1899 / 33 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 07 Feb 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Neumann: Ich habe doch auch seitens der Finanzverwaltung das hohe Haus u bitten, daß es uns nicht zu einem Vorgange dränge, der pon recht mißlichen Folgen be⸗ gleitet sein könnte. Es ist ja kurz bereits zur Sprache gekommen, daß es sich lediglich um eine gewisse Verschiebung in den Zwischen⸗ stufen handelt, die die betreffenden Postdirektoren, nachdem sie ihr jetziges Gehalt erreicht haben, noch durchzumachen haben werden, bis sie ins Hochst ehalt eintreten. Da ist anzuerkennen, daß diese Zwischenstufen 88 manchen Fällen niedriger sind als diejenigen, die sie erreichen würden, wenn die gegenwärtige Neuregelung nicht ein⸗ träte. Nun haben die Herren aber auf der anderen Seite ganz er⸗ hebliche Vortheile aus der Neure * während nämlich bisher, streng genommen, die 15 Jahre Aufrückungsfrist bis zum Höchstgehalt erst von dem Moment ab rechneten, wo die Betreffenden in die höhere Gruppe eingetreten waren, wird künftig unter allen Um⸗ ständen aber dieses Dienstalter gerechnet von der Zeit an, wo sie überhaupt Postdirektoren wurden. Gerade die Ermöglichung des Durchrangierens ist der Hauptzweck der Neuregelung gewesen, welche die Postverwaltung vorschlägt. Thatsächlich ist den Betheiligten schon bisher das Gehalt zu theil geworden, wie es ihnen nur im Falle des Durchrangierens hätte zu theil werden können; das hat aber der Rech⸗ nungshof moniert, und der Herr Reichskanzler hat entschieden, daß die Gehälter nicht grundsätzlich schon so bewilligt werden konnten. Deshalb muß die Legalisierung durch den jetzigen Etat na⸗ esucht werden. Es steht sehr dahin, ob die Vortheile, die durch diese Legalisierung des Durchrangierens entstehen, nicht noch größer sind als die vorüber⸗ gebende Einbuße, die die Betreffenden erleiden; schon diese thatsäch⸗ liche Unklarheit wird dagegen sprechen, daß die Resolution als räth⸗ lich bezeichnet werden könnte. Es kommen die allgemeineren Gründe dazu, die Herr Direktor Wittko bereits angedeutet hat. Wenn wir bei den höheren Beamten eine Ausnabme machen von dem Grundsatz, daß eine Aufrechterhaltung aller Aufrückungsaussichten für die Beamten kein verbrieftes Recht ist, dann müßten wir dies um so mehr den weniger gut gestellten Subaltern⸗ und Unterbeamten bewilligen. (Sehr richtig! rechts.) Wir hätten, wenn wir derartiges anerkennen wollten, überhaupt das ganze Dienstalterspostsystem nicht einzuführen vermocht. Es ist wiederholt in der Budgetkommission anerkannt worden, daß zahlreiche Beamtenkategorien, die in ihren jeweiligen Aufrückungs⸗ aussichten gewissermaßen an hervorragenden Spitzen stehen, bei der Anlegung des festen Rahmens auf das Niveau haben herunter ehen und sich damit bescheiden müssen, auf den Normalaufrückungsstand zurückzukommen. Es würde, glaube ich, eine große Unbilligkeit gegen andere, besonders auch die geringer besoldeten Beamten sein, wenn der Reichstag in diesem einzelnen Fall bei den höheren Beamten sich für eine Abweichung entschiede. Ich kann daher nur bitten, daß es dabei bleibe, was die Postverwaltung selbst vorgeschlagen hat, und daß nicht durch jene Anträge noch weiter gehende Wünsche zur Geltung kommen. Die Herren Antragsteller werden vielleicht selbst ihren An⸗ trag nochmals in Erwägung nehmen und aus Rücksicht auf die allgemeinen Interessen, die damit verbunden sind, ihn fallen lassen. Abg. Dr. Müller⸗Sagan (fr. Volksp.): Ich gebe zu, daß es außerordentlich schwer ist, die Schädigungen, die in geringer Zahl vor⸗ kommen, zu vermeiden; aber wir sollten doch den Versuch dazu machen durch Annahme des Antrages Bassermann. Ich möchte fragen, sb und wann neue Bestimmungen über die Arbeitszeit der Beamten und Unterbeamten erlassen werden sollen. Es sind viele Beamte weit über das vorgeschriebene Maß hinaus dienstlich in Anspruch genommen worden. Der Staatssekretär hat bei der vorjährigen Etatsberathung eine Aufklärung über diese Frage in Aussicht gestellt. Ferner frage ich, ob der freie Sonntag nach dem Nachtdienst als ein halber Feiertag angerechnet werden soll. Den Beamten, die Sonntags Morgens übermüdet vom Nachtdienst nach Hause kommen, kann man doch den Sonntag Nachmittag nicht mehr als besonderen freien Tag anrechnen. Eine darauf bezügliche sehr alte Bestimmung, wonach in solchen Fällen ein halber freier Tag angerechnet werden soll, sollte nicht mehr aufrecht erhalten werden. Redner wendet sich dann gegen eine Verfügung, welche dahin gehe, daß ein Postbeamter, der mehr als 24 Stunden vom Dienst frei ist, sich nach Ablauf der 24 Stunden melden müsse; also z. B. wenn er am Montag Mittag erst wieder in den Dienst brauche, müsse er sich bereits Morgens

melden. Das sei ein Mißtrauen gegen die Beamten.

Einzelne Ober⸗Postdirektoren, fährt Redner fort, verhalten sich sehr verschiedenartig bei der Bewilligung von Erholungsurlaub. Der Staatssekretär sollte seinerseits für eine gleichmäßige Behandlung Sorge tragen. Es sieht beinahe so aus, als wenn das Plus an Er⸗ holungsurlaub wettgemacht werden soll durch ein Minus an Sonntagsruhe. Die Postdirektoren haben sich in den Wablkampf vielfach eingemischt. In Tilsit hat Graf Pourtalès sich der Beihilfe des Postvdirektors bedient, um eine Empfehlung seiner Kandidatur bei den Postunterbeamten zu erreichen; in seinen Wahlreden und Flug⸗ blättern versprach er Ieg- alles Mögliche an Gehalts⸗ verbessungen. Der Postdirektor hat bestritten, daß er ein Zirkular erlassen habe. Die Sache ist in der „Tilsiter Allgemeinen Zeitung“ erörtert worden, und bei dem gerichtlichen Verfahren dagegen ist fest⸗ estellt worden, daß er wohl um das Zirkular gewußt hat. Fim Mann, der also wissentlich die Unwahrheit gesagt hat, ist des Vertrauens unwürdig. Ein solcher Mann müßte von der Stelle entfernt werden, an der er sich be⸗ findet. (Vize⸗Präsident Dr. von Frege: Ich bitte den Redner, doch nicht einen Beamten wiederholt der wissentlichen Unwahrheit zu be⸗ zichtigen; die Thatsache der Unwahrheit mag feststeden, aber das Wissentliche kann der Herr Abgeordnete doch nicht beweisen.) Ich füge mich, aber ich weiß nicht, wie die Sache sonst klargestellt werden kann. In Saalfeld sind die Assistenten bestraft worden wegen der Verschweigung der Wahrbheit. Daneben kann dieser Fall nicht b⸗stehen bleiben, daß die Hintansetzung der Wahrheit in politischen Fragen straffrei bleibt. Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski: Ich habe, glaube ich, bereits neulich Veranlassung gehabt, die Stellung der Verwaltung uach der Richtung hin klas festzulegen, daß ich für die Ausübung der Dienstzucht meinem Vorgesetzten, dem Herrn Reichskanzler, verantwortlich bin, und daß ich es zurückweisen muß, wenn der Herr Abg. Müller glaubt, eine Berechtigung zu haben, einzugreifen und mir Vorschriften über die Art der Ausübung der Dienstzucht zu machen. Ich bin jeder Zeit gern bereit, alles Material dem hohen Hause vorzulegen; aber wenn der Herr Abgeordnete, der nicht sämmtliches Material zur Verfügung hat, sondern von seinem einseitigen Standpunkt ausgeht, glaubt, mir darüber Vorschriften machen zu können, wie ich die Dienst⸗ zucht ausüben soll, so lehne ich das unbedingt ab. (Unruhe, Wider⸗ spruch und Zurufe links.) Ja wohl, meine Herren, ganz unbedingt! Darüber bin ich nur dem Herrn Reichskanzler verantwortlich. (Zurufe links.) Nein, meine Herren! Verwechseln wir das nicht, das ist ganz etwas Anderes dafür bin ich nicht dem hohen Reichstag ver⸗ antwortlich. Wir würden sonst dann auf dem Standpunkt stehen, daß die Beamten vom Reichstage gewählt werden. Soweit sind wir noch nicht in unserm deutschen Vaterland! Was diesen Fall anlangt, so kann ich nur erklären: mit meinem Wissen und Willen ist nirgend eine politische Agitation seitens der Postverwaltung unterstützt worden, und wo es geschehen ist, meine Herren, bin ich, unbeirrt um irgend welche politische Parteiungen, ederzeit eingeschritten. Sie führen gerade diesen Fall dort an; Sie sehen ja, daß ich dort eingeschritten bin, denn, um Klarheit zu schaffen, habe ich, da ich nicht übersehen konnte, wie die Sache lag, veranlaßt und befoblen, es sollte geklagt werden. Besser kann ich doch wirklich icht vorgehen, als wenn ich im öffentlichen Gerichtsverfahren die

ist nicht ein Druck von anderer Seite geübt, sondern auf meinen direkten Befehl ist die gerichtliche Untersuchung eingeleitet worden. Dabei ist der Redakteur wegen seiner verschiedenen Bezichtigungen verhört und wie der Herr Abg. Müller ganz richtig sagte verurtheilt worden. Weiter aber, meine Herren, habe ich nicht einen Moment geschwankt, dem Herrn Postdirektor mein ernstes Mißfallen über diese Sache auszusprechen. Ich bin auch in anderen Fällen ein⸗ geschritten, wovon den Herren nichts bekannt geworden ist. Ich erachte es eben nicht für richtig, daß eine Verwaltung, die der Allgemeinheit dient, durch einseitiges Vorgehen für eine Partei den Anschein aufkommen läßt, als wenn sie dieser Partei Vorschub leiste. (Sehr gut! in der Mitte.) Also in dieser Beziehung kann man sich nicht beklagen; ich glaube im Gegentheil, daß mir das Haus darin zustimmen wird, daß ich die Angelegenheit dem Gericht übergeében habe, um Klarstellung zu schaffen. Daß mitunter ein Fehler eines Beamten vorkommt, ist ja natürlich; ich selbst spreche mich nicht schuldfrei, ich bin auch nicht ohne Fehler und unfehlbar. So mag auch der betreffende Postbeamte gefehlt haben. Aber das ist zweifellos: ich bin in der Sache aber nicht in der Art vorgegangen, wie der Herr Abg. Müller sie darzustellen und mit Saalfeld zu kombinieren versucht hat.

Was die übrigen Punkte anlangt, so wird Herr Ministerial⸗ Direktor Wittko Ihnen darüber Auskunft geben, daß in der Reichs⸗ Postverwaltung das Bestreben herrscht, bestehende Ungleichheiten be⸗ treffs des Dienststundenplans und der Sonntagsruhe auszugleichen. Aber, meine Herren, vergessen Sie geneigtest nicht, daß in jedem Orte die Verhältnisse verschieden liegen. Eigenthüm⸗ lich ist es auch, daß in demselben Moment, wo der Herr Abg. Müller sich mit der Apostrophe an die anderen Herren wendet: Schutz des Gottesdienstes, er sich mit der Apostrophe an mich wendet, warum werden die Briefe, die zwischen 8 und 9 Uhr früh ankommen, nicht bestellt? Wir haben es eingeführt, daß am Sonntag nur eine Be⸗ stellung sein soll; eine häufigere Bestellung ist eben nicht möglich mit Rücksicht auf die Sonntagsheiligung. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.)

Ich möchte noch die Bitte anknüpfen: wäre es nicht möglich, diese kleinen Detailfragen lieber in der Budgetkommission zu berathen (sehr richtig! rechts und in der Mitte), als hier im Plenum, wo die Fragen nicht so gründlich behandelt werden können und mehr Zeit in Anspruch nehmen? (Sehr richtig! und Bravo! rechts.)

Direktor im Reichs⸗Postamt Wittko: Meine Herren! In Bezug auf die Frage wegen des Dienststundenmaßes der Beamten und Unter⸗ beamten habe ich kurz anzugeben, daß neuerdings Bestimmungen darüber nicht ergangen sind; aber entsprechend der von dem Herrn Staatssekretär im vorigen Jahre ertbeilten Zusage sind über diese Materie Berichte von den Ober⸗Postdirektionen eingefordert worden, über das Dienststundenmaß sowohl der Beamten als der Unter⸗ beamten. Diese Berichte liegen vor, sie sind gesichtet, es haben darauf auch die Besprechungen in der Abtheilung begonnen, sie werden binnen kurzem zu Ende geführt werden, und die Abtheilung wird dann in der Lage sein, dem Herrn Staatssekretär die Vorschläge zu unterbreiten, sodaß binnen kurzem die Verfügungen darüber werden erlassen werden können. Bei der Gelegenheit werden dann auch alle Einzelfragen ihre Erledigung finden, die der Herr Vorredner aufgestellt hat, namentlich also auch die Frage, in wieweit ein freier Sonntag nach dem vorangegangenen Nachtdienst als dienstfreie Zeit zu rechnen ist, ferner auch die Frage, welche Fristen als dienstfreie Zeit zu geben sind in der Zeit vom Sonnabend bis zum Montag. Es werden im übrigen die anderen Fragen, die der Herr Abgeordnete aufgestellt hat, wegen Remscheid und wegen der Urlaubsfrage in Aachen einer näheren Prüfung unterzogen werden. In Betreff der Urlaubsfrage möchte ich nur kurz noch anführen, daß auch im letzten Jahre die Erholungsurlaube in erbeblichem Maße eine Ausdehnungerfahren haben, ganz besonders für die Unterbeamten. Im Jahre 1897 waren von sämmtlichen etatsmäßig angestellten Unterbeamten 47 % auf je 6 Tage im Durchschnitt beurlaubt worden, und im Jahre 1898 hat sich das gesteigert auf 63,7 % mit je 7 Tagen pro Mann, mit Einschluß der Landbriefträger; von den nicht etats⸗ mäßig angestellten Unterbeamten sind im Jahre 1897 21 % beurlaubt gewesen auf je 4 Tage, und das hat sich gesteigert im Jahre 1898 auf 25 % mit je 4 ½ Tagen. Die Aufwendungen, die aus der Kasse für die Erholungsurlaube der Unterbeamten gemacht worden sind, haben sich gesteigert vom Jahre 1897 mit 85 400 auf 194 256 im Jahre 1898, also um mehr als das Doppelte. Daraus geht klar hbervor, daß die Angelegenheit wegen der Erholungsurlaube der Unter⸗ beamten in der besten und erwünschtesten Entwickelung begriffen ist.

Abg. Rickert (fr. Vsg.): Ich beantrage, den Antrag Basser⸗ mann an die Budgetkommission zurückzuüberweisen. Der Staats⸗ sekretär antwortete, daß er für die Dienstzucht lediglich dem Reichs⸗ kanzler verantwortlich sei. Aber der Reichskanzler ist dem Reichstage verantwortlich; also indirekt ist der Staatssekretär auch dem Reichs⸗ tage verantwortlich als Stellvertreter des Reichskanzlers. Wie kommt der Staatssekretär dazu, als Schreckgespenst hinzustellen, daß das dahin führen würde, daß die Beamten vom Reichstage gewählt würden? Dieser Schluß war etwas kühn! Wenn der Staatssekretär trotzdem erklärt hat, daß er eingeschritten sei, so hat er diese Antwort nur gegeben in dem Bewußtsein seiner ö“ vor dem Reichstage. Herr Müller⸗Sagan war vollständig berechtigt, zu fragen, ob das Einschreiten in diesem Falle auch genügte. Wir werden es uns niemals nehmen lassen, den Staatssekretär bei jeder Amtshandlung auch uns gegenüber verantwortlich zu machen.

Abg. Möller (nl): Ich glaube auch namens meiner Freunde erklären zu können und zu müssen, daß der Staatssekretär de facto uns als Stellvertreter des Reichskanzlers hier verantwortlich ist. Ich bin einverstanden mit der Zurücküberweisung des Antrages Basser⸗ mann an die Budgetkommission, um diese schwierige Frage gründlich zu berathen. 3 .

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.): Der Staatssekretär hat aller⸗ dings sein Mißfallen über den Fall in Tilsit ausgesprochen. Aber vielleicht spricht er ein noch viel schärferes Mißfallen aus, wenn er erfährt, wie geradezu ungesetzlich der Postdirektor in Tilsit später verfahren ist. Er hat bestimmt, daß die „Tilsiter Allgemeine Zeitung nicht verbreitet werden solle, obwohl die Zeitung weder gerichtlich noch staatsanwaltschaftlich beschlagahmt war. Er ist deshalb zur Rede gestellt worden und hat sich damit ausgeredet, daß ein Postbeamter ihm erzählt habe, irgend ein Assessor habe die Absicht, die zu beschlagnahmen. Die Postverwaltung hat alle Ver⸗ anlassung, sich mit dem ferneren Verbleiben eines sich derartig ungesetzlich benehmenden Beamten zu beschäftigen. Redner bringt einen Fall zur Sprache, wonach ein Postdirektor erklärt haben soll, daß die Post keine westfälische Gütergemeinschaft kenne, daß daher ein Ehemann aufgefordert worden sei, sich von seiner Frau eine Postvollmacht aus⸗ ste zu lassen. Die Beschwerde werde an die höheren Instanzen gehen, und hoffentlich werde der Postdirektor belehrt werden, daß er sich um die Gesetze zu kümmern und dem Publikum eine höfliche Antwort zu geben habe.

Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielstli:

Die erste Angabe des Herrn Lenzmann anlangend, so bin ich wirklich augenblicklich nicht orientiert genug; ich werde mir aber sofort die Akten kommen lassen und Herrn Lenzmann das Resultat meiner Nachforschung unterbreiten. Es ist thatsächlich, wie ich schon oft aus⸗ führte, nicht mein Wille und meine Absicht, daß irgend ein Beamter die Gesetze des Landes nicht beobachtet. Ich glaube, die Post

Sache klar lege. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.) Also es

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8 2 Was den weiteren von Herrn Lenzmann angeführten Fall anlangt, so trifft er einen der intrikatesten Punkte der Postverwaltung: die Firmeneintragung und die Verpflichtung der Post, den Firmen die Sachen richtig auszuhändigen, ohne daß daraus Schwierigkeiten ent⸗ stehen. Es haben z. B. in Oberschlesien Fälle gespielt mit Ver⸗ einigungen, wo es nach dem Statut unendlich schwer war und ist, festzustellen, an wen behändigt werden soll. Was kommen alles für Sachen in Handel und Wandel vor: heute besteht eine Firma, und plötzlich etabliert sich eine andere mit fast gleichlautendem Namen u. s. w. (Sehr richtig!) In dem speziellen Fall kann es ja sein, daß die untergeordnete Behörde nicht richtig gehandelt hat. Aber der Instanzenzug ist noch nicht erschöpft (hört! hört! rechts und in der Mitte), da die Sache noch nicht dem Reichs⸗ Postamt vorgelegen hat. (Hört! hört!) Wenn von mir aus eine Entscheidung ergangen ist, und Sie glauben dann, daß ich Unrecht habe, dann können Sie die Sache diesem hohen Hause unterbreiten. (Lebhafte Zustimmung rechts und in der Mitte) Aber die Sache ist noch nicht zu mir gekommen. Außerdem, wenn vielleicht ein Postdirektor einmal eine harmlose Redensart macht, wie die: die Post kümmert sich nicht um die Bestimmungen des West⸗ fälischen Güterrechts, dann liegt das wohl daran, daß er nicht in dem⸗ selben Maße wie die Rechtsanwalte Ursache hat, jedes Wort abzu⸗ wägen, aber eine Unhöflichkeit kann ich darin nicht seben. Und was überhaupt die Klagen über Unhöflichkeit betrifft, so glaube ich, die Herren werden mir zugestehen, daß die Postbeamten nicht unhöflicher geworden sind. Ich kann hier nur konstatieren, daß dank der Einwirkung der höheren Postbeamten Ausschreitungen im all⸗ gemeinen unterbleiben. Ich will nicht leugnen, daß mal ein einzelner Fall vorkommt, aber in der Summe können Sie, wenn Sie die Zeitungen durchsehen, nicht sagen, daß etwas von Belang vorgekommen ist. Mein Bestreben ist es immer, höflich gegen das Publikum, gerecht und offen gegen die Beamten zu sein. (Bravo!)

Abg. Singer (Soz.) hält es auch für zweckmäßig, die Frage der Direktorengehälter in der Budgetkommission zu erörtern.

Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski:

Der Abg. Singer hat von Subordination gesprochen, in die ich den Reichstag bringen wollte, der Reichs⸗Postverwaltung oder meiner Person gegenüber. Das hat mir völlig fern gelegen, und ich glaube, wenn Sie meinen Ausführungen gefolgt sind, so werden Sie gefunden haben, daß sie sich lediglich gegen die Darlegungen des Abg. Dr. Müller (Sagan) richteten, die darin gipfelten, daß dem Postdirektor ein erheblicher, schwerer Vorwurf hier öffentlich gemacht wurde, ohne daß der Betreffende sich zu vertheidigen in der Lage war, und daß mir darüber, wie ich die Dienstzucht ausüben sollte, gewissermaßen Vorschriften gemacht wurden. Ich habe ausdrücklich erklärt, ich bin bereit, jeden Fall offen und klar dem Reichstage zu unterbreiten; das ist ein anderes Ding, meiner Ansicht nach, als wenn der Reichstag bezüglich des Strafmaßes und in welcher Weise ich vorzugehen habce, der Verwaltung etwa Vorschriften machen will. Was der Abg. Singer angeführt hat, sieht so aus, als wenn er der Reichs⸗Postverwaltung und mir gegenüber ein Rückzugs⸗ gefecht noch anfangen will, wo er noch einige Kanonenschüsse abgiebt, aber sich eigentlich schon in einer nicht gerade sehr angenehmen Position befindet. (Zuruf links.) Zunächst ich glaube, richtig seine Worte gehört zu haben sagte er: der Reichskanzler ist dem Reichstage für alles verantwortlich, was im Deutschen Reich passiert. Ja, meine Herren, das ist unmöglich, und ich meine, das hohe Haus wird nicht glauben, so weit gehen zu können und zu dürfen. Weiter hat der Abgeordnete gesagt, ich wollte mich aus einer Schlinge ziehen. Ich glaube, ich habe von vornherein dem hohen Hause das Eine unterbreitet, daß ich die Straffestsetzungen nicht von untergeordneten Behörden habe vornehmen lassen, sondern sie persönlich vorgenommen habe, um vor Ihnen dafür hier die Verantwortung zu übernehmen. Also ich habe doch wahrlich nie ein Bestreben gezeigt, mich aus einer Schlinge zu ziehen, sondern, im Gegentheil, das, mit meiner Person voll und ganz für das einzutreten, was geschehen ist. (Bravo! rechts.) Weiter sagen Sie, Herr Abgeordneter Singer, ich hätte Laster und Niederträchtigkeiten Ihnen vorgeworfen. Meine Herren, Sie kennen mich wahrlich doch lange genug; bin ich eine Persönlichkeit, die irgend Jemand, der mit mir verkehrt und mir bekannt ist, Gemeinheit oder Laster oder Aehnliches vorwirft? Ich glaube, das können Sie in keinem meiner Worte, wenn Sie die Stenogramme durchsehen, finden. Ich habe nur gesagt: ich halte es für völlig ausgeschlossen, daß ein Beamter, der den Eid der Treue dem Kaiser geleistet hat, sozial⸗ demokratischen Agitationen nach irgend einer Richtung hin Vorschub leistet. Gesinnungsriecherei zu treiben, ist nicht meine Absicht, und wenn mir unter Hinweis auf den Saalfelder Fall vorgeworfen wird: warum gehst du nicht gegen die Anderen vor, die solche Dienststunden⸗ pläne veröffentlicht haben? so muß ich sagen, jener Fall ist durch Zufall an mich gekommen, nicht durch mein Bemühen; ich will nicht Jeden schwören lassen, ob er den Plan veröffentlicht hat. Ich balte das nicht für richtig. Aber wenn ich einen Fall herausfinde, der des Ein⸗ schreitens bedarf, dann trete ich mit meiner Person ein, wie dies hier der Fall war. Die geringe Zahl von Bestrafungen, die ich leider habe eintreten lassen müssen, beweist, daß ich nicht mit rauher Hand vorgehe. Ich frage mich oft: hast Du nicht zu großes Wohl⸗ wollen, und ist nicht Dein Wohlwollen vielleicht geeignet, die Ord⸗ nung im Dienstbetriebe, deren Grundlage die Dienstzucht doch ist, unter Umständen in Frage zu stellen? (Bravo! rechts.)

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Der Reichskanzler und seine Stell⸗ vertreter sind dem Reichstage verantwortlich für alle bereits ge⸗ troffenen Maßnahmen, aber nicht für erst noch zu treffende Maßnahmen. Die erstere Verantwortung wollte der Staats⸗ sekretär wohl auch nicht ablehnen. Die soldatische Aufrichtig⸗ keit und Offenherzigkeit hat mir gerade an dem Staats⸗ sekretär gefallen. Daran sind wir nicht sehr gewöhnt, der Reichstag sollte das sehr hoch schätzen. Herr Lenz⸗ mann hat eine noch im Instanzenwege befindliche Sache hier vorgebracht. Das ist bedenklich, weil damit eine alte Uebung des Reichstages verlassen wird, daß wir uns mit solchen Fragen erst beschäftigen, wenn der Instanzenweg erledigt ist. Herr Singer hat gemeint, den Staatssekretär für das Vorgehen des Tilsiter Post⸗ direktors verantwortlich machen zu können. Sollte den pflichttreuen Beamten nicht das maßlose Vorgehen sozialdemokratischer Blätter gegen die Postverwaltung bekannt eworden sein? Ich weise nur auf das Vorgehen des „Vorwärts“ hin gegen⸗ über dem Staatssekretär, der sich noß seiner Erkrankung hierher schleppt und in Pflichttreue sein Ressort vertritt. Solcher

Gefühlsrohheit gegenüber wäre es kein Wunder, wenn die Postbeamten unwillig sind. Mir ist erst heute eine Menge von hämischen Angriffen

kann volles Vertrauen nur genießen, wenn sie sich streng an die Landes⸗ gesetze hält. (Sehr gut!)

des „Postboten“ zugestellt worden von Beamten, die darüber empört

sind. Wenn die Postverwaltung schließlich einschreitet, so sind die⸗ jenigen daran schuld, welche die Postverwaltung in dieser Art und Weise reizen. Redner empfiehlt edenfalls die Ueberweisung des An⸗ trages Bassermann an die Budgetkommission.

Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski:

Ich halte mich für verpflichtet, weil der Herr Abg. Dr. Lieber

meine Ausführungen betreffs des Tilsiter Falls vielleicht nicht ganz

genau gehört hat, dieselben nochmals karz zu wiederholen.

Meine Herren, zunächst kam zu meiner Kenntniß ein Artikel der „Neuen Tilsiter Zeitung“, so heißt sie, glaube ich, wonach gelegentlich der Wahlkämpfe und Stichwahlen ein Flugblatt seitens der Unterbeamten des Postamts in Tilsit erlassen war. Ich erachtete es nicht für richtig, daß das geschehen war, und ordnete eine Unter⸗ suchang an. Da sich Beschuldigungen der Beamten seitens jener Zeitung ergaben, nahm ich Veranlassung, die Beamten anzuweisen, im Wege der gerichtlichen Klage gegen die Zeitung vorzugehen, damit nach jeder Richtung hin Licht in die Sache käme. Die Untersuchung hat das Ergebniß gehabt, das der Herr Abg. Müller angeführt hat, daß nämlich der Postdirektor sichanscheinend nicht korrekter Ausdrucksweise, wie ich es milde nennen will, bedient hat. Ich gehe nicht so weit wie der Herr Abgeordnete Müller, weil ich nach Lage der Akten nicht zu einer so scharfen Beurtheilung der Verhältnisse gekommen bin. Ich habe wegen dieses Vorkommnisses und auch wegen der Wahlagitation der Beamten dem Postdirektor mein Mißfallen ausgesprochen; denn ich erachte jeden Postdirektor für alles verantwortlich, was in seinem Amte auch von seinen nachgeordneten Beamten geschieht.

Was die Vorgänge betrifft, die der Herr Abgeordnete Lenzmann angeführt hat, so glaube ich nicht, daß der Postdirektor die Zeitungen widerrechtlich zurückgehalten hat, ich werde mir aber die Akten sofort kommen lassen und sie prüfen. Es wird geschehen, was Rechtens ist. (Bravo! rechts.)

Abg. von Kardorff (Rp.): Herr Singer hat mitgetheilt, daß ein konservativer Vertrauensmann, Bürgermeister von Torgau, um die sozialdemokratischen Stimmen sich beworben habe. Der Bürger⸗ meister wurde von dem Partei⸗Comité desavonirt. Er war vollständig entgleist und zwar auch bürgerlich entgleist. Er wurde wegen übler Perdiengen verurtheilt. Haben Sie nicht auch manches schwarze

f unter sich gehabt?

Abg. Dr. Müller⸗Sagan: Im Wahlkreise Sagan⸗Sprottau hat der Landrath zwei Sozialdemokraten in seiner Equipage umhergefahren, um sozialdemokratische Stimmen gegen mich zu werben. Die Sozialdemokraten haben diese beiden Genossen aus⸗ gestoßen, diese haben aber für die Konservativen weitergearbeitet. Herr Singer befindet sich durchaus nicht auf dem Rückzuge. Ich wüßte auch nicht, weswegen. Die Thatsachen liegen vor, und wenn der Staatssekretär auch meint, daß die Fragen zu seiner engeren Verantwortlichkeit gehören, so sind wir der Meinung, daß der Reichstag der Platz dazu ist, sie zu erörtern, daß solche Dinge nicht in der Budgetkommission verhandelt werden.

Abg. Dr. von Levetzow (d. kons.): Ich muß erklären, daß so etwas, wie es Herr Müller erzählt hat, nicht vorgekommen sein kann. Wir kennen kein Bündniß mit den Sozialdemokraten. Jeder, der ein e Bündniß versuchen würde, würde aus unseren Reihen entfernt

erden.

Der Ausgabetitel wird mit dem Antrage Bassermann der Budgetkommission überwiesen. G

Bei den Ausgaben für die Gehälter der Postsekretäre weisen die Abgg. Rickert und Stoecker (b. k. F.) darauf hin, daß die neue Gehaltsregulierung für diese Beamten ebenfalls manche Härte mit sich bringe.

Die Gehälter werden genehmigt. Die Gehälter der Ober⸗ Post⸗ und Postassistenten, sowie die Ausgaben für die Stellen⸗ zulagen werden der Budgetkommission uͤberwiesen, weil viel neues Material vorliege.

Bei den g der Telegraphen⸗ und Telephon⸗ gehilfinnen fragt

Abg. Dr. Müller⸗Sagan, ob es richtig sei, daß die Post⸗ verwaltung eine Anzahl junger Damen einberufen habe, um in der Bedienung des Morse⸗Apparates ausgebildet zu werden. Sie hätten während der dreimonatigen Ausbildungszeit nichts erhalten. Nur eine kleine Zahl derselben sei nachher angestellt worden, den anderen sei gesagt worden, daß die Zahl der Angemeldeten über den Bedarf binausgehe. Durch die größere Einstellung der weiblichen Kräfte werde die Anstellungsmöglichkeit der männlichen Bewerber vermindert.

Unter⸗Staatssekretär im Reichs⸗Postamt Fritsch: Meine Herren, wir haben zu den Stellungen der Beamtinnen im Telegraphen⸗ und Fernsprechdienst einen sehr großen Andrang, und wir müssen die Be⸗ werberinnen, um es ihnen für die Zukunft zu ermöglichen einzutreten, ausbilden lassen. Die Bewerberinnen sind vollständig darüber unter⸗ richtet, daß sie während der Ausbildungszeit keine Entschädigung aus der Postkasse zu erhalten haben und daß sie, wenn die Ausbildungszeit vorüber ist, und sich keine Gelegenheit bietet, sie gegen Tagegeld zu beschäftigen, zu warten haben. Es ist das ein Verhältniß, worüber die Damen durchaus nicht im Zweifel gelassen werden, was ihnen bei ihrer Annahme ausdrücklich erklärt wird. Was die weitere Bemerkung des Herrn Vorredners anbetrifft, daß durch die Zulassung weiblicher Anwärter der Uebelstand, daß jetzt ein Ueberschuß von Beamten vorhanden ist, noch verschärft würde, so ist eher das Umgekehrte der Fall. Wir hoffen gerade durch die Zulassung von Damen eine Milderung bez jetzigen Uebel⸗ stands zu erzielen. Der Ursprung des Ueberschusses liegt darin, daß wir im Verhältniß zu den enenager Assistentenstellen zuviel Hilfs⸗ arbeiter haben. iese rechnen selbstverständlich auf Anstellung. Wir müssen ein gewisses Maß von Hilfskräften haben für Aushilfen und Vertretungen. Gehen wir über das richtige Verhältniß hinaus, so haben wir später die Verlegenheit der An⸗ stellung der zu zahlreichen männlichen Anwärter, während, wenn wir Damen zulassen, das Verhältniß richtiggestellt wird. Wir haben weniger Anwärter für die Anstellung in den Assistentenstellen, in dem wir uns der weiblichen Hilfskräfte bedienen. Es ist also eher das Umgekehrte von dem zu erwarten, was der Herr Vorredner befürchtet.

Abg. Prinz zu Schönaich⸗Carolath (nl.) begrüßt es mit besonderer Freude, daß der Staatssekretär auf Grund der Anregung im Reichstage der Frage näher getreten sei, ob und inwieweit Frauen im Postdienste gebraucht werden könnten.

Abg. Dr. Müller⸗Sagan bedauert, daß der Staatssekretär noch keine Erklärung abgeben könne über die schon mehrfach angedeutete Personalreform.

Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski:

Was zunächst die Anregungen des Abg. Dr. Müller anlangt, durch die er den Titel 22 gewissermaßen indirekt wieder in die Dis⸗ kussion zieht, so glaube ich es ablehnen zu müssen, heute eine Er⸗ klärung abzugeben, dazu wird der Moment gekommen sein, wenn der bezügliche Titel im hohen Hause zur Berathung steht und ich die Beschlüsse der Budgetkommission zu diesem Titel kennen werde. Was die zweite Frage anlangt, die Frage der Beschäftigung weiblicher Personen, so muß in jedem Beruf eine Vorbereitung statt⸗ finden; ob es ein Postgehilfe, ob es eine Dame ist, die im Fern⸗ sprech⸗ oder Telegraphendienst Verwendung finden will, sie müssen alle zunächst ausgebildet werden, damit sie die nöthigen Fertig⸗ keiten und Kenntnisse erlangen, um das Examen zu bestehen,

sodaß n sie, wenn Vakanzen eintreten, einberufen kann

eintreten. Ich bin dann nicht in der Lage, die Damen einzuberufen;

Wenn ich heute sage, ich will 50 Damen ausbilden, so kommen sie alle mit der Erwartung, bald eintreten zu können, was ich ihnen nicht verdenke; aber die Verwaltung kann nur sagen: wir können euch erst annehmen, wenn ihr ausgebildet seid und sobald eine Stelle frei ist. Daß man keine Garantie geben kann, daß das in einem Monat geschieht, und daß die ersten schneller daran kommen, als die letzten von den fünfzig, das ist, meine ich, naturgemäß. Das liegt in den Verhältnissen, und ich kann keine Beeinträchtigung darin sehen. Wenn die Verwaltung die Damen unentgeltlich ausbildet, so müssen sie dafür dankbar sein; dann stehen sie auf der Exspektanten⸗ liste und kommen nach Maßgabe der freiwerdenden Stellen zur Ver⸗ wendung. Zur Ausbildung ziehen wir auch nicht blindhinein etwa Tausende heran, sondern nur soviel, als Stellen nach der Wahrschein⸗ lichkeitsberechnung frei werden.

Abg. Stoecker ist der Meinung, daß die Frauen im Post. und Telegraphendienst nur verwendet werden f0ia,,5 soweit es der Betrieb gestatte; die öffentlichen Betriebe müßten auch den Frauen, die sich nicht mehr verheiratheten, eine Verwendung ihrer Kräfte ermöglichen.

Abg. Dr. Vielhaben (Reformp.): Wie verträgt sich aber die Verwendung der Frauen im Telegraphendienst mit dem Recht der Militäranwärter? Die Anstellung der Frauen geschieht doch nur zur Verdrängung der Männer, weil sie billiger sind. Dadurch würden nach und nach sämmtliche Beamten und vielleicht der Staatssekretär r2.⸗ d geaeer.

g. Möller: Um eine fiskalische Ersparnißmaßregel handelt es sich bei der Anstellung der Frauen nicht. Se.eben dienst sind die Damen besonders gut verwendbar.

Abg. Prinz zu Schönaich⸗Carolath spricht nochmals dem Staatssekretär seinen Dank aus dafür, daß er, der Anregung des Reichstages folgend, Frauen in den Postdienst genommen habe.

Abg. Dr. Müller⸗Sagan weist darauf hin, daß die Zahl der Anwärter für die Assistentenstellen sehr stark angewachsen sei, daß die Aussichten auf Anstellung für die Männer vermindert würden durch die Anstellung der Frauen.

Die Ausgaben werden genehmigt. Bei den Ausgaben

für 8s mten weist 8

g. Möller darauf hin, daß die Anfangsgehälter der Post⸗ unterbeamten 88 Verhältniß zu den Tbafanceece aeisfed 1. einzelnen Orte ständen; man werde eine Ausgleichung nur dadurch herbeiführen können, daß Theuerungszulagen gewährt würden. Redner schlagt vor, die ortsüblichen Tagelöhne als Skala für diese Zulage zu benutzen.

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Neumann: Den Anregungen des geehrten Herrn Abgeordneten steht die Reichsverwaltung zustimmend gegenüber. Es ist bereits bei der Vorbereitung des diesjährigen Etats von seiten verschiedener Verwaltungszweige zur Sprache gebracht, daß bei der Regelung der Unterbeamtenbesoldung, wie in anderen Be⸗ ziehungen, so namentlich auch insofern über die Wünsche des Reichstags werde hinausgegangen werden müssen, als man insbesondere den mit geringen Anfangsgehältern Bedachten eine nicht pensionsfähige Zulage werde geben sollen zum Ausgleich zwischen den sehr verschiedenen Theuerungsverhältnissen, die innerhalb des großen Reichsgebiets bestehen, namentlich zwischen dem Osten und dem Westen und Süd⸗ westen. Diese Anregungen haben nicht sofort zu abschließenden Ver⸗ handlungen geführt, wenigstens nicht schon dann, als es sich darum handelte, den Reichs⸗Etat vorzulegen. Dieser muß be⸗ kanntlich sehr viel früher vorgelegt werden als der preußische Staatshaushalts⸗Etat, er soll schon im Oktober hlce sein. Es ist selbstverständlich, daß ein so schwieriges Gebiet wie die Feststellung von angemessenen Grundsätzen darüber, was unter Theuerung zu verstehen sei, nicht kurzer Hand zu erledigen ist. In⸗ zwischen sind aber die Verhandlungen so weit gefördert worden, daß eine Ver tändigung ganz so, wie sie inzwischen nachträglich in der preußischen Verwaltung erfolgt ist, auch für das Reich zu erwarten steht, und ich kann die Erklärung abgeben, daß wir in keinem Fall mit den Zuwendungen für die Post und für alle anderen Reichsressorts die Post allein kommt keineswegs in Betracht hinter demjenigen zurückbleiben werden, was in der preußischen Verwalfung zugebilligt wird. Es wird also jedenfalls im nächsten Jahr, wie der Herr Abgeordnete es wünscht, vielleicht sogar, falls ein Nachtrags⸗Etat in diesem Jahr überhaupt noch vorgelegt werden sollte, bereits im Nach⸗ trags⸗Etat, mit solchen Theuerungszulagen der Reichsta settigt werden. Ich möchte mir nur noch erlauben zwe kleine Punkte zu berichtigen, die der Herr Abgeordnete erwähnte. 2 ½ Millionen Mark sind in Preußen für sämmtliche Ressorts aus⸗ gebracht worden, nicht bloß für die Eisenbahn. Dann hat er auch bemerkt, daß ein Postunterbeamter, der mit 900 anfange, wohl auf dieses Einkommen beschränkt sei. Das ist insofern nicht richtig, als der Unterbeamte ja auch den Wohnungsgeldzuschuß bezieht und zeitens die Vortheile der Kleiderkasse hat. Die Postbeamten geben zur Kleiderkasse etwa 7 jährlich zu und dabei haben sie vollständig freie Dienstkleidung, wenigstens die Hauptausrüstungsstücke. Das sind ja aber nur Nebenpunkte.

Abg. Stoecker: Die Zusage des Vertreters des Reichs⸗Schatz⸗ amts wird ja wobl allseitige Befriedigung erregen; ich wünsche den Erwägungen besten Erfolg.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Die Debatte bestätigt nur, daß wir im vorigen Jahre richtig handelten, als wir die Gehälter der Staats⸗ sekretäre verweigerten, bis auch den Unterbeamten gebolfen sein würde. Nachdem die Gehaltsfrage geregelt ist, muß auch die Frage der Theuerungszulagen ihre Erledigung finden.

Bei den Gehältern der Landbriefträger empfiehlt Abg. Schmidt⸗Warburg (Zentr.), einem ihm zugetragenen Wunsche entsprechend, den Karriolposten, welche weitere Strecken zu durchfahren haben, das Posthorn zu belassen. Das Posthorn sei noch das einzige Romantische in der Post.

Bei den Ausgaben für Wohnungsgeldzuschuß em⸗ pfiehlt der

Abg. Singer, entsprechend einer früheren Resolution des Reichs⸗ tages, die Lostrennung des Wobnungsgeldzuschusses von dem Servis⸗ tarif. Durch die Presse gebe aber die Nachricht, daß in dieser Frage tiefer Friede herrsche, daß die Trennung dieser beiden Dinge für die nächsten Jahre nicht zu erwarten sei.

Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts, Dr. Freiherr von Thielmann:

Ich kann die gestellte Anfrage sehr kurz beantworten. Die in großem Umfang angestellten Erhebungen und die auf Grund dieser Erhebungen angestellten Berechnungen haben ein Ergebniß ge⸗ oliefert, das vorläufig den Schluß zuließ ich sage: kein endgültiges Ergebnis —, daß im Großen und Ganzen die Bedingungen des Servis und des Wohnungsgeldzuschusses sich decken; einige Orte können selbstverständlich Abweichungen verzeichnen. Dieser erste Schluß ist indeß noch nicht der endgültige; denn von manchen Stellen wird eine etwas abweichende Schlußfolgerung aus den Ermittelungen ge⸗ zogen. Es schweben darüber augenblicklich zwischen den betheiligten Ressorts noch weiter Verhandlungen, deren Abschluß in allernächster Zeit noch nicht zu erwarten ist. Daß die Sache aber begraben ist, wie der Herr Abg. Singer aus dem Zeitungsartikel zu entnehmen glaubt, ist nicht richtig.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Dann kann ich nur wünschen, da die Entscheidung recht bald herbeigeführt wird. 8 6 8

Es vergehen aber Wochen, Monate, vielleicht ein Jahr, ehe Vakanzen

ich kann dies nur nach Maßgabe der vorhandenen Stellen thun.

Die Abag. Dr. Müller⸗S und Dr. Sattler nl.) schließen sich diesen Ausführungen vollständig an. Bei den Ausgaben für die Postagenturen empfiehlt der Abg. Prinz zu Schönaich⸗Carolath eine bessere Aus⸗ gestaltung der Postagenturen auf dem Lande, namentlich wenn der Geschäftsumfang derselben ein größerer werde, sodaß der Inhaber der Agentur seinen wirthschaftlichen Geschäften entzogen werde. Wenn eine größere Postagentur nachher plötzlich in ein Postamt III. Klasse umgewandelt würde, dann müßte man dem bisherigen Inhaber für die Uebergangszeit eine gewisse Entschädigung gewähren. Unter⸗Staatssekretär im Reichs⸗Postamt Fritsch: Der bestebende Verwaltungsgrundsatz ist der, daß die Postagentur nur eine Neben⸗ beschäftigung bilden soll. ürde man davon abgehen, so würde man die Postagenturen umwandeln zu vollen Fach⸗ anstalten, würde man die Postagenten zu Fachbeamten machen. Es ist also nothwendig, festzuhalten an dem Charakter der Fsteeerlesstises. Diesem Charakter entsprechend ist auch die den Postagenten zu zahlende Vergütung bemessen. Die Ver⸗ gütung ist nicht gleichmäßig bemessen für sämmtliche Agenturen, sondern sie schwankt nach dem Geschäftsumfang der Agenturen. Es wird bei der Bemessung der Vergütung auch Rücksicht genommen auf die Länge der Dienstzeit des Agenten. Wir müssen an diesen wesent⸗ lichsten Bedingungen festhalten. Wir gehen, wenn der Moment eintritt, wo der Geschäftsumfang so angewachsen ist, daß ein Fachbeamter nöthig wird, über zur Umwandlung der Postagentur in ein Postamt; immerhin wird selbst dann mit möglichster Rücksicht auf die Person des Post⸗ agenten verfahren. Wünscht der Agent auch unter den schwierigeren Verhältnissen die Agentur weiterzuführen, und ist vor allen Dingen seine Persönlichkeit geeignet für die größeren Aufgaben, so läßt die Verwaltung ausnahmsweise zu, daß die Postagentur von dem Agenten fortgeführt wird. Es wird also in einem solchen Falle Abstand ge⸗ nommen von der Umwandlung. Wir können selbstverständlich alsdann nicht etwa eine andere b eintreten lassen, denn wir würden sonst eine besondere Art von Agenturen erhalten, Agenturen mit der Besoldung von größeren Postanstalten, von Postämtern. Sollte jedoch der Agent auszuscheiden haben, so ist nicht ausgeschlossen, daß wir in begründeten Fällen ihm in Anerkennung seiner Dienste eine Entschädigung gewähren, die natürlich nicht sehr boch bemessen werden kann. Ich kann mich also dahin zusammenfassen, daß ich sage: Tritt der Moment für die Umwandlung der Postagentur ein, erreichen die Postgeschäfte einen solchen Umfang, daß ihre Wahrnehmung einen

nahme auf die Person des Agenten vorgegangen.

Abg. Singer (Soz.) die Einführung von Hllfsleistungen auch für die sehr belasteten Landbriefträger g5 fordert für Ueühaaßen beamten eine Normalarbeitszeit; in den letzten Jahren sei zwar die Zahl der Bearaten vermehrt, aber auch die Zahl der wöchentlichen Dienststunden des Einzelnen erhöht worden.

Direktor im Reichs⸗Postamt Wittko: Ich möchte den Herrn Vorredner auf eine Erklärung verweisen, die ich heute in einem früberen Stadium schon abgegeben habe. Die Frage wegen des Dienststundenmaßes der Beamten und Unterbeamten unterliegt, wie ich mitgetheilt habe, der Erwägung, und es stehen binnen kurzem neue Be⸗ stimmungen darüber in Aussicht. Es wird dabei auch die Frage wegen des Dienstmaßes der Landbriefträger geprüft werden. Wir können allerdings im großen Ganzen auch jetzt schon nicht zugeben, daß die Landbriefträger überbürdet sind, im Gegentheil hat im allgemeinen das Dienststundenmaß der Landbriefträger sich in neuester Zeit recht be⸗ friedigend gestellt. Die Landbriefträger sind im Durchschaitt auf ein Leistungsmaß von 25 km pro Werktag gekommen, sit haben meist den Sonntag ganz frei, oder wenigstens die Nachmittage der Sonntage zweifellos ganz frei; sie sind vom Nachtdienst völlig befreit, sodaß sie im Ganzen gegenüber den Orts⸗Unterbeamten entschieden günstiger gestellt sind. Es ist möglich gewesen, dieses günstige Verhältniß zu erreichen, weil wir schon während einer Reihe von Jahren Mittel gehabt haben, um die noth⸗ wendigen Verbesserungen im Landbestelldienst nicht allein im Interesse des Publikums, sondern auch im Interesse der Landbriefträger durchzuführen. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß wir in dem hier vorliegenden Etat bei Tit. 26 700 neue Stellen ausgebracht haben; diese sind nicht nur ausersehen, um dem steigenden Bedürfniß des Verkehrs zu genügen, sondern gleichzeitig, um auch Erleichterungen für die Landbriefträger herbeizuführen. Ich möchte ferner den Herrn Abgeordneten darauf hinweisen, daß beim Titel 34 nur 220 000 laut Erläuterungsspalte in Abgang gebracht werden als Gegenrechnung für die Ausbringung von neuen etatsmäßigen Stellen; bei Titel 25 und bei Titel 26 sind zusammen 2800 neue etatsmäßige Stellen ausgebracht worden. Ich glaube, wenn man da⸗ gegen den verhältnißmäßig geringen Betrag von 220 000 als Gegenrechnung ansieht, dann ist sofort klar, daß ein erheblicher Be⸗ trag bei dem Tit. 34 übrig bleibt, um weitere Kräfte diätarisch ein⸗ zustellen; und es ist für uns wirklich keine Sorge, wir haben aus⸗ reichende Mittel auch gegenwärtig schon, um die Landbriefträger nach allen Richtungen hin in Bezug auf ihr Leistungsmaß günstiger zu stellen. Ich wiederhole: im großen Ganzen ist das Leistungsmaß schon jetzt ein befriedigendes, zweifellos bestehen auch Fälle, wo Ab⸗ hilfe nothwendig, wo eine Verbesserung erforderlich ist, und die wird auch im Laufe des nächsten Jahres herbeigeführt werden können.

Abg. Dr. Müller⸗Sagan fragt an, ob die Postgehilfen auch verpflichtet seien, häusliche Dienstleistungen bei den Postbeamten, denen sie zugetheilt sind, zu übernehmen.

Bei den Betriebskosten der Post, insbesondere für den Eisenbahntransport, führt Pos⸗ s für den

häufig in Viehwagen verladen würden, die nicht einmal genügend gereinigt seien.

„Direktor im Reichs⸗Postamt Krätke: Der Herr Vorredner mag überzeugt sein, daß wir selbst den dringenden Wunsch haben, unsere Unterbeamten in den Bahnposten so gut unterzubringen, wie es möglich ist, und wir sind ja dem hohen peus⸗ sehr dankbar, daß Sie uns in jedem Jahre eine Summe bewilligen, um so viel wie möglich Bahnpostwagen anzuschaffen. Aber, meine Herren, trotz aller dieser Fürsorge ist es doch nicht möglich, daß wir in Ausnahmefällen sicher sind, nun immer die richtigen Wagen und die genügend große Zahl an Wagen bereit zu haben. (Sehr richtig! rechts.) Da tritt ein, was in jedem Wirthschaftsbetrieb eintritt. Wir können eben nicht alles bereit haben, wir sind darauf angewiesen, der Eisenbahn zu sagen: sei so gut und stelle uns Ersatzwagen. Diese Wagen sind das es ich dem Herrn Vorredner sagen zu können o, wie sie sein können. Es sind keine Salonwagen, aber sie sind so beschaffen, daß man einmal darin unterkommen kann. Für Beleuchtung und ähnliche Sachen sorgen wir auf das beste. Ein großes Unglück wird es ja wohl nicht sein, wenn der Unter⸗ beamte für ein paar Stunden einmal in solchem Wagen vorlieb nehmen muß. Es passiert Allen ja als Soldaten z. B. bei einer Mobilmachung —, daß wir bei unverhofften Ereignissen zufrieden sein müssen mit dem, was sich bietet; und ich möchte den Herrn Vor⸗ redner bitten, überzeugt zu sein, daß wir nach allen Richtungen hin bestrebt sind, so gut wie möglich für unser Personal zu forgen, aber bei Ausnahmefällen geht es nicht anders, und Klagen sind uns nicht zugekommen. Wenn der Herr Vorredner die Güte haben wollte, die⸗ jenigen Unterbeamten, die sich an ihn wenden, zu veranlassen, an ihre vorgesetzte Behörde zu gehen, dann, glaube ich, wäre viel eher eine Abhilfe möglich. (Sehr richtig! rechts.)

Bei dem Zuschuß zu den Kleiderkassen erklärt der Scteaatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski: Ich möchte dem hohen Hause die Mittheilung machen, daß ein langgehegter Wunsch, der von allen Seiten der Reichs⸗Postverwaltung entgegengebracht worden ist, nunmehr zur Ausführung kommt, da

für die Unterbeamten genehmigt hat. (Allseitiges lebhaftes Bravo.)

Fachmann erfordert, so wird doch immer mit der thunlichsten Rücksicht⸗

Bei den Ausgaben für Posthifsstellen empfiehlt der 8 8

Abg. Dr. Müller⸗Sagan Beschwerde darüber, daß die Packete

Seine Majestät der Kaiser die Einführung einer Sommerbekleidung

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