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leidet also darunter, aber die Sozialdemokratie, besonders der Abg.
Qualität
gering
mittel
Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner
Menge
niedrigster
ℳ
höchster
niedrigster höchster niedrigster höchster
ℳ ℳ ℳ ℳ
Doppelzentner
Außerdem wurden am Markttage (Spalte 1) nach überschläglicher Schätzung verkauft
Durchschnitts⸗ Am vorigen preis Markttage
für Durch⸗ 1 Doppel⸗ schnitts⸗ zentner preis
8 8 (Preis unbekannt)
444*X*X“ — 4““ 13,00 u111“; 13,00 E 111ö1“; — ö1616A1616161X“ — 4““ — ͤv11X1““; 11,60 52 14“ 12,00 Rummelsburg i. P.. — 4*“ 12,40 ͤq1111A““ 11,60 L.. 12,20 ua11111141*“”]; 11,70 ͤ1111161A1A6X“X“ 11,80 4*“ “ 12,00 qqIvI. 11,60 ͤ1 1A1XAXX“; 11,20 1444* 14,50 56““ʒ 13,50 ͤaaAAAX““ 13,40 4*“ 14,00 A“”] 12,67 ͤa1A1AXX“X“ 13,25 1444*“ 13,80 Limburg a. L. 111“ — a11XAX1X“ 13,40 Schweinfurt W“ — e4* “ 12,60 4*¹“ 12,00 ͤq1P16161616161A4A“X“ 13,70 Rostock . . .. y — ͤͤ111111A1X“ — ss66“*“ — ͤ14“ 13,80 ö1AX“ 11,50
Noch: Hafer. — — 13,40 13,40 13,50 13,50 14,00 14,00 13,30 13,40 13,50 14.00 — — 12,00 12,30 80 88 12,50 12,50 — 12,40 12,40 12,60 12,80 11,60 12,00 12,00 12,40 12,40 12,00 — — 12,40 12,40 11,00 11,60
12,60 12,60 12,80 12,80 13,00 11,60 11,80 11,80 12,00 12,00 12,60 12,80 13,00 13,20 13,40 11,80 11,90 12,10 12,20 12,30 12,00 12,00 12,20 12,20 12,40 12,00 12,40 12,40 12,70 12,70 11,60 12,00 12,00 8 11,40 11.50 11,60 11,80 12,00 14,80 14,80 15,10 15,10 15,40 13,50 14,00 14,00 15,00 15,00 13,40 13,60 13,60 13,80 13,80 14,50 14,60 15,00 15,10 16,00 13,00 13,00 13,33 13,33 13,67 13,50 13,50 14,00 14,00 15,00 13,80 1“ 14,00 14,40 — — 1940 13,80 — Se 1 13,40 13,60 13,80 14,00 14,20 14,40
— 13,00 13,25 — 8* 12,60 — — 13,20 14,40 13,40 13,60 14,20 14,40 14,60 13,70 14,58 14,58 15,60 15,60
üae bac —— 13,00 13,00 — 12,60 12,80 89* 14,50 14,50 14,90 14,90 13,80 14,10 14,10 15,00 15,00 11,80 12,00 12,30 12,50 12,70
Bemerkungen.
13,24 13,20
12,80 12,20 12,30 11,47 12,87 11,90 13,00 12,20 12,00
13,60 13,20
632 13,20 13,17 870 14,50 14,50 6 845 14,17 14,33 1 158 13,60 13,77 153 12,75 12,85 1 737 13,80 13,95
2 516 13,75 13,60 6 610 13,86 13,85
10 959 13,00 12,84
Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet mitgetheilt. Der Durchschnittspreis wird aus den vge Seshan berechnet.
Ein liegender Strig
—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist, ein Punkt (.) in den letzten sechs
palten, daß entsprechender Bericht fehlt.
Deeutscher Reichstag. 5. Sitzung vom 14. Dezember 1898, 1 U
Tagesordnung: Fortsetzung der ersten Berathung des Reichshaushalts⸗Etats und des Etats der Schutz⸗ gebiete für 1899, sowie des Anleihe⸗ und des Schulden⸗ tilgungsgesetzes.
Abg. von Kardorff (Rp.): Die gestrige Rede des Abg. von Vollmar bewegte sich im Großen und Ganzen in demselben Greife, wie wir es von der sozialdemokratischen Partei gewohnt sind, wenn sie es für an der Zeit erachtet, verbältnißmäßig milde Saiten auf⸗ zuziehen. Was er über den Militär⸗Etat, den zunehmenden Mili⸗ tarismus, über die Finanzen des Reichs, die Anleihen ꝛc. vorgebracht hat, war ganz dasselbe, was wir sonst von anderen Rednern seiner Partei, namentlich von dem Abg. Bebel, gehört haben. Wenn er meinte, daß das Reich mit Schulden überlastet werde, so möchte ich doch darauf aufmerksam machen, daß Deutschland ungefähr nur den vierten bis fünften Theil derjenigen Schulden besitzt, welche Frank⸗ reich hat. Die Schulden des Reichs und der Bundesstaaten zu⸗ sammengerechnet betragen 6 bis 6 ½ Milliarden, die Frankreichs 30 Milliarden. Der deutsche Export ist dem französischen bedeutend überlegen, unsere Kauffahrteiflotte ist sehr viel stärker, und unter solchen Umständen braucht man nicht sehr besorgt zu sein, wenn wir jetzt wirklich ein paar Millionen Schulden machen sollten, und die Gefahr, daß dadurch etwa neue Steuern nothwendig werden sollten, cheint mir nach den Ausführungen des Reichs⸗Schatzsekretärs ür die nächsten Jahre in der That ausgeschlossen. Ueberrascht aben mich von Vollmar's Aeußerungen über die Kolonien; er theilt darin pollständig den Standpunkt des Abg. Richter, welcher meinte, es wäre am besten, wenn unsere Kolonien verkauft würden. Auf demselben Standpunkt stand man einmal bezüglich der deutschen Flotte, und wir haben ein gewisses Gefühl der Scham, wenn wir an diese Zeit zurückdenken. Es wird eine Zeit kommen, wo man sich wundern wird, wie ein so hervorragender Politiker wie der Abg. Richter, so von unseren Kolonien sprechen konnte. Die Fort⸗ schrittspartei ist darin außerordentlich konservativ, sie bleibt immer bei ihrem alten Steckenpferd. Es ist das ein Parteigeschrei, das vielleicht eine Zeit lang gezogen hat, heute aber nicht mehr zieht. Die Herren dort (linke) gehören zu denen, die nichts gelernt und nichts vergessen haben. Wenn der Abg. von Vollmar gemeint hat, die ganze zivwilisierte Menschheit sei berufen, gegen das aus⸗ beutende Kapital zu kämpfen, so war das eine Redewendung, die wir von den Herren von der Sozialdemokratie schon oft gehört haben. Wie weit die Sozialdemokratie berechtigt ist, diesen Kriegsruf gegen das internationale Kapital zu erheben und von einer Ausbeutung der produzierenden Klassen durch das internationale Kapital zu sprechen, das zu erörtern, behalte ich mir vor, wenn wir über die Verlängerung des Reichsbankprivilegs sprechen werden. Der Abg. von Vollmar sagte, die Junker in Ostelbien drängten ihre deutschen Arbeiter heraus in die Industriebezirke, um sich mit billigeren slawischen Arbeitskräften zu versehen. Glaubt der Abg. von Vollmar das wirklich selbst? Wenn er es glaubt, so verräth er damit nur eine groteske Unwissenheit über die Verhältniffe in den östlichen Provinzen. Die Landwirthschaft leidet darunter, daß der Arbeiter durch die viel höheren Löhne in die Industriebezirke gelockt wird und wir Land⸗ wirthe gezwungen sind, statt unserer ländlichen deutschen Arbeiter slawische anzunehmen. Auf die ostelbischen Junker kommt es dabei am allerwenigsten an; sie können sich mit, den flawischen Arbeftern behelfen. Die hohen Löhne der Industrie kann die Landwirthschaft nicht bezahlen. Die Herren fordern immer billige Lebensmittel, die Landwirthschaft soll alles so billig wie möglich hergeben, aber ultra posse nemo obligatur. Man kann doch nicht billiger ver⸗ kaufen, als man produzieren kann. Die Produktion und Absatzverhältnisse siad so, daß bei der hohen Steigerung der Löhne auch in der Landwirthschaft — die Industrie reißt ja die Landwirthschaft immer mit fort — nun eine Grenze eingetreten ist, wo wir nicht mehr’ mitgehen können. Auf die ostelbischen Groß⸗ rundbesitzer kommt es dabei nicht an, der leidende Theil ist die
auernschaft die mit Gesinde arbeiten muß. Der Großgrundbesitzer kann slawische Arbeiter vertragen, da ist immer ein Vorarbeiter auf dem Hofe oder ein Beamter vom Wirthschaftspersonal, der sich mit diesen Arbeitern verständigen kann, aber der deutsche Bauer kann sich mit dem polnischen Knecht nicht verständigen, dieser versteht einfach nicht, was der deutsche Bauer von ihm will. Der Bauernstand
Schippel, hat es ja oft ausgesprschen, daß der Untergang unseres Bauernstandes ihr Zweck und Ziel ist. Wenn also Herr von Vollmar
— die ostelbischen Junker drängten ihre deutschen Leute in die ndustriebezirke, um billige polnische Arbeiter zu haben,
so kann er das selbst nicht eine große Unwissenheit in den Verhältnissen des Ostens. Auch gegen seine fernere Behauptung muß ich Verwahrung einlegen, daß nur die Ausstände zur Aufbesserung der Löhne in der Industrie beigetragen hätten. Von der Richtigkeit dieses Satzes kann Herr von Vollmar selbst nicht überzeugt sein. Angebot und Nachfrage sind doch das Erste, was die Löhne reguliert. Wenn die Produktion steigt, so steigen auch die Löhne, weil jeder Arbeit⸗
eber eine möglichst große Anzahl von Arbeitern heranzuziehen sucht.
as ist der Zustand, den wir gegenwärtig erleben. Ich erinnere z. B. daran, daß bei meinem verehrten Freunde, dem Freiherrn von Stumm niemals ein Ausstand gewesen ist, aber die Löhne in diesem Revier und namentlich bei meinem Freunde genau ebenso ge⸗ stiegen sind und vielleicht noch mehr wie in anderen Revieren. Wenn Herr von Vollmar glaubt, die Industriellen thäten absolut nichts von selbst für die Arbeiterklasse, so kann er auch das nicht wirklich für richtig halten gegenüber dem, was geschieht. Erst neuerdings hat ein Großindustrieller in Oberschlesien eine Stiftung von einer Million Mark zu Gunsten der Arbeiter seiner Werke gemacht, eine Million auf einmal! Da kann man nicht sagen, daß erst durch Ausstände die Lage der Arbeiter verbessert werde. Wir werden ein Gesetz erhalten, das die arbeitswilligen Arbeiter vor dem Terrorismus der Ausständigen schützt. Ich hoffe, daß dieses absolut nothwendige Gesetz im Reichstage nicht allzusehr abgeschwächt wird und überhaupt zur Annahme gelangt. Aber es wäre ein großer Irrthum, zu glauben, daß damit allein das An⸗ wachsen der Sozialdemokratie eine Aenderung erlitte. Dazu gehören immer noch solche Bestimmungen, wie sie das zu meinem großen Be⸗ dauern aufgehobene Sozialistengesetz gehabt hat, Bestimmungen gegen die Vergiftung der Nation durch die sozialdemokratische Presse. Herr von Vollmar wies den gräßlichen Mord an der Kaiserin von Oester⸗ reich durch einen Anarchisten weit von sich, er verabscheute die Gewalt⸗ thaten, aber es ist doch wunderbar, daß alle diese gewaltthätigen Morde an einzelnen Personen, wie zum Beispiel der an dem Kaiser von Rußland, der die Leibeigenschaft aufgehoben hat, in einem sozial⸗ demokratischen Kalender, wie er in Mecklenburg verbreitet ist, als besondere Ruhmes⸗ und Ehrendaten verzeichnet stehen. Daß die Sozialdemokratie trotz des Sozialistengesetzes gewachsen ist, ist ja richrig, aber es verlohnt sich doch, die Ziffern dieses Anwachsens sich zu vergegenwärtigen, um den Einfluß des Gesetzes zu erkennen. In der Legislaturperiode bis 1874 waren 124 000 sozialdemokratische Stimmen abgegeben, 1874 — 1877 352 000, 1877 — 1878 493 000 Stimmen; dann kam das Sozialistengesetz; 1878 — 1881 waren es 473 000, 1881 — 1884 312 000, 1884 — 1887 allerdings wieder 550 000 Stimmen. Dieses Anwachsen war die nothwendige Folge der Aus⸗ weisungen der verschiedenen Sozialistenführer aus den großen Industrie⸗ zentren in die kleinen Städte. Ueberall dort haben sich sozialistische Herde gebildet. Das war eine der unglücklichsten Bestimmungen des Sozialistengesetzes, und auf deren Konto setze ich das Anwachsen der Stimmen von 312 000 auf 550 000, In der Periode 1887/90 wareu es 736 000 Stimmen. Ja, da wußte man schon, daß das Sozialisten⸗ gesetz aufgehoben werden würde. Das Anwachsen der Sozial⸗ demokratie um 200 000 Stimmen ist ja schließlich nicht schlimm; aber 1890/93 waren es 1 427 000 Stimmen, 1893/98 waren es 1 736 000 Stimmen und jetzt sind es über 2 Millionen. Wenn man sich überlegt, daß diese Partei, welche über so viele Stimmen verfügt, eine “ ihrer Mitglieder eingeführt hat, wie wir sie so hoch im Staate nicht haben, so muß diese Partei für ihre Agitation Summen zur Verfügung haben wie keine andere Partei auch nur annähernd. Wenn solchen Zuständen gegenüber die Regierung bofft, mit dem Gesetz zum Schutz der Arbeitswilligen dem Anwachsen der Sozialdemokratie Einhalt zu gebieten, so ist das ein großer Irrthum. Ich wende mich nun zur auswärtigen Politik mit derjenigen Vorsicht, welche der Graf Limburg gestern empfohlen hat. Was zunächst die Ausweisungen aus Nordschleswig betrifft, so verkennen die Herren, was es heißt, wenn in einem Landestheile, der zu Deutschland gehört, sich eine Agitation fühlbar macht, welche darauf abzielt, diesen Landes⸗ theil wieder von Deutschland loszureißen und wieder zu Dänemark zu bringen. Daß bei solchen Ausweisungen unter Umständen Härten vor⸗ kommen, wer wollte das leugnen? Ich habe mich aber gewundert, daß die Regierung von der Ausweisungsbefugniß doch einen sehr spar⸗ samen Gebrauch gemacht hat. So konnte z. B. in einem sozialistischen Blatt ein Ausländer, der seine Artikel mit „Parvus“ unterzeichnet, gegen Staat und staatliche Ordnung unbehindert Artikel veröffentlichen, ohne daß er ausgewiesen wurde, während der Korrespondent eines konservativen Blattes in Paris kurzer Hand aus Frankreich aus⸗ gewiesen wurde, weil er Artikel verfaßte, die nicht ganz die Meinung der französischen Machthaber vertraten. Die Franzosen sind eben darin kurz angebunden. Was Oesterreich betrifft, so haben wir aus den Ausführungen des Staatssekretärs des Aeußern vernommen, daß zur Begleichung der Differenzen freundliche Verhandlungen schweben.
glauben, oder er verräth
Ich habe mich auch gefreut über die verhältnißmäßig harmlose Auf⸗ fassung, die er von den Vorgängen im österreichischen Parlament — ich verstehe darunter namentlich die Aeußerungen des Grafen Thun — hat. Wenn man diese Auffassung nicht theilen wollte, dann müßte man allerdings zu dem merkwürdigen Schluß kommen, daß Oester⸗ reich eine Frontschwenkung gemacht hat und den Versuch macht, die berüchtigte Schwarzenberg'sche Politik der Undankbarkeit zu treiben. Sie erinnern sich, daß wir den Handelsvertrag mit Oesterreich haupt⸗ sächlich bewilligten aus dem politischen Grunde, den Dreibund zu stärken. Träfe jene Auffassung nicht zu, so gäbe es kein beredteres Plaidoyer für die Militärvorlage, als die Rede des österreichischen Minister⸗Präsidenten im dortigen Parlament. Abg. Richter hat seine Freude darüber ausgesprochen, daß wir mit England in freundschaft⸗ lichen Beziehungen stehen, und er hat ausdrücklich dabei auf die Aeußerungen Chamberlain's hingewiesen. Ich wünschte, wir hätten viele Staatsmänner von der Art Thamberlain's, weil er den gesunden englischen Nationalegoismus besitzt, der uns Deutschen leider oft fehlt. Chamberlain hat vor kurzem gemeint, die englische Politik brauche von der kontinentalen nichts zu lernen, er glaube, England verfolge idealere Ziele als diese ; ja, die idealeren englischen Ziele scheinen mir bestanden zu haben in einer sehr, geschickten Aazunstens aller fremden Nationen. Aber so viel ist gewiß, daß wir Interessen haben, wo wir mit den Engländern sehr gut zusammengehen können. Was Amerika anbetrifft, so sagte Abg. Fritzen, beim spanisch⸗amerikanischen Kriege seien die Sympathien des deutschen Volks auf seiten der Spanier gewesen. Bis zu einem gewissen Grade hat er Recht. Es liegt in der Eigenthümlichkeit unseres Nationalcharakters, für den Schwächeren Partei zu nehmen, wenn er von einem sehr Starken angegriffen wird. Ich war selbst auch nicht frei von dieser Auf⸗ fassung, aber eine solche sentimentale Auffassung ist in der Politik nicht verwerthbar. Die Amerikaner sind eine große ausstrebende Nation, in der sich viel bessere Zuftände herausgebildet haben als in Spanien. Es mag ja im ersten Augenblick auffallen, daß Amerika anfängt, eine Expansionspolitik zu treiben, gegen die sich früher die amerikanischen Staatsmänner verwahrt haben. Aber Deutschland hat eigentlich ein Interesse daran, daß zu den Groß⸗ mächten, die auf der Welt konkurrieren, die eine kampfbereite Flotte haben, auch Amerika hinzutritt. Wir haben keine Veran⸗ lassung, das irgendwie zu bedauern. Außerdem haben wir es bei Amerika mit einem anglosächsischen Staate zu thun, und es kann uns als Germanen nur angenehm sein, daß ein zum großen Theil germanischer Staat in so kräftiger Weise aufgetreten ist, wie wir es im letzten amerikanisch⸗spanischen Kriege gesehen haben. Ich hoffe aber, daß man Amerika gegenüber den alten Bismarck'schen Grundsatz, daß man handelspolitische Fragen nicht mit anderen politi⸗ schen Fragen verquicken dürfe, wieder zur Geltung bringt. Wir hatten diesen Grundsatz bei den Handelsverträgen etwas vergessen. Die ganze Natur der Amerikaner ist so geartet, daß sie für ein schwächliches Zurückweichen unsererseits in handelspolitischen Fragen gar kein Verständ⸗ niß haben, wenn es ihnen allerdings auch ganz angenehm sein würde. Was unsere Sozialpolitik betrifft, so stehen wir auf dem Stand⸗ punkt, den wir schon früher vertheidigt haben. Ich halte es nicht für angebracht, bei der gegenwärtigen Lage der Dinge, dem Wachsen der Sozialdemokratie durch Anträge zu Hilfe zu kommen. Es könnte uns damit gehen wie den Kindern, die mit Streichhölzern in der Nähe einer Scheune spielen. Von der internationalen Konferenz gegen den Anarchismus verspreche ich mir auch nicht viel. J fürchte sogar, daß die Regierungen glauben könnten, mit dieser Konferenz das Wesentliche gethan zu haben, und daß der Kampf gegen die Sozialdemokratie nicht in derselben Weise fortgesetzt wird wie bisher. Ich habe kein Verständniß dafür, wie die verbündeten Regierungen die Verantwortung vor Seiner Majestät dem Kaiser und dem Lande tragen können, daß Millionen von Arbeitern willenlos in die Sklaverei der Herren Bebel und Singer gerathen. In Bezug auf die Militärvorlage hat der Abg. Richter wieder das vorgebrachl, was wir von dem Fortschritt schon einigermaßen kennen. Es mag sehr paradox klingen, was ich jetzt sagen will; aber der Abg. Richtet selbst ist der Vater des gesteigerten Militarismus in Deutschland.
werde es Ihnen beweisen. Das Wachsen des Militarismus besteht nicht darin, daß so und so viel Hunderttausende jährlich durch die Armee gehen, die nachher zu ihrem bürgerlichen Beruf zurückkehre sondern vielmehr in der Vermehrung der Zahl der Berufssoldaten. Als der frühere Kriegs⸗Minister von Verdy einen längeren Vor trag über die künftige Entwicklung der dentschen Armee hielt, plaidierte Abg. Richter für die zweijährige Dienstzeit. Ich habe ihn damals gefragt, ob er sich die finanzielle und sonstig Trogweite der zweijährigen Dienstzeit einmal vergegenwärtigt hätt Er antwortete nicht weiter darauf. Die finanzielle Tragweite ist seinerseits sehr unterschätzt worden. Die zweijäͤhrige Dienstzeit setzt doch voraus, daß auch das Instruktionspersonal, die Offiziere und
Doppelzentner
in Schleswig vorkommen können.
Unteroffiziere vermehrt würden. Das ist der gesteigerte Militarismus, 1 8”” Vater ist der Abg. Richter. Wenn damals der Ge⸗ danke laut wurde, die zweijährise Dienstzeit sei die ideale Ver⸗ wirklichung der allgemeinen Wehrpflicht, so folgt doch daraus, daß, wenn wir diesen Idealen nachstreben, wir dann allerdings eine Schraube ohrne Ende haben, so lange bis das deutsche Volk zu derjenigen Stagnation gelangt, in welcher die französische Be⸗ völkerung sich befindet. Vorläufig sind wir, Gott sei Dank, in einem gesunden Wachsthum. Nun muß ich offen gesteben, daß ich die stille Hoffnung gehabt habe, daß das, was jetzt in den Forderungen für das Landheer an uns herantritt, sich in sehr viel engeren Grenzen be⸗ wegen würde, als wir es heute vor uns haben. Diese Hoffnung hatte ich namentlich mit Rücksicht auf die deutsche Flotte. Ich glaube nicht, daß wir mit der jetzigen Flotte auskommen werden und können; anderer⸗ seits muß ich zugeben, daß ein Theil, und zwar der wichtigste, das un⸗ mittelbare Ergebniß derjenigen Bewilligungen ist, die wir im letzten Reichstag gemacht haben. Auch die Vermehrung der Artillerie hatte ich mir nicht so groß gedacht, aber auch sie war einigermaßen vorbereitet. Da aber der hauptsächlichste Theil der Militärlast wieder auf die ländlichen Bezirke fällt, so möchte ich die verbündeten Regierungen bitten, uns einmal eine genaue statistische Uebersicht zu geben, wie viele von den augenblicklich im Heere besindlichen Mannschaften vom platten Lande herstammen und wie viele aus den Städten. Professor Brentano hat darüber ganz falsche Behauptungen aufgestellt. Ich habe als Landrath einmal eine solche Statistik aufzustellen versucht und habe gefunden, daß die ländlichen Bezirke unglaublich stärker herangezogen wurden als die städtischen. Graf Mirbach hat im vergangenen Jahre eine Berechnung aufgestellt, wonach in der landwirthschaftichen Pro⸗ vinz Ostpreußen jährlich 13 000 Rekruten ausgehoben werden, in der Provinz Brandenburg mit Berlin nur 18 000, während nach der Bevbölkerungsziffer eigentlich 30 000 ausgehoben werden müßten. Das platte Land ist durch die Ausgaben für Krankenpflege, Verkehrswege, Schullasten ꝛc. viel stärker belastet als die Städte mit ihrer dicht zusammenwohnenden Bevölkerung. Ich greife wohl nicht zu hoch, wenn ich die kommunale Belastung der ländlichen Distrikte ziemlich doppelt so hoch taxiere wie die der großen Städte. Die Provinz Ostpreußen ist, wie ich höre, auch durch die gegenwärtige Regelung der Alters⸗ und Invalidenversorgung überlastet zu Gunsten der großen Städte. Die Erhöhung des Bankdiskonts kann die prosperierende Industrie mit Leichtigkeit tragen, nicht so der belastete Landwirth. Für diese Belastung hat der Land⸗ mann keine Entschädigung, wie der Industrielle in den hohen Preisen und dem glänzenden Geschäftsverkehr. Und dazu kommt die Ueberlastung durch die Aushebungen! Gegenüber dieser Belastung ist es keine Unbilligkeit, wenn die Landwirthschaft denselben Schutz beansprucht wie die Industrie. Sie kann verlangen, daß, solange die Handelsverträge deg- die verbündeten Regierungen der Landwirthschaft auf andere Weise helfen. Der Staatssekretär des Innern meinte, daß es der Landwirthschaft etwas besser gehe. Wenn er die Ergebnisse der Domänenverpachtung ansehen würde, würde er das nicht behaupten, denn die Domänenpachtpreise sind zurückgegangen. Ein Theil der Presse hat daraus, daß die Thron⸗ rede die Landwirthschaft nicht erwähnt, gefolgert, daß die Regierung davon Abstand nehmen wolle, die Landwirthschaft zu unter⸗ stützen. Ich ziehe diesen Schluß nicht. Es ist besser, wenn in der Thronrede keine falschen Füftnnsgen erweckt wurden, wenn die Hoff⸗ nungen sich auch so erfüllen. In der Thronrede ist auch manches Andere nicht erwähnt. Der Dreibund ist auch nicht erwähnt worden, und man braucht doch wohl deshalb keine Schlüsse auf das Bestehen des Dreibundes zu ziehen, ebensowenig wie daraus, daß das Ableben des großen Kanzlers, des Fürsten Bismarck nicht erwähnt ist. In einem auswärtigen Blatte habe ich einmal gelesen: in Deutschland wachse die Sozialdemokratie so rapid, daß mit mathematischer Genauigkeit auszurechnen wäre, daß in fünfzig Jahren von deutschen Fürsten überhaupt keine Rede mehr sein könnte. Ich denke, der alte Gott lebt noch, er wird es nicht zulassen, daß die Sozialdemokratie die Oberhand gewinnt. Der vorige Reichstag begann eigentlich nicht unter sehr günstigen Auspizien; Sie erinnern sich der scharfen Parteigegensätze bei der Ehrung des Fürsten Bismarck. Gleichwohl hat der vorige Reichstag große nationale Werke zu Wege gebracht, das Bürgerliche Gesetzbuch, die Militär⸗Strafprozeßordnung, und vor Allem hat er den Grund für die deutsche Flotte gelegt. Der gegenwärtige Reichstag ist unter günstigeren Auspizien eröffnet worden; ich hoffe, daß er nach Ablauf seiner Thätigkeit ebenso mit gutem Gewissen darauf wird zurückblicken können wie der vorige Reichstag auf die seinige.
Abg. Rickert (fr. Vgg.): Der Vorredner hat wieder die alte Forderang nach einem Sozialistengesetz ausgesprochen. Wollen Sie denn durchaus die Macht der sozialdemokratischen Partei stärken, daß Sie ein solches Gesetz fordern in einem Augenblick, wo selbst der Staatssekretär des Innern sich dagegen ausgesprochen hat? Ich kann mit der Statistik des Anwachsens der sozialdemokratischen Stimmen das Gezentheil von dem beweisen, was Herr von Kardorff beweisen wollte. Die sozialdemokratische Partei hat sich in der Intensität ihrer Be⸗ strebungen mehr und mehr den anderen Parteien in ihrer Methode genähert. An Vorlagen haben wir reichlich genug, wir brauchen nicht noch neue Arbeit. Ich will die Mittheilung des Grafen Posadowsky, daß lediglich der Stand der gesetzgeberischen Vorarbeiten die Ein⸗ berufung des Reichstages verzögert habe, nicht anzweifeln. Wenn die Arbeitskräfte nicht ausreichen, dann könnte man die Frage aufwerfen, ob nicht die Gesetzgebungsmaschine übermäßig in Anspruch genommen wird. War es nöthig, daß alle uns angekündigten Vorlagen in dieser Session eingebracht werden? Ein großer Theil der Gesetz⸗ gebungsarbeit kann nicht fertiggestellt werden, auch wenn der Reichs⸗ tag bis in den Sommer hinein tagt. Ist es da nicht zweckmäßig, daß die verbündeten Regierungen sich in ihren Vorlagen beschränken? Denn nichts ermüdet und entmuthigt mehr, als fortgesetzte Arbeit ohne Erfolg. Es ist mehr Fühlung mit dem Volke und dem Parlament nothwendig. Wenn es sich um Forderungen des Reichstages handelt, wo bleiben da die verbündeten Regierungen? Wie steht es mit dem kleinen Nothgesetz, betreffend das Verbindungsverbot der Vereine? Im Jahre 1897 ist der Gesetzentwurf wegen Beseitigung des Ver⸗ bots mit großer Mehrheit angenommen worden. In der offiziösen
wresse hat man es so dargestellt, als wenn der Reichskanzler jetzt eines Versprechens ledig wäre. Ich bestreite das. Das Ver⸗ sprechen besteht heute noch in vollem Umfange. Der Gesetzentwurf zum Schutze der Arbeitswilligen wird im Reichstage garnicht ver⸗ langt. Meine Freunde Pachnicke und Rösicke haben etwas Anderes verlangt, nämlich eine Erweiterung des Koalitionsrechtes. Die Vor⸗ lage ist noch nicht eingegangen, deshalb kann ich noch nicht darüber urtheilen; aber ich glaube, daß wir schwerlich der Vorlage zustimmen werden. Auch die Nationalliberalen wollen das Koalitionsrecht unangetastet aufrecht erhalten. Man hat im preußischen Ab⸗ geordnetenhause versucht, das Freizügigkeitsgesetz zu beseitigen, indem man vorgab, nur die Auswüchse beseitigen zu wollen. Wir können uns aber keine Vorstellung davon machen, wie das möglich sein soll. Herr von Kaphengst hat es allerdings als eine kleine Gefälligkeit bezeichnet, die ihm die Arbeiter erweisen müßten, daß sie für einen von ihm bezeichneten Kandidaten stimmen. Diese verwerflichen Anschauungen dürfen aller⸗ dings bei uns keinen 62. gewinnen. Der Staatssekretär Graf
osadowsky hat die alleinige Verantwortlichkeit des Reichskanzlers etont. Ich nehme an, daß der Reichskanzler nur für die Regierungs⸗ akte die volle Verantwortlichkeit übernimmt; nur von Regierungs⸗ akten sprechen wir hier. Die Frage der Ausweisungen ist eine Frage der inneren Politik, soweit nicht internationale Verträge dem Auslande ein Recht zur Einmischung geben. Ein Kulturstaat, wie es Preußen und das Reich sein will, muß aber prüfen, ob nicht durch die Ausweisungen 5 der Humanität verletzt werden. Diese Prüfung muß um so mehr geschehen, als dem Auslande nicht das Recht zusteht, Einspruch zu erheben. Im preußischen Abgeordnetenhause wird die Sache auch Fenolich zur Sprache gebracht werden. Ich muß mein lebhaftes
edauern darüber aussprechen, daß in Deutschland solche Dinge wie Ich erinnere nur daran, daß der Ober⸗Präsident von Köller selbst erklärt hat, daß die ausgewiesenen
Dienstboten keine Gesetze verletzt hätten, daß dadurch nur
ihre fanatischen Arbeitgeber bestraft werden sollten. In der Presse wird immer so gethan, als wenn man durch die Be⸗ zeichnung dieser Frage als einer nationalen die Opposition mundtodt machen könne. Wir lassen uns das nicht gefallen. Ein solches Ver⸗ fahren sollte man endlich einmal aufgeben. Graf Limburg⸗Stirum hat die Sozialdemokraten zu Vätern des Anarchismus gestempelt, weil sie fortwährend gegen das Bestehende hetzen und dadurch die gewalt⸗ thätigen Naturen aufreizen. Vielleicht besucht Herr Graf Limburg einmal die Versammlung der Agrarier in Hinterpommern. Der Rufer im Streit, der Gründer des Bundes der Landwirthe, fordert die Bauern auf, unter die Sozialdemoktaten zu gehen. Bei dieser Neigung zur Sozialdemokratie sind also auch die Agrarier die Väter des Anarchismus. Der Bund der Landwirthe steht ja auf den Schultern der Konservativen, der Nationalliberalen und des Zentrums. In dem konservativen Ostpreußen hat die Sozialdemokratie erhebliche Fortschritte gemacht. Sollte daran nicht die agrarische Agitation schuld sein? Rufen Sie nur nach Ausnahme⸗ gesetzen, nach Lebensmittelvertheuerung, und die Sozfaldemokraten werden sich noch zahlreicher hier einfinden. In Oberschlesien haben die Sozialdemokraten gerade durch die Fleischtheuerung erheblich gewonnen. Ich theile die Auffassung der Regierung von der wirth⸗ schaftlichen Lage; vor einigen Jahren war die Regierung nicht dieser Meinung, sie hatte neue Steuern verlangt. Daß wir jetzt schon beim Beginn des Niederganges seien, wie Herr von Vollmar meint, glaube ich nicht. Daß der Schatzsekretär die Schuldentilgungsvorlage gebracht hat, statt sie erst wieder vom Reichstage beschließen zu lassen, darüber freue ich mich im Gegensatz zu dem Grafen Limburg; er möge auf diesem Wege fortfahren. Eine Scheidung zwischen den einzelstaat⸗ lichen und den Reichs⸗Finanzen wünsche ich auch, aber nicht so, wie sie der Minister von Miquel will. Die Matrikularbeiträge stellen das Einnahmebewilligungsrecht dar, ohne welches die Volkspertretung keine eigentliche Volksvertretung wäre. Die Matrikularbeiträge dürfen nur durch eine konstitutionell gleichwerthige Steuer beseitigt werden. Das Defizit von 90 Millionen ist allerdings vorhanden, aber es ist nicht so bedenklich, weil es kein ungünstiges Verhältniß ist, wenn zu den einmaligen Ausgaben des Reichs aus den laufenden Einnahmen noch 162 Millionen verwendet werden. Graf Limburg und Herr Fritzen haben auch Anstoß genommen daran, daß der Reichs⸗Etat für Kunst und Wissenschaft etwas enthält. Gönnen Sie uns doch diesen Lichtblick! Soll der Etat nur aus Militär⸗ und Marineausgaben bestehen? Was soll bezüglich der Zuckersteuer geschehen? Wohin soll der Ueberschuß unserer Zucker⸗ produktion gehen? Bis vor wenigen Jahren war der Zucker⸗ verbrauch 12 ½ kg pro Kopf. Es giebt nur einen guten Weg zur Hebung der Zuckerindustrie, welche durch die Beseitigung der cubanischen Wirren ihren Export nach Amerika verlieren wird: die Steigerung des Verbrauchs im Auslande. Man sollte daher das Gesetz wieder aufleben lassen, welches die allmähliche Beseitigung der Prämien herbeiführen sollte. Herr von Kardorff hat gemeint, die Rede des Minister⸗Präsidenten Grafen Thun wäre die beste Begründung für die Militärvorlage. Das ist jg die reine Kriegs⸗ erklärung. Wir sind mit Herrn von Bülow der Meinung, daß der Dreibund noch fest besteht. Der Kriegs⸗Minister hat mir in der früheren Session eine Antwort gegeben, welche ich dahin aufgefaßt habe, daß eine solche Militärvorlage nicht kommen würde. Ueber die Frage der Miliz können wir uns bei der Militärvorlage selbst unter⸗ halten. Ich bin ein Gegner der Miliz. Nach der Schrift des schweizerischen Obersten Wille werden die Sozialdemokraten sich nicht mehr auf die Schweiz berufen. Die Stellung Deutsch⸗ lands in Bezug auf militärische Leistungen hängt allerdings von den Verhältnissen in Rußland und Frankreich ab. Die zwei⸗ jährige Dienstzeit ist nicht die Ursache der Steigerung der Zahl. Von der zweijährigen Dienstzeit kann der Kriegs⸗Minister jetzt nicht mehr zurück. Ich möchte jenen sehen, der die Verantwortung für die Wiedereinführung der dreijährigen Dienstzeit übernehmen wollte. Jedenfalls hat der Reichstag immer ein Wort mitzusprechen. Zur Kolonialpolitik habe ich mit meinen Freunden eine andere Stellung eingenommen als die uns nahestehenden Parteien, und zwar schon feit 1884, als der Reichskanzler Fürst Bismarck in der Budgetkommission sich über diese Frage aussprach. Die Kolonien sind vorhanden und wir müssen bewilligen, was nothwendig ist, um das angelegte Geld fruchtbar zu machen. Woran wir Anstoß nehmen, das ist die Ver⸗ waltung der Kolonien und die Art, wie man den Kaufmann be⸗ handelt, wie man in den Kolonien reglementiert. Herr von Kardorff und Graf Limburg waren sehr vorsichtig in Bezug auf ihre Forderungen für die Landwirthschaft. Wollen wir die guten Finanzen erhalten, dann muß die Handelsvertragspolitik fortgesetzt werden. Der Schatzsekretär wird nicht bestreiten, daß die Finanzen des Reichs durch die Erhaltung der Handelsvertragspolitik günstig beeinflußt sind, und er wird kaum die Verantwortung dafür übernehmen, die Handels⸗ vertragspolitik aufzugeben. Das wäre ein Schlag für Deutschland. Wer will denn die überschüssige Bevölkerung Deutschlands er⸗ nähren? Zeigt nicht die Statistik, daß eine halbe bis eine ganze Million der deutschen Bevölkerung nicht von der Landwirth⸗ schaft ernährt werden kann? Ich kann nur meiner Freude Ausdruck geben, daß die deutsche Regierung jetzt auch mit England in ein besseres Verhältniß gekommen ist. Der Staatssekretär des Auswärtigen war sehr knapp in seinen Aeußerungen darüber, aber sie waren erfreulich. Wir können stolz darauf sein, daß der deutsche Unternehmungsgeist sich auch neben England Raum geschaffen hat. Zu einer Abrüstung ist der jetzige Augenblick allerdings nicht geeignet und auch die Friedenskonferenz wird uns vorläufig nicht viel bringen können, aber mit Freude begrüßen wir es, daß gerade der russische Zar den Anstoß dazu ge⸗ geben hat. Solche großen Dinge kann man nicht in einem Auzenblick erledigen, ist aber erst einmal der Anfang gemacht, wird es auch weitergehen. Die deutsche Regierung wird dieses Streben durchaus unterstützen. So lange Frankreich allerdings die Lösung der elsaß⸗lothringischen Frage zur Vorbedingung macht, so wird eine Verständigung nicht möglich sein. Keine Partei in Deutschland wird aber an dem Frankfurter Frieden rütteln lassen. Angesichts der aktiven Betheiligung der Vereinigten Staaten von Amerika an der Weltpolitik muß man sagen, daß die deutsche Macht aufmerksam die Dinge verfolgt; Deutschland wird seinen Anspruch in dem Wettstreit der Völker nicht aufgeben. Aber ich gebe dem Staatssekretär Recht, das deutsche Schwert darf nur im Interesse des Friedens scharf ge⸗ halten werden, die Macht Deutschlands darf nur für den friedlichen Wettbewerb in Bewegung gesetzt werden. Fürst und Volk in Deutschland wollen nichts Anderes als den Frieden. Ich bin überzeugt, die Reise Seiner Majestät des Kaisers hat keinen anderen Zwecken
edient, als dem deutschen Namen in friedlichem Sinne Ansehen zu ver⸗ chaffen. Aber es giebt auch eine innere Politik, welche der Machtstellung eines großen Kulturvolkes entsprechen muß. Wir haben gute Finanzen und werden sie hoffentlich behalten, wir haben eine starke Armee, aber damit erschöpft sich das Interesse eines Kulturvolkes nicht. J
widerspreche dem Ausspruch des Staatssekretärs des Innern, da
Deutschland eines der freiheitlichst regierten Länder sei. Im Land⸗ tage werden wir zeigen, daß in großen Kreisen des preußischen Staats von einem freiheitlichen Regiment nicht die Rede ist. Wir verlangen neben guten Finanzen und einer starken Armee auch eine innere volks⸗ zentge Politik. Nur dann kann sich Deutschland auf der Höhe erhalten. 8
Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Freiherr von Thielmann:
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat den Zucker allerdings nur kurz gestreift, hat aber einen Punkt berührt, über den meiner Ansicht nach besser keine Unklarheit herrscht, und ich fürchte, sie würde herrschen, wenn den vom Herrn Vorredner vor⸗ gebrachten, aus Hamburger Quelle stammenden Einzelheiten betreffs des Zuckers seitens dieses hohen Hauses Glauben geschenkt würde. Der Herr Vorredner führte einen Hamburger Sachverständigen ins
Gefecht, der ihm erklärt hätte, Cuba unter amerikanischer
Herrschaft, oder sagen wir, unter amerikanischem Einfluß, würde in allerkürzester Frist das Bedürfniß der Vereinigten Staaten nach Zucker allein voll befriedigen. Ich bedauere, daß dieser Ham⸗ burgische Sachverständige nicht benannt worden ist (Zuruf links), sonst würde ich ihn morgen um seinen Besuch bitten und ihn noch um nähere Details ersuchen. Ich muß aber seiner Behauptung widersprechen. Ich bin weit davon entfernt, zu leugnen, daß, nachdem Cuba einmal unter den Einfluß der Vereinigten Staaten gekommen ist, auch die cubanische Zuckerausfjuhr nach den Vereinigten Staaten nicht noch erheblich wachsen und dadurch zum theil anderer Zucker verdrängt werden wird; aber die Ziffern sind jetzt noch nicht so ge⸗ fährlich, wie der Herr Vorredner sie darstellte. Die Vereinigten Staaten verbrauchen jährlich rund 2 Millionen Tonnen Zucker — ich rede hier in ganz runden Ziffern —. Zunächst lieferte Cuba vor der jüngsten Revolution ungefähr die Hälfte: 1 Million Tonnen. Gegen⸗ wärtig ist aber durch die Ereignisse der Revolution die cubanische Zuckererzeugung von 1 Million Tonnen auf wenig über ¼ Million Tonnen heruntergegangen. Nun bitte ich die Herren Landwirthe hier im Hause, zu berechnen, wie viel Zeit dazu erforderlich ist, um einen Acker, sei er mit Zuckerrohr oder womit bestellt, der devastiert ist, sodaß er in den letzten Jahren nur ½ Million Tonnen Zucker hat er⸗ zeugen können, bis auf das Doppelte der früheren Normalproduktion, also auf 2 Millionen Tonnen’ Ertrag zu steigern. Der Moment kann ja einmal eintreten; ich bin weit davon entfernt, es zu leugnen, aber keineswegs mit der Geschwindigkeit, die der Hamburgische Sach⸗ verständige dem Herrn Abg. Rickert geschildert hat. Also die Gefahr des Ausschlusses unseres Zuckers vom amerikanischen Markt, so ge⸗ wichtig sie auch für die spätere Zukunft ist, ist doch für die nächste Zukunft noch nicht so dringend, umsomehr, als infolge des gegen⸗ wärtig in den Vereinigten Staaten geltenden Zolltarifs, des sogenannten „Dingley tariff“, der deutsche Zucker ohnehin schon so gut wie aus⸗ geschlossen ist. Es sind nur in den letzten Monaten einige Posten hinübergegangen, nicht sehr bedeutende Mengen.
Der Herr Abg. Fritzen hatte vorgestern meiner Bemerkung gegenüber, daß das deutsche Volk gegenwärtig mehr Zucker verzehre als früher, gesagt, das sei nur scheinbar: die Mehreinnahme an Zuckersteuer komme nicht von dem höheren Zuckerverbrauch inner⸗ halb Deutschlands, sondern von der geringeren Ausfuhr her, indem geringere Ausfuhrprämien zu zahlen waren. Auch diese Behauptung ist nicht zutreffend. Ich kann Ihnen ziffermäßig nachweisen, daß einerseits die Bruttoeingänge an Steuern von Monat zu Monat, allerdings nicht genau regelmäßig, aber doch ziemlich regelmäßig, gewachsen sind, bis sie im November dieses Jahres, also im verflossenen Monate, eine Höhe von 14 ¼ Millionen erreicht haben, die noch nie da war. Gleichzeitig aber ist der Betrag der Ausfuhrzuschüsse nicht etwa heruntergegangen, sondern er hat den Voranschlag für das Rechnungsjahr 1898, soweit sich bis jetzt be⸗ rechnen läßt, noch um eine Million überschritten. Also auf der einen Seite erhöhte Einnahmen, auf der anderen Seite nicht etwa Erspar⸗ nisse an Ausfuhrzuschüssen; das, meine Herren, läßt nur zwei Schlüsse zu: entweder speichert der Kaufmann die Zuckerhüte bei sich auf, oder der Deutsche thut mehr Zucker in seinen Kaffee; ich glaube das letztere, von dem ersteren sind mir keine Anzeichen zur Kenntniß gekommen. Sie sehen also, daß die Sache keineswegs so schlimm liegt, wie sie von manchen Seiten dargestellt wird.
Ferner möchte ich mich noch gegen einen Ausdruck verwahren, den der Herr Abg. Rickert mir vorhin in den Mund gelegt hat, ich hätte im verflossenen Jahre das Zuckersteuergesetz von 1896 verurtheilt. (Widerspruch links.) — So hatte ich verstanden! — Ich habe damals gesagt: „es hat vielleicht nicht alles gehalten, was man von ihm er⸗ wartete; aber es ist nichtsdestoweniger doch ein Gesetz, mit dem wir im Großen und Ganzen jetzt vollkommen zufrieden sein können.’“ Und dieser Ansicht bin ich noch heute.
Abg. Dr. Graf zu Stolberg⸗Wernigerode (d. kons.): Da die Sozialdemokratie eine Frucht des Freisinns ist, ist offenbar. Freisinn hat das Volk zuerst unzufrieden gemacht, und die Sozial demokraten haben diese Unzufriedenheit benutzt. Wenn die Zuckersteuer herabgesetzt würde, so würde zunächst ein Defizit entstehen. Vielleich hebt sich aber der Inlandverbrauch des Zuckers, dann könnten wir dem Gedanken einmal nähertreten. Daß unsere Kolonien ihre jetzige Verwaltung haben, ist eine Folge davon, daß die dort angesiedelten Kaufleute noch nicht die genügende Selbständigkeit haben. Die Kolonie Neu⸗Guinea wurde nach den Wünschen des Herrn Rickert verwaltet; jetzt soll die Verwaltung auf das Reich über⸗ nommen werden. Wenn Herr Rickert die Wahl hätte, in welches Land würde er auswandern, wenn er ein möglichst freiheitliches Leben wünscht? Der glänzenden Lage der Industrie steht eine Kehrseite gegenüber: das Abströmen der Arbeiter vom Lande in die Industrie⸗ gegenden. Dadurch leiden nicht allein die Landwirthe; das platte Land und die kleinen Städte werden überall entvölkert. Es giebt kein unbedingt wirksames Mittel dagegen; aber man muß diese Be⸗ wegung systematisch abzuschwächen suchen und sie nicht bestärken, wie das vielfach geschehen ist, z. B. bezüglich der Kleinmühlenindustrie, welche geschädigt wird durch die Gewährung der Zollkredite und die falsche Bestimmung des Rendements. Ich möchte die dringende Bitte an die Regierung richten, hier Abbilfe zu schaffen. Das ist um so nothwendiger, weil in Preußen der Ausbau eines Kanalnetzes geplant ist. Die großen Mühlen würden von der billigen Wasserfracht in ausgedehntem Maße Gebrauch machen. Es wird uns eine Vorlage wegen der Invalidenversicherung in Aussicht gestellt, welche einige Verbesserungen bringt, aber der SFüh der großen Belastung des platten Landes wird nicht beseitigt. Ich theile das Gefühl der Sympathie für Nord⸗Amerika, welchem Herr von Kar⸗ dorff Ausdruck gegeben hat. Wir müssen mit Amerika in Frieden leben. Aber wir können uns seinen Forderungen nicht ohne weiteres unterwerfen; wir sind bezüglich des Zuckers seitens Nord⸗Amerikas differentiell behandelt worden. Jetzt handelt es sich nicht mehr um Zucker allein, sondern noch um ganz andere e. rotz des mit Frank⸗ reich abgeschlossenen Vertrages werden Deutschland gegenüber die Sätze des autonomen Zolltarifs angewendet. Ein solcher Zustand ist doch nicht haltbar, daß wir die Meistbegünstigung gemwähren, aber nicht wieder erhalten. Diesem Zustand n ein Ende gemacht werden, auch ohne 8 man sich leichtsinniger Weise in einen Zollkrieg stürzt. Die Einführung des Postcheckverkehrs halte ich für etwas Wünschens⸗ werthes und Praktisches, weil dadurch den weniger Bemittelten die Wohlthaten zugänglich gemacht werden, die bisher nur die Reichen durch das Girogeschäft hatten. Auch die anderen Reformpläne des Staatssekretärs der Reichspost halte ich durchaus für zweckmäßig. Die Ausführungen des Abg. Motty über die Behandlung der Polen gehörten eigentlich vor den Landtag. Wir befinden uns den Polen gegenüber lediglich in dem Zustande der Abwehr. Die
olen halten das ehemalige Polenreich noch nicht für beseitigt, denn e verlangen den freien Verkehr innerhalb desselben. Es besteht für e latent noch weiter und bei günstiger Gelegenheit möchten die
olen es wieder errichten. eerr Richter meinte, daß bei der Ver⸗ besserung des Artilleriematerials eine Vermehrung der Batterien nicht
nothwendig sei. Das Umgekehrte ist der ag Wenn wir das beste Material in dieser Beziehung haben, müssen wir auch möglichst viel davon haben. Ich glaube, daß gegen die Vermehrung der Artillerie