Verhältnisse — § 32 2 a—- g der Deutschen Wehrordnung —) sind bezüglich aller Militärpflichtigen, auch der Einzährig⸗ “ vor dem Musterungsgeschäft, spätestens aber im usterungstermine anzubringen; nach der Musterung ange⸗ brachte Reklamationen werden nur dann berücksichtigt, wenn die Veranlassung zu denselben erst nach Beendigung des Musterungsgeschäfts entstanden ist. Berlin, den 10. Januar 1899. Die Königlichen e“ der Aushebungs⸗Bezirke erlin. Dr. von Lepell.
Bekanntmachung.
Des Königs Majestät haben durch Allerhöchsten Erlaß
vom 6. d. M. die Einberufung des 25. Provinzial⸗ Landtages der Provinz Brandenburg zum 29. Ja⸗ nuar d. J. zu bestimmen geruht. Die Mitglieder desselben sind infolge dessen eingeladen worden, sich an dem gedachten Tage Mittags 12 Uhr im Landeshause zu Berlin zur Er⸗ öffnungssitzung zu versammeln.
Den Herren Abneordneten wird Gelegenheit geboten sein, gemeinsam an dem Vormittags 10 Uhr beginnenden Sonntags⸗ Gottesdienste in der Dom⸗Interimskirche theilzunehmen.
Potsdam, den 13. Januar 1899.
Der Ober⸗Präsident der Provinz Bra
“ 1 Staats⸗Minister
von Achenbach.
Personal⸗Veränderungen
Königlich Preußische Armee. Offiziere, Fähnriche ꝛc. Abschiedsbewilligunger Im aktiven Heere. Berlin, 10. Januar. Gen. Lt. von der Armee, in Genehmigung seines Abschiedsgesuchs mit Pension zur Disp. gestellt. v. Garnier, Lt. im Feld⸗Art. Regt. von Peucker (Schles.) Nr. 6, mit Pension, v. Gu6rard, Lt. im Bad. Fuß⸗Art. Regt. Nr. 14, mit Pension nebst Aussicht auf An⸗ stellung im Zivildienst, — der Abschied bewilligt. Berlin, 11. Januar. v. Gaudy, Gen. Major z. D., zuletzt Kommandeur der 8. JInf. Brig., der Charakter als Gen. Lt. verliehen. Im Beurlaubtenstande. Berlin, 10. Januar. Jacob⸗ son, Lt. der Res. des Inf. Regts. Herzog Karl von Mecklenburg⸗ Strelitz (6. Ostpreuß.) Nr. 43, mit Pension der Abschied bewilligt. Berlin, 11. Januar. v. Waldow, v. Puttkamer, Haupt⸗ leute a. D, zuletzt in der Res. des Kaiser Franz Garde⸗Gren. Regts. Nr. 2, der Charakter als Major verliehen.
Nichtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 14. Januar.
Seine Majestät der Kaiser und König hörten heute Vormittag die Vorträge des Chefs des Generalstabes, Generals Grafen von Schlieffen und des Chefs des Militär⸗ kabinets, Generals von Hahnke nnd nahmen sodann militärische Meldungen entgegen. ““
Das Staats⸗Ministerium trat heute Nachmittag 2 Uhr unter dem Vorsitz des Minister⸗Präsidenten Fürsten zu Hohenlohe im Dienstgebäude, Leipziger Platz 11, zu einer Sitzung zusammen.
Der Königliche Gesandte in München Graf von Monts hat einen ihm Allerhöchst bewilligten kurzen Urlaub angetreten. Während der Abwesenheit desselben fungiert der etatsmäßige Legations⸗Sekretär der Königlichen Gesandtschaft Graf von Bernstorff als Geschäftsträger.
. 8 4
Laut telegraphischer Meldung an das Ober⸗Kommando der Marine beabsichtigt S. M. S. „Prinzeß Wilhelm“, mit dem Chef des Kreuzer⸗Geschwaders, Vize⸗Admiral von Diederichs an Bord, Kommandant: Fregatten⸗Kapitän Truppel, am 16. Januar von Shanghai nach Amoy in See zu gehen; S. M. S. „Stosch“, Kommandant: Fregatten⸗ Kapitän Ehrlich, ist am 13. Januar in La Luz (Canarische Inseln) angekommen und beabsichtigt, am 16. d. M. nach Tanger (Marokko) in See zu gehen. 8
Württemberg.
Die Kammer der Standesherren hat, wie der „St.⸗ A. f. W.“ meldet, in ihrer gestrigen Sitzung den Antrag der Kommission, auf die Berathung des Ortsvorsteher⸗ Gesetzes nicht einzugehen, einstimmig angenommen.
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98 Frankreich. 1“
In dem gestern abgehaltenen Ministerrath kündigte, wie „W. T. B.“ meldet, der Kriegs⸗Minister de Freycinet an, er werde eine Untersuchung einleiten, um zu ermitteln, wie der Bericht des Kapitäns Herque, betreffend die Haltung der Räthe des Kassationshofes gegenüber Picquart, in die Hände von Personen habe gelangen können, welche der Regierung nicht angehörten.
Im Senat hielt der neu erwählte Präsident Loubet gestern seine Antrittsrede, in welcher er der Hoffnung auf eine baldige Wiederherstellung der Eintracht Ausdruck gab, die eine allgemeine Beruhigung zur Folge haben würde. Loubet füͤgt⸗ hinzu, daß Frankreich in selnen Beziehungen zu anderen Nationen durch seine loyale, im Dienste der Zivilisation stehende und uneigennützige Politik vorübergehend in Verlegen⸗ heiten gerathen könne, durch diese aber schnell wieder die Sympathien der Welt verdienen wede.
v. Ziemietzky,
Rußland. 8 Wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg vom gestrigen Tage meldet, ist der Großfürst Michael Nikolajewitsch von neuem als Vorsitzender des Reichsraths bestätigt worden. Der Finanz⸗Minister Witte und der Reichssekretär von lewe wurden zu Wirklichen Geheimen Räthen, der Geheime ath Baron Uexküll zum Gehilfen des Ministers für Land⸗ wirthschaft und Reichsgüter und der Minister für Verkehrs⸗ wege Fürst Chilkow unter Belassung in seiner Stellung zum Staatssekretär ernannt.
Spanien.
Der Minister⸗Präsident Sagasta wünscht, wie dem „W. T. B.“ aus Madrid berichtet wird, die Cortes zum 25. oder 30. d. M. einzuberufen. Vorher soll ein Rothbuch veröffentlicht werden. Sagasta wird in der ersten Fa ung die Kammer um die Annahme des Friedensvertrags ersuchen.
Die Regierung hat in Washington das von den Vereinigten Staaten bezüglich der Freilassung der spanischen Gefangenen auf den Philippinen gegebene Versprechen in Erinnerung gebracht und um schleunige gebeten.
8 Griechenland.
Der Bericht des Kronprinzen über den Krieg wird, dem „W. T. B.“ zufolge, heute erscheinen; derselbe umfaßt 400 Seiten und schreibt die Verantwortung für die Niederlage dem Mangel an Organisation, den schlechten Vorbereitungen und den Fehlern einiger Befehlshaber zu, die seine Befehle nicht ausgeführt hätten, namentlich der Weigerung Smolenski's, nach Domoko zu kommen. 1
Amerika. 8
Wie der New Yorker „World“ aus Föö ge⸗
meldet wird, dürfte der Friedensvertrag mit Spanien entweder wesentlich abgeändert oder verworfen werden. Achtunddreißig Senatoren hätten sich anheischig gemacht, für ein Amendement zu stimmen, welch’s die Vereinigten Staaten verpflichten solle, sich aus den Philippinen zurückzuziehen, gerade so, wie sie verpflichtet seien, sich aus Cuba zurückzu⸗ iehen. . Der „New York Herald“ meldet aus Washington, der Generalkommissar für die Armeeverpflegung Egan werde auf Befehl des Präsidenten MeKinley vor ein Kriegs⸗ gericht gestellt werden wegen der Sprache, welche er vor der Untersuchungskommission, die sich mit der angeb⸗ lichen Mißwirthschaft während des Krieges mit Spanien be⸗ schäftigte, dem General Miles gegenüber geführt habe. Egan hatte Miles einen Lügner genannt und auch sonst beschimpft, weil letzterer behauptet hatte, daß das der Armee gelieferte Rindfleisch, wie eine chemische Untersuchung erwiesen habe, ungenießbar gewesen sei. Nach dem „New York Herald“ heißt es nun, der Kommissionsbericht werde erklaͤren, diese Beschuldigung sei unwahr und das Fleisch sei gut gewesen. Es verlaute, der Präsident Me Kinley gehe mit dem Gedanken um, den General Miles infolge dieses Vorfalles vom Ober⸗Kommando der Armee zu entheben.
Der Senator Dingley ist, dem „W. T. B.“ zufolge, gestern gestorben. 3
Der Londoner „Morning Post“ wird aus Paris berichtet, daß, dort eingetroffenen Meldungen aus St. Petersburg zu⸗ folge, welche aus sonst wohl unterrichteter Quelle stammen, ein Bündnißvertrag zwischen Rußland und dem Emir von Afghanistan am 3. d. M. unterzeichnet worden sei⸗
Der „Agence Havas“ wird aus Madrid gemeldet, daß nach den daselbst eingegangenen Nachrichten die Amerikaner ihre Herrschaft auf den Philippinen nur im Gebiet der Bai von Manila behaupteten. Alles Uebrige mit Aus⸗ nahme von Mindanao, wo die Spanier auf Wunsch der Amerikaner geblieben seien, sei in der Gewalt der Auf⸗ ständischen. Die amerikanischen Freiwilligen seien durch das Klima und die schlechte Nahrung entmuthigt und bekundeten das Verlangen, nach den Vereinigten Staaten zurückzukehren.
Eine in Madrid eingetroffene amtliche Depesche aus Manila meldet, daß die nach Ilo⸗Ilo bestimmten ameri⸗ kanischen Truppen sich empört und sich geweigert hätten, ab⸗ zumarschieren. Der General Miller habe Befehl erhalten, Ilo⸗Ilo zu verlassen und nach Manila zurückzukehren. Sämmt⸗ liche amerikanischen Truppen sollten sich bei Manila konzen⸗ trieren, da die Lage dort sehr ernst sei.
Wie „W. T. B.“ berichtet, hat der spanische Miister⸗ Präsident Sagasta erklärt, daß an den General Rios Be⸗ fehle, betreffend die Beobachtung absoluter Neutralität seitens der spanischen Truppen, ergangen seien. 8 1
Der „Agenzia Stefani“ wird aus Massowah vom gestrigen Tage gemeldet, die Truppen des Ras Makonnen hätten in der Nacht vom 11. Januar unter dem Schutze eines dichten Nebels die befestigten Stellungen Ras Mangascha's anzugreifen gesucht, seien jedoch mit erheblichen Verlusten zaeesget nse worden. Es scherh daß Ras Man⸗ 85 Verstärkungen herangezogen habe, doch nicht in solchem
aße, daß er sich auf eine Schlacht außerhalb seiner Stellung einlassen könne.
1“ 8 Parlamentarische Nachrichten.
Der Bericht über die gestrige Sitzung des Reichs⸗ tages befindet sich in der Ersten Beilage.
Der Landgerichts⸗Raͤth Dr. Pieschel, Mitglied des Hauses der Abgeordneten für den 8. Merseburger Wahlbezirk (Naumburg, Weißenfels, Keiß, ist, wie „W. T. B.“ meldet, in der vergangenen Nacht in Naum⸗ burg a. S. gestorben.
Statistik und Volkswirthschaft.
Ein Ergänzungsheft zu 17 IV (1898) der „Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs“ enthält Arbeilen 1) über die deutsche Handels⸗Statistik na - und Leistungen und 2) über Garn⸗Einfuhr und ⸗Ausfuhr in den Jahren 1889 bis 1897. Erstere Arbeit zeigt die gegenwärtige Organisation unserer Handelsstatistik, insbesondere
ihren gegenwärtigen Einrichtungen
200 Schmiede der
ntwort
auch ihre Abhängigkeit von der Zollgesetzgebung, und die Schwierigkeiten, die ihr aus der geographischen Lage Deutschlands erwachsen, und bespricht ihre Veröffentlichungen, auch im Vergleich zu denen anderer Staaten, sowie die wünschenswerthen und möglichen Verbesserungen. Die zweite Axbeit bringt in vier Tabellen übersicht⸗ liche Nachweisungen über Ein⸗ und Ausfuhr von Baumwollen⸗, Leinen⸗, Jute⸗, Manilahanf⸗, Kokos⸗, Seiden⸗ und Wollengarn ein⸗ schließlich des “ in den 9 Jahren 1889/9
—
r Arbeiterbewegung.
In Krefeld haben gestern, wie die „Köln. Ztg.“ berichtet, die in eintägiger Kündigung stehenden Sammetweber von Konr. u. Sch. von Beckerath gekündigt; ferner kündigten Nachmittags die Weber der Firma F. W. Deußen. — Wie „W. T. B“ meldet, ist nunmehr in sämmtlichen mechanischen Sammetwebereien, auch in denen mit eintägiger Kündigungsfrist, die Kündigung erfolgt, sodaß am Sonntag früh sämmtliche Sammetweber ausständig sein werden.
Aus Kopenhagen wird der „Köln. Zig.“ telegraphiert, daß abrik Titan gestern die Arbeit niedergelegt haben.
In Edinburg nahm, wie demselben Blatt aus London ge⸗ schrieben wird, am Dienstag die Jahresversammlung der Berg⸗ ar beiter⸗Vereinigung von Großbritannien ihren Anfang. Zugegen waren 55 Mitglieder, die 408 651 Arbeiter vertraten. Das
Ersuchen der Bergarbeiter von Südwales und Monmouthsbire, zur
Mitgliedschaft der Vereinigung zugelassen zu werden, wurde ein⸗ stimmig genehmigt.
KRnunst und Wissenschaft.
Im Königlichen Kunstgewerbe⸗Museum wird im Laufe der näaͤchsten Woche eine für Berlin wichtige Ansstellung von Stoffen stattfinden. Der Minister für Handel und Gewerbe hat eine Sammlung alter und neuer Stoffe, einschließlich der Spitzen und Passementeriearbeiten, zusammenstellen lassen, welche för die höhere Webeschule in Berlin bestimmt ist und dieser überwiesen werden wird. Dieselbe soll direkt als Unterrichtsmaterial dienen und umfaßt daher Proben von Kunstwebereien aus allen Zeiten und Ländern, wobei die Perioden der höchstentwickelten Technik und Muster bevorzugt sind. Auch die moderne Kunstweberei ist reichlich berücksichtigt. Die sehr werthvolle Sammlung ist so umfangreich, daß die älteren und be⸗ sonders werthvollen Gruppen allein den ganzen Lichthof füllen werden Der Minister für Handel und Gewerbe hat den Magistrat und die Stadtverordneten sowie die nächstbetheiligten Lehranstalten zu einer Vorbesichtigung am Donnerstag, den 19. Januar, ein⸗
geladen, bei welcher der Geheime Regierungs⸗Rath, Professor Dr. 86 88
Lessing einen einleitenden Vortrag halten wird. 81
Nach dem Vorbilde der in Skandinavien neuerdings mit Erfolg wieder eingeführten Handwebtechniken, welche der mechanischen Weberei durch ihren künstlerischen Charakter überlegen sind, will auch der Letteverein seinen Kursen jetzt eine Kunstwebschule anschließen. Wie der Vorstand des Vereins mittheilt, besteht die Absicht, nur in den Techniken des Schicht, und Bildwebens unter⸗ richten zu lassen, wie sie in Norwegen geübt werden. Das Schichtweben beruht auf Mustern von quadratischer Grundlage, das Bildweben auf Mustern mit frei geschwungenen Linien; jenes erfordert nur Genauigkeit, dieses Augenmaß und etwas Formgefühl, weshalb außer dem Webunterricht ein Zeichenunterricht, welcher diese Anlagen an einfachen Aufgaben entwickeln soll, ertheilt werden wird. Die Lehrzeit ist auf ein halbes Jahr bemessen. Die Schülerinnenn erhalten Muster und Material, das sie nach Verbrauch vergüten müssen. Bei tadellosen Leistungen können sie schon in der Lehrzeit verdienen. Für ein Jahr nach Beendigung derselben werden ihnen Aufträge zugesichert. Zu diesem Zweck hat der Lette⸗Verein mit der „Nordischen Kunstweberei G. m. b. H.“ ein Abkommen getroffen. Der Lette⸗Verein beabsichtigt, durch seine Kunstwebschule nicht Dilettanten eine neue Technik zu bieten, sondern einen neuen Erwerbszweig, der in erster Linie als Haus⸗ industrie für Frauen geeignet ist, ins Leben zu rufen. Der einfache Webstuhl für die norwegische Technik beansprucht nicht so viel Platz, daß er nicht in einer Wohnstube stehen könnte. Das Arbeiten ist geräuschlos und im allgemeinen nicht an⸗ strengend; nur Fleiß und Genauigkeit erfordernd, ist es leicht er⸗ faßbar; es stellt durch die Muster immer neue Anforderungen an die Weberin und wird deshalb nicht langweilig. Durch die Uebung kann sich die Schnelligkeit und mit dieser der Verdienst steigern. Der Unterricht in der Kunstwebeschule des Lette⸗Vereins wird von Fräulein Maria Brinckmann aus Hamburg ertheilt, der Zeichen⸗ unterricht unter Assistenz einer noch zu bestimmenden Lehrkraft. Die Anmeldungen für den ersten Kursus haben bis zum 15. Februar zu erfolgen. Weitere Auskunft ertheilt die Registratur des Lett Vereins, Berlin, Königgrätzerstraße 90. “
Dem Comité der Ausstellung für künstlerische Photo⸗ graphie, welche im Februar und März d. J. im Gebaude der hiesigen Königlichen Akademie der Künste stattfinden wird, ist es gelungen, die Ueberlassung des größten Theiles der von der Münchener „Sezession“ veranstalteten photographischen Ausstellung zu erwirken. Die Münchener Ausstellung, welche im Laufe des Januar geschlossen wird, hat in dortigen Künstlerkreisen viel Interesse erregt; man darf also dieser Kollektion, welche einen wesentlichen Bestandtheil der hiesigen Veranstaltung bilden wird, mit Spannung entgegensehen.
1“ m 1 “ 8—
6“ Bauwesen.
Von dem Neubau des Abgeordnetenhauses enthält das „Centralblatt der Bauverwaltung“ in seiner heute ausgegebenen Nummer den ersten Theil einer ausführlichen Beschreibung, welcher wir Folgendes entnehmen: Der von dem Geheimen Baurath Friedrich Schulze geschaffene Bau, dessen Hauptfront zur besseren Wirkung und mit Rücksicht auf das gegenüberliegende Kunstgewerbe⸗Museum etwa 22m egen die Baufluchtlinie zurückgesetzt wurde, ist in den Formen einer hn entwickelten italienischen Hochrenaissance gehalten. Der Aufbau gliedert sich in drei klar zum Ausdruck gebrachte Geschosse. Das unterste, nahezu ebenerdige ist als kräftig gequaderter Gebäudesockel ausgebildet; darüber lagert in leichterem Quaderbau das untere Haupt⸗ geschoß mit rundbogig in Rustica geschlossenen Fenfeeseeche und oberhalb eines nur mäßig stark ausladenden Gurtgesimses setzt das obere Hauptgeschoß mit seinen mächtigen giebelüberdeckten Palast⸗ fenstern auf, dessen hohe Obermauer, im wesentlichen glatt belassen, nur durch eine Reihe kleiner, dem Dachgeschoß angehöriger Licht⸗ öffnungen durchbrochen wird. Als das eigentliche Schmuckstück der Front ist der stark vorgezogene Mittelbau ausgebildet. Zwischen breiten, von bekrönenden Aufbauten überragten Eckpfeilern öffnet sich, von sechs kräftigen korinthischen Säulen getragen, im Ober⸗ eschoß die Halle des großen, auch für festliche Veranstaltungen bestimmten Fraktions⸗Sitzungssaales. Die Wandflächen über den rundbogigen Saalfenstern sind mit Ornament in starkem Relief ausgefüllt, dem die Wappen der preußischen Provinzen ein⸗ gefügt sind. An bevorzugterer Stelle, in den nur wenig eingetieften Mitteltheilen der Oberwand der beiden Eckpfeiler, sind, von heral⸗ dischen Löwen gehalten, zur Linken das preußische Königswappen und zur Rechten, ein Hinweis auf die Erbauungszeit des Hauses, das Wappen der Königin Auguste Victoria angebracht. Als mittleres Gegenstück zu diesen beiden besonders betonten Darstellungen ragt über der Attika des Gebäudes das prenßsische Staatswappen auf, ge⸗ stützt von männlichen Wappenhaltern und von der Königskrone be⸗ schattet. Erheblich höher noch sind die Bekrönungen über den beiden Eckpfeilern des Mittelbaues entwickelt. Hier thronen zwei allegorische weibliche Gestalten, die dem Beschauer verkünden,
e⸗ 6
18 In den Docks und Entrepots J 1 90 5
3 die Arbeiten in diesem Hause unter dem Schutz des Rechts dns 8 Gesetzes vollziehen. Z vischen diesen Bekrönungen und dem Staatswapven endlich haben auf dem Brüstungsgeländer vier stehende weibliche Figuren: der Ackerbau, der Handel, die Gelehrsamkeit und die Kunst, Platz gefunden. Der gesammte Bildwerkschmuck der oberen Front ist nach Modellen des Professors Otto Lessing ausgeführt. Erwähnt sei noch, daß die vier auf den Hauptecken des Vorder⸗ baues aufgestellten großen Schalen dazu bestimmt sind, bei Fest⸗ beleuchtungen als Flammenbecken zu dienen. — Wir steigen nun die inmitten der Auffahrtrampe belegene Freitreppe hinauf, werfen noch einen Blick auf die beiden Lichtträger, die, in Form von Obelisken mit figürlichem Bronzeschmuck ebenfalls nach Modellen Lessing's ausgeführt, die Auffahrt beleuchten, und wenden uns dem Haupteingange zu, der sich inmitten der Front mit drei weiten, reich geschmiedeten Pforten öffnet. Auf den vom Bildhauer Wenck gemeißelten Schlußsteinen der Thür⸗ bögen finden wir in der Mitte die Wehrkraft, zu Seiten die Land⸗ wirthschaft und die Industrie verkörpert als diejenigen Haupterwerbs⸗ zweige, die des starken Schutzes jener am wenigsten entrathen können. Die Abgeordneten werden übrigens nicht auf diesen Haupt⸗ eingang allein angewiesen sein: an der östlichen Seitenfront ist ein Nebenportal angelegt, das, sowohl von der Prinz Albrecht⸗Straße wie auch von der Leipzigerstraße aus erreichbar, den Zugang zu den Geschäftszimmern und den inneren Räumen des Hauses ermöglicht. Ein entsprechender Zugang an der Westfront ist für die Minister und Diplomaten bestimmt. An dieser Seite befindet sich auch die Zufahrt zu den im Verbindungsbau zwischen beiden Häusern des Landtages angeordneten Räumlichkeiten für den Königlichen Hof und die Minister sowie zum Garten des Herrenhauses. Der Architekt hat es nicht unterlassen, diese verschiedenartige Bestimmung der beiden seitlichen Umfahrten auch bildlich in zwei Reliefs zum Ausdruck zu bringen, die den hoben Umwehrungsmauern zu beiden Seiten der Vorderfront ein⸗ gefügt sind: je zwei Löwen, die hier die Königskrone, dort die Wahl⸗ urne bewachen. — In das Innere des Hauses eintretend, gelangen wir durch Windfänge hindurch zunächst in eine geräumige, durch zwei Ge⸗ schosse geführte überwölbte Eingangsballe, der seitlich die Pförtner⸗ loge einerseits und der Raum für Post und Telegraphie andererseits an⸗ gesehlosten sind. Die seitlichen Durchbrechungen bieten Einblicke in die Schreibzimmer, die mittleren einen freien Durchblick durch die Treppenhalle und die Wandelhalle hindurch bis zu den Eingängen des großen Sitzungssaales. Die Formengebung der Eingangshalle, noch schlicht und derb im Charakter des Werksteinbaues gehalten, vermittelt den Uebergang von der äußeren Architektur zu der des Gebäude⸗Inneren. Aus dem vom Bildhauer Westphal geschaffenen plastischen Zierrath verdienen die Gewölberosetten hervorgehoben zu werden, deren Motive in reizvoller Stilisierung der einheimischen Pflanzenwelt entnommen sind. — Durch einen nochmaligen dreithürigen Glasabschluß tritt man von hier in die zugfrei gehaltene Haupt⸗ treppenhalle ein. Durch Sockel⸗, Haupt⸗ und Obergeschoß durch⸗ gesührt und in letzterem mit einer rings umlaufenden Verbindungs⸗ galerie versehen, ist sie als der Hauptraum des vorderen Gebäude⸗ theiles aufzufassen, um den sich die wesentlichsten, von den Mitgliedern des Hauses unmittelbar benutzten Räumlichkeiten gruppieren. Der Eingangsseite gegenüber befindet sich im Sockelgeschoß das geräumige Kleidergelaß, in dem die Abgeordneten ablegen, um dann entweder durch besondere Garderobetreppen unmittelbar nach dem großen Sitzungssaale oder durch die Treppenhalle zurück über die Haupttreppen nach den vorderen Haupträumlichkeiten, den
schreib- und Lesesälen, den Erfrischungsräumen, der Wandel⸗ halle u. s. w. zu gelangen. Auch in der Treppenhalle bieten sich dem Eintretenden fesselnde Durchblicke dar. Geradeaus öffnet sich mit großen, durch Hermen getheilten Fenstern als vornehmster Repräsen⸗ tationsraum des Hauses die Wandelhalle. Rechts und links schweift der Blick über die geraden zum Hauptgeschoß sühren⸗ den Treppenläufe weiter aufwärts bis zu den Decken der Haupttreppenhäuser, deren Mitteilauf sich in der Richtung der unteren Treypen fortsetzt. Aufwärts schauend in der hohen, durch ein reich geschmücktes Oberlicht erleuchteten Halle, erkennt der Sach⸗ verständige die Schwierigkeit, die in der Bewältigung der be⸗ deutenden Höhe dieses verhältnißmäßig schmalen Raumes lag. — In der Ausstattung der Treppenhalle als dem Vorraume, in dem der Eintretende sich noch nicht durch die Vorgänge oder Geschäfte im Hause in Anspruch genommen sieht, ist die Symbolik in besonders ausgiebigem Maße herangezogen worden. Den Hauptschmuck des Raumes bilden vier überlebensgroße allegorische, durch Kupfer⸗ niederschlag hergestellte Figuren, die vier wichtigsten Eigenschaften vorstellend, welche ein Volksvertreter in sich vereinigen soll: die Vaterlandsliebe, die Gerechtigkeit, die Weisheit und die Beredsam⸗ keit. Modelliert sind diese Figuren vom Bildhauer Stark. An den Voutenzwickeln unterhalb des Laufganges sind die Wappen der preußischen Regierungshauptstädte angebracht, denen sich in den vier Ecken des Raumes Adlergruppen mit der Königskrone anschließen. In den Brüstungsfüllungen unterhalb der Wandelhallen⸗Fenster be⸗ finden sich Reliefs humorvoll sinnbildlichen Inhalts, die Westphal in Stuck modelliert hat: das Buch der Weisheit, von Eulen vorgetragen, der seine Jungen im Nest vertheidigende Adler als Sinnbild der ihre Vorlage durchfechtenden Regierung, die Mauerkrone mit Lilien als Symbol der Bürgertugenden, die Glocke mit Kampfhähnen als Bild der widerstreitenden Parteien im Banne der Präsidentenglocke u. s. w. Auch die in der Mitte der Eintrittsseite angebrachte Uhr, die mit ihrer Umrahmung zu einem Schmuckstück der Halle gestaltet ist, weist sinn⸗ bildlichen Zierath auf: die von ihr angegebenen Zeiten, der Morgen, der Tag, der Abend und die Nacht, sind durch die entsprechenden Flügel⸗ thiere, den Hahn, den Adler, die Fledermaus und die Eule verkörpert. Auf den Friesen oberhalb der drei Eingangsthüren treten uns drei im Vollrelief gehaltene Männerköpfe aus dem entgegen; es sind die Bildnisse des Erbauers des Hauses und seiner beiden Hauptmitarbeiter. Steigen wir nun eine der Haupttreppen hinan und durchschreiten nach der Tiefe des Hauses ein Stück des als kräftige tonnenüberwölbte toskanische Halle ausgebildeten vorderen Flurganges vom Haupt⸗ geschoß, so gelangen wir, wieder umbiegend, in die dem Sitzungssaale vorgelegte große Wandelhalle. Im Gegensatz zu den weiß ge⸗ haltenen Vorräumen umfängt uns hier eine farbenwarme behagliche Stimmung. Ein weicher, purpurner Smyrnateppich bedeckt den Fußboden. Darüber, auf einem Sockel von grauem Saalburger und schwarzem belgischen Marmor erheben sich Wandpfeiler und Säulen aus gelblichem Stuckmarmor, die das weitgespannte kasset⸗ tierte Tonnengewölbe tragen, dem durch lichte Farbentöne, vornehm⸗ lich Weiß und Golrd, die schwer lastende Wirkung genommen ist. Bedeutungsvolle Anziehungspunkte sind durch zwei von Hans Koberstein auf die Schildbogenflächen der Schmalseiten gemalte Wandbilder erzielt worden, die „das gesprochene“ und „das ge⸗ schriebene Wort“ versinnbildlichen. Westlich sehen wir die Rede vor dem versammelten Rath, östlich die Berathung im Schoße der Partei dargestellt. Dadurch, daß der Maler die moderne Tracht vermieden, seine Gestalten vielmehr in die prächtigen Gewänder der Renaissance⸗ zeit gekleidet hat, ist es ihm möglich gewesen, in diesen Bildern einen besonderen, der Stimmung des Raumes angepaßten Farbenreichthum zur Geltung zu bringen.
Land⸗ und Forstwirthschaft. Weizeneinfuhr Marseilles.
—
* Nach den Wochenübersichten des „Sémaphore“ betrug die Weizen⸗
einfuhr Marseilles auf dem Seewege: in der Zeit vom 11. bis zum 16. Dezember davon aus Rußland . . ... in der Zeit vom 18. bis zum 23. Dezember davon aus Rußland . . . . . . . . . . in der Zeit vom 25. bis zum 30. Dezember... davon aus Rußland . .. in der Zeit vom 1. bis zum 6. Januar. davon aus Rußland..
128 927 da, 56 263 „ 143 038 63 180 178 783 48 130 43 793 11“ 8 930 von Marseille befanden sich am
k“
Getreidehandel Argentiniens.
Ausfuhr von Getreide aus dem Hafen von Buenos Aires für die Zeit vom 16. bis 30. November 1898.
Verschiffungsziel Menge in Säcken Gesammt⸗
Getreideart (bolans) menge
in 1000 kg*) 122 516 39 103 31 824 29 287 23 397 10 766 208 001 602 507
89 976 2 618
Mais England Deutschland Süd⸗Afrika Italien 8
rasilien Belgien .Vincent (Ordre)
insgesammt
Brasilien Belgien Italien 1 247
insgesammt 93 841 Belgien 432 28
Leinsaat
Gegenwerth der höchsten und niedrigsten Preise in Mark nach dem Durch⸗ schnittskurse von § m/n 1 = ℳ 1,87
Preise im Großhandel für 1 dz
Mais, und zwar: §m/n bis S m/ n a. gelber 3 3,20 b. weißer
Weizen, und zwar:
a. guter und feinerer. b. geringer und mittel⸗ mäßiger.
c. Candeal .
Leinsaat 1““
*) Die „bolsa“ zu 66,66 kg.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Japan.
Die seiner Zeit für Herkünfte von der Insel Formosa wegen der dort herrschenden Pest angeordneten Quarantänemaßregeln sind seit dem 30. November v. J. aufgehoben worden. (Vergl. „R.⸗A.“ Nr. 68 vom 19. März v. J.)
5 18
8 Verkehrs⸗Anstalten.
La Telegramm aus Köln (Rhein) sind die dritte englische Post von London über Ostende vom 12. Januar und die zweite englische Post über Ostende vom 13. Ja⸗ nuar ausgeblieben, weil die Fee des Dampfers von Dover wegen Sturmes ausgefallen sind. 2
Von den „Post⸗ und Telegraphen⸗Nachrichten für das Huhnin, ist eine neue Ausgabe erschienen. Diese bei dem
ublikum längst bekannte und beliebte Zusammenstellung enthält in bequemer alle wesentlichen Tarif⸗ und Versendungs⸗ Bestimmungen für den Post⸗ und Telegraphenverkehr. Da am 1. Januar zahlreiche und erhebliche Aenderungen in den Bestimmungen über Postsendungen eingetreten sind — es sei hier nur an die Erhöhung des Meistbetrages bei Pestanweisungen und bei Nachnahmen, an die Erweiterung der Gewichtsgrenze bei Waarenproben u. a. m. erinnert —, so wird das Erscheinen dieser neuen Ausgabe sehr willkommen sein. Die „Post⸗ und Telegraphen⸗ Nachrichten“ sind bei allen Reichs⸗Post⸗ und Telegraphen⸗Anstalten, sowie durch Vermittelung der Briefträger und Landbriefträger zum Preise von 15 Pf. für das Exemplar zu haben.
St. Petersburg. 13. Januar. (W. T. B) Die Telephon⸗ leitung zwischen St. Petersburg und Moskau ist gestern dem Verkehr übergeben worden. “
Bremen, 13. Januar. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Dampfer „Aller“ 12. Jan. Reise n. Genua fortges. „Barbarossa“, n. Australien best., 13. Jan. in Colombo angek. „Roland“ 13. Jan. v. New York in Bremerhaven angek. „Prinz⸗Regent Luitpold“, n. Australien best., 12. Jan. in Antwerpen angek „Bayern’ 12. Jan. Reise v. Antwerpen n. Bremen fortges. „Mark“ 12. Jan. Reise v. Vigo n. Bremen fortges. „Bremen“ 12. Jan. Reise v. Fremantle n. Bremen fortgef. „H. H. Meier“, v. Baltimore kommend, 12. Jan. St. Catherines Point passiert. „Pfalz“ 12. Jan. Reise v. Southampton n. d. La Plata fortges. „Friedrich der Große“, v. Australien kommend, 12. Jan. v. Genua n. Bremen weitergeg. „Kaiser Wilhelm II.“* 12. Jan. v. Genua n. New York abgegangen.
— 14. Januar. (W. T. B.) Dampfer „Königsberg“, v. Ost⸗ Asien kommend, 13. Jan. in Aden, „Kaiser Wilhelm II.“ 13. Jan. in Neapel angekommen.
Hamburg, 13. Januar. (W. T. B.) Hamburg⸗Amerika⸗, Linie. Dampfer „Hereynia“ gestern in Colon, „Dorothea Rickmers“ gestern in Vokohama, „Sovia“ gestern in Havre, „Constantia“ gestern in Antwerpen angek. „Markomannia“ vporgestern in St. Thomas, „Valencia“ vorgestern v. Havre, „Fürst Bismarck“ gestern v. Gibraltar und „Knight of St. George“ gestern v. Baltimore abgeg. „Pretoria“ heute morgen in Cuxhaven angekommen. „
London, 13. Januar. (W. T. B.) Castle⸗Linie. Dampfer „Tintagel Castle“ heute auf Ausreise von London abgegangen.
Rotterdam, 13. Januar. (W. T. B.) Holland⸗Amerika Linie. Dampfer „Spaarndam“ von New York heute Vormittag in Rotterdam angekommen. “
Theater und Musik.
Theater des Westens. 1
Gestern Abend gelangte Verdi's Oper „La Traviata“ bei trefflicher Besetzung zu einer erfolgreichen Aufführung. Madame Elena de Tériane, die in der Rolle der Violetta gastierte, sang die Partie in italienischer Sprache mit der ganzen Lebhaftig⸗ keit und dem innigen Gefühl, welches den Südländerinnen deer zu sein pflegt. Das klangvolle, ausgiebige Organ zeigte sich in dieser Rolle ebenso ausdrucksfähig für die Regungen des Schmerzes wie für die stürmischen Wallungen der Leidenschaft, ohne an Glanz und Fülle zu verlieren; die Sängerin verfügt ferner über eine sehr achtbare eee im Koloraturgesange, welche der Ge⸗ Hege der gesanglichen Leistung sehr zu statten kam, während ie 158— zum Tremolieren ihr nur wenig Abbruch that. Herr Alberti brachte die Rolle des Alfred Germont gesanglich gleichfalls zu uter Wirkung, und Herr Luria gewann als Vater Germont eine be⸗ ondere Anerkennung mit dem Vortrage des Heimathliedes im zweiten Akt. — Das Drchester hielt sich wacker, sodaß die Vorstellung auch im Ganzen einen sehr günstigen Eindruck hinterließ.
Lessing⸗Theater.
Es ist eine Merkwürdigkeit des dramatischen Schaffens, daß die Bühnendichter zuweilen gleichzeitig dieselben Bahnen einschlagen, ohne daß die Maglichkeit vorläge, daß sie sich zuvor beeinflußt hätten. Dieser Zufall ist wieder einmal eingetroffen. Vor Kurzem machte Cariot Reuling in seinem neuesten Werke „Der bunte Schleier“, das im Berliner Theater in Scene ging, den Versuch, in Raimund'scher Manier die Märchenwelt mit der Wirklichkeit zu verquicken; gestern
Thür gewiesen habe. Die „Wiener Fee’ vertheidigt sich und sett es durch, daß „Humanitas“ als Bettlerin und Vagabundin mit
brachte das Lessing⸗Theater „Das liebe Ich“, ein Volksstück in
drei Akten und einem Vorspiel von C. Karlweis zur Erstaufführung, das die gleichen Bestrebungen zeigt und sich noch viel bewußter an den Dichter des „Verschwender“ und von „Alpenkönig und Menschen⸗ feind“ anlehnt. Auch hier begiebt sich das Vorspiel im Feenreich. Die bee „Humanitas“ beklagt sich vor den Feenrichtern über das artherzige, egoistische Gebahren des Wiener Fabrikanten Heindl, der ihr, von der „Wiener Fee“ darin bestärkt, die
hrer
Klage abgewiesen wird. Nach der Gerichtsscene aber versöhnt sie sich wieder mit „Humanitas“ und verspricht ihr, den Heindl zu bessern.
(Als Bundesgenossen erwählt sie sich „Morpheus“, der den Nacht⸗ wächterposten kanten durch böse Träume von
im Feenreiche bekleidet. Dieser soll den Fabri⸗ seiner Eigenliebe heilen. Aus versetzt das Stück den Zuschauer nun⸗ mehr in die Wirklichkeit, und zwar wird Heindl und seine Umgebung vorgeführt. Man lernt den Fabrikanten als geizigen Haustyrannen kennen, der die Menschenliebe für eine Phrase und das Erbarmen für eine Schwäche hält. Frau, Tochter und Sohn müssen sich seinen Launen fügen. Dem Freier, der um der Tochter Hand anhält, weist er hochmüthig die Thür, weil er kein Vermögen besitze, den Freund, der unverschuldet in Noth gerathen ist und um Hilfe bittet, fertigt er schroff ab und setzt sich, ohne Gewissensbisse zu verspüren, an seinen wohlgedeckten Tisch. Nach eingenommener Mahlzeit entschlummert er auf dem Sopha seines Zimmers, und nun ziehen die Menschen, die man bisher in Wirklichkeit um ihn gesehen, als schattenhafte Traumgestalten an ihm vorüber. Die Seinen wenden sich von ihm ab, der Freund, dem er die Hülfe versagt, und von dem er fürchtet, daß er sich das Leben genommen habe, steht gespenstisch vor ihm und zieht den Widerstrebenden fort von der wohlbestellten Tafel in das Elend hinaus. Nun sieht er sich als Bettler durch die Straßen wandelnd, hilflos und freundlos, dem Hungertode nahe. Keiner seiner früheren Genossen hat Erbarmen mit ihm. Selbst sein vormaliger Hausknecht, der jetzt in dem Hause wohnt, das einst ihm gehörte, höhnt ihn. Nur mit äußerster Mühe gelingt es dem Verlassenen,
dem Feenreiche
durch harte Arbeit, die seine schwachen Kräfte kaum bewältigen können,
ein Stück Brot zu verdienen. Da steht plötzlich ein armes Weib vor ihm, wie er es früher hartherzig von seiner Schwelle fortgejagt. Die Reue packt ihn, seine Augen feuchten sich, und trotz seines eigenen Hungers giebt er nun der Darbenden sein sauer verdientes Brot. Soweit das den zweiten Akt ausfüllende Traumbild. Der letzte Aufzug führt in die Wirklich⸗ keit zurück. Heindl erwacht und heschließt, von dem Eindruck der düsteren Nachtgesichte überwältigt, sich fortan zu bessern. Mit recht wirksamem Humor wird nun gezeigt, wie er dabei zu Werke geht. — Das hiesige Publikum bereitete diesem Stück, das in Wien einen großen Erfolg zu verzeichnen hatte, eine recht freundliche Auf⸗ nahme. Das Erkünstelte des Stoffs und die Lehrhaftigkeit des Inhalts ließen ein wärmeres Interesse jedoch nicht aufkommen. Am frischesten wirkten die humoristischen Scenen aus dem Wiener Bürgerleben, welches Herr Karlweis trefflich zu charakterisieren ver⸗ steht. Die Darstellung war in allen Theilen nur zu loben. In dem Vorspiel zeichneten sich die Damen Sauer und Groß, die Herren Guthery, Senius, Pauli und Pagay aus. In den drei Akten des Volksstücks muß namentlich der Leistung des Herrn Bonn als Fabrikant Heindl mit voller Anerkennung gedacht werden. In ihrem Element war auch Fräulein Jenny Groß, welche eine junge Wienerin mit Humor und Frische darstellte. Die übrigen Aufgaben wurden von den Damen Waldegg und Pagay, von den Herren Schönfeld, Pfeil, Nissel, Kriete, Leisner und Waldow be⸗ friedigend gelöst. Die Schwierigkeiten der Inscenierung hatte der Ober⸗Regisseur Herr Adolf Steinert mit Geschick überwunden. Der anwesende Verfasser wurde mehrfach hervorgerufken. 8
Im Königlichen Opernhause geht morgen Richard Wagsgner’s Oper „Rienzi, der letzte der Tribunen“ mit Herrn Sylva in der Titelrolle in Scene. Die Irene singt Fräulein Reinl, den Adriano Frau Goetze. Kapellmeister Strauß dirigiert. — Am Montag findet der 6. Symphonie⸗Abend der Königlichen Kapelle unter Kapellmeister Fenr Weingartner's Leitung statt. Die öffentliche Hauptprobe it Mittags 12 Uhr. Es gelangen zur Ausführung: die „Eroica“⸗Symphonie von Beethovbven, die symphonische Dichtung „Ultava“ von Smetana sowie als Novität die Symphonie in G-dur von Weingartner. Billets zu 1 und 2 ℳ sind bei Bote u. Bock zu haben.
Im Königlichen Schauspielhause wird morgen auf Allerhöchsten Befehl — neu einstudiert — Sbakespeare’s Trauer⸗ spiel „Julius Cäsar“, übersetzt von Schlegel, gegeben. Die neuen Dekorationen sind vom Hofmaler, Professor Brückner in Coburg angefertigt, die neuen Kostüme nach den Zeichnungen und Angaben des Königlichen Theater⸗Kostümiers, Malers Guthknecht. Das Werk ist vom Ober⸗Regisseur Grube in Scene gesetzt, die maschinelle Ein⸗ richtung hat der Ober⸗Inspektor Brandt besorgt. — Am Montag findet eine Aufführung von Josef Lauff's historischem Schauspiel „Der Burggraf“ statt. — Seine Majestät der Kaiser und König ließ nach der gestrigen Aufführung des Lustspiels „Die Lust⸗ spielfirma“ durch den General⸗Intendanten, Grafen von Hochberg sämmt⸗ lichen Mitwirkenden Allerhöchstseine besondere Anerkennung und Zu⸗ friedenheit aussprechen.
Im Neuen Königlichen Opern⸗Theater gelangt morgen sürsemas ren Preisen das Lustspiel „Auf der Sonnenseite“ zur Auf⸗
rung.
Das Deutsche Theater hat für nächste Woche folgenden Spielplan festgesetzt: Morgen Abend: „Lumpacivagabundus“ Montag: „Romeo und Julia“; Dienstag, Donnerstag und Freitag: „Fuhrmann Henschel“; Mittwoch: „Cyrano von Bergerac“. Am Sonnabend geht Sudermann'’s neues dramatisches Gedicht „Die drei Reiber edern“ zum ersten Mal in Scene und wird am nächstfolgenden Sonntag und Montag Abend wiederholt. Als Nach⸗ mittags⸗Vorstellung geht sowohl morgen wie am nächstfolgenden Sonntag „Die versunkene Glocke“ in Scene.
Im Berliner Theater wird „Familie Jensen“ morgen, am Dienstag, Freitag (23. Abonnements⸗Vorstellung) und nächsten Sonn⸗ tag wiederholt. „Zaza“ geht am Montag und Sonnabend, „Das Erbe“ am Mittwoch zum 25. Mal in Scene. Die nächste Auf⸗ führung von „Faust“, I. Theil, findet am Donnerstag statt. Morgen ttag wird „Renaissance“, nächsten Sonntag Nachmittag „Don Carlos“ gegeben. „Das tapfere Schneiderlein“, Zaubermärchen von A. Prasch, wird am Sonnabend Nachmittag wiederholt.
Das Schiller⸗Theater bringt morgen Nachmittag „Die Räuber“, Abends das Volksstück „Hasemann's Töchter“ von L'Arronge zur Aufführung. Wiederholungen des Schwanks „Die Leibrente“ finden von Montag bis einschließlich Sonnabend statt, mit Ausnahme von Donnerstag, an welchem Tage E. von Wolzogen’s Komödie „Das Lumpengesindel“ in Scene geht. Nächsten Sonntag Nachmittag wird „Das vierte Gebot“, Abends die Posse „Ehrliche Arbeit“ gegeben. — Im Bürgersaale des Rathhauses findet morgen ein „Marschner⸗ Abend“ statt. K
Im Theater des Westens finden am Sonnabend nächster 8 und am darauf folgenden Sonntag die ersten Auffüh der Max Loewengard'schen komischen Oper „Die 14 Nothhelfer“ statt. den Abend beschließen Aufführungen von „Cavalleria rusticana“, in denen Madame Elena de Tériane die Santuzza singen wird. Morgen und am Mittwoch finden mit der Gastin Wiederholungen von „La Traviata“ flatt. Am Montag wird „Die Regimentstochter“ mit darauf folgendem Ballet⸗Divertissement, am Dienstag „Fra Divalo“ gegeben. — Am Mittwoch Nachmittag geht zum letzten Male als Kindervorstellung „Schneewittchen“ in Scene, während am Alfred Rittershaus als Eleazar ein kurzes Gastspiel beginnt. Vorstellung zu halben Preisen bringt das Schiller. Theater ausnahmsweise am Freitag Grillparzer's Trauerspiel „Die Ahnfrau“ zur Aufführung.