1898 / 137 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 13 Jun 1898 18:00:01 GMT) scan diff

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Bemerkungen.

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Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet 8 Der Durchschnittspreis wird aus den Fihahagcen Zahlen berechnet.

Ein liegender Stri

(—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorg

ommen ist; ein

zunkt (.) in den letzten sechs

palten, daß entsprechender Bericht fehlt.

Sechste deutsche Landesversammlung der internationalen kriminalistischen Vereinigung.

Vom 1. bis einschließlich 4. Juni hat in München die sechste deutsche Landesversammlung der internationalen kriminalistischen Vereinigung getagt. Sie kennzeichnete sich äußerlich wie durch den in ihr herrschenden Geist als eine arbeit same, lediglich durch sachliche Gesichtspunkte bei ihren Verhandlungen geleitete Versammlung. Nach den 8 des Kampfes ist man in friedliche Thätigkeit eingelenkt, alle Anspannung einsetzend für die Vorbereitung des nach Ab⸗ schluß des Bürgerlichen Gesetzbuchs nunmehr in Angriff zu nehmenden neuen deutschen Stra fgesetzbuchs und für die Kriminalpolitik der Zukunft. Daß die von Jahr zu Jahr zunehmende Abklärung eine höhere Schätz ung des Werths der krimi⸗ nalistischen Vereinigung gezeitigt hat, ließ sich auch für den Ferner⸗ stehenden ohne weiteres durch die Theilnahme der amtlichen Kreise an der diesjährigen Lagung feststellen. Schon am Begrüßungsabend erschienen mehrere hohe bayerische Würdenträger, wie der Bevoll⸗ mächtigte zum Bundesrath, Ministérial⸗Rath von Schnell, zahlreiche andere Ministerial⸗Räthe, die Präsidenten des Ober⸗Landesgerichts, mehrerer Landgerichte und des Münchener Amtsgerichts u. A., und v die Gäste von außerhalb willkommen, unter denen sich mehrere vortragende Räthe aus den Justiz⸗Ministerien der Einzel⸗ staaten befanden.

Der förmlichen Eröffnung der Verhandlungen ging ein feierlicher Empfang der Kongreßtheilnehmer im Repräsentationssaale des Justiz⸗ palastes durch den baperischen Justiz⸗Minister Freiherrn von Leonrod voraus. In längerer Rede, welche eine genaue Kenntniß der bisherigen Thätigkeit der Vereinigung bewies, beglückwünschte der Justiz⸗Minister diese zu ihren bisherigen Erfolgen und zu dem bereits errungenen Einfluß auf die Gesetzgebung, ihre Mitglieder als die Pioniere der Kriminalpolitik bezeichnend. Nach einer glänzenden Dankesrede des Unter⸗Staatssekretärs 3 D., Professors von Mayr⸗München, des der⸗ eitigen Vorsitzenden der deutschen Landesgruppe, und nach der

orstellung der hervorragendsten Kriminalisten ersolgte eine Besichtigung des vornehme Pracht mit großer Zweckmäßigkeit vereinigenden Justizpalastes unter der Führung des Ministerial⸗Raths Thelemann. Der Rundgang endete in dem Schwurgerichtssaal, wo Professor von Mayr die Sitzung eröffnete. Die Vereinigung will, so führte er aus, nur schrittweise Reformen auf dem Gebiete des Straf⸗ rechts und weist jede Revolu tionierung weit von sich. Aber sie will der Mechanisterung der Strafrechtspflege in allmählicher Fortentwicke⸗ lung des überall sich geltend machenden Prinzips einer Differenzierung der gesellschaftlichen Prozesse und in Anknüpfung an die bereits erfolgte Umwandlung des alten Gedankens von der Sühne der schulrhaften That, sowie an die schon jetzt gesetzlich aner kannte Berücksichtige ng ewisser Eigenschaften der Verbrecher das Verlangen nach einer

differenzierung entgegenstell Di Breite des Strafrahmens

allein gewährt kein Heilmittel, da die Rechtsprechung ihren Schwer⸗ punkt nach den Mindestmaßen verlegt und sich durch lokale Ueber⸗ lieferungen beeinflussen läßt. Durch die einzelne That darf man sich nicht überraschen lassen, da das Verbrechen eine soziale Massenerscheinung ist und als solche unter der Tendenz der Minderung der Strafthaten bekämpft werden muß, vornehmlich in Berücksichtigung der durch die Kriminalsoziologie, das Fanfhaenbed der kriminalistischen Vereinigung, gewonnenen

rgebnisse. Der Schluß der Rede des Professors von Mayr war ein Willkommen für die anwesenden Regierungsvertreter. Als solche nahmen an den Verhandlungen theil: Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath von Tischendorf, vortragender Rath im Reichs⸗Justizamt, namens dieser Behörde, sowie als amtliche Delegirte von Baden: Regierungs⸗ Rath Dr. von Engelberg, Bayern: inisterial⸗Rath Gump und Regierungs⸗Rath Dr. Kratzeisen, Bremen: Senator Stadtlaender, Elsaß⸗Lothringen: Ministerial⸗Rath Stadler, Hessen: Ministerial⸗ Rath Schlippe, Sachsen: Gesandter Freiberr von Friesen. Namens der Regierungsvertreter sprach Herr von Tischendorf seine Freude aus, die „Ponierarbeiten“ der Vereinigung, an denen er selbst sich schon zum zweiten Mal betheilige, genauer verfolgen zu können.

Den Ehrenvorsitz des Kongresses übernahm der Justiz⸗Minister Freiherr von Leonrod. Zu Vorsitzenden wurden gewählt und waren der Reihe nach thätig: die Herren von Mayr, Schlippe und Staats⸗ anwalt, Professor Karburger⸗München, als Schriftführer Professor Heimberger⸗Straßburg i. E., Privatdozent Dr. Mittermaier⸗Heidel⸗ berg und Dr. Neumeyer⸗München. 3

Erster Berathungsgegenstand war die 85 „Sollen für die Bedrohung, Verfolgung und Bestrafung der Polizei⸗ übertretungen besondere Grundsätze gelten?“ Von den Berichterstattern, Professor Frank⸗Gießen und Gerichts⸗Assessor, Privat⸗ dozent Dr. Rosenfeld⸗Halle, lagen nur Thesen, keine Gulachten vor. Frank ging davon aus, daß, bei der Lösung der viel umstrittenen Frage, ob es einen Unterschied zwischen kriminellem und polizeilichem Unrecht gebe, der Begriff der Polizeiübertretungen nicht als sich deckend mit dem der Uebertretungen im Sinne des Strafgesetzbuchs behandelt werden tönne. Letzteres seien mit geringer Strafe bedrohte Thaten; sie würden also quantitativ abgeschätzt. Die Wissenschaft suche nach einem quali⸗ tativen Unterschiede. Solcher sei gefunden worden: in der Verschieden⸗ heit der Angriffsobjekte, in der Art und Weise des Angriffs, in der Verschiedenartigkeit der Rechtsfolgen, endlich darin, daß die kriminellen Strafthaten Unrecht an sich, materielles Unrecht, die polizeilichen hin⸗ gegen nur formelles Unrecht seien. In eingehender Würdigung der verschiedenen Anschauungen legte Frark dar, daß man durch sie zu ent⸗

egengesetzten Folgerungen gelange. Wer nach den Rechtsfolgen scheide, stehte sich auf den als richtig erst noch zu beweisenden Standpunkt, daß das Gesetz mit der Strafe für kriminelle Delitte Sühne, Vergeltung schaffen, mit der für polizeiliche Delikte aber nur einen Zwang ausüben, Unterlassen anhalten wolle. Ihm erscheine die Polizeistrafgesetz⸗

.

gebung mit dem Strafgesetzbuch in einer jederzeit löslichen Ehe nur äußerlich vermählt. Die allgemeinen strafrechtlichen Grundsätze fänden auf Polizeiübertretungen keine Anwendung, d erforderten letztere namentlich kein Verschulden des zu Strafenden. Umgekehrt heischten ein solches die Theoretiker, welche zwischen formellem und materiellem Unrecht scheiden. Ihnen sei eine Polizeiübertretung ein Ungehorsam gegen einen bekannten oder schuldhafterweise unbekannt gebliebenen staatlichen Befehl, jede andere Strafthat ein Angriff auf ein Rechtsgut, ein staatlich geschütztes Interesse. Dieser Anschauuag sei die Polizeistraf⸗ esetzgebung ein Geßler’'scher Hut, dem das Publikum ab und zu fenne Reverenz machen müsse. Ihre Grundlage, daß eine Art Unrecht „Unrecht an sich“ sei, während die andere erst durch das Gesetz dazu gemacht werde, widerspreche dem Satze, daß überhaupt das Recht allein die strafbaren Thaten aus den rechtlich indifferenten aussondert. Die dritte, nach den Angriffsobjekten scheidende Ansicht richte sich schon durch ihre Konsequenz, daß alle Fleischesdelikte in das Gebiet des Polizeiunrechts verwiesen werden müßten; auch koͤnnte sie folge⸗ recht den Mord nicht zum kriminellen Unrecht zählen, da das Leben als solches kein Recht im eigentlichen Sinne sei. Frank selbst bezeichnet als Polizeiübertretung eine solche Handlung, zu deren Thatbestand weder die Verletzung noch die Gefährdung einer dritten Person nothwendig gehört, die aber wegen der möglicherweise in ihr liegenden Gefährdung oder wegen ihres Widerspruchs mit der guten Ordnung des Gemeinwesens unter Strafe gestellt ist. Im Gegensatze hierzu heische das Kriminaldelikt den wirklichen Eintritt einer Verletzung oder Gefährdung eines Rechtsgutes. Das Poltzei⸗ strafgesetz ahnde Handlungen, die einmal gefährlich werden könnten, wie das schnelle Fahren in Städten und Döͤrfern; ja es wolle sogar den Menschen vor sich selbst schützen: so, wenn es das Baden an polizeilich nicht erlaubten Stellen oder das Hinauslehnen aus den Coupéfenstern des Eisenbahnzuges verbiete. Von den 5 en, welche sich aus der dur die modernen esetzbücher herbeigeführten Gleichstellung der Verfolgung und Be⸗ strafung polizeilicher und sonstiger Strafthaten ergeben, billigt Frank, daß die Polizelübertretungen vor die ordentlichen Gerichte gehören und ihre Bestrafung ein Verschulden voraussetzt. Hingegen xrügt er es, daß dadurch die Volksmoral ungünstig beeinflußt wonden sei; der gemeine Mann schätze den ehrlichen Droschkenkutscher auf der Anklagebank gleich hoch oder gleich tief mit dem Landstreicher ein, der vorher ebenda gestanden. Ferner sei zu mißbilligen, daß diese Anwendung gleicher Grundsätze ein Uebermaß von Bestrafungen, von Eidesleistungen und von Kosten. fůr die Polizeiübertretungen hervorgerufen habe. Deshalb sei für letztere der Ausschluß der Freiheitsstrafen, ratenweise Abtragung der Geldstrafen, eventuell auch Arbeitsleistung, Verweis und bedingte Verurtheilung zu fordern, ferner eine Milderung der Legalitäts⸗ maxime und verschiedene andere Einschränkunzen auf proze ualem Auch seien die Polizeistraferlasse sorgfältiger zu redigieren,

das Landesstrafrecht unter Fnsscsdns veralteter Bestimmungen zu kodifizieren und den Gerichten eine Mitwirkung schon beim Erlasse von

olizeiverordnungen einzuräumen. Der deutsche Strafrichter habe heute oft unter einer mangelhaften Gesetzgebung zu leiden. Man schließe den Luftzug des sozialen Lebens aus den Gerichtsfälen zu ängstlich ab und möchte den Gerichtshof zu einem Automaten gestalten: oben werfe man die Gebühren hinein und erhalte dafür unten eine schematische Ausrechnung darüber, was das Gesetz sich angeblich für diesen Einzelfall gedacht habe. Dabei solle die Strafgesetzgebung ein Allheilmiftel für sämmtliche Schäden der bürgerlichen Gesellschaft sein, auf die sofort bei ihrem Auftreten kein anderes Pflaster als das einet Strafgesetzes gelegt werde. Zudem zwinge das Gesetz alle Polizeibeamten zur Anzeige jeder bekannt werden den Uebertretung. Auf die Unterlassung einer Strafanzeige sei Zuchthaus gesetzt: eine Strafe, der ein Schutzmann, welcher bei einer Kontravention ein Auge zudrücke, nach dem Buch⸗ staben des Gesetzes ebenso verfalle wie ein Ober⸗Bürger⸗ meister oder Polizei⸗Vorsteher, der seine Untergebenen auffordere, das Publikum im Erstfalle nur zu warnen und nicht sogleich anzuzeigen. Mit einer Verwerfung des Uebermaßes an Strafgesetzen schloß der Redner seinen Vortrag.

Auch der Korreferent Rosenfeld erblickte das Wesen der Polizei⸗ übertretungen darin, daß ihre Normen nur subsidiäre Verbote und Gebote darstellten, bei welchen der Gesetzgeber von dem Gedanken geleitet werde: es könne sich möglicherweise aus der verbotenen Handlung eine Verletzung oder Gefährdung von Rechtsgütern ent⸗ wickeln; der Zweck der Vorbeugung rechtfertige hier eine Beschränkung der individuellen Handlungsfreiheit., Rosenfeld ver⸗ langt für das kriminelle Unrecht stets eine Beziehung zu rechtlich geschützten Interessen und verwirft in der Frank'schen Definition der Uebertretungen den Begriff der guten Ordnung des Gemeinwesens als unklar und auch um deswillen, weil er sich in die rechtlich geschützten Int eressen auflösen lasse. Des weiteren verlangt er neben der Berücksichtigung der Gefährdung durch die That auch eine Beachtung besonderer Gefährlichkeit des Thäters, z. B. des⸗ jenigen, der verborgene Schußwaffen trägt. Besondere Schwierig⸗ keiten bereiteten die Erfolgsdelikte, z. B. das Verursachen der Stran⸗ dung eines Schiffes durch die Unterlassung des Anzündens eines Leucht⸗ feuers seitens des Leuchtthurm wärters. Der Rückfall auf dem Gebiete des Polizeiunrechts dürfe keine Gleichstellung der Uebertretung mit kriminellen Delikten zur Folge haben. Fahrlässigkeit sei dem Vorsatze gleichzustellen, die Möglichkeit des Versuchs einer Polizeiübertretung zu verneinen, Kenntniß oder fahrlässige Unkenntniß der Strafsatzung zur Vorbedingung der Bestrafung zu machen, die nur eine Mahnung zur Aufmerksamkeit oder Besonnenheit durch Bereitung einer Unbe⸗ quemlichkeit für den Thäter zu ihrem Zweck haben solle. Für die Strafverfolgung sei jeder größere Apparat zu vermeiden und Schnellig⸗ keit der Aburtheilung anzustreben. Eine zweite Instanz erachtet Rosenfeld nur für Rechtsfragen als geboten.

An den umfangreichen Debatten betheiligten sich Landgerichts⸗ Direktor Dr. Felisch⸗Berlin, Dr. Guttmann⸗Worms, Harburger, . Rechtsanwalt Heinemann⸗Berlin, Landgerichts⸗Rath

uckenheimer⸗München, Privatdozent Dr. Liepmann⸗Halle, Geheimer Justiz⸗Rath, Professor von Liszt⸗Halle, Auditeur Meier⸗München, Feie Mittermaier, Rechtsanwalt Mumm⸗

rofessor von Mayr und Professor Oetker⸗Würzburg. Theils wurde vor weitgehenden Eingriffen in die allgemeinen Normen der Gesetzgebung, namentlich einem Antasten des Grundsatzes der Un⸗ mittelbarkeit der Zeugenvernehmung und dem Beschneiden der Prozeß⸗ instanzen, gewarnt; theils verlangte man eine genaue Definition des Rechtsgutes, da sich sonst kriminelles und polizeiliches Unrecht nicht scheiden lasse, theils eine Hineinbeziehung bereits thatsächlich ein⸗ getretener, aber geringfügiger Rechtsgüterverletzungen in das Gebiet der Polizeiübertretungen. Andererseits wurde als nothwendig bezeichnet, von dem Erfordernisse einer Verschuldung als Voraussetzung der Bestrafung von Uebertretungen Abstand zu nehmen. Dürfte ein Fabrkkbesitzer sich damit entschuldigen, daß er die zum Zweck des Arbeiterschutzes ergangenen Verordnungen unverschuldet nicht kennen gelernt habe, so wären die sozialen Gesetze undurchführbar. Und es vertrage sich auch nicht mit den Interessen der öffentlichen Wohlfahrt, wenn ein Radfahrer, der an einem Tage durch vier thüringische Länder fährt, oder ein von seinem Neufundländer begleiteter Tourist, der die Vorschriften der A übertritt, erfolgreich den Einwand unverschuldeter Un⸗ kenntniß der erlassenen Polizeiverordnungen fremder Einzelstaaten zu erheben vermöchte. Als förderlich für die Lösung der Tagesordnungs⸗ frage wurde das Studiu mer in den letzten vier Jahrhunderten ergangenen Perigetstrefaesete durch eine zu diesem Zweck einzusetzende Kommission ezeichnet. Auf den Ausbau eines eigenen Strafmittelsystems für Uebertretungen legte Felisch den Hauptnachdruck, das Abperdienen der Geldstrafen hierbei besonders empfehlend. Frank bezeichnete es in seinem Schlußwort als verfehlt, mit dem Begriff des Rechtsgutes als erwas Feststehendem zu operieren, da Rechtsgut doch schließlich nur das sei, was der Gesetzgeber durch Strafvorschrift schütze, und man sich somit im Kreise bewege. Auf Liszt'’s Antrag wurde eine Kom⸗ mission, bestehend aus Felisch, Frank, Heimberger, Mittermaier und Rosenfeld, eingesetzt, welche diese schwierige Frage weiter durchforschen und auf der nächsien Landesversammlung Bericht erstatten soll.

Die zweite Berathungsfrage lautete: „Welche Wege sind einzuschlagen, um dem strafrechtlichen Unterricht eine angemessene Stellung neben dem privatrechtlichen überall zu sichern?“ Ministerial⸗Rath Stadler ging als Bericht⸗ erstatter davon aus, daß durch die Einführung des Bürgerlichen

Gesetzbuchs und die damit in Verbindung stehende Umgestaltung

weiterer Zivilrechtsstoffe die Befürchtung nahegelegt werde, die ohnehin

bisher stiefmütterlich behandelte Ausbildung im öffentlichen Recht

noch weiter in den Hintergrund gedrängt werden. Trotzdem letzteres dem noch ungeschulten Auffassungsvermögen des Anfängers schon um seines fesselnderen Inhalts willen mehr zusage, als das Privatrecht, finde doch dieses von vorn⸗ herein eine geradezu einseitig zu nennende Bevorzugung und zwar lediglich um der Prüfungen willen. Denn zu deren Bestehen genüge im allgemeinen eine oberflächliche Kenntniß der öffentlichrechtlichen Gebiete, wenn sie sich nur mit einem ausreichenden Bewandertsein im Privatrecht paare. Dieses beherrsche das Examen so vollständig, daß für jene Materien in der Referendarprüfung nur durchschnittlich 3 ½ Minuten und in der Staatsprüfung auch nur ganz geringe Zeit übrig bleibe. Eine Vernachlässigung insbesondere der strafrecht⸗ lichen Durchbildung der jungen Juristen habe aber schwere Schäden im Gefolge, sodaß dringend Abhilfe erstrebt werden müsse.

werde

Sie brauche sich auf das Universitätsstudium im allgemeinen nicht

zu erstrecken, da dessen Einrichtungen im Großen und Ganzen aus⸗

reichten. Nur sei der Werth und die Nothwendigkeit strafrechtlicher seminaristischer Uebungen mehr zu betonen, um dadurch in die

praktischen

giebigen Beschäftigung mit Strafsachen haben. etwas schematische Ausbildung Aufgahen der

verbundene Uebungen im

juristische Arbeitsmethode besser einzuführen und durch Anleitung nach Fällen die Befähigung zu selbständigen schriftlichen Arbeiten zu wecken. Wo die Zulassung zur ersten Prüfung vom Nach⸗ weis erfolgreichen Besuchs privatrechtlicher Nebungsvorlesungen ab⸗ hängig gemacht wird, foll ein Gleiches auch für strafrechtliche der Fall sein. Als Referendar müsse der junge Jurist Gelegenheit zur aus⸗ Ueber die jetzige, hinaus seien ihm die höheren Kriminalpraxis zu erschließen; auch habe eine Einführung in die Grundlagen des Strafvollzugs und Gefängnißwesens zu erfolgen. Es sei zu mißbilligen, daß verschiedene Einzelstaaten nicht einmal eine Beschäftigung bei der Staatsanwalt⸗ schaft vorschreiben, die sachgemäßerweise der Vorbereitungszeit um⸗ assen müsse. Es würden sich praktische, mit schriftlichen Arbeiten Strafrecht und Strawollzugswesen unter Leitung eines Staatsanwalts nach einem ähnlichen bayerischen Vorbild

empfehlen. Sehr instruktiv sei auch die Verwendung als Vertheidiger,

die in erweitertem Umfang erfolgen müsse. Für das Assessorexamen

solle die jetzige Buntscheckigkeit des Prüfungswesens, die sich in fünf

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verschiedenen Prüfungssystemen kundthue, durch eine einheitliche Reichs⸗Prüfungsordnung beseitigt werden. Erschwert werde die Erreichung dieses Zieles durch die verschiedenartige Be⸗

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deutung, welche dieses Examen für die ulassun ur Verwaltungslaufbahn in den Einzelstaaten habe. 88 fluns Falle müsse für die große Staatsprüfung neben den bisherigen Arbeiten eine praktische Arbeit aus dem öffentlichen Recht, in erster Reihe aus dem Strafrecht, verlangt werden. Nach deren erfolgreicher Ablegung müsse ein tieferes Eindringen in das Gefängnißwesen erfolgen. Für diesen Zweck empfehle sich die regelmäßige Abhaltung von Gefängnißkursen nach Badens, jetzt auch Preußens und Elsaß⸗Lothringens Vorgang. Die Zulassung zu denselben müsse von der Bewerbung oder Zu⸗ stimmung des Einzelnen abhängig gemacht, dann aber auch die Theilnahme an denselben als Dienst angesehen werden. Kennt⸗ niß der gerichtlichen Medizin und forensischen Psychiatrie müsse für jeden Richter obligatorisch sein. Hingegen will Stadler nicht ein gleiches Erforderniß für die Kriminalistik auf⸗ stellen, die ihm mehr kriminalpolizeilicher als kriminalrechtlicher Natur zu sein scheint und der Erlernung durch die spätere Praxis anheim⸗ gestellt bleiben soll, ein Punkt übrigens, betreffs dessen sich starker Widerspruch in der nachfolgenden Diskussion erhob. Sachgemäß warnte Stadler zum Schlusse vor Verflachung durch zu große Er⸗ weiterung der Arbeitsfelder.

Ober⸗Staatsanwalt Dr. Schmidt⸗Mainz stellte sich in den Hanptpunkten auf den gleichen Boden wie der erste Referent. Für den strafrechtlichen Unterricht auf den Universitäten verlangte er auch die Berücksichtigung der Geschichte des Strafrechts, der Rechts⸗ vergleichung und der Kriminalpolitik, sowie der strafrecht⸗ lichen Nebengesetze, des Militärstrafrechts und des inter⸗ nationalen Strafrechts, namentlich des Auslieferungswesens. Ein beständiges Handin Handgehen von Theorie und Praxis sei während der gesammten Ausbildungszeit anzustreben. Doch solle die erste Prüfung ausschließlich von Rechtslehrern, die zweite von be⸗ sonders ausgewählten Praktikern vorgenommen werden. Dabei müsse es ausgeschlossen sein, daß unzureichende Kenntnisse auf dem Gebiet des Strafrechts durch bessere Leistungen in anderen Disziplinen wett⸗ gemacht werden. „Vielmehr sei in solchem Fall Wiederholung der strafrechtlichen Prüfung zu verlangen. Nur so könne dem vorgebeugt werden, daß der Kriminalist als Jurist zweiter Klasse angesehen werde. Für die Referendarzeit sei eine bessere Ueberwachung und Förderung der wissenschaftlichen Weiterbildung setshehe Gleichzeitig müsse mit dem unseligen Wahn gebrochen werden, als blühe nur in den Akten⸗ bündeln des Lebens goldener Baum. Die Kenntniß der wirklichen Vorgänge im sozialen Leben sei bei dem jungen Juristen zu fördern und nicht hintanzuhalten. Die Vertheidigerthätigkeit bringe nicht den zu erwartenden Nutzen, weil die Richter insgemein eine volle Ent⸗ faltung dem bei ihnen beschäftigten Referendar nicht zugeständen und etwaige Beweisanträge von seiner Seite als „störende“ betrachteten. Mehr empfehle sich ein Aufzreten des Referendars in der Haupt⸗ verhandlung an der Seite des Staatsanwalts unter dessen Leitung, sowie die Abhaltung von Vorträgen durch Referendare im Kollegen⸗ kreise, verbunden mit kleinen schriftlichen Aufsätzen, beides unter Leitung eines Richters oder Staatsanwalts.

In der Diskussion ergriffen das Wort: Professor van Calker⸗ Straßburg, Gerichts⸗Assessor Doehn⸗Dresden, Amtsrichter Engel⸗ Grabow i. M., Bezirksphysikus, Sanitäts⸗Rath Dr. Leppmann⸗ Berlin, Mumm und Oerker. Im allgemeinen erkannte man an, daß die geringe Berücksichtigung des Strafrechts in den Prüfungen das Studium desselben vermindert und dadurch auch die Praxis ungünstig beeinflußt habe, die ohne ausreichende theoretische Befruchtung hand⸗ werksartig werden müsse Auch durch zu häufige Verweisung auf die Lehrbücher schadeten die Professoren. Die mangelnde Kenntniß der psychiatrischen Grundfragen, zu deren Beseitigung für die Dresdener Praktiker wöchentliche Vorlesungen mit gutem Erfolge stattfänden, wirke auch auf das Zivilrecht ein, namentlich beim Entmündigungsverfahren, das jetzt so viele Angriffe erfahre. Eine praktische Thätigkeit der jungen Juristen im Gefängnißwesen sei dringend nothwendig. Einerseits müßten sie das Wesen und die Haupteinrichtungen der Gefängnißanstalten aus eigener Anschauung kennen lernen, andererseits aber auch die Eigenart der dort inhaftierten Menschenklassen, betreffs deren sie an der Rechtsfindung mitwirken sollen. Nach der Erörterung vieler Einzelfragen, deren Darstellung hier zu weit führen würde, und einer umständlichen Abstimmung einigte man sich auf folgende, von Stadler und Schmidt schließlich gemeinschaftlich aufgestellte Thesen:

I. Die praktischen Uebungen im Strafrecht während der Universitätszeit sind in jeder Hinsicht und insbesondere in Bezug auf die Voraussetzung für Zulassung zur ersten juristischen Prüfung den privatrechtlichen Uebungen gleichzustellen. Soweit überhaupt für den bezeichneten Zweck Nachweisungen über den erfolgreichen Besuch von Uebungsvorlesungen gefordert werden, hat sich diese Forderung auch auf die Uebungen im Strafrecht zu erstrecken.

II. Während des Vorbereitungsdienstes sind die Referendare längere Zeit bei der Staatsanwaltschaft eines Landgerichts zu be⸗ schäftigen und insbesondere mit der Vertretung der Anklage in der Hauptverhandlung unter Beistand eines Staatsanwalts zu beauftragen, sowie in geeigneten Fällen als Vertheidiger zu bestellen. Ferner ist die wissenschaftliche Weiterbildung der Referendare zu über⸗ wachen und zu fördern; es empfiehlt sich die Einführung von straf⸗ rechtlichen Vorlesungen und Lehrgängen, deren Besuch für Referendare obligatorisch ist und deren Abhaltung besonders geeigneten Beamten zu übertragen ist.

III. In den beiden juristischen Prüfungen ist neben den privpat⸗ rechtlichen Aufgaben mindestens je eine schriftliche Aufgabe aus dem öffentlichen Rechte zu stellen.

IV. Zur Ausbildung jüngerer Iunstizbeamten im Gefängniß⸗ wesen sind in angemessenen Zeiträumen praktische, mit wissenschaft⸗ lichen Vorträgen verbundene Lehrkurse an größeren Gefängnissen einzurichten.

V. Es ist in hohem Maße wünschenswerth, daß im Reich eine Uebereinstimmung der Vorschriften wenigstens für die erste juristische Prüfung herbeigeführt werde; es bleibt vorbehalten, die Frage der zweckmäßigen Gestaltung dieser Prüfung in der nächstjährigen Ver⸗ sammlung zur Berathung zu bringen.

Den letzten Berathungsgegenstand bildeten dievon den deutschen Landesregierungen vereinbarten Grundsätze über den Vollzug der Freiheitsstrafen. Die Berichterftattung hatten Regierungs⸗Rath Dr. von Engelberg, Direktor des Landesgefängnisses zu Mannheim, und Regterungs⸗Rath Baumgaertl, Direktor des Nürnberger Zellengefängnisses, übernommen. Wie belannt, haben sich die deut⸗ schen Regierungen, nachdem der Entwurf eines deutschen Strafvollzugs⸗ gesetzes von 1879 gescheitert war, in der Erkenntniß, daß zur Zeit keine Einheitlichkeit auf diesem Gebiete durch ein umfassendes Reichs⸗ gesetz zu erzielen sei, über den Erlaß gewisser Vollstreckungsgrundsätze, die durch Verordnung eingeführt worden sind, durch gegenseitige Ab⸗ machungen geeinigt. Beide Referenten bezeichnen diesen Weg im Prinzip als den richtigen, da heute die Frage nach dem Strafzwecke eine viel zu umstrittene sei, als 9 sich ein befriedigendes Straf⸗ vollzugsgesetz zur Zeit erreichen ließe. Sie stellten sich in der Beurtheilung des durch die Bundesregierungen Geschaffenen im wesentlichen auf den Standpunkt des wenige Tage zuvor abgehaltenen Darmstädter Kongresses der deutschen Straf⸗ anstaltsbeamten, welcher die von den Einzelstaaten angenommenen Vollstreckungsgrundsätze billigte, jedoch weitere Reformen in der ein⸗ geschlagenen Richtung verlangte. von Engelberg that dies in streng sach⸗ licher, mitunter etwas nüchterner Form, Baumgaertl mit vielem Humor. Lebhaft beklagten beide Referenten, daß die Lösung zahlreicher wichtiger Prinzipienfragen unkerblieben und nicht mehr, ja sogar oft viel weniger als das geboten worden sei, was schon jetzt in jeder größeren Straf⸗ anstalt sich finde. Nicht zu bihigen sei, daß die Grund⸗ sätze sich nur auf gerichtlich erkannte Freiheitsstrafen aus⸗ dehnen, die übrigen aber unberücksichtigt lassen. Ferner wäre dringend zu wünschen gewesen, daß die Strasvollstreckung in den so⸗ genannten kleinen Gefängnissen geregelt und angeordnet worden wäre, die Leitung des Strafvpollstreckungswesens müsse in jedem Einzelstaat eine einheitliche werden. Ebenso seien gleichmäßige Vorschriften über rückfällige Verbrecher, über Selbstbeköstigung, deren Gestattung von Vorauszahlung der Strafvollstreckungekosten abhängig gemacht werden

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müsse, und über Selbstbeschäftigung, von der das Nämliche zu gelten habe, nothwendig. von Engelberg sprach sich für die Abschaffung der Selbstbeköstigung aus, um eine gleichartige Vollstreckung der erkannten Strafen herbeizuführen. Auch empfahl er für kürzere als einjährige Freiheitsstrafen bedingte is im Gnaden⸗ wege, wie solche in Baden schon besteht. Baumgaertl bedauerte, daß das jetzt eingeführte Provisorium voraussichtlich von langer Dauer sein werde, und tadelte, daß man den Einzelstaaten nach⸗ gelassen habe, in einzelnen Anstalten eventuell gar keine Bewegung der Gefangenen im Freien zu gestatten. Die ein⸗ geführte Verschärfung der Disziplinarstrafen sei kaum nöthig gewesen. Da die Gefangenen niemals zu den Leuten gehörten, von denen man sagt: „wer gern arbeitet und gern Kartoffeln ißt, kann sich viele Freuden im Leben verschaffen“, seien ie schon mit den vorhandenen Mitteln zur Disziplin zu zwingen ge⸗ wesen. So zerknirscht sei keiner von ihnen, daß es ihm gleichgültig sei, ob er Linsen oder Braten oder Hungerkost habe. Um so mehr sei es zu mißbilligen, daß man der wesentlichen Verschärfung der Disziplinarmittel sich nicht zur Aufhebung der Latten⸗ und Prügel⸗ rafe veranlaßt gesehen Labe. Im Norden dürfe man prügeln, im Süden nicht; und doch seien so verschieden die deutschen Stämme nicht. Trotzdem Baumgaertl mehr als 10 000 Gefangene in fünfzehn Jahren unter sich gehabt habe, sei ihm in keinem Falle je der Wunsch gekommen, er möchte das Recht haben, prügeln zu lassen. Sehr bedenklich sei es auch, daß die neuen Grundsätze keine Vorschriften für die verschiedene Bewerthung von Einzel⸗ und Gemein⸗ schaftshaft und für die Anlage von Neubauten enthielten.

Die Erörterungen leitete Landgerichts⸗Direktor Dr. Felisch⸗ Berlin mit einer ausführlichen Würdigung der Grundzüge und der Einzelvorschriften der neuen Verordnungen ein. So bedauerlich es sei, daß die in ihnen enthaltenen Minimalforderungen nicht längst gemeinen Rechtens in Deutschland seien, so bedeute ihr Erlaß doch einen Fort⸗ schritt, freilich nur einen geringen, da sie in folgenden Punkten sogar noch unter den Entwurf von 1879 herabgingen. Das Prinzip, daß die Strafvollstreckung mindestens während der ersten drei Monate in Einzelhaft zu erfolgen habe, sei in vorzugsweise Ver⸗ hängung der Einzelhaft bei gewissen Strafen abgeschwächt worden; auch sei für Jugendliche die früher nicht gekannte Genehmigung der Aufsichtsbehörde zur Verlängerung der Einzelhaft eingeführt. Amtliche Revisionen seien jetzt alle zwei Jahre, früher alle Jahre, tägliche Besuche der Gefangenen durch die Beamten nun mehrmals anstatt viermal vorgesehen und die Bewegung im Freien auf thunlichst eine halbe Stunde, anstatt einer Stunde, festgesetzt. Der Mindest⸗ luftraum der Zellen sei verkleinert, getrennte nächtliche Lagerstätten selbst nicht für Neubauten vorgeschrieben und weder über die Selbst⸗ beköstigung noch ausreichend über den Unterricht eine Einigung erzielt. Felisch verlangte Einsetzung einer Reichsbehörde für Strafvpollzug, Auf⸗ hebung oder mindestens Beschränkung der Strafvollstreckung in kleinen nese enene e en, weitere Durchführung eines Unterschieds zwischen Zuchthaus⸗ und Gefängnißstrafe bei deren Vollzuge, Festsetzung einer Mindestzahl der Unterrichtsstunden, namentlich für Jugendliche, Ein⸗ heitlichkeit in deren und der Rückfälligen Behandlung, Abhaltung von Konferenzen der Anstaltsbeamten an jeder Strafanstalt unter Zu⸗ weisung eines bestimmten Wirkungskreises an diese und Regelung der 8r der zu Entlassenden nebst der Fürsorge für Straf⸗ entlassene.

Demnächst legte Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath von Tischen⸗ dorf den Standpunkt der verbündeten Regierungen dar. Ausgegangen seien sie von dem Leitsatze, daß, da das Zustandekommen des Straf⸗ vollzugsgesetzes immer mehr in die Ferne gerückt werde, sein Erlaß durch thatenloses Verharren im derzeitigen sostande auf das höchste erschwert werden würde. Denn die Strafvollstreckung gestalte sich in den Einzelstaaten immer verschiedener. Man habe Saben Grundsätze für das Uebergangsstadium bis zur späteren gesetzlichen Regelung auf⸗ stellen müssen. Das aber habe nur durch einstimmigen Beschluß ge⸗

schehen können, da für den Verordnungsweg im Reiche die gesetzliche Grundlage gefehlt habe. Bei dem dieserhalb gepflogenen Schrift⸗ wechsel habe sich nun aber herausgestellt, daß viele Einrichtungen in den Einzelstaaten so eingewurzelt seien, daß man sich freiwillig nicht dazu entschließen wolle, sie aufzugeben, und daß anderer⸗ seits der sofortigen Einführung von manchem allseitig als noth⸗ wendig Erkannten hier und da sich nicht sogleich behebbare Schwierigkeiten in den Weg gestellt hätten. Diese letzteren Punkte seien dann unter Hinzufügung von „thunlichst“ und dergl. in die Grundsätze L worden, um so anzudeuten, daß ihre Durch⸗ führung nach Fcttecte der zur Zeit noch vorhandenen Hemmnisse geschehen solle. Ueber die anzustrebenden Ziele sei Einmüthigkeit der Regierungen herbeigeführt worden.

An den Debatten nahmen außerdem noch Dr. Leppmann und Stadtlaender theil. Ersterer bedauerte, daß die Grundsätze nichts über die geisteskranken Gefangenen enthielten, über welche er sich aus⸗ führlicher verbreitete, die hauptsächlich hervortretenden Uebelstände her⸗ vorhebend. Er verwarf ferner die große Verschärfung der Disziplinarstrafen und mißbilligte es vom ärztlichen Standpunkte aus, daß Dunkelarrest, verschärft durch Kostentziehung und hartes Lager, auf acht Tage ohne Unterbrechung zugelassen worden sei. Stadtlaender bezeichnete es als aussichtslos, die Einsetzung einer Reichsbehörde für den Strafvollzug zu verlangen; ebenso seien einheitliche Normen über die Fürsorge für Strafentlassene jetzt nicht zu erzielen. Man solle aber nichts bean⸗ tragen, was nicht Aussicht auf Annahme habe.

Nach einem Schlußworte von Engelberg’s fielen in der Ab⸗ stimmung die Amendements Felisch auf Einsetzung einer Reichsbehörde und Ordnung der Fürsorge für Strafentlassene, die jedoch nahezu die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhielten. Angenommen wurden polgfade Anträge von Engelberg's mit Zusätzen von Leppmann und

elisch:

I. Der von den verbündeten Regierungen gewählte Weg der Vereinbarung über gewisse Grundsätze des Strafvollzugs ist zwar nicht im stande, die nur im Wege der Strafrechtsreform herbeizuführende Verbesserung des Strafvollzugswesens zu erzielen, wohl aber geeignet, eine größere Einheit im Strafvollzug herbeizuführen.

II. Die vorliegende Vereinbarung hat dies Ziel nicht völlig er⸗ reicht, weil sie sich nur auf gerichtlich erkannte Fretheitsstrafen erstreckt und die Regelung vieler Prinzipienfragen vermissen läßt.

III. Es ist dringend geboten, daß die Regierungen sich noch über die Frage der einheitlichen Leitung des Gefängnißwesens in den Einzelstaaten, des Strafvollzugs in den sogenannten kleinen Gefäng⸗ nissen und der Behandlung geisteskranker und rückfälliger Gefangenen, sowie über weitere Unterschiede in der Behandlung der Gefängniß⸗ und der Zuchthaussträflinge einigen.

von Liszt theilte mit, daß der Preis der Holtzendorff⸗Stiftung für die beste Bearbeitung der Frage der Deportation dem Rechtsanwalt Dr. Korn⸗Berlin unter sechs Bewerbern zuerkannt worden ist. Aus dem Vorstande schied Superintendent Dr. von Koblinski⸗Eilsleben wegen der Uebernahme seines neuen Amts auf seinen n aus. Im übrigen wurde der Vorstand wiedergewählt und Sn durch

rosessor Harburger, Senator Stadtlaender und Ministerial⸗Rath helemann. Unter⸗Staatssekretär z. D. von Mayr dankte darauf den um den Kongreß verdienten Behörden und Personen und erhielt den wohlverdienten Gegendank der Versammlung An diese reiche Arbeit schloß sich eine Besichtigung des Straf⸗ vollstreckungsgefängnisses in Stadelheim an, in welchem am nämlichen Morgen die Guillotine ihres schrecklichen Amts gewaltet hatte und nunmehr genau gezeigt wurde. In Gastlichkeit empfing Kommerzien⸗ Rath Sedlmayer die Kongreßtheilnehmer und ihre Damen, denen er seine „Spatenbrauerei“ zeigte; außerdem fanden zwei gemeinsame Feceen, das eine unter Theilnahme des Justiz⸗Ministers Freiherrn von Leonrod, und ein von herrlichstem Wetter begünstigter Ausflug nach dem Starnberger See statt. Der Ort der näͤchsten Tagung steht noch nicht fest. Von deren Berathungsgegenständen, welche in einer Vorstandssitzung festgestellt wurden, wird namentlich der eine: die Eigenart des heutigen gewerbsmäßigen Verbrecherthums, die weitesten Kreise interessieren.

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