadt Posen das möglichste Entgegenkommen zu beweisen. Als seitens der Stadt Posen ein neues Projekt aufgestellt wurde, habe ich von vornherein erklärt, daß ich keinerlei Bedenken dagegen habe und gern geneigt sein würde, dieses Projekt nach Möglichkeit zu fsr⸗ dern. Die Stadt Posen ist zu der Ueberzeugung gekommen, daß dieses neue Projekt den wirthschaftlichen Bedürfnissen der Stadt mehr entspreche wird als das umfangreichere, zuerst aufgestellte, und die Regierung will es fördern Die Regierung denkt nicht daran, die Warthe⸗ regulierung vollständig aufzugeben; sie wird derselben auch in Zukunft ihre Aufmerksamkeit schenken und die nöthigen Mittel bewilligen. Abg. vom Rath (nl): Die Kanalisierung des Mains ist doch etwas Anderes als die der übrigen Flüsse. Unter Leitung des da⸗ maligen Ober⸗Bürgermeisters Miquel batte sich die Stadt Frankfurt entschlossen, 8 ½ Millionen für die Kanalisiering auszuwerfen, aber unter der Voraussetzung, daß keine Kanalgebühren erhoben werden würden. Ich gehe auf die Tariffrage nicht ein, möchte aber die Er⸗ wartung aussprechen, daß bei den zukünftigen Verhandlungen der Main abgabenfrei bleibt. Geheimer Regierungs⸗Rath Peters: Eine Zusicherung, daß der

Main abgabenfrei bleiben solle, ist niemals gegeben worden. Die

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Mainkanalabgaben würden auch nicht die Häfen erschweren. 811“

(Schluß des Blattes.) 8

Konkurrenz der anderen

Im Reichstage haben die Abgg. Dr. Lieber (Zentr.) und

Genossen einen Gesetzentwurf über die eingetragenen

Berufsvereine eingebracht.

Die Abgg. Gamp (fr. kons.) und Genossen haben im Hauf der Abgeordneten folgenden Antrag gestellt:

Das Haus der Ahgeordneten wolle beschließen: die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, die zur Ausführung der reichsgesetzlichen Bestimmungen über die Sonntagsruhe erlassenen Verordnungen

nach der Richtung hin einer Revision zu unterziehen, 8 dabei die wirthschaftlichen Interessen der Bevölkerung, insbe

Gewerbetreibenden, mehr als bisher Berücksichtigung finden.

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung. Aus Lübeck wird der „Rhein.⸗Westf. Ztg.

Arbeitern wegen Loßnstreits in den Ausstand getreten sei.

Aus Graz meldet „W. T. B.“: In der Weizer'schen 28838. 8 en Der Betrieb ist ein⸗

fabrik sind heute 950 Arbeiter in den Ausstand getreten. Anlaß bildete die Seega zweier Arbeiter. gestellt. Zu Zwischenfällen ist es nicht gekommen.

Kunst und Wissenschaft.

In der Sitzung der physikalisch⸗mathematischen Klasse der Akademie der Wissenschaften vom 3. Februar (vorsitzender

Sekretar: Herr Auwers) berichtete Herr ran't Hoff über eine gemein⸗

schaftlich mit den Herren Kenrick und Dawson angestellte Unter⸗ suchung über die Spaltung von ammonischen Verbindungen, ins⸗ besondere Ammoniumbimalat“?. Die von Pasteur aus der etreffen⸗ den, stark übersättigten Lösung bei gewöhnlicher Temperatur erhaltenen, dem aktiven Bimalat ähnlich aussehenden, aber als inaktiv beschrie⸗ benen Formen sind thatsächlich aktives Bimalat. Nicht unwahrscheinlich wird dadurch, daß die neulich von Kipping und Pope unter dem Namen „pseudoracemisch“ beschriebenen Formen ebenfalls wenig ausgebildete aktive Krystalle sind. Herr Koenigsberger, korrespondierendes Mit⸗ glied, übersandte als Fortsetzung seiner in dem Sitzungsbericht vom 13. Januar abgedruckten Abhandlung eine Mittheilung üöüber die er⸗ weiterte Laplace⸗Poisson'sche Potentfalgleichung.“ Der Verfasser ent⸗ wickelt das Potential einer in konzentrischen Schichten homogenen Fohlsue⸗ für Potentiale, welche von der Entfernung und deren erster

bleitung abhängen, speziell für das Weber'sche Gesetz, und leitet aus dem Potential für einen innerhalb einer homogenen Vollkugel gelegenen Panet die erweiterte Poisson'sche Gleichung für eine beliebig gestaltete

asse ab, wenn der angezogene 53 sich innerhalb derselben befindet. Herr Kohlrausch legte eine Arbeit von Herin Dr. L. Holborn in Charlottenburg „über die Vertheilung des induzierten Magnetismus in Zylindern“ vor. Der Verfasser hat die Vertheilung des induzierten Magnetismus in Eisen⸗ und Stahlzvlindern von verschiedenem Di⸗ mensionsverhältniß auf die Weise untersucht, daß er die Induktion einmal in ciner sehr langen Spule, sodann in einer kurzen, auf der

ondere der

gemeldet, daß seit Mittwoch eine größ⸗re Anzahl von beim Kanalbau beschäftigten

Mitte des Stabes befindlichen Spule mit dem ballistischen Galvano⸗

meter kestimmte. Das Verbältniß dieser beiden Ausschläge bestimmt den Polabstand und ändert sich bei verschiedenen Feldstärken im um⸗ gekehrten Sinne wie der Magnetisierungs⸗Koeffizient. Herr Möbius überreichte ein von Herrn Dr. A. Voeltzkow (welcher für seine 3 auf Madagasktar von der „Humboldt⸗Stistung“ wurde) übersandtes Exemplar des von der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft herausgegebenen Werks „Wissenschaftliche Ergebnisse der Reisen in Madagaskar und Ost⸗Afrik⸗ in den Jahren 1889—1895“˙, Heft I, Frankfurt a. M. 1897.

In der an demselben Tage abgehaltenen Sitzung der philo⸗ sophisch⸗historischen Klasse Sekretar: Herr Diels) les Herr Köhler über die Eroberung Asiens durch Alexander den Großen und den korinthischen Bund. In der Abhandlung wird

untersucht, inwicweit der korinthische Bund an der Eroberung Asiens

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