1898 / 43 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 18 Feb 1898 18:00:01 GMT) scan diff

Man hat zunächst den Leitsatz aufgestellt, daß durch solche subventionierte Linien unser Frachtverkehr, ja überhaupt unser Verkehr nach Ost⸗Asien nicht gefördert, sondern geschädigt würde, und man hat diese Behauptung damit zu begründen gesucht, daß die sub⸗ ventionierten Linien die Entwickelung von nicht subventionierten hinderten und damit den Unternehmungsgeist lahm legten. In dieser Beziehung ist besonders hervorgehoben und das hat heute auch der Herr Vorredner gethan —, daß die Hamburg⸗Amerikanische Linie beabsichtigt habe, eine Konkurrenzlinie zu errichten, aber aus Gründen, die ich nachher erörtern werde, davon zurückgekommen sei. Nach meinen Informationen hat die Hamburg⸗Amerikanische Linie nie daran gedacht, einen Schnelldampferverkehr zu eröffnen als Konkurrenzlinie mit der subventionierten Lloydlinie, sondern sie hat nur im Hinblick auf den gesteigerten Frachtverkehr beabsichtigt, eine neue Frachtlinie zu errichten. Die Frachtlinie aber, welche die Hamburg⸗Amerikanische Gesellschaft errichtet hat, kann nicht entfernt konkurrieren mit den Schnelldampferlinien. Diese Linie wird etwa in der Schnelligkeit von elf Knoten fahren. Sie wird bis Hongkong 45 Tage brauchen, die Reichs⸗Postdampferlinie nur 41 ½ Tage, und wenn die neuen Schiffe eingestellt sind, sogar nur 39 x½. Nach Shanghai wird die Hamburg⸗Amerikanische Linie 52 Tage brauchen, die Reichs⸗Postdampfer nur 45 ½ Tage, mit den neuen Schiffen nur 43 ½ Tage. Endlich nach YPokohama braucht die Hamburg⸗Amerika⸗ nische Linie 62 Tage, während die Reichs⸗Postdampferlinie nur 47 ⅛, nd mit den neuen Schiffen 45 ½ Tage benöthigt.

Die Hamburg⸗Amerikanische Linie würde aber auch gar nicht in der Lage sein, ohne die schwersten finanziellen Opfer eine Konkurrenzlinie der subventionierten Linie einzurichten, welche gleiche Schnelligkeit besäße. Es ist gesagt worden, um den angeblichen Rückgang der Frachten zu motivieren und das mangelnde Bedürfniß für die Subventionierung der 14tägigen Linie, die Rickmers⸗Linie habe sogar drei ihrer Schiffe an die Lloydlinie verchartert, weil sie nicht mehr genug Frachten nach Ost⸗Asien gehabt habe. Nach meinen Informationen ist diese Behauptung unrichtig. Die Rickmers⸗Linie hat allerdings an den Lloyd für die Fahrt nach Baltimore drei Schiffe verchartert, hat aber statt dessen nach Ost⸗Asien englische Schiffe gechartert und den Verkehr nach Ost⸗Asien so lange fortgesetzt, bis sie sich mit der Hamburg⸗ Amerikanischen Linie geeinigt hatte, die an ihre Stelle getreten ist. Es ist auch darauf hingewiesen worden, daß der ausländische Fracht⸗ verkehr seit Einrichtung der subventionierten Linien in größeren Proportionen gestiegen sei wie der einheimische Frachtverkehr. Das ist zunächst zahlenmäßig richtig. Die Bedeutung der Linien aber für unseren deutschen Handel wird dadurch meines Erachtens nicht herabgesetzt, denn auch unser deutscher Ausfuhrverkehr ist in sehr erheblichen Proportionen gestiegen. Ferner kommt aber dazu, daß sich absolut genau nicht nachweisen läßt, was in Antwerpen deutsche Waare und ausländische Waare ist, die dort verladen wird. Jeder Kaufmann weiß, daß diese Deklarationen sehr ungenau sind, und daß sich absolut richtig die Provenienz der in Antwerpen verladenen Waaren gar nicht feststellen läßt. Es ist auch ferner richtig und er⸗ giebt sich aus den Motiven, daß der Werth der auf den subventio⸗ nierten Dampfern auf der Aus⸗ und Heimreise für ausländische Rechnung verladenen Waaren ein höherer ist, wie der einheimischen Waaren. Aber diese Differenz des Werthes zu Ungunsten der deutschen Waaren liegt lediglich in der Seideneinfuhr aus Ost⸗Asien nach dem Hafen von Genua, und es ist keineswegs ausgeschlossen, wenn sich unsere Verkehrsbeziehungen nach Ostasien befestigen, daß auch wir so kostbare Waaren direkt einführen, welche diese Differenz des Werthes gegenüber den ausländischen Waaren beseitigen. Als besten Grund für unsere subventionierten Dampferlinien kann man an⸗ führen, daß die großen Kulturstaaten zum theil viel höhere Opfer bringen (sehr richtig!) für ihre Dampferlinien wie wir, und es hat mich deshalb interessiert, in diesen Tagen eine Vorlage der französischen Regierung zu lesen, betreffend die Subventionierung der Linie von Havre nach New⸗York, also einer so ausgefahrenen Straße. Trotzdem zahlt die französische Regierung hierfür erhebliche Sub⸗ ventionen in Form eines festen Betrages und einer Schnelligkeits⸗ prämie. Es wird jetzt dieser Subventionsvertrag auf längere Zeit verlängert, bezüglich sucht man die Genehmigung der Kammer für diese Verlängerung nach, und aus den Motiven ergiebt sich, welch' hohen Werth die französische Regierung auf diese subventionierte Verbindung legt.

Es ist auch versucht worden, nach dem Grundsatze divide et impera hinzuweisen auf die eventuellen Schädigungen, die der

Landwirthschaft entstehen könnten aus den subventionierten Linien. Meine Herren, ich glaube, dieser Einwand ist durch die Motive unbedingt beseitigt. Die Weizeneinfuhr aus Australien und Indien war ja in den letzten Jahren geradezu minimal; außerdem hat sich aber der Norddeutsche Lloyd bereit erklärt, mit Ausnahme von Wolle Produkte auszuschließen, welche eine Konkurrenz für die deutsche Landwirthschaft bilden könnten. Die Wolle können Sie nicht ausschließen. Ich gestehe ganz offen zu: bei dem ein⸗ gehenden Studium, welches ich angestellt habe über die Frage eines Wollzolles für Deutschland, habe ich die Empfindung gehabt, daß es vielleicht wirthschaftlich richtig gewesen wäre, seiner Zeit den Wollzoll nicht abzuschaffen. (Hört! hört!) Wir haben in Deutschland so große Flächen leichten Bodens, die zum theil nur mit der Schafzucht wirthschaftlich ausgenutzt werden können, daß hierfür schwer ein Ersatz zu finden ist. Aber nachdem man den Wollzoll hat fallen lassen und sich in Deutschland eine so enorme Wolltextilindustrie auf Grund der zollfrei eingeführten Wolle gebildet hat, glaube ich, daß es ein handelspolitisch unmögliches Unternehmen wäre, jetzt die fremde Wolle aus Deutschland auszuschließen. Würde sie also nicht auf den subventionierten Dampfern kommen, so würde sie auf anderen Dampfern eingeführt werden. Ausgeschlossen kann sie nicht werden, und ihre Einfuhr wird deshalb durch die subventionierten Dampfer an sich noch nicht begünstigt. Meine Herren, wir müssen durch Dampfer, die mit dieser Schnelligkeit, wie die neuen Schiffe des Lloyd, fahren, unsern Absatz⸗ 8 markt in Ost⸗Asien mit Deutschland verbinden und diese Dampfer auch subventionieren, weil es eben ganz unmöglich ist, daß ohne Subvention solche Linien überhaupt existieren können. Wie schwer es ist, selbst mit Subventionen die Verbindung aufrecht zu erhalten, das hat sich ja aus den Abschlüssen der ersten Jahre ergeben, in welchen diese subventionierten Dampferverbindungen bestanden haben;

denn thatsächlich haben die Linien zuerst mit einem erheblichen Defizit gearbeitet.

Es ist schwer, zahlenmäßig nachzuweisen, in welcher Höhe eine Subvention überhaupt erforderlich ist; denn die Ausgaben stehen rechnungsmäßig fest, die Einnahmen sind aber außerordentlich schwankend. Ich erinnere nur daran, daß beispielsweise, wenn vor⸗ übergehend ein erhebliches Angebot an Schiffsräumen vor⸗ handen ist, unter Umständen in kurzer Zeit die Frachten auf die Hälfte sinken können. Ich erinnere auch daran, welchen Einfluß eine momentane wirthschaftliche Depression auf die Passagepreise übt. Beispielsweise wurden im Jahre 1896 auf der Hamburg⸗Amerika⸗Linie 120 000 Passagiere befördert, während in⸗ folge der Depression in Amerika im nächsten Jahre diese Zahl der Passagiere auf 106 000 zurückgig. Es kommt auch hinzu, daß Lieb⸗ habereien bei der Wahl der Linie unter Umständen eine Rolle spielen, und damit für die subventionierte Linie ein höheres Risiko verbunden ist, daß vielleicht neue Schiffe von einer anderen Linie eingestellt werden, die einen größeren Komfort bieten.

Nun bitte ich noch Eins zu berücksichtigen: Je größer und andeutungsweise hat das vorgestern der Herr Abg. Frese schon gesagt die Distanz ist, die zurückgelegt werden muß, desto billiger ist verhältnißmäßig der Passagepreis, während anderer⸗ seits, wie Ihnen auch Herr Frese schon vorgetragen hat, die Kosten mit der Länge der Distanz und der Schrnelligkeit steigen; die letzte Meile, die der Dampfer zurücklegt, ist die theuerste. Ich habe eine recht interessante Berechnung vor mir liegen, welche sich auf die Passagepreise bezieht. So ist zum Beispiel der Fahrpreis erster Kajüte in mittlerer Preislage im nordatlantischen Verkehr während der Reisezeit bei ca. 3558 Seemeilen 5. bis 600 ℳ, während für die 3 ½ mal so lange Strecke nach Shanghai der Fahr⸗ preis erster Klasse heute nur ca. 1500 und für die noch längere Strecke nach Sydney sogar nur 1200 beträgt. Der Preis eines Fahrbillets im Zwischendeck von Bremen⸗Hamburg nach New⸗York beträgt etwa 140 bis 150 ℳ, während der Fahrpreis dritter Klasse nach Shanghai nur 440 beträgt und ein solcher nach Sydney sogar nur 280

Wollte man die Fahrpreise entsprechend der Länge der Strecke auf der ostasiatischen Linie, wie beispielsweise auf der Hamburg⸗ Amerikanischen Linie, normieren, so würde man den Personenverkehr vollständig unterbinden, und das ist auch einer der Gründe, warum, wenn wir unseren Verkehr mit Ost⸗Asien aufrecht erhalten und namentlich auch unseren Passagierverkehr, der doch schließlich als Pionier fungiert für die Anknüpfung neuer Handelsbeziehungen, wir die subventionierten Linien garnicht entbehren können. Unsere subventionierten Linien tragen immer noch, selbst bei Ver⸗ längerung der Vertragszeit auf 15 Jahre, ein erhebliches Risiko. Aus den Motiven des Gesetzentwurfes haben Sie sich ja überzeugt, daß Deutschland der Staat ist, der fast die verhältnißmäßig geringsten Prämien zahlt; außerdem fällt in anderen Staaten der Ueberschuß, der erzielt wird, ganz den Gesellschaften anheim, während bei uns die Gesellschaften, wenn ihre Einnahmen über 5 % erreichen, mit dem Reiche theilen müssen. Insbesondere Frankreich zahlt auch für seine Messageries maritimes eine erheblich größere Subvention, während die englische Subvention zwar nur unverhältnißmäßig höher ist als die unsrige; aber die englische Linie hat den großen Vortheil, daß sie mit einem ganz festen Passagierpublikum in den zahlreichen euglischen Offizieren und Beamten rechnet, die nach Indien und Ost. Asien gehen, während bei uns der amtliche Verkehr doch noch ein verhältnißmäßig außerordentlich geringer ist.

Außerdem hat vorgestern Herr Frese schon mit Recht darauf auf⸗ merksam gemacht, daß bei dem Schnelldampferverkehr Maschinen und Kessel so außerordentlich stark angegriffen werden, daß die Abschrei⸗ bungen, welche wir dem Norddeutschen Lloyd zugelassen haben, soweit es sich um die Maschinen und Kessel handelt, immerhin verhältniß⸗ mäßig mäßige sind. Gott verhüte endlich, daß sich einmal auf dieser Linie ein großes Schiffsunglück ereignet; aber man darf doch auch nicht vergessen, daß ein einziges Schiffsunglück sofort den Reinertrag eines ganzen Jahres fortnimmt.

Meine Herren, man hat zur Bekämpfung der Vorlage auf die Konkurrenz der Sibirischen Bahn verwiesen. Ich gestehe ohne weiteres zu, daß es ganz unendlich schwierig ist, sich ein Urtheil darüber zu bilden, wie eine Bahnlinie auf den Verkehr Rußlands, auf den Verkehr Europas, ja der ganzen Welt einwirken wird, die eine Länge hat, wie sie bisher noch in keinem Staat der Welt her⸗ gestellt werden konnte. Denn die großen Pacific⸗Linien sind etwa nur halb so lang wie die Sibirische Bahn, die von St. Petersburg, wenn ich noch den russischen Theil dazunehme, bis Mladi⸗ wostok eine Länge von 10 300 km zählt. Und um einiger⸗ maßen einen plastischen Begriff zu geben, was das heißt, so gestatte ich mir nur darauf hinzuweisen, daß die Entfernung von Lissabon über Madrid, Paris, Berlin nach Petersburg nur 4830 km beträgt. Wie also eine solche gewaltige Linie auf den Weltverkehr einwirken wird, ist schwer vorherzusagen. Man rechnet, daß, wenn längs der Sibirischen Bahn bis nach Wladiwostok auch nur 100 km Land auf jeder Seite erschlossen werden, der Kultur ein Gebiet er⸗ öffnet würde, was zusammen größer ist wie Oesterreich⸗Ungarn, Deutschland, Belgien, Holland und Dänemark. Von manchen Gegenden längs der Sibirischen Bahn wird indeß behauptet, daß man viel größere Strecken noch erschließen könne.

Ich meine aber: wenn in der That eine neue Kulturfontanelle eröffnet wird von solcher Bedeutung für den Weltverkehr, dann haben wir erst recht Grund, uns rechtzeitig, auch mit Opfern, den Markt einer so großen Bevölkerung wie China mit 400 Millionen und Japan mit 35 Millionen möglichst zu sichern und möglichst enge Verbindungen mit Ost⸗Asien anzuknüpfen. Ich muß indeß auch be⸗ tonen, daß die Auffassung, wie die Sibirische Bahn wirken wird, wie sie insbesondere gegenüber der Konkurrenz des Wassertransports wirken wird, eine sehr getheilte ist. Zunächst ist ja in der Oeffent⸗ lichkeit bezweifelt worden ich habe darüber kein amtliches Material —, daß es überhaupt möglich ist, bis zum Jahre 1902, wie das ursprünglich vorgesehen war, die Sibirische Bahn fertigzustellen. Aber dann möchte ich auch daran erinnern, daß solch hervorragender Kenner, wie der frühere deutsche Gesandte in Peking, Herr von Brandt, der Frage der Einwirkung der Sibirischen Bahn auf unseren Welt⸗ verkehr ziemlich kühl gegenübersteht. Es kommt aber noch hinzu, meine Herren, daß die Kosten des Transports auf der Sibirischen Bahn, wenn nicht die russische Regierung mit erheblicher Unterbilanz arbeiten will auf diesem Wege kann man ja alles machen —, und wenn man un⸗ gefähr die Kosten unseres Bahntransports zu Grunde legt, so viel größer

sind, wie die Kosten des Seetransports, daß dadurch der Seetransport in

seiner bisherigen Stellung immer noch gesichert bleibt. Die Trans.

portkosten für 1000 kg auf der Lloydlinie von Bremen nach O Asien betragen etwa 30 ℳ, während nach englischen Quellen di Transportkosten für 1000 kg auf der Sibirischen Bahn etwa 60 betragen. Das ist noch eine so ungeheure Frachtdifferenz, daß darin schon ein erheblicher Schutz für das Weitergedeihen unserer Schiff⸗ fahrt nach Ost⸗Asien liegt. Es ist auch noch von dem Herrn Vor⸗ redner in seiner Rede in Anknüpfung an einen Artikel der bekannten Zeitschrift „Export“ auf die australische Linie hingewiesen und dabei namentlich angeregt worden, ob es nicht richtig wäre, jetzt schon den Vertrag für diese australische Linie zu kündigen. Auch diese Frage muß ich hier schon entschieden verneinen. Wie bekannt, hat der Bremer Lloyd im Anfang mit erheblichen Verlusten auf den subventionierten Linien gearbeitet. Die finanziellen Resultate sind auch jetzt noch bescheiden, und er hat seine vertragsmäßigen Verpflich⸗ tungen nur für die Gesammtlinien nach Ost⸗Asien und Australien übernehmen können. Diese beiden Linien bilden für seine Verwaltung jedenfalls ein Ganzes.

Der Herr Vorredner hat auch darauf hingewiesen, wie schädlich die subventionierte Linie nach Australien für die Konkurrenz wäre; denn die Einnahmen der Deutsch⸗Australischen Linie bewiesen ja, daß infolge der Konkurrenz der subventionierten Dampferlinien nach Australien die Frachten jener Deutsch⸗Australischen Linie zurückgegangen seien. Ich glaube, der Herr Vorredner hat die Statistik muß man ja bis in die kleinsten Fasern ver⸗ folgen, sonst führt sie leicht zu sehr falschen Resultaten außer Acht gelassen, daß wenigstens nach meinen Informationen, und ich halte diese Informationen für richtig die Fracht der Deutsch⸗Australischen Linie deshalb zurückgegangen ist, weil sie es vorzog, seit 1893 nicht mehr durch den Suez⸗Kanal zu gehen, sondern um das Kap der guten Hoffnung, also den viel weiteren Weg nach Australien zu wählen. Und warum? Weil sie sich die Dynamit⸗ frachten für die südafrikanischen Bergwerke gesichert hatte, und diese Dynamitfrachten bilden eine außerordentlich lohnende Fracht, weil ja immerhin ein hohes Risiko damit verbunden ist. Infolge dessen, weil die deutsch⸗australische Linie um das Kap herumging, verlor sie natürlich Kunden für ihren Verkehr mit Australien, denen der weite Weg um das Kap für ihre Waaren zu lang war, weil der Transport zu lange dauerte. Also jener Umstand, daß die australische Linie vorüber⸗ gehend weniger Frachten gehabt hat, erklärt sich auf die natürlichste Weise von der Welt. Demnächst hat aber die australische Linie wieder größere Dampfer eingestellt, sie hat sich neue Frachten erworben, und infolge dessen sind auch ihre Frachten im Ganzen jetzt wieder gestiegen. Ich bin in der Lage, dem verehrten Herrn Vorredner die Zahlen geben zu können. Die Deutsch⸗Australische Dampfergesellschaft hatte im Ganzen im Jahre 1893 einen Frachtverkehr von rund 51 000 kbm, dann sank derselbe im Jahre 1894 im Jahre 1893 hatte sie die Fahrt um das Kap begonnen infolge dessen, wie Sachverständige behaupten, auf 49 000 kbm, demnächst 1895 auf 38 000 kbm, ging aber 1896 wieder auf 45 000 kbm hinauf und betrug im Jahre 1897 über 56 000 kbm. 8

Meine Herren, im übrigen sind unsere Konsulate im Auslande, die meines Erachtens das kompetenteste Urtheil darüber haben, wie unsere Dampferlinien gewirkt haben, einstimmig darin, daß diese sub⸗ ventionierten Dampferlinien wie ein erfrischender Regen gewirkt haben auf unseren Handel in Australien, und daß wir dieselben garnicht entbehren können. Wenn der verehrte Herr Präsident gestattet, will ich ganz kurz nur ein paar Aeußerungen von unseren konsularischen Vertretern im Auslande mittheilen. So heißt es in dem einen Be⸗ richt aus Adelaide:

„Aus Deutschland finden Manufakturwaaren und Fabrikerzeug⸗ nisse aller Art hier Absatz. Die unmittelbare Verbindung mit Deutschland durch die beiden regelmäßig fahrenden Dampfschiffs⸗ linien des Norddeutschen Lloyd und der Deutsch⸗Australischen Dampfschiffsgesellschaft bietet gute Gelegenheit zur ferneren Ent⸗ wickelung des Handels dar.“

Aus Queensland wird gesagt: 8*

„Der Werth der Einfuhr aus Deutschland betrug 43 019 gegen 23 800 Pfd. Sterl. im Vorjahre. Diese Zahlen geben indessen nicht das ganze Geschäft Deutschlands mit Queensland an, indem viele deutsche Waaren über London und die süd⸗ lichen Kolonien gehen.“

Daraus geht hervor, welchen Werth die direkte Dampfschiffver⸗ bindung für unsern Handel mit Australien hat. Aus Adelaide wird weiter berichtet:

„Bei sämmtlichen Einfuhrartikeln Deutschlands dürfte bei guter Vertretung auf eine fernere Hebung des Absatzes im Lande zu rechnen sein, da die ausgezeichnete und regelmäßige Dampfschiffsverbindung zwischen Deutschland und Australien den Handel sehr erleichtert.“

So, meine Herren, liegen hier also zahlreiche Zeugnisse vor, die die Wirkung unserer subventionierten Dampferlinien bezeugen.

Thatsächlich hat sich doch auch seit Einrichtung der subventio⸗ nierten Dampferlinien unsere Ausfuhr nach Australien ganz enorm gehoben. Der allgemeine Handelsverkehr aus Deutschland nach Australien betrug im Jahre 1889 21 Millionen Mark, im Jahre 1896 über 29 Millionen Mark, der Reichs⸗Postdampferverkehr ist in derselben Zeit um 82 ½ % gestiegen. Im Jahre 1894 hatten wir erst eine Ausfuhr nach Australien im Werthe von rund 897 000 Pfd. Sterl. gegenüber einer Gesammtweltausfuhr nach

gestiegen.

Der Nachweis ist aber auch nicht schwer zu erbringen, da eine Schnelldampferverbindung mit Australien ohne eine Subventio finanziell vollkommen ausgeschlossen scheint. der Linie war in den letzten drei Jahren bei 1,9 Millionen Antheil

deshalb für ausgeschlossen, meine Herren, daß man, nachdem eine Ge- sellschaft einen so erheblichen Schaden erlitten hat, ihr in dem Augen

blick, wo sich ihr Verkehr hebt, den Vertrag kündigt. Der Gewinn betrug im Jahre 1894 nur 6,4 % vom Buchwerth oder 0,23 % vom Anschaffungswerth der Schiffe, im Jahre 1895 0,4 % vom Buch⸗ werth und 0,33 % vom Anschaffungswerth, und im Jahre 1896 stieg er glücklicherweise auf 3,1 % vom Buchwerth und 2,5 % vom An-⸗ schaffungswerth der Schiffe.

Hätten wir die Subvention der australischen Linien nicht ge⸗

*8

Der finanzielle Erfolg

währt, so hätte diese Linie im Jahre 1894 einen Verlust von fast

Millionen, im Jahre 1895 gleichfalls einen Verlust von fast Millionen und im Jahre 1896 einen Verlust von über 1 ½ Millionen Mark gehabt. Ich glaube, aus diesen Zahlen ergiebt sich schon, daß eine andere Linie als eine subventionierte dem Ver⸗ kehrsbedürfnisse unseres Handels mit Australien garnicht genügen

kann. Ich möchte mir schließlich erlauben, mit kurzen Worten auf

das Verhältniß zwischen dem Bremer Lloyd und der Hamburg⸗

Amerikanischen Dampfer⸗Gesellschaft einzugehen. Wenn man gerecht sein will, kann man es verstehen, daß die Stadt Hamburg an diesem Unternehmen in den nächsten 15 Jahren auch betheiligt sein . Unsere industriellen Kreise haben zur Entwickelung des ostasiatischen Markts ein ganz außerordentliches Vertrauen, und es sind nach meinen Privatinformationen für verschiedene Unter⸗

nehmungen schon von den verschiedensten Seiten, vielleicht vor⸗

zeitig, große Kapitalien zur Verfügung gestellt worden. Daß also unser größter deutscher Handelsplatz Hamburg unter diesen Verhältnissen nicht 15 Jahre von der Theilnahme an einer sub⸗

vpoentionierten Linie ausgeschlossen sein wollte, glaube ich, ist vom kauf⸗

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männischen Standpunkt durchaus verständlich. Gegenüber dem Ver⸗ hältniß zum Reich ändert sich hierdurch aber gar nichts. Die Führung der Geschäfte bleibt in der Hand des Norddeutschen Lloyd. Die Hamburg⸗ Amerikanische Gesellschaft stellt allerdings 4 Schiffe ein, und zwar 2 Schiffe im Jahre 1900 und 2 Schiffe im Jahre 1903. Die Ab⸗ wechselung zwischen den Abfahrtspunkten Hamburg und Bremen soll nach den bisherigen Vereinbarungen stattfinden, sobald die Hamburg⸗ Amerikanische Linie ihre ersten Schiffe eingestellt hat. Die Hamburg⸗ Amerikanische Gesellschaft wird ferner ihre Schiffe selbst assekurieren und die Gewinnvertheilung soll in der Weise erfolgen, daß der Bremer Lloyd in Anbetracht feiner bisherigen Verluste an dem Unter⸗ nehmen, der Kosten der allgemeinen Geschäftsleitung, dann der Ver⸗ pflichtung, Ersatzdampfer zu stellen, zunächst ein Präzipuum von 300 000 erhält, daß dann jede Gesellschaft die vorgeschriebenen Ab⸗ schreibungen zu machen hat und der dann noch überschießende Gewinn zwischen den beiden Gesellschaften nach dem Buchwerth ihrer Schiffe getheilt wird. Außerdem haben die beiden Gesellschaften vor, noch zwei Zweiglinien in Ost⸗Asien zu errichten.

Wir werden uns ja über alle die Details, die von den Herren Vorrednern zu dieser Frage geäußert sind, noch in der Kommission eingehend zu unterhalten haben. Ich möchte mit dem Gedanken schließen: Dafür, wie ein solches nationales Unternehmen auf unsern Handel einwirkt, läßt sich ein mathematischer Beweis nicht er⸗ bringen, ebensowenig wie sich meines Erachtens ein mathematischer Beweis dafür erbringen läßt, welchen Antheil etwa die Er⸗ richtung einer neuen Kunstanstalt an der Entwickelung der Volksbildung hat. Aber, meine Herren, ich glaube, durch die weitesten Kreise des deutschen Volkes geht das Gefühl, daß wir in Ost⸗Asien einer großen merkantilen Entwickelung gegen⸗ überstehen (sehr wahr! rechts), daß dort für Geschick und Kapital sich noch ein weiter Markt gewinnen läßt gegenüber der Schwierigkeit der Ausfuhr in alle die Länder, die rapide in ihrer Kultur steigen und selbstverständlich das Bestreben haben, gleichzeitig unsere Fabrikate immer mehr von ihrem eigenen Markte auszuschließen. In solchem Augenblicke, glaube ich, muß eine große Nation auch et was riskieren (sehr richtig! rechts) und muß ein solches Unter⸗ nehmen auch finanziell unterstützen, um zu verhindern, daß unser Handel von dem großen Marktplatz nicht ausgeschlossen wird, den zu erobern alle anderen zivilisierten Nationen selbst mit erheblichen Opfern sich zur Zeit anschicken. (Bravol rechts.)

Abg. Müller⸗Fulda (Zentr.): Es war der größte Fehler, daß man Hamburg nicht von vornherein ein eeschlossen hatte, denn Ham⸗ burg ist nun einmal der größte Exporthafen. „Die 1885 beschlossene Vorlage war erheblich günstiger für viele Theile Deutschlands als die Vorlage von 1893. Wenn sett ein neuer Vertrag geschlossen wird, dann sollte er nicht nur auf die Interessen des Lloyd zugeschnitten werden, sondern es sollten auch die Interessen des übrigen Deutsch⸗ land, namentlich des südlichen und westlichen Deutschland in Bezug auf den Anlauf von Häfen berücksichtigt werden. Der Verlust des Lloyd ist von Jahr zu Jahr geringer geworden, er würde wahr⸗ scheinlich noch viel geringer gewesen sein, wenn die Interessen des ge⸗ sammten Deutschlands besser berücksichtigt worden wären durch Aufrechterhaltung der Mittelmeerlinie. Wenn den berechtigten Wünschen des füddeutschen und westdeutschen Handels nicht Rechnung getragen wird, dann werde ich gegen die Vorlage stimmen müssen. Werden diese Wünsche aber erfüllt, so werden meine Freunde für die Vor⸗ lage eintreten.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (d. kons.): „Wenn die Stimmen, auf die sich der Vorredner berufen hat, wirklich die Stimmen der Industrie repräsentieren, dann müßten wir zur Ablehnung der Vorlage kommen. Aber man kann nicht beurtheilen, welche Be⸗ deutung die betreffenden Industriellen haben. Wenn wir nicht er⸗ kännten, daß durch die Vorlage Vortheile für und Industrie entstehen, dann wäre es verkehrt, Geld dafür auszugeben. Die Wünsche der Süddeutschen und Westdeutschen zu erfüllen, wäre ja erfreulich, aber es wird sich doch fragen, ob der Lloyd Leistungen nach dieser Richtung übernehmen kann, ohne zu roge Verluste 5 erleiden. Von der Bewilligung der Subvention wird die Landwirth⸗ schaft weder Vortheil noch Schaden haben. Denn wenn wir durch eine ungünstige Zollpolitik die Thore dsFag; haben, so ist es gleich⸗ gültig, ob die Waaren durch den Norddeutschen Lloyd oder vnrc andere Dampfer importiert werden. Ich bin auch der vees vn; da es vielleicht besser gewesen wäre, den Wollzoll nicht zu beseitigen; nachdem es aber 12 Hn4 ist, ist es ziemlich gleichgültig, auf welchem Wege die Wolle importiert wird. Im vorigen Jahre hatten meine

reunde das Bedenken, ob die Vorlage ihren Zweck erfüllen würde.

ie Pünktlichkeit und Schnelligkeit der Beförderung und die Be⸗ förderung unter eigener Flagge ist der Kernpunkt der Sache. Wenn England und Frankreich mit ihrer ee Sn. Industrie ihre Linien durch Subvention unterstützen, dann können wir auch unseren Dampferlinien eine Unterstützung nicht versagen. Die Ueberschüsse des Lloyd sind sehr bescheiden. Wenn nicht in unseren Kreisen eine Mißvergnügtheit entstanden wäre dadurch, daß man die be⸗ rechtigten Klagen der Landwirthschaft als Uebertreibung und Be⸗ gehrlichkeit hingestellt hat, so würde die Vorlage im vorigen Jahre wohl mehr Anerkennung gefunden haben. Die Regierung wird jetzt verstehen, * unser Klagen nicht unberechtigt war, und weil wir die Gemeinsamkeit der Interessen zwischen Landwirthschaft und Industrie anerkennen, wollen wir die Vernünftigen sein und nachgeben. Ich kann meine politischen Freunde auch nur auffordern, sich zu sammeln und darauf zu halten, daß bei den neuen Handelsverträgen die Interessen der Landwirthschaft gewahrt werden. Dazu kommt der Aufschwung, den unsere auswärtige Politik in den 8-. Wochen genommen hat. Diese Fußffaffung m Auslande, diese Gleichstellung mit andern Mächten ist eine wesentliche Thatsache; es ist zum ersten Male wieder etwas im Sinne der alten auswärtigen Politik geschehen. Wenn wir draußen eine Station und ein besetztes Gebiet haben, so müsen wir unsere Verbindungen anders gestalten. In dem Gebiete, welches wir erworben haben, haben wir Kohlen. Aus den Zeitungen sehe ich, daß große Konsortien sich zur Ausbeutung dieser Kohlen⸗

lager gebildet haben. Wäre es nicht richtig, von Reichswegen die Kohlengruben selbst auszubeuten? Da verschiedene Einzelstaaten selbst Kohlengruben besitzen, würde es leicht genu sein, die nöthigen Beamten dafür zu finden. Sollen die Einnahmen aus der neuen Besitzung den Großkapitalisten überlassen werden? Ich nehme an, daß die Mehrzahl meiner Freunde mit mir der Vorlage zustimmen wird.

Abg. Jebsen (nl.): Sehr erfreut hat es mich, daß wir jetzt keine Klage mehr von Hamburg zu hören bekommen. Man hätte Hamburg von vornherein betheiligen sollen. Wir würden uns ein schlechtes Zeugniß vor den anderen europäischen Staaten und vor unseren Landsleuten draußen ausstellen, wenn wir die Subvention jeßt einziehen wollten. Ich bin kein für die Vorlage damals gewesen; aber etwas Anderes ist es, sie e nzuführen, etwas Anderes, sie abzulehnen. Es fahren allerdings auch andere Schiffe nach Ost⸗ Asien; aber man macht ihnen keine Vorschriften. In dem Entwurf wird dagegen auch eine größere Geschwindigkeit für die Schiffe ver⸗ langt, das ist sehr verständig. Der Lloyd würde darum S thun, wenn er sich neue Maschinen anschaffte, denn in 5 bis Jahren werden wir noch viel schneller fahren müssen.

Abg. Molken buhr (Sez.) erklärt, daß er gegen die Subvention an sich nicht sein würde, auch wenn Hamburg davon nichts bekäme. Einmal könnten die Arbeiter von dem Aufschwung der Industrie Vortheil haben und dann wäre die Subvpentionierung schließlich ein Anfang der Verstaatlichung; aber der Staat würde von den über⸗ mäßigen Ueberschüssen nichts nehmen und deshalb sei er gegen die Subventionierung. Gerade der Verkehr werde Ostasien infolge der Konkurrenz dazu bringen, chinesische Arbeiter zum Schaden der deutschen auf den Schiffen zu beschäftigen. In den Hambur ischen Handelskreisen bestehe kein Interesse für die gegenwärtige Vorlage.

Hanseatischer Bevollmächtigter zum Bundesrath Dr. Klüg⸗ mann: Im vorigen Jahre hat allerdings die Hamburger Handels⸗ kammer manches gegen die Vorlage eingewendet, aber jetzt ist Ham⸗ burg an diesem Verkehr direkt betheiligt; es hat ein Interesse daran, daß von Bremen und Hamburg aus gleichmäßig der Verkehr geleitet wird.

Abg. Dr. Hahn (b. k. F.) erklärt, der Bund der Landwirthe sei nicht gegen Verkehrserleichterungen an sich, sondern nur gegen solche, welche zur Zeit des ungenügenden Schutzes der Landwiethschaft die letztere schädigten. Die Sozialdemokraten sollten sich freuen, daß das Reich durch eine solche Subvention Gelegenheit bekomme, in die Verhältnisse der Arbeiter einzugreifen. Redner führt dann wieder Beschwerde über die Behandlung der Schiffsoffiziere seitens des Norddeutschen Lloyd und bezeichnet die Behauptungen des Herrn Frese als unrichtig. (Präsident Freiherr von Buol fordert den Redner auf, bei der Sache zu bleiben.) Gegen den Handel im Ganzen habe der Bund der Landwirthe niemals gekämpft, fondern nur gegen den Handel, welcher Produkte in das Land schaffe, die es selber pro⸗ duzieren könne. Die Landwirthe verlangten nichts Anderes, als daß durch den neuen Zolltarif die Landwirthschaft genügend geschützt werde, damit sie nicht der Schaffung neuer Verkehrserleichterungen sich wider⸗ setzen müsse. 1

Nachdem noch die Abgg. Dr. Lieber (Zentr.) und Se (fr. Bgg.) sich gegen die Angriffe auf den Norddeutschen

loyd in persönlicher Bemerkung verwahrt haben, wird die weitere Berathung abgebrochen. -

Schluß 5 ½ Uhr. Nächste Sitzung Freitag 2 Uhr. (Militär⸗Etat.)

8— Preußischer Landtag. Herrenhaus. 8 5. g vom 17. Februar 1898.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die Verlesung einer nterpellation des Herrn von Woyrsch, betreffend die efahren bei dem Schienenübergang auf dem Bahnhof in

Brieg. Per Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen erklärt sich zur sofortigen Beantwortung bereit.

Herr von Woyrsch führt aus, daß der Unfall stattgefunden habe, weil die Barriste nicht geschlossen und die Beleuchtung mangel⸗ haft gewesen sei. Nach dem allgemeinen Urtheil treffe die Schuld die Verwaltung.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Ich habe zunächst mein tiefes Bedauern über den schweren Unfall auszusprechen, welcher die Gräfin Pfeil, ihre Tochter und ihren Kutscher betroffen hat. Herr von Woyrsch hat richtig die Ursache dieses Unfalles dargestellt. Was die Schuldfrage anbetrifft, so steht allerdings noch nicht fest, ob der Schrankenwächter oder ein anderer Beamter der Schuldige ist. Das kann erst fest⸗ gestellt werden durch die gerichtliche Untersuchung, die eingeleitet worden und im Gange ist.

Meine Herren, was nun die Frage des Herrn Interpellanten anbetrifft, ob nicht schon früher auf die Gefährlichkeit dieses Ueber⸗ ganges seitens der polizeilichen Behörde aufmerksam gemacht worden sei, so kann ich diese nur dahin beantworten, daß meinerseits seit einer geraumen Zeit von Jahren zwischen der Polizeibehörde der Stadt Brieg und der Staats⸗Eisenbahnver⸗ waltung über die Beseitigung der Mißstände des Brieger Bahnhofes verhandelt worden ist, aber die Staats⸗Eisenbahnverwaltung muß die Verantwortung dafür, daß diese Verhandlungen noch nicht zum Ziele geführt haben, daß der Zustand des Bahnhofes der Stadt Brieg be⸗ züglich seiner Niveau⸗Uebergänge noch heute derselbe ist wie bei der ersten Anlage, von sich ablehnen. Denn sie glaubt ihrerseits alles gethan zu haben, um diesen Zustand zu beseitigen.

Meine Herren, schon der frühere Regierungs⸗Präsident von Breslau war ebenso wie der jetzige Regierungs⸗Präsident wiederholent⸗ lich mit der Eisenbahnverwaltung und der Stadt Brieg in Verhand⸗ lungen darüber getreten, wie dem Uebelstande abzuhelfen sei. Im Jahre 1894 hat die Stadt Brieg den achten Entwurf, den die Staats⸗ Eisenbahnverwaltung zur Umwandlung des Bahnhofs aufgestellt hatte, fast einstimmig abgelehnt. Dieser Entwurf ging dahin, alle drei Uebergänge, die über den Bahnhof hinübergehen oder wenigstens über die auslaufenden Geleise desselben, zu beseitigen, nämlich die Pampitzerstraße, die Schlüssendorferstraße und die Dreiankerstraße. Dieser Entwurf stellte eine gänzliche Umwandlung des Bahnhofes der Stadt Brieg nach dieser Richtung hin vor und schloß mit einem Kostenbetrage von über einer Million Mark ab. Dieser Entwurf ist, wie gesagt, seitens der Stadt Brieg abgelehnt worden, weil sie ihrerseits die Beseitigung sämmtlicher Niveau⸗Uebergänge nicht wollte, sondern es als dem Inter⸗ esse der Stadt Brieg entsprechend hinstellte, einen oder zwei Ueber⸗ gänge zu behalten. Der Hauptgefahrpunkt liegt in der Pampitzer⸗ straße. Es wurden nun neue Projekte aufgestellt, um die Niveau⸗ kreuzung der Eisenbahngeleise mit der Pampitzerstraße zu beseitigen. Wenn das geschieht, so ist es möglich, daß die langen Güterzüge, welche von Oberschlesien oder Breslau die Station Brieg passieren, soweit vorgeschoben werden können, daß sie den Schlüssendorfer Weg und die Dreiankerstraße freilassen. Es sind dahin gehende Projekte 9, 10, 11, 12 aufgestellt worden. Das erste Projekt, welches dazu führte, unter das Extraordinarium des Etats 1896/97 eine dahin gehende Position

aufzunehmen, ist vor der Aufstellung mit der Stadt Brieg besprochen

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worden. Sie hat sich im wesentlichen damit einverstanden erklärt und nur einzelne Wünsche geäußert. Dieses Projekt konnte infolge dessen in den Etat aufgenommen werden, und zwar mit einer Summe von 560 000

Als nun das ausgearbeitete Projekt der landespolizeilichen Revision unterzogen wurde, ergab sich, daß sowohl seitens der Stadt Brieg wie seitens einer Reihe von Interessenten gegen das Projekt sehr er⸗ 8 hebliche Bedenken erhoben wurden. Diese Einwendungen bezogen sich auf die Höhe der Unterführungen, die nach der Auffassung der Stadt Brieg zu niedrig gegriffen worden wäre; sie bezogen sich auf die Rampen, die zu den Unterführungen hinführten u. s. w. Die Staats⸗ Eisenbahnverwaltung erklärte sich bereit, diesen Wünschen Rechnung zu tragen, arbeitete das Projekt um und legte es wieder vor. Danach war die Unterführung auf 4,50 m verwandelt, das Maß, wie es hier in Berlin auch existiert, und die Rampe von 1: 25 auf 1: 35, also sicher erheblich abgeschwächt. Der Erfolg war aber nicht der, daß nunmehr eine Einigung hätte erzielt werden können, sondern der Erfolg war nur der, daß seitens der Stadt Brieg und der Interessenten mit neuen, und zwar ziemlich umfangreichen Anforderungen hervorgetreten wurde.

Das wäre nun nicht das Schlimmste gewesen, sondern das Schlimmste war, daß auch alle unsere Bemühungen, auf gütlichem Wege mit den Grunderwerbsinteressenten es müßte infolge der Verlegung ein nicht unerheblicher Theil von Grundstücken erworben werden zu einer Einigung zu kommen, vollständig resultatlos ver⸗ liefen. Von diesen Grunderwerbsinteressenten erhob zunächst die Stadt Brieg, von der wir eigentlich hätten erwarten müssen, daß sie ihre Grundstücke umsonst zur Verfügung stellte, für dieselben so außer Verhältniß mit den sachverständigen Gutachten hohe Forde⸗ rungen, ebenso die Anschlußinhaber und verschiedene andere Interessenten, daß allein der Grunderwerb dadurch um die Summe von 251 000 vertheuert werden würde. Das ganze Projekt betrug 560 000 ℳ, die Mehrforderung der Stadt Brieg und der Interessenten für den Grunderwerb betrug 253 000 ℳ, wir waren also nicht in der Lage, das Projekt auszuführen, da uns die nöthigen Geldmittel dazu fehlten.

Ich bin daher der Meinung, daß mit der Stadt Brieg auf der gegenwärtigen Grundlage überhaupt nicht fertig zu werden ist (Heiterkeit), sondern daß uns nichts Anderes übrig bleibt, zur Beseiti⸗ gung der Gefahr einen Entwurf auszuführen, von dem wir glauben, daß er am zweckmäßigsten ist, und das wird der sein, daß wir den Bahnhof von der Stadt Brieg etwas wegschieben. (Sehr richtig! Heiterkeit.)

Ich bedauere die Sache um so mehr, als dadurch verhindert wird, daß für die Stadt Brieg wichtige neue Bahnverbindungen zum Ab⸗ schluß gebracht werden können; das sind die Bahnverbindungen Brieg Wansen und Brieg— Namslau; wir können weder eine Konzession für den Bahnbau geben noch die Bahn selbst bauen, so lange wir nicht wissen, was aus dem Bahnhof Brieg wird. Meinerseits, ehe wir in der angedeuteten Weise vor⸗ gehen, wird der Regierungs⸗Präsident nochmals beauftragt werden, mit der Stadt zu verhandeln. Ich bin gern bereit, allen denjenigen Wünschen zu entsprechen, die als irgendwie gerechtfertigt erachtet werden können, darf aber andererseits den Anspruch erheben, daß die Stadt Brieg in ihren Forderungen, insbesondere in Bezug auf das städtische Eigenthum, und daß auch die anderen Anschlußinteressenten, sowie endlich die übrigen betheiligten Grundeigenthümer sich einigermaßen entgegenkommend bezüglich ihrer Forderungen verhalten.

Wenn ich nun noch schließlich auf die Anfrage, die Herr von Woyrsch angeregt hat, mit ein paar Worten zurück⸗ kommen darf, so ist das die von ihm hervorgehobene mangel⸗ hafte Beleuchtung. Mir ist bisher in dieser Beziehung eine Klage nicht zugekommen; ich werde aber sofort Veranlassung nehmen, diese Frage der Beleuchtung und was sonst etwa inzwischen zur Erhöhung der Sicherheit an den Uebergängen geschehen kann, in die Hand nehmen.

Ober⸗Bürgermeister Schmieding⸗Dortmund beantragt die Besprechung der Interpellation; der Antrag wird genügend unterstützt.

Ober⸗Bürgermeister Schmieding hält es für unbedingt ge⸗ boten, dagegen zu protestieren, daß die Verwaltung sofort mit der Verlegung des Bahnhofs drohe, wenn eine Stadt sich nicht dem Willen der Eisenbahnverwaltung einfach füge. In Dortmund lägen die Verhältnisse ganz analog denen in Brieg. Das von ihm (Redner) mit dem Minister vereinbarte Projekt sei von der Stadtverordneten⸗ versammlung abgelehnt worden.

Miiniter der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Mieene Herren! Der Staats⸗Eisenbahnverwaltung würde es sehr angenehm sein, wenn sie nicht in die Zwangslage gebracht werden würde, den Bahnhof in Brieg ganz oder theilweise weiter weglegen zu müssen; aber es wird ihr schließlich, wenn alle Verständigungs⸗ versuche scheitern, nichts Anderes übrig bleiben. Wenn die Stadt jedem Projekt, welches wir aufstellen, ihre Genehmigung ver⸗ sagt, so ist damit der Beweis geliefert, daß die jetzige Lage des Bahnhofs an und für sich nicht mehr verbesserungsfähig ist. Es bleibt uns daher kaum etwas Anderes übrig, als den Bahnhof so zu verändern, daß die Mißstände aufhören, und das würde dann wahrscheinlich dahin führen, einen Theil des Bahnhofs oder den ganzen Bahnhof etwas nach Osten zu schieben. Die Verhältnisse in Dortmund lassen sich damit garnicht vergleichen. Wir haben niemals beabsichtigt und niemals der Stadt Dortmund gesagt, wir würden, wenn sie sich nicht vertrüge, den Bahnhof dort ver⸗ legen. Daß die Stadtverordneten⸗Versammlung das Projekt, welches wie der Ober ⸗Bürgermeister der Stadt Dort⸗ mund, Herr Schmieding, vorhin selbst gesagt hat zwischen ihm und der Staats⸗Eisenbahnverwaltung verabredet war, nicht adoptiert hat, höre ich jetzt, und es wird ja einer erneuten Prüfung und Ver⸗ handlung darüber bedürfen, in welchen Punkten die Stadt Dortmund eine weitere Ausbildung des Projekts fordert. Aus dem Ausdruck „hungrig“, den Herr Ober⸗Bürgermeister Schmieding wohl in der Eile oder in der Erregung hier vorgebracht hat, nehme ich an, daß, wie es meistentheils der Fall ist, das Stationsgebäude den Herren nicht schön genug ist. (Wider⸗ spruch.) Darüber kann man ja vielleicht noch reden. Aber, wie gesagt, ich bin über die Details nicht unterrichtet. Mich soll es außerordentlich freuen, wenn es gelingt, mit der Stadt Brieg ein Uebereinkommen herbeizuführen, und ich hoffe sehr, daß die Stadt Brieg dazu ebenso bereitwillig die Hand bietet, wie das meinerseits nun schon seit einer langen Reihe von Jahren geschehen ist. Wie

gesagt, wir sind am Projekt XII. (Seiterkeit.)

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