1899 / 16 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 18 Jan 1899 18:00:01 GMT) scan diff

Personal⸗VBeränderunge

8 Königlich Preußische Armee.

Offiziere, Fähnriche ꝛc. Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. Berlin, 12. Ja⸗ nuar. Jordan, Hauptm. und Komp. Chef im 1 Nassau. Inf. Regt. Nr. 87, behufs Vertretung eines Lehrers auf drei Monate zur Kriegsschule in Potsdam kommandiert. 1

Berlin, 14. Januar. Schmidt v. Hirschfelde, Hauptm. und Komp. Chef im 6. Thüring. Inf. Regt. Nr. 95, unter Stellung à la suite dieses Regts., zum persönlichen Adjutanten des Erbprinzen von Sachsen⸗Coburg und Gotha Königlicher Hoheit ernannt. v. Studnitz, Lt. im 1. Garde⸗Drag. Regt. Königin von Groß⸗ britannien und Irland, in das Kür. Regt. Graf Geßler (Rbein.) Nr. 8, v. Schell, Lt. im 1. Garde⸗Feld⸗Art. Regt., in das Feld⸗ Art. Regt. Nr. 35, Conrad, Lt. der Res. des Hess. Jäger⸗Bats. Nr. 11, Siewert, Lt. der Res. des Jäger⸗Bats. Graf Yorck von Wartenburg (Ostpreuß.) Nr. 1, als Lts. und Feldjäger in das Reitende Fs Fr Fer⸗ versetzt.

Abschiedsbewilligungen. Imaktiven Heere. Potsdam, 30. Dezember Lehmann, Feldw. Lt. von der Haupt⸗Kadetten⸗ anstalt, mit Pension und seiner bisherigen Uniform der Abschied

bewilligt.

Berlin, 12. Januar. Ruchholtz, Lt. im Fuß⸗Art. Regt. von Hindersin (Pomm.) Nr. 2, mit Pension der Abschied bewilligt. Detmer, Oberst a. D., zuletzt Kommandeur des Landw. Bezirks Deutz, unter Ertheilung der Erlaubniß zum ferneren Tragen der Uniform des Inf. Regts. Graf Bülow vog Dennewitz (6. Westfäl.) Nr. 55, mit seiner Pension zur Disp. gestellt.

Berlin, 14. Januar. v. Rüxleben, Hauptm. und persön⸗ licher Adjutant des Erbprinzen von Sachsen⸗Coburg und Gotha König⸗ licher Hoheit, mit Pension und der Uniform des Kaiser Franz Garde⸗ Gren. Regts. Nr. 2 der Abschied bewilligt. Scherz, Oberlt. und

eldjäger im Reitenden Feldjäger⸗Korps, ausgeschieden und zu den Res. ffizieren des Magdeburg. Jäger⸗Bats. Nr. 4 übergetreten. Beamte der Militär⸗Verwaltung.

Durch Verfügung des Kriegs⸗Ministeriums. 27. De⸗ zember. Hamann, Intend. Registrator von der Intend des Garde⸗ Korps, unter Entbindung von dem Kommando zur Dienstleistung bei dem Kriegs⸗Ministerium, zur Intend. des VII. Armee⸗Korps versetzt.

31. Dezember. Fleischer, Intend. Registrator von der Intend. des V. Armee⸗Korps, zum 1. Februar 1899 zu der Intend. des Garde⸗Korps, Voß, Intend. Sekretär von der Korps⸗Intend. des XVII. Armee⸗Korps, zu der Intend. der 36. Div., Helling, Intend. Sekretär von der Korps⸗Intend. des II. Armee⸗Korps, zu der Korps⸗Intend. des XVII. Armee⸗Korps, versetzt. Queitsch, Roßarzt vom Hus. Regt. von Schill (1. Schles.) Nr. 4, auf seinen Antrag zum 1. Januar 1899 mit Pension in den Ruhestand versetzt.

2. Januar. Kern, Intend. Rath von der Korps⸗Intend des 5 Armee⸗Korps, zu der Korps⸗Intend. des XV. Armee⸗Korps versetzt.

8 Januar. Gildemeister, Kanzlei⸗Diätar, zum Geheimen Kanzlei ⸗Sekretär im Kriegs⸗Ministerium ernannt.

4. Januar. Küchenhof, Intend. Sekretär von der Intend. der 31. Div., zu der Korps⸗Intend. des XV. Armee⸗Korps, Müller, Intend. Bureau⸗Diätar von der Korps⸗Intend. des XV. Armee⸗Korps, zu der Intend. der 31. Div., versetzt. Müller, Intend. Bureau⸗ Diätar von der Intend. der 31. Div., zum Intend. Sekretär ernannt.

5. Januar. Rode. Rechnungs⸗Rath, Intend. Sekretär von der Intend. der 2. Div., zu der Intend. der 1. Div., Eggert, Fevyerabend, Intend. Sekretäre von der Intend. der 1. bezw. 2. Div., zu der Korps⸗Intend. des I. Armee⸗Korps, Thielmann, Intend. Sekretär von der Kops⸗Intend. des I. Armee⸗Korps, zu der Intend. der 2. Div., versetzt. Leonhardt, Zahlmstr. vom 2. Bat. Inf. Regts. Nr. 150, auf seinen Antrag zum 1. Februar 1899, Pape, Zahlmstr. vom Pion. Bat. Nr. 15, auf seinen Antrag zum 1. April 1899, mit Pension in den Ruhestand versetzt. 1

7. Januar. Schmitt⸗Peffenhausen, Stellenanwärter, Geheimer Sekretär bei der Gen. Milstärkasse angestellt. 3

Königlich Bayerische Armee. 2 6

Offiziere, Fähnriche ꝛc. Ernennungen, Beförde⸗ rungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. 29. De⸗ zember. Graf v. Ingelheim gen. Echter v. u. zu Mespel⸗ brunn, Rirtm. der Res. des 5. Chev. Regts. Erzberzog Albrecht von Oesterreich, zu den Offizieren à la suite der Armee mit der Uaniform des 5. Chev. Regts. Erzherzog Albrecht von Oesterreich versetzt.

5. Jan

1 r. Dippert, Oberst z. D. beim Bezirks⸗Kommando Nürnberg,

cheichenzuber, Oberstlt. z. D. beim Bezirks⸗ Kommando Landshut, diesen zum 31. d. Mts., zu Bezirks⸗ Kommandeuren ernannt. Graf Eckbrecht v. Dürckheim⸗Mont⸗ martin, Hauptm. à la suite des Inf. Leib⸗Regts., vom 1. Februar I. J. ab auf die Dauer eines weiteren Jahres beurlaubt.

10. Januar. Schaller, Hauptm. à la suite des Ingen. Korps und Lehrer an der Kriegsschule, zum Komp. Chef im 1. Pion. Bat, v. Grundherr zu Altenthan u. Wevherhaus, Hauptm. und Komp. Chef im 1. Pion. Bat., unter Stellung à la suite des Ingen. Korys, zum Lehrer an der Kriegsschule, beide zum 1. k. M. ernannt. Rabung, Pr. Lt. vom 1. Pion. Bat., zur Fortifikation Ingolstadt zum 1. k. M., Prinz Georg von Bayern, Königliche Hoheit, Sec. Lt, bisher à la suite des Inf Leib⸗Regiments, nach Beendi⸗ ung der Offiziersprüfung 1899 in den etatsmäß. Stand dieses Regts., Port. Fähnr. vom 20. Inf. Regt., zum 15. Inf. Regt. König Albert von Sachsen, Seiferling, Port. Fähnr. vom 15. Inf. Regt. König Albert von Sachsen, zum 1. Train⸗Bat., versetzt. Wester⸗ nacher, Unteroff. und Offizier⸗Aspir. im 2. Ulan. Regt. König, Ritter v. Poschinger, Unteroff. und Offizier⸗Aspir. im 2. Schweren Reiter⸗Regt. vakant Kronprinz Erzbherzog Rudolf von Oesterreich, zu Port. Fähnrichen befördert. Peter, Pr. Lt. des 14. Inf. Regts. Hartmann, Lacher, Pr. Lr. des 15. Inf. Regts. König Albert von Sachsen, diesen unter Versetzung zum 16. Inf. Regt. Großherzog Ferdinand von Toskana, von der Funktion als Insp. Offiziere an der Kriegs⸗ schule zum 1. k. M. enthoben. Rüber, Pr. Lt. des 12, Inf. Regts.

rinz Arnulf, Wölfl, Pr. Lt. des 16. Inf. Regts. Großherzog erdinand von Toskana, als Insp. Offiztere zum 1. k. M. zur Kriegsschule kommantiert.

Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. 5. Ja⸗ nuar. Rüdel, Oberst z. D. und Kommandeur des Landw. Bezirks Nürnberg mit der Erlaubniß zum Tragen der Uniform des 16. Inf. Regts. Großherzoag Ferdinand von Toskana, Döderlein, Oberstlt. z. D. und Kommandeur des Landw. Bezirks Landshut, mit der Er⸗ laubniß zum Tragen der Uniform des 8. Inf. Regts. Pranckh zum 31. d. M., beiden mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen mit der gesetzlichen Pension der Abschied bewilligt.

7. Januar. Priester, Sec. Lt des 6. Inf. Regts. Kaiser Wilhelm, König von Preußen, das erbetene Ausscheiden aus dem Heere mit dem 7. k. M. behufs Uebertritts in die Kaiserliche Schutztruppe für Deutsch⸗Ostafrika bewilligt.

Beamte der Militär⸗Verwaltung.

1. Januar. Murmann, Millitäranwärter, Kasernen⸗Insp. auf Probe bei der Garn. Verwalt. München, Rahner, Militär⸗ anwärter, Kasernen⸗Insp. auf Probe bei der Garn. Verwalt. Ingol⸗ stadt, zu Kasernen⸗Inspektoren ernannt. Landgraf, Kasernen⸗ Insp. der Garn. Verwalt. Passau, zum Garn. Verwalt. Insp. be⸗ fördert. Schuhmann, Kasernen⸗Insp. von der Garn. Verwalt.

4.

Ingolstadt, zu jener in Augsburg versetzt.

XII. (Königlich Sächsisches) Armee⸗Korposg.

Offiziere, Fähnriche ꝛc. Abschiedsbewilligungen.

Im aktiven Heere. 11. Januar. v. d. Decken, Oberlt. vom

1. (Leib⸗) Gren. Regt. Nr. 100, mit Pension der Abschied bewilligt. Beamte der Militär⸗Verwaltung.

Durch Verfügung des Kriegs⸗Ministeriums. 28. De⸗

ber. Dutschmann Rechnungs⸗Rath Kassierer beim Kriegs⸗

ua

zahlamt, zum Kriegs⸗Zahlmstr.,, Starke, Rechnungs⸗Rath, Militär⸗Buchhalter beim Kriegszahlamt, zum Kassierer, Klotzsche, Rechnungs⸗Rath, Geheimer expedierender Sekretär im Kriegs⸗Ministe⸗ rium, zum Militär⸗Buchhalter beim Kriegszahlamt. Meyer, Geheimer 872, Sekretär von der Korps⸗Intend., zum Geheimen expedierenden

ekretär im Kriegs⸗Ministerium, Baumgaertner, Bureau⸗Diätar von der Korps⸗Intend., zum Intend. Sekretär, ernannt. Hofmann, als Intend. Bureau⸗Diätar bei der Korps⸗Intend. angestellt. 3

8 30. Dezember. Böttner, Unter⸗Avpotheker der Res. des Landw. Bezirks Dresden⸗Altst, zum Ober⸗Apotheker des Beurlaubten⸗ standes befördert.

7. Januar. Kießling, Rechnungs⸗Rath, Topograph bei dem

topographischen Bureau des Generalstabes, auf seinen Antrag unter dem 1. Mai 1899 mit Pension in den Ruhestand versetzt.

Deutscher Reichstag. 11. Sitzung vom 17. Januar 1899, 1 Uhr.

Ueber den Anfang der Sitzung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet.

Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung des Reichshaushalts⸗Etats für das Rechnungsjahr 1899.

Bei dem Etat des Reichskanzlers und der Reichs⸗ kanzlei nimmt zunächst das Wort der

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.). Redner giebt eine ausführliche Darstellung der lippischen Thronfolge⸗Angelegenheit und kritisiert sodann den Beschluß des Bundesraths vom 5. Januar d. J. Dieser Spruch sei das Schlimmste, was dem Lande, seiner Regierung und seinen Beamten hätte zugefügt werden können. Während der letzten fünf Jabre habe sich das Beamtenthum dort zu einer charakterfesten Stellungnahme nach irgend einer Seite nicht entschließen können. Die Hinausschiebung der Entscheidung habe in dem Lande einen unerträglichen Zustand erzeuat, auf welchen die Reichs⸗ verdrossenheit dort in erster Linie zurückgeführt werden müsse. Die Lipper erklärten, der Bundesrath sei zu einem solchen Beschlusse nicht legitimiert gewesen. Nach Art. 76 unterliegen Streitigkeiten von ver⸗ schiedenen Bundesstaaten auf Anruf eines Theils der Erledigung durch den Bundesrath. Dieser babe bei seiner Entscheidung den Wortlaut des Artikels nicht respektiert. Es handele sich nicht um einen Streit von Bundesstaaten, sondern um eine Frage des Privat⸗ fürstenrechts. Solche Fragen gehörten nicht vor den Bundesrath, sondern sie seien von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden. Der Reichstag müsse protestieren gegen das Vorgehen des Bundesraths und dadurch den Bewohnern Lippes wieder Vertrauen eirflößen. Redner hoffe, daß auch die Vertreter der Minderheit des Bundesraths im Reichstage das Wort nehmen würden. Dann werde man er⸗ fahren, welche Staaten im Bundesrath gegen den Beschluß gewesen seien.

Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe⸗Schillingsfürst:

Auf die Ausführungen des Herrn Vorredners habe ich Folgendes zu erklären:

Die Reichsverfassung weist in Artikel 76 Absatz 1 gewisse öffentlich⸗ rechtliche Streitigkeiten unter kestimmten Voraussetzungen dem Bundes⸗ rathe zur Erledigung zu, welcher selbständig und allein darnach zu handeln, insbesondere zunächst über seine Kompetenz zu entscheiden hat. Ein solcher Entscheid ist lediglich ein Akt bundesrechtlicher Jurisdiktion. Obwohl ich mit dem ergangenen Beschlusse völlig einverstanden bin, vermag ich im Hinblick auf diese staatsrechtliche Stellung des Bundesraths doch nicht in eine Diskussion einzutreten; denn Urtheile können naturgemäß nicht wie Gesetzentwürfe oder Akte der vollziehenden Gewalt den Gegenstand einer nachträglichen zwei⸗ seitigen Verhandlung bilden.

Indeß scheint mir auch zu dem Beschlusse über die Zuständig⸗ keit kein aufklärendes Wort nöthig. Denn es ist in dem Beschlusse durch Aufführung der einzelnen Thatsachen selbst völlig kiargestellt, daß bei der allerdings kontroversen Auslegung des Artikels 76 Absatz 1 der Reichsverfassung der Bundesrath in seiner großen Mehrheit den Umstand als entscheidend erachtet hat, daß thatsächlich in seiner äußeren Erscheinung für beide Parteien der Streit den Charakter einer von ihren Regierungen geführten Staatsangelegenheit an⸗ genommen hat und die Bundesinstanz in dieser Streitlage angerufen worden ist.

Das Verhältniß der Landesgesetzgebung gegenüber dem fürst⸗ lichen Hausrechte bildet den Hauptstreitpunkt, und da über diesen die

Entscheidung völlig vorbehalten ist, muß ich es mir versagen, durch

irgend welche Erklärungen der künftigen Entscheidung unbefugter Weise vorzugreifen. 8

Endlich ist es bemängelt, daß der Bundesrath nicht sofort zu einer materiellen Erledigung des Streites geschritten ist.

Würde ein strittiger Successionsfall bereits eingetreten sein oder nach menschlicher Voraussicht näher bevorstehen, so wäre „es freilich nicht wohl angegangen, von dem Kompetenzpunkt schon die nächste Frage zu trennen, unter welchen prozessualen Modalitäten die weitere Erledigung erfolgen wird; indeß ist zu beachten, daß bei der Bejahung der Kompetenz jetzt schon der Rechtsstand für beide Theile im Sinne der Ziffer 3 des Beschlusses festgelegt worden ist.

Die Trennung des Entscheids der Zuständigkeits⸗ und der sach⸗ lichen Frage hat unter der Herrschaft der Austrägalordnung des früheren deutschen Bundesrechts regelmäßig stattgehabt. Es entspricht auch nur

dem Charakter des Bundesverhältnisses, nicht vorzeitig durch Vereini⸗

gung der verschiedenen Prozeßabschnitte die Möglichkeit auszuschließen, daß in einem neuen Stadium eine Annäherung der streitenden Theile, sei es durch eigene Vereinbarung eines Austrags, sei es in der Sache

selbst, eintrete.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): E; bleibt hiernach immer noch offen, ob der Bundesrath nicht besser gethan hätte, sich schon sofort darüber zu äußern, ob Schaumburg⸗Lippe berechtigt war, den Anspruch, den es erhob, als einen staatsrechtlichen zu erheben. Der Bundesrath zieht aus der Anrufung den Schluß, es handle sich um einen Streit zwischen zwei Staaten. Der Beschluß läßt nicht erkennen, wie der Bundesrath dazu gekommen ist, den Zwiespalt zwischen zwei Regierungen als einen Zwiespalt zwischen zwei Staaten zu be⸗ trachten. Die Frage wäre gewiß im Reichstage sehr gründlich geprüft worden. Die Privatfürstenrechte gehören garnicht zu unserer Kognition. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß es sich hier nicht um den Streit zweier Staaten, sondern zweier Fürstenhäufer handelt. Von diesem Standpunkt bestreite ich im Einverständniß und im Namen aller meiner politischen Freunde die Zuständigkeit des Bundesraths, aber noch viel mehr die Zuständigkeit des Reichstages in dieser innerlippischen Frage. Wir haben r die Thronfolge⸗ berechtigung nicht zu entscheiden, sondern einzig die Staatsgesetzgebung. Darum enthalte ich mich, gegenüber der vom Bundesrath herbei⸗ eführten Verwirrung eine neue Verwirrung zu schaffen. rage nur: ist der Bundesrath sachlich zuständig? Daß es sich um eine Streitigkeit nicht zwischen den beiden Staaten, sondern zwischen den beiden Fürstenhäusern handelt, darüber hat unter Mitwirkung des Reichskanzlers der Schiedsvertrag bereits Entscheidung getroffen. Da steht nirgends zu lesen, daß die Fürstlich schaumburgische Regierung als Vertretung des lippe⸗schaumburgischen Staats mftgewirkt dat. Wäre das der Fall, dann wäre der Schieds⸗ spruch nichtig. Ist er gültig, dann mußte der Bundesrath sofort zur 1“ 1“

tät der und mithin über die Thronfolge ein Streit zwischen zwei Staaten

Abweisung des schaumburgischen Anspruches kommen. indem er seine Kompetenz nach Art. 76 in Anspruch nahm, aber erklärte, daß sie in diesem Falle nicht vorlag. Der Darlegung des Abg. Lenzmann, da der Bundesrathsbeschluß in sich nichtig sei, stimmen wir zu. N. unserer Meinung hat der Bundesrath dem Rechtsbewußtsein einen schweren Schaden zugefügt. Da ist es Sache des Reichstags, seine Pflicht wahrzunehmen und an dieser Stelle dem Worte praktische Geltung zu verschaffen: Recht muß doch Recht bleiben!

Abg. Dr. von Dziembowski⸗Pomian (Pole) kommt auf die Frage der Züchtigung des Gesindes zu sprechen, um nachzuweisen, daß in Preußen eine falsche Auslegung des Bürgerlichen Gesetz⸗ buchs versucht werde, insofern als ein Erlaß des Ministers des Innern an die nachgeordneten Behörden, auch an die Distrikts⸗ kommissare in Posen, die straffreie Züchtigung des Gesindes auch nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches als erlaubt hinstelle.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Meine Herren! Ich wußte nicht, daß nach den Ausführungen der ersten beiden Herren Redner der dritte Redner dieses Hauses auf einen ganz anderen Gegenstand übergehen würde, sonst hätte ich sofort nach Herrn Dr. Lieber den Herrn Präsidenten gebeten, mir das Wort zu ertheilen; denn ich halte mich verpflichtet, namens des Bundesraths gegen die Kritik Einspruch zu erheben, die der Herr Abg. Lenzmann an einem Beschlusse des Bundesraths geübt hat.

Meine Herren, Bundesrath und Reichstag stehen sich vollkommen gleichberechtigt gegenüber, und ich möchte wohl wissen, wie der Reichs⸗ tag sich stellen würde, wenn ein Mitglied des Bundesratbhs über einen Beschluß des Reichstages in diesen Ausdrücken, in diesen Formen sprechen würde, wie dies der Herr Abg. Lenzmann gethan hat. Wir würden der Ansicht sein, daß durch eine derartige Ausdrucksweise die Rücksichten auf das schwerste verletzt würden, die eine gesetzgebende Körperschaft der anderen gegenüber schuldig ist, wenn überhaupt eine gedeihliche Verhandlung zwischen den beiden Körperschaften auf die Dauer möglich sein soll. (Sehr richtig! rechts.)

Ich glaube, daß diese Ausführungen formell genügen werden, um auch in Ihnen das Gefühl hervorzurufen, daß die Ausführungen des Herrn Abg. Lenzmann weit über das hinausgingen, was der Bundes⸗ rath in der Lage ist, zu ertragen.

Was die sachlichen Ausführungen des Herrn Abg. Lenzmann be⸗ trifft, so glaube ich, hat derselbe etwas verkannt: er hat in der ganzen Lippeschen Angelegenheit immer nur von einem privatrechtlichen Streit gesprochen. Es handelt sich aber hier nicht um einen privatrecht⸗ lichen Streit, sondern um einen Streit, der sich auf die Vorschriften des Privatfürstenrechts gründet, welches in den meisten deutschen Verfassungen ausdrücklich verfassungsmäßig sanktioniert ist.

Die Sachlage ist folgende: Der Fürst von Schaumburg⸗Lippe hat geglaubt, daß seine Ansprüche auf das Fürstenthum Lippe durch gesetz⸗ geberische Handlungen der Fürstlich lippeschen Regierung und des lippeschen Landtages verletzt wären. Diese Auffassung ist von seiner Regierung vertreten worden; seitens der Fürstlich lippeschen Regierung ist diese Auffassung bestritten, und schließlich ist die Kontroverse vor den Bundesrath gebracht. Die Entscheidungsgründe der einzelnen Re⸗ gierungen waren vielfache.

Ich frage Sie aber, meine Herren, kann nicht unzweifelhaft da⸗ durch ein Streit zwischen zwei Staaten entstehen, daß eine Staats⸗ regierung glaubt, daß das Recht eines ihrer Staatsangehörigen sach⸗ lich von einem anderen Staate verletzt ist, und daß sie die Sache zu der ihrigen macht? Deshalb aber, „daß dieser Staatsangehörige, dessen Recht eine Regierung für verletzt hält, der Landesberr selbst ist“, kann ein Streit zwischen zwei Staaten doch nicht ausgeschlossen sein. So gut, wie das Recht eines einzelnen Unterthanen von einer Regierung gegenüber einer anderen vertreten werden kann, kann erst recht das Recht des Landesherrn vertreten werden! Meine Herren, der Bundesrath war also zu der Ueberzeugung gekommen, daß, wie der Herr Reichskanzler ausgeführt hat, nach der thatsächlichen Er⸗ scheinung, wie dieser Streit an den Bundesrath berantrat, allerdings ein Streit zwischen zwei Staaten vorliegt.

Ich frage aber weiter, meine Herren: Wie soll denn ein Landes⸗ herr seine Ansprüche in einem Bundesstaat geltend machen, wenn nicht eine oberste Instanz vorhanden ist, die eventuell über einen der⸗ artigen Anspruch entscheiden kann? Wenn wir nicht den Deutschen Bund gehabt hätten, wenn wir kein Deutsches Reich hätten, dann würde ein Landesherr alle Mittel des Völkerrechts anwenden können, um seine angeblichen Ansprüche zu vertheidigen. Das ist ihm in einem gemeinschaftlichen Staatswesen, sei es ein Bundesstaat oder ein Staatenbund, selbstverständlichz verwehrt. Daß er über Thron⸗ folgeansprüche den Zivilrechtsweg beschreiten kann, ist bisher, soweit ich verstanden habe, von keinem der Redner behauptet worden. Dem gegenüber steht allerdings die andere Auffassung, daß er überhaupt kein Recht mehr hat, wenn Landesherr und Landtag des anderen Staats die Thronfolge anders regeln wollen, daß mit anderen Worten den Ansprüchen, die auf dem Fürstlichen Erb⸗ und Hausrecht beruhen, die absolute Souyeräne⸗ einzelnen landesstaatlichen Gesetzgebung gegenübersteht,

garnicht entstehen kann. Das ist aber eben die quaestio facti, zu der der Bundesrath vorläufig keine Stellung genommen hat, und über die er sich vielmehr erst schlüssig machen wird, sobald eine sach⸗ liche Entscheidung nothwendig ist und mit Recht verlangt wird.

Meine Herren, der Herr Abg. Lenzmann ist immer von der An⸗ sicht ausgegangen, meines Erachtens irrthümlich, daß der Bundesrath als solcher entscheiden soll, und daraus hat er des weiteren gefolgert, wie ungeheuerlich eine solche Entscheidung sein würde, da die Macht⸗ und Stimmenverhältnisse der einzelnen Bundesstaaten im Bundes⸗ rathe so verschieden sind, und die Bevollmächtigten nach der Instruk⸗ tion ihrer Regierungen, event. also auch nach politischen Gesichts⸗ punkten abzustimmen hätten. Ich kann dem gegenüber die beruhigende Versicherung abgeben, daß man von keiner Seite auch nur im ent⸗ ferntesten daran gedacht hat, daß der Bundesrath in seiner ver⸗ fassungsrechtlichen Zusammensetzung auf Grund des verfassungsmäßigen Stimmenverhältnisses selbst in der Sache entscheiden sollte, sondern wenn eine sachliche Entscheidung nothwendig werden sollte, so wird sie in Form eines Austrägalgerichts oder in Form eines schiedsgericht⸗ lichen Verfahrens erfolgen. Ich kann deshalb weder die Angriffe, die seitens des Herrn Lenzmann gegen den Bundesrath gerichtet sind, noch die Kritik, die der verehrte Herr Abg. Dr. Lieber an dem Bundes⸗ rathsbeschlusse geübt hat, als berechtigt anerkennen.

Wenn ein Streit solche Formen angenommen hat, wie dieser

Streit zwischen den beiden Bundesstaaten Lippe, so handelt der Bundesrath im Interesse des Reichsfriedens, wenn er sich zur Instanz macht und eine friedliche Lösung des Streites herbeizuführen sucht.

Abg. Dr. von Levetzow (d. konf.): Wir haben keinen anderen

8 Wunsch, als daß derjenige auf den lippeschen Thron komme, der dazu

das beste Recht hat. Ich nehme an, daß es dem Bundesrath nicht einfällt, über Fragen des Privatfürstenrechts entscheiden zu wollen.

Abg. Lenzmann: Ich freue mich, daß der Kollege Lieber den festen und bestimmten Standpunkt für das Zentrum erklärt hat, daß der Bundesrath zu einer Entscheidung in dieser Frage nicht kompetent war. Es ist mir nicht entgangen, daß formell der Streit schriftlich zwischen den beiden Regierungen ausgefochten worden ist; dadurch hört aber der Streit noch nicht auf, ein Streit der Personen zu sein. Die Privatfürstenrechte entziehen sich der Judikatur der Gerichte nicht, ich weise dafür auf zahlreiche Entscheidungen des Ober⸗Tribunals und des Reichsgerichts hin. Die Frage, ob die Linie Lippe⸗Biesterfeld im Sinne des Privatfürstenrechts successions⸗ fähig war, war zunächst von den Gerichten zu entscheiden. Wenn der Bundesrath seine Kompetenz für alle Zukunft ausspricht, so erklärt er sich auch für kompetent, den Richterspruch zu fällen, und eine solche Machtfülle hat er in Fragen des Privatfürstenrechts nun und nimmermehr. 1

Damit schließt die Diskussion. Der Etat des Reichs⸗ kanzlers und der Reichskanzlei wird genehmigt.

Es folgt der Etat des Reichsamts des Innern Zum ersten Ausgabetitel „Staatssekretär 50 000 ℳ“ bringt der

Ab. Molkenbuhr (Soz.) Beschwerden der Seeleute über un⸗ zulängliche Festsetzung ihrer Unfallrente zur Sprache. Die Durch⸗ schaittsheuer und die Rente, welche einheitlich vom Reichskanzler für die ganze teutsche Küste festgesetzt würden, nähmen nur auf eine durch⸗ schnittliche jährliche Beschäftigung von neun Monaten Rücksicht und ließen Veränderungen in den Heuersätzen außer Acht. Auch unter einander ständen die gewährten Rentensätze in keinem richtigen Ver⸗ hältniß zu den früheren Funktionen der Verunglückten. Es müsse eine neue Festsetzung der Heuersätze und danach der Unfallrente vor⸗ genommen werden.

Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrath, Direktor im Reichsamt des Innern Dr. von Woedtcke: Meine Herren! Der Herr Vorredner hat geglaubt, aus der Thatsache, daß nach seiner Meinung die Durchschnittsheuern der Seeleute nicht hoch genug fest⸗ gesetzt seien, der Seeberussgenossenschaft und den Herren, die in der⸗ selben eine maßgebende Stimme haben, den Vorwurf machen iun können, daß sie mit dieser niedrigen Festsetzung absichtlich die Seeleute und deren Hinterbliebene in ihren Bezügen heruntergedrückt hätten. Ich muß diese Behauptung auf das energischste zurückweisen. Wenn jemals eine Berufsgenossenschaft das Interesse gezeigt hat, für die in den zugehörigen Betrieben be⸗ schäftigten Personen einzutreten und sehr zahlreiche Berufsgenossen⸗ schaften hbaben dies Interesse gezeigt —, so ist es in erster Linie die Seeberufsgenossenschaft. Und ich glaube, daß, vielleicht abgesehen von den Kreisen, die Herrn Molkenbuhr am nächsten stehen, unter den übrigen Herren Mitgliedern des Reichstages niemaad sein wird, der die Vorwürfe, die ziemlich unversteckt von Herrn Molkenbuhr ausgesprochen sind, unterstützt. Abgesehen aber davon, ist nun auch ferner die Thatsache falsch, die Herr Molkenbuhr als unanfechtbar hingestellt hat. nämlich die angebliche Verletzung von Vorschriften des See⸗Unfallversicherungsgesetzes durch den Herrn Reichskanzler. Der § 6 dieses Gesetzes, den Herr Molkenbuhr verlesen hat, bestimmt, daß die Unfallrenten der Seeleute und ihrer Hinterbliebenen bei Unfällen festgesetzt werden nach dem neunfachen Betrage der monatlichen Durchschnittsheuer. Die Durchschnittsheuern sollen vom Herrn Reichskanzler einheitlich festgesetzt werden für die ganze deutsche Küste; „zu Grunde zu legen“ sind dabei die in den letzten drei Jahren gewährten Lohnsätze für Vollmatrosen; und es sollen dann zu dem für die einzelnen Kategorien von Seeleuten festgesetzten Betrage zwei Fünftel des Durchschnittesatzes für Vollmatrosen, als Gelewerth der auf Seeschiffen gewährten freien Beköstigung, hinzutreten. Der Herr Reichskanzler hat nichts weiter festzusetzen als den Durchschnittsberrag der Löhne; der Zuschlag von zwet Fünfteln steckt in dem vom Reichskanzler festgesetzten Betrage noch nicht drin, sondern dieser wird bei der Berechnung der Renten jenem Betrage durch diejenigen Stellen hinzugefügt, die das Gesetz anzu⸗ wenden haben. Die Fefstsetzung des Durchschnittebetrags ist selbstverständlich gelegentlich zu revidieren, und das Gesetz schreibt eine Revision von 5 zu 5 Jahren vor. Selbst⸗ redend kann nun der Herr Reichskanzler nicht ins Blaue hinein den Betrag bestimmen, dessen Festsetzung das Gesetz ihm oblegt. Er muß sich vielmehr wegen der in Betracht kommenden thatsächlichen Ver⸗ hältnisse mit den Regierungen der betheiligten Bundesstaaten ins Benehmen setzen, und er ist hierzu durch das See⸗Unfallversicherungs⸗ gesetz in demselben § 6 sogar ausdrücklich angewiesen worden. Das hat der Herr Reichskanzler denn auch gethan, als es sich um die erste Feststellung handelte; das hat er gethan, als es sich um die erste Revision handelte, und das hat er gethan, als kürzlich die zweite Revision in Frage stand. Und das Excgebniß dieser dem Gesetz ent⸗ sprechenden Verhandlungen ist die erste Festsetzung, sowie bei den Revisionen die Thatsache gewesen, daß die betheiligten Regierungen ihrer Meinung dahin Ausdruck gegeben haben, die Durchschnitts⸗ heuern hätten sich in der vorangegangenen Periode nicht so erheblich geändert, daß eine anderweitige Festsetzung erforderlich gewesen wäre. Damit war die Nothwendigkeit gegeben, es bei der früheren Fest⸗ setzung bis auf weiterez zu belassen. Nun hat sich der Herr Reichskanzler aber nicht etwa darauf beschränkt, nur die Regierungen der Bundesstaaten zu hören; er hat vielmehr auch das Reichs⸗Versicherunggamt gehört. Mir liegt hier der Bericht desselben vor, gezeichnet von dem damaligen Herrn Präsi⸗ denten Bödiker unter dem 19. Januar 1893, und dieser stellt sich ebenfalls au den Standpunkt, daß bei der Revision zu einer Aenderung der Lohnfätze keine Veranlassung vorliege. Da steht nämlich Fol⸗ gendes: Das Reichs⸗Versicherungsamt faßt den § 6 des Gesetzes des See⸗Unfallversicherungsgesetzes nicht dahin auf, daß die Revision unbedingt zu einer auf den Erfahrungen der letztverflossenen drei Jahre beruhenden mechanisch⸗rechnerischen Neufestsetzung der Durchschnittslöhne führen müsse, sondern nur dahin, daß an der Hand der seit der erstmaligen Fotsesung gemachten Erfahrungen zu prüfen sei, ob jetzt eine Neufestsetzung stattzufinden hat. So ist also bei der zur Durchführung der Uafallversicherung berufenen Behörde die Sache aufgefaßt, und dieser Auffassung der ihm unter⸗ gebenen Behörde ist der Herr Reichskanzler in Uebereinstimmung mit den Auffassungen der Bundesseestaaten beigetreten. Darauf also beruhen, wie ich wiederhole, die Festsetzungen, die der⸗Herr Reichskanzler jetzt zum dritten Mal vorgenommen hat, und ich bestreite wiederholt, daß dierbei eine Gesetzesverletzung stattgefunden hat. Wenn der Herr

bgeordnete meint, die ganze Bestimmung des § 6 des See⸗Unfall⸗ desicherungsgesetzes sei äußerst unglücklich, es empfehle sich, sie bei imner Revision des Gesetzes zu ändern, so wird ja abgewartet derden müssen, welche Aenderungen das hohe Haus, wenn es noch einmal vor die Revision dieses Gesetzes gestellt wird, demnächst belieben wird. Ich kann aber darauf anfmerksam machen, daß in der Novelle von 1897, welche wegen der weit über das Maß des Zulässigen hinausgehenden Forderungen eines roßen Theils des Reichstages gefallen ist, eine Erhöhung derjenigen ohnbeträge, auf Grund deren die Rentenbeträge festgestellt werden, regierungsseitig bereits in Aussicht genommen war. In dieser Novelle war nämlich vorgeschlagen, daß der Reichstagsbeschluß, wonach nur ein neunmonatlicher Durchschnittsbetrag als Jahresverdienst der Seeleute angesehen werden follte, wieder rückgängig gemacht und auf den ersten egierungsvorschlag zurückgegriffen werden sollte, wonach der zehn⸗ monatliche Betrag die Grundlage zu bilden hat. Ich weiß nicht ich habe es nicht ganz genau verstanden —, ob der Herr Abgeordnete“ meinte, daß auch in anderer Beziehung der § 6 abänderungsbedürftig sei⸗ Ich glaube ihn dahin verstanden zu haben, daß er bei diesem Para⸗ Paphen derartige Abänderungen in noch anderen Beziehungen wünscht. da. glaube ich, wäre es Zeit gewesen, diese Wünsche vorzubringen, als in der Reichstagskommission vor zwei Jahren in Anwesenheit des in Abg. Molkenbuhr soviel ich mich erinnere die Novelle zum

Seeeesse ebelezena se wurde. Mir ist aber nicht gegen⸗ wärtig obwohl ich jeder Sitzung beigewohnt habe —, daß er damals solche Anträge zur Abänderung weiterer Bestimmungen des §6 gestellt hat. Ich schließe damit: ich glaube, der Versuch, den Nachweis zu führen, daß der Herr Reichskanzler ein Gesetz verletzt habe, ist, wie wohl von vornherein als selbstverständlich zu erwarten war, dem Herrn. Abge⸗ ordneten völlig mißlungen.

Abg. Molkenbuhr bleibt bei der Behauptung, daß § 6 verletzt sei, weil bei der anderweiten Festsetzung der Heuer nicht 1 Durch⸗ schnitt der letzten 3 Jahre zu Grunde gelegt sei, wie er verlange, sondern man einfach unter diesem Durchschnitt geblieben sei und die kalten Sätze beibehalten habe. Die Unfallrentner seien dadurch aufs allerschwerste benachtheiligt worden.

Abg. Beckh.Coburg (fr. Volksp.) regt eine kräftigere Initiative zu Guͤnsten des Schutzes der nützlichen Vögel und gegen den Massen⸗ mord der Vögel besonders in Italien an. Von dem Abschluß der schon im Jahre 1895 vereinbarten internationalen Konvention verlaute immer noch nichts.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Meine Herren! Die sachliche Berechtigung der Ausführungen des Herrn Vorredners erkennen wir vollkommen an. Zu unserem größten Leidwesen ist es aber bisher nicht gelungen, eine Ratifikation der Pariser Konvention vom Jahre 1895 herbeizuführen. Wir sind fortgesetzt bemüht, dies zu erreichen; aber selbstverständlich hat die Vollziehung dieser Konvention in der Richtung, die der Herr Vorredner wünschte, nur noch einen Zweck, wenn die einzelnen Bestimmungen der Konvention nicht zu sehr abgeschwächt werden. Wir hoffen, daß es jetzt gelingen wird, die Vollziehung der Kon⸗ vention durchzusetzen, und sobald die Konvention vollzogen ist, werden wir in ernste Erwägungen eintreten, ob nicht die Ausführungs⸗ bestimmungen des Vogelschutzgesetzes vom Jahre 1888 wesentlich zu verschärfen sind. 8

Hierauf wird die Berathung vertagt. 8

Schluß gegen 4 ¾ Uhr. Nächste Sitzung: Mittwoch 1 Uhr. (Antrag Klinckowstroem, betreffend die Bestrafung der Veröffentlichung geheimer Aktenstücke; Antrag Agster, betreffend obligatorische Gewerbegerichte; Antrag Rickert, betreffend die

Sicherung des Wahlgeheimnisses.)

Preußischer Landtag. Herrenhaus.

72 Stsung vom 17. Januar 19999.

Präsident Fürst zu Wied macht dem Hause zunächst ein Reihe geschäftlicher Mittheilungen. 8

Zu Quästoren hat der Präsident die Herren General⸗ Auditeur der Armee und der Marine Ittenbach und Ober⸗ Bürgermeister Hammer ernannt.

Der Präfident läßt zwei Schreiben des Ministers des Innern verlesen, nach denen die Mitgliedschaft der Ober⸗ Bürgermeister Schustehrus (Nordhausen) und Dr. Lentze (Mühlhausen) infolge Amtsniederlegung erloschen sei.

Graf von Hutten⸗Czapski bemerkt dazu, daß diese beiden Herren in dem Mitgliederverzeichniß zwar noch als Mitglieder auf⸗ geführt seien, aber nicht in der nach Provinzen geordneten Uebersicht über den Mitgliederbestand, in welcher vielmehr vermerkt sei, daß die Stimmen für Mühlhausen und Nordhausen ruhten. Das Ruhen der Stimmen trete aber nach der Geschäftsordnung erst ein, wenn es die Matrikelkommission bestimmt habe. Nach der Verordnung vom 14. Oktober 1854 könnten die genannten Herren ihre Mitgliedschaft erst verlieren an dem Tage, an welchem sie ihr Amt wirklich nieder⸗ legten. Herr Schustehrus lege sein Amt erst am 31. d. M. nieder und Herr Lentze erst im Laufe des Februar. Die beiden Herren seien also noch als Mitglieder zu betrachten.

Freiherr von Manteuffel schließt sich diesen Ausführungen an. Als er in Abwesenheit des Präsidenten als Vize⸗Präsident die Geschäfte geleitet, habe er die Frage erwogen, ob die beiden Herren noch als Mitglieder zu den Sitzungen einzuladen seien. Dies sei vom Minister des Innern verneint⸗ worden. Nach Einsicht der Akten sei er aber überzeugt, daß die beiden Herren noch als Mitglieder einzu⸗ laden seien, da sie thatsächlich noch bis Ende dieses Monats bezw. bis zum nächsten Monat Ober⸗Bürgermeister in Nordhausen bezw. Mühlhausen seien. Diese Städte würden in ihrer Vertretung im Hause benachtheiligt, wenn die Herren nicht mehr als Mitglieder an⸗ gesehen würden. Offiziell sei dem Hause noch garnicht bekannt, daß sie ihre Aemter niedergelegt hätten.

Präsident Fürst zu Wied erklärt sein Einverständniß mit diesen Ausfüͤhrungen.

Der Präsident erbittet und erhält hierauf die Er⸗ mächtigung für das Präsidium, Seiner Majestät dem Kaiser und König zum Geburtstage die Glückwünsche des Hauses in aller Ehrerbietung und Treue darbringen zu dürfen.

Alsdann begrüßt der Präsident die neu eingetretenen Mitglieder Fürst von Bismarck, Gronow, Intze, Launhardt, Slaby, von Tschammer, Fürst zu Fürstenberg und Westerkamp und spricht den Wunsch aus, daß sie recht regen Antheil an den Arbeiten des Hauses nehmen möchten. Das neue Mitglied Max Egon Fürst zu Fürstenberg wird in der üblichen Form aͤuf die Verfussung vereidigt.

Zu Mitgliedern der Statistischen Zentralkommission werden die Herren von Alvensleben und General⸗Auditeur Itten⸗ bach durch Zuruf wiedergewählt und an Stelle des ver⸗ ftorhenen Professors Hinschius Professor Dr, Dambach neu⸗ gewählt.

Zu Mitgliedern der Matrikelkommission werden auf Vor⸗ schlag des Fefiherrg von Solemacher⸗Antweiler die Herren Professor Dr. Dernburg, von Winterfeldt⸗ Menkin und Graf von Zieten⸗Schwerin wiedergewählt und Graf von Hutten⸗Czapski neugewählt.

Bezüglich der als Vorlage eingegangenen Vereinbarung der Abänderung einer Bestimmung der Rheinschiffahrts⸗Akte birn beschlossen, eine einmalige Schlußberathung stattfinden zu assen.

Die Nachrichten über die Verwaltung der Staats⸗Berg⸗ werke, ‚Hütten und Salinen werden der Kommission für und Gewerbe, die Darstellung der Verhandlungen des Landes⸗Eisenbahnraths der Eisenbahnkommission und die Nach⸗ weisung über die Aus⸗ und Einrangierung in den Land⸗ gestüten der Agrarkommission überwiesen. 11A“

Schluß 3 ½ Uhr. Nächste Sitzung unbestimmt.

E1“ Sitzung vom 17. Januar 1899. 1“

Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden. Nach der Wiederwahl des Abg. von Kröcher zum

werden auch die Abgg. Freiherr von Heereman entr.) und Dr. Krause (nl.) durch Zuruf zu Vize⸗Präsidenten wiedergewählt und nehmen die Wahl dankend a

räsident von Kröcher dankt dem Alters⸗Präsidenten von V im Namen des Hauses und spricht den Wunsch aus, daß es ihm noch lange vergönnt sein möge, mit derselben geistigen wie körperlichen Frische im Hause zu weilen. (Die Anwesenden erheben sich 1 Zeichen des Dankes von ihren Plätzen.)

Zu Schriftführern werden die Abgg. Bode, von Bockel⸗ berg, von Detten, Im Walle, Jürgensen, Weyer⸗ busch, Zimmermann und Wetekamp gewählt. Zu Quästoren ernennt der Präsident die Abgg. Perocha und Busch. Die Meldung von der Konstituierung des Hauses wird Seiner Majestät dem Kaiser und König und dem Herren⸗ hause übermittelt werden. 86

„Präsident von Kröcher: Ehe wir in unsere Geschäfte eintreten, wird es nöthig sein, des großen Verlustes zu gedenken, den die preußische Monarchie im Laufe des vorigen Jahres dadurch erlitten hat, daß Fürst Bismarck am 30. Juli 1898 dahingeschieden ist. Meine Herren, jeder, dem ein gut preußisches Herz in der Brust schlägt und das sind wir alle, und hoffentlich wird es in diesem Hause immer so bleiben —, der wird stets dankbar dafür sein, daß der Fürst durch seinen Rath, seine Thatkraft, seine Weisheit und seine Mäßigung wesentlich dazu beigetragen hat, Preußen auf die Stelle in Deutschland, Deutschland auf die Stelle in der Welt zu stellen, welche beiden gebührt. Meine Herren, der Fürst ist am 30. Ju gestorben, also in einer Zeit, wo der Landtag nicht versammelt war. Deswegen hielt ich mich nicht für befugt, namens des Hauses eine Beileidskundgebung den Hinterbliebenen zu übermitteln. Ich habe mich darauf beschränkt, dem ältesten Sohne des Fürsten meine Ueberzeugung auszusprechen, daß das Haus ein sichtbares Zeichen seines Beileids gegeben haben würde, wenn es dazu in der Lage gewesen wäre. Meine Herren, Sie haben sich zu meiner Freude Ihren Plätzen erhoben, ehe ich die Bitte gestellt hatte, sich zu er⸗ heben. Es wird von einer späteren Entschließung des Hauses un von den Anordnungen über die Beisetzung abhängen, ob und welcher Weise sich das Haus an der Beisetzung betheiligt. (Zu⸗ stimmung.) 8

Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:

Indem ich mir die Ehre gebe, dem hohen Hause den Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Feststellung des Staatshaushalts⸗Etats für das Jahr 1899 nebst der allgemeinen Rechnung über den Staats⸗ haushalt des Jahres vom 1. April 1895/96 und die Uebersicht von den Staatseinnahmen und ⸗Ausgaben für das Jahr vom 1. April 1897/98, auf Grund Allerhöchster Ermächtigung zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung vorzulegen, wolle das Haus mir zur Erläuterung und Begründung des Etats zuvörderst einige allgemeine Bemerkungen gestatten.

Sie haben schon gehört, meine Herren, daß wir den kommende Etat mit der Jahreszahl 1899 bezeichnen. Wir uns in dieser Beziehung dem Vorgange der Reichsverwaltung angeschlossen, und ich glaube auch, die Bezeichnung ist ebenso verständlich für diejenigen, die von unseren Finanzen etwas wissen, als auch für diejenigen, die nichts davon wissen und deren Zahl ist ja sehr groß (Heiterkeit), als wenn wir den Etat mit der bisherigen üblichen Bezeichnung: 1. April 1899/1900 bezeichnet hätten.

Die Veranschlagungen, meine verehrten Herren, des Ihnen vor⸗ gelegten Etats beruhen im allgemeinen auf der Annahme, daß der Gang des gewerblichen und industriellen Lebens in dem Etatsjahre im großen Ganzen sich noch auf der gegenwärtigen Höhe erhält. Mit Sicherheit natürlich kann das ja niemand sagen; aber die Gesammtlage der Verhältnisse hat doch die Staatsregierung überzeugt, daß es nicht zu optimistisch ist, wenn wir für das kommend Jahr wenigstens diesen Gang der gewerblichen Entwickelung noch als auf derselben Höhe bleibend betrachten als in dem laufenden Etats⸗ jahr. Aber diese Betrachtung hat uns doch wiederum dazu geführt, die Veranschlagungen, namentlich der Ergebnisse der Betriebsverwal⸗ tungen, mit der früher stets beobachteten und bewährten Vorsicht auf⸗ zustellen, sodaß wir einen mäßigen Rückgang auch schon ohne allzu⸗ großen Schaden für die demnächstige Rechnung würden ertragen können.

Meine Herren, den laufenden Etat bezeichnete ich als den reichlich dotiertesten Etat, den Preußen bisher gehabt hat. Er enthielt Steigerungen in Einnahme und Ausgabe gegen das Vorjahr von rund 141,5 Millionen. Davon fielen auf das Ordinarium der Aus⸗ gabe rund 100 Millionen und auf das Extraordinarium 41,5 Millionen. Trotzdem daß wir also vergleichen mit den gewaltig hohen Ansätzen des laufenden Etats, zeigt doch der vorliegende Etat, welcher balanciert in Einnahme und Ausgabe und mit dem Betrage von 2 326 327 348 abschließt, wiederum ein ganz erhebliches Wachsthum.

Gegen die Veranschlagungen für das laufende Etatsjahr betragen die veranschlagten Einnahmen ein Mehr von 138 799 964 ℳ; die Ausgaben in gleicher Gesammthöhe betragen im Ordinarium mehr 131 284 158 Das Extraordinarium erhöht sich noch um 7 515 806

Das Extraordinarium, meine Herren, beträgt gegenwärtig 6 % der gesammten Staatsausgaben, und zwar in Ziffern ausgedrückt, ins. gesammt 139 151 810 ℳ, ist also mehr als doppelt so hoch als bis zum Jahre 1894. Alle Betriebsverwaltungen, vor allen wiederum die Eisenbahnverwaltung, partizipieren an diesem hohen Extraordi⸗ narium. Aber auch die meisten Staatsverwaltungszweige haben daran einen erheblichen Antheil.

In einem so hohen Betrage des Extraordinariums, wie ich das 8 hier oft auseinandergesetzt habe, und wie Sie diese Art der Ver⸗ anschlagung in den letzteren Jahren stets genehmigt haben, liegt für uns eine sehr bedeutende, aber auch eine dringend nothwendige Reserve für demnächstige Rückschläge, die nach den bisherigen Erfahrungen un⸗ zweifelhaft nicht ausbleiben werden. G

Meine Herren, die Mehrzuschüsse bezw. der Mehrbedarf der ein- zelnen Verwaltungen verstehen sich ohne Rücksicht auf diejenigen 8 Beträge, welche wir Ihnen vorschlagen werden zu verwenden für die Aufbesserung des Diensteinkommens der Unterbeamten und einzelner bisher unberücksichtigt gebliebener Klassen von mittleren Beamten in Höhe von insgesammt 12 332 000 Ich werde auf diese Frage demnächst zurückkemmen und will nur hervorheben, daß Sie alle An⸗ schläge bei den einzelnen Spezialverwaltungen abzüglich des auf sie fallenden Theils dieser Gehaltserhöhungen verstehen müssen, und das ist in den einzelnen Fällen, auf die ich noch kommen werde, wichtig für das Verständniß der Sache.

Grundlegende Aenderungen, meine Herren, zeigt im übrigen der Etat nicht. Er führt noch weiter die Bestimmungen des Gesetzes, betreffend den Staatshaushalt, aus, indem er namentlich das Brutto-⸗ prinzip, welches nun obligatorisch in diesem Gesetz vorgeschrieben ist, insbesondere beim Ministerium des Innern und bei der Justiz noch

ner durchführt. Auch werden Sie noch die