1899 / 29 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 02 Feb 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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11,60 11,60

Lüneburg Bielefeld Paderborn. Limburg a. L.. EE““ Dinkelsbühl. Schweinfurt B berach. 12,60 Ueberlingen. 14,30 Rastatt 11311““; EIF1“ Braunschweig. Attenburg 14,00 Breslau. 11,80

Bemerkungen.

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Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet mitgetheilt.

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Der Durchschnittspreis wird aus den unahgerundetm Zahlen berechnet.

Fin liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist, ein Punkt (.) in den letzten sechs Spalten, daß entsprechender Bericht fehlt.

Deutscher Reichstag. 23. Sitzung vom 1. Februar 1899, 1 Uhr.

Tagesordnung: Dritte Berathung des von den Abgg. Graf von Hompesch (Zentr.) und Genossen eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend die Aufhebung des Gesetzes über den Orden der Gesellschaft Jesu, und der von den Abgg. Rickert (fr. Vgg.) und Graf zu Limburg⸗ Stirum (d. kons.) eingebrachten gleichlautenden Gesetz⸗ ö betreffend die Aufhebung des § 2 des genannten

esetzes.

In der Generaldiskussion erklärt

Apbg. Dr. Schädler (Zentr.) in Vertretung des durch Krankheit verhinderten Grasen von Hompesch, daß seine Partei keine Veranlassung habe, nochmals die Debatte aufzunehmen. Er bitte die Mehrheit, auch in dritter Lesung die Anträge anzunehmen.

Abg. Rickert erklärt, er halte es lediglich für nöthig, auf die Bemerkung, welche der Abg. Dr. Lieber in der zweiten Lesung gegen die Schweiz gerichtet, zurückzukommen, da sie allgemein in der Schweiz als eine Beleidigung aufgefaßt worden sei. Er nehme an, daß es dem Abg. Dr. Lieber ferngelegen habe, das schweizerische Volk zu beleidigen.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.) bestätigt diese Auffassung, stellt aber fest, daß der Hinweis des Abg Bebel auf die Schweiz im Hinblick auf das dort bestehende Asylrecht sehr unangebracht gewesen sei. Jedenfalls werde er sich die freie Meinungsäußerung im Deutschen Reichstage nicht durch Rücksichten auf schweizerische Zeitungsredakteure beschränken lassen.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum erklärt, er könne sehr wohl begreifen, warum gerade der Abg. Rickert sich zum Anwalt der Schweiz mache. Es sei dasselbe Verfahren, welches einzig in Deutsch⸗ land geübt werde, immer Rücksicht auf das Ausland zu nehmen und Beleidigungen von dort ruhig einzustecken. Dasselbe Schausviel habe man ja bei den Ausweisungen aus Nordschleswig erlebt. Das Asylrecht der Schweiz sei den umwohnenden Staaten sehr unbequem und unangenehm und verletze die innersten Gefühle der monarchisch Gesinnten.

Abg. Bebel (Soz.) führt aus, der Abg. Lieber habe doch die Schweiz als ein Land bezeichnet, in dem Königs⸗ und Frauenmörder gezüchtet würden (Widerspruch rechts und im Zentrum; Rufe: Frei herumliefen!) oder frei herumliefen. Das Attentat sei das erste auf schweizerischem Boden gewesen, selbst die österreichische Regierung habe ihre volle Anerkennung füͤr die große Theilnahme der schwelzerischen Regierung und des schweizerischen Volkes aus diesem Anlaß ausgesprochen. Den Herren (rechts) sei ja das Asyl⸗ recht längst ein Dorn im Auge; sie sollten aber bedenken, daß sie selbst einmal in die Lage kommen könnten, davon Gebrauch zu machen; er erinnere an den Grafen Arnim, an Napoleon, der jahr⸗ zehnteleng von dem Awplrecht in der Schweiz Gebrauch gemacht habe.

„Abg. Rickert weist die Angriffe des Abg. Grafen Limburg zurück. Sei es vielleicht national, fremde Nationen zu beleidigen? Deutschland stehe freundlich zu der Schweiz und habe keine Ver⸗ anlassung, solche scharfen Worte, wie sie der Abg. Lieber gebraucht habe, gleich dem Grafen Limburg, in Schutz zu nehmen.

Abg. Dr. Lieber: Die Abwehr in den „Basler Nachrichten“ war mit so hahnebüchenen Ausfällen auf mich gewürzt, daß ich das Blatt nicht sehr hoch stellen kann. So schimpfen vielleicht bei uns die Fuhrleute. Daß ich auf das Asylrecht der Schweiz keinen An⸗ griff gemacht babe, wird mir jeder bezeugen. Sollte jemals der Zu⸗ unftsftaat Wirklichkeit werden, so werde ich das Asylrecht der Schweiz nicht in Anspruch nehmen, sondern mich gern Ihrer (der Sezial⸗ demokraten) Besserungskolonie überweisen lassen. Wo war denn Herr Bebel, als in der zweiten Lesung Herr Sattler auf meine hier in Rede stehenden Ausführungen reagierte? Herr Bebel hat meine

Worte verdrehen wollen. (Rufe: Er hat das ja zurückgenommen!).. Dann bin ich zufrieden, und die Sache ist erledigt. Ich habe lediglich eine historische Thatsache festgellt, und Herr Bebel hat sie bestätigt.

Abg. Dr. Sattler (nl.): Jeder Reichstags⸗Abgeordnete sollte in der Berührung auswärtiger Verhältnisse sehr vorsichtig sein; ich wünschte, die heutige Verhandlung brächte die Ueberzeugung von der Richtigkeit dieser Auffassung auch in weitere Kreise. Die Worte des Herrn Dr. Lieber habe ich garnicht so ernst genommen; einen Angriff auf das schweizerische Bolk hatte er damit, wie er ja auch erklärt hat, nicht beabsichtigt. Daß auswärtige Preßorgane uns nicht beeinflussen können, ist selbstverständlich.

Abg. Bebel: In England bestehe das Asylrecht viel unein⸗ geschränkter als in der Schweiz, auch für Fürstenmörder. In der Schweiz sei leider in dieser Beziehung eine Verschlechterung eingetreten. Also auch nach dieser Richtung seien die Angriffe des Abg. Dr Lieber gegen die Schweiz völlig ungerechtfertigt gewesen. Er (Redner) habe sich sofort berichtigt, als der Abg. Lieber ihn durch Zuruf eines Besseren belehrte; er brauchte also ihm gegenüber nicht diese Ent⸗ rüstung zur Schau zu tragen.

Abg. Dr. Lieber: Ich habe keine Entrüstung zur Schau ge⸗ tragen. Lediglich vom Asylrecht der Schweiz habe ich gesprochen; daß irgend ein Jesuit das dortige Asylrecht in Anspruch genommen hätte, ist nicht zutreffend Die Schweiz räumt zwar anderen Leuten, aber nicht diesen das Asylrecht ein. Ueber das Einv rständniß des Herrn Sattler mit mir bezüglich der ausländischen Presse freue ich mich sehr, auch Herr Bebel sollte doch diese Anschauung theilen.

Damit schließt die Generaldiskussion. Ohne Spezialdebatte werden die Anträge im einzelnen und darauf in der Gesammt⸗ abstimmung mit großer Mehrheit angenommen.

In dritter Lesung wird sodann der von den Abgg. Dr. Bachem (Zentr.) und Münch⸗Ferber (nl.) eingebrachte Gesetzentwurf wegen Abänderung des Zolltarifs (Zollerleichterung für Pongees) ohne Diskussion angenommen.

Es folat die erste Berathung des von dem Abg. Rickert (fr. vgg. eingebrachten Gesetzentwurfs wegen Abänderung des Wahlgesetzes.

Abg. Rickert rekapituliert die Vorgeschichte seines Gesetzentwurfs, der schon mehrmals von großen Mehrheiten des Hauses gegen die

arteien der rechten Seite angenommen sei, aber vor den Augen des Bundesraths keine Gnade gefunden habe. Er weist kurz auf die dringende Nothwendigkeit hin, die Zwergwahlbezirke mit kaum einem Dutz'nd Wähler zu beseitigen und die Gehein haltung der Stimm⸗ abgabe zur Wahrheit zu machen; zur Erreichung des letzteren Zwecks seien das Stimmzettelkuvert und die Dunkelkammer vorge⸗ schlagen wie sie in anderen großen Kulturländern zur Sicherung des Wahlgeheimnisses schon lange beständen. Die schlimmen „Erfahrungen auf dem platten Lande bewiesen, daß auf den Dörfern von Wabhlfreiheit meist nicht die Rede sei; auch die letzten Wahlen hätten in diesem Punkt massenhaft Material geliefert; die Kontrole der Stimmabgabe sei seitens der Konservativen förmlich in ein System gebracht worden. Redner trägt insbesondere aus Pommern eine Reihe drastischer Einzelfälle vor, die diese Behauptung stützen sollen. Solchen Dingen gegenüber, die ein Hohn auf die Wahlfreiheit seien, mösse der Reichstag immer wieder den Antrag an⸗ nehmen, bis auch die Regierung ihren Widerstand aufgebe.

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Da Herr Rickert nichts Noeues vorgebracht hat. auch keine Beredsamkeit uns umstimmen kann, so erkläre ich mich unter Beziehung auf meine früheren Ausführungen auch heute einfach gegen den Antrag. Die vorgeschlagenen Maß⸗ nahmen sind nicht geeignet, die Mängel der Geheimhaltung der Stimmabgabe zu beseitigen, sondern die Geheimhaltung nur noch mehr zu gefährden. Zettelverwechselungen würden mehr als früher vorkommen, und außerdem würde nur

unnöthige Zeitvergeudung die Folge des neuen Systems mit der Dunkelkammer sein. Daß sich das Verfahren in Württemberg be⸗ währt habe, stimmt mit meinen Nachrichten nicht überein. Wenn Sie die Heimlichkeit der Abstimmung festhalten wollen, sollten Sie sich hüten, die Uebelstände des geheimen Stimmrechts so beredt auszuführen. Ich halte das allgemeine Stimmrecht für eine der wesentlichsten Bestimmungen der Reichsverfassung, aber die Heimlichkeit der Wahl für einen nachtheiligen Auswuchs, die früher oder später beseitigt werden wird und beseitigt werden muß, weil sie nicht den Mannesmuth des Abstimmenden hervortreten läßt. Das meinen sehr einflußreiche Personen im Reichstage. Auch der Abg. Dr. Windthorst hat seiner Zeit gegen die geheime Stimm⸗ abgabe Stellung genommen. Hoffentlich werden die verbündeten Re⸗ gierungen, wie bisher, auch in Zukunft dem Antrage keine Folge geben.

Abg. Dr. Schädler (Zentr.) erklärt, er stehe auf dem entgegen⸗ gesetzten Standpunkt. Er wünsche sehr, daß endlich einmal diesem Antrage, der nun vor bald zehn Jahren zuerst eingebracht worden sei, Folge gegeben werde. Nicht einen Schritt weiter sei man bisher ge⸗ kommen. Auch heute sei niemand am Bundesrathstische. Was Herr von Stumm an Bedenken gegen die praktische Durchführbarkeit vor⸗ bringe, solle man doch der Sorge der betheiligten Wähler überlassen. Eine Reihe von Fehlern des bestehenden Wahlgesetzes solle aus⸗ Feneest werden; diesen Fortschritt sollte man acceptieren, das

ollkommenste sei ja doch nicht zu erreichen Nicht nur das all⸗ gemeine, sondern das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahl⸗ recht sei eine Grundlage der Reichsverfassung und dafür trete das Zentrum ein. Die Verhandlungen der Wahlprüfungskommission hätten gezeigt, daß andere Dinge viel weniger mit Mannesmuth und Mannes⸗ würde vereinbar seien, als die Heimlichkeit der Stimmabgabe. Man be⸗ seitige die Abhängigkeit auch des kleinen Mannes und den Druck, der auf ihn ausgeübt werde, dann lasse sich über die offene Wahl reden. Die Berufung auf den Abg. Windthorst lasse außer Acht, daß nicht taktische Gründe, sondern die traurigen Erfahrungen mit den Wahl⸗ beeinflussungen ihn zur Aenderung seines ursprünglichen Standpunktes und auch zur Fürsprache für die Wahlkuverts veranlaßt bätten. Die Ausübung des Wahlrechts müsse gegen jeden Terrorismus von unten oder von oben geschützt werden. Es handle sich um eine Frage der moralischen Verantwortung und des politischen Anstandes

Abg. Bassermann (nl.) erklärt, daß auch heute die Rational⸗ liberalen im Interesse des besseren Schutzes des Wahlgeheimnisses dem Antrage zustimmten, und bedauert den ablehnenden Standpunkt der Regierungen. Nach den Erfahrungen in Baden seien sämmtliche Parteien mit dem neuen Verfahren völlig einverstanden, und Miß⸗ stände hätten sich nirgends bemerkbar gemacht. Die Bemängelungen des Freiherrn von Stumm seien durchweg unzutreffend. Sei das geheime Wahlrecht da, so dürfe auch keine Uebekwachung der Stimmabgabe statthaben. Die Wahlprüfung durch eine besondere Kommission habe ihre großen Schattenseiten; wenn er auch keinen Gerichtshof zur Wahlprüfung empfehlen wolle, müsse er doch darauf hinweisen, daß das Verfahren anderer Parlamente, die Wahl⸗ prüfung durch die Abtheilungen als Prüfungskommissionen vornehmen zu lassen, bei weitem den Vorzug verdiene, weil es die Wahl⸗ prüfungen in 1 bis 2 Monaten zu beendigen ermögliche, während bei uns Jahre darüber vergingen. Bei den heutigen politischen Zu⸗ ständen müsse mit aller Kraft an dem bestehenden Wahlrecht fest⸗ gehalten werden.

Abg. Kopsch (fr. Volksp.) erinnert daran, daß früher die nationalliberale Partet sich zum theil als Gegnerin des Antrags bekannt habe, so der Abg. Osann und auch der Abg. Bassermann; der letztere habe allerdings vom Jahre 1895 an seine frühere Opposition aufgegeben. Die nationalliberale Presse, vor allem die „Kölnische Zeitung“, habe sogar gemeint, der Antrag würde dem Fluche der Lächerlichkeit verfallen. Das sei aber nicht eingetroffen. Die freisinnige Volkspartei begrüße den An⸗

mit Freuden. Die Beeinträchtigung des geheimen Wahl⸗

rechts durch die Arbeitgeber oder die Beamten charakterisiere ch als moralischer Diebstahl. Nicht die geheime, sondern die öffent⸗ liche Stimmabgabe führe zur Heuchelei und zur Unselbständigkeit, das beweise jede Landtagswahl in Preußen. Die Manneswürde komme am besten dann zum Ausdruck, wenn man auf wirthschaftliche oder esellschaftliche Verhältnisse nicht Rücksicht zu nehmen brauche. Die Konservativen bäͤtten sich stets nach Kräften bemüͤht, den Antrag von hinten herum zu bekämpfen und seine Verhandlung zu verzögern. Ihre Gegner⸗ gegen das Reichs⸗Wahlrecht hätten sie bei den Wahlen etwas in den Hintergrund treten lassen, aber der Abg. Graf Roon habe doch ebenso wie der Landtags⸗Abgeordnete Ring ganz offen das Prinzip desselben verworfen. Die Regierungen verhielten sich dem Antrage gegenüber genau so wie gegenüber dem Antrage, betreffend die Jesuiten. Die Väter des Entwurfs Püpte aber dafür sorgen, daß derselbe mit jedem Jahre wiederkehre; Beharrlichkeit führe zum Ziel.

Abg. Auer (Sol.) erklärt, seine Partei stimme dem Antrage zu, wenn er auch lange nicht weit genug gehe. Es wäre endlich an der Zeit, das Wahlrechtsalter auf das 21. Lebensjahr herunterzusetzen. Ferner wünschten die Sozialdemokraten, daß die schon im Wahlgesetz verheißene periodische Neueintheilung der Wahlkreise erfolge. Zur Zeit habe ein lippescher Wähler 16 mal so viel Wahlrecht wie ein Verliner des VI. Wahlkreises. Welche Machenschaften bei den Wabhlen, zumal auf den Gutshöfen, im Schwange seien, bewiesen die Akten

der Wahlprüfungskommission. Abhilfe für die Ungleichartigkeit der

mmzettel werde sich nur dadurch schaffen lassen, wenn Sihhe und Gewicht einbeitlich festgesett und das Kuvert mtlich gestempelt würde. Auch die Verlängerung der Wahlzeit um eine Stunde und die Bestimmung, daß die am Schluß der Wahlzeit schon lokal Anwesenden noch abstimmen dürften, seien sehr noth⸗

; Gesetze und Anordnungen

den, so lange sie beständen,

Posadowskv betont; dies gelte

direkten und geheimen Wahlrecht.

n 1, ien sich einig in dem Bestreben,

die Ausübung dieses Wahlrechts möglichst zu beschränken. In Sachsen eien die alten Mittel zur Einengung der Agitationen immer noch im Schwange, man habe aber bei der letzten Wahl auch noch neue Mittel dazu in Anwendung gebracht auf dem Wege der Benutzung des Groben⸗Unfugs⸗Paragraphen. Redner führt eine Reihe von Bei⸗ wesche beweisen sollen, daß durch das Vorgehen der Be⸗

hörden das Versammlungsrecht und die Theilnahme an Versamm⸗ lungen beeinträchtigt oder völlig illusorisch gemacht werde.

Die Abgg Werner (Resormp) und Freiherr von Schele⸗

Wunstorf (b. k F.) treten unter Anführung von ihnen bekannt ge⸗

wordenen, wie sie behaupten, besonders krassen Verletzungen des Wahl⸗ geheimnisses ebenfalls für den Antrag Rickert ein.

Abg. Ernst (fr. Vgg.) weist darauf hin, daß die meisten Proteste gegen konservative Wahlen einliefen, daß also auch die Konservativen U sache hätten, für den Antrag zu flimmen. Die im Interesse der Manneewürde vom Freiherrn von Stumm erhobene Forderung der öffentlichen Stimmabgabe werde erst erfüllbar sein, wenn jeder Wähler sich in unabhängiger sozialer Position befinde. In der Provinz gee hätten sich die Distriktskommissare geradezu zu konservativen

ah machern herausgebildet, und von einer geheimen Wahl sei namentlich in den ländlichen Gebietstheilen absolut nicht die Rede.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum: Ich werde nicht auf Vor⸗ gänge in meinem Wahlkreise eingehen. Die Mehrheit des Hauses will das Wahlrecht ändern; wir wollen es beim Bestehenden belassen,

und uns wirft man vor, wir wollten es abschaffen! Das behaupien Sie ohne Ber chtigung. (Zurufe links: Graf Mirbach!) Das schließt nicht aus, daß wir das Wahlrecht kritisieren, wie es der Vater dieses Antrages jeden Tag an dem preußischen Wahlrecht thut Wir

wünschten, Alle unterwürfen sich so dem geltenden Reichswahlgesetz, wie wir. Es ist durch nichts erwiesen, daß das Wahlrecht kein ge⸗

heimes sei. Was uns hier erzählt worden ist, kennen die Herren nicht

aus eigener Wissenschaft, sondern es sind ihnen gemachte Mittheilungen, von denen erfahrungsmäßig nur der kleinste Theil wahr ist.

Denken Sie doch an die Bebel'schen Mittheilungen in militärischen Sachen! Die Thatsachen, die das geheime Wahlr cht kompromittieren, sind nur sehr minimal Das Wahlrecht ist im Ganzen ein geheimes; die Aus⸗ schreitungen sind bei einem System, das Sie vorschlagen, auch nicht ausgeschlossen Für ein im Ganzen bewährtes Wahlrecht wollen wir kein System eintauschen, welches unpraktisch ist und der Lächerlichkeit anheimfällt. Die Wünsche, das Wahlrecht zu ändern, kommen von der Seite, welche die Ausdehnung des Wahlrechts auf 21 Jahre und welche die Diäten will. Wir können ja darüber in Berathung treten, aber einseitige Anträge, wie der vorliegende, haben keine Berechtigung.

Wenn etwas aus der Sache werden soll, müßte doch auch der Bundes⸗

rath zustimmen. B

Abg. Dasbach (Zentr): An den Verfassungsbestimmungen über die Wahl wird durch den Antrag Rickert nicht das Mindeste geändert. Es soll nur den schlimmsten Mißbräuchen, die mit der Wahlfreiheit wirthschaftlich abhängiger Wähler getrieben werden, endlich ein Riegel vorgeschoben werden. Redner schildert, wie es nach seinen persönlichen Erlebnissen im Saarrevier, speziell auf dem Hütten⸗ werk Brebach, im Gebiete des Freiherrn von Stumm, bei der Wahl⸗ agitation zugegangen sein solle, und behauptet, daß dort mit durch⸗ sichtigen Stimmzetteln für die Wahl des dem Freiherrn von Stumm genehmen Kandidaten operiert worden sei, daß ferner, entgegen den vorher getroffenen Abmachungen, die Form der Stimmzettel auf jener Seite geändert worden sei, und zwar viermal an einem Tage, weil die Zentrumspartei sofort die neue Form nachzuahmen bemüht ge⸗ wesen sei. Auch in der Faltung der Zeutel in Fidibusform hätte man ein Mittel enndeckt, die geheime Stimmabgabe illusorisch zu machen. Der Bundesrath habe es nicht einmal der Mühe werth gehalten, einen Grund der Ablehnung anzugeben. Es seien aber die Gründe des Bundesraths so fadenscheinig, daß er sich schämen müsse, die⸗ selben anzugeben

Präsident Graf von Ballestrem ruft den Redner wegen der letzteren Aeußerung zur Ordnung.

Abg. Freiherr von Stumm: Herr Dasbach hat hier über mich objektive Unwahrheiten vorgetragen, wie sich schon aus oberflächlicher Kenntnißnahme der Verhandlungen über meine Wahl von 1890 er⸗ giebt, wo er mein Gegenkandidat war. Die Arbeiter in Brebach sind garnicht meine Arbeiter, ich bin nur an dem Werk betheiligt. Mit Entrüstung weise ich die Behauptung zurück, daß irgend ein Beamter von mir sich eine unberechtigte Wahlbeeinflussung erlaubt hätte. Herr Dasbach hat ja einen sehr umfangreichen Wahlprotest gegen meine Wahl eingereicht, über den wir ja später verhandeln werden; es wird sich zeigen, daß auch hier wieder bis auf Kleintgkeiten Alles unwahr ist. Seine Presse hat einen unerhörten Verleumdungsfeldzug gegen mich und meine Freunde angestellt; so war behauptet worden, die von mir den Arbeitern zugestandene Theuerungszulage sei ihnen auf Umwegen an Lohn gekürzt worden. Die Sache wurde als gänzlich unwahr vor Gericht erwiesen, aber der Effekt der Verleumdung war erreicht. Mit dem Vorschlage der Verwendung gleicher Stimm⸗ zettel hatte uns Herr Dasbach lediglich eine Falle gestellt...

Fissat Graf von Ballestrem: Ich kann nicht zugeben, daß ein Reichstagsabgeordneter von einem anderen Reichstagsabgeordneten sagen darf, er habe eine Falle gestellt.

Abg. Freiherr von Stumm (fortfahrend): Herr Dasbach war damals nicht Abgeordneter.

Präsident Graf von Ballestrem (unterbrechend): Herr Dasbach ist aber Abgeordneter.

Abg. Freiherr von Stumm: Ich empfehle allseitig, erst das Ergebniß der Wahlprüfung abzuwarten.

Abg. Gröber (Zentr.) führt aus, daß heute allerdings hüben wie drüben zahlreiche Behauptungen über Verletzung des Wahl⸗ geheimnisses beweislos aufgestellt seien. Darauf komme es aber für die Entscheidung nicht an. Es bandle sich ja nicht um Abänderung des Wahlgesetzes, sondern um Schutz des geltenden Wahlrechts. Man brauche doch nur an die typisch gewordene Behandlung des Wahl seheimnisses in Bochum und Dortmund zu erinnern in Neun⸗ irchen und Saarbrücken scheine es nicht viel anders zu stehen —, um

die dringende Nothwendigkeit Ri

des Antrages Rickert darzuthun

Auch in Württemberg habe sich das System der Kuverts mit dem Isolierraum sehr gut bewährt. Die Wahlprüfung gehöre zu den wesentlichen Rechten des Hauses und könne nicht foerhehebes werden. Eine besondere Wahlprüfungskommission sei unentbehrlich. Die Kom⸗ mission sollte sofort an die größten und schwierigsten Wahlprüfungen gehen, dann würde schon ein erbeblicher Fortschritt gemacht werden. Abg. Bindewald (Reformp.) unterstützt den Antrag Rickert und polemisiert dann gegen einige Angriffe des Abg. Ernst auf die Antisemiten. Ein Vertagungsantrag wird abgelehnt. Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Val (nl.), Dasbach, Liebermann von Sonnenberg (Re ormp.), Ernst, Freiherr von Stumm und Bindewald schließt die erste Berathun In zweiter werden die einzelnen Paragraphen des

Gesetzentwurfs ohne Debatte unverändert gegen die Stimmen der Rechten angenommen.

Schluß nach 6 ½ Uhr. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr. (Post⸗Etat.) 1

Haus der Abgeordneten. 28 10. Sitzung vom 1. Februar 1899.

Die zweite Berathung des Staatshaushalts⸗ Etats für 1899 wird beim Etat der landwirthschaft⸗ lichen Verwaltung und zwar bei dem Titel „Gehalt des Ministers“ fortgesetzt.

Abg. Pleß (SZtr.) bestreitet, daß es mit der Fleischnahrung der Arbeiter so sehr schlecht bestellt sei. Die Arbeitslöhne seien erheblich gestiegen, vom Standpunkt der Handwerksmeister aus sogar sehr unangenehm hoch. Demgegenüber könne er sehr wohl begreifen, daß die Landwirthe auch entsprechend hohe Preise für ihre Produkte haben wollten. Redner tritt dann dafür ein, daß die Verunreinigung der Flußläufe durch die Abwässer der Fabriken verhindert werde.

Abg. Gothein (fr. Vgg.): Das Verlangen des Vorredners kommt darauf hinaus, daß den Grundbesitzern eine ausreichende Grund⸗ rente gesichert werden soll, und zwar soll sie ebenso hoch sein wie zur Zeit der hoben Bodenpreise in den siebziger Jahren und zur Zeit des dohen Zinsfußes. Die Kapitalrente ist aber von 5 auf 3 % herab⸗ gegangen. Es ist gestern davon gesprochen worden, daß die Städte, welche eine Schlachtsteuer erheben, überhaupt keine Berechtigung hätten, über Fleischnoth und hohe Fleischpreise zu sprechen. Ich bedauere, daß Breslau noch eine Schlachtsteuer hat. Aber

jese Steuer ist keine Erfindung der Kommunen, sondern sie wurde vom Staate erhoben und schließlich den Kommunen überwiesen. Wir leben jetzt in der Zeit der höchsten Fleischpreise. Das Schweinefleisch kostete in den fünfziger Jahren 60 und jetzt 150 Darüber kann besonders Herr Stephan aus Oberschlesien Auskunft geben. Die Viehzucht wollen wir auch gegen Seuchengefahr Hn wir verlangen nur eine Erleichterung der Einfuhr lebenden Viehes in den Grenzbezirken. Es ist doch geradezu komisch, daß 1368 Schweine für Oberschlesien keine Seuchengefahr bedeuten, daß aber das 1369. Schwein so sehr gefährlich sein soll. Aus den oberschlesischen Schlachthäusern ist noch niemals die Seuche eingeschleppt worden. Durch die Grenzsperre wird der Preis des Fleisches künstlich in die Höhe getrieben. Redner wendet sich dann gegen die Zuckerausfuhrprämien, welche in Höhe von 13 Millionen Mark von den Konsumenten aufgebracht werden müßten, um dem Auslande billigeren Zucker zu verschaffen. Auf die Dauer, führt er aus, kann diese Prämie nicht aufrecht erhalten werden. Herr von Mendel hat gemeint, daß der Staat fuüͤr die Kornhäuser auch die Ver⸗ waltungskosten übernehmen müsse. Das ist mehr als naiv. Aus den Ausführungen des Finanz⸗Ministers klang es auch schon heraus, daß er für die Landwirthschaft schon so viel gethan habe, daß ihm zu thun fast nichts mehr übrig bleibe. Aber die Landwirthschast meint, daß er doch immer noch mehr thun müsse. Die Brandenburgische Land⸗ wirthschaftskammer verkauft alles Mögliche, namentlich Düngemittel, aber nur in Waggonladungen; das kommt doch nur den großen Grund⸗ besitzern zu gute. Und für diese Zwecke werden sogar die Einnahmen verwendet, die aus den Steuern herrühren. Wenigstens muß man das aus dem Etat entnehmen. Redner erklärt sich schließlich auch gegen die Uebertragung der Bauverwaltung an das landwirthschaftliche Ministerium und fährt fort: Wenn es sich um die Wasserbauten an den schlesischen Gebirgeflüssen, bei Hirschberg ꝛc., handelt, so kommen dabei doch mehr städtische als landwirthschaftliche Interessen in Frage. Das richtigste sei, neben einem selbständigen Eisen⸗ hahn⸗Ministerium ein besonderes Bauten⸗Ministerium zu schaffen. Es wird vielfach gesagt, daß man mit der Anlage von Wasserstraßen auch gleich die Meliorationen verbinden müsse. Das ist nur eine schöne Verbrämung. Besser ist es, mit den Meliorationen selbständig vorzugehben, denn bei den Wasserstraßen wird das Schiffahrtsinteresse immer die Hauptsache bleiben. Die Herren von der Rechten haben die ruhige und sachliche Tonart des Herrn Ehlers gelobt gegenüber den Angriffen, die sonst von unserer Seite kommen. Aber sachlich ist das, was Herr Ehlers gesagt hat, dasselbe, was ich sage, und wenn die Tonart vielleicht bei mir etwas anders klingt, so liegt das an dem Echo, welches ich zuweilen dort drüben finde.

stei Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ tein:

Meine Herren! Ich bedauere, daß einige, wie ich glaube, durch⸗ aus unrichtige Darlegungen des Herrn Vorredners mich zwingen, auf einzelne Punkte seiner Ausführungen kurz einzugehen.

Der Herr Abg. Gothein hat zunächst über die Domänenverpach⸗ tungen gesprochen und ausgeführt, der Grund dafür, daß die Erträge aus der Verpachtung der Domänenvorwerke in den letzten Jahren zurückgeblieben seien, sei wesentlich mit darin zu suchen, daß eine ver⸗ kehrte Art der Verpachtung der Domänen stattfände, und dabei hat er hervorgehoben und das ist der einzige Grund, womit er diese Behaup⸗ tung substantiiert hat —, das sogenannte Pachtgelderminimum werde den Bietenden bekannt, und daher wüßten sie genau, bis zu welcher Höhe sie bieten müßten, und gingen naturgemäß darüber nicht hinaus. Meine Herren, die Domänenverpachtungen geschehen, wie auch dem Landtage wohl bekannt ist, prinzipiell auf dem Wege der öffentlichen Lizitation, von der nur in ganz besonderen Ausnahmefällen abgewichen wird. Es werden diejenigen Vorwerke, die in dem nächsten Jahre zur Ver⸗ pachtung gelangen, durch öffentliche Bekanntmachung durch die ganze Monarchie veröffentlicht, sodaß jeder, der geneigt ist, ein Vorwerk zu pachten, darüber orientiert ist, wo solche Vorwerke pachtlos sind, und dann steht jedem, der pachtlustig ist, die Einsicht in die Pacht⸗ bedingungen frei. 8

Was aber den Vorwurf betrifft, daß das Pachtgelder⸗ minimum, und zwar, wie Herr Gothein sagte, wesentlich durch Schuld der Domanial⸗Departements⸗Räthe, den Pachtlustigen bekannt würde, so ist das ein ganz unerhörter Vorwurf, der umsoweniger zu⸗ trifft, als in den letzten Jahren Pachtgelderminima überhaupt nicht mehr förmlich festgesetzt werden. (Zuruf des Abg. Gothein: Habe ich auch gar nicht gesagt!)

Herr Richter hat ebenfalls den Vorwurf gegen die Departe⸗ ments⸗Räthe erhoben, und indirekt hat Herr Gothein das auch ge⸗ than; denn wenn ein Pachtgelderminimum bei der Regierung fest⸗

gestellt worden ist, und das würde den Pachtlustigen vorher bekannt

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gegeben, so könnten es wieder nur diejenigen Beamten sein, die die Verwaltung führen, durch deren Indiskretion so etwas in die Oeffent⸗ lichkeit kommt. Ich muß mit aller Entschiedenheit unsere Departements ⸗Räthe gegen solche direkte und indirekte Vorwürfe in Schutz nehmen. (Bravo! rechts. Zuruf des Abg. Gothein.) Der Herr Abg. Richter hat den direkten Vorwurf ausgesprochen, und hier ist ein solcher Vorwurf indirekt ausgesprochen! (Widerspruch des Abg. Gothein.)

Ich muß sodann auf eine Aeußerung zurückkommen, die über die Zuckersteuer und namentlich das Prämiensystem von Herrn Gothein gemacht ist. In der Sache stehe ich vollständig auf dem Boden seiner Anschauung; auch ich halte es für durchaus erwünscht und zweckmäßig, daß wir zur Beseitigung des Prämiensystems kommen. Die Schluß⸗ folgerungen, die aber Herr Gothein aus dem jetzt thatsächlich bestehenden Prämiensystem gezogen hat, halte ich für absolut falsch. Jedenfalls sind sie insofern falsch, als Herr Gothein sagt, das deutsche Prämiensystem diene lediglich dazu, die amerikanische Zucker⸗ produktion groß zu ziehen. Das ist zweifellos falsch. Wenn diese seine Ansicht richtig wäre, dann ginge dieser Vorwurf nicht gegen Deutschland allein, sondern gegen alle Staaten, die Prämien geben. Meine Herren, wir sind bereit, den Boden der ““ zu betreten. Aber, meine Herren, darüber kann doch kein Zwelfel sein: wenn nicht alle übrigen Staaten das Prämiensystem abschaffen, dann waren wir doch außerordentlich thöricht, wenn wir das einzige Mittel, um unsere Zuckerindustrie lebensfähig zu erhalten, nicht aufrecht er⸗ hielten; wir würden, wenn wir dies in einer so schwierigen Situation aus der Hand gäben, unsere Zuckerindustrie einfach dem Untergang preisgeben. (Sehr richtig! rechts.) Die Gesichtspuakte sind ja so ergiebig und ausführlich bereits im Reichstage bei Erlaß des Zuckersteuergesetzes behandelt worden, daß es sich für mich erübrigt, hier noch weiter auf die Sache einzugehen. (Sehr richtig! rechts.) Bei der Gelegenheit sind dieselben Anschauungen die Herr Gothein heute hier vorgebracht hat, auch im Reichstage von der linken Seite des Hauses vorgebracht worden. Die Mehrheit des Reichstages und ich glaube, auch die Mehrheit dieses Hauses steht nicht auf dem Standpunkt, daß wir durch momentane Be seitigung unseres Prämiensystems unsere, Gott sei Lob und Dank! bisher gesunde Zuckerindustrie gefährden sollen.

Dann hat der Abg. Gothein dem Herrn Finanz⸗Minister vor geworfen, er sei nicht gehörig orientiert. habe ich eine vollständige Substantiierung dieser Behauptung aus der Darlegung des Herrn Gothein nicht zu entnehmen vermocht. (Sehr gut! rechts.) Aber ich bin in der Lage, Herrn Gothein den Vorwurf zu machen, daß er seinerseits Behauptungen aufstellt, wo er vollständig unorientiert ist. (Sehr richtig! rechts.) Der Herr Gothein geht bei seinen Darlegungen über die Organisation des Wasserbau⸗ wesens von der Voraussetzung aus, daß, wenn und die Frage ist ja noch unentschieden der landwirthschaft⸗ lichen Verwaltung die Verwaltung des gesammten Waffer⸗ wesens übertragen werden sollte, im Großen und Ganzen der landwirthschaftlichen Verwaltung eine durchaus neue Zuständigkeit, eine durchaus neue Thätigkeit zugewiesen werden würde. Alle die Dinge, die Herr Gothein hier hervorgehoben hat: die Bekämpfung der Hochwassergefahren in den Privatflüssen, in den Gebirgsflüssen, die Eindeichungen, auch soweit es sich um den Schutz der Städte handelt, u. s. w. gehören schon nach der bestehenden Organisation zur Zuständigkeit des landwirthschaftlichen Ressorts. (Sehr richtig! rechts.) Der Grund, weshalb man vielleicht der landwirthschaftlichen Ver⸗ waltung noch eine weitergehende Zuständigkeit überweisen sollte und könnte, der liegt lediglich darin, daß die Theilung der Zuständig⸗ keit in der Verwaltung der wasserwirthschaftlichen Verhältnisse, wie sie zur Zeit besteht, den Erfolg in hohem Maße ge⸗ fährdet. Ein großes Flußgebiet mit seinen Quellgebieten und Rebenflüssen, mit allen Maßnahmen, die durch Drainage, Entwässerung, durch Hochwasserschutz u. s. w. getroffen werden, bildet ein untrenn⸗ bares, zusammenhängendes Ganze. Es ist daher in hohem Grade bedenklich, wenn die staatliche Verwaltung dieses Ganzen bei zwei und mehr Behörden getheilt ist. Und so ist die Sache jetzt. Das Ver⸗ kehrswesen auf unseren öffentlichen Strömen und die Kanalbauten sind dem Herrn Arbeits⸗Minister überwiesen. Das ganze Landeskulturinteresse, das bei den Eindeichungen, einschließlich der Seedeiche, der Abwehr von Hochwassern, den Einwirkungen auf die Nebengelände in Betracht kommt, ferner die gesammte Verwaltung der nicht schiffbaren Ströme, gehört gegenwärtig zur Zuständigkeit des landwirthschaftlichen Ministeriums. Wenn nun das ausgeführt würde, was Herr Gothein wünscht, nämlich die Errichtung eines Bauten⸗Ministeriums, so würde nicht die landwirthschaftliche Verwaltung das ausgedehnte Gebiet be⸗ halten, was sie bisher auf dem wasserwirthschaftlichen Gebiet besitzt, sondern dieses ganze Gebiet würde der landwirthschaftlichen Verwal⸗ tung entzogen. Das ist der Wunsch des Herrn Gothein. Ja, meine Herren, ich möchte doch glauben, daß, wenn Herr Gothein sich in diesen Dingen mehr orientierte, er sich überzeugen würde, daß sowohl die Forstverwaltung wie die Domänenverwaltung, die in der inten⸗ sivsten Weise bei dieser Frage betheiligt sind, ferner das Moorwesen, die Landesmeliorationen, die allgemeine Pflege der Wasserwirthschaft im Interesse der Landeskultur, also eine der wesentlichsten Grundlagen für die Förderung der Landwirthschaft überhaupt, der landwirthschaft⸗ lichen Verwaltung entzogen werden nach dem Wunsche des Herrn Gothein, einem im wesentlichen technischen Ministerium übertragen werden würde.

Auch in anderen Punkten erweist sich Herr Gothein als voll⸗ ständig unorientiert. Er hält dem Herrn Finanz⸗Minister vor, daß er vor Jahr und Tag einen Ausspruch gethan habe, wonach der Finanz⸗Minister gerade derjenige sei, der dasselbe Ziel bei der Neu⸗ organisation der Wasserbauverwaltung wie Herr Gothein verfolge. Meine Herren, das ist ganz was Anderes, was der Herr Finanz⸗ Minister s. Z. gesagt hat. Er hat von einer General⸗Direktion des Wasserbaues gesprochen, das wäre ein technisches Organ, wie der Herr Finanz⸗Minister es aus seiner Thaͤtigkeit in der früheren hannoverschen Verwaltung kannte, das lediglich technische Fragen bearbeiten und den sämmtlichen Ressortministerien, die übrigens ihre Zuständigkeit behalten würden, als technische Hilfsbehörde unterstellt sein würde. Also kein technisches Ministerium, sondern eine unter den Ministerien stehende technische Stelle. Das ist etwas ganz Anderes, und es hat sich daher wieder erwiesen, daß Herr Gothein auch in dieser Frage nicht völlig orientiert ist über das, was der Herr Finanz⸗Minister hat sagen

wollen. Ich möchte meinen Kollegen, der leider hier im Hause nicht anwesend ist, dagegen in Schutz nehmen. (Bravo! rechtsl)

Auch in dieser Beziehung